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Von
Bibliothekar Dr. Kohfeldt =Rostock.
N icht viele mecklenburgische Schriftsteller nehmen in der Literaturgeschichte einen so hervorragenden Platz ein wie der aus Parchim gebürtige Dichter und Philosoph Joh. Jak. Engel. Er behauptet mit seinem Landsmann Joh. Heinr. Voß zusammen zwar nicht neben den großen Dichtern unserer Literatur=Blütezeit, aber doch bald hinter ihnen eine Stelle, die immer noch weithin sichtbar ist. Die Zeitgenossen bewunderten Engels vielseitige Schriftstellerei, und auch heute noch ist die Lektüre seiner Hauptwerke, des "Lorenz Stark" und des "Philosophen für die Welt", in mancher Hinsicht interessant. Lorenz Stark, dessen Hauptfigur übrigens die Züge des Parchimer Ratsherrn Brasch, des Schwiegervaters von Engel trägt, ist, wie Goedeke sagt, wenn nicht der Schöpfer, so doch der wirksamste Förderer des Familienromans gewesen. Der "Philosoph für die Welt" (1775, 1777 und 1800) ist für die Denkrichtung der Zeit so charakteristisch, daß die Literaturgeschichte den Titel dieses Buches jenem Kapitel unserer Geistesgeschichte als Aufschrift zu geben pflegt. Auch der Fürstenspiegel Engels, seine Mimik, seine Bühnenstücke und andere Schriften waren ihrer Zeit berühmt. Heute wird man wohl die Empfindung haben, daß Engels Art ein wenig nüchtern ist und daß seine Gedanken nicht gerade tief sind; als einen unserer gewandtesten älteren Prosaschriftsteller wird man ihn auch heute noch schätzen müssen.
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Die Sorgfalt in der Behandlung der Sprache und
eine für die damalige Zeit bemerkenswerte
Leichtigkeit des Stils lassen auch die
Briefproben, die ich hier mitteilen möchte und
die z. T. noch bis in die Studentenzeit Engels
zurückreichen, erkennen. Vor mir liegen neun,
kürzlich in den Besitz der Rostocker
Universitätsbibliothek gelangte Briefe Engels,
drei an seine Mutter, einer an seinen Schwager
und fünf an seinen Neffen gerichtet.
*
) Sie sind
von Karl Schröder in seiner gewissenhaften
Biographie Engels nicht benutzt worden; da sie
aber für Engel, für seine Zeit und auch für
manche mecklenburgischen Verhältnisse
charakteristisch sind, verdienen sie wohl ein
paar Druckblätter, die als Nachtrag zu Schröder
angesehen werden mögen. Um den Raum dieser
Zeitschrift indessen nicht allzu sehr in
Anspruch zu nehmen, lasse ich nur die drei
Briefe an die Mutter im Wortlaut folgen. Von den
anderen sechs Stücken skizziere ich kurz den
Inhalt. 1. An den Prediger Röper in Doberan,
dat. Berlin 12. Aug. 1782: Glückwünsche zu
Röpers zweiter Vermählung, Kränklichkeit habe
den Schreiber verhindert, rechtzeitig zu
gratulieren, er möchte dem Schwager gern das
älteste Kind abnehmen, aber in seiner
Junggesellen=Häuslichkeit gehe es nicht an. 2.
Parchim, 7. Juni 1796 (an den Neffen, den Sohn
des vorigen): Verschiedene
Besorgungsangelegenheiten (Tabak, Lehnstuhl,
Leinwand
.).
3. Schwerin, 23. Junius 1798 (an denselben): Übersendung eines Opusculum; nächsten Monat wolle Schreiber nach Berlin reisen, er gibt dem Neffen Ratschläge betreffs seiner schriftstellerischen Arbeiten und schließt das herzliche Schreiben mit der Wendung: "ich möchte Euch alle nach der Reihe beim Kopfe nehmen und küssen."
4. Berlin, 25. Sept. 1799 (an denselben): Überall
rühme man den jungen Pastor Röper in Doberan, er
solle aber keine großen Hoffnungen auf Einnahmen
aus schriftstellerischen Arbeiten setzen. Klagen
über das eigne schlechte Befinden. Anfrage, ob
die Lesegesellschaft in Doberan eingerichtet
sei, die man im Sommer beabsichtigt habe. Ein
paar Worte über die Lektüre von Garve, Herder
. "Einen dritten Theil meines
Philosophen schriebe ich noch gern, wenn ich den
Winter über so viel gesunde Tage fände, das was
fehlt hinzuzuarbeiten. Die größte Hälfte ist
fertig." 5. Berlin, 30. April 1800 (an
denselben): Übersendung eines Exemplars des
"Philosophen". Klagen über schlechte
Gesundheit, er habe den Tod schon nahe gefühlt.
Einiges über Röpers Schriftstellerei
. "Wie gern wäre ich einmal wieder
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da; aber, ihr guten Thürme von Rostock! meine Augen haben euch wohl zum letzten Male gesehen, und mein Herz zum letzten Male euch zu sehen sich gefreut. Denn meine Kraft sinkt zum Grabe." 6. Berlin, 19. Juli 1800 (an denselben): Übersendung eines Opusculum, Ermunterung des Neffen zu schriftstellerischen Arbeiten, Dank für Einladung nach Doberan und Familiennachrichten. -
Hier die Briefe Engels an seine Mutter. Der erste beweist zugleich, daß Schröders Vermutung, Engel sei erst nach dem Tode seines Vaters nach Leipzig gegangen, nicht zutrifft; es wird also wohl Nicolais Angabe, Engel sei im Dezember 1764 nach Leipzig übergesiedelt, richtig sein.
1.
Meine Hertzlichgeliebte Frau Mama,
Ein Verlust nach dem andern! Ein Hiobsbote nach dem andern! Ein Schmertz nach dem andern! Gütiger Gott, an welchem unglücklichen Tage habe ich Parchim verlassen! Bin ich denn darum nur weggereiset, daß ich keinen meiner Anverwandten, meiner nächsten Anverwandten, keinen Vater, keinen Großvater wieder sähe! Ich muß vor jedem Briefe zittern, den ich von Hause bekomme; jeder schmerzt mich in die Seele. Bey allem dem Verluste, den ich mit Ihnen theile, muß ich noch das traurige Elend haben, daß mich die Nachrichten überfallen, da Sie doch noch almählig zum Troste vorbereitet werden; ich muß den letzten Segen meiner Aeltern nicht empfangen; ich muß keinen Menschen haben, der zu meinem Schmertze nur eine traurige Mine machte. Da ich auf dem Punkte bin, daß ich den Grund zu meinem Glücke legen soll, da bin ich nicht im Stande, einen ordentlichen Gedanken zu fassen; ich bin ganz zerstreüet und habe keine Zeit wieder zur Vernunft zu kommen. Wie viel tausend Thränen haben mich Ihre letzten Briefe nicht gekostet! Wie habe ich mich zwingen und meinem gantzen Hertzen Gewalt anthun müssen, besonders den letzten auszulesen! Je schöner, je vortrefflicher sein Innhalt war, der mir auf ewig heilig sey und den der erbarmende Gott tief in mein Hertz drücke, um desto weniger kann ich mich fassen. Ach, meine allerliebste Mutter, Sie
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liegen mir am meisten am Hertzen, und die Vorstellung von Ihrem unaussprechlichen Kummer ist mir vollends unerträglich. Gott ist mein Zeuge, daß ich mit Thränen daran, noch vor diesem unglücklichen Briefe, und oft daran gedacht habe, wie Sie Sich wohl bey der Krankheit härmten, ängstigten und abmergelten: Und wie muß Ihnen jetzt zu Muthe seyn! Was muß jetzt in Ihrem Hertzen vorgehen! Mein Vater ist glücklich; das ist er wahrhaftig und ich will Gott auf meinen Knien dafür danken, daß er es ist; ich will ihm für alle die überschwängliche Gnade danken, die er auf seinem Todesbette so treu und göttlich an ihm erwiesen hat. Aber wie werden Sie Sich nicht haben; wie wird Ihnen nicht, bey aller der untrüglichen Ueberzeugung von seiner ewigen Herrlichkeit, das Hertz von Betrübniß gepreßt werden! Dieß ist mir ein gar zu ängstlicher Gedanke; denn so tief mir auch der Verlust eines Vaters, dessen Gemüth so zärtlich war, und der für mein ewiges Heil in seinen letzten Stunden noch so väterlich gesorget hat, so tief er mir auch in die Seele dringt; so ist doch die Nachricht von seinem Tode so beschaffen, daß sie Freudenthränen erregt und eine unendlich schöne Hofnung der seligen Unsterblichkeit beweißt, die der Lohn eines gläubigen Christen ist. Die Betrachtung ist allein vermögend, zu trösten, und wenn man sie recht erschöpft, recht in sie eindringt. so muß unausbleiblich eine himmlische Freude im Hertzen entstehen, und es kann nur eine äußerliche Betrübniß überbleiben, die jene ebenso wenig unterdrücken kann, als die Schmertzen des herannahenden Todes meinem sterbenden allermeisten Vater seinen unverwandten Blick auf Christum Jesum und seine unüberwindliche Hofnung der nahen Herrlichkeit haben verrücken können. Ich weiß es, meine Mutter, daß Sie Ihre Tage und Ihre schlaflosen Nächte mit diesen heilsamen Vorstellungen verbringen, und Sie haben auch nichts bessers, nichts süßers zu Ihrem Troste. Die Gnade Gottes mache ihn recht lebhaft, durchdringend und unüberwindlich in Ihrer Seele. Und da Sie Sich mit nichts vortreflicherm beschäftigen können; so bitte ich Sie, machen Sie mir doch eine ganz genaue und umständliche Beschreibung von allen, auch den kleinsten Umständen dieses christlichen Todes. Ich hoffe sie von Ihnen unfehlbar, und ich werde den Brief, darinn sie enthalten ist, die Zeit meines Lebens aufbewahren, daß er mir eine Erweckung zur Buße, eine Beschämung für meine Sünden und ein kräftiger Antrieb zur Gottseeligkeit werde, die uns im Tode nicht verderben läßt. Fassen Sie Sich und seyn Sie stark durch Hofnung! Machen Sie nicht, daß mir ein eben so trauriger
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und kränkender Brief auch von Ihrer Krankheit und von Ihrer Gefahr des Lebens sage. Ich würde ja gantz irre, gantz muthloß werden; ich und meine Geschwister wären ja dann gantz Waisen. Sie schreiben zwar sehr herzhaft aber ich weiß, wie Sie sind, wie Sie Sich um meine seelige Schwester gehabt haben: wie sollten Sie Sich nicht um meinen Vater haben! Ich bitte Sie also um Gottes willen; ich bitte Sie nochmahlen von gantzem Hertzen, seyn Sie recht stark und freudig! Gott erfülle mir den Wunsch meines allerliebsten seeligen Vaters, daß wir alle, so gewiß wie Er, vor dem Throne Gottes wieder zusammen kommen! Machen Sie Sich auch keine Sorge um meinen lieben Bruder! Es ist freylich sehr gut, daß Sie ihn nach Halle schicken; denn sein Studiren war schlecht und die Zeit war doch da, daß er studiren mußte. Wenn der große Gott mich beym Leben erhält und mir hilft, wie ich vertraue; so werde ich gewiß zu seinem Fortkommen alles, was nur immer in meinen Kräften steht, beytragen. Ich werde ihn als den Gegenstand betrachten, der außer der natürlichen Liebe, die man einem Bruder und noch vielmehr einem eintzigen Bruder schuldig ist, auch noch durch seinen Nahmen mich erinnert, daß ich den besten Vater gehabt habe, und der mir Gelegenheit giebt, die Dankbarkeit, zu der ich meinem Vater verpflichtet war, ohne sie ihm beweisen zu können, einigermaßen an ihm zu zeigen. Die Anführung auf den Schulen in Meklenburg ist die elendeste Stümperey; in Sachsen ist es freylich gantz anderß. Ich zweifle also nicht, daß mein lieber Bruder, wenn er durch die Vorsorge meines Herrn Schwagers auch eine gute Aufsicht bekömt, zu den akademischen Jahren wohl werde vorbereitet werden, und in seinen akademischen Jahren hoffe ich durch Gottes Gnade, im Stande zu seyn, für ihn recht brüderlich zu sorgen. Das ist mein Wunsch, mein größter Wunsch, den ich jezt auf der Welt habe, daß Sie die Jahre, die Ihnen Gott noch bestimmt hat, mit Zufriedenheit und Freude an Ihren Kindern zubringen mögen: Und wenn ich Ihnen auch Trübsaale erregt habe, die mir immer empfindlicher und schmertzhafter werden, je mehr Ihnen die Vorsehung andere Trübsaale zuschickt, welche gewiß nicht hätten vermehrt werden dürfen; so bin ich doch dessen schon von Ihrer mir alzu überflüssigen Güte versichert, daß Sie die Rechnung meiner Vergehungen schon durchstrichen haben, und ihrer nicht mehr gedenken. Mögte ich nun im Stande seyn, Ihnen recht vieles Vergnügen zu machen! Noch einmahl; der Herr beweise an Ihnen die Größe und den Reichtum seiner Barmherzigkeit
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und erhalte Sie mir und meinem Geschwister lange, lange! Bleiben Sie mir günstig, meine betrübte, allerliebste Mutter! Ich bin unaufhörlich
Leipzig, | Ihr gehorsamster Sohn |
den 1765. | J. J. Engel. |
P. S. Ich brauche kein Geld; ich habe noch genung. Wenn ich mit meiner Wirthin werde Rechnung gemacht haben, der ich noch für den Tisch schuldig bin, so werde ich sehen, wie viel ich übrig behalte, und werde Ihnen schreiben.
2.
Liebste, Verehrteste Mutter,
Hoffentlich hat mein guter Bruder Ihnen schon von mir gesagt, in welchem Zustande ich hier angekommen, mit ganz verbrannten und wunden Gesichte, worauf sich ein sehr schmerzhaftes Blutgeschwür an der rechten Wade einstellte, an welchem ich auch jetzt noch heile, das aber Gottlob! in der Besserung ist. Empfindlicher ist mir, daß mein linkes Auge wieder schwach wird und sich einige Entzündung äußert: ich hoffe indessen, wenn nur erst die künstliche Wunde am Arm wieder ihre volle Schuldigkeit thut, daß es auch hiermit sich geben soll.
Mein Schicksal hat sich nicht ganz so entschieden, wie ich es wünschte, aber so, wie ichs erwarten konnte. Unendlich verteilhafter für mich und auch für mein Herz wohltätiger wäre es gewesen, wenn ich in der Nähe einer alten geliebten Mutter, die ich doch alle Jahre wenigstens einmal sahe, meine wenigen übrigen Tage hätte verleben können: indessen habe ich gelernt, mich in mein Schicksal zu finden, und unangenehm ist doch auch dasjenige nicht, welches der König, der hier mit Recht unendlich geliebt und geehrt wird und von dem man noch täglich neues Gute hört, mir bestimmt hat. Da meine Gesundheit mich nicht zu Ihm ließ; so stellte ich Ihm schriftlich vor: Daß ich mit den mir bestimmten 600 rth. an einem Orte, wie Berlin, unmöglich mit einigem Anstande und einiger Bequemlichkeit würde leben können; daher ich mich genöthigt sähe, entweder um die Erlaubnis zur
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Rückkehr in mein Vaterland oder um Verbesserung meines Gehalts aus der Casse der Akademie zu bitten, deren Gelder zwar gegenwärtig alle erschöpft wären, die aber vom künftigen neuen Jahre an einen beträchtlichen Zuwachs ihrer Einkünfte erhielte. Auf das erstere hat der König, wie Sie aus nachstehender Antwort ersehen, gar nicht geachtet; desto gnädiger aber das letztere bewilligt.
"Hochgelahrter pp. mit Vergnügen habe ich aus Eurem Briefe vom 11ten d. M. Eure Zurückkunft nach Berlin und Euren Vorsatz, Euch mit neubelebtem Eifer den Arbeiten eines Akademikers zu widmen, ersehen; und nach dem, was Ihr bisher und noch ganz neuerlich durch Euren Fürstenspiegel geleistet habt, verspreche ich mir davon sehr viel Gutes und Vorzügliches. Ich werde daher auch bei dem neuen Etat der Academie dafür sorgen, daß Ihr Eurem Beruf Sorgenfrei nachleben könnt, als Euer gnädiger König F. W. Charlottenburg, den 13t Aug. 1798."
Diese Zulage, wie ich von einem anderen Orte her weiß, wird 400 rlh. betragen; nur ist das Schlimme, da der neue Etat nicht eher als vom 1sten Januar k. J. anfängt, daß ich vom Sept. an ein volles halbes Jahr werde warten müssen, ehe ich die ersten 100 rth. davon zu sehen bekomme. Indessen habe ich für mein Auskommen, dem Himmel sei Dank! keine Sorge, wenn ich gleich viel an meine neue Einrichtung wenden muß; ich bin noch recht gut bei Gelde; und erlaubt mir meine Gesundheit, den Winter hindurch etwas für den Druck zu arbeiten, so werde ich eher übrig haben, als daß ich zu kurz käme. Eine Wohnung habe ich mir bereits gemiethet, die Sie so gütig seyn wollen, für die Addressen Ihrer künftigen Briefe zu merken: bei dem Hutlieferanten Hänel in der Neuen Schönhauser Straße: einer Köchinn wegen stehe ich auch schon in Unterhandlung. Es ist eine Person von einigen 40 Jahren, die ich schon von ehedem kenne, und die den Ruhm der Ehrlichkeit hat.
Ich hoffe, Ihnen jetzt Alles gesagt zu haben, was Ihre mütterliche besorgte Güte von mir zu wissen wünschen kann. Mögte ich doch auch von Ihnen recht bald die erfreulichsten Nachrichten hören! Ich denke unablässig an Sie, an jeden seit den letzten 4 Jahren so überreichlich genossenen Beweis Ihrer unerschöpften Güte und Liebe; und jeder dieser Gedanken ist von den heißesten innigsten Wünschen für Ihre Zufriedenheit und Ihr Wohlseyn begleitet. Erhalten Sie mir, auch bei meiner jetzigen weitern Entfernung, Ihre mütterliche Liebe in ihrer
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völligen Stärke. Sie ist die vornehmste Bedingung meiner irdischen Glückseligkeit. Die gute Mutter Völker, das liebe Töchterchen, Sachs, Seidel, und was sich meiner erinnert, also auch vorzüglich die Wittwe Wagner mit ihren Töchtern grüßen Sie herzlich von mir. Der junge Brasch wird mit Beckern vermutlich bald herkommen; durch diefen will ich mich dem alten Oncle empfehlen. Ich küsse Ihnen Mund und Hände, und bin immer und ewig
Ihr | |
Berlin, | gehorsamster dankbarster Sohn |
den 25sten Aug. 98. | J. J. Engel. |
Durch ein Versehen ist dieser Brief einen Posttag lieben (sic!) geblieben. Entschuldigen Sie die Verzögerung! - Von dem alten Jk. * ) hätte ich gern einige Nachricht.
3.
Meine gütigste, verehrteste Mutter,
Herr Amtman Movius hat mir den Brief des Herrn Pastor Wagner sammt der Einlage richtig überliefert, und ich danke Ihnen und den Freunden, die sich bei dieser Gelegenheit so gütig für mich bemüht haben, auf das gehorsamste und herzlichste. Wäre nicht Herr Movius gerade an einem Donnerstage zu mir gekommen und hätte ich nicht am Abend dieses Tages auf der Akademie eine Vorlesung gehabt, oder hätte ich meiner Augen wegen bei Licht schreiben können; so würde ich dem sehr eilenden Manne meine Antwort mitgegeben haben, die ich jetzt durch die Post Ihnen zufertigen muß. Warum haben doch immer die Meklenburger, die nach Berlin kommen. so wenig Zeit, sich hier aufzuhalten?
Meine kleinen Geldgeschäfte zum bevorstehenden Antoni=Termin habe ich schon dem Herrn Secretär Drümmer, der sie gewiß aufs beste besorgen wird, übertragen und ihm meine Wünsche wegen der Uebermachung der Zinsen, auch von dem Walter Steinischen Capitale, eröfnet. Behüte Gott, daß ich meiner alten geliebten Mutter, die mich so großmüthig bedacht
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hat, nun noch mit Correspondenz und Eincassierung und Umsetzung Mühe machen sollte! Tausendmal lieber ihr selbst alle Mühe, auch die kleinste, abnehmen, wenn mir das meine Entfernung von ihr nur erlauben wollte!
- - So weit hatte ich vor etwa 14 Tagen geschrieben, als ich durch einen Besuch unterbrochen ward, der es mir unmöglich machte, mit der damaligen Post den Brief noch abzuschicken. Hinterher befiel mich wieder mein altes Hämorrhoidalisches Uebel und die Augen wurden mir so entzündet. so schwach, daß ich fast besorgte, es mögte damit eben so arg, wie vor 7 Jahren in Schwerin werden. Daher die Verspätung meiner Antwort, die ich Sie nach Ihrer mütterlichen Güte zu entschuldigen bitte. -
Mir ist immer bange, daß der Friede, wofür Gott gelobt sey! die eine üble Folge für Mecklenburg haben wird, mehrere Güterbesitzer zu Grunde zu richten und dadurch auch ihre Creditoren zu armen Leuten zu machen. Die Güter sind zu ungeheuren Preisen gekauft, und können zu Friedenszeiten die Zinsen unmöglich tragen, die sie im Kriege trugen. Ich wünsche und hoffe, daß meine liebe Mutter mit solchen Widerwärtigkeiten, in ihrem Alter verschont bleibe; denn gewiß sind Sie jetzt noch weniger Proceßlustig, als sonst. Wenn es nur künftig keine Processe in unserer eigenen Familie giebt! und das ist in der That zu besorgen, wenn Sie nicht, wie es Nolde gemacht hat, sich mit dem alten Oncle Brasch völlig auseinandersetzen. Ich wünsche dieses inständig um Ihrer und um unser Aller Ruhe willen. So gar lange kann doch, nach aller Wahrscheinlichkeit, der Oncle nicht mehr leben, und mich graut vor der Verwirrung, die alsdann bei der vorauszusetzenden Unwissenheit seiner Kinder entstehen könnte. Geschehe nun der Fall, daß der Alte zu seinen Vätern geht, noch bei Lebzeiten meiner geliebten Mutter! sonst ist Unwissenheit an beiden Seiten, und wenn dann ein wenig übler Wille dazu kommt, so kann diese Unwissenheit für die Ihrigen sehr nachtheilig werden. Für mich zwar nicht leicht: denn es ist ebenso sehr meine Hofnung, als mein Wunsch, daß ich eher aus der Welt gehe, als Sie. Und nun kein Wort weiter, auch nie wieder von einer Sache, die ich wahrlich nur sehr ungern berührte! -
Unsre liebe Freundinn Wagner hat mir mehr als einmal von Leinewand geschrieben, die für mich zu haben wäre. Ich habe nach der Verbindung, worinn dieses geschah, vorausgesetzt, daß es
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schon verschnittene, für meinen so viel größeren Körper und so viel breitere Betten ganz unbrauchbare Leinewand wäre; aber vielleicht habe ich darin Unrecht gehabt, und hätte also auf diesen Punct freilich antworten sollen. Meine Antwort würde gewesen seyn, daß ich an Leinewand gerne ein wenig reich bin, und daß bei meinem heftigen Schweißen vieles darauf geht. Meine älteren Hemden und einen Bettüberzug, die gar nicht mehr auszubessern waren, habe ich schon zu anderm Gebrauche zerreißen müssen. Auch mit meinen Betten habe ich diesen Herbst eine Revision vorgenommen, und den Federn von mehr als einem Stücke eine neue Decke gegeben. Es that sehr nöthig.
Ich habe nun meiner lieben Wagner, der Sie dieses gewiß mittheilen werden, einen Beweis meiner Achtung für Leinewand gegeben. Wenn sie doch nun auch mir einen Beweis ihrer Achtung für Papier gäbe und mich mit der Nachricht erfreute, daß Alles ins Feuer geworfen worden, was in Parchim aus meiner Jugendzeit da ist! Empfehlen Sie mich ihr, ihrem würdigen Sohne und allen Freunden auf beste und erhalten Sie mir, was mein bester Besitz auf Erden ist, Ihre mütterliche, unschätzbare Liebe. Ewig
Berlin, | Ihr dankbarster gehorsamster Sohn den |
15ten Xbr. 1801. | J. J. Engel. |