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3.
Hausmarken in Meklenburg
Von Dr. R. Beltz.
Eine zusammenhängende Untersuchung über die Bedeutung und das Vorkommen von Hausmarken, besonders bäuerlichen, in Meklenburg ist, soweit ich sehen kann, nur einmal veranstaltet und in der Abhandlung von Lisch im Jahrb. XX (1855), S. 126, veröffentlicht. Schon damals waren sie dem Aussterben nahe, und es fanden sich nur wenige Gegenden, in denen sie noch im Gebrauche oder lebendiger Erinnerung waren. Nur von der Insel Poel und aus der Gegend von Doberan sind in jener Zeit ausgiebigere Nachrichten gesammelt. In dem bekannten Hauptwerke über Hausmarken, Homeyer, Die Haus= und Hofmarken (Berlin 1870), sind weitere Beobachtungen, besonders aus der Rostocker Gegend in den Dörfern links der Warnow und aus dem Kirchspiel Rövershagen, mitgetheilt. Schreiber dieser Zeilen wurde auf diesen eigenartigen verschwindenden Rest uralten deutschen Rechtsgebrauches vor einigen Jahren auf der Halbinsel. Mönchgut aufmerksam, wo er in der dortigen Fischerbevölkerung noch lebendig ist. Anfragen in den verschiedenen Theilen Meklenburgs ergaben aber nur unsichere Erinnerungen, bis ich vor einiger Zeit in dem Dorfe Upahl bei Grevesmühlen einige alte Geräthe sah, welche noch Hausmarken trugen. Mit Hülfe der Herren Lehrer Däbler in Upahl und Greve in Lankow, eines geborenen Upahlers, ist es denn gelungen, sämmtliche dortige Hausmarken mit ihren üblichen Namen festzustellen; einige allerdings sind noch nicht localisirt. Früher sind sie auch in den Fenstern der Kirche von Diedrichshagen gewesen, seit der Renovirung derselben aber verschwunden.
A. Bestimmt sind folgende Zeichen:
Erbpachtstelle:
1:
ein Haus;
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Erbpachtstelle:
2:
;die Stelle ist seit Langem im
Besitz einer Familie Wulf;
3:
;
4:
der "Liek= oder
Lenkhaken" (Gelenkhaken zur Verkürzung der
Kesselkette), eine der häufigsten Hausmarken
überall, heraldisch als "Wolfsangel"
bekannt; vergl. z. B. die Beispiele bei Homeyer
a. a. O. aus Oldenburg 9, 58. 10, 58. Lübeck 13
pass. Rostock 17 mehrere, Warnemünde 19 mehrere,
Greifswald 21, 5, Westpreußen 23. Aus Mönchgut
s. Pommersche Monatsblätter 1890, S. 67;
5:
= "Rad";
6:
= "Eschenblatt."
Diese Marke ist selten; Homeyer bildet sie in
dieser Art nicht ab, wohl aber umgekehrt (Tafel
27: Pruppendorf in Westpreußen, dort
"Haferrispe" genannt); Lisch erwähnt
a. a. O., S. 132, einen "Tannenbaum"
aus Ober=Satow, wahrscheinlich unsere Figur;
8:
= "Haspel"; an einem
Geräthe noch vorhanden;
9:
; vergl. von Mönchgut:
Pommersche Monatsblätter 1892, S. 150;
10:
= "Stundenglas," eine
der häufigsten Marken; Homeyer führt Tafel 18
eine Reihe aus Rövershagen und sonst an;
13:
= "Kreuz"; wie auf
Mönchgut (Pommersche Monatsblätter 1892, S. 151).
B. Die Marken der Erbpachtstellen 7, 11, 12, 14 waren nicht zu bestimmen, doch sind fünf weitere Zeichen bekannt, nämlich:
1:
= "Misttrage"
(Mesbör); eine häufige Marke, allerdings meist
hochstehend dargestellt; die
"Tragbahre" ist z. B. die Stadtmarke
von Greifswald (vergl. Pommersche Monatsblätter
1893, S. 54);
2:
= "Melkhüker";
ähnlich aus Rövershagen: Homeyer 18, 15 und
Rügen: Homeyer 20, 60;
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3:
= "Krähenfuß";
häufig, gewöhnlich aber mit oberem Balken;
vergl. Homeyer 11, 7 aus Schönberg, 19, 24 aus
Rügen, 25 c aus Westpreußen, Pommersche
Monatsblätter 1892, 150 von Mönchgut;
4:
= "Fenster"; auch
sonst bekannt;
5:
= "Haspel", vergl.
oben Nr. 8. Aehnlich Homeyer 17d aus Rostock,
Warnemünde: Homeyer 19 kombinirt mit dem
"Lenkhaken", Pommern: Homeyer 22, 6,
Westpreußen Homeyer 23.
Ein Zeichen ist also überschüssig; wahrscheinlich Nr. 5 (die Haspel), welche mein Gewährsmann Greve aus der Erinnerung aufzeichnete und die wohl mit der Haspel oben Nr. 8 identisch ist.
Eine Umfrage in den Nachbarorten von Upahl,
Diedrichshagen, Pravtshagen und Boienhagen hat
nichts ergeben; aus Kastahn wurde mir eine Marke
mitgeteilt, ähnlich oben Nr. 6
dem "Eschenblatt," doch
standen die Seitenstriche höher und dichter.
Die Hausmarken gehen zum Theil zurück auf
runische Zeichen, welche später mißverstanden,
oft durch differenzirende Linien entstellt sind
und gewöhnlich als Bildzeichen erklärt werden.
Unter den Upahler Marken ist rein runisch der
"Lenkhaken" (ags. eoh,
gemein=germanisch eu), etwas verändert der
"Krähenfuß," anderwärts auch
"Drudenfuß" genannt aus
(nordisch r oder y; vielleicht
auch das umgekehrte gemeine germanische
= z); auch
(gemein=germanisch = g) und
sind Runen, das Stundenglas
wahrscheinlich aus dem ersteren
entstanden oder auch verdreht aus
, (gemeingermanisch = d),
vielleicht auch das "Eschenblatt"
(siehe Nr. 6) aus der Rune
(= f). Als das Verständniß für
die Bedeutung schwand, griff man zu
willkürlichen Zeichen, z. B. Nr. A 3, oder zu
Bildern, z. B. oben Nr. A 1 und 6 und B 1 und 2.
Eine so realistische Marke wie das Haus ist mir
anderweitig nicht bekannt geworden, entspricht
aber genau der schematischen Darstellung des
Hauses auf mittelalterlichen Münzen schon in der
Karolingerzeit; auch A 3 und 5 sind ohne
Analogie. Die jüngste Entwickelung ist dann der
(meist lateinische) Anfangsbuchstabe; hier nur
in A 2. Auf Mönchgut habe ich mehrere gefunden,
die wirklich Hausmarken geworden, das heißt auch
bei Besitzwechsel geblieben sind (Pommersche
Monatsblätter 1892, S. 152).
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Der Name "Marke" war in Upahl nicht bekannt, man nannte die Form "Zeichen."
Angebracht wurden die Zeichen nicht, wie auf Poel und bei Doberan über der Thür, sondern "auf dem rechten Ständer neben dem Eingange der großen Thür"; gezeichnet wurden alle Gegenstände, besonders aber die eisernen. Am längsten hat sich die Sitte bewahrt, das "Secheisen" (den sichtbarsten Theil des Pfluges) durch den Schmied markiren zu lassen.
Ohne Zweifel ist die Erinnerung an den Gebrauch der Hausmarken auch an vielen anderen Orten noch nicht ganz entschwunden. Der Zweck dieser Zeilen ist, die Aufmerksamkeit von Freunden volkskundlicher Forschung , besonders derer, welche mit unserer Landbevölkerung in persönlicher Beziehung stehen, auf diesen Punkt zu lenken und zur Mitarbeit an der Rettung eines dahinsterbenden Stückchens Volksthum aufzurufen.