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VIII.

Ein Giebelhaus der Frührenaissance in Güstrow.

Mit 2 Abbildungen.

Von

Dr. F. E Koch,
Oberlandbaumeister in Güstrow

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I n Band 12, 1847, der Jahrbücher für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, pag. 4 etc. . giebt der Geh. Archivrath Dr. Lisch eine ausführliche historische Darstellung über einen Hof mit Haus am Ziegenmarkt in Güstrow und spricht pag. 478 in fine desselben Jahrgangs die Vermuthung aus, daß das jetzt noch in Güstrow an der Mühlenstraße stehende schöne Giebelhaus, das jetzt dem Brauereibesitzer Herrn Fr. Hansen gehört, dasselbe ist, auf welches jene historische Darstellung sich bezieht.

In Jahrgang 21 der Jahrbücher wiederholt Lisch pag. 295 seine Vermuthung und führt noch einige Daten für die Bestätigung seiner Ansicht an, an deren Richtigkeit nach Ansicht des Berichterstatters nicht zu zweifeln ist.

Nach Lisch's Darstellung ist der in Rede stehende Hof im Jahre 1433 aus dem Besitz der Mönche des Klosters Michaelstein bei Halberstadt in den der Mönche des Klosters Doberan übergegangen, die schon im Besitz der Mühle am Mühlenthor in Güstrow waren und die nun die Gebäude dieses Hofes als Stapelplatz für die Erzeugnisse der Mühle und die Produkte des in ihren Händen befindlichen sonstigen Grundbesitzes benutzen wollten.

Der Umstand, daß das jetzige Giebelhaus nicht unmittelbar am Ziegenmarkt, sondern nahe bei diesem liegt, kann kein Hinderniß für die Identificirung sein; denn das jetzige Gebäude ist augenscheinlich nicht mehr das im 15. Jahrhundert existirende. Wie Lisch richtig

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Vorder-Giebel
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angiebt, stammt das jetzige Giebelhaus aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, und es ist wahrscheinlich, daß bei den im ersten Decennium des 16. Jahrhunderts stattgehabten Bränden die alten Gebäude zerstört

Hof-Front
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und dann das jetzige Giebelhaus etwas abweichend von der ursprünglichen Baustelle wieder aufgeführt worden ist.

Jedenfalls ist das in Rede stehende Giebelhaus von hohem kunsthistorischen Interesse, weil die reiche architectonische Gliederung der beiden Giebelfronten mit ihren zinnenartigen Bekrönungen deutlich den Uebergang aus der Gothik in die Renaissance und den Kampf der beiderseitigen Formbildungen zeigt.

Die in einem Mauersteine eingekratzte Jahreszahl 1539, deren auch Lisch erwähnt, stimmt sehr gut zu der Stilbildung der Giebel. Denn bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts finden wir Mischformen der erwähnten beiden Baustile in Deutschland. - Auch Lisch hat die Stilbildung richtig erkannt, indem er sie "Gothische Renaissance" nennt, eine Bezeichnung, die nicht zu empfehlen ist, während sie wohl richtiger "Frührenaissance" zu nennen ist.

Auffallend ist es, daß Scheffers in seinem schönen Werke über deutsche Renaissance keine Abbildung dieses Giebels giebt, um so mehr als er sonstige Renaissancegiebel aus Güstrow zur Genüge abbildet. Wahrscheinlich haben ihn die gothischen Anklänge davon abgehalten. Aber gerade aus dieser Uebergangszeit haben wir nicht viele Beispiele mehr, wie z. B. das schöne Gewandhaus in Braunschweig; und daher giebt der Berichterstatter hierbei gute photographische Aufnahmen des hofwärts gelegenen Giebels, der deshalb gewählt ist, weil er noch sehr rein die alte Architectur zeigt, sowie des straßenwärts befindlichen Giebels, der schon sehr "von der Cultur beleckt" 1 ) und durch nicht sehr passend gewählte Farbenanstriche übertüncht ist.

Die inneren Räume haben leider im Lauf der Jahre viele Umwandlungen erlitten, so daß sogar ein unteres Zimmer, welches noch Reste gut geformter Rococo=Sculptur zeigt, als Vorraum für den Eiskeller dient.

Die Treppe und ein Kamin zeigen Barockformen, gleich wie die Hausthür, an der aber ein kleiner, sehr schön geformter, als Thürklopfer dienender Löwe von Bronce bemerkenswerth ist.

 

Vignette

1) In geradezu sündhafter Vergehung an dem Geiste des Alterthums ist die Horstung der Belastungspfeilerchen des Vordergiebels trotz des Vorbildes hinten und entgegen dem ganzen Zwecke der Horstung vom modernen Baumeister seitlich gerichtet.     Grotefend.