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Von
Oberlehrer Dr. Richard Wagner.
I.
Herzog Christian vor seiner Thronbesteigung.
1. Herzog Christians Jugend.
Herzog Christian (Louis) wurde geboren den 1. Dezember 1623 als ältester Sohn des Herzogs Adolf Friedrich I. und seiner ersten Gattin Anna Marie, Tochter des Grafen Enno III. von Ostfriesland. In der Taufe, den 18. Januar 1624, erhielt er den Namen Christian, dem Könige Christian IV. von Däne=
Die Studien zur Geschichte des Herzogs Christian Louis, von denen hier die erste geboten wird. sind dazu bestimmt, die Geschichte dieses Herzogs, die demnächst als Heft der Mecklenburgischen Geschichte in Einzeldarstellungen erscheinen wird, zu ergänzen: die große Fülle des Materials, das gerade über Herzog Christian Louis im Großherzoglichen Archiv aufgespeichert liegt, ließ sich in einem Hefte der Einzeldarstellungen, dessen Umfang in dem Rahmen des ganzen Werkes Grenzen gezogen waren, nicht annähernd ausschöpfen. Für die vorliegende Arbeit ist neben den einschlägigen Akten des Archivs ein ebendort aufbewahrtes Manuskript von Oberst v. Lützow, der im Jahre 1867 als Kommandeur des Grenadierregimentes Nr. 89 starb, benutzt worden, das in zwei Bänden (von 217 und 205 Seiten) eine auf Archivstudien beruhende Darstellung des Lebensganges Christian Louis' bis ins Jahr 1660 hinein enthält. - Bemerkt sei hier noch im voraus, daß in dieser wie den folgenden Studien die Zitate aus den Akten, außer wenn es sich um wichtige Urkunden handelt, der leichteren Lesbarkeit halber in moderner Rechtschreibung gegeben werden.
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mark zu Ehren, der einer seiner Taufpaten * ) war; den Zunamen Louis hat er bekanntlich erst bei seinem Übertritt zum Katholizismus (im Jahre 1663) angenommen.
Seine allerersten Jugendjahre verlebte Prinz Christian in seinem Heimatlande; noch in diese seine erste Lebenszeit fällt seine Wahl zum Koadjutor des Stiftes Schwerin, die ihm der Vater erwirkte (den 26. August 1625). ** ) Als darauf im Jahre 1627, nach der Niederlage des Königs Christian bei Lutter am Barenberg (1626), die Kriegsflut, die bis dahin Mecklenburg fern geblieben, auch über seine Grenzen zu schlagen begann, sandte Herzog Adolf Friedrich, ehe er selbst das Land verließ, seinen Erstgeborenen mit dessen jüngerem Bruder Karl (geb. 1626) in Begleitung des Leibarztes Dr. Johann Schlezer über Wismar nach der schwedischen Festung Kalmar, um sie vor den Gefahren des Krieges in Sicherheit zu bringen. Nicht lange, so mußte der Vater selbst aus dem Lande flüchten, und Wallenstein schaltete als Herr in Mecklenburg, während die angestammten Fürsten das Brot der Verbannung essen mußten.
Die beiden Knaben waren indessen in Schweden wohl aufgehoben, besonders nahm sich die Königin Marie Eleonore ihrer an: sie ließ sie zu sich auf ihr Schloß Grypsholm bei Stockholm kommen, berief zu ihrer Erziehung einen deutschen Magister, Christof Friedrich Schwalch, und gab ihnen junge schwedische Adlige als Edelknaben und Gespielen.
Schon damals machte der jüngere Prinz einen aufgeweckteren Eindruck als der ältere. Schlezer schreibt (d. 6. Jan. 1630): "Herzog Karl nimmt sich mehr und mehr auf, wird wohl, weil er trefflichen ingenii ist, künftig weit besser und eher in Lesen und andern exercitiis vorwärts kommen, wie sein Bruder."
Seit November 1631 genossen beide Prinzen den Unterricht des ausgezeichneten Gelehrten Magister Joachim Schnobelius, den Adolf Friedrich ihnen nach seiner Rückkehr in die Heimat von Schwerin aus gesandt hatte und der dann ein ganzes Jahrzehnt
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ihr Präceptor blieb. Im August des Jahres 1632 kehrten die Prinzen nach Schwerin zurück.
Nachdem ihnen am 6. Febr. 1634 der Tod die Mutter entrissen und Adolf Friedrich sich darauf am 15. Febr. 1635 mit der Herzogin Maria Katharina von Braunschweig=Lüneburg wieder vermählt hatte, ließ er beide Söhne nach Bützow übersiedeln in die frühere Bischofsresidenz. Sie beschäftigten sich hier außer mit den Klassikern auch mit Mathematik, Geschichte und Geographie, dann auch mit Logik, Rhetorik und Ethik, endlich wurden sie auch in die Staats= und Rechtswissenschaft eingeführt und machten so den ganzen Kreis der Studien durch, die damals für Prinzen als erforderlich galten. Der ruhige Gang des Unterrichts wurde freilich durch die verschiedenen feindlichen Invasionen, die das Land zu erfahren hatte, mehrfach empfindlich gestört, aber auch abgesehen hiervon war Schnobel mit den Fortschritten und Leistungen seiner Zöglinge wenig zufrieden. Er beschwert sich nicht selten über Unfleiß und Mangel an Interesse, ja auch über Unlenksamkeit. So schreibt er am 18. Dez. 1638 an den Herzog nach Schwerin, "er habe ihm schon zum öfteren mündlich wie schriftlich angedeutet, daß beide junge Herren zu den Studien gar keine natürliche Zuneigung trügen. sondern alles in Unterweisung wie Zucht mit Zwang und Furcht von ihnen müsse erhalten werden, und daß es ihm daher sauer und schwer gemacht werde, auch, wie es bei den widerwilligen ingeniis, da keine freudige Aufmerksamkeit vorhanden, zu geschehen pflege, mit den Fortschritten gar langsam zugehe. Ob er nun gleichwohl der Hoffnung jeder Zeit gelebt, es werde sich solche natürliche Unlust und Widerwillen mit zunehmendem Alter und Verstand, auch mehrerem Nachdenken des zukünftigen Nutzens und Ruhms ändern und die Gemüter sich besser anschicken, so habe sich solches bis dahin noch nicht finden wollen. sondern es lasse sich ansehen, als wenn sie die Disciplin nicht mehr achteten, ihren Willen zu haben und zu der "höchstdesiderirten Licenz fast durchzudringen gedächten." "Daher denn auch nicht allein die Studien sehr nachlässig und unachtsam getrieben, sondern auch die Mahnungen zur Gottesfurcht und löblichen fürstlichen Sitten wenig geachtet, ja auch Tadel und Strafen mit heftigem Unmut und Verbitterung aufgenommen würden und die Unart sich damit nicht wolle dämpfen lassen, sondern vielmehr zu Haß und daraus entstehendem großen Ungehorsam ausbreche, wodurch sie das ganze Werk der Zucht über den Haufen zu werfen sich zum höchsten angelegen sein ließen." Auch hier erscheint Herzog Karl als der leichter lenkbare
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und strebsamere der Brüder: er hatte sich wenigstens in den letzten Tagen durch die Aussicht auf Weihnachtsgeschenke zu "ziemlichem Fleiß" bewegen lassen.
Der Vater erließ, wie schon öfter, so auch diesmal auf Schnobels Klagen ein scharfes Ermahnungsschreiben an die Söhne. Die Prinzen bitten denn auch um Verzeihung und geloben Besserung. Allein diese guten Vorsätze hielten nicht vor.
Auch unter einander vertrugen sich die Prinzen schlecht, häufig fielen Zänkereien vor. Nach einer solchen heftigen Zankszene, bei der es fast zu Tätlichkeiten gekommen (Anfang 1639), berief der Vater den Prinzen Karl nach Schwerin und sandte ihn erst nach einigen Wochen wieder nach Bützow, als Christian selbst um Rückkehr des Bruders gebeten und versprochen hatte, künftighin verträglicher mit ihm umgehen zu wollen.
So verging das Jahrzehnt von 1632 bis 1641, für Schnobel gewiß eine dornenvolle Zeit, die aber doch bei seiner Tüchtigkeit nicht ohne Frucht blieb; Prinz Christian gewann z. B. eine recht achtungswerte Herrschaft über die lateinische Sprache. * ) Allein es ging ihm noch ganz das feine, gewandte, weltmännische Auftreten ab, das für einen Fürsten unerläßlich ist; seine "Schweriner und Bützower Manieren" waren noch wenig fürstlich. Das Mittel, gewandte Umgangsformen sich anzueignen, sowie auch Welt= und Menschenkenntnis zu gewinnen, pflegten längere Reisen zu sein. Aber woher sollten bei der großen Not, die besonders vom Jahre 1637 an in Mecklenburg herrschte, die Mittel zu solchen Reisen für Prinz Christian genommen werden? Der Herzog wußte vorerst nur 500 Rt. aufzubringen, wozu König Christian von Dänemark 1000 Rt. schenkte.
Vor seiner Abreise aber mußte der Prinz den 13. Oktober 1641 einen Revers ausstellen, indem er sich zum Dank dafür, daß der Vater ihn trotz der "sehr teuren, klemmen Zeit" auf Reisen schicken wolle, wie überhaupt für die große Mühe und Sorgfalt, mit der ihn derselbe "in allen fürstlichen Tugenden zu Gottes Ehr und Lehr und seinen Nächsten zu Dienst, sonderlich Land und Leuten
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künftig wohl vorzustehen fleißig und wohl auferzogen", bei "dem Wort der Ewigen Wahrheit und so lieb ihm ist seiner Seelen Heil und Seligkeit", verpflichtet, "allem, was ihm aus der seinem Hofmeister gegebenen Instruktion vorgehalten, als getreuer Sohn nachkommen zu wollen und auch sich während seiner Reise und nachher Zeit seines Lebens so verhalten zu wollen, daß er dadurch Gottes Gnade, seines Vaters Huld und bei Freunden und Anverwandten Ehre und Ruhm erwerben und also seines Vaters uraltem Fürstlichen Hause eine Zierde und Freude sein möge". Daran schließt sich noch das besondere Versprechen, "sich einer väterlichen Willensdisposition, wie sie in einem Testament, Codicill oder sonst verfaßt sein werde, unterwerfen und solcher in allem, was darin wegen der Landesregierung, seiner Mutter, seiner Brüder und Schwestern, auch sonst verordnet sein werde, nachleben und ihnen alle Treue, Gut= und Wohltat seinem äußersten Vermögen nach erweisen zu wollen".
Die Veranlassung zu diesem Aktenstück liegt augenscheinlich in der Besorgnis des Vaters vor Christians eigenwilligem Charakter und in seinem Wunsche, seine Gattin, Christians Stiefmutter, und seine übrigen Kinder, wenn er vielleicht in Christians Abwesenheit das Zeitliche segnen sollte, möglichst sicher zu stellen. Was die Erbfolge betrifft, so hatte Adolf Friedrich, seitdem er mit der Teilung des Jahres 1621 so üble Erfahrungen gemacht hatte, den Standpunkt des Primogeniturrechtes vertreten, also Christian die Nachfolge in seinem gesamten Landbesitz zugedacht und für den Fall der Erledigung des Herzogtums Güstrow dessen Vereinigung mit dem Schweriner Landesteil testamentarisch (1633) sicher zu stellen ins Auge gefaßt. * ) Daß er sich aber schon 1641 seinem Erstgeborenen gegenüber wenigstens das Recht wahren wollte, auch anders zu verfügen, geht deutlich aus der Fassung des Reverses hervor.
2. Reisen ins Ausland (1641-46), Mißverhältnis zwischen Vater und Sohn.
Noch am selben Tage, wo er diesen Revers ausstellte, den 13. Okt. 1641, trat Prinz Christian unter den Namen eines Herrn Christian v. Bülow die Reise an. Zu diesem Inkognito zwang schon der Mangel an Mitteln, es bot aber auch sonst manche
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Vorteile. Sein Begleiter war der Rat Abraham Kayser, der vorher diplomatischer Agent in Regensburg gewesen war und später als Gesandter am westfälischen Friedenskongreß teilnahm.
Die Reise führte über Lübeck, Hamburg und Friesland, wo Christian seinen Großvater, den Grafen Enno, besuchte, nach Amsterdam und Utrecht, wo man längeren Aufenthalt nahm.
Zuerst war Kayser recht wohl mit dem Prinzen zufrieden, er findet sein Betragen seinem Stande gemäß und lobt, daß er die Instruktion des Vaters genau befolge. Auch einen achtungswerten Beweis von Mut gab der junge Prinz, als die Reisenden in der Nacht vom 2. auf den 3. Nov. bei der Fahrt über die Süder=See einen schweren Sturm zu bestehen hatten: Prinz Christian blieb trotz der Lebensgefahr gefaßt und gleichmütig. Im November erkrankte er in Utrecht an den Masern. Schon hierbei kam seine eigenwillige Natur wieder zum Vorschein, es kostete viel Mühe ihn zur Einhaltung der ärztlichen Vorschriften zu bewegen, aber er fügte sich doch und genas bald.
Von Anfang des Jahres 1642 an klingen Kaysers Berichte allmählich ungünstiger. "Herr v. Bülow wolle wohl alles gerne wissen, wenn nicht Fleiß und Mühe dazu erfordert werde." "Die Jugend sei mitunter noch heftig, man müsse aber hoffen, daß mit der Zeit der Wankelmut und die Unbeständigkeit aufhörten", so heißt es in einem Schreiben an den Herzog vom 7. Januar. An demselben Tage klagt Kayser in einem Briefe an seinen Freund, den Geheimsekretär Simon Gabriel zur Nedden, dem er unumwundener sein Herz auszuschütten pflegte, "das Leben werde ihm bei der schweren Function sauer genug." Allerlei böse Einflüsse wirkten auf den Prinzen ein, auch weiblichen Verführungskünsten war er ausgesetzt: Kayser schreibt den 25. Jan., "eine große Menge von Frauenzimmern fingen an gleich den Sommervögeln hervorzukommen", und den 4. Febr., "die Lizenz anderer jungen Leute, die der Prinz täglich vor Augen habe, könne ihn leicht aus den Schranken seiner Gebührnis setzen". Vorübergehend ist er dann wieder besser zufrieden (d. 11. Febr.) Kurz vor der Abreise von Utrecht nach Leyden aber urteilt er, es sei hohe Zeit, daß sie aufbrächen, "böse Mäuler und Fuchsschwänzer hätten das Werk alhier bald verdorben und Herrn Christian v. Bülow schändlich verführt."
In Leyden erhielt der Prinz einen strengen Ermahnungsbrief seines Vaters, den er mit dem Versprechen beantwortete, die väterlichen Ermahnungen nicht in den Wind schlagen zu
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wollen. Es ging dann auch einige Wochen besser, und der Prinz widmete sich mit Eifer dem Studium der Fortifikationslehre, wofür man in Leyden einen guten Lehrer fand. Aber bald wurde Kaysers Aufgabe auch hier so dornenvoll, daß er (den 22. März) an zur Nedden den Stoßseufzer schreibt: "Was es mir für Mühe gekostet hat, daß ich den jungen Herrn ein klein wenig zu rechte kriegen können, kann der Herr Gevatter nicht glauben. Hätte ich zu Schwerin gewußt, was ich hernach erfahren und anitzo weiß, alle meines gnädigen Herrn und Herzogs Pferde sollten mich, auch mit dem großen Wagen, den der spanische Botschafter Don Francisco de Melos zu Regensburg gebraucht, nicht gezogen haben." Noch aber gibt er nicht auf, sein Ziel zu erreichen. "Mit Gottes Hülfe soll Herr v. Bülow über zwei Jahre ein anderer Kerl und ich ein grauer alter Mann sein." Seine Stellung zu Christian aber ward immer schwieriger, am Schlusse des Aufenthaltes in Leyden (d. 17. Mai) macht er das bittere Wortspiel, "auch Leyden sei für ihn ein rechtes Leiden geworden."
Von Ende Mai ab begann er mit dem Prinzen eine Reise, die den Zweck hatte, diesen durch die verschiedenen Provinzen Hollands zu führen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Lager der dort stehenden Armeen einige Male besucht. Im Lager der Holländer bei Rheinberg ward im Juni ein mehrwöchentlicher Aufenthalt genommen, der Christian sehr gefiel, desto weniger aber Kayser. Schon vom Juni ab dringt dieser auf Abberufung. Im Feldlager glitten ihm, dem Zivilisten, vollends die Zügel aus der Hand; auch Ausgaben, besonders für Kleidung, machte der Prinz wider seines Führers Wissen und Willen. Den 4. Juli klagt Kayser: "Es wird von Tag zu Tage schlimmer und nimmt die hohe Insolenz und unleidliche Despect mehr und mehr überhand"; dringend wünscht er dieser "unerträglichen Last" enthoben zu sein, und den 23. Juli schreibt er aus dem Haag: "Es ist nunmehr mit Herrn Christian von Bülows und meiner Reise so weit leider Gottes gekommen, daß länger bei einander zu bleiben und an fremde Örter zu gehen nicht ratsam noch tunlich ist." Christian aber tat äußerst bestürzt und verwundert, als der Vater ein neues scharfes Mahnschreiben an ihn richtete, "die große Ungnade des Vaters sei ganz unverdient, er sei ganz unschuldig und habe Kayser stets alle gebührende Folge geleistet." Er fand aber keinen Glauben bei Adolf Friedrich, dieser antwortete vielmehr: "Mir ist Dein humor und Gemüt besser als Dir selbst bekannt, es sind mir
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auch alle Deine actiones genugsam wissend und erfahre Ich dieselben mehr von andern als von Deinem Hofmeister." * )
Im Haag geriet Prinz Christian unter den Einfluß des dänischen Gesandten Tancke, der ihn in seinen Selbständigkeitsgelüsten sehr bestärkte und ihn auch zu einem lockeren Leben verführte. Des unbequemen Mahners suchte man sich dadurch zu entledigen, daß Tancke ihm Hausarrest ankündigen ließ. Kayser eilte zu dem Präsidenten des Gerichtshofes, der den Arrest verhängt hatte, und erklärte ihm, er könne dem dänischen Gesandten die Befugnis zu einem solchen Verfahren nicht einräumen; dann reiste er schleunigst nach Schwerin, um dem Herzog persönlich Bericht zu erstatten (Ende August 1642); erst von Amsterdam aus machte er Christian, der im Haag blieb, Anzeige von dieser Absicht. Höchst charakteristisch sind nun die Briefe, einer an den Vater (d. 27. August) und einer, noch drastischer in seinen Ausdrücken, an die Schwester Sophie Agnes (den 6. Sept.), die hierauf Prinz Christian in die Heimat sandte. Er dreht darin den Spieß völlig um: Kayser habe sich heimlich davon gemacht, vermutlich weil er sich böser Dinge bewußt sei und nun mit einer Vorklage habe kommen wollen. Nicht er, vielmehr Kayser selbst, begehe Exzesse, sei öfters betrunken und behandle ihn dann so despektierlich, wie selbst für einen Lakaien unerträglich sei, der dänische Resident habe ihn arretieren lassen, und Kayser den Arrest auch angenommen, sich aber am andern Tag heimlich davon gemacht.
Adolf Friedrich sandte Kayser, der sich gegen diese Vorwürfe zu rechtfertigen wußte, sofort wieder nach Holland zurück und schickte seinen Rat Johann Stallmeister ihm nach, mit dem Auftrage, zum Rechten zu sehen und zugleich für Christian bei dem Prinzen Heinrich Friedrich von Oranien um eine Kapitän= oder Rittmeisterstelle anzuhalten. Der Prinz hatte nämlich inzwischen um Erlaubnis gebeten, Kriegsdienste nehmen zu dürfen, und der Vater gedachte ihm diese Bitte zu erfüllen.
Als Kayser den 15. Sept. in Amsterdam wieder ankam, hörte er im Gasthause "wunderliche Sachen", Christian hatte ihn
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verschiedentlich einen "Erzschelm" genannt und gedroht, "wenn er den Hund hätte, wolle er ihn wie ein Tanzpferd prügeln", ja er hatte sogar 10 Taler darum gewettet, daß er Kayser den Kopf abschlagen lassen werde. Trotzdem überwand sich Kayser zu einem freundlichen Briefe an den Prinzen. Ehe er diesen abschicken konnte, erschien der Prinz zufällig - er begleitete den Herzog von Lüneburg auf dessen Rückreise in die Heimat eine Strecke Weges - in demselben Gasthause, und als er hörte, daß Kayser dort sei, erging er sich wieder in den bösesten Schimpfreden und weigerte sich auch entschieden, ihn zu sehen oder zu sprechen. Einige Tage später fand aber doch eine Unterredung statt, da der Prinz das Schreiben seines Vaters forderte, das ihm Kayser persönlich übergab. Auch hierbei behandelte der Prinz ihn äußerst unfreundlich und lehnte schroff ab, ihn weiter um sich zu haben. 1500 Taler, die Kayser mitgebracht, nahm er ihm aus der Hand, erklärte aber die Summe für viel zu gering, er habe zwei Pferde gekauft, zwei Lakaien angenommen, einen Kammerdiener bestellt, auch einen jungen Herrn v. Kaltenhof zum Pagen gemacht, er müsse für diese Livree und für sich Kleider haben. "Das Spielen u. a., damit die Kavaliere die Zeit passierten", nehme auch viel weg, er forderte einen offenen Wechsel.
Ende Oktober traf Stallmeister ihn bei dem Grafen Rudolf in Aurich, wohin er die Gräfin, seine Tante, begleitet hatte. Auch Stallmeister fand ihn ganz verändert, "er wolle gern nach seinem fürstlichen Stand herrlich getractieret und gehalten sein, und es helfe nichts dawider, was man ihm wegen der Unmöglichkeit - bei den entsetzlichen Leiden, die Mecklenburg damals auszustehen hatte - vorstelle;" auch Stallmeister hält den dänischen Residenten für den Verführer. Gänzlich unzugänglich erwies sich der Prinz den Bemühungen Stallmeisters gegenüber, ihn mit Kayser auszusöhnen, er drohte, er werde Kayser dermaleins noch hängen lassen, und blieb dabei, alle Schuld für das Mißverhältnis auf Kayser zu schieben, wie er auch den 18. Nov. an den Vater schrieb: "Es schmerzet und zernaget mich bis in mein innerstes Herz und Seel hinein, daß bei meiner offenbaren Unschuld und Kaysers verübten vielfältigen Excessen er Recht und Gnade behalten und ich hingegen mit ungnädigen Augen abgewiesen werden muß."
Stallmeister hatte auch den Auftrag, sich nach den Schulden, die Christian gemacht, zu erkundigen, sie erwiesen sich als nicht übermäßig hoch, es waren in Haag und in Amsterdam 1902 Reichs=
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taler, alles für Livree und Kleidung. In Aurich, wo in Trunk und Spiel ein lockeres Leben herrschte, soll er allerdings ziemliche Summen verspielt oder an eine Schauspielertruppe gegeben haben. Ein Verschwender aber war er trotz aller Verführung, der er ausgesetzt war, nicht gewesen, auch ein Trinker war er nicht, vorzugsweise ist es die schroffe Unlenksamkeit in einer Zeit, wo ihm Selbständigkeit noch nicht zukam, die ihm vorzuwerfen ist.
Von Aurich reiste Stallmeister zum Prinzen von Oranien, um sein Gesuch für Christian bei ihm anzubringen. Der Prinz antwortete höflich ausweichend, Christian solle bei erster Gelegenheit eine Kompagnie erhalten. Somit kehrte Stallmeister nach Aurich zurück, um Christian mit sich nach Mecklenburg zu nehmen, denn sowohl in Aurich wie im Haag war der Prinz, ohne Beschäftigung, in Gefahr in liederlichem Leben Schaden zu nehmen.
Allein Christian versagte entschieden den Gehorsam. Am 1. Dez. des Jahres wurde er 19 Jahre alt, er erklärte nun Stallmeister, er sei jetzt majorenn und brauche keinen Rat und keine Führung mehr; dagegen verlange er eine jährliche Apanage von 8000 Talern. Stallmeister suchte ihn nun in Güte zu der Reise zu bereden, indem er ihm riet, in der Heimat sich selbst zu überzeugen, ob diese Summe so leicht, wie er vermeine, aufgebracht werden könne. Allein zu einer solchen Reise wollte Christian sich durchaus nicht verstehen, vielmehr ließ er sich aus, "so lange Sein Herr Vater am Leben sei, wolle er nicht wieder ins Land kommen, man singe oder sage ihm gleich vor, was man wolle."
Stallmeisters Besonnenheit und Geschicklichkeit gelang es aber doch bei längerem Umgang mit dem Prinzen ihn umzustimmen, wenigstens insoweit, daß er sich entschloß, nach Schwerin zu reisen und sich mit seinem Vater wieder auszusöhnen. Von seinem Unrecht war er freilich auch jetzt noch nicht überzeugt, vielmehr blieb er in einem Schreiben (vom 12. Febr. 1643) an Adolf Friedrich bei der Behauptung, "er sei durch ihm übel affectionirte Leute unschuldig in Ungnade gefallen", erbat aber die Erlaubnis zum Vater kommen zu dürfen und machte sich auf die Rückreise. Die Antwort des Vaters erhielt neben einem Verweis die erbetene Erlaubnis, und den 10. März 1643 kam Christian wieder in Schwerin an. * )
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Den 23. März mußte er hier in Gegenwart von vier Mitgliedern des Geh. Rats dem Vater Abbitte leisten wegen seines üblen Verhaltens in den Niederlanden und geloben, sich hinfort als einen gehorsamen Sohn zu betragen. Den 30. ließ ihn der Vater dann durch den Hofprediger ermahnen, er möge zum Abendmahl gehen, Ehristian aber weigerte sich lange, endlich ging er doch, den 1. April, mit seinen Geschwistern zur Beichte und den 2. mit dem Vater und den ganzen Hofstaat zum Abendmahl. * )
Das gute Einvernehmen zwischen Vater und Sohn dauerte indes nur kurze Zeit. Den 11. Mai erzürnte sich Christian mit dem Kammerrat Stallmeister. Der Unwille des Vaters hierüber klingt durch die Worte hindurch, mit denen er diese Scene in seinem Tagebuch verzeichnet: "Den 11. hat sich mein Sohn Christian mit meinem Kammerrat Joh. Stallmeister verunwilligt und groß parlament angefangen."
Den 19. Mai kam es in Marienehe bei Doberan nach dem Essen im Garten zu einer heftigen Scene zwischen Vater und Sohn ** ) Der Vater war - wohl mit Unrecht - der Meinung, daß Christians Kammerdiener, Valentin Eckard, ein gebildeter, geschickter und treuer Mann, an der Entzweiung schuld sei; er ließ deshalb am folgenden Tage Eckard zwangsweise nach Bützow und von da nach Parchim schaffen und verbot ihm, zu Christian zurückzukehren. *** )
Christian selbst verließ des Vaters Hof und hielt sich auf verschiedenen Amtshöfen, wie Grabow und Neustadt, auch in Rehna bei seiner Tante Anna Sophie auf. Der Vater war nicht abgeneigt, ihn wieder ins Ausland zu senden, er hatte an England gedacht (s. Tagebuch den 17. April), dann an Dänemark. Christian aber hatte zu der Reise nach Dänemark gar keine Neigung, dort werde zu stark getrunken, und das könne er nicht vertragen. Sein eigner Wunsch war, wieder nach den Niederlanden gesandt zu werden ins Feldlager, um dort seine Anstellung in der Armee abzuwarten. Er hoffte dann später durch
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die Empfehlung des Prinzen von Oranien in der englischen Armee mit einem höheren Range Aufnahme zu finden.
Seine Wünsche trug er dem Vater in einem Memorial vom 27. Mai vor, über welches dieser das Gutachten seiner Geheimen Räte und Landräte einforderte. * )
In Bützow fand am 6. Juni eine Beratung unter Vorsitz des Herzogs statt, worin man sich gegen die Teilnahme an dem Feldzuge in den Niederlanden entschied; "Christian solle künftig ein Landesfürst und Regent werden, das lerne man nicht im Lager, vielmehr ein gottloses Leben und Wesen." Man befürchtete auch, daß Christian bei einein neuen Besuche in den Niederlanden ein festeres Verhältnis zu einer pfälzischen Prinzessin, für die er sich bei seinem ersten Aufenthalte sehr interessiert hatte, anknüpfen könne, was, da sie Calvinistin war, den strengen Lutheranern als "schädliche Weitläuftigkeit" erschien. Wenn überhaupt gereist werden solle, so sei eine Reise nach Dänemark am meisten zu empfehlen; das beste aber sei, wenn Christian im Lande bleibe und in die Landesverwaltung sich einführen lasse. Den 7. verhandelte man morgens und nachmittags mit Christian selbst. Er lehnte es ab, sich bei seines Vaters Lebzeiten in die Regierungsgeschäfte zu mischen, zu der Reise nach Dänemark verstand er sich nach anfänglicher Weigerung, mit dem Zusatze, er wolle dort den Rat des Königs, seines Paten, für seine weiteren Reisen ins Ausland einholen, und gelobte, wie Adolf Friedrich zufrieden in seinem Tagebuche bemerkt, sich allezeit als einen gehorsamen Sohn erweisen zu wollen.
Der Besuch in Dänemark wurde nachher doch wieder aufgegeben, und eine längere Reise nach Frankreich und Italien beschlossen, die 1 1/2 Jahre dauern sollte; Daniel von Plessen auf Hoikendorf ward zum Reisebegleiter und Hofmeister bestellt. Unter dem Namen Baron Christian von Maltzan=Pentzlin reiste der Prinz den 7. Oktober 1643 ab. Die Reise führte über Cöln (den 25. November) nach Brüssel, von wo Christian in seinem Neujahrsbriefe nochmals das Versprechen guter Führung ablegt.
Inzwischen erlebte die Heimat eine überaus trübe Zeit; ganz unvermutet ward das Land von den Schweden überzogen, und wenn auch ihr Führer, Torstenson, der mehrere Tage in Ostorf sein Hauptquartier hatte, dem Herzoge persönlich freundlich entgegenkam und ihm gute Disziplin zu halten versprach, so hauste doch seine Armee nicht anders, als es damals Kriegssitte war.
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Das Land wurde auf das ärgste mitgenommen, auch der Hof geriet in Not: man nahm die Kühe weg, welche die Milch für das Schloß geliefert hatten, auch das Brotkorn ging aus. Adolf Friedrich war deshalb außerstande, den Sohn weiter mit Reisegeld zu versehen und befahl daher (den 4. Jan. 1644) Plessen, dafür Sorge zu tragen, daß Christian sich seinen Lebensunterhalt - als Offizier - selbst verdiene; in Italien werde sich hierzu wohl eine Gelegenheit bieten, beim Herzog von Florenz oder in Venedig. Allein die Erkundigungen, die Plessen anstellte, hatten das Resultat, daß für einen protestantischen Herrn damals keine Aussicht auf eine vorteilhafte Stellung in Italien sei. Die Reisenden begaben sich deshalb nach längerem Aufenthalt in Brüssel nach Paris (Februar 1644), wo es denn auch dem Prinzen gelang, nach persönlichen Audienzen sowohl bei der Königin=Witwe Anna von Österreich und dem jungen König Ludwig XIV. als auch beim Kardinal Mazarin die Erlaubnis zu erwirken, daß er als Volontair mit dem Range eines Rittmeisters den Feldzug gegen die Spanier in den Niederlanden mitmache.
Schon in Brüssel trat der Prinz seinem Hofmeister gegenüber so unlenksam und selbständig auf, daß dieser einsah, er könne, wenn er seine Instruktion halten wolle, "bei so gestalter Sache nichts fruchtbarliches schaffen", und Herzog Adolf Friedrich um Entlassung bat. * )
Noch schlechter gefiel es dem schlichten, ehrenhaften mecklenburgischen Edelmann in dem teuren und in Sittenlosigkeit versunkenen Paris, während der Prinz trotz steter Geldnot den Reizen und Verführungen des Pariser Lebens nicht zu widerstehen vermochte. Nach mehrfach wiederholten Bitten erhielt dann Plessen die Erlaubnis zur Rückreise, ** ) als Christian ins Feldlager aufbrach. Zu seinem Glücke fand der Prinz schon in Paris einen edelmütigen Freund an dem Grafen Rantzau, der Generalleutnant in französischen Diensten war. Ihm wurde er als Volontär zugeteilt, und der Graf erhielt den Prinzen wie dessen Gefolge während des Feldzuges in Holland fast ganz und versorgte ihn auch mit Geldmitteln.
Vom 20. Mai ist der erste Brief datiert, den Christian aus dem Feldlager vor der von den Spaniern besetzten Festung
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Gravelingen in die Heimat schrieb. Er bezeichnete es darin als ein wahres Glück, daß er jetzt vor dem Feinde stehe, denn in Paris borge ihm niemand mehr ein Brot oder eine Flasche Wein: so sei sein Kredit dort untergraben.
Zu größeren Kämpfen kam es bei der Belagerung nicht, und für die kleinen Scharmützel, die zahlreich vorfielen, zeigte der Prinz wenig Interesse. Man spottete, er rieche lieber poudre de Cypre in Paris als Schießpulver vor Gravelingen. Auch über seine Mittellosigkeit lachten die Franzosen viel. In der Tat hatte er nur noch einen einzigen Anzug, den sein Kammerdiener Eckard gelegentlich nachts auszubessern hatte. Die Spötter verstummten indessen, als der Prinz sich bei einem nächtlichen ernsthaften Kampfe gegen einen Entsatzversuch der Spanier (den 4./5. Juli 1644) auszeichnete.
Kurz vor der Übergabe der Festung, die den 29. Juli erfolgte, wurde der Prinz von einer explodierenden Mine des Feindes zu Boden geworfen und ganz mit Erde überschüttet, ohne jedoch verletzt zu werden.
Im September kehrte er nach Paris zurück und brachte nun dort den Winter zu, in immer steigender Geldnot, da alle seine Mahn= und Bittbriefe in die Heimat erfolglos blieben. Er empfand dies um so mehr, als er erfuhr, daß auch sein Bruder Karl in Frankreich reise, dem Anschein nach mit Mitteln ausreichend versehen, während man ihn, den Thronfolger, ganz im Stiche ließ. * ) Um böse Scenen im fremden Lande zu vermeiden, bekam deshalb Prinz Karl den Befehl, jedes Zusammentreffen mit dem Bruder zu vermeiden.
Ein überaus schweres Leben hatte damals Christians getreuer Kammerdiener Eckard, nicht nur, daß er die üble Laune des Gebieters in erster Linie und nicht selten handgreiflich zu fühlen bekam. sondern noch schlimmer war: Christian umgab sich mehr und mehr mit Franzosen, denen er seine volle Zuneigung schenkte. Die übermütigen Franzosen behandelten die zwei Deutschen, die schließlich allein bei ihrem Herrn aushielten, Eckard und einen Lakaien Namens Jacob, "wie die Hunde", und auch Christian selbst entzog den beiden Deutschen sein Vertrauen.
Anfang 1645 erkrankte der Prinz an einem Fieber, das, anfangs leicht auftretend - er schrieb selbst noch den 14. Januar,
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er leide an einem "kleinen" Fieber - sich rasch verschlimmerte. Nach Eckards Meinung war die Krankheit vorzugsweise veranlaßt durch die Gemütserregung des Prinzen über das lange Schweigen des Vaters und seine elende Lage. Wochenlang schwebte der Prinz in verwirrten Phantasien zwischen Leben und Tod. Wieder war es Graf Rantzau, der edelmütig Hülfe leistete, er lieh 40 Pistolen, damit Arzt und Apotheker bezahlt werden könnten. Auch die Gemahlin des schwedischen Gesandten nahm sich des Verlassenen an und sandte ihm täglich eine gute Brühe. Seine Französische Dienerschaft hingegen benutzte gerade diese Zeit, um ihn auf das Schamloseste zu bestehlen !
Noch während der Krankheit kam ein Agent Adolf Friedrichs, der Rat Nicolai, nach Paris und sandte von da einen Bericht über Christians Zustand in die Heimat. Über seine Umgebung urteilte Nicolai: "Es scheint, daß unter dem Gesinde, das guten Teils Franzosen seint, große Unordnung vorgehe." Der treue Valentin war es, der endlich dem genesenden Prinzen diese Betrügereien aufdeckte, dafür überfielen ihn die Franzosen und verwundeten ihn derart, daß er starb; der wackere Mann mußte also seine Treue mit dem Leben bezahlen.
Am 25. Februar, nachdem er sechs Wochen im Fieber gelegen, konnte Prinz Christian zum erstenmal wieder einen Brief in die Heimat (an zur Nedden) für sich schreiben lassen und selbst unterzeichnen, den 4. März schrieb er an den Vater und bat um Erlösung aus seiner Lage.
Der Vater richtete als Antwort auf diesen Brief ein kerniges, ernstes Ermahnungsschreiben an den Sohn: Mit Schmerzen habe er erfahren müssen, wie Christian die Franzosen vor den Deutschen an sich gezogen und wie etliche leichtfertige Franzosen ihn in seiner Krankheit betrogen und bestohlen hätten. Er möge sich das Sprichwort merken: Qui non vult falli, fugiat consortia Galli. Geld aber sandte er auch jetzt noch nicht, es war ihm noch nicht gelungen, solches aufzubringen. Unterhandlungen wegen einer Anleihe zogen sich hin, und die freiwillige Reisebeisteuer, die Adolf Friedrich, wie schon 1643, so auch jetzt wieder von den Ämtern und Ständen forderte, ging zum Teil überhaupt nicht, zum Teil doch langsam ein. * )
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Der arme Prinz mußte also, um nur die dringendsten Schulden in Paris zu bezahlen und für den neuen Feldzug sich notdürftig auszurüsten, 2000 Tlr. leihen. Ende Mai ging er wieder zur Armee, die vor Mardyk bei Dünkirchen lag, als Rittmeister und Führer einer Schwadron. Von hier aus sandte er seinen Stallmeister, Bogislav v. Schwerin, mit einem Schreiben (dat. v. 8. Juli) in die Heimat, in dem er sich beklagt, daß er weder die versprochenen Pferde noch Geld bisher erhalten. Die Pferde waren nun allerdings zur Absendung längst bereit, auch standen seit Mitte Juni 2000 Tlr. für Christian in Hamburg. Die Nachricht davon war nach Paris gesandt, und Christian, der mittlerweile abgereist war, hatte sie deshalb noch nicht erhalten.
Der Vater fand den Ton dieses Schreibens durchaus ungebührlich und tadelte in seiner Antwort (v. 29. Juli) Christian scharf, daß er "seinen unbefugten Unmut dem schuldigen Respect gegen den Vater vorgesetzt und Reden gebraucht habe, die ihm weder als einem Sohn noch als einem zu Gottes Ehr und zur Landesregierung geborenen Fürsten anständig, die Uns auch gewiß, wenn Wir so bald vergessen wollten Vater, als Du vergissest Sohn zu sein, leicht und ohnschwer zu solcher Resolution bewegen könnten, die Du hernacher gerne geändert sehen möchtest."
Schwerin erhielt aber die 2000 Tlr. sowie auch die Pferde mit auf die Rückreise zu Christian und lieferte beides Ende Oktober an ihn ab und zwar in Paris, wohin Christian, des ziemlich tatenlosen Lagerlebens überdrüssig, zurückgekehrt war.
Von hier aus bat er im Dezember um die Erlaubnis zur Rückkehr und erhielt sie. Geldmangel hielten ihn zwar noch einige Monate auf, und auch in Hamburg, wo er den 15. März 1646 eintraf, zauderte er noch fast 14 Tage lang, sei es weil ihm wieder das Geld ausgegangen war, oder weil er sich scheute, dem Vater unter die Augen zu treten. Endlich kam er den 30. März in Schwerin an.
Bei all dem Trüben, was Christian auf seiner Reise durchgemacht hatte, war sie doch für seine Entwickelung nicht ohne Frucht geblieben. Er war ein gewandter Kavalier, auch ein guter Reiter geworden. Leider hatte auch die Vorliebe für französisches Wesen in seinem Herzen Wurzel gefaßt, die er fortab sein Leben hindurch festgehalten hat.
Zu seinem Unterhalt setzte ihm der Vater den 14. Mai 1646 jährlich 2000 Taler aus, die er nach Belieben in der Fremde oder in der Heimat verbrauchen möge. War er in der Heimat, so bekam er außer den 2000 Tlrn. noch freies Futter für
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12 Pferde und freie Speisung bei Hofe für sich selbst, einen Kammerjunker, 2 Pagen und 6 Personen niederer Dienerschaft.
Das war für einen Prinzen und Thronfolger recht knapp bemessen, und Christian kam damit nicht aus. Leider schlug er nun einen Weg ein, der ihn sofort wieder in den schroffsten Gegensatz zu seinem Vater brachte. Er beanspruchte nämlich auf Grund seiner früheren Wahl zum Koadjutor die Administratorwürde des Bistums Schwerin * ), Adolf Friedrich aber hatte das Stift während Christians Minderjährigkeit (den 17. Mai 1634), ohne auf dessen frühere Wahl Rücksicht zu nehmen, für sich und seine Nachfolger selbst erworben; er wies deshalb mit großer Entrüstung die Forderung des Sohnes zurück und drohte mit Entziehung der 2000 Taler.
Adolf Friedrich sprach sich über diesen neuen Streit, den ihm sein widerspenstiger Erstgeborener erregte, in einem Brief an seinen Liebling Karl mit folgenden Worten aus: Dein Bruder Christian macht uns viele Molestias, wie er sich nämlich selbst unserm ganzen fürstlichen Hause zu großem Präjudiz, bei unserm Stift Schwerin mit großem Unfuge affectiert und uns gleichsam a statu zu degradieren gedenket, sich selbsten propria auctoritate den Bischoftitel arrogieret und den Capitularen ihre Erklärung, weil sie ihm den bischöflichen Titel nicht geben, auch nicht zwei Bischöfe erkennen, noch haben wollen und können, mit großem Unmut wieder zurückgeschickt und sich wider dieselben allerhand Drohungen vernehmen lassen. Wir können aber und wollen in diese und dergleichen iniqua et insana postulata nimmermehr eingehen, noch die letzte Capitulation löcherig machen lassen und möchten hierüber Dein Judicium gern vernehmen. Wir haben das Stift Schwerin nämlich mit großer Mühe und Unkosten durch die letzte Capitulation an unser fürstl. Haus zu dessen unästimirlichen großen Nutzen gleichsam erblich erhandelt, daß nämlich zu jeder Zeit und bis an den lieben jüngsten Tag der regierende Herzog zu Mecklenburg Schwerinscher Bischof sein und kein anderer oder gar ein Fremder nimmermehr dazu erwählet werden solle. Dies cum applausu unserer ganzen Ritter= und Landschaft."
Obgleich die Rechtslage keineswegs so günstig für Adolf Friedrich war, wie er nach diesen Worten anzunehmen scheint
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- denn das Kapitel hatte sich 1625 bestimmt verpflichtet, nach Ulrichs Absterben Herzog Christian zu dessen Nachfolger zu wählen -, so gab doch Christian diesmal bald nach. Die Entschiedenheit, womit er später immer für die Vereinigung der mecklenburgischen Lande in einer Hand eingetreten ist, erlaubt wohl den Rückschluß, daß er sich schon damals von der Schädlichkeit einer Abtrennung Ratzeburgs hat überzeugen lassen. Er verzichtete schon den 4. Juli auf das Stift, nicht ohne allerdings sein jus radicatum zu betonen, bat aber um Amt und Schloß Bützow, damit er Beschäftigung habe und nicht mit dem Vater an einem Orte zu wohnen brauche, was allerdings bei dem heftigen Temperament beider leicht zu neuen Zusammenstößen führen konnte. Adolf Friedrich war hiermit noch nicht zufrieden, er wollte von keinem "jus radicatun" Christians etwas wissen, verlangte "volle söhnliche Unterwerfung" und drohte wieder, ihm sein Jahrgehalt entziehen zu wollen. Christian brauste heftig auf, als er seines Vaters Antwort bekam, der Vater noch heftiger, als er hiervon hörte; endlich kam im Oktober eine Aussöhnung zustande mit persönlicher Aussprache beider. Aber es litt den Prinzen nur ein paar Tage am väterlichen Hofe, er nahm vielmehr sogleich das unstete Wanderleben, das er schon bisher geführt, wieder auf, bald dieser, bald jener Amtshof diente ihm vorübergehend zum Aufenthalt; auch in Lübeck oder Strelitz, wo seine Tante, Eleonore Marie, die Witwe Johann Albrechts II., ihren Wohnsitz hatte, weilte er öfter.
Im Herbste des Jahres 1646 kehrte auch Prinz Karl zurück, und die alte Eifersucht zwischen den beiden Brüdern flammte in solcher Stärke wieder auf, daß sie sogar Ende November bei Bützow im Zweikampfe auf Pistolen Schüsse gegen einander wechselten, allerdings ohne sich zu verwunden.
3. Christians erste Vermählung.
Bei seinem Besuche in Strelitz sah Christian die Stieftochter seiner Tante, Christine Margarete, die, geboren im Jahre 1615, sich 1640 mit Herzog Franz Albrecht von Sachsen=Lauenburg vermählt hatte und seit dessen Tod * ) im Jahre 1642 verwitwet war. In seiner Jugend war sie seine Lieblingsmuhme gewesen, und nun begann er, obgleich sie 8 Jahre älter war als er, ihr seine Huldigungen aufs neue zu widmen. Sie wohnte meistens
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auf ihrem Witwensitz zu Stintenburg, auf einer Insel im Schaalsee, das damals im Kreise ihrer Bekannten gewöhnlich nach ihr selbst Stinchenburg genannt wurde.
Nach mehrfachen Besuchen Christians in Stinchenburg erfolgte Anfang 1647 sein Heiratsantrag. Die Herzogin lehnte nicht ab, antwortete aber, das entscheidende Wort habe Herzog Adolf Friedrich zu sprechen. Der Prinz richtete also an den Vater ein schriftliches Gesuch, erhielt aber eine durchaus ablehnende Antwort: Die zu nahe Verwandtschaft und besonders das reformierte Glaubensbekenntnis der Herzogin ließen die Verbindung untunlich erscheinen; zugleich wurde Christine Margarete angewiesen, die Huldigungen des Prinzen fortan zurückzuweisen.
Allein war es die Stärke der Liebe oder, was nach dem Charakter des Prinzen wie der weiteren Entwickelung des Verhältnisses wahrscheinlicher ist, sein Eigensinn: er hielt an seiner Erwählten fest und suchte mit Hülfe der Landstände zum Ziel zu gelangen. Nach längeren Verhandlungen ließen sich diese, um den Thronfolger nicht vorweg gegen sich aufzubringen, zu der gewünschten mündlichen wie schriftlichen Verwendung bei Adolf Friedrich bereit finden. Sie erhielten aber in einer Audienz am 30. Juli eine schroffe Abweisung und mußten sich sogar vorwerfen lassen, ihr Auftreten komme fast einer Rebellion gleich.
Darauf beginnt der Prinz wieder ein Wanderleben, das ihn neben häufigen Besuchen in Stinchenburg zu fast allen benachbarten Höfen führte. Überall, bei den Bischöfen von Bremen und Lübeck, in Wolfenbüttel, am dänischen Hofe und in Schweden, auch in Cleve beim Kurfürsten von Brandenburg sucht er Unterstützung für seinen Heiratsplan und seine Absichten auf das Bistum Schwerin, die er nunmehr in der Form wieder aufnahm, daß er zu seinem und seiner künstigen Gattin Unterhalte den Nießbrauch des Bistums - ohne die Hoheitsrechte - begehrte. Es laufen denn auch in Schwerin eine ganze Reihe von empfehlenden Schreiben ein, die aber alle von Adolf Friedrich kurz abgefertigt werden. Ein Besuch in Stockholm trug ihm die Zusicherung einer jährlichen Pension von 2000 Rtlrn. auf 3 Jahre ein, ein ähnlicher in Kopenhagen ein Geschenk von 600 Tlrn. Neuen schweren Anstoß gab er dem Vater durch sein Verhalten im Lande selbst. Wenn er in einem der herzoglichen Amtshäuser oder in dem Fürstenhofe einer Stadt Quartier genommen hatte, so pflegte es dort recht übermütig und lustig herzugehen, es wurde weidlich gezecht und manches Unüberlegte begangen. Als Verbote dem Unwesen kein Ende machten und aus Doberan neue Klagen kamen, legte
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Adolf Friedrich im Dezember 1648 12 Soldaten unter einem Offizier in das dortige Amtshaus mit dem Befehl, wenn Christian wieder dorthin zu kommen sich unterstehen sollte, ihn mitsamt seinen mutwilligen Dienern beim Schopf zu nehmen und gefänglich nach Schwerin zu bringen. Ja, er befiehlt sogar, falls der Sohn und seine Diener sich nicht sollten gefangen nehmen lassen wollen, sondern noch mehr Gewalt verüben. so solle man Feuer auf sie geben und sie "vom Höchsten bis zum Niedrigsten niederschießen und keinen verschonen". Der Prinz hatte nämlich nach einem Zechgelage mit mehreren Edelleuten der Umgegend von dem Doberaner Küchenmeister geordert. seine Genossen im Amtshause für die Nacht aufzunehmen, und auf die Weigerung des Beamten mit der Faust und dem blanken Säbel auf ihn eingehauen.
Einen großen Teil der Schuld schob Adolf Friedrich auf den damaligen Kammerdiener des Prinzen, Heinrich Meyer, der außerdem in Lübeck despektierliche Reden gegen Adolf Friedrich geführt haben sollte. Als Meyer einmal von Stinchenburg, um Besorgungen zu machen, nach Schwerin kam, wurde er verhaftet und einem langen Verhör unterworfen. Allein man brachte nichts besonders Belastendes aus ihm heraus, man schickte ihn also mit 30 Tlrn. Reisegeld über Wismar auf ein Schiff mit dem Bedeuten, sich in Mecklenburg nicht wieder blickenzulassen; er kehrte indessen so schnell wie möglich nach Stinchenburg zurück.
Mannigfache Verwendung benachbarter Fürsten brachte es endlich zu Wege, daß Adolf Friedrichs Räte einen Revers entwarfen, den der Prinz unterzeichnen sollte; geschehe dies, so stimmen sie für Genehmigung der Vermählung und angemessene Apanage. Nach diesem Entwurf soll Christian sich verpflichten, streng an der Augsburgischen Konfession festzuhalten. Alles calvinistische Treiben soll auf immer dem Lande fern gehalten bleiben und die Herzogin Christine Margarete ihren Gottesdienst im Stillen zu üben gehalten sein. Ferner soll Christian im voraus alle Bestimmungen anerkennen, die der Vater über Apanage seiner zweiten Gattin und aller seiner übrigen Kinder schon getroffen habe oder noch treffen werde. Auch alle Diener des Vaters soll der Sohn behalten.
Der Prinz war durchaus nicht geneigt, sich dem allen zu unterwerfen und stellte Gegenbedingungen auf. Unter ihnen steht an der Spitze die Abtretung des Stiftes Schwerin, die er also immer noch nicht aufgegeben hatte; ferner forderte er das Gut Kritzow, das ihm von seiner Großmutter erblich hinterlassen
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sei, Nachzahlung von 6000 Tlrn. rückständig geblichener Apanagegelder, Bezahlung seiner Schulden in Frankreich, eine angemessene Summe zu Ausrichtung der Hochzeit und Ausstattung des gebührenden Hofstaates, endlich Rückgabe jenes früheren Reverses und genaue Rechenschaft über die Hinterlassenschaft seiner verstorbenen Mutter.
Die Forderung von der Rückgabe des Reverses hängt zusammen mit der Schwenkung, die mittlerweile Adolf Friedrich in der Erbfolgefrage gemacht hatte. Er hatte nämlich im Jahre 1647, gewiß durch das Verhalten seines Erstgeborenen bewogen, eine Umarbeitung seines ersten Testamentsentwurfes vornehmen lassen, nach welcher Herzog Karl zum Erben des Güstrower Landes im Falle von dessen Erledigung bestimmt ward. Somit hatte der leidige Zwist noch die Folge, die unselige Gepflogenheit der Erbteilungen, der gegenüber die Einführung der Primogenitur ohne Zweifel ein Fortschritt war, wieder auf die Bahn zu bringen und so die wichtigsten Landesinteressen zu gefährden. Gerade in diesem Punkte standen sich fortab Vater und Sohn in unversöhnlichem Gegensatze gegenüber, und so viel auch Christian gefehlt haben mochte, so begreiflich auch die Scheu des Vaters ist, diesem so ungeberdigen Charakter die Regierung über sein ganzes Land in die Hand zu geben, so muß man doch in dieser Frage auf Christians Seite stehen: er kämpfte einen guten Kampf, wenn er alle Energie entfaltete, um diese gefährlichen Pläne seines Vaters zu durchkreuzen. Auch sonst läßt sich nicht leugnen, daß der Vater an der Verschärfung der Streitigkeiten einen Teil der Schuld mit trägt, insofern er in der Tat seinen Erstgeborenen schlechter behandelte als seinen zweiten Sohn, ihn allzu lange und eng am väterlichen Gängelbande führen wollte und die gelegentlichen Streiche jugendlichen Übermutes und eines hitzigen Temperamentes, selbst auch im Alter noch ebenso hitzig, allzu strenge beurteilte.
Noch gab der Sohn die Versöhnung mit dem Vater nicht auf: Im Januar 1649 richtete er von Stinchenburg aus wieder einmal ein inständiges Gesuch an ihn, seinen Argwohn gegen ihn, den er nicht verschuldet habe, fahren zu lassen und ihm sein Vaterherz wieder zu erschließen, er habe nie, was freilich schwerlich aufrichtig und jedenfalls tatsächlich unrichtig war, den Gedanken oder Vorsatz gehabt, dem Vater zu widerstreben. In seiner Antwort hält ihm Adolf Friedrich in strengem Tone, indem er noch immer seinen Sohn wie einen Knaben behandelt, der zurechtgewiesen werden soll, ein ausführliches Register aller seiner Ver=
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fehlungen vor und verlangt für die Zukunft besseren Gehorsam und besonders auch Entlassung der übelwollenden Ratgeber. Wenn er aber in seinem Ungehorsam beharre, werde er sich Gottes Zorn und Strafe und den Fluch des Vaters zuziehen. Mit den übelwollenden Ratgebern meinte er den Kammerjunker Zacharias v. Rochow, der Calvinist und Ratgeber der Herzogin Christine Margarete war und allerdings, wie sich aus Meyers Verhör ergeben, den Prinzen bei allen seinen Schritten beraten hatte und ihm bei Abfassung der nötigen Schriftstücke zur Hand gegangen war.
Das ganze Jahr 1649 verging unter fruchtlosen Verhandlungen, in die auch nach einer neuen Reise Christians zu Friedrich Wilhelm nach Cleve (im März) der Kurfürst eingriff. Christian gab zwar seine Ansprüche auf das Stift Schwerin wieder auf und wünschte statt dessen die Komturei Mirow nebst 5000 Tlrn. Barzahlung (so den 1. Juni), und hierüber wäre ein Einvernehmen unschwer zu erzielen gewesen, aber die Gegensätze der beiderseitigen Anschauungen über die Erbfolge machten es unmöglich. - Endlich reiste Christian im November nach Wien, um mit Brandenburgs Hülfe den Kaiser selbst für seine Wünsche zu gewinnen. In einer persönlichen Audienz übergab er d. 22. Nov./1. Dez. eine Klage gegen den Vater, daß dieser ihm keinen standesgemäßen Unterhalt gewähre, seine Vermählung dadurch hindere und einen Revers von ihm fordere, der mit dem im mecklenburgischen Fürstenhause gültigen Erstgeburtsrechte im direkten Widerspruch stehe. Der Prinz bittet, daß der Kaiser den Kurfürsten von Brandenburg und das gesamte Haus Braunschweig=Lüneburg zu Kommissarien zur Regelung seiner Angelegenheiten bestelle.
Seinem Antrage ward in Wien stattgegeben * ) (Dez. 1649). In Erwiderung des betreffenden kaiserlichen Erlasses bat Adolf Friedrich (im Februar 1650) um Aufschub und die Ernennung von noch zwei Schiedsrichtern, dem Kurfürsten Johann Georg von Sachsen und dem Bischof von Lübeck, Herzog Johann von Holstein. Da er erst Antwort auf diese Eingabe, die dann zustimmend ausfiel, abwarten wollte, so ließ er Abgesandte von Brandenburg und Lüneburg, die am 20. Februar in Hamburg eintrafen, vergebens warten, sodaß sie Mitte März unverrichteter Sache wieder abreisen mußten.
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Das junge Paar schob nun die Trauung nicht länger hinaus; sie fand den 6. Juli 1650 in Hamburg statt, in Abwesenheit Adolf Friedrichs * ), der noch kurz vorher einen abgesandten Kavalier seines Sohnes überhaupt nicht zur Audienz zugelassen noch das ihm mitgegebene Schreiben angenommen hatte.
In den Ehepakten verspricht Christian, seine Gattin in der freien Übung ihres Bekenntnisses nicht zu stören und die Tochter reformiert erziehen zu lassen. Besonders wichtig für die weitere Geschichte der Ehe sind einige Bestimmungen über den Unterhalt des Paares geworden. Sie lauten: "Obwohl alsobald mit und nach vollzogenem Beilager Herzog Christian Liebd. die Tafel und Hofstaat und was dazu gehört, aus dero eigenen Mitteln zu führen und zu erhalten schuldig wären, Se. Liebd. solches auch gerne täten; dieweil aber deroselben Herr Vatern zu S. Liebd. Unterhalt und Führung des Ehestandes bis dato keine Anstalt gemacht, auch allem Ansehen nach damit noch wohl eine Weile zurück halten wird, also verwilligen Wir, die verwittibte Herzogin zu Sachsen, daß zu dem Behuf S. Liebd. die Abnutzung Unseres im Lande Sachsen liegenden Gutes Stinchenburg, wie auch des mecklenburgischen Amtes Zarrentin, so Wir gegen 19500 Tlr. von S. Liebd. Herrn Vatern in Pfandschaft haben, zu Bestellung des gesamten Hof= und Hauswesens anwenden, auf bemeldtem Gute und Amte die Anstalt zur Haushaltung aufs beste als es Seine Liebd. gut befinden, anordnen und bestellen mögen." An Christian werden auch 15000 Tlr., die seiner Gattin wegen ihrer ersten Ehe noch nicht bezahlt sind, und 6000 Tlr., die ihr ebenfalls zu Schmuck, Kleinodien, Wagen und Pferden gebühren, angewiesen, damit er sie eintreibe. Wenn aber Herzog Christian von seinem Vater ein oder anderes Amt angewiesen erhält oder die Landesregierung und also eigene Mittel, um seinen Hofstaat zu führen, erlangt, so "wollen Wir", heißt es weiter, "daß obgedachtes Unser Gut Stinchenburg und Amt Zarrentin samt allen Nutzungen Uns wieder eingeräumt und durch Unsere Beamten administriert werde."
Christian verschreibt seiner Braut 6000 Tlr., für die er am Morgen nach der Hochzeit eine Obligation ausstellen will, und ein jährliches Nadelgeld von 1000 Tlrn., das zugleich als Verzinsung der Morgengabe gilt.
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Im Oktober 1650 reiste er nochmals nach Wien und bemühte sich besonders dahin, daß ihm als Apanage die Ämter Rehna * ) und Schönberg überlassen, außerdem aber die Unkosten während der Dauer der Zerwürfnisse mit seinem Vater ersetzt würden.
Endlich im Frühjahr 1651 traten die Gesandten der vier Schiedsrichter in Salzwedel in der Altmark zusammen. Da die Sitzungen in Salzwedel dem Lande teuer werden mußten, so entschloß sich Adolf Friedrich zum Einlenken. Er ging auf Brandenburgs Vorschlag ein, dessen Kommissarien in Schwerin zu empfangen, und hier kam eine Vereinbarung zustande (den 13. Juni 1651), nach der Adolf Friedrich seinem Sohn das Amt Rehna abtrat und eine Apanage von 6000 Tlrn. jährlich aussetzte; was bei den Einkünften von Rehna an dieser Summe fehlt, soll bar zugezahlt werden.
Zur Vermählung gab Adolf Friedrich seine Zustimmung auch jetzt noch nicht, erteilte aber (d. 22. August 1651) dem jungen Paare die Erlaubnis, nach Schwerin zu kommen. Es machte jedoch keinen Gebrauch davon, vielmehr fing bald neuer Streit an. Noch im selben Monat verlangte Christian durch ein Schreiben vom Vater Bezahlung der alten Pariser Schulden und Gewährung einer bedeutenden Holzlieferung, da im Amte Rehna kein schlagbares Holz sei. Die schnell auf Stinchenburg sich einstellende Geldnot war für diese Forderungen gewiß das Hauptmotiv. Denn obgleich die Königin Christine von Schweden, durch Urkunde vom 9. März 1650 die jährliche Pension von 2000 Tlrn. bis auf weiteres wieder bewilligt und den 13. Mai 1651 Kurfürst Friedrich Wilhelm bis zu Christians Regierungsantritt ihm jährlich 2000 Tlr. aus den Zolleinkünften von Lenzen ** ) ausgesetzt hatte (d. 13. Mai 1651), so reichte doch dies alles nicht aus, auch bei bescheidenen Ansprüchen den Hofhalt zu bestreiten. In einem Anschlage für das Jahr 1651 werden die notwendigen Ausgaben auf 16014 Tlr. berechnet, diese Summe überstieg die Einnahmen (im ganzen 10000 Tlr. außer dem Ertrage von Stinchenburg und Zarrentin) bei weitem. *** ) Dazu
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kam, daß es mit der Einigkeit unter den Neuvermählten bald vorbei war.
4. Entzweiung Christians mit seiner Gattin.
Der Zankapfel ward zwischen die Gatten geworfen durch die Frage, ob dem Herzog, nachdem er Rehna und die 6000 Tlr. erhalten, noch die Administration von Stinchenburg und Zarrentin zustehe oder nicht. Christian bejahte die Frage, weil die vom Vater ausgesetzte Summe zur Führung des Haushaltes nicht hinreiche. Die Herzogin verneinte sie unter Hinweis auf den Ehekontrakt. Sie würde schwerlich so entschieden bei ihrer Auffassung beharrt sein, wenn sie nicht mittlerweile den schroffen und eigenwilligen Sinn ihres Gatten genauer kennen gelernt hätte. Behielt er die Verwaltung, so fürchtete sie, er werde die Güter ruinieren und ihr selbst mehr und mehr alle Selbständigkeit rauben. Christian sah hierin eine Auflehnung gegen seine rechtmäßige Gewalt als Eheherr und ersuchte schon im November 1651 den Hofprediger zu Stinchenburg, die Herzogin zur Friedfertigkeit zu ermahnen. Sie stellte darauf dem Geistlichen ein langes Memorial voll lebhafter Klagen zu (den 13. Nov.) "Eine geraume Zeit und oft - so heißt es darin - habe ich mich überwunden, solange ich es mehr für eine menschliche Übereilung als bösen Vorsatz und verborgene Intention angesehen. Nachdem ich aber aus vielfältigen und ziemlich deutlichen Reden, auch aus itzigem Verhalten befunden, daß es einzig und allein darauf abgesehen, mich zu forcieren und mürbe zu machen und alles, was ich noch um und an der Seele habe, darein zu ziehen und mir ärger und unhöflicher zu begegnen, als wohl unter Leuten gemeinen Standes zu geschehen pfleget, so mußte es mich ja wohl viel tiefer im Grunde meiner Seele schmerzen. Meine Güter werden durch die Hofhaltung ruiniert, mein Vieh wird aufgezehrt, und sogar das elende Haus, darinnen alle Winkel vollgepacket und geleget
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sind, schwebt in stündlicher Feuersgefahr." * ) - "Ich bin meiner Tage wenige im Rosengarten gesessen, aber mehr betrübte Tage und Nächte, als ich diese Zeit über, die ich mit Sr. Liebd. im Ehestande verlebt, da ich stets entweder das Vergangene beweinen, das Gegenwärtige und Zukünftige aber bezittern und über dies alles noch hören muß, daß Sie sich über mich beklagen, kann Niemand in der Welt verlebt haben."
Christians Gegenmemorial klingt so gemäßigt, so liebevoll und demütig, wie nur möglich: "Daß Ihro Liebden in Betrübnis geraten, ist mir herzlich leid. Kommt die Ursache von mir. so ist es mir gewiß unbewußt. Ich habe Sie von Jugend auf geliebet und nachgehends, seit ich wieder aus Frankreich zurück bin, bis nun in meiner herzlichen Affection continuieret." "Sein meine Geberden und Worte bisweilen so beschaffen gewesen, daß Sie darob einen Verdruß bekommen, ist es wider mein Wissen und Willen geschehen. Ich bin ein Mensch, dazu noch ein junger, habe mich bei meinen vielfachen Widerwärtigkeiten wunderlich herumbringen und, um mich zu conservieren, oft seltsamem Humor der Leute mich accommodieren müssen. Darum meritiere ich mehr Geduld und Mitleiden als Zorn und Unwillen. Was Ihro Liebden Barschaft und liegende Güter anlangt, so begehre ich Sie um diese keineswegs zu bringen, noch auch davon einen Pfennig vor mich aufzulegen. Daß Sie mir aus denselben Gutes getan und in meiner Not assistieret, solches habe ich nie geleugnet. sondern mit Mund und Hand bekannt und begehre Ihr den Dank, der Ihr dafür gebühret, nicht zu weigern."
Der Brief klingt äußerst gewinnend, allein wenn man an die Scenen denkt, die Kayser und andere früher mit Christian erlebt, so wird man die Schilderung der Herzogin nicht für übertrieben halten. Und was die Hauptsache ist, in der eigentlichen Streitfrage gab Christian nicht nach, es gelang deshalb dem Geistlichen nicht, den Frieden wiederherzustellen.
Auch ein auf Wunsch beider Gatten von Herzog August von Wolfenbüttel und dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm unternommener Versuch, durch Sendboten den Streit zu schlichten, blieb fruchtlos; obgleich beide Fürsten zum Frieden rieten, verschärfte sich das Mißverhältnis noch, als Christian mehr und mehr
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die alten Diener seiner Gattin zu beseitigen trachtete und weiterhin in Zarrentin auf eigene Hand einen neuen Amtsschreiber anstellte.
Ein Abgesandter Adolf Friedrichs, der uns bekannte Abraham Kayser, fand die Herzogin im Juli 1652 in Abwesenheit ihres Gatten - er machte damals eine Reise nach Hamburg und Aurich - krank und voll Kummer. Unter vielen Tränen klagte sie, man versperre ihren Dienern den freien Zutritt zu ihr; sie werde von ihrem Gemahl verachtet und gering angesehen, so daß der allgemeine Ruf in der Gegend schon gehe, er wolle sich scheiden lassen. Daß ihr Ehestand noch nicht mit Kindern gesegnet, sei Gottes Wille, aber der Prinz habe keinen Funken Liebe mehr für sie * ) und behandle sie wie eine Sklavin und nicht, wie es unter fürstlichen Personen Sitte sei.
Nach Christians Rückkehr schrieb sie den 22. Sept. an den Großen Kurfürsten u. a.: "Mein geringstes Unglück ist, daß ich meiner Güter beraubt werde; mein Leib und Person stehet in täglicher Gefahr des Gefängnisses. Meines Lebens bin ich dergestalt keine Stunde sicher. Ja, was das Höchste ist, so trachtet man, wo es möglich, sogar auch meine Ehre zu beflecken." Sie spricht schon davon, sich dem Unglück zu entziehen und sucht um Schutz nach. Ähnliche Schreiben sandte sie an Adolf Friedrich und an Schwester und Schwager in Wolfenbüttel.
Nach neuen heftigen Scenen zwischen den Gatten ging Christian wieder auf die Reise (d. 5. Okt. 1652) und zwar, ohne sichere Nachricht daheim zu lassen, über Aurich nach dem Haag. Christine Margarete wandte sich nun an ihre Schwester Sophie Elisabeth nach Wolfenbüttel um Rat, und diese kam zu ihr nach Stinchenburg. Beide beschlossen, sich Adolf Friedrich ganz in die Arme zu werfen, der sie nach Schwerin einlud.
Adolf Friedrich entschloß sich nun, weniger wohl um seiner Schwiegertochter willen, als um einen klaren Einblick in die Absichten Christians gegen ihn selbst zu gewinnen, zu äußerst scharfen Maßregeln. Den 29. Nov. 1652 erhielt Oberst v. Görtzgen Befehl, mit einer Abteilung Reiter und Fußvolk von Schwerin aus auf Rehna, Stinchenburg und Zarrentin zu marschieren und sich aller dieser Orte zu bemächtigen. In der Instruktion des Obersten heißt es u. a., falls Herzog Christian nach Stinchenburg komme und den Obersten dort verjagen wolle, so solle Gewalt gegen ihn gebraucht, und er gefangen genommen und nach Schwerin geführt werden.
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Vor dem anrückenden Obersten mußte sich die kleine Soldatentruppe, die Christian auf Stinchenburg hielt, ergeben, ihr Führer, Leutnant Müller, und zwei andere Offizianten, der von Christian eingesetzte Amtsschreiber Johann Eichholtz und der Trompeter Thomas Wersen, wurden zu Schwerin in die Bleikammer (im Schlosse) gefangen gesetzt, die sämtlichen Papiere Christians mit Beschlag belegt und mit nach Schwerin genommen; dort wurden Abschriften davon gefertigt und sie dann zurückgeschickt.
Bis in den Dezember blieb Görtzgen in Stinchenburg, dann erhob Lauenburg, zu dessen Territoriuni der Ort ja gehörte, Protest, und er zog ab, geleitete aber Christine Margarete bis an die Elbe, von wo sie nach Wolfenbüttel abgeholt ward. - Sie hat ihren Gatten nicht wiedergesehen.
Anfang 1653 kehrte Christian nach Deutschland zurück, blieb aber, gewarnt, vorerst in Lübeck und nahm dort den Oberstleutnant Johann Stellmacher und eine Anzahl Soldaten in seinen Dienst, darunter auch einen Konstabler (Geschützkundigen). Durch diesen ließ er in Lübeck für 400 Tlr. fünf kleine eiserne Geschütze nebst 100 Kugeln und sonstiger Munition und 30 gefüllte Handgranaten kaufen und dies alles von der geworbenen Mannschaft nach Stinchenburg bringen. Erst darauf kam er selbst und nahm sofort die Verwaltung von Zarrentin und Stinchenburg wieder in die Hand.
Inzwischen war es noch im Jahre 1652 vor der Abreise der Herzogin in Wien gelungen, bei Kaiser Ferdinand die Einsetzung einer Kommission, bestehend aus dem Kurfürsten und dem Herzog August von Wolfenbüttel, zur Schlichtung des ehelichen Zwistes zu erwirken. Als Herzog Christian nun seiner Gemahlin ebenso dringend wie ausführlich die Gründe vorführte, weshalb sie zurückzukehren habe - es sei gar kein Grund zur Abreise für sie vorhanden gewesen - ward er von ihr und Herzog August auf die Kommission verwiesen.
Das Einsetzungsdekret des Kaisers für die Kommission, datiert vom 24. September 1652, ging im Februar 1653 in Stinchenburg ein, ward aber von Herzog Christian sofort mit einem Protest beantwortet: beide Kommissare hätten auf seiten seiner Gemahlin die Ehepakten mit unterschrieben. seien also Partei; er bittet deshalb, die Kommission wieder zu kassieren. Um seine Bereitwilligkeit zur Versöhnung zu beweisen, ersuchte er seinen Schwager, Herzog August von Sachsen=Weißenfels, den Administrator des Erzstiftes Magdeburg, den er in seiner Residenz Halle persönlich aufgesucht hatte, und seinen Oheim Johann
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Kasimir von Anhalt=Dessau, die Vermittelung zwischen ihm und seiner Gattin zu übernehmen, und ließ durch sie dem Kaiser einen Revers vorlegen, der das Versprechen enthielt, wenn seine Gattin wiederkomme, ihr dann eheliche herzliche Liebe und Treue erweisen und sie schützen und versorgen zu wollen (Schr. aus Halle, d. 5. Juli 1653). Allein Christine Margarete bezeigte keine Neigung, in die Arme ihres zärtlichen Gatten zurückzukehren, und beharrte bei der kaiserlichen Kommission, durch welche erst die Rechtsfrage inbetreff der Eigentumsverhältnisse entschieden werden müsse. Darauf leitete Christian eine Klage bei dem Konsistorium zu Ratzeburg gegen seine Gemahlin ein wegen rechtswidrigen Verlassens und suchte auch den Kaiserhof für dieses Verfahren zur Entscheidung des Streites zu gewinnen. Aber auf Befehl des Kaisers mußte er die Klage wieder fallen lassen; es blieb bei der Kommission, der aber auf Christians Gesuch Herzog Friedrich von Holstein=Gottorp beigefügt wurde. Christian aber wußte den Beginn der Kommissionsverhandlungen auf verschiedene Weise immer wieder hinauszuziehen, besonders dadurch, daß er vorher eine persönliche Zusammenkunft mit der Gattin wünschte, die diese mehrfach verweigerte. Anfang 1655 erwirkte er die Erlaubnis, noch einige seiner "Konfidenten" ihr beifügen zu lassen, er wählte den Kurfürsten von Mainz und Herzog Christian Ludwig von Lüneburg. Die Kommission hatte also jetzt fünf Mitglieder, was ihre Verhandlungen nicht eben beschleunigte: vielmehr verliefen sie völlig im Sande.
5. Klagen Christians bei Kaiser und Reich, Beziehungen zu den Jesuiten.
Inzwischen hatte Christian aufs neue die Hülfe des Kaisers und des Reiches gegen den Vater angerufen. Die erste Veranlassung dazu bot das gewaltsame Verfahren des Vaters gegen ihn und die Gefangennahme seiner Diener. Zur Vertretung dieser Klage sandte er den Oberstleutnant Stellmacher nach Regensburg mit einem Schreiben an Kaiser und Reich, das neben obigen Punkten auch die Zurückhaltung seiner Alimentgelder zum Gegenstande der Beschwerde machte. * )
Diesem ersten Schreiben folgte ein zweites, worin er den Kaiser ersucht, seinen Vater zur Wiederauslieferung jenes früheren Reverses zu veranlassen oder denselben für ungültig zu erklären, und ein drittes, in dem er feierlich Protest einlegt gegen ein
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etwaiges Testament des Vaters, sofern darin ihm Nachteiliges enthalten sei, mit der Bitte, einem solchen Testament seine Genehmigung nicht zu erteilen.
Christian hatte nämlich Anfang 1653 Kenntnis erhalten von der Absicht des Vaters, sein Testament noch einmal zu ändern. Zur Ausführung gelangte diese Absicht allerdings erst im folgenden Jahre. Am 31. Oktober 1654 ist Adolf Friedrichs drittes Testament unterzeichnet, das an Stelle des zweiten in Lübeck deponiert ward. Darin entfernt sich Adolf Friedrich noch weiter von dem Erbrecht der Primogenitur als in dem zweiten und spricht seinem ältesten Sohn nur das Herzogtum Schwerin, Herzog Karl das Fürstentum Ratzeburg und seinem dritten Sohn, Johann Georg, das Fürstentum Schwerin zu und bestimmt weiterhin, wenn Herzog Gustav Adolf von Güstrow ohne Erben sterbe, daß dann Herzog Karl Güstrow und die jüngeren Brüder an Stelle der älteren die beiden Fürstentümer erhalten sollten. Die Zersplitterung, die so auf unabsehbare Zeit in den Besitz des mecklenburgischen Hauses hineingetragen wurde, war vom Standpunkt der allgemeinen Landesinteressen wie der des Fürstenhauses selbst aus höchst bedenklich, allein der Eigenart des Thronfolgers gegenüber mochte sie dem Vater als das geringere Übel erscheinen.
Indessen die kaiserliche Bestätigung, die Adolf Friedrich für sein Testament nachsuchte blieb in der Tat infolge von Christians Protest aus, und in Betreff des Rehnaer Gewaltstreiches und der Alimentenfrage erließ der Kaiser - auf Grund eines Reichshofratsbeschlusses - den 11. Juni an Adolf Friedrich die Aufforderung, die Gefangenen freizulassen und dem Prinzen die ihm ausgesetzten Alimentgelder nicht vorzuenthalten. Und als Adolf Friedrich einwandte, er habe die Zuschüsse aus den Erträgen des Amtes Rehna nur zu gewähren, wenn das jetzt getrennt lebende Ehepaar gemeinsamen Haushalt führe, gingen ihm Monitorien zu (d. 16. August und 18. September), dem Erlaß vom 11. Juni unverweilt nachzukommen.
Diese großen Erfolge des Sohnes gegen seinen Vater, den regierenden Landesfürsten, wären schwerlich gewonnen worden, wenn nicht Christian schon damals mächtige Freunde in der nächsten Umgebung des Kaisers selbst gehabt hätte: er war mit den Jesuiten in Verbindung getreten, insbesondere mit dem sehr einflußreichen Pater Kedd. Von diesem ist ein Brief aus dem Jahre 1653 erhalten, der auf die Ehezwistigkeiten Bezug hat und in dem es heißt: "Hochbewußte Angelegenheit habe ich
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bei neulicher geheimer Audienz bei Römisch Kaiserl. Maj. angebracht, die Sich hierauf Allergnädigst resolviert, über die angesetzten zwei Kommissarien annoch zwei andere, unparteiische und Euer Fürstl. Gnaden erwünschte zu deputieren." Denselben Weg, der ihn hier zum Ziele führte, wird er auch für seine andern Wünsche eingeschlagen haben. Daß er sich schon damals mit dem Gedanken des Übertritts zur katholischen Kirche trug, und wie man ihn hierzu zu verleiten suchte, geht deutlich aus einer längeren und vertraulichen Unterredung hervor, die er im Jahre 1654 mit dem Hamburger Pastor Dr. Schuppius hatte, über die Schuppius in einem Brief an seinen Freund, den Rostocker Professor Dr. Dorschäus u. a. folgendes berichtet: "Ich merke auch, daß, wenn Se. Fürstl. Gnaden die Religion ändern wollen, können Sie leichtlich zu einer andern vornehmen Heirat gelangen, so daß Sie etliche Millionen Goldes zu erwarten haben und an Schönheit, hohem Stande und andern Qualitäten keinen Mangel, wie das die Jesuiten Ihrer Fürstl. Gnaden gar lieblich pfeifen." Schupp bittet seinen Freund, auf Mittel zu denken, wie diese fürstliche Seele aus augenscheinlicher Gefahr könne errettet werden. Weiterhin wird Pater Kedd genannt, er liege Ihrer Fürstl. Gnaden hart an, "will Sie überreden, es sei kein rechtes Konjugium, denn sie seien zu nahe verwandt. Zum andern sei es eine malitiosa desertio, und wenn Ihre Fürstl. Gnaden wollten ein Ave Maria beten, so wolle er Ihm Dispensation vom Papst in amplissima forma erlangen und ein Manifest ausgehen lassen, daß Ihre Fürstl. Gnaden wohl daran getan, daß Sie anderwärts zu heiraten sich resolvieret, und wollte Ihnen eine extraordinair schöne, hoch qualificierte, aus hohem Stamme entsprossene Dame zu freien geben, die jährlich 10000 Tlr. zu verzehren hätte." Schupp weist darauf hin, daß der niedersächsische Kreis bisher die Religion rein erhalten und die Päpstlichen durch Herzog Christian einen Fuß an das Baltische Meer würden setzen können, weshalb sie sich um ihn mehr bemühen würden, als um oberdeutsche Fürsten; noch aber, meint er, sei er zu gewinnen, wenn ihm wohl begegnet werde.
Mit Pater Kedd wird Christian bei seinem Wiener Aufenthalte Ende 1649 oder Anfang 1650 bekannt geworden sein. Daß aber, wie sich bald zeigte, an eine französische Prinzessin als Gattin Christians gedacht wurde, läßt vermuten, daß schon bei seinem Aufenthalte in Paris die ersten Maschen des Netzes, mit dem man ihn zu fangen gedachte, geflochten sind.
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Dorschäus hielt es für seine Pflicht, Schupps Brief Adolf Friedrich zu übersenden, allein bei diesem verfing der Brief ebenso wenig wie die Erlasse des Kaisers, vielmehr wird er durch ihn in seiner Absicht, sein Testament zu ändern, nur bestärkt worden sein. Christians erste Beschwerde wegen des Rehnaer Gewaltstreiches hatte er schroff abgewiesen und ihm sogar verboten, ihn noch ferner mit Schreiben zu behelligen. Auch die Vorstellungen zweier Landräte, auf Christians Wunsch unternommen, waren erfolglos geblieben, ebenso wie ein Vermittelungsversuch der Landstände.
6. Vermittelungsversuch der Stände.
An die Stände hatte sich Christian den 27. Juli 1653 mit einem ausführlichen Schreiben * ) gewandt, er bezeugt darin "mit kummervollem Herzen", er habe dem Vater nicht die geringste Ursache zu dessen Verfahren gegen ihn gegeben, und legt dar, was geschehen sei. Unter anderm beschuldigt er hier den Vater, seine Gemahlin zu ihrer unchristlichen Trennung und Entweichung allen Vorschub getan und sie in ihrem unverantwortlichen Vornehmen gestärkt zu haben. Ferner wird erzählt, Adolf Friedrich habe schriftlich gedroht, Christians Küchenmeister zu Zarrentin, den er seiner geführten unverantwortlichen Haushaltung und öffentlichen Diebstahls wegen habe gefänglich einziehen lassen müssen, von Stinchenburg, das doch in Adolf Friedrichs Territorium nicht liege, mit Gewalt zu befreien; seinen getreuen unschuldigen Dienern und vielleicht ihm selbst habe man heimlich und öffentlich nachstellen lassen, ja ganze Trupps Einspänniger ** ), sie entweder lebendig oder tot zu liefern, ausgeschickt; man sende Mandate ins Land, daß, wenn er sich, wie er dazu wohl befugt sei, an des Küchenmeisters hinterlassenen Gütern wegen seines Diebstahls würde erholen wollen, man mit gewaffneter Hand es verwehren solle. Er dürfe ohne Gefahr nicht eine Meile aufs Land reisen, und als er vor wenigen Tagen auf der Jagd gewesen und hernach nach Wittenburg geritten, um mit dem Hauptmann des Ortes zu sprechen und kein Kind von ihm oder den Seinigen beleidigt worden, habe man es zu Schwerin so übel ausgedeutet, daß man wider ihn scharfe Inquisition angestellt und viele Bürger aus Wittenburg abhören lassen, in Meinung, etwas auf
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ihn zu bringen. Er sei gleichsam in seinem eigenen Hause blockiert, kurz man suche alle Mittel hervor, wie man ihm etwa beikommen und ihn zum Äußersten, ja wie es scheine, von der Succession bringen oder selbige zum wenigsten disputable machen könnte. Nachdem er dann noch von dem Erlaß des Kaisers berichtet, dem Adolf Friedrich aber keinen Gehorsam geleistet, bittet er schließlich die Stände um Vermittelung, wobei er Gott zum Zeugen anruft, daß er nicht wisse, womit er Serenissimus beleidigt haben solle; wenn ihm aber solches werde angezeigt werden, sei er erbötig und bereit ihm genugsame, ja alle "selbstbeliebige" Satisfaktion zu geben.
Die Stände beschlossen auf dem Landtage zu Schwerin den 12. Septbr., dieses Schreiben im Original Adolf Friedrich zuzustellen und ihm anheimzugeben, ob er ihre Vermittelung zulassen wolle. Inzwischen hatte aber der Vater doch noch ein weiteres Schreiben (v. 31. August) an seinen Sohn erlassen, worin er ihm ausführlich die Bedingungen mitteilt, unter denen er sich mit ihm wieder auszusöhnen gewillt sei. Es sind folgende: 1. Herzog Christian soll alle Verschreibungen und Verpfändungen des Vaters halten, 2. nach Adolf Friedrichs Tod seine Witwe in ihrem Leibgedinge nicht verkürzen, 3. die testamentarischen Bestimmungen des Vaters, besonders über die Brüder und Schwestern halten, die schon in diesem Schreiben eingehend und im Sinne des im folgenden Jahre unterzeichneten Testamentes angegeben werden, 4. keinem der fürstlichen Diener Ungnade erweisen. Wenn er sich hierzu gutwillig erkläre, so sollten ihm die Alimentgelder wieder ausgefolgt werden, und diese Aussöhnung werde ein guter Anfang zur Aussöhnung mit seiner Gemahlin sein.
Dieses Scheiben übersandte Herzog Christian den 16. Septbr. mit seiner in der Hauptsache ablehnenden Antwort wieder an die Stände durch den Hauptmann von Rehna, Levin v. Barsse, der zugleich instruiert war, Ritter= und Landschaft um Auszahlung von 2000 Tlrn., die sie ihm als Beilagergeschenk versprochen, auch des Brautschatzes, und um eine Anleihe von 4000 Tlrn. zu ersuchen. Auch dieses Schreiben legten die Stände Adolf Friedrich vor und baten zugleich, dem Sohn die Alimentgelder wieder verabfolgen zu lassen. Dem Sohn gegenüber erklärten sie die versprochene Zahlung von 2000 Tlrn. als Geschenk für irrtümlich; der Prinz habe wiederholt um 2000 Tlr. gebeten, die Stände aber wegen Unvermögens des Landkastens nur 500 Tlr. bei seiner bevorstehenden Vermählung ihm angeboten und auch präsentiert. Wegen des Brautschatzes verweisen sie auf den Landtagsbeschluß
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vom Jahre 1650 * ), den Prinzessinnen zusammen 10000 Tlr., als Fräuleinsteuer zu geben, jeder 2000 Tlr., und erbieten sich, von der nächsten Kontribution die 2000 Tlr. zu zahlen, die Anleihe lehnen sie ab.
Adolf Friedrich, der übrigens inzwischen nach neunmonatlicher Haft die Gefangenen von Stinchenburg entlassen hatte, nahm zwar die Vermittelung der Stände an, erklärte aber, daß vorerst die Landtagssachen erledigt werden müßten, und als dies geschehen war, ward der Landtag geschlossen.
Inzwischen war auch Christine Margarete nicht untätig gewesen und hatte vom Kaiser die Genehmigung erwirkt, daß ihr von den durch Adolf Friedrich zurückgehaltenen Alimentgeldern jährlich 1000 Tlr. ausgezahlt werden sollten. Adolf Friedrich verstand sich hierzu sofort, blieb aber dabei, daß der Rest an seinen Sohn nicht eher auszuzahlen sei, bis die Ehestreitigkeit beendet sei. Auch der Kurfürst von Brandenburg behielt von den Christian zugesicherten 2000 Tlrn. die Hälfte zurück und ließ sie der Herzogin auszahlen. Ein anderer Vermittelungsversuch, unternommen von einer zu diesem Zwecke ernannten kaiserlichen Kommission, den Herzögen Heinrich Julius von Sachsen und Friedrich von Holstein, hatte ebenfalls keinen Erfolg.
So der Barmittel, deren er zu seiner Existenz, auch ohne seine Gattin, bedurfte, großenteils beraubt, geriet Herzog Christian wieder in Schulden und kam nun auf den Bedanken, auswärts Kriegsdienste zu nehmen. Ende 1653 brachte er durch Stellmacher vom spanischen Botschafter in Regensburg, Castel Rodrigo, eine Bestallung zum Generalwachtmeister (dat. v. 16. Dez.) zu Wege mit der Vollmacht, vier deutsche Regimenter, zwei zu Fuß und zwei zu Pferde, im niedersächsischen Kreise für Spanien zu werben und sie nach Lothringen zu führen. ** ) Durch die Abdankung
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eines schwedischen Regimentes wurden damals gerade eine Menge Kriegsleute brotlos. Dies benutzte Christian und begann offen die Werbetrommel zu rühren, nachdem er von dieser seiner Absicht dem Kreisobersten, Herzog Christian Ludwig von Celle, Anzeige gemacht hatte (durch Schr. v. 30. Dez. 1653). Zwei Tage vorher aber hatte auch Adolf Friedrich, der sich durch diesen Werbeplan in seiner Sicherheit aufs höchste bedroht sah, nach Celle geschrieben und die Hülfe des Kreisobersten angerufen. Dieser sandte sofort eine Mahnung an Christian ab (d. 15. Jan. 1654) und berief die "Kriegsbeamteten" des Kreises - die Herzöge von Wolfenbüttel, Hannover, Schwerin und Gottorp - zu einem Konvent nach Hamburg, auch die schwedische Regierung in Stade wurde zur Teilnahme eingeladen, die sich aber zurückhielt. Von Hamburg aus erließ man ein gemeinsames Abmahnschreiben an Christian, d. 13. Febr. 1654, und als dies nicht sogleich half, zog der Kreisoberst, entschlossen, keine Parteigänger der Spanier im niedersächsischen Kreise zu dulden, 500 Fußknechte und drei Kompagnien Reiter - auch Adolf Friedrich sandte einige Leute - unter dem Kommando des Oberstleutnants Körner bei Bardowiek zusammen. Körner überschritt den 5. März die Elbe, trieb die in und um Stinchenburg einquartierten Leute Christians, erst etwa 200 Mann, auseinander und nötigte den Prinzen, einen Revers zu unterzeichnen, der ihn verpflichtete, fortan keine Werbung ohne ausdrückliche Erlaubnis der Kriegsbehörden des Kreises zu unternehmen (dat. Stinchenburg den 19. März 1654). Ein Reichsgutachten, das der Kaiser kurz vorher, den 11./1. März, in Regensburg durchgesetzt hatte, wonach sowohl spanische als französische Werbungen im Reiche statthaft sein sollten, war in Norddeutschland noch nicht bekannt, als der Schlag gegen Christian fiel, und konnte an der vollzogenen Tatsache nichts mehr ändern.
In eben den Tagen, als er seine Werbungen begann, hatte Christian eine neue Beschwerdeschrift durch Stellmacher bei der Reichsversammlung in Regensburg übergeben lassen, die an Schärfe alles übertraf, was er gegen den Vater bisher vorgebracht hatte. Sie richtete sich besonders gegen die zahlreichen Verpfändungen, zu denen der Vater in seinen steten Finanznöten gegriffen hatte. Gegen diese legte Christian, der darin eine schwere Beeinträchtigung seiner künftigen landesherrlichen Rechte sah, Protest ein. Es heißt in der Schrift u. a.: "Zudem es mit S. Fürstl. Gnaden Herzog Adolf Friedrich in dero erlebten hohen Alter bereits soweit gekommen, daß Sie um Willen des
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verlorenen Gesichts und steter Leibesschwachheiten der Regierung und Administration des Landes nicht mehr vorstehen, noch Ihren Bedienten, noch um sich habenden Leuten in ihren Verrichtungen nicht mehr aufsehen und daher übervorteilt und vielmehr betrogen werden mögen, weil Sie nicht mehr lesen können, sondern was vorgelesen wird, glauben und gleichwohl ohne Gesicht unterzeichnen müssen." An einer andern Stelle wird Adolf Friedrich nach einem scharfen Tadel über seine Finanzwirtschaft vorgeworfen, daß "alle seine actiones dahin gerichtet seien, wie er ihm, Christian, den leeren Namen des regierenden Herzogs zu Mecklenburg hinterlassen möchte."
Durch die Werbungen wie dieses Schreiben kam die Spannung zwischen Vater und Sohn auf ihren Gipfelpunkt. Der Vater findet in dem Schreiben, wie es in seiner Antwort an die Stände des Reiches heißt, "eine im gesamten Römischen Reich unerhörte Widersetzung eines Sohnes gegen seinen leiblichen Herrn Vater." Und es konnte ihn nicht milder stimmen, daß Christian im Sommer 1654 selbst nach Regensburg reiste, um Genugtuung für die ihm widerfahrene Beschimpfung vom Kaiser zu erwirken, vielmehr vollzog er damals das Testament, wie oben schon erzählt. Der Zwist zwischen Vater und Sohn dauerte also fort. Auch der Zwist zwischen Gatte und Gattin blieb ungeschlichtet, und damit blieb die Geldnot in Stinchenburg.
7. Beziehungen Christians zu Alchymisten und seine ersten französischen Eheprojekte.
Eben diese Not erleichterte es Betrügern, sich Einfluß auf den Prinzen zu verschaffen. Er hatte schon bei seinem ersten Aufenthalt in Holland Neigung für die Alchymie gefaßt. Besonders in seiner Einsamkeit zu Stinchenburg (1652-58) hat er diesem Hange nachgegeben. * ) Die Schwiegermutter seines
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Trompeters Wersen, Abigail Bröcker, geb. v. Otterstedt, die mit ihrem Gatten in Hamburg wohnte, wußte hieraus für sich Kapital zu schlagen. Herzog Christian kaufte dem Ehepaare in der Elbstraße zwei neben einander liegende Häuser und ließ daselbst ein geheimes Laboratorium mit mehreren Destillier=Öfen und für sich selbst ein Absteigequartier einrichten. Obgleich eine goldene Schale, die Thomas Wersen einst als Produkt der Tätigkeit der Abigail mitbrachte, sich als vergoldetes Silber erwies, so wußte sich Abigail doch in der Gunst des Herzogs zu erhalten, und dieser stand jahrelang in vertrautem Briefwechsel mit ihr.
Auch ein anderer Hamburger, Joh. Sigismund v. Wittikind, der sich selbst "Anhänger des alten Hermes" nennt, der Brüderschaft der Rosenkreuzer angehört und nach dem "philosophischen" Golde sucht, besaß jahrelang des Prinzen Vertrauen. Endlich (1662) forderte er für einen neuen athanar oder Goldofen ("furnus philosophicus") 200 Dukaten, worauf ihm der Bescheid ward, S. Durchlaucht bedürfe seiner Dienste nicht weiter. * )
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Gefährlicher als Abigail u. a. ward für Christian der holländische Abenteurer Adolf de Wredt. Schon von Utrecht her war Christian mit ihm bekannt, später trafen sie sich in Paris wieder, und als Christian heimkehrte, folgte ihm de Wredt nach Hamburg. Er hatte Helfershelfer, um den Prinzen in stetem Glauben zu lassen, es existiere ein geheimnisvolles Wesen, der "HERR", der ihn, den Prinzen, in seinen besonderen Schutz genommen habe und durch ein auserwähltes Werkzeug auf Erden, Adolf de Wredt, ihn glücklich zu machen beabsichtige. Einige Male sind den Briefen de Wredts Schriftstücke beigegeben, die den "Herrn" oder "seinen Kriegsmann" zum Verfasser haben sollen; sie sind in einem äußerst überschwenglichen, ganz unverständlichen Tone gehalten, mit lateinischen, griechischen und arabischen Sentenzen und zahlreichen Sprüchen aus dem alten Testament ausgestattet. De Wredt spiegelte dem Prinzen vor, die Tochter dieses Herrn, welche sich in Orleans aufhalte ("La pucelle d'Orleans"), sei ihm zur Gemahlin bestimmt und werde viele Tonnen Goldes als Mitgift erhalten. Auch sei es dem Prinzen dann bestimmt, die Rolle eines großen Kriegshelden zu spielen, "die Altäre des HERRN im Orient wieder aufzurichten". Als es mit Christians erster Vermählung Ernst wird, hört der Verkehr mit de Wredt auf, beginnt aber sofort wieder, als das innige Verhältnis zwischen den Gatten erkaltet.
Eigenartig sind einige Briefe der geheimnisvollen Dame selbst; der eine beginnt: Je vous commande de la part de mon Père adorable, de lui être fidèle, und verspricht, wenn der Prinz sich dem HERRN, ihrem Vater, unterwerfe, so wolle sie ihn zum größten Machthaber der Erde erheben.
Wenn der Prinz, der an de Wredt nach und nach mehrere 1000 Tlr. hat geben müssen, um die Unkosten zu decken, auf eine Zusammenkunft drängt oder ein Konterfei der schönen Dame sehen will, so weiß man immer Vorwände und Ausflüchte hervorzusuchen und zu beweisen, daß die Sache soweit noch nicht sei. So ging es bis über Christians Regierungsantritt hinaus * ), während inzwischen schon französische Eheprojekte ernsterer Art spielten.
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Im Sommer des Jahres 1655 kam auf Empfehlung des Pater Kedd ein französischer Edelmann nach Stinchenburg, Eugene de Lancelle de la Grancour; dieser berichtete, er sei ein Neffe des Kanonikus Baudouin in Paris und von diesem, sowie von Pater Duneau, dem Generalrevisor des Jesuitenkollegiums in Frankreich und Beichtvater des Papstes, beauftragt, mit Christian wegen seines Übertritts zu verhandeln. Grancour zeigte Briefe und Vollmachten der Genannten vor, auch ein Certificat des Kardinals Corrado in Rom, wonach der Papst entschlossen sein solle, nach des Prinzen Übertritt sofort seine Ehe wegen der nahen Verwandtschaft für null und nichtig zu erklären. Weiter entdeckte Grancour, daß eine Prinzessin von königlichem Geblüt, Mademoiselle d'Orleans, nicht abgeneigt scheine, die Gattin des Herzogs zu werden, eine Tochter des Herzogs Gaston von Orleans, der sich schon früher Christians in Paris angenommen und als Oheim Ludwigs XIV. den höchsten Rang in Frankreich nach dem Könige einnahm.
Der Prinz fühlte sich durch diese Aussicht auf das höchste geehrt und geschmeichelt, ein Briefwechsel wurde eingeleitet zwischen ihm und dem Kanonikus Baudouin, der Äbtissin von Charonne und einem andern Zwischenträger, dem Maler Alexander Faydherbe zu Paris und auch Grancour nach dessen Abreise. Christian war schon damals völlig bereit, die Religion zu wechseln, ja sogar nach Frankreich überzusiedeln und dort die Einkünfte seines Herzogtums an der Seite seiner neuen Gemahlin zu genießen, endlich aber, schon nach Christians Regierungsantritt, langte ein Schreiben von Baudouin an, wonach Mademoiselle es vorzog, ihrem leiblichen Vetter die Hand zu reichen, womit dieses Eheprojekt sein Ende hatte. * )
8. Entzweiung mit den Ständen, Versöhnung mit dem Vater.
Während diese französischen Beziehungen sich anspannen (Sommer 1655), nahmen die Verhandlungen der kaiserlichen
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Kommission wie die zwischen den streitenden Parteien ihren Fortgang. Der Vater gab dem Sohn anheim, er möge sich an die Landstände wenden und von diesen fordern, daß ihm aus rückständig gebliebenen Landessteuern seine Alimente gezahlt würden. Christian tat dies und sandte auf den Landtag, der den 29. August 1655 zu Sternberg begann, den Rostocker Professor Dr. Bodock, den er zu seinem Rat ernannt, mit einer Instruktion, die dieser übergab. Es wird hierin die Bitte ausgesprochen, die Gelder aus dem Landkasten auszahlen zu lassen oder doch wenigstens seinen Vater zu bewegen, daß er die schon fälligen Gelder zahle und für künftige richtige Zahlung Anstalt mache. Dann läßt Christian, "weil auch das Unglück, so Er mit seiner Gemahlin habe, ein weiteres Aussehen gewinne, und wenn dem nicht in Zeiten vorgekommen werde, es endlich zu einer gänzlichen Scheidung hinausschlagen möge", die Landräte ersuchen, die blame, die seinem Hause dadurch angehängt werde. sowohl seinem Vater als auch seinem Vetter zu Güstrow zu remonstrieren, und selbige dahin zu vermögen, daß sie sich seiner in dieser Sache annehmen und diesem schon so lange währenden Ärgernis also ein Ende machen helfen möchten, widrigenfalls Er vor jedermänniglich an allem Unheil, so daraus entspringen könnte, entschuldigt sein wolle. Schließlich wird noch die Hülfe der Landstände in folgender Sache angegangen. Herzog Christian hatte den Verdruß erlebt, daß ihm von einem Hamburger Agenten, mit dem er in Beziehung stand, Dr. Ranitz, seine Kleinodien, die er selbst für ein Geringes versetzt hatte, ohne seinen Befehl ausgelöst und für eine weit höhere Summe, deren Überschuß Ranitz selbst einstrich, an einer andern Stelle wiederversetzt waren. Nur durch Zahlung dieser höheren Summe ließen sie sich wieder einlösen. Christian rächte sich dadurch, daß er Ranitz bei gebotener Gelegenheit festnehmen ließ und in Rehna in Haft behielt, aber damit hatte er seine Kleinodien noch nicht wieder. Ranitz hatte sich nun dazu verstanden, ihm eine Schuld von 2500 Tlrn., die er vom Landkasten zu fordern hatte, zu cedieren, und Bodock hatte Auftrag, dem Landtag von dieser Cession Mitteilung zu machen und ihre Anerkennung durch die Stände sowie die Auszahlung zu betreiben.
Die Antwort der Stände war in Bezug auf die schwebenden Mißhelligkeiten das durchaus allgemein gehaltene Versprechen, beide Fürsten ersuchen zu wollen, die Sache zu einer guten Endschaft zu befördern. Für die Zahlung der Alimente aber verwiesen sie den Herzog auf eine Summe von 15000 Gulden, die
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1653 auf dem Landtag zu Schwerin für die Forderung der Legationskosten von den Ständen als ein freiwilliges Geschenk versprochen worden, aber bisher noch nicht bezahlt war; dies war Aufschub auf ungewisse Zeit, also eine verhüllte Ablehnung. Mit den an Ranitz assignierten Geldern war man bereit, Christian an die Hand zu gehen, aber erst nach Auszahlung anderer Pöste, und falls Herzog Adolf Friedrich keine andere Verordnung treffe, was ebenfalls einer vorläufigen Ablehnung gleichkam.
Inzwischen hatten Christians Klagen am Kaiserhof ihm wieder einige Erfolge eingebracht. * ) Die Kommission hatte ihm das Amt Schönberg zuerkannt, und der Kaiser auf seine Gesuche seine Einweisung in dieses Amt angeordnet, falls der Vater ihm seine Alimente ferner vorenthalten werde. Christian berichtet dies in seiner Antwort auf den Bescheid der Stände (d. 15. Sept.) und dringt dann auf bestimmte Zusicherung wegen der Ranitzschen Gelder. Im Fortgang der Verhandlungen ließ er einen Nachlaß von 1000 Tlrn. von der Forderung anbieten, wenn man ihm nur unverweilt den Rest auszahle. Allein die Antwort der Stände blieb dabei, daß zuvor noch mehrere andere hohe Geldforderungen aus dem Landkasten zu berichtigen seien.
Herzog Christians Entrüstung über diese Behandlung seitens der Stände war groß, und er gab ihnen seinen Unmut offen zu erkennen in einem Schreiben, das er ihnen auf dem nächsten Landtag zu Güstrow zugehen ließ (dat. v. 8. Okt. 1656). Es heißt darin: "Wegen Abführung des von Ranitz cedierten Postens habe Er sich einer besseren Resolution versehen, und es gehe ihm
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nicht wenig zu Herzen daraus abzunehmen, was für eine geringe Reflexion sie gegen ihn, den künftigen regierenden Landesfürsten, hätten; er müsse es noch zur Zeit Gott und ihrem Nachdenken anheimgeben, ob es recht und zu verantworten sei, daß man ihn jetzt mit so schlechten Entschuldigungen abspeise und also zu seinem höchsten Schaden und Beschimpfung ganz hülflos stecken lasse." Sein Anerbieten, 1000 Tlr. zu streichen, nahm er zurück. Ohne dies zu beachten, boten nun die Stände 3000 Gulden gegen Auslieferung einer Quittung über die gesamte Schuld, die 5000 Gulden betrug, sie acceptierten also die Forderung mit dem Nachlaß der 1000 Tlr. (= 2000 Gulden): 500 Tlr. sollten bei nächstem Konvent in Rostock bezahlt werden, der Rest (1000 Tlr.) von der nächsten Kontribution, "so immer mensch= und möglich." Ob Christian sich hierin gefügt hat, ist nicht ersichtlich, befriedigt kann er jedenfalls von diesem Ausgange der Sache nicht gewesen sein.
Während so die Keime für den Widerwillen, den Christian sein ferneres Leben hindurch gegen die Stände gehegt hat, gelegt wurden, hatte sich zu dem Vater ein besseres Verhältnis angebahnt. Christian selbst spricht in dem zuletzt genannten Schreiben aus, er habe sich mit seinem Vater dergestalt verglichen, daß an gänzlicher Aussöhnung nicht zu zweifeln sei. Allein so schnell, wie er es hiernach selbst erwartete, erfolgte diese denn doch noch nicht. Vielmehr sehen wir Christian sich noch einmal (den 15. Februar 1657) an den Kaiser wenden mit der Klage, sein Vater versage ihm seinen Unterhalt, es sei denn, daß er in seine Land und Leute zerteilende Disposition einwillige, und bat wieder um Einweisung in das Amt Schönberg, die noch immer nicht erfolgt war. Einer Antwort des Kaisers kam dessen Tod zuvor (den 2. April 1657), dem ein kursächsisches Reichsvikariat folgte.
Nun wußte Christian keinen andern Rat, als nochmals den Vater selbst inständig um Überlassung des Amtes Mirow oder Schönberg zu bitten, und jetzt endlich ließ sich Adolf Friedrichs hartes Herz erweichen. Die Verwendung des Hofmarschalls Otto v. Wackerbarth und des Kammerdirektors Valentin v. Lützow, ein - von Adolf Friedrich selbst begehrtes - Gutachten des Geheimrats Daniel Nicolai, der jetzt in Stade in schwedischen Diensten stand, aber bei Adolf Friedrich noch hohes Ansehen genoß, auch der Einfluß der Geistlichkeit und gewiß auch das eigene Gefühl, daß es mit seinem Leben auf die Neige gehe, alles wirkte zusammen, um den Vater selbst einer Aussöhnung geneigt
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zu machen. Die wichtigste Streitfrage ließ man freilich von beiden Seiten in der Schwebe. Weder nahm Adolf Friedrich sein Testament zurück * ), noch erkannte Christian es an, aber ein gutes persönliches Verhältnis ward wiederhergestellt, und der Geldnot Christians durch bedeutende Zuweisungen aus verschiedenen Ämtern abgeholfen.
Fortan sind die Briefe Christians an den Vater voll innigsten Dankes und herzlichster Freude über die wiedergeschenkte väterliche Huld und Gnade; auch die Schlichtung seines ehelichen Unfriedens, die er noch nicht ganz ausgegeben hatte, legte er von neuem in die Hand des Vaters, und dieser schrieb auch den 24. September 1657, zur Versöhnung mahnend, an seine Schwiegertochter; er nennt in dem Briefe Christian wieder seinen "lieben" Sohn.
Christine Margarete erklärte aber in ihrer Antwort (den 20. Oktober) bestimmt, es müsse zuvor der Streit über ihre Güter wie über ihr Leibgedinge durch die Kommission und beim Reichshofrat zu Ende gebracht werden. Auch die Sendung des Herzogs Franz Karl von Lauenburg nach Wolfenbüttel brachte sie nicht zu anderen Gedanken, doch hatte dieser Fehlschlag auf das Verhältnis zwischen Vater und Sohn keinen Einfluß; es blieb fortab ungetrübt.
Indessen, Herzog Adolf Friedrichs Tage waren gezählt. Gegen Ende Februar legte er sich aufs Krankenbett; er selbst fühlte sein Ende nahen und sandte den 23. Februar 1658 seine
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beiden Räte Wackerbarth und Brüning nach Stinchenburg zu Christian, ließ ihm die Anzeige von seiner Erkrankung machen und ihm die väterliche Mahnung ausdrücken, daß Christian es bei dem, was sein Vater disponiert, belassen, auch fürder seiner Mutter und seinen Geschwistern so begegnen werde, "wie er es vor Gott, der ehrbaren Welt und dem jüngsten Tage zu verantworten sich getraue". Christian band sich in seiner Antwort in keiner Einzelheit, erklärte aber im allgemeinen, er wolle sich gegen seine Frau Mutter und seine Geschwister der Gebühr nach verhalten und was in seines Fürstlichen Hauses und seinen Kräften und Vermögen stünde, ihnen künftig widerfahren lassen.
Am gleichen Tage erhielt er von seinen Brüdern Karl, Johann Georg und Gustav Rudolf, die schon um den Vater versammelt waren - Herzog Friedrich war auf Reisen -, ein Schreiben des Inhalts, daß Christians Anwesenheit ihnen allen angenehm sein werde.
Christian eilte also nach Schwerin und traf den Vater auch noch am Leben und bei Besinnung. Der Sterbende ermahnte noch einmal die Brüder zur Einigkeit und legte die Unterhaltung der Geschwister Christian ans Herz, ohne dabei des Testamentes und der Fürstentümer zu gedenken. Den 27. Februar verschied er: Christian war regierender Herzog von Mecklenburg=Schwerin.
Von Streit und Unfrieden, hervorgerufen oder doch wenigstens verschärft durch sein eigenes heftiges Temperament, war sein bisheriges Leben erfüllt gewesen; das gleiche Gepräge zeigen auch die ersten Jahre seiner Regierung. Die Schwierigkeiten, in die er sich hierdurch verwickelte, trieben ihn schließlich dazu, den Schritt wirklich zu tun, an den er schon früher gedacht hatte, nämlich bei Frankreich und dem Katholizismus Rettung und Hülfe zu suchen. Wie das kam und was sich weiter daraus entwickelte, wird in den folgenden Studien geschildert werden.