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VI.

Das Bisthum Schwerin

in der evangelischen Zeit.

Vom

Archivar Dr. Fr. Schildt.

III. Theil.


III. Die äußere Geschichte des Bisthums.

[Fortsetzung und Schluß zu Jahrbuch XLVII, S. 146 ff., und XLIX, S. 145 ff.]

D ie äußere Geschichte des Bisthums hat vorzugsweise die Stellung dieses Landes zum Reich und seine Beziehungen zu andern Reichsländern zu behandeln. Bei der geringen Bedeutung des Ländchens kommen Beziehungen zu außerdeutschen Staaten nur ausnahmsweise vor, und zwar handelt es sich hier nur um die benachbarten Königreiche Dänemark und Schweden.

A. Das Bisthum als deutscher Reichsstand.

Moser zählt in seinem 1767 erschienenen Buche: "Von denen teutschen Reichsständen" zu denjenigen Staaten, welche zur weltlichen Fürstenbank gehörten, als 31sten das Stift Schwerin. Dasselbe nahm nach seiner Angabe dieselbe Stellung ein wie die benachbarten evangelischen Stifter Ratzeburg und Lübek; nur hatte das letztgenannte nicht seinen Sitz auf der weltlichen Fürstenbank, die ihm nicht genügte, sondern mit Osnabrück auf der Querbank, die diesen beiden nach der Reformation bewilligt wurde, als sie sich vergeblich bemüht hatten, die geistliche Bank zu behaupten.

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In der Geschichte des ersten Schweriner Bischofs Berno von Wigger (Jahrb. XXVIII, S. 3 ff.) wird nachgewiesen, daß das Oberhaupt des Stifts Schwerin als ein Lehnsmann des Kaisers anzusehen ist. Denn der Kaiser allein hatte nach dem Wormser Concordat von 1122 von der Kirche das Recht erhalten, die Bischöfe im Reich durch das Scepter mit Regalien zu belehnen. Wenn nun auch der erste Schweriner Bischof Berno diese Belehnung nicht aus der Hand des Kaisers selbst empfing, so erhielt er sie doch im Auftrage desselben durch Herzog Heinrich von Sachsen, welchem zu dem Zwecke besondere Vollmacht verliehen war. Denn ausdrücklich hatte Kaiser Friedrich bestimmt, daß Herzog Heinrich in den Wendenlanden jenseits der Elbe den neu zu gründenden Kirchen Verleihungen von Reichsgütern machen könnte, und daß die von ihm eingesetzten Bischöfe allemal von der Hand des Herzogs als von der des Königs (Kaisers) zu nehmen hätten, was königlichen Rechtes sei (S. 75). Das Recht den Bischof zu wählen nahmen die Wendenfürsten zwar noch bis 1195 in Anspruch, im übrigen war aber der Schweriner Bischof von ihnen wie von den Grafen von Schwerin völlig unabhängig, da er sein Bisthum als dos ecclesiae erhielt und mit dem "Reichsgut" cum omni integritate et utilitate nunc et in postmodum profutura sine aliqua exceptione investirt wurde.

Wenn nun dies alles der Ordnung und dem Gebrauch gemäß war, und wenn auch die übrigen Bischöfe des Reichs als von der benachbarten Landeshoheit unabhängige Reichsfürsten in ihren Stiftern regierten, ohne daß ihnen dies ihr Recht angefochten wurde, und wenn selbstverständlich die staatsrechtliche Stellung des Bischofs sich in den säcularisirten Stiftern, wie Ratzeburg und Lübek, ohne Widerspruch auf die protestantischen Administratoren als deren Nachfolger vererbte: so sollte man denken, daß man auch dem Administrator des Stifts Schwerin seine Reichsstandschaft nicht hätte bestreiten können. Thatsächlich ist es aber doch geschehen. Und gerade der erste Administrator, Herzog Ulrich von Meklenburg, verfocht während der ganzen Zeit seiner langen Regierung mit großem Eifer und großer Ausdauer die Behauptung, daß das Stift Schwerin nicht reichsunmittelbar sei. Seine Gegner waren in diesem Streite außer dem Reichsfiscal besonders die Stiftsstände und unter diesen wiederum vor allen die Capitularen. Aber auch nach dem Tode Ulrichs von Meklenburg war diese Streitfrage eine offene, indem die nachfolgenden Herzoge von Meklenburg gleich wie er die Abhängigkeit des Stifts von ihren Herzogthümern zu behaupten suchten.

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Unbedingt ist der Streit um die Stellung des Stifts zum Reich und zu Meklenburg mit der anziehendste und wichtigste Theil der Stiftsgeschichte, und gerade dieser Zeit ist schon längst in ausführlicher Weise behandelt in der 1741 anonym erschienenen Schrift: "Historische Nachricht von der Verfassung des Fürstenthums Schwerin besonders in Politicis", und in Rudloff's d. ä. "Verhältniß zwischen dem Herzogthum Meklenburg und dem Bisthum Schwerin" (1774). Erfreulich ist es nun zwar für den Verfasser der Geschichte des evangelischen Stifts Schwerin nicht, bekennen zu müssen, daß er die bedeutendste Frage dieser Zeit schon gelöst vorgefunden hat; aber darum darf er doch das ganze Capitel nicht übergehen und auf die Vorarbeiten verweisen. Die Vollständigkeit der Darstellung schon erlaubt das sicher nicht. Nun ist aber auch in beiden genannten Schriften das ganze vorhandene Actenmaterial nicht benutzt, und außerdem kommt es deren Verfassern nicht so sehr auf die historische Entwicklung dieses Streites, die gerade unser Interesse vorwiegend in Anspruch nimmt, als auf die rechtliche Widerlegung der Behauptung an, daß das Stift von Meklenburg abhängig sei. Wir gehen also neben ihnen unsern eigenen Weg, freilich in dem Bewußtsein, daß wir mit ihnen ungefähr zu demselben Ziele gelangen werden.

Vorerst noch darzuthun, welche staatsrechtliche Stellung das Stiftsoberhaupt während der 400 Jahre des Katholicismus einnahm, würde nicht nur zu umständlich und weitläufig für unsre Zwecke sein, sondern scheint uns bis auf wenige orientirende Daten auch völlig überflüssig. Wir beschränken uns daher auf das Nothwendigste.

Soviel muß man einräumen, daß die Bischöfe von Schwerin, obwohl sie officielle Einladungen zum Reichstage bekamen, nachweislich - wenigstens ist es bis jetzt nicht nachgewiesen - niemals thatsächlich einen Sitz auf der Fürstenbank des Reichs eingenommen und also niemals ihr votum virile ausgeübt haben. Aber das thaten auch viele andere Reichsfürsten nie, und trotzdem behielten sie diese Rechte. Dagegen steht aber ganz fest, daß das Stift Schwerin ebenso wie die übrigen reichsunmittelbaren Staaten in den Matrikeln des Reichs und des Kreises nicht überschlagen wurde. 1 ) Beispielsweise wurde das Stift in der Matrikel von 1464 und 1467 (Archivacten über Reichsanlagen und=Steuern; Lünig, Reichsarchiv II, S. 83) zu 10 Mann zu Roß und 24 Mann zu Fuß veranschlagt, 1471 dieser Anschlag auf 5 zu Roß


1) Vgl. Rudloff, S. 73.
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und 7 zu Fuß ermäßigt (L. II, 100), dann 1480 wieder auf 8 zu Roß und 10 zu Fuß (L. II, 116), und nochmals 1481, als das ganze Reich 20,000 Mann stellen sollte, auf 10 zu Roß und 10 zu Fuß erhöht. (Archivacten.) 1 ) Auf dem berühmten Reichstage zu Worms 1521 lautete der Anschlag für Schwerin auf 12 zu Roß und 19 zu Fuß, 1 ) . später (1545) wieder auf 10 zu Roß und 10 zu Fuß. 2 ) Zum Vergleich mag hier angeführt werden, daß die Stifter Lübek seit 1545 5 zu Roß und 0 zu Fuß und Ratzeburg 5 zu Roß und 15 zu Fuß stellten. (L. IV, 448 und Archivacten.)

Daß die Bischöfe sich als Reichsfürsten ansahen und von anderen dafür gehalten wurden, beweisen mehrere Verträge, welche sie mit Landesherren schlossen, z. B. 1319 mit König Erich von Dänemark und Herzog Heinrich von Meklenburg, 1397 mit Herzog Albrecht (König von Schweden) und Herzog Johann von Meklenburg. Nun findet sich aber im hiesigen Hauptarchiv in einer gleichzeitigen Abschrift eine Urkunde Herzog Heinrichs von Meklenburg vom Jahre 1468 (13. Septbr.), welche wohl geeignet ist, den Glauben zu erwecken, daß die Bischöfe bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ihre Selbständigkeit wenigstens theilweise verloren hatten. Es handelte sich damals um eine Hülfe, welche der Bischof Werner dem Herzog in seiner Fehde mit Pommern=Stettin leisten sollte. Der Bischof sah durch die Heeresfolge seine Einnahmen aus Pommern gefährdet und hatte deshalb um Erlaß dieser Verpflichtung gebeten, welcher ihm auch gewährt wurde. Die darüber ausgestellte Urkunde enthält den Satz: alse vns denne de erwerdighen heren vnde vedere biscope tor tiid wesende vnser kerken Swerin mit mandenste vorplichtet sint, vns natoridende vnde volghende, wanner vns dat van noeden is, - - darvmme hebben wii deme gnanten heren Wernere vnde den sinen de tiid sines leuendes sodanes denstes vmme sundergher gunst vnde gnade vnde andere denste vnde welker ghifte vnde schenke willen - - - degher vnde all vordreghen vnde vorlaten vnde ene vnde de sinen gnedichliken mede ouergesehn. 3 ) Das sind nicht Worte, wie sie in Verträgen zwischen einander nebengeordneten Reichsfürsten üblich


1) Lünig II, 120 giebt den Anschlag fälschlich auf 8 z. R. und 20 z. F. an.
1) Lünig II, 120 giebt den Anschlag fälschlich auf 8 z. R. und 20 z. F. an.
2) Die Geldzahlung dafür betrug monatlich für einen Reuter 12, für einen Fußknecht 4 Gulden. Nach der Matrikel des niedersächsischen Kreises verlangte man vom Stift Schwerin 1521 12 zu Roß und 19 zu Fuß oder an Geld 220 Gulden monatlich. Zu den Kammergerichts=Zielern sollte das Stift jährlch 30 Gulden zahlen. (Acta, betr. Reichsanlagen.)
3) Großh. Geh. u. Hauptarchiv, Brandenburgica M, 9, B=d.
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sind, das ist vielmehr die Sprache eines Lehnsherrn seinem Vasallen gegenüber. Es kann uns daher auch nicht mehr wundern, wenn 1494 die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg von der Stadt Bützow einen Beitrag zur Kaiserbede forderten. 1 ) Daß sie ihn aber erhalten haben, ist mindestens zweifelhaft, da Bischof Petrus entschiedene Einsprache erhob. Nicht mehr so ganz sicher fühlte sich derselbe Bischof, als die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg 1510 und die folgenden Jahre gleichfalls Kaiserbede und Fräuleinsteuer aus dem Stift verlangten. Er behauptete nur, daß er von einer solchen Verpflichtung seines Bisthums nichts wisse, sich aber darnach erkundigen wolle. Die Herzoge bedrängten nun den Bischof mehr und mehr, und derselbe ließ sich endlich, obgleich er noch bestritt, daß das Stift früher Landbede an Meklenburg gezahlt habe, zu dem am Tage Silvestri Papae (31. Dec.) 1514 zu Schwerin geschlossenen Vertrage 2 ) herbei, nach welchem, vorbehältlich beiderseitiger Rechte,

1) das Stift jedesmal zur meklenburgischen Landsteuer 500 Mark Lüb. als Schutzgeld zahlen soll,

2) Meklenburg dafür alle Verpflichtungen des Stifts dem Reich gegenüber auf sich nimmt.

Nun ging es schrittweise weiter. 1526 lud Herzog Albrecht die Stadt Bützow zum meklenburgischen Landtage auf der Sagsdorfer Brücke ein. Das Stift ließ dem Herzog durch Professor Conrad Pegel entgegnen, das sei wider alle Gewohnheit; wohl habe der Bischof aber dessen Stellvertreter an der meklenburgischen Ständeversammlung auf der Sagsdorfer Brücke wegen des Stifts Theil genommen, aber die Stiftsstände seien nie dazu gefordert. Wie man den Streit löste, ist aus den Acten nicht zu ersehen; doch darf man nach den späteren Vorgängen annehmen, daß Bützow der Aufforderung nicht Folge leistete.

Das Verhältniß des Stifts zum Reich und zu Meklenburg immer unklarer erscheinen zu lassen, war nun die Regierung des Bischofs Magnus (postulirt 1516, Bischof 1532 - 1550), der ein Sohn des meklenburgischen Herzogs Heinrich des Friedfertigen war, vor allem schuld. Schon als meklenburgischer Prinz kümmerte Magnus sich weniger um das Ansehen des kleinen Ländchens, als um die Macht seines eigenen Heimathslandes. Und da während


1) Contributions=Acten des Stifts.
2) Contributions=Acten. Von dem Vertrage ist vorhanden das plattdeutsche Concept, eine plattdeutsche und eine vom Notar Georg Oldendorp beglaubigte hochdeutsche Abschrift.
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seiner Minderjährigkeit sein Vater als Vormund auch im Stift die Regierung führte, und während dieser Zeit alle Gefälle und Einkünfte aus dem Stift ebenso wie aus dem Herzogthum Meklenburg in die fürstliche Kammer Heinrichs flossen 1 ) ,so daß Meklenburg damals völlig, um in der Sprache jener Zeit zu reden, der "ausziehende", das Stift aber der "ausgezogene" Stand wurde: da verwirrten sich die Meinungen auch fachkundiger Leute so sehr, daß später eine große Zahl ehrenhafter Zeugen behaupten konnte, das Stift sei dem Reich gegenüber immer von Meklenburg vertreten und gelte nicht für einen reichsunmittelbaren Stand. Aehnlich war die Ansicht des Bischofs Magnus selbst. Er glaubte, daß durch die von Meklenburg gezahlten Reichsabgaben den Anforderungen des Reichs an das Stift genügt sei, und wollte weiter nichts leisten. Natürlich gerieth er darum aber mit dem Reichsfiscal in Conflict, der ihn bis an sein Ende mit Strafanträgen und Processen verfolgte.

1. Die Regierungszeit Ulrichs I.

Nach solchen Vorgängen trat der entschlossene, thatkräftige Herzog Ulrich von Meklenburg 1550 die Stiftsregierung an. Auch er hielt das Stift für ein Meklenburg incorporirtes Land und setzte darum den von Herzog Magnus ererbten Proceß mit dem Reichsfiscal beim kaiserlichen Kammergericht fort. 2 )

Vorhanden ist eine Quittung aus dem Jahre 1545 über die Leistung der Reichsabgaben von den meklenburgischen Herzogen und im Besonderen auch vom Bischof Herzog Magnus wegen des Stifts Schwerin. Es war also 1545 vom Stift die Reichsanlage gezahlt; aber seitdem wurde von Seiten des Bischofs wieder die Exemtion des Stifts vorgewandt, um die Zahlung zu verweigern. Deshalb brachte denn der Reichsfiscal auf dem Reichstage zu Augsburg 1548 seine Beschwerde wider Magnus vor und erwirkte


1) Historische Nachricht, S 29.
2) Der meklenburgische Theilungsvertrag, geschlossen zwischen den Herzogen Johann Albrecht und Ulrich 1555 zu Wismar, bezeugt auf das Unzweideutigste den Glauben beider Herzoge an die Oberhoheit Meklenburgs über das Stift (Rudloff, S. 69 ff.). Sebstverständlich konnte aber dieser Vertrag dem Stifte Schwerin von seinen Rechten nichts nehmen, da Herzog Ulrich, wenn er auch Administrator des Stifts war, keine Stiftsrechte ohne Zustimmung des Capitels, das nicht gefragt wurde, vergeben durfte. Ohnehin wäre auch noch die Bestätigung des Kaisers als Oberlehnsherrn nöthig gewesen. Da also die Bestimmungen des Vertrages von 1555 für das Stift völlig unverbindlich sind, so bedarf derselbe hier weiter keiner Berücksichtigung.
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dadurch eine Ladung desselben "als vermeintlich unbilligen eximirten Principalen" und wider den Herzog Heinrich von Meklenburg "als vermeintlichen Eximenten" des Bischofs. Der auf demselben Reichstag gefaßte Beschluß der Reichsstände, "daß auch zu völliger Leistung der bewilligten Reichshülfe die Stände, so durch andere ausgezogen, ein jeder seine gebührende Anlage dies Mal selbst zu erlegen oder aber von ihretwegen die ausziehenden Stände dieselbe zu erstatten schuldig sein sollten", ließ den Meklenburgern wenig Hoffnung, daß sie mit ihrem Einspruch durchdringen würden. Jedenfalls aber konnte man eines erreichen, was bei der bedrängten Finanzlage den Angeklagten höchst wichtig war, man konnte Zeit gewinnen. Es scheint auch, als ob der Anwalt Meklenburgs und des Stifts, der Dr. juris Michael (von) Kaden, es sich besonders angelegen sein ließ, die Streitfrage hinzuhalten. Es wurde eine Menge Streitschriften gewechselt. Auf die Ladung folgte die Vollmacht des Anwalts, darauf die petitio articulata des Fiscals, weiter die responsiones cum annexis articulis defensionalibus seu elisivis Herzog Heinrichs, übergeben zu Speier 16. Nov. 1549, die Probationsschrift des Fiscals, die articuli additionales cum petitione der Herzoge, die exceptiones contra praetensos additionales articulos et in eventum responsiones Fiscalis und die dicta testium.

Das alles erlebte freilich Bischof Magnus nicht mehr, und auch Kaden, der auf vielfaches Ermahnen endlich im Jahre 1556 auch die Vollmacht Ulrichs I. beibrachte, gab wie andere Processe auch diesen auf und verlebte (am 13. Juni 1561 erscheint er zuletzt als Anwalt Ulrichs) seine letzten Jahre in Ruhe. Für ihn trat, zuerst 11. Oct. 1561, wieder der Dr. Heinrich Burckhardt als Anwalt der Meklenburger auf.

Auf dem Kreistag zu Halberstadt 1551 brachte als Vertreter Meklenburgs und des Stifts Dr. Hoffmann die Beschwerden seiner Mandanten über die zu hohen Ansätze der Reichsanlagen vor. Dem Stift war 1545, wie schon angegeben, seine Leistung zu der Vertheidigung der Reichsgrenzen auf 10 Mann zu Roß und 10 zu Fuß ermäßigt, aber auch dieser Anforderung zu genügen hielt Ulrich sich nicht verpflichtet. Hoffmann erklärte den Kreisständen, daß das Stift immer als von Meklenburg incorporirt betrachtet sei, daß dasselbe ohne Zweifel für ein "exemt Gliedmaß" gehalten werden müsse, und daß Herzog Ulrich "diesfalls in quasi possessione libera" sich befinde. Zwar würde dies durch den Reichsfiscal bestritten, aber man führe eben deshalb noch den Proceß, und der Herzog hoffe Recht zu behalten. Ohnehin

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sei der Anschlag zu groß, da das Stift nur ein armes Land sei "ohne Bergwerk, Weinwachs oder Salzwerk". Die Stifter Brandenburg, Ratzeburg und Schleswig seien geringer angeschlagen als Schwerin, obgleich sie sicher nicht ärmer wären. Andere Stifter hätten nur einen Anschlag auf 5 zu Roß (er meinte damit Lübek, das in der That so niedrig angeschlagen war); daher könne man auf keinen Fall von Schwerin 10 zu Roß und 10 zu Fuß fordern.

Zunächst zahlte man nun diese Abgabe nicht, und bald war man denn auch große Summen schuldig. 1557 betrugen die Rückstände des Stifts Schwerin nach der Rechnung des Kreislegekastens zu Lübek 640 Meißnische Gulden oder 560 Thaler. Im nächsten Jahre erging deshalb eine Mahnung an das Capitel; zugleich forderte man auch das "aufgegebene Geschütz und Munition zu stellen", widrigen Falls man mit einer Klage beim Kaiser und Kammergericht vorgehen werde. Außer diesem Anschlag forderte aber das Reich noch andere Abgaben. Auf dem Reichstage zu Worms 1551 legte man dem Stift auf 4 Jahre eine jährliche Steuer von 37 1/2 Gulden Kammerzieler auf, die in 2 Raten das Jahr, jedes Mal mit 18 Gulden 3 Ort, zu zahlen war. Diese 8 Kammerzieler waren selbst 1561 noch nicht entrichtet, obgleich bis dahin bereits wieder 13 neue Zieler verfallen waren. Die Summe aller fälligen Zieler seit 1548 betrug 608 Gulden. Durch vielfaches Vertrösten auf Zahlungen nur hatte sich der Reichfiscal so lange hinhalten lassen; aber am 20. Oct 1561 erwirkte er doch endlich ein gerichtliches Erkenntniß, daß Herzog Ulrich ungeachtet der vorgebrachten "articulirten Exception Parition thun" solle. Trotzdem wurde nicht gezahlt, ja es restirte selbst schon die 29. Rate: da erst beschloß der Fiscal mit Verkündigung der Execution vorzugehen, damit er die Kammerzieler in der Höhe von 750 Gulden und dazu die "Legationskosten in Frankreich" von 82 Gulden 30 Kreuzern aus dem Stift erhalte.

Da die vielen Beschwerden wegen der Reichsanschläge den Abgeordneten der Reichstage zu lästig wurden, so hatte man schon 1548 beschlossen, daß die Reichsstände ihre Einreden auf den Kreistagen vorbringen sollten. Von hier aus sollten dann die Verhältnisse durch Commissare untersucht und deren Ermittelungen einer Moderations=Commission des Reichs vorgelegt werden. Der Weg bis dahin war aber ein sehr langer und mühsamer; und kam man endlich mit seinen Acten zur Stelle, so fand man die Thür verschlossen, wie wir später sehen werden.

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Zu den Kreistagen, die vom Erzstift Magdeburg und dem Herzogthum Braunschweig=Lüneburg als Kreisdirectoren im niedersächsischen Kreise berufen wurden, gingen die Einladungen zur Zeit Ulrichs I. nicht an den Stiftsregenten, sondern an das Schweriner Domcapitel mit der Aufforderung, "die Seinigen, mit genugsamer Instruction versehen, zu schicken." Das Capitel schickte aber niemand; es bat Herzog Ulrich, der doch schon als Herzog von Meklenburg seine Abgeordneten sandte, um Vertretung: "Dieweil denn E. F. G. diesfalls derselben Domcapitel pflegen in Gnaden zu vertreten, als zweifeln wir nicht, E. F. G. werden dasjenige, was sich derselben Stifts und Capitels halben hierin zu beschaffen gebührt, auch anzuordnen wissen." Das Capitel wurde also im 16. Jahrhundert als ein Kreisstand geachtet; es hieß darum auch ausdrücklich in dem Kreisausschreiben: Euch und die andern Stände dieses löblichen niedersächsischen Kreises." 1589 meinte Herzog Ulrich sogar, daß das Capitel den letzten Kreistag selbst beschickt habe, aber seine Ansicht war doch wohl irrig.

Die Lage des Stifts bei der Menge der sich noch jährlich mehrenden Reichsschulden war freilich keineswegs beneidenswerth; es ist daher auch begreiflich genug, daß Herzog Ulrich es sich angelegen sein ließ, ein Erkenntniß des Reichskammergerichts zu erhalten, welches das Stift für incorporirt erklärte und ihn von allen Zahlungen befreite. Die übrigen Herzoge von Meklenburg unterstützten ihn, zwar aus andern Gründen, thatkräftig genug. 1557 hatte man in dieser Angelegenheit im Hause des meklenburgischen Kanzlers Johann von Lucka auf Befehl Herzog Johann Albrechts wider das Vorgehen des Reichsfiscals das Instrumentum appellationis an das Kammergericht verfertigen lassen und dieses mit 61 Rthlrn. an Dr. von Kaden nach Speier geschickt. Es kam auch wirklich nicht gar lange darauf die Einladung zum Termin. Unterm 15. April 1561 wurde Herzog Ulrich ad mandatum imperatoris auf den 1. Juli desselben Jahres nach Speier citirt. Das Urtheil wurde am 21. October 1561 publicirt, es war in possessorio erkannt und lautete 1 ): "In Sachen kais. Fiscals, Klägers, wider Herrn Heinrich und Herrn Johann Albrecht, Herzoge zu Meklenburg, exemtionis, ist allem Vorbringen nach zu Recht erkannt, daß die Beklagte das Stift und Bisthum Schwerin als einen sonderbaren Stand des Heil. Reichs bis zu Erörterung des petitorii an allen specificirten, seit der Zeit der Rechtfertigung bis hieher rückständigen Zielen und Reichsanschlägen, auch künf=


1) Historische Nachricht, Anlage G.
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tigen Reichshülfen, zu vertreten und zu bezahlen schuldig seien bei Pön" u. s. w. Ulrich protestirte zwar 1562 durch seinen Anwalt gegen dies Erkenntniß, im Besondern dagegen, daß das Stift bis zur Erörterung des noch streitigen petitorii als ein sonderbarer Stand des Reichs gelten solle; doch hatte er anscheinend selbst wenig Hoffnung, mit seinem Protest etwas zu erreichen, da er von jetzt an das Stift durch Einberufung der Stiftsstände nach Bützow und durch gesondertes Einsammeln der Contribution als ein setbständiges Reichsland behandelte. 1 ) Sofort suchte Herzog Ulrich auch den meklenburgischen Amtleuten das Erheben von Steuern im Stift zu verwehren. 1562 schon erklärte er den Beamten zu Bukow: Früher hätten zwar die Stiftsleute an Meklenburg gesteuert, da man das Stift für incorporirt gehalten; im vorigen Sommer sei aber dasselbe durch Urtheil des Kammergerichts ein "sonderbarer Reichsstand" geworden, der selbst seine Steuern zu zahlen habe. Es habe nun aber Herzog Johann Albrecht zugesagt, er wolle auf dem jetzigen Reichstag zu Frankfurt, wohin er selbst gereist sei, dafür wirken, daß das Stift als incorporirt anerkannt werde; bis zur Wiederkehr des Herzogs möchten sie daher gegen die Stiftsunterthanen nichts unternehmen.

Am 4. Juli 1562 eröffnete Ulrich zu Bützow seinen ersten Stiftstag. Er machte die Stände mit dem Urtheil des Kammergerichts bekannt, das in possessorio ergangen sei, weil das Reich glaube wegen der Hebungen aus dem Stift "im Besitz und Posseß" zu sein, da dasselbe vor 14 Jahren (1548) als ein "sonderbarer Stand" Reichsanlagen gegeben habe. Die ganze Summe der Forderungen, der alten und der neuen, betrug 2430 Gulden schwerer Münze (1 G.=16 Batzen). Die Stände gingen natürlich ungern auf diese hohe Forderung ein; sie fanden sich aber endlich bereit, obwohl sie meinten, daß die Reichssteuer von des Bischofs Tafelgeldern gezahlt werden müsse, auf Martini für die Hufe 2 Mark Lüb. und für das städtische Haus 1 Gulden zu zahlen, wenn Ulrich ihnen einen Revers ausstellen wolle, daß sie künftig mit diesen Abgaben verschont blieben. Ulrich nahm das Anerbieten an und stellte am 13. Februar 1563 den Revers aus.

Um die Beschwerden des Stifts besser beurtheilen zu können, beschloß man eine Commission zu erwählen, welche durch ein umfängliches Zeugenverhör und durch Inspection schriftlicher Urkunden die Wahrheit ermittetn sollte. Der meklenburgische und Stiftsanwalt Dr. Burckhardt schlug als Reichscommissare das Dom=


1) Hist. Nachr. S. 29; Rudloff, S. 76.
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capitel zu Havelberg und den Magistrat zu Stralsund vor, das Kammergericht nahm beide an und ernannte seinerseits noch den Dr. jur. Langenbeck zu Hamburg, welcher ex officio ad instantiam fiscalis den Commissaren beigeordnet wurde. Nun beeilten sich beide Parteien, ihre Beweisstücke und Frageartikel der Commission zu übermitteln. Der Fiscal des Kammergerichts Dr. Vollandt suchte darzuthun, daß die Bischöfe von Schwerin in früherer Zeit immer als Reichsfürsten gegolten, daß sie sich erst später in den besonderen Schutz der Herzoge von Meklenburg begeben, und daß dann diese allmählich sich Hoheitsrechte über das Stift angemaßt hätten. Als Anwalt Meklenburgs und des Stifts war Dr. Bouke thätig. Er sollte selbst nach Stralsund reisen, um vor dem dortigen Magistrat seine Mandanten zu vertreten; da ihn aber "Leibesschwachheit" daran hinderte, so schickte er seine Beweisstücke mit einem langen Schreiben nach Stralsund ab.

Nun luden die Commissare die Zeugen zum Verhör ein, welches am 10. Mai 1563 auf dem Rathhause zu Güstrow stattfand. Der Dr. Vollandt hatte als Vertreter des Reichs den Notar und Rechenmeister Magister Thomas Fischer zu Rostock deputirt mit der Befugniß, nöthigenfalls einen andern für sich schicken zu dürfen. Fischer machte von dieser Befugniß Gebrauch und substituirte den Notar Christoph Lewenstein. Der Vertreter der Herzoge, Dr. Bouke, nahm aber den Notar Lewenstein nicht an, "da der substituens Fischer eine anrüchige Person sei, und auch Lewenstein früher als herzoglich meklenburgischer Einspänniger wegen verdächtiger Sachen aus seinem Dienste hätte entlassen werden müssen. Die Commission wählte endlich, um vorwärts zu kommen, den Stadtschreiber Martin Probst zu Güstrow. Die Namen der Commissare hat Verfasser nicht vollständig ermitteln können; ob aus Havelberg ein Domherr kam, ist ungewiß. aus Stralsund sollte der Bürgermeister Dr. Nic. Gentzkow geschickt werden, und wahrscheinlich wird er gekommen sein. Als Notar fungirte der Stralsunder "Mitrathsfreund und Secretär" Bartholomäus Zastrow.

Die geladenen Zeugen waren alle bis auf zwei erschienen und wurden in folgender Reihenfolge verhört: 1) Kurd von der Lühe (70 Jahre alt), 2) Hartwig von Bülow auf Pokrent (70 J.), 3) Hans Sperling auf Rüting (63 od. 64 J.), 4) Professor Mag. Konrad Pegel zu Rostock (70 J.), 5) Gregor Dethlef, früher Präceptor zu Tönnieshof (Tempzin), jetzt (verheirathet) zu Rostock (69 J.), 6) Heinrich Gültzow, Wandschneider, früher Bürgermeister zu Rostock (74 J.), 7) Tönnies Preen, Edelmann zu Wismar

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(60 J.), 8) Brauer Peter Zander zu Schwerin (67 J.), 9) Bürgermeister Eitel Schencke zu Neubrandenburg (55 J. alt, "98,000 Fl. reich"), 10) Bürger Heinr. Aelkopf zu Wismar, früher Herzog Albrechts Küchenmeister (60 J.), 11) Bürger Urban Lamprecht zu Wismar, zu Herzog Heinrichs Zeit in der Kanzlei angestellt (55 J.), 12) Bürger Jacob Eger zu Schwerin (50 J.). Die beiden nicht erschienenen Zeugen 13) Lütke von Quitzow zu Perleberg (80 J.) und 14) Heinrich von Hahn zu Pleez (80 J.) wurden in ihren Wohnungen verhört.

Die Aussagen der Zeugen erstrecken sich nur über das, was sie selbst erlebt haben konnten, und alle meinen, daß das Stift seit ihrer Lebenszeit ein von Meklenburg abhängiges Land gewesen sei: Die Jurisdiction sei zwar im Stift von den Bischöfen selbst exercirt, aber die Steuer habe Meklenburg erhoben und an das Reich gezahlt. Die Bischöfe wären früher Prälaten Meklenburgs gewesen. Dethlef will die Bischöfe Conrad Loste, Johannes Thun und Petrus Wolckow perpönlich gekannt haben, sie seien immer "gnädige Herren", nie "Fürsten" genannt worden. Pegel weiß, daß Bischof Petrus Wolckow den Freiwerber Herzog Heinrichs bei der Pfalzgräfin gemacht habe.

Der von den Commissaren (auch vom Havelberger Capitel) unterschriebene und untersiegelte rotulus testium wurde am 11. März 1564 verschlossen von Dr. Burckhardt zu Speier übergeben. Ob er aber auch daselbst gelesen worden? Zweifelhaft ist es mindestens. Wir wissen nur, daß der Fiscal noch im Jahre 1564 die Siegel des Rotulus auf ihre Echtheit prüfte. Dann haben wir erst wieder Nachricht aus dem Jahre 1571, wo der Piscal, jedenfalls als Gegenbeweis wider die Zeugenaussagen, die Reichslehnbücher zu Speier vorlegte, um seine Behauptung zu rechtfertigen, daß das Stift Schwerin als reichsunmittelbares Land gelten müsse. Vielleicht kümmerte das hohe Gericht sich auch nicht weiter um diese Beweisstücke; doch versprach dasselbe 1573, diese Bücher auf des Piscals Verlangen wieder zurückzugeben, wenn es statt derer beglaubigte Abschriften bekomme.

Daß neben Herzog Ulrich auch dessen Bruder Johann Albrecht bemüht war, noch nach dem Erkenntniß des Kammergerichts die Oberherrschaft Meklenburgs über das Stift zu beweisen und zur Anerkennung zu bringen, ist actenmäßig erwiesen. 1565 handelte Dr. Jacob Thomingk zu Leipzig, damals einer Reichslegestadt, d. h. einem Ort, an welchem Reichssteuern eingezahlt wurden, im Auftrage des Herzogs Johann Albrecht. Er war damals mit

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der Abfassung eines Berichtes "in puncto reductionis" (der Reichsabgaben) "et episcopatus Suerinensis" beschäftigt.

Da man aber endlich einsehen mußte, daß alle Anstrengungen, die Anerkennung der Abhängigkeit des Stifts von Meklenburg und in Folge dessen Abgabenfreiheit dieses Landes zu erlangen, sicher noch auf lange Zeit vergeblich sein würden, so versuchte man auf einem andern Wege wenigstens einen Theil der drückenden Reichsabgaben los zu werden. Man bewarb sich um so eifriger um Moderation. Um Steuerermäßigung zu erhalten, durften die Reichsstaaten sich nach dem Beschluß des Reichstages von 1548, welcher Beschluß im Jahre 1566 erneuert wurde, nicht mehr an diese hohe Versammlung selbst, sondern nur an die Kreistage wenden, welche die Verhältnisse prüfen und dann das gewonnene Material einer eigens dazu eingesetzten Moderations=Commission des Reichs zur Beurtheilung einsenden sollten. Trotzdem versuchte Ulrich noch 1566 auf dem Reichstage zu Augsburg Abminderung seiner Reichsschulden, die auf 3840 Gulden angewachsen waren, zu erlangen. so hoch, hielt er der Versammlung vor, sei kein Reichsstand belegt, daß er mehr als ein ganzes Jahreseinkommen zahlen müßte. Wie erklärlich, war aber seine Mühe hier vergebens, und er zahlte darum zu Leipzig, wenn auch mit Protest.

Nach diesem vergeblichen Bemühen wandte man sich dann an die Kreisvertretung. Auf dem Kreistage zu Halberstadt überreichten die Vertreter Ulrichs: Joachim von Holstein und Dr. Joh. Bouke, am 3. Nov. 1566 die gravamina des Stifts Schwerin, in welchen bewiesen wurde, daß dies Ländchen die hohen Reichsabgaben nicht zu zahlen vermöchte, da dessen große Einnahme aus den Wallfahrten nach dem heiligen Blut in Schwerin ("jährlich etliche viel tausend Gulden") aufgehört habe, da viele neue Kirchendiener angestellt, ein ganzes Consistorium eingesetzt wäre, und die Domschule mehr Lehrer erfordere als früher, da seit 13 oder 14 Jahren die Einkünfte aus Pommern und ebenso aus Meklenburg fast alle ausblieben, und da endlich das Stift auch Meklenburg gegenüber Verpflichtungen erfüllen müßte. Unter diesen Verpflichtungen verstand man die von einigen Stiftsunterthanen geforderten Dienste, meklenburgische Steuern und Landbede, welche man "als ein Mitgliedmaß" zahlen müsse, und die Kostenbeiträge zu den meklenburgischen Gerichtstagen. Die Einnahme im Stift sei so gering, daß Herzog Ulrich jährlich aus seinen Einkünften in Meklenburg zuschießen müsse. Administrator und Capitel bäten daher um eine Entfreiung vom Reichsanschlag auf 15 oder 20 Jahre. Sollte aber unterdeß in dem schwebenden Proceß das Stift für reichs=

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unmittelbar endgüttig erklärt werden, so bitte man um eine Herabsetzung des Anschlages bis auf 1/3, denn mehr zu leisten sei das Stift außer Stande.

Damit nun dieser Antrag des Stifts nicht ganz in Vergessenheit gerathe, was derzeit leicht möglich war, brachten die Bevollmächtigten Ulrichs auf dem Kreistage zu Lüneburg 1567 - es waren dieselben wie 1566 - wiederum eine Petition um Moderation ein. Die Begründung derselben war der vom vorigen Jahre gleich; nur behauptete man noch in einem Subscript, daß man einen namhaften Ausfall der Einkünfte habe, seitdem die Wallfahrt nach Sternberg aufgehört habe, denn dahin sei "eine viel größere Wallfahrt und Zulauf gewesen" als nach Schwerin. Die Forderungen waren etwas herabgesetzt: es wurde gebeten, man wolle das Stift auf 15 oder 20 Jahre oder bis zur Entscheidung der Frage über die Reichsunmittelbarkeit nur zu 1/3 des bisherigen Anschlages verpflichten.

Der Kreistag ging dies Mal in der That auf den Antrag ein; denn er bestimmte, daß Ulrich am nächsten Montag nach Judica zu Lüneburg den Beweis seiner Behauptungen führen sollte. Diese Frist aber erschien dem Herzog zu kurz, und er bat deshalb um einen späteren Termin, der auch bewilligt wurde. Nun wurde Lübek beauftragt, durch Subdelegirte am Mittwoch nach Palmsonntag zu Wismar ein Zeugenverhör zu halten und urkundliche Beweise entgegenzunehmen. Zur Ueberlieferung der brieflichen Beweisstücke und zur Vertretung des Stifts überhaupt deputirte Herzog Ulrich den Dr. Georg Kummer und den Rentmeister Gabriel Bruckmann. Das Verhör begann unter dem Vorsitz des Lübischen Rathsverwandten Dr. juris Penningbuttel am Nachmittage des 26. März 1567 auf dem Rathhause zu Wismar. Die beiden genannten Vertreter des Stifts wurden vor Beginn der Verhandlungen von dem Vorsitzenden vereidigt. Als Zeugen wurden verhört: der Kirchenstructuar Burchard Schmidt, die Vicare Johann Dieckmann und Christian Vidimer, der Schelfvogt Hans Schmidt, der Superintendent Dr. Wolfgang Peristerus, der Rector der Domschule Mag. Heinrich Timannus, alle zu Schwerin, der Küchenmeister Grammerius zu Bützow, der Stiftsmonitor Jacob Rigemann ebendaselbst und 7 Bauern. Ihre Aussagen waren für Ulrich entschieden günstig, denn alle Zeugen waren von der Zahlungsunfähigkeit des Stifts überzeugt, das mit Abgaben übermäßig belastet sei. 1 )


1) Einige Mittheilungen der Zeugen, die sonst für die vorliegende Dar= (  ...  )
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Ehe aber noch von einer Berücksichtigung der Stiftsbeschwerden und der eben eingeholten Beweise für dieselben die Rede sein konnte, kam dies arme Land in große Verlegenheit, da der Reichsfiscal wieder hartnäckig Zahlung verlangte. Herzog Ulrich sah sich deshalb genötigt d. d. Güstrow, 5. August 1567, schriftlich Protest einzulegen. Aber schon unterm 21. Octbr. desselben Jahres erhielt er aus Speier die Mittheilung, daß wegen der rückständigen 1920 Gulden Reichsschulden, wegen welcher er nach Reichstagsbeschluß schon in die Pön der Acht oder statt deren der Privation gefallen sei, am 39. Tage nach Empfang des Schreibens er selbst oder ein Bevollmächtigter vor dem Kammergericht erscheinen solle, um begründete Einreden vorzubringen oder "um aller Regalien, Privilegien, Freiheiten, Gnaden, Rechte und Gerechtigkeiten, die er vom römischen Reiche habe, privirt zu werden." Noch bevor Ulrich diese Ladung in Händen haben konnte, am 25. Octbr., ließ er unter Leitung des Hofraths Welß durch den Notar Reimann zu Wismar ein Appellations=Instrument an das Reichskammergericht verfertigen, in welchem er sich über das Urtheil des Moderationstages zu Worms, das ihm wieder den alten Anschlag, 10 zu Roß und 10 zu Fuß, auferlegte, auf das Aeußerste beschwerte. Aber Alles war umsonst. Der Abschied des Kammergerichts vom 17. October 1568 verkündete dem Stiftsanwalt Dr. Kirrwangen, daß er innerhalb der erbetenen Frist, die nicht näher bekannt ist, Anzeige der geschehenen Zahlung zu machen habe, widrigenfalls auf ferneres Anrufen des Fiscals ergehen solle, was Rechtes sei. Nun wurden von Stifts wegen 1631 Thlr. gezahlt, aber nicht auf einmal, da Ulrich noch in demselben Jahre gemahnt wurde, den Rest von 640 Gulden zu erlegen.

Als im folgenden Jahre wieder die Reichsanschläge nicht entrichtet waren, verlor der Procurator Dr. Kirrwangen den Muth noch ferner dem Stifte helfen zu können, und Herzog Ulrich mußte den gelehrten Dr. juris Teuber in Wittenberg ersuchen, er möge Kirrwangen Rath ertheilen.


(  ...  ) stellung weniger von Belang sind, mögen hier in Anmerkung gegeben werden. Es wurde von Vidimer mitgeteilt, das zu Schwerin im Dom früher 3 Blöcke gestanden hätten, in welche die Wallfahrer ihre Opfer legten, was 2 Mal jährlich, coena dominica und ascensionis geschehen sei. Die Gaben, in der Höhe von etwa 500 Gulden jährlich, wären in 3 Theile getheilt und an den Bischof, an das Capitel und an die Kirche gegeben, In der katholischen Zeit, wurde behauptet, hätten 97 Dörfer in Pommern an das Stift gezahlt.
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Nicht lange darauf, 1571, war das Stift wieder 9 Römermonate schuldig. Da der Fiscal drängte, suchte man wieder Hülfe beim Kreistage. Deshalb überreichte der bischöfliche Anwalt Joh. von Hagen am 8. Mai zu Lüneburg eine Petition um Moderation. Die subdelegirten Inquisitoren (bischöflich Bremische, lüneburgische und Lübische Abgeordnete) wiesen ihn an, er solle die gravamina und die schriftliche Begründung derselben bald bereit halten, damit sie sogleich nach dem Abschied des Kreistages zu Braunschweig an den Erzbischof von Magdeburg, den ersten Kreisdirector, geschickt werden könnten. v. Hagen reiste daher sofort zu Joach. Wopersnow, um sich von demselben Rath zu holen. Er erhielt die Zusicherung, daß die Briefe und Urkunden bis Ende Mai abgeschrieben sein könnten. Auch ein Zeugenverhör sollte wieder stattfinden, und zwar wieder wie 1566 unter der Leitung Lübeks, das zu dem Zwecke die Zeugen zu ascensionis domini nach Warin forderte. Wismar hatte man auf Wunsch Ulrichs nicht wieder gewählt, weil die Versammlung dort zu theuer geworden war.

Das Verhör begann unter Leitung der beiden Lübischen Rathsherren Franz und Heinrich von Stiten am Freitag, 25. Mai 1571, Morgens 9 Uhr, in der "Sommerstube" der Burg zu Warin. Als Notar fungirte Simon Hennings, und als Bevollmächtigte Ulrichs erschienen der Dekan Joachim Wopersnow, der Domherr Otto Wackerbarth und der Rentmeister Gabriel Bruckmann, Nachmittags kam noch Johann Grammerius hinzu. Zu Zeugen waren berufen: der Vicar Christian Vidimer, der Domherr Georg Hübner, der Superintendent Dr. Peristerus, der Rector Mag. Timann, der Vicar und Domstructuar Schmidt, alle zu Schwerin, der Küchenmeister Hans Möller zu Warin u. a. Das Verhör war am 26. Mai Mittags beendet, und es begann nun die Prüfung der schriftlichen Beweisstücke. Alle Copien wurden mit den vom Secretär Joh. von Hagen vorgelegten Originalien verglichen. Am nächsten Montag mußte der Notar Hennings noch den Vicar Schmidt zu Schwerin verhören, da dieser zu Warin nicht erschienen war.

Der Moderationstag des Reiches war auf Ende Juli zu Frankfurt a. M. bestimmt. Aus jedem Kreise waren 2 Moderatoren erwählt, aus dem niedersächsischen Rath Uden für Magdeburg und Syndicus Lüder für Nordhausen. Im Auftrage des Stifts reiste Dr. Bouke nach Frankfurt. Er war mit Vollmacht und Instruction hinlänglich versehen; aber er konnte doch nichts ausrichten, da unter den vielen Anträgen (41) der des Stifts Schwerin gar nicht vorgenommen, sondern an den am 1. August zu Frankfurt statt=

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findenden Deputationstag verwiesen wurde. Hier überreichte nun Bouke eine Petition, in welcher er hervorhob, daß die Moderation mit der fraglichen Exemption nichts zu thun habe. Aber auch der Deputationstag ließ die Stiftssache unerörtert in der Mainzischen Kanzlei liegen.

Auf dem Stiftstage zu Bützow 1576 klagte die Stiftsregierung, daß die Contribution für die vielen Ausgaben nicht mehr ausreiche; in letzter Zeit sei sehr viel Geld vom Reich gefordert: "Kammergerichts=Unterhaltung, Bau=, Wartgeld, behörliche Gegenstände, Hülfe, Expeditionen, Reichs=, Kreistage, Legationen." Dazu habe der Administrator die Kosten der Bewerbung um Moderation allein tragen müssen. Daß aber aus dem Stift mehr aufkommen würde als bisher, war mindestens zweifelhaft, da schon jetzt nicht alle Steuern mehr eingingen. Es blieb also wohl nichts weiter übrig, als noch einmal dem Kreistage mit dem Antrag auf Moderation zu kommen. Und schon im Frühling 1577 sehen wir die Kreisinquisitoren zu Lüneburg wieder mit der Stiftsangelegenheit beschäftigt. Sie versprachen unterm 1. Mai das Actenmaterial zum bevorstehenden Moderationstag (1. Aug.) nach Frankfurt a. M. zu schicken. Neues Material bekamen sie indessen nicht, da Ulrich es verweigerte, fernere Probationen zu geben. Nach Frankfurt sollte wieder Bouke reisen, aber er wollte nicht, da er sich nicht wohl befand. Auch Andere lehnten die Reise ab, wie der Propst Heinrich von der Lühe (auf Thelkow) und der Domherr Otto Wackerbarth. Endlich fand sich Dr. Esaias Hoffmann bereit und reiste ab. Er war in Frankfurt anscheinend sehr thätig; denn überall, wo er Zutritt fand, hielt er um Beschleunigung der Verhandlungen an, ohne indessen dafür mehr als "gute Vertröstungen" zu bekommen. Er meinte daher, "daß dieses ein langsam Werk werden wolle"; er hätte auch ebenso gut behaupten können, daß es vergebliches Bemühen wäre. Denn die Zahl der Anträge war außerordentlich groß, 136 Stände baten um Moderation, und die zum 1. August berufenen Moderatoren waren am 10. August noch nicht einmal vollständig erschienen. so wurde aus der Moderation des Stifts wieder nichts.

Die Forderungen des Reichs wurden aber nicht geringer. Nach der 1576 bewilligten 6jährigen Türkensteuer betrug die Stiftsabgabe jährlich 1600 Gulden, also in 6 Jahren fast 10,000 Gulden. Die ganze Einnahme des Stifts belief sich dagegen nach Angabe der Regierung nur auf 2514 Thlr. 23 ßl. 7 1/2 Pfennig jährlich. Ohne Anleihen ging es lange nicht mehr; aber auch dies Mittel die Schuld zu tilgen konnte keine dauernde Rettung bringen,

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sondern endlich nur größere Verlegenheiten bereiten. 1583, als das Stift schon 4000 Gulden schuldig, und vom Reich mit der Acht und poena dupli beim Ausbleiben der Steuern bedroht war, wollte es darum auch nicht anders mehr gehen, als daß man wieder durch Bitte um Moderation (wie gewöhnlich auf 3 zu Roß und 3 zu Fuß) wo möglich, wenn nicht Ermäßigung, so doch Aufschub zu erlangen suchte. Wiederum wurde die alte Klage auf dem Kreistage zu Halberstadt 1583 vorgetragen, wiederum nahm sich diese Versammlung des Stiftes an und bestimmte Bremen, Braunschweig=Lüneburg und Lübek zu Inquisitoren. Diese schrieben auf Antrag des Dr. Heinr. Husanus einen Termin zum Zeugenverhör nach Sternberg aus, zuerst auf den 30. April, an welchem Tage das Verhör wegen des Ausbleibens Vieler unterbleiben mußte, und dann auf den 14. Juni. An diesem Tage erschienen vor den Subdelegirten des Kreises als Zeugen 4 Ratzeburger Domherren (wegen des Vergleichs mit dem Stift daselbst), 11 pommersche Unterthanen (wegen der Einkünfte aus Pommern), ferner Stiftshauptmann Jürgen Wackerbarth, Jürgen von Bülow auf Zibühl, Bürgermeister Peter Rittorff zu Bützow, Secretär Joh. von Hagen zu Bützow und Vicar Christian Videmeier (Vidimer) zu Schwerin. Ihre Aussagen bewiesen, daß das Stift Schwerin seit der Reformation nur geringe Einkünfte hatte, und daß im Besondern Ratzeburg viel besser gestellt sei. Wackerbarth erklärte, daß anderswo die Unterthanen von der Hufe nur 4 Schillinge zahlten, im Stift Schwerin aber 2 Gulden von jeder Hufe gegeben werden müßten; das wäre viel zu hart für die Stiftsbewohner, und doch reichten die Einnahmen dieses Ländchens lange nicht. 1 )

Auch die dies Mal erwachsenen Acten wurden an die Moderations=Commission des Reichs geschickt, natürlich ohne Erfolg; aber durch den Fiscal=Procurator wurde die Stiftsschuld 1584 wenigstens bis auf 1110 Guld. 15 Gr. erlassen. Dies Geld wurde zwar gezahlt; aber damit war nichts gewonnen, denn nun forderte das Reich wieder die ganze rückständige Summe! Die Moderations=Acten von 1583 wurden wiederholt dem Reichstage vor=


1) Wackerbarth, gegen 70 Jahre alt, weiß noch wohl, "daß früher in Schwerin auf dem Kirchhof ein Pfaffe im Kübel gestanden, der das heilige Blut in den Händen gehabt habe. Dabei sei ein anderer Pape mit einem Kesser gestanden, um das Opfergeld zu empfangen. Wenn der Kesser voll gewesen, sei ein Loch in der Mauer an der Kirchen gehauen, dadurch habe der Pfaffe dies Opfer in die Kirche gebracht, sei darnach wieder gekommen und habe noch mehr geholt, wie er (Zeuge) in seiner Jugend selbst gesehen."
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gelegt; 1590 waren sie von den Moderatoren noch nicht geöffnet. Unterdessen war die Stiftsschuld wieder auf 8640 Gulden angewachsen. Als nun Herzog Ulrich deshalb von des Kreises wegen gemahnt wurde, erklärte er, es wäre die Frage der Exemption des Stifts noch nicht entschieden, auch habe er keine Antwort auf seine Bitte um Moderation; daher sei er zunächst mit einer Mahnung billig zu verschonen. Aber auf die Mahnung von 1593 konnte er antworten, daß es derselben nicht bedurft habe, da er bereits vor 2 Monaten sein "Gebürniß" wegen des Stiftes Schwerin erlegen lassen, wie die Quittung der Einnahmen ausweise. Ebenso zahlte Ulrich in den nächsten Jahren, jedoch immer cum solita protestatione, wie es in den Contributions=Acten heißt. 1598 und 99 wurden sogar 4690 Thlr. in die Legestädte abgeführt, zu welchem Zwecke man sich freilich 4000 Thlr. (von Andreas Meyer zu Hamburg) leihen mußte. Und immer noch mehrten sich die Anforderungen des Reichs. 1601 verlangte man "eilends" 14 Römermonate in 2 Raten, von denen jeder dem Stifte 70 Thlr. oder 160 Guld. rhein. kostete, und 1603 bewilligte der Reichstag wegen der Türkennoth sogar 86 Monate, in 4 Jahren zu zahlen. Beim Ausbleiben der Zahlung sollte der Fiscal sofort beim Kammergericht auf die Pön der Acht oder auf Privation anhalten, und gegen Herzog Ulrich I. geschah dies auch wieder. Als aber der Befehl zur Verantwortung, datirt vom 23. September 1603, in Meklenburg eintraf, war der mit Zahlungsbefehlen viel verfolgte Stiftsregent bereits zur ewigen Ruhe eingegangen.

53 Jahre hatte Ulrich das Stift beherrscht, und fast während dieser ganzen Zeit hatte er mit dem Reichsfiscal den Prozeß wegen der Exemption des Stifts geführt und mit dem Reichstag, dem Kreistag und der Moderations=Commission sich um die Höhe der Stiftsbeiträge zu den Reichsanlagen gestritten; aber weder der Proceß noch die Moderationsfrage war vor seinem Tode beendet worden. Das waren die herrlichen Zeiten des heiligen römischen Reiches!

2. Die Regierungszeit Ulrichs II. bis zum 30jährigen Kriege.

Mit dem Antritt der Regierung des Administrators Ulrich II., des dänischen Prinzen, änderte sich die Sachlage von Grund auf. Während Ulrich I. mit größter Ausdauer sich für die Anerkennung der Abhängigkeit des Stifts von Meklenburg bemühte, verfocht Ulrich II. von vorne herein mit allem Eifer die Unabhängigkeit

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seines neu erworbenen Landes. Der Proceß mit dem Reichsfiscal um die Exemption des Stifts war also nun selbstredend zu Ende, soweit die Herzoge von Meklenburg ihn ruhen ließen; denn zwischen dem Stift und dem Reiche bestand über diese Frage keine Meinungsverschiedenheit mehr. Meklenburg blieb nun zwar nicht ganz unthätig, aber es kümmerte sich auch nicht direct um diese Angelegenheit, sondern suchte nur seine Oberherrschaft über das Stift bei dem Streit um die Abhängigkeit desselben vom meklenburgischen Landgericht zu verfechten, wie wir später sehen werden. Doch der Kampf um die Zahlungen ans Reich wurde von Ulrich II. mit dem Fiscal fortgesetzt.

Ehe wir aber dieses unerquickliche Thema wieder berühren, wollen wir zunächst sehen, wie der neue Stiftsregent sich als deutschen Fürsten einführte.

Unter d. 28. Febr. 1604 erließen die Kreisdirectoren die Einladungen zum Kreistage; für das Stift Schwerin war das Einladungsschreiben nicht mehr, wie nachweisbar noch 1602, an das Domcapitel, sondern an den Administrator gerichtet. Ulrich II. war, als es zu Bützow eintraf, in Dresden, daher nahm es sein Kanzler Erasmus Reutze in Empfang. Reutze schrieb nun sogleich an Ulrich II.: So lange Ulrich I. zugleich Meklenburg und das Stift Schwerin regiert habe, seien an den Stiftsregenten niemals besondere Reichs= und Kreisausschreiben ergangen, "dasselbe habe auch keine Session und Stimme gehalten und gegeben, sondern, was von wegen des Fürstenthums Meklenburg gewilligt und beschlossen sei, das habe auch im Stift müssen gelten und angenommen werden." Jetzt sei es anders. Da dies nun während der Regierung Ulrichs II. der erste Kreistag sei, so möge der Herzog auch Session und Stimme halten und einnehmen als ein besonderer Stand des Reichs und also durch diese Gelegenheit das Stift in "seine uralte Dignität und Hoheit und in die Possession der Frei= und Gerechtigkeit der andern Reichs= und Kreisstände" wieder setzen. Was die Personenfrage beträfe, so würden gewöhnlich Rechtsgelehrte zu Abgeordneten genommen, er (Reutze) wäre aber bis jetzt noch der einzige Rechtsgelehrte im Rathe Ulrichs. Solle er den Kreistag besuchen, so wäre zu erwägen, ob auch einer aus dem Domcapitel mit ihm kommen müsse. Beim ersten Male wäre das wohl wünschenswerth, weil ein Domherr ihn bei der Vertheidigung der Stiftsstimme, wenn diese etwa sollte streitig gemacht werden, bei dessen Sachkenntniß gut unterstützen könnte. Herzog Ulrich möge nun vorläufig zur Instruction mit dem Kurfürsten von Sachsen wegen der Vorlagen correspondiren.

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Zugleich richtete Reutze ein Schreiben an das Magdeburger Domcapitel, um dasselbe zu bitten, daß es sich des Stiftsabgeordneten annehme, da dieser zum ersten Male auf dem Kreistage erscheinen würde. Wenn er keine Aussicht habe, von den Kreisständen als Mitglied angenommen zu werden, so solle er lieber vor Eröffnung der Versammlung zurückkehren.

Dem Administrator übersandte er zur Unterschrift 4 Schriftstücke: eine Vollmacht für den Abgeordneten, zwei Briefe an die kreisausschreibenden Stände Magdeburg und Braunschweig und ein Schreiben an Meklenburg, um dessen Zustimmung zu dem Vorhaben zu gewinnen. Ulrich schickte diese Acten unterschrieben zurück, indem er einen ganz kurzen Brief vom 13. April an seinen Kanzler beifügte, um demselben mitzutheilen, daß er damit einverstanden sei, wenn Reutze und der Dekan Heinrich von Bülow zum Kreistag reisten. Das war allerdings in dieser wichtigen Angelegenheit auffallend wenig.

Reutze traf am 6. Mai zum Kreistage in Halberstadt ein und überreichte noch Abends die Briefe an Magdeburg und Braunschweig. Auf den andern Morgen wurde er zur Entgegennahme der Antwort auf das Rathhaus bestellt. Dort erwiderten die Kreisdirectoren, man wolle die Stiftssache allen Kreisständen vortragen, Reutze möchte sich auf eine Stunde gedulden. Nachmittags 2 Uhr erhielt der Stiftskanzler von Magdeburg die Antwort, Meklenburg hätte ein besonderes Recht auf das Stift beansprucht und behaupte, es sei in possessione wegen Ratzeburgs vor dem Stift Schwerin zu sitzen. Aber nach der Kreismatrikel und nach alten Kreisabschieden sei beschlossen, daß das Stift Schwerin nach Lübek und vor Ratzeburg Sitz haben solle, "doch jedem in seinem Rechte ohne Schaden." Reutze nahm den Sitz an mit dem Bemerken, daß er Meklenburg in Bezug auf das Stift Schwerin nichts geständig sei.

Darauf traten die Stände zusammen; Reutze setzte sich nächst Sachsen=Lauenburg. Nach der Eröffnung der Sitzung wiederholte der Magdeburgische Kanzler zuerst den Vergleich der Stände wegen der Session Schwerins, und ebenso wiederholte Reutz seine Protestation.

Somit war also das Stift Schwerin wieder in seine alte Würde als unmittelbarer Reichsstand aufgenommen und eingetreten.

Von den Verhandlungen auf dem Kreistage, der vom 7. bis 13. Mai dauerte, beansprucht unsere Theilnahme am meisten der Antrag Reutzes auf Moderation für das Stift. Er begründete

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seinen Antrag damit, daß er erklärte, der Anschlag des Stifts sei so hoch, daß dabei die Stiftsunterthanen zu Grunde gehen müßten. Man möge eifrig betreiben, daß die schon so lange schwebende Angelegenheit endlich beim Reiche entschieden werde. Noch beim Abschied übergab Reutze an die Stände ein Promemoria, welches die Bitte um Hülfe ausspricht, damit die Mainzische Kanzlei endlich (nach etwa 50 Jahren!) die Stifts=Moderation erledige. Bei der Umfrage nach Restanten erklärte Reutze, daß auf Erkundigung bei der meklenburgischen Renterei ihm die Antwort geworden, das Stift Schwerin sei nichts schuldig.

Da Ulrich I. als Herzog von Meklenburg Kreisoberster gewesen war, so mußte nun nach seinem Tode ein Nachfolger in diesem Amte gewählt werden. Vorgeschlagen waren Herzog Heinrich Julius von Braunschweig=Lüneburg, bisher Stellvertreter des Obersten, und Herzog Karl von Meklenburg. Reutze wählte Heinrich Julius, der die Majorität der Stimmen erhielt, Karl wurde dessen Stellvertreter.

Unter den Unterschriften des Kreisabschiedes steht an 10. Stelle, nach Lübek und vor Ratzeburg: "Stift Schwerin, Dr. Erasmus Reutze."

Noch ein paar Male treffen wir den Kanzler Reutze als Vertreter des Stifts auf den Kreistagen, 1615 wurde aber sein Nachfolger, Kanzler und Rath Heinrich Stallmeister, dahin abgeordnet 1 ), 1619 vertrat das Stift Schwerin der lüneburgische Kanzler Erich Heidemann mit, und später, selbst noch zur Zeit Ulrichs III., wurde der stiftische Rath Dr. Theodor Bussius geschickt. Da unter Ulrich III. der König von Dänemark mehr als der Administrator im Stift regierte, so richtete man sich gewöhnlich so ein, daß die von Dänemark bestimmten holsteinischen Gesandten zugleich das Stift Schwerin mit vertraten. Die Unterschrift Schwerins stand stets zwischen den Stiftern Lübek und Ratzeburg.

Mit den Reichsabgaben verhielt es sich aber doch nicht so, wie Reutze auf dem Kreistage 1604 in Folge seiner Erkundigung bei der meklenburgischen Renterei gemeint hatte. Wir haben früher gesehen, daß bald nach dem Tode Ulrichs I. eine gerichtliche Mahnung eintraf, welche noch an den verstorbenen Stiftsregenten gerichtet war. Der Kammerbote brachte die Meldung von dem Ableben Ulrichs I. nach Speier, und dort wurde deshalb sofort das


1) Die Mitteilung über Reutzes Kanzleramt (XLIX, 173) ist hiernach zu vervollständigen.
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Schreiben an Ulrich II. adressirt. Es waren nämlich zwei Termine, Jacobi und Weihnacht 1603, nicht gezahlt. Auch vom Kaiser erhielt Ulrich II. ein Schreiben, er möchte die Schuld baldigst, spätestens bis Ostern 1604 abtragen. Jedenfalls geschah dies aber nicht, denn Ulrich wurde bald darauf wegen seiner Reichsschulden zum 30. Juli vor das Kammergericht gefordert, woselbst er sich durch den Advocaten Sigismund Haffner vertreten ließ. Uebrigens zahlte er vorher zu Leipzig 3360 Gulden, wie sein Großvater, mit Protest.

Das Moderationswerk ruhte noch immer; die vom Stift vor bald 40 Jahren eingereichten Beweisstücke lagen noch 1604 uneröffnet zu Speier. Unter d. 16. März 1605 übergab der Fiscal Karl Seiblin an das Kammergericht eine Exceptionsschrift, in welcher er behauptete, daß er eine von Ulrich II. erwähnte Moderation nie gesehen; habe das Stift wirklich einmal Ermäßigung erhalten, so sei das jedenfalls längst wieder geändert, und er müsse daher bis zur gerichtlichen Entscheidung nach dem gewohnten Anschlag die Beiträge fordern.

Als Ulrich II. im Jahre 1605 in Ungarn war und sich bei dieser Gelegenheit persönlich beim Kaiser für das Stift verwandte, schrieb Dr. Ernst Cothmann (unterm 11. Aug.) in dieser Angelegenheit an den Administrator. Er offenbart uns wunderliche Dinge von den Zuständen im Reiche. Bei der Bewerbung des Stifts um Moderation seien zwei Anwälte, Kirrwangen und Niebuhr, eher gestorben, als sie die Attestationen hätten anbringen können. 1595 wußte man gar nicht, wo die Schriften geblieben. Nun wurde Cothmann nach Speier geschickt, um sie zu suchen, und er fand sie endlich bei den Erben Kirrwangens. Aber sie an die rechte Behörde zu bringen, war ihm unmöglich. Er übergab sie daher dem Dr. Kremer zu Speier. Auch Kremer wurde von den Reichsdeputirten abgewiesen, die nach der Behauptung Cothmanns nicht eine einzige Moderationssache erledigten. Cothmann rieth endlich, Ulrich möge sich direct an den Kaiser wenden und sich mit diesem zu vergleichen suchen.

Diesen Rath befolgte der Herzog. Der Kaiser ließ auch wirklich beim Fiscal Erkundigungen einziehen; aber dabei wird es wohl geblieben sein, jedenfalls fand Ulrich II. sich veranlaßt, am 25. April 1606 seinen Antrag beim Kaiser zu wiederholen, indem er zugleich erklärte, er wolle bis zu ausgemachter Sache den halben Anschlag (5 zu R. und 5 zu F.) zahlen. In den nächsten Jahren zahlte er in der That die Hälfte; aber das half ihm wenig, denn das Reich war damit nicht zufrieden, und die Schuld des

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Stifts wuchs also ungeheuer an. Im Jahre 1605 z. B., wo 14 Monate, 7 zu Johannis und 7 zu Michaelis, die für das Stift 2 Mal 980 Thlr.=1960 Thlr. betrugen, bewilligt waren, blieb Ulrich von dieser Forderung in einem Jahr schon 980 Thlr. schuldig. So ging es weiter, bis der Fiscal wieder ernster drohte, und man nicht umhin konnte, durch Anleihen die Schuld zu decken. 1611 schrieb Ulrich an den postulirten Erzbischof von Magdeburg, er sei außer Stande, die vom Kaiser geforderten Beiträge zu zahlen, da das Stift wegen der früheren Reichs= und Kreisauflagen so hoch verschuldet und verarmt sei, daß die Stiftsstände erklärt hätten, sie wüßten im Geringsten keinen Rath mehr zu finden. Er erhielt die Antwort, die Beschlüsse seien per majora gefaßt, und Keiner würde sich deshalb weigern dürfen zu zahlen, 1615 wurde auf dem niedersächsischen Kreistag beschlossen, daß jeder Stand sein Contingent selbst stellen sollte, von dem ganzen Kreise wurden 500 zu Roß und 3000 zu Fuß gefordert. Das war wohl eine Abwechselung, eine Erleichterung keineswegs. So wurde die Noth immer größer und das Drängen des Fiscal immer härter. Wir dürfen es wohl unterlassen, diese Zustände noch für die späteren Jahre näher zu beleuchten. Nur möchten wir noch mittheilen, daß selbst 1623 die aus der Zeit Ulrichs I. herstammende Reichsschuld noch nicht gezahlt war, und daß, wie es sich aber von selbst versteht, das Stift niemals Moderation erhielt.

Als Ulrich II. gestorben war, gingen die Einladungen zu den Kreistagen wieder an das Domcapitel, vielleicht weil man nicht recht wußte, wer im Stifte regierte.

Was die Stellung des Stifts zu den Reichstagen betrifft, so müssen wir bekennen, daß wir hierüber wenig Nachricht haben. Als Ulrich I. regierte, bekam das Stift wohl kaum eine besondere Einladung zu denselben. Ulrich II. wurde zuerst zu dem auf den 24. April 1613 anberaumten Reichstag "als ein Fürst und Stand des Reichs ordentlich mit beschrieben." Er deputirte für sein Stift den braunschweig=lüneburgischen Abgeordneten Dr. Erich Heidemann; dieser wurde aber wie alle Gesandten aus protestantischen geistlichen Stiftern von den katholischen Reichsständen nicht angenommen. (Rudloff, Verhältniß des Stifts zu Meklenburg S. 94.) In den Archivacten haben wir außerdem noch eine Mittheilung, sie findet sich unter den Reichstagsacten, die Meklenburg betreffen. Nach derselben lief 1614 ein kaiserliches Einladungsschreiben zum Reichstag, der am 1. Febr. 1615 eröffnet werden sollte, zu Bützow ein mit der Adresse: "Dem Ehrwürdigen Unsern lieben Andächtigen N. Bischof zu Schwerin." Man wußte also in der kaiserlichen Kanzlei

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nicht einmal den Namen des Stiftsregenten, nachdem derselbe schon 11 Jahre in diesem Lande geherrscht hatte. Ulrich II. gab auf diese Einladung wiederum dem Dr. Heidemann Vollmacht und Instruction; dies Mal ganz vergebens, denn der ausgeschriebene Reichstag fand überhaupt nicht statt.

3. Die Zeit des 30jährigen Krieges.

Als der Aufstand in Böhmen vom Jahre 1618 größere Kreise des deutschen Reiches und sogar zum Theil das Ausland mit auf den Kampfplatz rief, begann man auch im niedersächsischen Kreise sich zu rüsten, um etwaigen feindlichen Einfällen Widerstand leisten zu können. Der Kreisoberste in Niedersachsen war damals Herzog Christian von Braunschweig=Lüneburg. Von diesem erhielt der Administrator des Stifts Schwerin unter d. 17. März 1619 die zweite Aufforderung, sich zum Kampfe bereit zu halten. Herzog Ulrich solle "sich bei der gefährlichen Zeit mit der im Kreise bewilligten Tripelhülfe an gutem geworbenen Kriegsvolk zu Roß und zu Fuß, auch allem, was an Artillerie und sonst dazu gehörig, gefaßt machen und halten", damit bald nach Ostern eine Generalmusterung stattfinden könne. Die Pässe des eigenen Landes solle er mit dem Landvolk wohl besetzen. Er solle stets auf der Hut sein und alle Nachrichten über kriegerische Ereignisse sofort dem Kreisobersten mittheilen. Antwort wurde sofort durch den Ueberbringer des Schreibens erbeten, und Herzog Ulrich gab dieselbe unterm 7. April dahin ab, daß er jeder Zeit mit seinem Volke bereit sein wolle, wie es sich gebühre. Am 21. Mai setzte er nun seinen Lehnsmann Otto v. Flotow (aus Stuer) zum Kriegshauptmann ein; aber das Heer, welches derselbe im Namen Ulrichs commandiren sollte, war noch nicht vorhanden, v. Flotow sollte es erst selbst anwerben. An Sold wurden ihm für den Monat 10 Speciesthaler versprochen. Als der Kanzler Stallmeister am 7. Juni 1619 den nur in Veranlassung der Rüstung berufenen Stiftstag zu Bützow eröffnete, machte er die versammelten Stände damit bekannt, daß in Niedersachsen eine Tripelhülfe 1 ) gefordert würde, deren Musterung schon am 8. Juni, also am nächsten Tage, geschehen solle. Das Stift hätte 15 Pferde geworben und für jedes 10 Speciesthaler gegeben. Der Kreis bewillige als Monatssold für den Reiter 16 Gulden, für den Commandeur 160 Gulden.


1) Die einfache Hülfe des Kreises bestand in 293 Reitern und 1407 Fußknechten.
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Die Stände antworteten durch den Stiftsmarschall v. Vieregge, die für die Pferde ausgelegten 150 Thaler sollten auf den Herbst wieder erstattet werden. Die nächsten Monatszahlungen möge der Herzog nur auslegen. Uebrigens sei die Rüstung nicht so eilig, da man sehe, daß in Meklenburg noch garnichts gethan werde. Der Stiftstag war damit wieder zu Ende und konnte noch am 7. Juni geschlossen werden.

Ueber die Rüstung erfahren wir weiter nichts; auf den Stiftstagen der nächsten Jahre wird nur mitgetheilt, daß wegen der kriegerischen Ereignisse höhere Contribution nöthig sei.

Auf dem Kreistage zu Braunschweig, der am 26. Jan. 1623 eröffnet wurde, bildete die Hauptvorlage die Berathung über die Vertheidigung des Kreises "gegen das andringende Kriegsvolk". Der Schwerinsche Gesandte Bussius hatte die Weisung erhalten, in dieser Angelegenheit "sich auf die Stimme des Vorsitzenden und insonderheit darauf zu achten, wie die dänisch=holsteinischen Gesandten sich resolviren" würden. Es wurde eine triplicirte Tripelhülfe (triplum in triplo) bewilligt, die für das Stift Schwerin 72 Reiter oder, wenn man nicht so viele Pferde stellen konnte, 54 Reiter und 54 Fußknechte betrug 1 ), denn für 1 Reiter zählte man 3 Mann zu Fuß. Bussius, der diese Forderung am 10. Februar dem Administrator schriftlich mittheilte, meinte, es würde in Betreff der Kosten gleich sein, ob das Stift lauter Reiter oder Reiter und Fußknechte stellte. Das Monatsgeld wäre in beiden Fällen ganz gleich, bei der Reiterei käme aber der Anritt in Betracht, der im 1. Falle 720 Thlr., im 2. Falle 540 Thlr. koste. Nun müßten aber auch wieder den Fußsoldaten Gewehr, Kraut und Loth geliefert werden, welche Gegenstände die Reiter sich selbst anschafften; daher würden auch selbst beim Anritt beide Arten von Rüstung gleich theuer werden. Die Lüneburg=Zelleschen Kreistagsgesandten hatten noch den besonderen Auftrag, Herzog Ulrich von Schwerin das Commando über 1000 Pferde anzubieten; wir wissen aus den späteren Vorgängen, daß Ulrich dies Commando nicht annahm.

Mit bemerkenswerther Eile berief der Herzog Ulrich die Stiftsstände auf den 10. März 1623 nach Bützow; aber die meisten derselben blieben ohne Entschuldigung aus, als ob sie nichts Gutes ahnten, und die Sitzung mußte bis auf den 7. April vertagt werden. Da erst konnte der Regierungs=Commissar den


1) Hiernach war der Stiftsanschlag allerdings ermäßigt, nämlich statt der früheren 10 zu R. und 10 zu F. auf 6 zu R. u. 6. zu F.
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Ständen die Mittheilung von den außerordentlichen Forderungen des Kreises machen. Zunächst seien die Kosten zu tragen für das triplum triplicatum, das für den Anritt 72 X 10=720 Thlr. und an Monatsgeld 72 X 12=864 Thlr. betrüge. Außer diesem triplum in triplo sollte aber noch halb so viel Mannschaft als Nachschub bereit gehalten werden, und wenn auch das nicht genügte, sollte der zehnte, ja selbst der fünfte Mann zur Vertheidigung des Vaterlandes gebraucht werden; deshalb habe sich Jeder stets bereit zu halten. Mit Angst und Zagen hörten die Stände diese Verkündigung. Woher sollte das verarmte Land die Mittel nehmen? In etwas beruhigte allerdings der patriotische Beschluß des Kreistages, der ebenfalls mitgetheilt wurde, daß nämlich, "damit die Armen nicht den größten Theil der Last tragen müßten, Alle, Geistliche und Weltliche, selbst die Kreisfürsten von allen Gütern, Kleidern, Kleinodien u. s. w. den 50sten Theil zahlen sollten, und dabei wolle man des Adels und der reisigen Knechte Pferde, Geschütze, Harnische, Pulver u. a. nicht rechnen. Und zur Ehre des Stifts sei es gesagt, daß weder Fürst noch Stände dieses kleinen Landes an patriotischem Eifer hinter den hochherzigen Entschlüssen des Kreises zurückblieben. Ulrich hatte bereits auf eigene Gefahr hin 7000 Gulden für die ersten Bedürfnisse aufgeliehen, die Stände übernahmen diese Anleihe willig als Landeschuld und stellten am 10. April die Obligation aus, auch bewilligten sie außerdem eine Anleihe von 2000 Gulden. Zur allmählichen Tilgung der Schuld sollte von jetzt an die Contribution vierfach gezahlt werden, das machte für den Roßdienst 30 Thlr., für 1 Hufe 2 Thlr. Dagegen baten die Stände, der Herzog möge die Reserve, das 1/2 triplum in triplo, zunächst noch nicht ausrüsten, und diese Bitte wurde unter der Bedingung gewährt, daß man sich wolle "männiglich in Bereitschaft halten, mit Gut und Blut und allem Vermögen zu fürstoßenden Ungelegenheiten zu treten." Die ganze Verhandlung ging in Folge des willigen Zugeständnisses der Stände so rasch von Statten, daß der Abschied des Stiftstages noch an demselben Tage, 7. April, erfolgte.

Aber der gute Wille allein konnte doch nicht genügen, und die Kräfte fehlten. Die bewilligte hohe Contribution ging nur theilweise ein, die Anleihe reichte nicht aus, und an dem Contingent, das schon im Frühling gemustert werden sollte, fehlten immer noch 32 Reiter; 40 hatte man also zusammengebracht. Daher wurden die Stände zum 6. October wieder nach Bützow berufen, wo sie beschlossen, daß die Contribution sofort gezahlt und, wenn das nicht geschähe, unverweilt Execution verhängt werden sollte.

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Das war allerdings leicht gesagt, aber es fragte sich doch sehr, ob die Excecution überall von Wirkung sein würde. Sie war es nicht, wie wir bald sehen werden.

In der äußersten Verlegenheit, in welche die Schulden das Stift gebracht hatten, segnete der Administrator Ulrich II. das Zeitliche, 27. März 1624. sein Tod wurde wohl von Vielen, und zwar aufrichtig bedauert, denn er war ein milder und wohlthätiger Regent; aber wie für ihn selbst, brachte er auch für das Stift eine Erlösung aus großer Noth. Denn bei den unmündigen Jahren des nachfolgenden Administrators Ulrich III. übernahm dessen Vater, König Christian IV. von Dänemark, zunächst das Regiment, und der König hatte wenigstens Mittel zu helfen. Da nun Christian IV., jetzt Kreisoberster in Niederdeutschland, nicht wenig Lust zeigte, im Reiche immer mehr festen Fuß zu gewinnen, so konnte es ihm nicht schwer werden, für das Stift einige Mittel zu wagen; denn mit seiner Hülfe wuchsen billiger Weise seine Ansprüche. In der Hoffnung, dies Ländchen einmal dauernd für sein Haus zu gewinnen, hatte er sicher auch am 15. April 1624 für das Stift den Schutzbrief ausgestellt, und in derselben Hoffnung erbot er sich gleich nach Uebernahme der Regierung zur Deckung der Stiftsschulden große Summen vorzustrecken. Am 20. December 1624 ließ er den zu Bützow versammelten Stiftsständen eröffnen, daß er gegen eine ständische Schuldverschreibung zur Bezahlung der Stiftsschuld, welche damals schon 21,000 Gulden betrug, diese Summe auf ein Jahr leihen wolle. Das Anerbieten schien aber den Rittern, natürlich wegen der ungewöhnlichen Höhe der Anleihe, doch zu bedenklich, und sie weigerten deshalb ihre Unterschrift unter die geforderte Obligation zu setzen, indem sie zugleich behaupteten, daß Capitel und Städte hinlänglich Sicherheit gewähren könnten. Wie es endlich mit der Schuldverschreibung wurde, ist nicht bekannt; doch steht fest, daß der König Geld schickte.

So erfreulich es nun sein mochte, daß durch die Zahlung Dänemarks die erste Noth wieder gekehrt wurde, so unbequem war eine andere Sendung aus demselben Lande, die zu Anfang 1625 eintraf, nämlich 400 Mann dänische Einquartierung. König Christian wollte, daß die Truppen auf das ganze Stift vertheilt würden, aber die Regierung sah die Noth der Bauern und beschloß diese zu verschonen; die 3 Städte sollten die Soldaten allein aufnehmen: Bützow 200, Warin und die Schelfstadt je 100 Mann. Aber die beiden kleinen Städte baten so inständig um Verschonung, daß man schließlich Bützow die ganze Last allein auferlegte, freilich

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in der Hoffnung, daß die fremden Völker bald wieder abziehen würden. Das geschah indessen nicht, im Gegentheil meldete König Christian noch eine Compagnie Reiter dazu an. Da berief die Regierung in ihrer Verlegenheit wieder den Stiftstag, der am 11. April zu Bützow eröffnet wurde. Die Stände erklärten hier, daß der königliche Major (Vorbrandt) die Zehrungskosten für dite Bützower Einquartierung zahlen müßte, Adel und Bauern würden ohnehin täglich von durchstreifenden Rotten gebrandschatzt; übrigens wäre es auch im niedersächsischen Kreise nicht gebräuchlich, daß die vom Adel und ihre Bauern mit Einquartierungskosten beschwert würden. Endlich kam man zu dem Beschluß, die Stände sollten für die Einquartierung contribuiren; dem Rittmeister der angemeldeten Reiter wollte man 300 Gulden verehren, damit er vorbeiziehe. Sicher ist aber, daß die Reiter im Stifte blieben. So wurde für die Einquartierung wieder alles durch Contributionen zusammengebrachte Geld verbraucht, und die regelmäßigen Forderungen des Reiches wurden nicht bezahlt.

Als der Kanzler am 23. Febr. 1626 wieder den Stiftstag eröffnete, forderte er: 1) man solle sich zum Roßdienst bereit halten, 2) die Contribution müsse verdoppelt werden, 3) gegen die Säumigen solle sofort mit Execution vorgegangen werden. Die Ritter antworteten auf die erste Proposition, sie wollten mehr thun, als wozu sie verpflichtet wären, und für 1/2 Pferd 2 Pferde bereit halten, dann sollten aber auch die Städte den dritten Mann stellen. Doppelte Steuer bewilligten die Stände nicht, sie schlugen wieder eine Anleihe vor. Schließlich beklagte man sich allgemein über die Saumseligkeit des Capitels, "man möchte wohl dessen gründliche Ursache wissen."

Die Einberufung der Stände geschah jetzt sehr häufig 1626 z. B. fünf Mal, im Februar, im April, zwei Mal im September und ein Mal im December. 1 ) Auf dem ersten Stiftstage im


1) Auf einem dieser Stiftstage meldeten sich die Wittwen Hennichow und Zander und baten um Entschädigung für die Einquartierung des Majors Vorbrandt. Jürgen Wackerbarth erwiderte, "der Major hätte sich gern gefunden, wo junge Wittwen vorhanden gewesen, und diese möchten ihn auch wohl gern gehabt haben, sie müßten deshalb mit so einer dankbaren Soldatenzahlung friedlich sein." Stiftshauptmann v. Hagen fügte hinzu, beim Abmarsch habe Vorbrandt ihn gefragt, ob er ihn künftig gern wieder aufnehme. Hagen habe geantwortet, darnach als er seinen Abschied hier nehme. Da hätte der Major zu Frau Hennichow gesagt: "Meine tugendsame Frau, was sagt Ihr dazu?" Frau Hennichow: "Mein lieber (  ...  )
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September wurde die Mittheilung von der Niederlage König Chistians bei Lutter am Barenberge (27. Aug) gemacht, aber auch die andere, daß der Kreis nun noch größere Truppenmassen ausrüsten wollte und deshalb bis zu Ende des Krieges ein triplum in triplo forderte. Außerdem wolle jetzt König Christian das dem Stift geliehene Geld, welches sich auf 9000 Thlr. beliefe, wieder haben. Das hatte der Heereszug Christians dem kleinen Stiftslande eingebracht; freilich war dasselbe auch bei dieser Gelegenheit die Einquartierung, welche mit in den Kampf zog, los geworden, wenn auch nur auf kurze Zeit.

Keiner wußte zu rathen, wie man die geforderten hohen Summen aufbringen könnte; die Contribution zu erhöhen schien unmöglich, und neue Anleihen waren sehr bedenklich, da das Stift außer der dänischen Schuld schon 19,000 Gulden geliehen hatte. Die Stände gingen daher auseinander, um nach nochmaliger Ueberlegung wieder zusammenzutreten und dann Rath zu geben. Es wurde endlich eine hohe Contribution zu Michaelis gefordert, von welcher aber am 8. December noch nichts eingegangen war.

Unterdessen waren auch schon längst die Dänen wieder da. Anfangs October kam der Capitain Schweinitz mit 200 Mann, welche man in den Bützower Amtsdörfern einquartierte, und am 20. November vertheilte man die neu angemeldeten unter Capitain Helmers stehenden 300 Dänen auf Bützow (60 M.), Warin (30), die Schelfe (30), das Domcapitel (30), die bischöflichen Bauern (70) und auf die Ritterschaft (80). Die Schweinitzischen sollten, so hieß es, jetzt wieder abziehen.

Als diese Einquartierung kam, verließen die Domherren das Land und suchten sich größtentheils Wohnungen in Lübek. Von dort aus beklagten sie sich bitter über die Verwüstungen der Dänen in ihren Stiftsgütern, indem sie bei Herzog Adolf Friedrich von Meklenburg Schutz suchten. Ihre Klagen betreffen ausschließlich das willkürliche, rücksichtslose Betragen der Soldaten, das in damaliger Zeit, wie hinlänglich bekannt, gang und gäbe war. Naiv klingt die Beschwerde der Capitularen, daß die fremden Völker "uns unersuchet sich einquartiert" und sogar die Domhöfe belegt hätten. Am 27. April 1627 schrieb Adolf Friedrich den Capitularen, daß "berührtes Kriegsvolk mehrentheils abgeführet und ihren Weg nach der Mark Brandenburg genommen."


(  ...  ) Major, ich bin so recht wohl mit Euch zufrieden." Die Stände versprachen aber doch, daß die Hennichow 30, die Zander 50 Gulden aus dem Stiftskasten haben sollte.
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Es hatte guten Grund, daß die Dänen Meklenburg räumten; denn sie fürchteten von den anrückenden kaiserlichen Heeren abgeschnitten zu werden. Im Sommer 1627 erschienen schon die Kaiserlichen in Meklenburg, und im Herbst desselben Jahres hatte der kaiserliche Oberst Hans Jürgen von Arnim Bützow besetzt. Die Capitularen baten nun wieder von Lübek aus (6. Oct), Herzog Adolf Friedrich möge doch bei v. Arnim auswirken, daß das Stift wieder frei werde, da es ja nie vom Kaiser abgefallen sei. Sie hatten insofern Recht, als das Stift weiter nichts gethan hatte, als wozu es Mächtigere zwangen; aber es hatte in zu naher Beziehung zu dem Könige von Dänemark gestanden, und das war für den Kaiser ein hinreichender Grund zur Verurtheilung. Nachdem durch die Urkunde vom 9. Januar 1 ) 1628 der Kaiser Ferdinand dem Grafen Wallenstein die Herzogthümer Meklenburg als ein Unterpfand für dessen Forderungen überwiesen hatte, lieferte er ihm unterm 16 Jan. auch das Bisthum Schwerin wie die andern geistlichen Stifter des Landes aus. 2 ) Unter d 1. Juli, nachdem Wallenstein Meklenburg schon in Besitz genommen hatte, gab er seinem Commissarius Heinrich Niemann, der auch bei der Pfandhuldigung der meklenburgischen Stände zugegen gewesen war, Instruction und Vollmacht zur Besitzergreifung im Stift. Er sollte sofort nach Bützow reisen und

1) den Stiftshauptmann Heinrich v. Hagen abdanken und alle übrigen Diener und Unterthanen der Stiftsämter ihrer bisherigen Eidespflichten entbinden, an Stelle v. Hagens aber den Ulrich v. Pentz wieder als Stiftshauptmann einsetzen,

2) die Unterthanen Wallenstein huldigen und schwören lassen und dem neuen Stiftshauptmann anweisen,

3) alle Stiftsintraden und alle vorhandenen Vorräthe einziehen,

4) die Aemter mit den nöthigen Dienern bis auf Wallensteins weitere Anweisung und Ratification besetzen,

5) allen Vorrath inventarisiren lassen. Darnach sollte Niemann sich sofort nach Schwerin begeben und daselbst

6) der Capitularen Hofe, Häuser und Ackerwerke, besonders auf der Schelfe, zu Rampe, Medewege und Warkstorf einziehen und es dort mit der Bestellung der Diener wie zu Bützow halten,


1) Es ist der Gleichmäßigkeit wegen auch hier der alte Kalenderstil gebraucht.
2) Raabe, Vaterlandskunde S. 930.
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7) das Capitelshaus versiegeln, es wieder eröffnen, die Sachen darin inventarisiren und von da auf das Haus Schwerin transferiren und dort verwahren,

8) an allen Stifts= und Capitelsbesitzungen (Aemtern, Höfen und Häusern) das friedländische Wappen anbringen.

Niemann wird seine Aufträge schon am 2. und 3. Juli in Bützow ausgeführt haben, denn am 4. und 5. kam er nachweislich dem Befehl in Schwerin nach.

Gegen diesen Gewaltact erhob sich kaum Widerspruch. Der Administrator Ulrich III. war wohl vor dem Einmarsche der Kaiserlichen aus dem Stifte gewichen. Seine letzte Regentenhandlung, die nachsweisbar ist, war die schleunige Einberufung des Stiftstages vom 29. Nov. auf den 1. Dec. 1626. In den Lübeker Friedensverhandlungen versuchte wohl Dänemark für alle Fürsten des niedersächsischen Kreises eine "General =Amnestie" zu erwirken, aber der Kaiser wollte davon nichts wissen. Er forderte vielmehr, daß der König von Dänemark alle Rechte, die er oder seine Söhne in Niedersachsen (außer Holstein) und andern Kreisen beanspruchen möchten, aufgebe, und der König willigte endlich in die Bedingung des Friedensschlusses vom 27. Mai (6. Juni 1629), "daß er sich des heil. römischen Reichs Sachen anderer Gestalt nicht, als deroselben wie einem Fürsten und Stand des Reichs wegen des Herzogthums Holstein gebührt, auch der Erz= und Stifter für sich und dero geliebten Herren Söhne, unter was Prätext und Schein ein solches auch sein und geschehen möchte, ferner nicht anmaßen" werde. Nur die Capitularen richteten unterm 11. Juli 1629 eine Vorstellung und Bitte an Wallenstein, worin sie ausführten, daß ihre Curien und Landgüter sequestrirt worden, ohne daß sie als die rechtmäßigen Besitzer zur Vertheidigung citirt seien, daß sie nichts verschuldet, selbst sich zu keiner Consultation gebrauchen lassen, und daß das Stift schon 12 Jahre vor dem Passauer Vertrage reformirt und seitdem von vielen Kaisern bestätigt worden. (Die Behauptung von der kaiserlichen Bestätigung war übrigens nicht wahr.) Wallenstein hätte darum auch wohl nur die jura episcopalia occupiren wollen; er wäre ja selbst Reichsfürst und würde als solcher gewiß die Reichsverfassung respectiren wollen. Mit den übrigen reformirten Stiftern sei so hart nicht verfahren. Daher möge er die Sequestration ihrer Privathöfe und=Curien wieder cassiren, er solle dann bald Ursache haben, sie noch mit mehr Gnade zu favorisiren.

Das Schreiben der Domherren wurde am 13. Juli der Wallensteinschen Regierung vorgelegt, worauf unterm 16. Juli die

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Antwort erfolgte: "Nachdem die Sequestration der Domherren Güter und Curien des Stifts Schwerin specialiter et directo ab illustrissimo unserm gn. Fürsten und Herrn anbefohlen sein soll, davon uns das Geringste nicht zukommen, wir auch keine Ursache wissen mögen, warum S. f. g. die sequestration verordnet, als ist uns nicht thunlich, hierin etwas zu unserm Bedenken zu eröffnen, sondern haltens dafür, daß S. f. g. zu dero glücklicher Anheimkunft des Capitels Suchen und Bitten selbst unterthänig müsse fürgebracht werden." Es unterzeichneten die Räthe Dr. Oberbergk, Meier und Dr. Eggebrecht.

Ferner ist ein von Gebhard v. Moltke, dem Rathe Wallensteins, unterschriebenes Memorial vom 30. Juli vorhanden, auf welchem unter andern Angelegenheiten auch der Antrag der Domherren wegen ihrer Güter verzeichnet steht. Dieser Antrag enthält die Randbemerkung: "Abgeschlagen". Ob nun dieser Beschluß des Fürsten dem auf Antwort wartenden Capitels=Syndicus nicht mitgetheilt wurde, oder ob die Capitularen eine etwaige mündliche Mittheilung nicht für eine genügende Antwort hielten, ist aus den Acten nicht ersichtlich; so viel steht aber fest, daß das Capitel unterm 1. Oct. seine Bitte wiederholte, da es bisher von Wallenstein keine Antwort bekommen habe. Die Domherren forderten noch einmal "Restitution ihrer Privatgüter", weil sie, wo nicht ihres Privatvortheils, so doch in Anbetracht ihres dem Stift zu leisteten Eides nicht umhin könnten, "sich dieser Sachen angelegen sein zu lassen."

Den größten Gegner fand das Capitel in der Wallensteinschen Kammer. Als die Capitularen am Dom zu Schwerin ein kaiserliches mandatum avocatorium, von dem weiter nichts berichtet wird, anheften ließen und auch vom Stiftshauptmann v. Pentz verlangten, daß er zu Bützow dasselbe thue, rieth die Kammer, man müsse das mandatum abreißen und dafür das kaiserliche Edict über Wallensteins Belehnung anschlagen. Die Capitularen suchten doch nur sich allmählich wieder einzuschleichen. Es wäre noch ein Capitels=Syndicus und ein Stiftssuperintendent in Schwerin, diese müßten cassirt werden; denn da kein Capitel mehr vorhanden sei, so bedürfe es auch keiner Capitelsbeamten mehr.

Wie Wallenstein selbst über das Verhältniß des Stifts zum Reiche und zu Meklenburg dachte, ist aus den vorhandenen Acten mit Sicherheit nicht zu ersehen, anscheinend hielt er das Land für reichsunmittelbar. Als der Herzog seinen Rath Gebhard v. Moltke 1628 mit den früher im Besitz der Familie von Moltke befindlichen Stiftsdörfern Passin, Bahlen, Parkow und halb Penzin

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(s. Beschreibung des Stifts) belehnen wollte, fragte er bei seiner Regierung, seiner Kammer und seinem Hofgericht zu Güstrow an, warum das Stift früher für incorporirt gehalten sei. Die Antwort fiel dahin aus, daß wegen des Vertrages von 1514, nach welchem das Stift zu allen meklenburgischen Contributionen 500 Mark Lüb. beitragen müsse, wegen des vom Herzog Heinrich ausgestellten Schutzbriefes (Hist. Nachricht, Anlage O) das Land für incorporirt zu halten sei, auch gelte im Stifte meklenburgisches Lehnsrecht.

Trotzdem wurden die Stiftslehnsleute und=Stände, das Capitel eingeschlossen, d. d. Güstrow, 18. März 1629 ad mandatum proprium suae celsitudinis auf den 25. April nach Güstrow zu einer Art von Stiftstag berufen. Sie sollten sich Abends zuvor auf der herzoglichen Kanzlei melden und bei Strafe von 30 Thlrn. nicht ausbleiben. Der Zweck des Stiftstages war die Bezahlung der Stistsschuld von 20,000 Gulden, welche das Land aufbringen sollte (Domcapitel 780 G., Amt Bützow 2600, Zibühl 780, Amt Rühn mit Hermannshagen 1296, Amt Warin mit Gallentin 2100, Stadt Bützow 4380, St. Warin 900, die Schelfe 1020, Katelbogen und Moisall 690 Gulden u. s. w.).

Die herzogliche Kammer machte vor Eröffnung der Sitzung darauf aufmerksam, daß die Einladung des "gewesenen" Domcapitels Wallenstein höchst präjudicirlich sei. Dasselbe dürfe nicht als Capitel und die Capitularen ("diese Subjecte") nicht als "Stiftsmembra" anerkannt werden, da sie seit der Occupation schon aus dem Stifte gewichen seien. Nun würden sie um so steifer auf die Restitution ihrer Güter dringen. Das Stift wäre überhaupt von Wallenstein incorporirt nnd ein Gliedmaß Meklenburgs. Ferner könnten sie, die Kammer, nur auf ausdrücklichen Befehl Wallensteins es zulassen, daß auch die Kammergüter (die Domanialämter) mit besteuert würden. Endlich wollte man, daß auch der Rath G. v. Moltke, dem seines Vetters Güter im Stift restituirt wären, mit zum Stiftstage eingeladen würde.

Wie es auf der Versammlung der Stände herging, ist nicht bekannt; nur wird mitgetheilt, daß das Capitel von Lübek aus seinen Syndicus Dr. Wedemann zum Stiftstage schickte, und daß man in die Bezahlung der Schuld willigte.

Bald darauf aber, 6. Juni 1629, wurde Wallenstein statt der Pfandbelehnung das Herzogthum Meklenburg mit den zugehörigen Ländern als erbliches Fürstenthum vom Kaiser verliehen. Das Bisthum Schwerin war von König Christian IV. von Dänemark im Lübeker Frieden vom 12. (22.) Mai desselben Jahres an Meklenburg, d. h.

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an Wallenstein, abgetreten. (Raabe, Vaterlandskunde, S. 935.) Seitdem ist von der Selbständigkeit des Stiftes unter Wallensteins Regierung nicht mehr die Rede. Als die meklenburgischen Stände im Januar 1630 nach Güstrow zur Leistung der Erbhuldigung gerufen waren, erhielten auch die Ritterschaft und Städte des Stifts eine Einladung, die Capitularen wurden dieser Ehre aber nicht mehr gewürdigt. Die Stiftsstände fanden es zwar befremdend, daß in der Ladung ihres Landes nicht besonders gedacht, sondern dasselbe nur als Anhängsel von Meklenburg betrachtet war; doch auf die Erklärung des Wallensteinschen Kanzlers, daß sie als Mitglieder der meklenburgischen Stände angesehen werden sollten, weigerten sie sich nicht lange mehr zu erscheinen. Sie versuchten nur noch in Güstrow selbst ihre alten Privilegien zu sichern und baten um Ausschreibung einer Contribution, damit sie von der Bürgschaft für die Stiftsschuld, welche ohne Zinsen auf 12,000 Gulden angewachsen war, befreit würden.

Zur Deputation, die von den Ständen zur Berathschlagung der Huldigungs=Angelegenheit gewählt war, gehörten aus dem Stifte Schwerin die beiden Ritter Jürgen Wackerbarth auf Katelbogen und Moisall und Berthold Parkentin auf Tieplitz. Sicher schwuren auch die Stiftsstände, wie die meklenburgischen Stände, am 22. Jan. 1630 "bei versperrten Thoren mit Soldaten umgeben" (Frank IX, 94) den Erbhuldigungseid für Wallenstein.

Unterdessen war Wallenstein selbst schon aus Meklenburg abgereist, um nie wieder zurückzukehren, und seine Herrschaft war ihrem Ende nahe.

Schon im September 1630 rückte der König Gustav Adolf von Schweden in Meklenburg ein, um dies Land und mit ihm auch das Stift Schwerin von dem Usurpator Wallenstein zu befreien, was ihm mit Hülfe der angestammten meklenburgischen Herzoge im nächsten Jahre größtentheils gelang. Wallenstein befahl zwar noch von Böhmen aus 1631 die Ausführung der Bestimmungen des Lübeker Friedens im Stift, indem er seinem Statthalter Obersten Wingiersky den Auftrag gab, die Stiftsgüter Zibühl und Gallentin dem Könige von Dänemark oder dessen Commissar Daniel Troje einzuräumen und seinem Oberhofmeister Grafen zu Liechtenstein, der von dem Friedländer Zibühl zum Geschenk bekommen hatte, auf andere Weise zu entschädigen; aber abgesehen davon, daß die eignen Beamten des Herzogs diesen Befehl nur mangelhaft und unvollständig ausführten, so daß Troje sich deshalb zweimal beklagte, hatten diese Maßregeln nur eine kurze Dauer. Unterm 16. September 1631 berichtete Troje, daß

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die Schweden am 21. Juni 1631 zuerst in Bützow eingerückt seien und seitdem das Stift, besonders die Städte Bützow und Warin, furchtbar verwüsteten. Das war das Ende einer und der Anfang einer andern Fremdherrschaft in diesem Lande.

Die Schweden waren also seit dem 21. Juni in der That in Besitz des Bisthums; aber als rechtmäßigen Regenten sah sich noch immer, wie in der zweiten Abtheilung (der innern Geschichte) mitgetheilt ist, der in der Fremde weilende dänische Prinz Administrator Ulrich III. an, und auch Herzog Adolf Friedrich von Meklenburg suchte jetzt ein Recht an dieses Land geltend zu machen, auf welches er vermöge der Capitulation von 1625, für seinen Sohn Christian ausgestellt, wohl einige Ansprüche machen konnte. Unterm 5. Septbr. 1631 schrieb er an den Domherrn Vollrath v. Plessen, die Capitularen hätten versprochen, ihm 1000 Thlr. zu contribuiren (wohl unter der Voraussicht, daß Adolf Friedrich ihnen ihre Stiftsgüter wieder verschaffe), jetzt brauche er Geld, sie möchten also zahlen; sonst würde er die Capitelsgüter einziehen, die ihm ohnehin jure belli gehörten. Diese Drohung hatte freilich Angesichts der erfolgten Besitzergreifung des Landes durch die Schweden nicht sonderlich viel zu bedeuten, und sicher können wir voraussetzen, daß die vorsichtigen Capitularen nicht zahlten. Aber noch öfter versuchte Herzog Adolf Friedrich als Stiftsregent aufzutreten.

Die Schweden setzten sich indessen im Bewußtsein ihrer Uebermacht schleunigst überall im Stift als die Herren fest und suchten zunächst im wahren Sinne des Worts aus diesem Besitz Capital zu schlagen. Der Feldmarschall Achatius Tott brandschatzte das Stift mit Contributionen auf das Härteste. Von Buxtehude aus erließ er unterm 6. Mai 1632 den Befehl, zur Aufbringung von 1800 Thlrn. Werbungsgelder, da er 3 neue Compagnien aufrichten wollte, welchen vom Stift Löhnung und Quartier gegeben werden sollte. Alle Zahlungen mußten an den Commandanten von Wismar geschehen. Damit aber die erpreßten Gelder ja den richtigen Weg fänden, wurde Heinrich Janeke, ein Meklenburger, unterm 9. Mai 1632 mit einem Gehalt von 30 Thlrn. monatlich zum Inspector des Stifts bestellt. 1 ) Ihm lag speciell die Ueberwachung


1) Dieser Janeke ist eines der schlechtesten Subjecte, die uns in Meklenburg während des 30jährigen Krieges begegnen. Er wirthschaftete auf die schamloseste Weise für sich und seinen Anhang im Stift, indem er Regierung und Unterthanen beide betrog. Im Jan. 1633 mußte er sich wegen 36 Betrugsfälle in Bützow gerichtlich verantworten. Nach den (  ...  )
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der Stiftsintraden und die Ueberführung derselben nach Wismar ob. Nach einem Briefe Jürgen Wackerbarths an Herzog Adolf Friedrich d. d. Rühn 1 ), 18. Mai 1632 wurde Janeke am 14. Mai von dem schwedischen Reichskanzler und General=Kriegscommissar Erich Anderßen mit Vollmacht und Instruction ins Stift geschickt.

Aus eben diesem Schreiben Wackerbarths geht hervor, daß der Herzog Adolf Friedrich glaubte, er würde die Stiftssteuer in Empfang nehmen sollen, wie er auch sonst behauptete, daß er "Ordinanz in Händen" habe, die Steuer im Stift zu dirigiren. Deshalb intervenirte er fortwährend für das Capitel, von dessen Curien in Schwerin die Schweden wider früheren Gebrauch ebenfalls Steuern forderten. Selbstverständlich wollte hierdurch zugleich der meklenburgische Herzog, welcher keine Mühe sparte das Stift zu gewinnen, zu diesem seinem Vorhaben die Capitularen geneigt machen.

Den Bestrebungen Adolf Friedrichs für das Capitel trat aber der Stiftsinspector Janeke mit allem Eifer entgegen. Am 5. Juli 1632 beauftragte er den Pächter von Medewege, Amtmann Caspar Eßlinger, mit dem Einsammeln der Steuern in den Capitelsdörfern und=Häusern und befahl ihm zugleich, dem Syndicus Wedemann, welcher den Besitz der Capitularen vertheidigte, "keine Possession zu gestatten", nöthigen Falls solle er bewaffnete Hülfe zur Abwehr bekommen. Eßlinger schickte denn auch noch im Herbste 1632 dem Syndicus 8 Musquetiere ins Haus.

Das Schicksal des Bisthums lag, wie das anderer Länder Norddeutschlands, damals zumeist in den Händen des schwedischen Geheimen und Kriegsraths Salvius, den der König Gustav Adolf zum General=Commissar in Niedersachsen eingesetzt hatte. Die Herzoge von Meklenburg waren durch den Vertrag mit Gustav Adolf vom 19. (29.) Febr. 1632 vollständig von Schweden abhängig geworden. Bei dieser Sachlage blieb Herzog Adolf Friedrich nichts Anderes übrig, wollte er nicht auf das Stift verzichten, als dem schwedischen Gewalthaber Salvius gute Worte zu geben. Und daran ließ der Herzog es denn auch nicht fehlen. Am 6. Mai 1632 schrieb er an Salvius, es wäre selbst für Schweden besser,


(  ...  ) Zeugenaussagen waren sämmtliche Anklagen völlig wahr. Janeke war übrigens seit dem Herbst 1632 seines Dienstes entsetzt.
1) Wackerbarth scheint nach diesem Schreiben seinen Wohnsitz in Rühn gehabt zu haben, er war also wohl, wie sein Großvater, der Stiftshauptmann, Provisor des Klosters. Hiernach ist die Mittheilung über die Kloster=Provisoren im 2. Theil dieser Stiftsgeschichte zu berechtigen.
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daß das Stift einen gewissen Administrator habe. In der Alliance der Herzoge von Meklenburg mit König Gustav Adolf wäre des Stiftes nicht gedacht, also Verträge hinderten nicht, das Land "um ein Billiges" ihm oder seinen Söhnen zu gönnen. Darauf schickte er seinen Archivar und Lehnssecretär Simon Gabriel zur Nedden mit einem Brief vom 9. Mai an Salvius, um u. a. denselben zu bitten, daß er die Zustimmung des Königs und dessen Kanzlers Oxenstierna zur Ueberlassung des Stifts an des Herzogs ältesten Sohn Christian erwirke. Auch die Capitularen wünschten, daß Prinz Christian Administrator würde. Die Leistungen des Landes für Schweden könnten durch einen Vertrag fest bestimmt werden. Auf diese Weise würden die ewigen Brandschatzungen aufhören, die das Ländchen völlig zu Grunde richteten. Salvius gab zur Nedden schon einige Zusicherungen, und unterm 6. September 1632 vcrkündigte er von Hamburg aus, daß er zwar ohne speciellen Auftrag, aber doch im Namen des Königs von Schweden dem Herzog Adolf Friedrich die Oberinspection des Stifts übertragen habe, damit er dasselbe "der königlichen Kriegskasse und den armen Unterthanen zum Besten" administriren lasse.

Wie es scheint, befriedigte dies Resultat seiner Bemühungen Adolf Friedrich nicht; es war in der That auch peinlich genug für ihn, daß er, der Herzog von Meklenburg, sich von einem schwedischen Beamten zum Oberinspector sollte ernennen lassen und sich somit unter diesen stellen. Der Geh. Rath Hartwig v. Plessen auf Zehna widerrieth dem Herzoge gradezu, diese Art der Administration zu übernehmen. "Denn obwohl", sagte er, "die possessio semper est aurea, so ist doch die ganze Uebertragung nicht legal, und das wird Schaden bringen. Vor allem müssen erst der König von Schweden und die Capitularen zu dem Vorschlag ihre Zustimmung gegeben haben." Adolf Friedrich theilte die Bedenken v. Passow's sofort Salvius mit und fügte hinzu, er wollte lieber, daß anstatt seiner dem Domherrn und herzoglichen Rath Vollrath v. Plessen oder Hartwig v. Passow provisorisch die Administration übertragen werde. Der Rath der Capitularen, welcher in dieser Sache von Adolf Friedrich eingeholt wurde, fiel unbestimmt aus. Die Herren antworteten mit vielen Klagen über die schlechte Wirthschaft im Stift, baten um die Zurückgabe ihrer Landgüter und meinten endlich es wäre erklärlich, daß Adolf Friedrich sich wegen der Postulation seines Sohnes mehr um das Stift kümmern wolle.

Indessen nahm Adolf Friedrich doch zunächst an, was ihm geboten war; unterm 15. October 1632 theilte er dem bisherigen

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Stiftsinspector Janeke mit, daß Salvius ihm die Inspection übertragen, wonach Janeke sich zu richten habe. Janeke antwortete, er müsse gröblich bei Salvius verleumdet sein; er wolle aber gern Adolf Friedrich gehorchen.

So standen die Sachen im Stift, als die Nachricht eintraf, daß der Schwedenkönig am 6./16. November 1632 gefallen sei. Der Reichskanzler Oxenstierna übernahm nun, wie bekannt, im Namen der Krone Schwedens die Leitung der schwedischen Angelegenheiten in Deutschland, an ihn mußte sich nun also Adolf Friedrich wenden, um seine Wünsche in Betreff des Stifts erfüllt zu sehen. Er schickte deshalb bald nach Gustavs Adolfs Tode v. Passow an Oxenstierna, damit er um die Bestätigung der Stiftsinspection und um Verhaltungsmaßregeln bitte. Mit Salvius knüpfte er im nächsten Sommer (1633) Unterhandlungen an wegen Ueberlassung des Stiftes gegen eine jährliche Pacht; aber noch ehe diese Verhandlungen zu Stande kamen, erhielt der Herzog (durch den General=Major Lohausen; die Nachricht von dem Tode des rechtmäßigen Stiftsregenten, Administrators Ulrich III. (Vgl. 2. Theil, Administratoren.) Das änderte wieder die ganze Sachlage.

Rechtlich war jetzt in Folge der Capitulation von 1625 der meklenburgische Prinz Christian Administrator im Stift, und für ihn durfte mit ebenso gutem Recht sein Vater Herzog Adolf Friedrich die Regierung antreten. Aber die Schweden befanden sich im Besitz dieses Landes, das ihnen nach ihrer Ansicht jure belli gehörte. Das deutsche Reich war nicht in der Lage, zeigte auch keine Neigung, sich um diese Angelegenheit zu kümmern, und Adolf Friedrich konnte darum nur auf dem Wege gütlicher Verhandlungen mit Schweden zu seinem rechtmäßigen Besitz gelangen, d. h. bittend auf dem Gnadenwege das erhalten, was er von Rechts wegen zu fordern hatte. Der Herzog betrat diesen ihm allein übrig gebliebenen Weg.

Die Hauptentscheidung über das Schicksal des Stiftslandes lag jetzt in den Händen des schwedischen Kanzlers Oxenstierna, und ihn suchte daher auch Adolf Friedrich mit Aufbieten vieler Mühe für sich zu gewinnen. Daß er sich (12. Sept.) an die schwedischen Reichsräthe in Stockholm wandte und um Uebergabe des Bisthums bat, "das die Krone Dänemark zwar nach Tractaten mit dem Kaiser aufgegeben und jetzt die Schweden in Besitz genommen, das diese aber trotzdem aus Rücksicht auf den jungen Herzog Ulrich (den Administrator), welcher für das Evangelium kämpfte, niemals von Dänemark verlangt hätten", erscheint als eine bloße

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Formsache gegenüber den Anstrengungen, mit welchen der Herzog sich die Zustimmung des Kanzlers verschaffen mußte. Ebenso war die Begrüßung der Königin von Schweden um das Stift wohl nur eine Höflichkeitsform, die wenigstens nicht schaden konnte.

Zunächst hoffte Adolf Friedrich durch Fremde den gewaltigen Kanzler günstig stimmen zu können; deshalb mußten der Erzbischof Friedrich von Bremen, ein dänischer Prinz und Bruder des verstorbenen Admimstrators Ulrich III., sowie der schwedische Legat Salvius sich für ihn bei demselben verwenden. Beide zeigten sich willfährig genug, aber das Werk ging trotzdem nicht von Statten. Endlich erklärte der Bremer Erzbischof, Oxenstierna habe es übel genommen, daß der Herzog nicht eigne Gesandte an ihn geschickt, und deshalb das Bisthum dem königlichen Stallmeister von der Schulenburg und dessen Erben versprochen, doch nur unter der Bedingung, daß das Land "für ein Stück Geld" wieder an Adolf Friedrich solle abgetreten werden, wenn es verlangt würde. Schulenburg sei indessen schon "ableibig" geworden (gestorben). Dieselbe Nachricht kam bald darauf auch von Chr. Hans v. Bülow, dem Gesandten des Bremer Erzbischofs, aus Lübek, mit dem Zusatz, daß Oxenstierna nach v. d. Schulenburgs Tode den Lehnbrief über das Stift wieder an sich genommen habe. Nun beeilte sich Herzog Adolf Friedrich, Abgeordnete aus Meklenburg an den Kanzler zu senden. Er wählte dazu den Geh. Rath v. Passow auf Zehna und den Kanzler Dietrich Reinking, welche, mit ausführlicher Anweisung wohl versehen, noch im Januar 1634 abreisten. Gern wäre der Herzog selbst mit ihnen gegangen, wie er Salvius schrieb, aber die Herzogin Anna Marie, seine Gemahlin, sowie die junge Prinzessin Juliane waren so bedenklich erkrankt (sie starben beide Anfangs Februar), daß er es nicht wagen durfte, seine Familie zu verlassen.

Aus der Instruction für die Gesandten v. Passow und Reinking, die auch die Art der Anmeldung, Begrüßung, Entschuldigung des späten Eintreffens ausführlich vorschrieb, interessirt uns besonders die Mittheilung, daß der König Gustav Adolf dem Herzoge zu Frankfurt a. M. mündlich Hoffnung auf das Stift gemacht, wie es Oxenstierna selbst gehört habe. Eine "Geheime Post=Instruction" bestimmte:

1) Die Gesandten möchten zunächst zusehen, daß der Herzog das Stift umsonst erhalte, da Meklenburg im Kriege so viel gelitten.

2) Fordere Schweden eine Entschädigung, so sollte ein Regiment zu Fuß, mit dem Mustermonat versehen, angeboten werden;

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würde aber Geld verlangt, so solle man aufs Aeußerste handeln und bis 20,000 Thlr. bieten.

3) Müsse man mit Schulenburgs Erben verhandeln, so solle man diesen höchstens ebenso viel bieten; wenn sie darauf aber nicht eingehen wollten, an Adolf Friedrich referiren.

4) Verlange man eine eigne Capitulation, so solle dies ebenfalls ad referendum angenommen werden.

5) Zu Geschenken für die vornehmsten Diener (Secretär und Schreiber) Oxenstiernas seien 3000 Thlr. bestimmt.

6) Wolle man das Stift nur als schwedisches Lehn anbieten, so müßten die Gesandten sofort mit der Post abreisen.

Die erste Nachricht über die Gesandtschaft des Herzogs brachte ein Brief v. Passows d. d. Magdeburg, d. 25. Jan. Man erfuhr, daß Oxenstierna ganz gnädig gewesen, und so nebenbei, daß der Hof Wolken (an den schwedischen Residenten Alexander v. Eßken in Erfurt) verschenkt sei. Am 30. Jan. berichtete v. Passow wieder, daß er dem Marschall Banér ein gutes Pferd versprochen habe, was der Herzog billigte, obgleich er Banér "schon mit Zollbefreiung einer großen Anzahl seines eigenen Korns, so die Elbe hinunter passiret, gratificiret." Am 1. Febr. schrieben v. Passow und Reinking, sie hätten gestern Oxenstierna in Magdeburg gesprochen, derselbe habe sich gegen Adolf Friedrich günstig gezeigt. Heute reise der schwedische Kanzler nach Halberstadt ab, wohin sie ihm folgen würden, denn dort wolle er Resolution geben. Am 9. Febr. würde Oxenstierna mit dem Kurfürsten von Brandenburg in Stendal zusammentreffen, ob der Herzog nicht auch dahin reisen möchte. 1 ) Am 10. Febr. hatte v. Passow wieder eine Unterredung mit Oxenstierna, in welcher das Stift durante hoc bello als Recognition von Schweden angeboten wurde, wie die Stifter Fulda und Hersfeld dem Landgrafen Wilhelm von Hessen gegeben seien. Mehr wollte man nicht bewilligen, damit kein Präjudiz geschaffen würde. v. Passow wies auf das jus quaesitum Meklenburgs hin, dessen sich der Landgraf und Andere nicht rühmen könnten. Auch am nächsten Tage führte die Verhandlung zu keinem Resultat. Am


1) Aus der Reise des Herzogs nach Stendal zum 9. Febr. konnte nichts werden, weil der Brief zu spät in Meklenenburg ankam; außerdem hätten es auch die beiden erwähnten Todesfälle in der herzoglichen Familie wohl kaum gestattet. Uebrigens hat Adolf Friedrich später brieflich den Kurfürsten von Brandenburg um Fürsprache.
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14. Febr., als v. Passow grade mit dem Schreiben eines Briefes beschäftigt war, der wenig Hoffnung für den Herzog enthielt, kam Salvius persönlich zu dem meklenburgischen Gesandten, um mitzutheilen, daß Oxenstierna jetzt wohl von seinen harten Bedingungen abstehen werde. Vielleicht war dieser Umschlag in Folge einer Unterredung mit dem Kurfürsten von Brandenburg geschehen, denn am 12. oder 13. Febr. reiste Oxenstierna nach v. Passows Bericht nach Stendal, vielleicht auch hatte ihn Salvius bewirkt. Ebenfalls am 14. Febr. schrieb endlich auch der schwedische Kanzler selbst an den Herzog von Meklenburg. Zwar theilte er nichts Genaues mit; doch sagte er, daß er sich gegen die meklenburgischen Gesandten so erklärt habe, daß Adolf Friedrich "darob verhoffentlich ein gutes Contentement haben werde." Der Herzog schöpfte viel Hoffnung aus diesem Brief und antwortete sehr verbindlich. Und wirklich ging es von jetzt an rascher, als man erwarten durfte. Oxenstierna hatte in der That jetzt die Absicht, das Stift außer den schon von Schweden verschenkten Gütern unter annehmbaren Bedingungen dem Herzog zu überlassen; er glaubte zwar zuerst noch, vorher die Zustimmung aus Schweden einholen zu müssen, doch entschloß er sich bald wieder als bevollmächtigter Generalagent selbständig seine Absicht auszuführen. Am 15. Febr. 1634 ertheilte er Salvius die Vollmacht, den Herzog Adolf Friedrich in das Stift einzuweisen. Daß dies am 24. März geschah, ist bereits im 2. Teil dieser Geschichte unter der Administration Adolf Friedrichs mitgetheilt.

Was die von Schweden verschenkten Stiftsgüter betrifft, so sind damit gemeint: 1) der Hof Hermannshagen mit den dienstpflichtigen Dörfern Jürgenshagen, Göllin, Glambek und Qualitz, welche der König Gustav Adolf im September 1632 an Adam Heinrich v. Pentz gab (s. I. Theil unter Hermannshagen); 2) der Hof Wolken mit dem zugehörigen Dorfe Zepelin und die Officialei zu Rostock c. p., welche am 9. Jan. 1634 der schwedische Resident Eßken zu Erfurt für sich und seine Erben als Geschenk erhielt. Da aber Adolf Friedrich großen Werth grade auf diese beiden Besitzungen legte, "da Wolken dem Hause Bützow Feuerung und Küchennothdurft liefern müsse, und da mit der Officialei die geistliche Jurisdiction und das jus patronatus über die Rostocker Universität zusammenhinge". so beredete Oxenstierna selbst den Residenten Eßken, er möge gegen die Erfüllung anderer Wünsche diese Geschenke wieder abtreten, was denn auch bald darauf geschah. 3) Gr.=Medewege c. p., seit 1631 im Besitz des Vice =Admirals Ryning, 4) Rampe, im Besitz des Obersten v. Salzburger, 5) Zibühl, zwar

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noch im Besitz des dänischen Königs und von Troje 1 ) verwaltet, doch trotzdem von der Krone Schweden an den Obersten Wrangel verschenkt. Die Capitelsgüter waren völlig für ihre früheren Besitzer verloren, vom Domanium und Kloster Rühn waren nicht unbedeutende Stücke losgetrennt; nur die Lehngüter, freilich grausam verwüstet, hatte man bis auf Zibühl nicht angetastet.

Die Steuerkraft des Landes war gänzlich erschöpft, und was unter harten Drohungen und Executionen noch aufkam, mußte nach Adolf Friedrichs eigenem Bericht (vom 24. Aug. 1634) dem schwedischen General Redwein (oder Ritwein) gegeben werden, da derselbe eine Assignation auf die Stiftscontribution in der Höhe bis monatlich 500 Thlr. hatte. Der Besitz des Landes war also wahrlich nicht begehrenswerth, wenn es nicht bald anders wurde.

Wegen der Art der Verleihung von Schweden und wegen des Anspruchs Redweins auf die Contribution war das Stift noch immer für das Reich oder richtiger für den niederdeutschen Kreis - denn die Macht des Reiches erstreckte sich augenblicklich überhaupt nicht so weit - so gut wie verloren. Doch versuchte der Kreistag wenigstens jetzt wieder wie in früherer Zeit seine Forderungen an das Stift zu stellen (seit einigen Jahren war auch das unmöglich gewesen), wenn es auch zunächst noch nicht viel Erfolg hatte.

Am schlimmsten waren augenscheinlich die Capitularen behandelt, da ihnen alle ihre Landgüter genommen waren, so daß als Capitetsbesitz nur die ziemlich werthlosen, verfallenen Domhöfe in Schwerin übrig blieben; und diese Höfe wurden mit Contribution hart belegt, die fortwährend durch schwedische Execution beigetrieben wurde.

Bei dem überall herrschenden Elend ging der Wunsch, geordnete Verhältnisse wieder im Stifte anzubahnen, bald genug von den unter der schwedischen Steuer schwer leidenden Ständen aus. Nachdem vereinzelte Klagen wegen der Executionen längst dem Herzog Adolf Friedrich die große Noth der Stiftsunterthanen geschildert hatten, wandten sich Ritterschaft und Städte unterm 10. September 1634 an ihren neuen Regenten mit der Bitte um Ansetzung eines Stiftstages, damit die Steuern wenigstens gerechter vertheilt werden möchten. Adolf Friedrich berief die Stände zum 8. Januar 1635 nach Bützow, wo neben den alten Vertretern des Landes auch die von den Dänen und Schweden neu eingewiesenen


1) Troje hatte auch noch Namens seines Königs den Hof Gallentin in Besitz.
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Gutsbesitzer, wie Troje auf Zibühl und Gallentin, der Admiral Ryning auf Gr.=Medewege und der Oberst v. Saltzburger auf Rampe, sowie der Schelfvogt zu Schwerin erscheinen sollten. Troje weigerte sich aber zu kommen, da er nach seiner Meinung von dem meklenburgischen Herzog gar nicht abhängig sei.

Auf diesem Stiftstage wurde mitgetheilt, daß auf dem vorigjährigen Kreistage zu Halberstadt beschlossen sei, das Stift Schwerin solle bezahlen: für Munition 1020 Thlr., für einen einfachen Römerzug 66 Thlr. 16 ggr, für Proviant 1700 Thlr, als Kreishülfe (8 Monate, 1. Mai bis 31. Dec.) 6400 Thlr. und noch einmal für Proviant 2400 Thlr., zusammen 11,586 Thlr. 16 ggr. Davon dürfte abgerechnet werden die an Redwein gezahlte Steuer von 1275 Thlr. 44; es blieben also zu zahlen 10,310 Thlr. 36 ßl. Das Stift Schwerin wurde noch immer vom Kreistag sehr hoch besteuert, da es einen Anschlag von 8 zu Roß hatte, während man vom Stift Lübek nur 3 zu Roß und von Ratzeburg nur 1 zu Roß und 3 zu Fuß verlangte.

Die Stände zeigten sich willig die Contribution zu zahlen; doch machten sie zur Bedingung, daß auch von den Stiftsgütern, die in fremdem Besitz waren, und von dem Domanium, das seit 9 Jahren frei ausgegangen sei gesteuert würde. Ferner verlangte man zum Stiftskasten 4 Schlösser, für den Stiftshauptmann, das Copitel, die Ritterschaft und die Stadt Bützow je eins. Einige Ritter beklagten sich über ungleiche Vertheilung des Roßdienstes, u. a. v. Warnstedt auf Vogelsang, der unter Wallensteins Herrschaft auf der Proscriptionsliste gestanden hatte. Sehr traurig klangen die Klagen der Städte über die Einquartierung. Der Oberstlieutenant Osterling hatte vom September 1634 her bis jetzt mit einer Compagnie Dragoner in Warin gelegen und die Stadt hatte deshalb 2096 G. 8 ßl. verausgaben müssen. Warin hatte große Schulden, ein Haus nach dem andern wurde verlassen und blieb wüst, "daß solches einen Stein in der Erde erbarmen möchte." Bützow hatte 9000 G. Schulden, und der dritte Theil der Häuser war zerstört.

In dem Stiftsabschied vom 10. Januar wurde versprochen, es sollten alle rückständigen Steuern im Domanium, in den Capitelsgütern und in Zibühl und Gallentin eingefordert werden, den Stiftskasten wollte man revidiren, die Beschwerden wegen des Roßdienstes untersuchen lassen, die Ausgaben für Einquartierung sollten von der Kreissteuer abgerechnet werden, und endlich wollte man versuchen, Warin von der Einquartierung zu befreien.

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Das klang wenigstens tröstlich und war sicher gut gemeint; aber wie sollten alle diese guten Absichten zur Ausführung kommen? Bei der Einhebung der Contribution stieß man sofort auf Widerstand. Als nach Zibühl und Gallentin, sowie nach Rampe und Medewege Execution gelegt wurde, gingen die Beschwerden deshalb an den König von Dänemark und an die schwedische Commandantur zu Wismar. König Christian schrieb sogar in dieser Angelegenheit an Adolf Friedrich, und aus Wismar erhielt der Stiftshauptmann v. Grävenitz die Drohung, man wolle es ihm gedenken, man habe auch Soldaten, und es käme darauf an, wer den Platz behaupte.

In demselben Jahre, 1635, wurde noch ein Ausschuß der ständischen Mitglieder nach Bützow gerufen; es ist dies das einzige Mal, daß wir während der 100 Jahre der Administration von einer solchen Versammlung hören. Eingeladen waren: das Capitel, der Stiftsmarschall Friedr. Vieregge zu Gischow, Barthold v. Parkentin zu Bolz (und Tieplitz), Hauptmann Heinr. v. Hagen zu Rühn, Stiftshauptmann v. Grävenitz zu Bützow, Bürgermeister Peter Strauß zu Bützow, Bürgermeister Daniel Pfeil zu Warin und Schelfvogt Arnd Fentzahn von der Schelfe. Vom Capitel erschien der Domherr V. v. Plessen, v. Parkentin ließ sich durch den Stiftsmarschall vertreten; die Städte Warin und die Schelfe sandten keinen Abgeordneten, auch von einer Vertretung derselben ist keine Rede. Die Versammlung tagte vom 12. bis 16. März, um wegen des Steuermodus, welcher auf dem letzten Stiftstage verabredet war, Berathungen zu pflegen, weil die Steuern nicht eingingen. Selbstverständlich konnte auch der Ausschuß nicht helfen. Die Zahlungen blieben nach wie vor größtentheils aus: Viele schickten statt Geldes Abrechnungen für Einquartierung. Da riß dem Kreisobersten die Geduld, er beorderte den Kreiscassier, in militärischer Begleitung die Stiftscontribution selbst einzutreiben, und drohte, ein ganzes Regiment Soldaten schicken zu wollen, wenn nicht Zahlung erfolgte. Adolf Friedrich wollte nun dasselbe beim Kreise versuchen, was die Stiftsunterthanen beim Stiftskasten gethan hatten, d. h. er ließ durch den Domherrn v. Plessen Rechnungen über die Kosten der Einquartierung der Redweinschen und Osterlingschen Völker aufsetzen, und diese sollten in den Kreiskasten als Zahlung geschickt werden. Wir wissen nicht, welchen Erfolg dieses Unternehmen hatte. Das ist aber sicher, daß das Stift den geforderten Anschlag nicht zusammenbrachte; denn im Sommer 1635 verfügte man erst über 2640 G., während man 19,027 G. zahlen sollte; und ebenso stellt fest, daß Administrator und Stände im

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Jahre 1635 eine Anleihe von 6000 Thlrn. bei dem Hamburger Kaufmann Block machten.

Im Herbst 1635 theilte Adolf Friedrich den Stiftsständen schriftlich mit, daß der letzte Kreistag zu Lüneburg beschlossen habe, es sollten alle festen Orte und alle Städte mit Kreisvolk belegt werden. Nach Bützow würden deshalb ungefähr 300 Mann geschickt werden. Der Herzog beabsichtigte "wegen der gefährlichen Zustände" nicht, die Stände zusammenzurufen; es sollten die nöthigen Gelder für die Verpflegung der Kreistruppen ohne vorhergehende Berathung auf dem Stiftstage, aber sine praejudicio gezahlt werden. Doch da es nicht ging, mußten die Stände am 8. October nach Bützow kommen. Die Soldaten waren damals schon in Bützow eingerückt, anscheinend für die entvölkerte und verarmte Stadt in sehr erheblicher Anzahl; denn die Stände baten, man möchte doch die Stadt bis auf 2 Compagnien befreien, was auch in dem Abschied des Stiftstages verheißen und später wirklich ausgeführt wurde. Bützow beherbergte später mehrere Jahre lang 2 Compagnien Musquetiere, zusammen gegen 300 Mann stark. Für die Verpflegung derselben sollte das platte Land der Stadt zur Hülfe kommen; aber die Ritterschaft wehrte sich gegen diesen Beschluß, da sie ohnehin an den schwedischen Commandanten von Wismar zahlen müsse, obwohl dieser vom Domanium und von den Städten ebenso gut seinen Tribut forderte. Als nun im nächsten Frühjahr, 1636, wieder der Stiftstag tagen sollte, fanden sich so wenig Mitglieder ein, daß man, zumal da Keiner vom Capitel geschickt war, beschloß, unverrichteter Sache wieder abzureisen. Schon waren die meisten aus der Stadt fort, da traf noch der Domherr v. Plessen ein; die Versammlung kam aber nicht mehr zu Stande.

So ging es in den nächsten Jahren weiter; man mühte sich vergebens ab, die alten Schulden zu bezahlen und den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dem Kreis gegenüber hielt man sich zu Zahlungen verpflichtet; und wenn die Möglichkeit vorhanden gewesen wäre, so hätte man diese Last garnicht so ungern getragen. Aber es fehlten beständig die Mittel, und das Stift stürzte sich in unerschwingliche Schulden. Von der Blockschen Schuld waren erst 2000 Thlr. abgetragen und lange keine Zinsen mehr gezahlt. Da nun dieser Gläubiger häufig mahnte, u. a. auch durch den Cand. jur. Abraham Kayser, welcher später im Auftrag Adolf Friedrichs den Osnabrücker Friedensverhandlungen beiwohnte, so mußten die Stände am 31. Juli 1638 zum Stiftstage nach Bützow kommen, um Rath zu suchen. Aber sie fanden ihn nicht, und noch lange nach dem westfälischen Frieden klagten die Blockschen Erben

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wegen dieser Schuld. Bei dieser Sachlage erscheint es als eine Unverschämtheit, wenn die "befreundeten" Schweden, die unter dem Versprechen zu helfen gekommen waren, fortwährend bis zu Ende des Krieges durch den Commandanten zu Wismar Contributionen in dem armen Stiftslande ausschreiben und durch Execution beitreiben ließen. Zweimal erreichte die Noth der viel gequälten Stiftsunterthanen noch den Gipfelpunkt; es war das 1637 und 1638 während des Banérschen Zuges nach dem Norden, dem die Kaiserlichen und die Sachsen folgten, und 1643 - 45 während der massenhaften schwedischen Durchzüge unter Torstenson und Wrangel, denen ebenfalls die Kaiserlichen nachrückten. Die gesetzliche und gewohnheitsmäßige Ordnung wurde durch diese Ereignisse im Kleinen, in Stadt und Dorf und in der Familie, allerdings völlig untergraben; doch hielt man sie im Staatsregiment im Ganzen aufrecht. Denn selbst zu den Zeiten der greulichsten kriegerischen Verwüstungen wurden die Stiftstage einberufen und beschickt 1 ), und man verhandelte dort nach Aussage der Protocolle immer noch mit einer Ruhe, die mit Recht Bewunderung verdient.

Wie schwer Bürger und Bauern im 30jährigen Kriege litten, geht zur Genüge aus den Beschreibungen im ersten Theil dieser Arbeit hervor und ist außerdem aus den Berichten über andere Länder hinlänglich bekannt; wir dürfen es uns daher ersparen, die schauerliche Noth zusammenfassend darzustellen. Nur möchten wir auf Grund der im 2. Theil bekannt gemachten kirchlichen Visitations=Protocolle eine Berechnung anstellen über die Anzahl der Personen, welche den Frieden in der Heimath erlebten. Die erwähnten Protocolle geben zum Jahre 1642 die Seelenzahl von 6 Stiftsgemeinden an. Diese Zahl erreicht nur 1/7 bis 1/8 (genauer 10/76) der jetzigen Bevölkerung. Ist die Verwüstung des Krieges im ganzen Stift, was mehr als wahrscheinlich, ebenso groß gewesen, so wohnten 1642 auf demselben Raume, den jetzt etwa 30,000 Einwohner bevölkern, nicht ganz 4000 Menschen. 2 )

Ganz verschwunden ist übrigens im Stift Schwerin während des 30jährigen Krieges kein Ort. In Nisbill wohnte zwar 1639 nur noch ein Kossat, und die Häuser des Dorfes waren ebenfalls


1) Ob in den 5 Jahren 1639 - 43 Stiftstage gehalten wurden, wissen wir nicht, die Acten berichten darüber nichts.
2) Für das ganze Gebiet des jetzigen Großherzogthums Meklenburg=Schwerin würden wir unter Voraussetzung gleicher Verhältnisse im Jahre 1642 auf eine Bevölkerungszahl von 76,000 kommen. E. Boll bleibt in seiner Geschichte Meklenburgs bei ähnlicher Berechnung noch hinter dieser Zahl zurück, indem er nur 40 - 50,000 Seelen erhält.
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bis auf eines eingeäschert; aber es wurde dort doch bald wieder von Neuem gebaut. Tieplitz war während der Vormundschaft für den jungen v. Parkentin um 1641 eine Zeit lang von Menschen ganz verlassen, und das Feld lag unbebaut. Ebenso stand es höchst wahrscheinlich gegen Ende des Krieges um Schependorf, und nicht viel besser um Lübzin, da um 1643 die Besitzer, die v. Preenschen und v. Maltzanschen Erben, dies Gut mit seinen beiden Rittersitzen wegen Schulden aufgaben. Aber alle Orte aus jener Zeit, mit Ausnahme der drei im 18. Jahrhundert untergegangenen Dörfer Bahlen und Trepzow bei Bützow und Hilgendorf bei Schwerin, sind noch heute vorhanden. In dieser Hinsicht mag das Stift Schwerin vor manchen andern deutschen Staaten einen Vorzug haben, im Uebrigen darf es sich dessen gewiß nicht rühmen. Auch hier lernte man ebenso gut wie anderswo das maßlose Elend und den ganzen Jammer des schrecklichsten Krieges kennen, und auch hier flehten schon lange Alle, welche noch nicht völlig abgestumpft oder gar verwildert waren, inbrünstig um Frieden.

4. Der westfälische Frieden.

Endlich nach langem, langem Sehnen kam die Botschaft aus dem Westen, daß die Herrscher der Völker, des Streitens müde, beschlossen hätten, durch friedliche Unterhandlungen sich zu einigen, und daß zu dem Zwecke ihre Bevollmächtigten in den beiden westfälischen Städten Münster und Osnabrück die Friedensbedingungen erörterten. Das war im Herbste 1643. Es ist allgemein bekannt, wie bitter diejenigen getäuscht wurden, welche voreilig jetzt in kurzer Zeit den Frieden erwarteten. Die langen Kriegsjahre hatten die Verhältnisse dermaßen verwirrt, daß die Lösung des Knotens schwer wurde und viele Jahre erforderte. Wir brauchen indessen den langwierigen Verhandlungen in Westfalen nicht Schritt für Schritt zu folgen, wir suchen nur die paar Stunden heraus, in welchen man sich um das künftige Schicksal unsres Stiftes stritt, und werden darum bald zum Ziele gelangen.

Als Bevollmächtigter des Stifts Schwerin wurde von Herzog Adolf Friedrich der Geh. Rath Dr. Abraham Kayser, welcher auch das Herzogthum Meklenburg=Schwerin vertrat, nach Osnabrück geschickt. Kayser reiste im December 1644 zu dem Congresse ab. Als er aber dort für das Stift sein Votum abgeben wollte, erhob sich lebhafter Widerspruch, da im Prager Friedensschluß von 1635 den protestantischen Stiftern das Stimmrecht auf 40 Jahre ge=

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nommen war. Kayser gab daher unter Protest bie Stiftsstimme auf. Er versuchte aber als meklenburgischer Abgeordneter mit anerkennenswerther Ausdauer und mit vielem Geschick die großen Opfer, welche Schweden als Entschädigung von Meklenburg forderte, abzumindern. Doch es war ihm unmöglich, den Gewaltigen gegenüber auch nur etwas zu erreichen, so sehr er auch durch die patriotischen, bestimmten Erklärungen seines Herzogs, der bekannte, lieber sterben zu wollen als das beste Kleinod seines Landes (Wismar) dahin zu geben, unterstützt wurde.

1647 wurde als Entschädigung für die an Schweden abzutretenden Gebiete Wismar, Röl und Amt Neukloster Meklenburg= Schwerin zuerst das Stift Schwerin (neben dem Stift Ratzeburg) angeboten, und zwar in der Weise, daß der Herzog Adolf Friedrich die Hälfte der Canonicate sollte zu seinem Kammergute legen können. Adolf Friedrich lehnte dies Anerbieten ab. Denn was waren diese beiden Länder für ein Ersatz, da er das eine längst als sein Eigenthum ansah, und das andere seinem Neffen, dem jungen Herzog Gustav Adolf von Meklenburg=Güstrow, gehörte? Adolf Friedrich war überhaupt noch nicht geneigt, Entschädigungen für Wismar anzunehmen, da er diese Stadt noch immer zu behalten hoffte. Da kamen die Schweden mit der Erklärung, daß sie Wismar als Reichslehn vom Kaiser annehmen würden. Das änderte die ganze Sachlage; denn nun waren die kaiserlichen Abgeordneten diesem Begehren nicht mehr abgeneigt, und die beste Stütze Meklenburgs fehlte. Die KaiserIichen, ja Abraham Kayser selbst, riethen nun dem Herzog, für Wismar anzunehmen, was er erhalten könne. Zwar ging Adolf Friedrich auch jetzt noch nicht auf diesen Rath ein, er versuchte erst das Letzte, durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem schwedischen Königshause die Königin selbst zur Nachgiebigkeit zu bewegen, indem er seinen Sohn, den Prinzen Karl, nach Schweden schickte; als dieser aber, mit einem Geldgeschenk freundlich von der Königin entlassen, unverrichteter Sache wieder zurückkehrte, da reiste Dr. Kayser nach Osnabrück, um in die Abtretung Wismars zu willigen, wenn es unter der Bedingung,wie seiner Zeit Emden an Holland gekommen, an Schweden gegeben würde. Doch jetzt war alles zu spät, die Abtretung Wismars als Reichslehn war bereits in das Friedensinstrument aufgenommen. Selbst als Entschädigung war nichts mehr zu Vergeben übrig als die beiden Stifter Schwerin und Ratzeburg. Wohl oder übel mußte darum Dr. Kayser in die endgültige Bestimmung des Westfälischen Friedens willigen, die nach §. 12 des Friedensinstruments im deutschen Texte lautet:

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"Für dasjenige aber, so dem Herzog von Meklenburg zu Schwerin, Herrn Adolf Friedrich, in Veränderung der Stadt und Hafens Wismars abgehet, soll ihm und seinen männlichen Leibeserben zukommen das Bisthum Schwerin und Ratzeburg als ein immerwährendes unmittelbares Lehn [jedoch vorbehältlich der zuständigen Rechte des Hauses Sachsen=Lauenburg und anderer benachbarten, wie auch besagter Diöces 1 )] sammt allen Gerechtigkeiten, schriftlichen Urkunden, Archiv, Registern und andern Zugehörungen, mit der Freiheit, an beiden Orten nach Abgang der jetziger Zeit residirenden Canoniker die Canonicate abzutilgen und alle Renten der fürstlichen Tafel zu appliciren, und soll auch bei den Reichs= und des niedersächsischen Kreises Conventen seine Session, auch zwiefachen fürstlichen Titel und Stimme haben." Das ganze instrumentum pacis wurde von den Bevollmächtigten am 14. (24.) October 1648 in öffentlicher Versammlung unterschrieben und besiegelt und am folgenden Tage feierlich bekannt gegeben. Die Unterschrift Kaysers, welcher "wegen Meklenburg=Schwerins für sich und in Vormundschaft von Meklenburg=Güstrow" zeichnete, steht an 20. Stelle.

Die amtliche Mittheilung von dem Friedensschluß an das Stift Schwerin geschah auf dem Stiftstage zu Bützow am 11. Nov. 1648 gleich nach Eröffnung besselben durch Dr. Hein Morgens 10 Uhr. Leider folgte auf diese erfreuliche Kunde sofort die Erklärung, daß die Stände, zu denen man diesmal auch die Domina und die Provisoren des Klosters Rühn rechnete, den hohen Beitrag von 12,816 Reichsgulden oder 8514 Thlr. zur Entschädigung an Schweden, das nach §. 16 des Friedens 5 Mill. Thlr. "zur Abdankung der Truppen" aus sieben Kreisen des Reiches erhielt, bewilligen sollten. Die Stände begehrten Abtritt bis zum Montag den 13. Nov. Als sie wieder zusammentrafen, willigten sie ein, daß das Entschädigungsgeld im Stifte als Gontribution aufgebracht würde; aber ohne Execution möchte es wohl nicht möglich sein, meinten sie, und besorgt fragten sie, ob denn der schwedische Major Königsmark, welcher mit seinen Soldaten in Bützow lag, die Executionsmannschaft stellen sollte. Adolf Friedrich war aber der Ansicht, daß man jetzt nicht mehr Fremde gebrauchen müsse.

Es handelte sich nun vor allem um den Steuermodus, nach welchem gezahlt werden sollte. Darüber war man sich sofort einig, daß Alle herangezogen werden müßten, und damit dies geschähe, bestimmte man, daß ein Kopfgeld von allen Personen über 10


1) Diese Parenthese bezieht sich nur auf Ratzeburg.
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Jahre, mit Ausnahme der Geistlichen und der Schuldiener und deren Familien, und eine Hufen =, Vieh= und Einkommensteuer zu entrichten sei. Für das Kopfgeld theilte man die Bevölkerung in 4 Klassen, in der letzten (niedrigsten) Klasse sollte der Mann 1/2 Thlr., die Frau 16 ßl. und das Kind 8 ßl. geben; es war dies ganz der Modus, wie er in Meklenburg verordnet wurde. Zur bessern Sicherung der Stiftskasse wurden die Einnehmer am 16. Nov. vereidigt.

Das Steueredict, datirt vom 14. Nov., wurde gedruckt, von allen Kanzeln verlesen und darauf an die Kirchthüren, Schulzengerichte und Krüge geheftet. Kennen lernte es also Jeder; aber doch zahlten Viele nicht, weil es Vielen unmöglich war. Endlich am 16. Sept. 1649 theilte der Herzog dem Gouverneur von Wismar mit, daß er die erste Rate von 4960 Thlrn. (3 Raten waren zu Osnabrück vereinbart) in Empfang nehmen und den Friedensbedingungen gemäß jetzt die fremden Truppen aus dem Lande schicken möge. Erst, als dies geschehen, war der Herzog als "Fürst von Schwerin" im alleinigen, ungestörten Besitz des Landes.

Die Aufbringung des Restes von der schwedischen Kriegsentschädigung war freilich auch noch nicht leicht, aber die Summe wurde doch endlich gezahlt.

Von außen her war der neue Fürst von Schwerin von jetzt an völlig unbehelligt; nur in dem eignen kleinen Lande erhob sich Widerspruch gegen die von ihm geplante Vollziehung der Osnabrücker Beschlüsse, und zwar von Seiten der noch übrig gebliebenen Domherren. Wie wir eingesehen haben, bestimmte §. 12 des Friedensinstruments, daß der Herzog befugt sei, in beiden ihm als Fürstenthümer überwiesenen Stiftern Schwerin und Ratzeburg "nach Abgang der jetziger Zeit residirenden Canoniker die Canonicate abzutilgen und alle Renten der fürstlichen Tafel zu appliciren." Die Canonicate hatten früher bestanden in den Domherrenhöfen zu Schwerin, in einer größeren Anzahl fruchtbarer Landgüter und in einzelnen Hebungen aus verschiedenen Dörfern. Die Landgüter wurden von den Capitularen selbst größtentheils veräußert, nach 1622 besaßen sie nur Medewege. c. p., Rampe c. p., Warkstorf und den Schelfbauhof. 1627 hatten diese Güter Fremde in Besitz genommen, während die früheren Inhaber geflohen waren, und 1648 wirthschafteten auf den drei zuerst genannten Höfen die Schweden; nur den Schelfbauhof hatte ein Capitular, der Dekan v. Wackerbarth, inne.

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Während des Krieges verfielen die altersschwachen, schon längst schlecht erhaltenen Curien, und die Hebungen wurden wohl kaum gefordert, sicher nicht gegeben. Auf die ziemlich werthlosen Curien und auf die sehr unzuverlässigen Hebungen machte Adolf Friedrich keinen Anspruch; dahingegen glaubte er die Landgüter jetzt als sein Eigenthum ansehen zu dürfen. Die Capitularen behaupteten aber, daß ihnen diese Besitzungen vermöge der Capitulation von 1634 müßten ausgeliefert werden; und daher entbrannte der Streit, der denn gelegentlich auch die Aufsicht über den Dom und über das Kloster Rühn berührte. Der Herzog eignete sich nämlich das Patronat über den Dom und das Ober=Provisorat über Rühn an, und die Domherren versuchten eine Zeit lang, ihm diese Rechte streitig zu machen.

Unterm 13. Febr. 1649 erinnerte das Capitel, welches jetzt seinen Wohnsitz wieder von Lübek nach Schwerin verlegt hatte, den Herzog zuerst an die verheißene Restitution der Landgüter. Adolf Friedrich antwortete damit, daß er am 27. Febr. Befehl gab, Medewege, Rampe und Warkstorf zu inventarisiren, "weil er diese Güter in Possession nehmen" wolle.

Die Bitte um Rückgabe der Güter wurde von den Domherren am 5. April wiederholt, und bei dieser Gelegenheit dem Herzog vorgeworfen, daß er widerrechtlich die Pfarre zu Baumgarten mit dem Bützower Rector besetzt habe; denn das Patronat zu Baumgarten gebühre dem Kloster Rühn und folglich ihnen als den gesetzlichen Provisoren desselben. Da seine Antwort erfolgte, so schrieben die Capitularen abermals am 25. Mai und forderten nun auch das Patronat über den Dom, an dem der Herzog eigenmächtig und widerrechtlich bauen lasse. Auf die Klage vom 30. Juli erhielten sie endlich die Weisung, sie sollten in der Unterschrift die Bezeichnungen Dekan, Senior und Capitularen weglassen und nur ihre Namen unterschreiben, dann würden sie schon Antwort bekommen.

Wie diese Antwort aber ausfallen würde, konnten die Domherren aus des Horzogs Befehl vom 28. August schließen, der den Stiftshauptmann Rabensteiner und den Küchenmeister Nortmann zu Bützow anwies, "alsofort das Kloster Rühn und die zu der Stifts= und Domkirche gehörigen Gefälle und Intraden, wie dieselben Namen haben, und wo sie auch anzutreffen sein mögen, in wirkliche Possession und Besitz zu nehmen." Noch deutlicher war der den Notaren Rachel und Reppenhagen vom Herzog gegebene Befehl (31. Oct.), daß sie sich zu Ulrich v. Wackerbarth und Dr. Wedemann begeben sollten und von diesen fordern: das Capitels=

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Archiv mit den Acten, Original=Obligationen, Urkunden, Registern, Kirchenbüchern und Rechnungen, die Capitulationen Meklenburgs mit dem Capitel und die Reverse Meklenburgs, ferner alle Siegel und alle Schlüssel. Sie sollten alle diese Sachen zu den übrigen ihnen anvertrauten Stiftssachen legen und demnächst, daß es geschehen, berichten.

Nach einer Beschwerde des Dekans v. Wackerbarth vom 4. Nov. 1649, daß nämlich der Herzog seinen Viehfutterer von seinem (des Dekans) Bauhof zur Schelfe habe vertreiben lassen, dürfen wir wohl annehmen, daß Adolf Friedrich nunmehr auch Besitz vom Bauhof ergriff.

Zu Anfang des folgenden Jahres, d. d. 9. Febr. 1650, erhielt der Herzog wieder eine Petition der Domherren Ulrich v. Wackerbarth, Georg v. Behr, Hartwig v. Wackerbarth. Matthias v. Behr, Henning Matthias v. Lützow (Balthasar v. Bothmer, der sich hatte abfinden lassen, verweigerte die Unterschrift), in welcher um die Rückgabe der Landgüter gebeten und über Adolf Friedrichs Eingriffe in die Rechte des Capitels bezüglich des Klosters Rühn und des Schweriner Doms Beschwerde geführt wurde. Jetzt beachtete der Herzog die wiederholten Klagen wenigstens so weit, daß er von seinen Räthen Dr. Albrecht Hein, Dr. Meier, Dr. Kayser und Dr. Daniel Nicolai ein Gutachten über dieselben forderte. Diese Räthe gaben darauf ihr Urtheil unterm 27. Aug. 1650 schriftlich dahin ab, daß Adolf Friedrich Anfangs wohl hätte milder verfahren können, und daß er weiter gekommen wäre, wenn er dem einen oder dem andern der Capitularen, und nicht grade dem Bestverdienten, etwas mehr hätte zufließen lassen, um das Capitel zu spalten. Dadurch würde man jetzt drohende Weitläufigkeiten, welche bei dem Zustande des Fürstenthums, der schwedischen Krone Compartement und dem bekannten unruhigen "Schwindelhirn" des Georg v. Behr nicht gering zu achten seien, leicht vermieden haben. Vor allem rieth man, das Vorgehen gegen Rühn zu ändern. Dem Kloster müßten seine Gerechtsame als einem Stand des Fürstenthums gewahrt werden; es dürfe daher nicht dem herzoglichen Beamten unterstellt werden. Adolf Friedrich möge wieder einen tüchtigen Propst bestellen, der auf Landtagen das Kloster vertrete. Da man höre, daß das Kloster eingehen solle, beabsichtige sogar der König von Dänemark, "dessen Aeltermutter dasselbe mit Intraden augmentirt sind gleichsam wieder aufgerichtet habe, dagegen einzuschreiten. Auch eine Antwort an die Capitularen wurde aufgesetzt, aber wohl nicht abgeschickt; jedenfalls kam sie nicht in die Hände der Adressaten. In dieser Antwort behauptete der Herzog, daß die Domherren sich

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auf die Capitulation von 1634 nicht mehr berufen dürften, da diese durch das instrumentum pacis aufgehoben sei. Georg v. Behr und Hartwig v. Wackerbarth hätten nichts zu fordern, denn sie wären nie Domherren gewesen und hätten auch in wohl 10 Jahren keinen Psalm in der Domkirche gesungen. Ulrich v. Wackerbarth solle Rampe haben; aber erst müsse er die Structurgelder der Domkirche herausgeben. Den Titel eines Dekans könne er nicht bekommen, weil kein Collegium mehr vorhanden: wolle er Capitular genannt werden, so möge das geschehen.

Die Wünsche Ulrich v. Wackerbarths wollte man also bis zu einem gewissen Grade erfüllen, denn der war ein alter Mann und konnte Rampe nicht lange mehr besitzen; übrigens hoffte man auch, ihn dadurch von den übrigen Domherren zu trennen. Als aber die Unterhandlungen mit ihm begannen, erhob Matthias v. Behr Einspruch, da er der Ansicht war, das zu allen Verfügungen über Capitelsgüter sämmtliche Capitularen ihre Zustimmung geben müßten.

Auf eine nochmalige Mahnung des Capitels vom 18. Mai 1601 ordnete Adolf Friedrich endlich eine Conferenz an, welche am 12. und 13. August zu Schwerin stattfand und von Seiten des Herzogs durch die Doctoren Meier und Nicolai, von Seiten des Capitels durch die beiden v. Wackerbarth, Matthias v. Behr, v. Lützow und Syndicus Wedemann besucht wurde. Von allen Vorschlägen der Herzoglichen nahmen aber die Capitularen nur einen an, den nämlich, daß die Rückstände von den ihnen jährlich versprochenen 600 Thlrn. Entschädigungsgelder gezahlt werden sollten. Dahingegen widersprachen sie entschieden den Erklärungen:

1) daß kein Propst vorhanden sei und darum das Propsteilehn Medewege dem Herzog gehöre,

2) daß der Herzog das Dekanatsgut Rampe auf dem Wege des Vertrages mit Ulrich v. Wackerbarth, dem er dafür jährlich 200 Thlr. geboten habe, erwerben wolle,

3) daß der Herzog Warkstorf mit Recht besitze, da der Senior v. Bothmer es ihm gegen eine goldene Kette mit Brustbild und eine jährliche Rente von 300 Thlrn. abgetreten habe.

4) daß die Klagen wegen des Klosters Rühn, wenn sie von der Domina specificirt eingereicht würden, untersucht werden sollten.

Die Capitularen behaupteten, der Dekan Ulrich v. Wackerbarth sei zum Propst erwählt und die übrigen Domherren in Folge dessen der Reihe nach aufgerückt, es seien also wieder ein Propst, Dekan, Senior und Subsenior vorhanden, und diesen gebühreten die

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4 Capitelsgüter, für deren Besitz sie an das eine sonst nicht dotirte Canonicat jährlich etwas abgeben müßten. Ihre Gravamina bezüglich des Klosters Rühn gaben sie schriftlich ab. Damit wurde die Conferenz geschlossen.

Die Domherren erhielten die Güter nicht. Mit unermüdlicher Ausdauer setzten sie aber ihre Petitionen fort, die allmählich in Drohungen mit dem Kammergericht übergingen, und endlich schickten sie wirklich eine umfassende Klageschrift an das Reich ab. Darauf erhielt Adolf Friedrich einen Befehl des Kaisers aus Regensburg vom 23. Sept. 1653, daß er die Capitularen gemäß des westfälischen Friedens "alsobald" befriedigen solle. Um den kaiserlichen Brief wurde ein Umschlag gelegt, auf welchem geschrieben steht:

"Dieses hat Herr Dr. Hein beantworten sollen, ist aber wegen anderer J. F. G. Geschäfte davon behindert, auch endlich darüber gar zum Deputationstage nach Speier verreisen müssen."

Das letzte vorhandene Schriftstück in dieser Angelegenheit ist ein Brief der Domherren an den Herzog (Schwerin, 21. Jan. 1654), in welchem sie um eine Conferenz bitten, damit über die Restitution der Capitelsgüter verhandelt werden könne. Diese Conferenz wurde ihnen jedenfalls nicht mehr bewilligt, und die ganze Streitfrage wird so allmählich still begraben worden sein. Selbstverständlich war sie aber endgültig erledigt durch das Absterben der letzten Capitularen, das in nicht allzu ferner Zeit erfolgt sein muß.

Wie die Ansprüche auf die Landgüter, erloschen mit dem Tode der Domherren auch ihre Forderungen in Hinsicht des Klosters Rühn und des Schweriner Doms, und Adolf Friedrich sah endlich alle Versprechungen, welche ihm der westfälische Friede machte, im frühern Stifte Schwerin erfüllt. Da war er auch ohne Widerspruch im Innern dieses Landes im Besitz aller ihm zugesicherten Rechte eines Fürsten von Schwerin.

B. Der Streit mit Meklenburg um die Jurisdiction im Stift.

Wäre die Reichsunmittelbarkeit des Stifts zu keiner Zeit angefochten worden, so würde die Jurisdiction unzweifelhaft in den zweiten Abschnitt der Stiftsgeschichte, welcher die inneren Verhältnisse behandelt, gehören. Da aber die Herzoge von Meklenburg seit der Reformation die Unabhängigkeit dieses Landes nicht anerkannten, im Gegentheil auf das Nachdrücklichste die Oberhoheit Meklenburgs suchten geltend zu machen, so wurde die interne Angelegenheit der Rechtspflege eine Streitfrage zwischen dem Stift

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und Meklenburg und bedarf daher der Behandlung in der äußern Geschichte des Bisthums. Um nun die Darstellung der Jurisdictions=Verhältnisse nicht durch eine Trennung der Materie zu erschweren, behandeln wir die ganze Angelegenheit hier an dieser Stelle, obwohl wir wissen, daß unsre Erörterungen zum Theil nicht hierher gehören.

Dieselbe Frage, welche wir hiermit zu behandeln unternehmen, ist ebenfalls schon, wie die Frage der Reichsunmittelbarkeit des Stifts überhaupt, anonym in der Schrift: "Historische Nachrichten von der Verfassung des Fürstenthums Schwerin" (1741) und von Rudloff in seinem Verhältniß zwischen dem Herzogthum Meklenburg und dem Bisthum Schwerin (1774) ausführlich besprochen. Wir werden darum uns auf diese beiden Schriften gelegentlich beziehen können, im Uebrigen halten wir es für unsre Aufgabe ohne Rücksicht auf dieselben bloß nach den Acten des Geh. und Hauptarchivs Aufschluß über diese sehr verwickelte Angelegenheit zu geben.

Einen Einblick in die Rechtspflege während der letzten katholischen Zeit gewährt das Privilegium, welches der Bischof Petrus 1508 der Stadt Bützow ertheilte (Hist. Nachr. Anlage R.). Darnach sollten in der Stadt für Rechtsprechung 3 Instanzen sein:

1) der Stapel, 2) der Rath der Stadt, 3) der Bischof. Der Bischof will das Endurtheil, von dem keine Appellation gestattet sein soll, auf der Brücke vor der Burg zu Bützow fällen. Nach Ansicht des Stiftsoberhauptes konnte hiernach von einem Recht Meklenburgs auf die Rechtspflege im Bisthum keine Rede sein. Die Jurisdiction in der ersten evangelischen Zeit illustriren 3 Fälle, welche actenmäßig bezeugt sind.

1) Klaus Johannsen tritt ein Erbe in Dalberg gegen Entschädigung an Jochim Rehmann zu Dalberg ab. Die Entschädigung wurde nicht völlig entrichtet; deshalb klagt Johannsen, jetzt Bürger zu Lübek, auf Herausgabe des Erbes. "Up Klage und Antwort ist die Burschap in die Vindinge gewiesen, und darnach durch den Vindesman vor Schwerinsch Recht affgespraken", daß Rehmann den Rest der Schuld bezahlen und das Erbe behalten soll. Das Urtheil, d. d. "Donnerstag nach nativitatis Mariae" 1551, ist vom Capitel, zu dessen Besitz Dalberg gehörte, untersiegelt.

Johannsen appellirt "vor die Brugge tho Butzow." 1503, Donnerstag nach Gallen, findet unter Leitung des Stiftshauptmanns Jürgen Wackerbarth der Gerichtstag vor der Schloßbrücke zu Bützow statt. Der Kläger erscheint nicht, aber der Stadtvogt

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von Bützow gieb eine Erklärung, warum derselbe ausgeblieben. Nun wird "die Burschap in die Vindinge gewiset", und der "Vindesman" bestätigt das 1. Urtheil. Wackerbarth steht dem Beklagten hierüber ein Attest aus.

2) Ludwig Krüger, Bürger zu Schwerin, Kläger, wider das Domcapitel daselbst Beklagten, wegen eines Kampes Acker. Der Stiftshauptmann ladet unterm 7. Oct. 1579 Dr. Martin Bollfraß, Dr. Es. Hoffmann und Amtmann v. Leisten zum Versuch eines gütlichen Vergleichs nach Bützow. Sollte der Vergleich nicht zu Stande kommen, so sollen die Parteien Klage und Antwort, jede doppelt ausgefertigt, innerhalb je 8 Wochen schriftlich einreichen zum Gutachten einer juristischen Facultät. Als Notar wird der Stadtschreiber zu Bützow bestellt. Der 1. Termin findet am 23. Oct. 1579 statt; am 5. Juni 1081 wird im Namen des Herzogs Ulrich das Urtheil gefällt, daß das Capitel den Acker abtreten, Krüger dagegen diesem die versprochenen 2 Mark zahlen soll.

Das Capitel, welches von vorne herein exceptio fori eingewandt hat, appellirt an Ulrich als Bischof, und falls dieser die Appellation nicht annehmen will, an den Kaiser. Ulrich läßt die Berufung zu. Nun werden die Acten an die Facultät zu Frankfurt geschickt, welche in dem Urtheil vom 4. Oct. 1583 dem Capitel den Acker zuspricht. Dies Urtheil wird als Rechtsspruch am 19. Nov. 1583 in der Rathsstube zu Güstrow in Gegenwart Krügers und des Capitelssyndicus Lorenz Niebuhr von Bollfraß und Hoffmann verkündet.

3) Das Schusteramt zu Sternberg klagt gegen das Schusteramt zu Bützow, welches ihm den Einkauf von Haut und Lohe auf dem Bützower Jahrmarkt nicht gestatten will. Die juristische Facultät zu Rostock spricht in einem Gutachten vom 29. Juni 1594 den Sternbergern das Recht des Einkaufs zu. Dies Gutachten wird als Urtheil am 3. Aug. 1594 zu Güstrow den Parteien bekannt gemacht. Die Bützower wenden exceptio fori ein und appelliren an Herzog Ulrich als Bischof. Ulrich bestätigt nach dem Erkenntniß der juristischen Facultät zu Frankfurt das Urtheil erster Instanz unterm 18. Febr. 1596.

Aus dem bischöflichen Privileg für Bützow und aus den 3 überlieferten Fällen der Rechtspflege geht hervor, daß Ulrich bei seinem Regierungsantritt im Stift in Civilsachen einen dreifachen Instanzenweg vorfand: 1) ein Schöffengericht, in Bützow der Stapel genannt, unter Leitung der Ortsobrigkeit, 2) ein Appellationsgericht in Bützow unter der Leitung des Raths, in den

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übrigen Landestheilen, wahrscheinlich auch in der Ritterschaft, nachweislich auf dem Capitelgebiet und sicher in Warin, das amtssässig, und auf der Schelfe, die größtentheils in erster Instanz unter der Jurisdiction des Capitels stand, in zweiter Instanz also ein Appellationsgericht unter Leitung des Stiftshauptmanns, der sich wohl einige Rechtsgelehrte zur Hülfe nahm, 3) ein Oberappellationsgericht in der endgültigen Entscheidung des Bischofs selbst. Eine Abhängigkeit von Meklenburg ist hier nicht einmal angedeutet; und wenn auch in den beiden zuletzt genannten Fällen die Parteien in die meklenburgische Stadt Güstrow, die Residenz des Herzogs Ulrich, gefordert wurden, so ist das zwar nicht in der Ordnung, doch ist weiter nichts von einem Anspruch Meklenburgs auf die Rechtspflege im Stift zu erkennen.

Daß in geistlichen Sachen der Bischof zur katholischen Zeit nicht bloß im eigenen Stiftslande, sondern in seiner ganzen Diöcese richterliche Gewalt hatte, ist setbstverständlich. Nach Einführung der Reformation verlor er, nunmehr in der Regel bloß Administrator genannt, zwar das Richteramt außerhalb der Stiftsgrenzen; aber in seinem Bisthum selbst war er natürlich ebenso gut wie jeder protestantische Fürst wirklicher Bischof. Thatsächlich ließ allerdings der erste Administrator Ulrich in den ersten Jahren seiner Stiftsregierung vielfach seine bischöflichen Rechte und Pflichten durch seine meklenburgischen Geistlichen ausüben, wir meinen, ohne daß darum das Stift von seinen Rechten etwas verlieren konnte; doch sah er bald genug ein, daß auf diese Weise Kirche und Sitte nicht genügend gepflegt werden konnte, und setzte deshalb nicht bloß 1561 einen eignen Stiftssuperintendenten, sondern auch 1567 ein eignes Stifts=Consistorium ein. (S. 1. Theil, S. 254 und 256.) Daß diese seine Beschlüsse indessen durch das Drängen der Stände, besonders des Capitels, rascher gezeitigt wurden, wollen wir keineswegs verhehlen, aber das ändert sicher nichts an der Thatsache.

Die Ausübung der Polizeigewalt gebührte in allen niedern Sachen der Ortsobrigkeit, also außerhalb des Domaniums, wo die bischöflichen Beamten im Auftrage des Administrators die Ordnung aufrecht erhielten, dem Capitel, den Magistraten und der Ritterschaft in ihren Gebieten. Oberster Polizeiherr sollte natürlich überall der Administrator sein; aber Ulrich I. pflegte die höchste Polizeigewalt im Stift als Herzog von Meklenburg zu üben; in dieser Hinsicht erkannte er wohl niemals die Selbständigkeit des Bisthums an. So ließ er 1572 (2. Th., S. 162) die meklenburgische Polizei= und Landordnung auch im Stift im Namen der

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meklenburgischen Herzoge verkünden, und diese Veröffentlichung wurde selbst auf wiederholtes Ersuchen der Stiftsstände nicht durch eine andre im Namen des Bischofs ersetzt.

Wie nun Ulrich I. in Polizei=Angelegenheiten das Stift seinem Herzogthum Meklenburg unterordnete, so versuchte er auch auf andern Gebieten die Oberhoheit des größeren Landes über das kleinere geltend zu machen. Zu Hülfe kam ihm hierbei die Unklarheit der Verhältnisse, die in dem gemeinschaftlichen Oberhaupte beider Staaten begründet war, und die selbst durch die höchste Instanz im deutschen Reiche nicht gehoben werden konnte. So ereignete es sich, daß die Parteien in reinen Stiftsangelegenheiten sich an meklenburgische Gerichte wandten, um sich Recht zu holen, und die meklenburgischen Gerichte verweigerten diesen Parteien ihr Urtheil nicht. Das sahen die Stiftsstände freilich nur eine Zeit lang ruhig an; denn bald, jedenfalls seitdem sie in ihrer Ansicht von der Selbständigkeit des Stiftes durch das Kammergerichtsurtheil von 1561 bestärkt waren, erhoben sie lauten Widerspruch gegen diese Art der Rechtspflege auf den Stiftstagen und bei andern Gelegenheiten, und endlich wurde die Lösung dieser viel erörterten Frage, wie die über die Reichsunmittelbarkeit überhaupt, ebenfalls dem höchsten Reichsgericht anheimgegeben, natürlich ebenfalls ohne Erfolg.

Am bedenklichsten war für das Stift und die Vertreter seiner Rechte der Umstand, daß die alte mittelalterliche Gerichtsorganisation nicht mehr genügte, und zumal seitdem in den Nachbarländern, wie in Meklenburg, an Stelle der abgebrauchten Institute neue, angemessenere Gerichtshöfe entstanden waren. Dies gilt in allen Civilsachen seit der neuen meklenburgischen Hof= und Landgerichts=Ordnung von 1568. Die Stiftsstände sahen das wohl ein; denn daher mehrten sich seitdem ihre Bitten um Errichtung eigner Stiftsgerichte in den 70er Jahren. Allen voran ging aber das Capitel. Unterm 30. Dec. 1570 übergaben die Capitularen an Ulrich einen schriftlichen Vortrag mit der Bitte, der Administrator möchte, da kein ordentliches Gericht im Lande vorhanden, und die Stiftsbewohner also gezwungen seien fremde Gerichtshöfe anzusprechen, baldigst ein eignes Stiftsgericht anordnen. Ulrich gab keine bestimmt ablehnende Antwort, aber auch keine volle Zusage. Wenn er künftig, erwiderte er, von Stiftsverwandten deshalb gebeten werde, so wolle er sich auch "der gnädigen Gebühr zu verhalten wissen." So sehr nöthig seien eigne Stiftsgerichte nicht, da die meisten Stiftsstände auch in Meklenburg angesessen wären und also dort ihren Gerichtshof haben könnten. Das Capitel ent=

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gegnete, das Stift würde seine Selbständigkeit verlieren, wenn es keine eigne Jurisdiction habe. Daß auch Stiftsstände in Meklenburg ansässig wären, könne auf sein Urtheil in dieser Sache keinen Einfluß haben. Es müsse seiner Pflicht nach wiederholt um eigne Jurisdiction bitten. Ulrich meinte aber, seine Vorgänger hätten kein eignes Stiftsgericht gehalten, so brauche er es auch nicht, zumal da sein Bedürfniß dafür vorhanden sei.

Als man auf dem Stiftstage 1576 die Regierung wegen der Polizeiordnung interpellirte, ließ der Herzog Ulrich den Ständen antworten, das Stift läge mitten im Herzogthum Meklenburg und bedürfe dessen Schutz, man könne sich darum nicht ganz von Meklenburg lossagen. Die Polizeiordnung wäre publicirt, und das genüge; es sei gleich, wie es geschehen. Sie würde darum im Stift ebenso nützlich sein wie im Herzogthum. Die Stände erwiderten, den Nutzen bestreite man nicht, darum handle es sich auch nicht. Die Polizeiordnung sei im Namen Meklenburgs publicirt, und das könne dem Stifte präjudicirlich werden. Sie wären erbötig, mit dem Administrator eine eigne Polizeiordnung zu berathen. so gingen die Verhandlungen mehrere Jahre fort, bis die Stände sich ruhig gefallen ließen, was sie nicht ändern konnten.

Man verstand es in früherer Zeit meisterhaft durch Streiten über Nebendinge eine Sache hinzuhalten; ja es war diese Kunst so sehr geübt worden, daß sie völlig zur Gewohnheit wurde. Dies erklärt auch, wie es nur möglich sein konnte, daß man eine im Ganzen einfache Frage mehrere Jahrzehnte erörterte, ohne zu Ende zu kommen. Nach eben dieser Gewohnheit wurde die Frage über die Stiftsjurisdiction behandelt. Für den Geschichtsschreiber ist es in der That ein Glück, daß diese umständlichen Verhandlungen nur zum kleinen Theil überliefert sind. Wir werden aber in Rücksicht auf den Leser selbst von den vorhandenen Berichten nur die Hauptmomente auswählen.

Am 15. Juli 1583 machte Herzog Ulrich den Ständen das Anerbieten eines besondern Judiciums und einer besondern Polizeiordnung für das Stift. Er meinte damit aber nur ein Gericht erster Instanz, und dies wollte er auch nur in Rücksicht auf die nicht in Meklenburg ansässigen Stiftsstände einrichten. Nach des Herzogs Bestimmung vom 20. Jan. 1588 sollten die Kosten von Regierung und Ständen gemeinschaftlich getragen werden. Die Appellationen sollten nach wie vor an das meklenburgische Hofgericht gehen. Das wäre nicht mehr als billig, meinte der Administrator, denn das Capitel wisse recht gut, daß das Hofgericht immer mit für das Stift Recht gesprochen habe, deshalb hätten

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die früheren Bischöfe und Administratoren selbst mit im Hofgericht gesessen, und noch jetzt schicke das Capitel einen Assessor in dasselbe. Die Domherren glaubten mehr beanspruchen zu können und nahmen das Anerbieten des Administrators in dieser Beschränkung nicht an. Sie forderten auch ein Gericht zweiter Instanz und verlangten, daß die Regierung die Kosten für die Jurisdiction allein trage, da sie allein die Gerichtsgefälle bekomme.

Unterm 18. März 1588 erklärten die Capitularen, früher sei allerdings weder im Stift, noch in den benachbarten Fürstenthümern ein ordentliches Obergericht vorhanden gewesen; jetzt seien aber in den Nachbarländern Obergerichte eingesetzt, und was andern Unterthanen zu Theil werde, habe Ulrich auch dem Stift versprochen. Die Appellationen ans meklenburgische Hofgericht dürfe man nicht zulassen, da man beweisen könne, daß die Bischöfe immer die oberste Gerichtsgewalt im Stift geübt hätten. Die Appellationen wären sonst immer ad episcopum Suerinensem gegangen. Daß man auf Ulrichs Begehren seit einigen Jahren einen Capitular als Assessor zum Hofgericht schicke, könne kein Grund sein dem Stift die Obergerichtsgewalt zu nehmen.

Da die Forderungen der Domherren nicht aufhörten, gab Herzog Ulrich 1591 seinen Räthen Dr. Jac. Bording und Dr. E. Cothmann den Auftrag, die gravamina des Capitels entgegenzunehmen und über dieselben zu berichten. Das Capitel übergab nun (28. Sept.) diesen Räthen seine Vorschläge, welche in Kürze darauf hinausliefen, daß Ulrich verpflichtet sei, dem Stift die Obergerichtsgewalt zu lassen, zumal da er dies selbst verschiedentlich eingeräumt habe. Die Appellationen in zweiter und dritter Instanz dürften nicht aus dem Stift gehen. Wegen der Kosten hoffe man sich zu vergleichen; die übrigen Stiftsstände würden auch wohl einen Theil derselben auf sich nehmen, denn sie allein zu tragen sei das Capitel keineswegs verpflichtet.

Am 1. Mai 1593 wurden der Propst Otto v. Wackerbarth und der Canonicus Joachim v. Bassewitz zu einer persönlichen Vorstellung an Ulrich geschickt. Sie wiesen besonders darauf hin, daß die Lehnsleute Hardenack und Otto v. Wackerbarth, welche nur im Stifte ansässig seien, wider ihren Willen vor das Hofgericht gezogen wären; das sei ein Nothstand, der abgestellt werden müsse. Ulrich erwiderte dem Capitel am 4. Mai schriftlich, "wenn die Stiftsstände die Unkosten darauf wenden wollten", so könne ein besonderes Stiftsgericht eingesetzt werden. Dann sollten aber hinfort die Stiftsstände, welche nicht in Meklenburg ansässig wären, nur an den Bischof appelliren und weiter nicht. Das gefiel wieder

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den Capitularen nicht, sie glaubten, daß die Stände die Kosten nicht allein zu tragen brauchten, und wollten außerdem auch die Appellationen an das Reich frei gelassen haben. Da schrieb Ulrich unterm 19. Nov. 1593, da das Capitel sein Anerbieten nicht angenommen habe, so sehe er sich veranlaßt dasselbe zurückzuziehen. Dadurch war die ganze Streitfrage wieder an ihren Ausgangspunkt zurückversetzt. Daß das Capitel nun noch Erklärungen abgab und Resolutionen faßte, konnte so gut wie garnichts nutzen. Wir übergehen darum dieselben mit Stillschweigen und dürfen das um so eher, als nun die Angelegenheit in ein anderes, ernsteres Stadium trat.

Der Fall, welcher eine Wendung der Dinge hervorbrachte, ist folgender. Der Rath zu Bützow wurde von Catharina Schröder puncto injuriarum beim Land= und Hofgericht zu Güstrow verklagt. Beklagter wandte exceptio fori ein; aber am 22. Januar 1594 erschien zu Güstrow das Urtheil, das der Rath sich in dieser Sache vor dem Hofgericht einzufinden habe.

Nachdem der Bützower Magistrat nun noch vergeblich versucht hatte, durch eine Vorstellung bei Herzog Ulrich sich von dem fremden Gerichtshof zu befreien, wandte er sich mit einer Bitte um Unterstützung an das Domcapitel, um mit diesem vereint an das Reichskammergericht appelliren zu können. Das Capitel versagte natürlich seine Hülfe nicht. Aber so rasch, wie der Magistrat es wünschte, war die schwerfällige Corporation nicht vorwärts zu bringen, nur ein einziger Capitular, der Dompropst v. Wackerbarth, entwickelte einen großen Eifer. Er reiste im April nach Bützow und nahm dort am 18. aus der Hand des Notars Giesenhagen ein "documentum protestationis urbis Bucensis" entgegen, in welchem erklärt wurde, die Stadt Bützow wolle vor Gott, dem Bischof, dem Stifte und der Posterität entschuldigt sein, wenn der Bischof und das Capitel sich dieser gerechten Sache nicht annähmen. v. Wackerbarth übergab, aber nur für seine eigne Person, nicht im Namen des Capitels, eine Gegenprotestation, in welcher er behauptete, das Capitel habe die Appellation der Stadt an das Kammergericht wohl unterstützen wollen, habe aber erklären müssen, daß die Angelegenheit erst in einer Capitelssitzung zu berathen und demnächst darüber an den Administrator zu berichten sei. Das sei jetzt alles geschehen, ja man habe auch dem Rathe zu Bützow mitgetheilt, was man an Herzog Ulrich berichtet. Die Antwort desselben werde der Rath ebenfalls erfahren. Uebrigens wolle das Capitel auch jetzt schon Hülfe leisten, man möge nur bestimmen, ob es durch Rathschläge oder durch Geldmittel geschehen solle.

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Die Bereitwilligkeit des Capitels, sogar Geld zur Verfügung zu stellen, war vielleicht mehr durch einen andern Fall veranlaßt, der für die Domherren noch bedenklicher sein durfte als das Urtheil gegen Bützow. In der Klagesache Caspar Rapps gegen Jürgen v. Wopersnow pto. debiti, jetzt executionis, ergingen nämlich unterm 22. Jan. 1594 aus dem Hofgericht zu Güstrow executoriales an den Amtmann zu Bützow auf des Beklagten Gut Dämelow und seinen Antheil an der Mühle zu Rubow, d. h. auf Güter, welche im Stifte lagen. Das Capitel protestirte auf eignen Antrieb gegen dies Verfahren und suchte umständlich nachzuweisen, daß Stift als reichsunmittelbares Land nicht von einem fremden Gericht abhängig sein könne.

Endlich waren denn auch im Capitel die Vorbereitungen so weit erledigt, das ein gemeinsames Vorgehen mit Bützow möglich war. Auf dem Stiftstage im October 1594 überreichten Capitel und Städte - es hatte sich also auch Warin angeschlossen - ein Schreiben an Herzog Ulrich, um ihre schon früher ausgesprochene Bitte um ein eignes Appellationsgericht zu wiederholen, "weil das Stift ein sonderbarer Stand des Reichs allwege gewesen, wie auch durch gegenwärtigen Stiftstag bezeugt würde, und weil das Stift immer seine sonderliche hohe Jurisdiction gehabt habe und noch habe." Der Herzog habe sich auf fast allen Stiftstagen erboten ein eignes Gericht im Stift zu bestellen, er möge daher jetzt bündige Zusage geben; andern Falls müsse man an das Reichskammergericht appelliren.

Von bedeutender Wirkung war dies Schreiben allerdings nicht; aber es wurde doch auch nicht ganz unbeachtet bei Seite gelegt, denn Herzog Ulrich forderte bald darauf, um sich genau zu informiren, von dem Gelehrten Dr. E. Cothmann einen Bericht über das Verhältniß des Stifts zu Meklenburg, besonders in Bezug auf die Jurisdiction. Dieser Bericht, abgefaßt unterm 8. Jan. 1595, hatte fast ausschließlich das Protocoll des Zeugenverhörs zu Güstrow 1563, bei welchem es sich um die Frage der Reichsunmittelbarkeit des Stifts handelte (S. 113), zur Grundlage. Wie nun dort die Zeugen größtentheils von der Abhängigkeit des Stifts von Meklenburg überzeugt gewesen waren, so behauptet auch Cothmann mit denselben Beweisen wie jene, daß Meklenburg Hoheitsrechte im Stifte besitze. Indessen, meinte er, sei doch erwiesen, daß die Bischöfe immer das "exercitium jurisdictionis" in bürgerlichen und peinlichen Sachen gehabt und noch hätten, doch wollte er darunter nur die Jurisdiction erster Instanz verstehen.

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Auf Anrathen Cothmanns wurde dann am 20. Jan. 1595 zu Güstrow ein "consilium principis" gehalten, welchem 3 Landräthe: Joh. v. Cramon, Jürgen v. Raben und Dietrich v. Bevernest, und 3 Gelehrte: Dr. Albinus, Dr. E. Cothmann und Dr. Möller, beiwohnten. Das Resultat dieser Berathung war die Erklärung, daß es sich hinlänglich beweisen ließe, wie die Stiftsunterthanen immer vor dem Güstrower Hofgericht Recht gesucht; Meklenburg sei also in dieser Hinsicht in possessione. Wollten die Capitularen den meklenburgischen Herzogen das Recht der Jurisdiction im Stift streitig machen, so müßten sie noch bessere Gründe vorbringen als bisher; vor allem müßten sie die alten Verträge zwischen den Herzogen und den Bischöfen, von denen sie sprächen, bekannt geben, und wenn das geschehen sei, so sollte ihnen darauf von Cothmann geantwortet werden. In diesem Sinne wurde endlich nach abermaliger Petition des Capitels unterm 20. März 1595 die Antwort erlassen.

Ulrich hatte aber unterdessen am 21. Jan. 1595 sowohl das Domcapitel wie den Magistrat zu Bützow wegen Ungehorsams gegen das meklenburgische Hofgericht 1 ) in je 100 Mark Strafe verurtheilt, und dies wurde die Veranlassung, daß beide, Capitel und Magistrat, unterm 30. Jan. an das Reichskammergericht appellirten. Zum Anwalt bestellten die Appellanten den Dr. Marsilius Bergner. In der Anklageschrift behaupteten sie, daß der Herzog erst seit 20 Jahren versucht habe, die Stiftsleute vor das Güstrower Landgericht zu ziehen, früher sei das unerhört gewesen. Das meklenburgische Gericht sei aber für Bewohner des reichsunmittelbaren Stiftes incompetent; die Stiftsstände hätten ein Recht, eigne Gerichte zu fordern, und Ulrich selbst hätte noch auf dem Stiftstage 1563 in Folge Bewilligung der Reichsanlagen von Seiten der Stände ihnen durch einen Revers alle ihre Rechte gesichert.

Eins muß hier auffallen, nämlich daß die Ritterschaft, die auf den Stiftstagen in den 70er Jahren, zu welcher Zeit nach Aussage der genannten Appellanten die Ladungen der Stiftsleute vor das meklenburgische Hofgericht zuerst stattfanden, so eifrig die Selbständigkeit der Stiftsjurisdiction vertrat, jetzt ihre früheren Genossen ganz im Stiche ließ. Warum das geschah, erklärten die Stiftsritter selbst: sie scheuten die Kosten, und ihnen war es jetzt ebenso


1) Bützow erschien nicht auf die Ladung des Hofgerichts, wie oben mitgetheilt ist; worin der Ungehorsam des Capitels bestand, ist nicht bekannt.
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lieb, vor den Herzogen von Meklenburg wie vor dem Administrator Recht zu geben und zu nehmen, weil sie doch größtentheils auch in Meklenburg ansässig waren.

Aller Gewohnheit zuwider forderte das Kammergericht auf die Anklage sehr bald von Herzog Ulrich die Einsendung der Acten über die beiden Gerichtsfälle: Cath. Schröder wider den Magistrat zu Bützow und Caspar Rapp wider Jürgen v. Wopersnow, und ebenso ungewöhnlich rasch, schon unterm 10. Mai 1595, wurde der Herzog auf den 24. Juli nach Speier zu Gericht geladen. Der Fortgang des Processes war aber wieder in alter Weise langsam, sehr langsam, und das ganze Ergebniß der vielen Schreibereien von beiden Seiten so gering, daß es der Mittheilung schwerlich werth ist.

Meklenburgischer Anwalt in diesem Proceß war Dr. Joh. Jac. Kremer, der zuerst 1595 von Herzog Ulrich, dann 1604 von Herzog Karl und endlich 1611 von den beiden Herzogen Adolf Friedrich und Johann Albrecht Vollmachten erhielt. Kremer, der sich häufig vom Professor E. Cothmann Rath holte, verlangte vorerst von der Gegenpartei die Ablegung des Appellationseides vor dem Forum, von welchem appellirt wurde, d. h. vor dem Güstrower Hofgericht. Diese Forderung schien aber dem Capitel unerhört, da es noch niemals die Competenz dieses Gerichts anerkannt habe. Wenn es überhaupt den Eid schwören werde, so könne es nur mit Protest geschehen. Das wird man denn wohl gethan haben; jedenfalls übergab Dr. Bergner 1601 das documentum paritionis in Betreff des Appellationseides. Es ist erklärlich, daß der ganze Proceß bis in die Unendlichkeit dauern mußte, wenn die Erfüllung einer einzigen Förmlichkeit ihn viele Jahre aufhalten konnte. Es nimmt daher nicht Wunder, daß Herzog Ulrich II. noch 1613 von diesem 1595 begonnenen Proceß sagen konnte, "er schwebe zu Speier noch in unerörterten Rechten."

Uebrigens gesellten sich zu diesem ersten Proceß bald andere; denn Herzog Ulrich I. forderte trotz der Klage beim Kammergericht nach wie vor die Stiftsleute vor das meklenburgische Hofgericht, und die Capitularen unterließen es nicht, auch wegen dieser neuen Beeinträchtigungen der von ihnen beanspruchten Rechte Beschwerden nach Speier zu senden. In einer dieser nachträglich angebrachten Klagen erhielt das Capitel ein sehr günstiges Urtheil von dem Kammergericht. Dasselbe erklärte nämlich am 24. März 1598 "in Sachen des Capitels wider Herzog Ulrich pto. primae appellationis in specie Simon Gerdes Wittwe", daß diese Gerdes nicht

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verpflichtet sei, vor dem Güstrower Hofgericht sich zugestellen, wie ihr von Herzog Ulrich befohlen, und daß ihr die in dieser Streitfrage erwachsenen Gerichtskosten zu ersetzen seien.

Die letzte Nachricht über die Verhandlungen zu Speier findet sich in einem Actenverzeichniß, welches die einfache Notiz enthält: "Completum (d. h. das Actenmaterial) 21. Nov. 1613." Ein die ganze Frage entscheidendes Urtheil ist nicht gefällt worden.

Mehr Mittheilungen als über den Proceß enthalten die Acten über die gleichzeitig geführten, gütlichen Ausgleichsverhandlungen in dieser Streitsache. Anscheinend regte das Capitel zuerst diesen Ausgleichsversuch an, da es unterm 13. Oct. 1595 an Herzog Ulrich ein "articulirtes Libell" sandte, mit der Bitte, der Herzog möchte dagegen seine Bedenken mittheilen, damit man gütlich verhandeln könne. Ob auf dies Libell eine directe Antwort erfolgte, wissen wir nicht, dahingegen ist bekannt, daß Ulrich auf Bitten der Königin Sophie von Dänemark, an welche sich das Capitel auf Grund der Postulation des jungen dänischen Prinzen zum Coadjutor des Stifts gewandt hatte, unterm 4. Nov. 1595 eine "Tagefahrt" auf den 9. Dec. zu Güstrow anordnete, zu welcher er seine Räthe Joh. v. Cramon auf Woserin, Jürgen v. Raben d. ä. auf Stük, Dietrich v. Bevernest auf Lüsewitz, Dietrich v. Maltzan auf Ulrichshusen, Dr. Joh. Albinus, der sich wegen Krankheit entschuldigte, Dr. Barth. Clinge, Claus v. Below auf Weisin, Dr. E. Cothmann, Dr. Hajo v. Nessen und nachträglich noch Amtmann Christoph v. Rohr zu Stavenhagen, "weil er zuvor das Amt Bützow eingehabt", einlud, und zugleich das Capitel aufforderte, zwei oder drei Deputirte zu schicken. Später wurde für Güstrow als Versammlungsort Bützow bestimmt, weil Ulrich dann dort grade anwesend sei.

Das Capitel wählte zu seinen Vertretern auf der Conferenz den Propst O. v. Wackerbarth, den Dekan Ludolf v. Schack und den Senior Joach. v. Bassewitz. Aus Vorsicht wünschten die Capitularen sich vor den Verhandlungen mit den übrigen Stiftsständen, Ritterschaft und Städten, zu verständigen und luden diese darum zu einer Besprechung am Tage vorher ein, was Herzog Ulrich für ganz Verfassungswidrig hielt und scharf tadelte. Daß unter diesen Umständen die Ritterschaft sich zur Berathung einstellte, ist unwahrscheinlich, vielleicht fand sich aber der Magistrat zu Bützow dazu geneigt. Weil ferner die Capitularen wohl einsahen, daß sie dem herzoglichen Gesandten gegenüber, da diesem die Leitung der Verhandlungen zukam, allein einen schweren Stand haben möchten, so sahen sie sich nach starken Bundesgenossen um,

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und diese glaubten sie in Dänemark finden zu können. Denn die dänische Königsfamilie hatte wegen der oben erwähnten Postulation des Prinzen Ulrich wohl ein Interesse daran, daß dem Stift auch in der Jurisdiction seine Selbständigkeit gewahrt blieb. Das Capitel bat also wiederum die Königin Sophie, und diese schickte darauf zu der Versammlung drei ihrer Räthe: Hans Blume auf Seedorf und Neverstorf (Domdekan zu Lübek und Hofmeister des Prinzen Ulrich), Dr. Ludwig Pintzier und Apitz von Grünenberg nach Bützow. Es handelte sich nun aber darum, mit welchem Recht diese dänischen Gesandten Zutritt zur Versammlung begehren konnten, und wie sie dort auftreten sollten. Das Capitel meinte, sie müßten als die Abgesandten des erwählten Nachfolgers von Herzog Ulrich als Substitute des Administrators fungiren; ja sie wünschten sogar, daß den Gesandten des Successors Ulrichs das Directorium auf der Conferenz übertragen würde; aber Ulrich erklärte, er brauche keine Substitute. Die dänischen Räthe werden darum wohl von der Theilnahme an den officiellen Verhandlungen ausgeschlossen worden sein; jedenfalls wird nicht mitgetheilt, daß sie etwas Erhebliches ausgerichtet haben; doch durften sie dem Herzog Ulrich am 8. Dec. ihre Creditive überreichen.

Da die Capitularen am 9. Dec. eine "Supplication" an Herzog Ulrich einreichten, so wurde die Conferenz sofort bis zum 11. ausgesetzt. Nach Eröffnung derselben wurden die Domherren aufgefordert, ihre Beschwerden vorzutragen. Sie erklärten, die Jurisdictionsfrage sei nun seit 25 Jahren auf allen Stiftstagen tractirt. Bisher hätten sie die Sache nicht so sehr ernst genommen, weil das meklenburgische Hofgericht bisher nicht auf den Gerichtszwang bestanden hätte, wie jetzt. Daß aber, wie von Seiten Meklenburgs behauptet wurde, durch die Beschickung des Hofgerichts mit einem Domherrn als Assessor Zugeständnisse der meklenburgischen Obergerichtsgewalt gemacht seien, könne man nicht gelten lassen, denn dieser Domherr würde wegen der überall gültigen "dignitas ecclesiastica" gefordert und wegen der nahen Verwandtschaft mit Meklenburg vom Stifte gegeben.

Nach längeren Debatten schlugen die fürstlichen Räthe vor, es solle im Stift ein Gericht I. Instanz bestehen, die Appellationen an das meklenburgische Hofgericht gehen, aber die Execution des Berufungsurtheils dem Richter erster Instanz verbleiben, oder es sollten Rechtsgutachten von 2 oder 3 Juristenfacultäten eingeholt werden. Beide Vorschläge fanden die Billigung der Domherren nicht, lieber wollten sie, wie sie sagten, den Proceß beim Kammergericht weiter gehen lassen. Die fürstlichen Räthe waren mit der Fortsetzung des Pro=

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cesses einverstanden, behaupteten aber, daß während desselben das Hofgericht in possessione jurisdictionis bliebe. Der Bericht über die Conferenz schließt: "Und weil man befunden, daß ungeachtet vielfältiger eingewandter Mühe und Fleißes die Sache auf seinen andern Weg hat beigelegt werden können, so habens die Unterhändler auch dabei müssen beruhen lassen und der Handlung abdanken." 1 )

Am 14. Dec. 1595 erfolgte der Bescheid Ulrichs:

1) Es sei erwiesen, daß Stiftsunterthanen und = Stände, die nicht in Meklenburg begütert, sich dem meklenburgischen Landgericht gestellt hätten.

2) 1523 hätten die Stiftsstände bei den Verträgen und der Conföderation Meklenburgs mit seinen Ständen den meklenburgischen Herzogen willigen Gehorsam geleistet.

3) Nach den 1564 beim Kammergericht publicirten Kundschaften über die Exemption des Stifts 2 ) sei das Stift Meklenburg incorporirt.

4) Die Bestätigung der meklenburgischen Land= und Hofgerichtsordnung durch den Kaiser beweise, daß Einer aus dem Stift ats Stand des Herzogthums dem Land= und Hofgericht verwandt gemacht werden solle. Otto v. Wackerbarth selbst habe oft als Stiftsstand dem Landgericht beigewohnt.

5) Stiftsunterthanen hätten vor dem meklenburgischen Consistorium Recht genommen, auch noch nach 1586, obwohl damals auf Wunsch Wackerbarths die Consistoriales Befehl bekommen, Stiftseingesessene nicht zu richten.

6) Sogar als Partei habe der jetzige Propst zweimal vor dem meklenburgischen Landgericht gestanden.


1) Hajo v. Nessen erzählte später (1619) über den Schluß dieser Conferenz: "Endlich warf man dem Capitel vor, daß es sich schon früher in der That dem mekl. Hofgerichte unterworfen hätte, worauf die ganze Zunft: Wackerbarth, Schack und Bassewitz, überlaut erklärten, wenn das erwiesen sei, so müßten sie lose, leichtfertige und keine redliche Leute sein, da sie ferner dem Hofgericht die subjection streiten sollten. Joh. Kellermann mußte nun schleunigst nach Güstrow reisen und die Acten holen. Als diese vorgelegt wurden, waren sie sehr bestürzt; O. Wackerbarth aber, als ein alter Fuchs, suchte sich mit allerlei Ränken zu helfen. Der Fürst aber sagte: "Ihr habt Euch selbst gescholten, dafür will ich Euch hinfüro auch halten", und damit ging er aus dem Zimmer, und die Capitularen gingen wie beschniene Hunde vom Hause, ohne zur Tafel gefordert zu sein."
2) Es können nur die Aussagen der Zeugen von 1563 gemeint sein, vielleicht wurden diese 1564 zu Speier bekannt gemacht.
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7) In der Klagesache gegen den kaiserlichen Fiscal pto. exemptionis habe 1583 zu Sternberg (s. S. 120) O. v. Wackerbarth, damals Dekan, selbst mit Joach. v. Bassewitz u. a. die vom Administrator und Capitel aufgesetzten articuli probatorii dem kais. Subdelegirten übergeben.

8) Daß das Stift in criminalibus et civilibus peculiaris jurisdictio habe, nehme man nicht in Abrede. Es wäre der Administrator auch geneigt, auf gewisse Zeit im Jahr Stiftsstände und Räthe nach Bützow zu entbieten, damit sie dort "vorfallende Sachen in seinem Namen verabschieden."

9) Obwohl bisher die Stiftsleute nach eignem Bekenntniß des Capitels in prima instantia am meklenburgischen Landgericht mit Recht belangt worden, so wolle Ulrich doch sich dahin erklären, daß Stiftsbewohner sich künftig nur ad secundam instantiam an dies Gericht wenden sollen.

Als Beweis für die Behauptung in Nr. 1 wurde eine Anzahl von Processen aufgeführt, in welchen Stiftsleute das Urtheil des Güstrower Gerichts eingeholt haben.

Die Capitularen erwiderten darauf schriftlich am 16. December 1595:

1) Die von der Gegenpartei angezogenen Beispiele von Gerichtsverhandlungen zu Güstrow seien schon früher genügend widerlegt. Bisher gäbe es kein Exempel wider die Stiftsstände, dem nicht widersprochen, und das nicht von der Obrigkeit inhibirt sei. Sie suchen darauf einzelne Fälle als nicht zutreffend darzustellen.

2) Das Capitel habe immer beim Administrator darum angehalten, daß die Stiftslehnsleute actione personali und ihrer Stiftsgüter halber ratione domicilii nirgends anders als im Stift gerichtlich belangt werden könnten.

3) Der Administrator habe nur gefordert, daß auch in Meklenburg ansässige Stiftslehnsleute vor dem meklenburgischen Gericht Recht nehmen und geben sollten.

4) Die Capitularen räumen nicht ein. daß sie als Parteien vor dem meklenburgischen Hofgericht gestanden, sondern behaupten, daß sie auf eine desfallsige Ladung hätten einwenden lassen, sie seien nicht verpflichtet, der Ladung zu folgen.

An die Königin=Wittwe in Dänemark schrieb Herzog Ulrich unterm 17. Dec., die Capitularen hätten seit 1570 widerrechtlich ein besonderes Stiftsgericht begehrt. Das Stift sei kein selbständiger Reichsstand, wenn auch Bischof Magnus dem Reich einmal (1546) für das Stift besonders contribuirt, und seit dann die Stifts=

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contribution in gleicher Weise habe entrichtet werden müssen, sei dies doch immer mit Protest geschehen. Durch den meklenburgischen Vertrag von 1523, welchen zwei Domherren mit unterschrieben, würde die Abhängigkeit der Stiftsstände von Meklenburg völlig bewiesen. Uebrigens habe der Propst v. Wackerbarth seit 27 Jahren als Assessor im meklenburgischen Hofgericht gesessen. Um aber Weiterungen zu vermeiden, habe er, der Herzog, sich bereit erklärt, mit Beihülfe der Stiftsstände ein eignes Gericht im Bisthum zu halten, doch müßten die Appellationen von diesem ebenfalls an das meklenburgische Hofgericht gehen. Er habe zur Schlichtung des Streites vorgeschlagen, man wolle sich Rechtsbelehrungen von zwei unparteiischen juristischen Facultäten holen, und bei ungleichem Urtheil dieser eine dritte Facultät entscheiden lassen. Diesen Vorschlag aber wollten die Capitularen nicht annehmen. Endlich erzählte er noch, daß im Jahre 1574 das ganze Capitel von Joach. v. Wopersnow beim Hofgericht zu Güstrow verklagt sei und diesem Gericht seinen Procurator gestellt habe. Nachdem die Königin den Herzog Ulrich dann noch einmal gebeten hatte, er möge, trotzdem die Verhandlungen "unfruchtbar abgegangen", noch einmal versuchen, Einigkeit herzustellen, damit "seine Successoren deshalb nicht von Meklenburg und dem Capitel beschwert" würden, versprach der Herzog, er wolle sich der Jurisdictionsfrage noch ferner angelegen sein lassen.

Einer der Domherren, Joach. v. Bassewitz, zugleich herzoglicher Amtmann zu Dobbertin, sagte sich unmittelbar nach der Güstrower Conferenz von dem Vorgehen des Capitels los. Am Montag nach Weihnachten (1595) schrieb er an Herzog Ulrich, er habe sich bisher wegen seines Eides den übrigen Capitularen angeschlossen, da aber dies von dem Herzog übel vermerkt würde, so solle ihm seines Fürsten "Wohlgewogenheit und Gnade viel lieber sein als vorgedachte Sache." Um den Herzog wieder ganz zu versöhnen, suchte er die Vermittelung von dessen Gemahlin, der Herzogin Anna, nach, und so erlangte er wieder Gnade.

Nicht so glücklich wie er war sein College Otto v. Wackerbarth, welcher zweimal an die Herzogin Anna schrieb, um die Gunst seines Fürsten wieder zu erhalten. Herzog Ulrich traute ihm als dem Hauptführer der Domherren in dem Jurisdictionsstreit nicht mehr.

Der Vorschlag Ulrichs Rechtsgutachten einzuholen kam indessen doch so weit zur Ausführung, das die Domherren die juristische Facultät zu Helmstedt unterm 22. Dec. 1595 um ein Urtheil baten. Aus dem dieser Bitte angeschlossenen Bericht mag

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mitgetheilt werden, daß Herzog Ulrich, nachdem er vom Capitel und der Stadt Bützow wegen des oben erwähnten Falles beim Reichskammergericht verklagt sei, "trotz 3 erhaltener kaiserlicher Inhibitiones sich unterstanden" habe, auch andere Stiftsstände und bischöfliche Amtleute vor sein Hofgericht zu ziehen. Die Frage welche die Facultät ihnen beantworten sollte, lautete: "Hat nach Inhalt der übersandten Acten das Stift die Jurisdiction I., II. und III. instantiae an Meklenburg verloren?"

Die übersandten Acten waren nach einem Inhaltsverzeichniß Abschriften von Urkunden, welche die Stiftung und die kaiserlichen und päpstlichen Confirmationen des Bisthums, sowie die Verträge der Bischöfe und des Capitels mit den Herzogthümern Meklenburg, der Grafschaft Schwerin und dem Königreich Dänemark betreffen 1 ), und Abschriften von den Acten, die in neuerer Zeit in diesem Streit mit Herzog Ulrich erwachsen waren.

Das Helmstedter Urtheil wurde schon am 5. Jan. 1596 gefällt; es lautete: "Durch die übersandten Acten, inc. der vorgekommenen Fälle der Rechtsprechung des meklenburgischen Hofgerichts, ist die possessio jurisdictionis Meklenburgs nicht genügend erwiesen, um so weniger, das man an das Hofgericht und nicht an pro tempore administratorem appelliren müsse."

Mit diesem Gutachten wandten sich nun die Domherren an die meklenburgischen Räthe, welche der Bützower Conferenz im vorigen Monat beigewohnt hatten, und baten, sie möchten sich der Streitfrage um die Stiftsjurisdiction annehmen, damit dieselbe gütlich beigelegt werde. Die Räthe berichteten aber zunächst an ihren Herzog, und dieser erwiderte ihnen, das der Bericht der Domherren an die Juristenfacultät nicht capitulariter (jedenfalls fehlte die Mitwirkung v. Bassewitzens) gefaßt sei, und darum weder er, noch die Antwort der Facultät eine Bedeutung habe. Der Herzog wollte, daß das Capitel diese Sache noch einmal einer "unverdächtigen" Facultät vortrage.

Seinerseits ließ nun Herzog Ulrich mit dem Ersuchen um ein Rechtsgutachten einen Bericht an die Juristenfacultät zu Frankfurt (d. d. 31. Jan. 1596) aufsetzen, in welchem die Sachlage folgendermaßen dargestellt wurde:


1) Mekl. Urk.=B. Nr. 56, 57, 91, 149, 202, 930, 1766, 4075, 4082, 4314, 4786, ferner Kaiser Karls IV. Schutzbrief von 1354, Herzog Heinrichs von Meklenburg Schutzbrief von 1453, Kaiser Maximilians Privileg von 1515.
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1) Das Bisthum Schwerin sei 1062 von Ulrichs Vorfahren Gottschalk gestiftet und fundirt, 1170 von Herzog Heinrich von Sachsen renovirt und darauf von den meklenburgischen Herzogen und anderen dotirt. 1 )

2) Die meklenburgischen Herzoge hätten immer "Hoheit, Gerechtigkeit und Jurisdiction am Stift gehabt und exercirt."

3) Die Bischöfe seien von den meklenburgischen Herzogen immer zu Rath gefordert, zu Legationen gebraucht und zu Landtagen verschrieben.

4) Das Stift sei von Meklenburg mit Collecten und andern oneribus belegt.

5) Der (bekannte) Vertrag von 1523 sei vom Bischof und Capitel als einem Prälatenstand mit dem bischöflichen Secret und dem Capitelsiegel untersiegelt.

6) Seit Bischof Magnus 1546 die Türkensteuer selbständig, obwohl mit Protest, gezahlt habe, sei das Bisthum als ein besonderer Stand in die Reichsmatrikel geschrieben; aber hiergegen hätten die Herzoge von Meklenburg Verwahrung eingelegt und führten auch noch jetzt deshalb einen Proceß mtt dem Reichsfiscal.

7) Durch die Constitution von 1571 sei Meklenburg in 6 Kirchenkreise getheilt, das Bisthum Schwerin gehöre mit der Grafschaft Schwerin zu einem (dem 4.) dieser Kreise, und es müsse aus dem Stift vom Urtheil des Superintendenten an das Consistorium in Rostock appellirt werden. 2 ) Es hätten auch Stiftsunterthanen in der That an das Rostocker Consistorium und von diesem wieder an das meklenburgische Hofgericht appellirt. 3 ) Auf Bitten des


1) Als Quelle dieser Nachrichten sind angeführt: Krantz Vand. lib. IV, cap. 8 u. Metrop., lib. 4, cap. 40 u. 43.
2) Diese Darstellung ist, wie wir aus dem 2. Theil S. 254 ff. wissen, unrichtig. Thatsächlich war der Stiftssuperintendent nur zu Ulrichs I. Zeit zugleich Superintendent in der Grafschaft. Das Stift hatte sein eignes Consistorium nach der Verordnung von 1567.
3) Diese Behauptung ist zwar richtig; aber es hätte doch hinzugefügt werden müssen, daß Herzog Ulrich unterm 12. Jan. 1586 den Kirchengerichtsräthen zu Rostock befahl, keine Stiftssachen anzunehmen, sondern dieselben an ihn, den Herzog, zu schicken, damit sie dem Stiftsconsistorium übergeben und so dem Stift "in nichts präjudicirt" werde. Trotzdem erschien freilich 19. März 1588 in Sachen des Claus Scherff zu Bützow wider seine Ehefrau pto. Ehebruchs nach den gerichtlichen Verhandlungen des Consistoriums zu Rostock im Namen Ulrichs das Urtheil, und von diesem Urtheil wurde an das Güstrower Hofgericht appellirt. Die Capitularen behaupteten nun, dieser Fall sei ganz unpräjudicirlich, da von einem incompetenten Gericht an ein anderes incompetentes appellirt sei.
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Capitels habe zwar Ulrich "auf gewisse Maße consentirt" und bisweilen ein besonderes Stiftsconsistorium gehalten; aber trotzdem habe das Rostocker Consistorium immer "freien Lauf gehabt."

8) In der verbesserten meklenburgischen Land= und Hofgerichts=Ordnung, welche 1569 vom Kaiser bestätigt und 1570 publicirt worden, werde bestimmt, daß in diesem Judicium 4 Landräthe, 4 gelehrte Räthe, 1 Doctor der Universität, 1 Gelehrter aus dem Stift und 2 Bürgermeister (aus Rostock und Wismar) sitzen sollen. Diese Gerichtsordnung sei unter Beirath von Stiftsständen entworfen, und seit ihrer Einführung habe immer Einer aus dem Stift, u. a. der Propst v. Wackerbarth, dem Hofgericht als Assessor beigewohnt. 1 )

9) "Etliche" aus dem Capitel hätten aber ein besonderes Stiftsgericht gewünscht und sich am 30. Dec. 1570 über das meklenburgische Hofgericht bei Ulrich beklagt.

10) Der Herzog habe nach vielen Verhandlungen sich endlich für den Mittelweg erklärt und soweit nachgegeben, daß er ein eignes Stiftsgericht, von welchem aber an das meklenburgische Hofgericht appellirt werden dürfe, versprochen habe.

11) Darauf sei er am 4. Mai 1593 noch weiter gegangen und habe bewilligt, daß in reinen Stiftssachen nur an den Bischof solle appellirt werden. Weil aber die Domherren auch die Appellation an das kaiserliche Kammergericht hätten haben wollen, die bisher nie stattgefunden, so hätte der Herzog am 19. Nov. 1593 sein früheres Zugeständniß wieder zurückgenommen und seinen Befehl vom 20. Jan. 1588 erneuert.

12) 1594 wäre der Magistrat zu Bützow ob male administratam justitiam vor das meklenburgische Land= und Hofgericht citirt, er hätte aber durch seinen Syndicus exceptionem fori einwenden lassen. Als nun Ulrich unterm 22. Jan. 1594 dem Magistrat befohlen, sich der Ordnung gemäß diesem Gericht zu stellen, da hätten der Magistrat und das Domcapitel an das Kammergericht appellirt. Weiter wird nun über die Bützower Conferenz im December 1595 berichtet und bei der Gelegenheit erzählt, daß trotz des Widerspruchs der Capitularen mehrere Fälle, in welchen bloße Stiftsdifferenzen von dem meklenburgischen Gericht erledigt


1) Auch dies hat seine Richtigkeit. Nach seinen eignen Rechnungen liquidirte v. Wackerbarth mehrmals seine Ausgaben während der Gerichtssitzungen zu Güstrow. In der letzten Rechnung (von 1597) fordert er für 15 Tage (12. bis 27. Jan.) 19 Thlr. 3 ßl. Lüb.
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worden, könnten nachgewiesen werden. 1 ) Nachdem dann mitgetheilt ist, daß die Capitularen den Vorschlag des Herzogs Facultäts=Gutachten einzuholen, nicht angenommen, wird endlich die Frage gestellt, ob das meklenburgische Land= und Hofgericht in possessione vel quasi jurisdictionis et superioritatis sei.

Das aus Frankfurt geschickte Facultäts=Gutachten gab selbstredend dem Herzog Ulrich völlig Recht.

Nach Herzog Ulrichs Wunsch hätte nun, da die beiden Rechtsgutachten ungleich waren, ein drittes, entscheidendes Urtheil eingeholt werden müssen. Dazu kam es aber anscheinend nicht, doch ließ man auch die Streitfrage nicht ganz ruhen. Es verhandelten die Parteien bald wieder schriftlich. Unterm 27. April 1597 schlug der Herzog dem Capitel vor, es sei das Beste, daß bis zur Entscheidung des Kammergerichts ein Stiftsgericht erster Instanz auf des Administrators und des Capitels gemeinsame Kosten angeordnet und von diesem nöthigenfalls an das meklenburgische Hofgericht appellirt werde. Das Capitel erwiderte 22. Oct. 97, daß es diese Appellation nicht zulassen dürfe, lieber möge wieder wie früher die Berufung an die bischöfliche Kammer gestattet werden.

Seitdem geriethen die Vergleichsversuche ins Stocken, und zwar aus dem Grunde, weil der Propst v. Wackerbarth, der eifrigste Vertheidiger der Unabhängigkeit des Stifts, alt und schwach wurde und endlich, 1599, aus dem Leben schied. Erst nach mehreren Jahren, 20. Jan. 1602, fordert Herzog Ulrich das Capitel zur Fortsetzung der gütlichen Verhandlungen, die seit Wackerbarth's Tode unterbrochen seien, wieder brieflich auf. Die Domherren baten dann in ihrer Antwort auf Ulrichs Brief um eine Conferenz in Bützow, zu welcher auch der Coadjutor Ulrich II. geladen werden möchte. Sie erhielten nun zwar die Einladung nach Bützow zum 1. Nov. 1602, zugleich aber auch die entschiedene Erklärung, daß der Herzog den Coadjutor nicht laden werde, "weil wir des Stifts vollkommene Administration vor uns behalten wollen." Nach langem Besinnen antwortete das Capitel am 30. October mit einer Ausflucht, daß es die Conferenz nicht beschicken könne, weil diese nicht dem Capitel im Namen Ulrichs,


1) Angeführt sind folgende Fälle: 1) die Klage gegen die von Preen auf Lübzin, welche nicht in Meklenburg begütert seien und sich doch dem mekl. Gericht gestellt hätten. 2) Der Proceß von Wopersnow's Erben wider das Capitel (1574 u. 75). Hier sei zwar exceptio fori eingewandt, aber nicht appellirt. 3) Die Klage des Bernd Rosenhagen wider die von Bülow auf Zibühl pto. des Gutes Zibühl, in welcher am 16. April 1589 von dem Hofgericht das Urtheil vekündet worden.
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sondern nur dem Propst durch den Rath Reutze, und zwar bei Gelegenheit eines andern Schreibens angekündigt worden. Mit einer Ausflucht, sagen wir, denn jedenfalls mußte wenigstens der Propst wissen, daß das Capitel ganz förmlich eingeladen war, da sich unter den Acten, welche später im Besitz seiner Erben waren, eine von Herzog Ulrich eigenhändig unterschriebene, erbrochene Einladung an das Capitel vom 22. Juni findet.

Dies ist die letzte Nachricht über den Jurisdictionsstreit zur Zeit Ulrichs I. Mit dem Regierungsantritt Ulrichs II. änderte sich die Sachlage, wie in dem oben erzählten Streit um die Unmittelbarkeit des Stifts überhaupt, insofern wesentlich, als nun mit den Ständen der Administrator nicht nur das Jurisdictionsrecht des Stifts verfocht, sondern auch ohne Weiteres selbständige Stiftsgerichte einsetzte. Man war sich also im eignen Lande völlig einig, und es galt nur den Kampf gegen Meklenburg auszufechten.

Leider ist über die Jurisdiction im Stift während der Herrschaft der beiden dänischen Prinzen (1603 - 1626) so gut wie garnichts überliefert; aber eben weil keine Nachrichten vorhanden sind, dürfen wir annehmen, daß die Rechtspflege nach den Bestimmungen der Capitulationen der beiden Administratoren (von 1597 und 1622) und zur Zufriedenheit der Stiftsstände geübt wurde. Darnach werden die Stiftsstände in ihren Gebieten die Jurisdiction 1. Instanz erhalten, die Administratoren hingegen im Domanium und in der amtssässigen Stadt Warin die niedere Gerichtsbarkeit durch ihre Beamten verwaltet haben. Ein Gericht 2. Instanz kann nicht gefehlt haben, allem Anschein nach fungirte als solches die bischöfliche Kanzlei zu Bützow; denn nachweislich war noch unter der Herrschaft des Herzogs Adolf Friedrich die bischöfliche Kanzlei das Hauptgericht im Stift. Wo es nöthig war, werden außerdem die Administratoren die Appellation an das Reichskammergericht gestattet haben.

In Meklenburg folgte dem Herzog Ulrich dessen jüngster Bruder Karl in der Regierung (1603 bis 1610); er erbte mit dem Thron des Herzogthums Meklenburg (= Güstrow) auch den Streit um die Hoheitsrechte über das Stift. Seine Ansicht über diese Streitfrage war der seines Vorgängers gleich, aber sein Eifer und seine Ausdauer waren viel geringer. Uebrigens wurde ihm auch kräftiger Widerstand geleistet, und er befand sich nicht mehr wie Ulrich I. in possessione des streitigen Rechts.

Utrich II. hatte kaum die Stiftsregierung angetreten, als er seinen festen Willen, die selbständige Jurisdictionsgewalt des Stifts

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entschieden zu vertheidigen, unzweideutig kund gab. Schon am 1. Mai 1603 nämlich verbot er dem Dompropst v. Bassewitz, einer etwaigen Einladung zur Assessur beim meklenburgischen Hofgericht zu folgen, und am Tage darauf schrieb er an Herzog Karl, daß es dem Bisthum Schwerin nicht zum Präjudiz gereichen solle, wenn das Capitel früher aus seiner Mitte einen Assessor zum Hofgericht geschickt habe. Er beanspruche völlig selbständige Jurisdiction für sein Stift, doch sei er, um den vorhandenen Streit aus der Welt zu schaffen, erbötig, in gütliche Verhandlungen mit Meklenburg zu treten. Herzog Karl antwortete (6. Mai), er wisse nichts von Differenzen wegen der Jurisdiction, müsse darum auch Ulrichs Protestation "an ihren Ort gestellt sein" lassen. Den von dem frühern Propst Otto v. Wackerbarth ohne Wissen Ulrichs I. und des Capitels beim Reiche anhängig gemachten Appellations=Proceß wolle auch er gern auf gütlichem Wege beigelegt sehen.

Wie früher dem Propst, verbot Ulrich II. unterm 8. Juni 1603 dem ganzen Capitel die Beschickung des Hofgerichts bis zur rechtlichen Entscheidung der Streitfrage, "damit kein Präjudiz entstehe." Vorgebeugt war also zur Genüge.

Als nun Herzog Karl am 30. Aug. 1603 dem Capitel befahl, "die aus seinem Mittel hiebevor dem Gericht verwandt gemachte Person" zum Hofgericht am 4. Oct. nach Wismar zu schicken, mußte der Propst v. Bassewitz dem Herzog zunächst persönlich erklären, daß das Capitel seinem Befehl nicht Folge leisten könne, und darauf (22. Septbr.) wurde vom Capitel diese Erklärung, der eine Abschrift von Ulrichs II. Verbot beigelegt war, schriftlich abgegeben. Das Capitel sandte in der That den Assessor nicht, und Herzog Karl verlangte es auch anscheinend seitdem nicht wieder.

Unter der Herrschaft der Herzoge Adolf Friedrich von Meklenburg=Schwerin (1608 bis 1658) und Johann Albrecht II. von Meklenburg=Güstrow (1611 bis 1636) wurde wiederum der Assessor vom Capitel verlangt, und zwar für das Hofgericht zu Rostock. Aber Ulrich II. verbot sofort (12. Febr. 1610) wieder den Protonotarien des Hofgerichts, Einladungen an das Domcapitel zu schicken. Sollte es geschehen, so drohte er, so würde er "die Boten dergestallt empfangen, daß andre sich daran bedenken und stoßen sollten." Und dem Capitel befahl er (eod.), die Hofgerichtsboten mit ihrem Einladungsschreiben wieder zurückzuschicken. Wenn dieselben trotzdem aber wieder kämen, so sollten sie zum dritten Mal gefangen genommen und auf den Thurm zu Warin gesetzt werden.

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Natürlich theilten die Protonotarien das Schreiben Ulrichs II. den meklenburgischen Herzogen mit, und diese erklärten darauf am 7. Jan. 1611, Meklenburg habe das Recht, vom Capitel einen Assessor zum Hofgericht zu fordern; Ulrich möge daher dem Capitel befehlen, die Assessur zu leisten. Der Administrator erwiderte am 21. Jan., daß er die verlangte Assessur nicht zulassen werde. Wenn auch zu Ulrichs I. Zeit ein Domherr in Meklenburg Gerichtsassessor gewesen wäre, so bedeute das für ihn nichts, und seit seiner Regierung stelle das Capitel den Assessor nicht mehr. Das Stift sei "immediato statu dem Reiche zugethan", er wundere sich darum, daß man die Assessur aus demselben verlange. Herzog Karl habe es nie gethan. (!)

Wahrscheinlich ruhte der Streit nun wieder eine Weile, bis die beiden meklenburgischen Herzoge am 27. Nov. 1612 in einem sehr ausführlichen Schreiben, ähnlich wie Herzog Ulrich I. 1596, die Jurisdictionsrechte ihres Landes über das Stift begründeten und schließlich baten, der Administrator möge dem Capitel befehlen, daß es den Assessor wieder zum Hofgericht stelle. Ulrich II. vertrat aber in einem ebenso ausführlichen Antwortsschreiben vom 1. Jan. 1613 in der Weise, wie früher die Capitularen, die Rechte des Stifts. Neu sind nur die Behauptungen, daß die Nachricht der Historiker über die Gründung des Stifts durch Gottschalk "ungewissen Grund" habe, daß in der vom Kaiser bestätigten meklenburgischen Landgerichtsordnung nichts von der Pflicht des Stiftes stehe, und daß die Bestimmung von 1570 ein großer Mißverstand und daher nicht präjudicirlich sei, zumal da das Capitel protestirt habe. Und selbst kaiserliche Confirmationen könnten niemals Rechte Andrer nehmen. Die Capitularen hätten früher die Assessur nur precarie ihrem Administrator zu Gefallen honoris et officii gratia geleistet. Es wäre also diese Assessur nur "ein pur, lauter freiwillig Ding"; sie hätte wohl zur Zeit Ulrichs I. Platz finden mögen, für die jetzigen Verhältnisse passe sie nicht mehr. Die Herzoge möchten darum von ihrer Forderung abstehen, wie es Herzog Karl gethan, der doch auch in Meklenburg regiert habe, oder aber den Streit vor dem Kammergericht ausfechten.

Die meklenburgischen Herzoge suchten nun nach Empfang von Ulrichs II. Schreiben sich darüber zu verständigen, was zu thun sei. Johann Albrecht meinte zwar, daß der Administrator die Reichsunmittelbarkeit keineswegs besitze, und ebenso wie die Session auf den Kreistagen sich auch die Jurisdiction im Stift anmaße; aber er war doch zweifelhaft, ob Meklenburg jetzt etwas ausrichten könne. Darum stellte er es Adolf Friedrich anheim zu entscheiden,

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ob der Jurisdictionsstreit fortgesetzt werden solle oder nicht. Dieser scheint übrigens nicht zur Fortsetzung geneigt gewesen zu sein, und der Streit wird in Folge dessen viele Jahre geruht haben.

Aber Herzog Johann Albrecht konnte ihn doch nicht ganz vergessen. Immerfort erwog er, wie er die schon von Ulrich I. beanspruchte Jurisdiction im Stift gewinne, und kam dabei auf den Gedanken, er wolle das Gutachten der Frankfurter Facultät, welches jener Herzog im Jahre 1596 (S. 173) einforderte, als Beweismittel für sein Recht benutzen. Dieses Gutachten war aber nicht mehr aufzufinden, und er bat darum Adolf Friedrich, daß er ein Gesuch an die genannte Facultät um eine Copie jenes Rechtsspruches mit unterschreiben und außerdem in Wismar, wo zu Johann Albrechts I. Zeit die Rechtstage gehalten worden, möge nachforschen lassen, ob das Capitel schon damals, also vor der Einführung der Hofgerichtsordnung, einen Assessor geschickt habe. Adolf Friedrich unterschrieb und ließ auch die Nachforschungen im Wismarschen Rathsarchiv anstehen. Die Resultate derselben sind nicht bekannt; vermuthlich waren sie negativ, da die Acten wiederum seit einer Reihe von Jahren über diesen Gegenstand völlig schweigen.

Indessen hatte man in den nächsten Jahren wegen der Kreisunruhen auch nicht Zeit, um diese Fragen sich zu kümmern, und ganz unmöglich war es den meklenburgischen Herzogen, als sie, aus ihrem Lande vertrieben, Wallenstein die Herrschaft in Meklenburg und im Stift Schwerin ganz überlassen mußten. Während dieser Zeit ging es eben so, wie es dem jeweiligen Gewalthaber oder dessen Räthen beliebte. Zur Zeit Wallensteins wurde das Stift für ein Meklenburg incorporirtes Land angesehen, so wünschte es vor allem die herzogliche Kammer; eine eigne Stiftsjurisdiction brauchte man darum nicht. Aus einem Schreiben des Herzogs Adolf Friedrich vom 12. Jan. 1637 geht hervor, daß die Stiftsunterthanen durch eine "Verordnung des Friedländers" an das Güstrower Gericht gewiesen wurden. Ebenso erzählt Martin Bökel (1592 - 99 Kanzlei=Substitut, 1599 - 1603 Visitations=Notar unter Herzog Ulrich), daß unter Wallenstein weder zu Bützow, noch zu Güstrow eine Stiftsregierung oder=Kanzlei gehalten sei. Alle Stiftsunterthanen hätten in der Meklenburg=Güstrow'schen Kanzlei "activ und passiv" zu Recht bestanden. Die Stiftsacten wären nicht abgesondert worden, "sondern mit den übrigen in ein Gesammtalphabet und Corpus gereiht", aber nach Aemtern geordnet. Unter der Herrschaft der Schweden kann von einer geordneten Rechtspflege um so weniger die Rede sein,

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als das Stift sich damals völlig im Belagerungszustand befand. Die schwedischen militärischen Commandeure werden wie in andern Dingen auch in Rechtsfragen nach ihrem Ermessen haben entscheiden lassen. Wir haben übrigens über diese ganze Zeit actenmäßige Berichte garnicht. Erst als Herzog Adolf Friedrich Aussicht gewann, die Herrschaft im Bisthum zu erlangen, erfahren wir wieder Etwas über den Jurisdictionsstreit. Unterm 23. Sept. 1633 erinnerte nämlich Herzog Johann Albrecht daran, das das Domcapitel früher einen Assessor zum Landgericht geschickt habe. Er wünschte, das jetzt das Capitel wieder von beiden meklenburgischen Herzogen aufgefordert würde, die Assessur zu leisten. Adolf Friedrich wollte aber nicht mit auffordern; denn er verhandelte grade mit den Domherren wegen seiner Capitulation und mußte Alles vermeiden, was diese Herren ihm entfremden konnte. Ob er darum auf einen zweiten Wunsch seines Bruders, daß das Hofgericht im Namen der Herzoge ohne deren Unterschrift die Aufforderung an das Capitel erlasse, einging, ist wenigstens zweifelhaft

In der 1634 mit dem Capitel abgeschlossenen Capitulation (2. Th., S. 205 ff.) versprach Herzog Adolf Friedrich, für eine gute selbständige Justizpflege im Stift zu sorgen. Den Ständen sollte auf ihrem Gebiet, wie früher, die niedere Gerichtsbarkeit überlassen werden, als ein höheres Gericht sollte die herzogliche (Stifts=) Kanzlei fungiren, der zu dem Zwecke ein Capitular beigeordnet werde (Capitulation §. 5, 12, 13, 18). In Betreff der geistlichen Jurisdiction verhieß er "gebührende Verordnungen". Und der Herzog hielt als Stiftsregent sein Versprechen gewissenhaft. Denn die noch wiederholt versuchten Uebergriffe des meklenburgischen Hofgerichts auf die Stiftsrechtspflege wies er mit aller Entschiedenheit zurück. Als 1635 wider Jürgen v. Warnstädt auf Vogelsang (bei Neubukow), der wegen Schuld von dem Wismarschen Bürger Maaß verklagt und vom meklenburgischen Hofgericht, damals zu Sternberg, verurtheilt war, die erkannte Execution von den Beamten zu Doberan vollzogen werden sollte, verbot der Herzog die Execution, da das Hofgericht in Stiftssachen kein Urtheil fällen dürfe, weil "solche Sachen an die herzogliche Kanzlei in Schwerin gehen." Ebenso befahl er 1637 dem Sternberger Gericht, das mit Strafmandaten gegen Stiftshauptmann Heinrich v. Hagen vorging, den Stiftshauptmann nicht weiter zu belästigen, "da er billig allein für uns und unsre Schwerinsche Stiftskanzlei zu besprechen." Wiederum erklärte er 1637, das Hofgericht solle die Klage wider den Stiftslehnsmann v. Levetzow auf Gülzow fahren lassen,

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da bestimmt wäre, "daß unsre Stiftsstände, =Lehnsleute und =Unterthanen für unserm Gericht zu Recht stehen sollen, deßwegen unsre bischöfliche Regierung in unsrer Residenz Schwerin angeordnet. Wir befehlen Euch demnach gnädiglich, daß Ihr diese Sache wegen des Gutes Gülzow, des Friedländers Verordnung ungeachtet, dahin remittirt."

So blieb es bis über den westfälischen Frieden hinaus; denn noch 1654 schrieb Adolf Friedrich an das Sternberger Hofgericht, es habe widerrechtlich das Testament des verstorbenen Chr. Grabow auf Prüzen publicirt, da das Gut Prüzen zum Stift gehöre. Es müsse daher das Testament sofort an die Schweriner Kanzlei geschickt werden.

Und der Proceß: Meklenburg wider das Stift pto. jurisdictionis? - Er "schwebte noch zu Speier in unerörterten Rechten."

C. Die Besitzungen und Rechte bei Administratoren außerhalb
der Stiftsgrenzen in Meklenburg.

1) Die Officialei Rostock.

Zwei Stiftsinstitute besonderer Art waren die Officialei zu Rostock und die Collectorei zu Waren. Mit dem Aufhören der geistlichen Gerichtsbarkeit über die ganze bischöfliche Diöcese wurden nämlich die Archidiaconate überflüssig, und es fragte sich nun, wer künftig die Hebungen derselben, den alten Bischofszehnten, einnehmen sollte. Während die Einkünfte der übrigen Archidiaconate verloren gingen, rettete der Administrator die des Rostocker und des Warener Sprengels und bildete aus diesen die genannten Hebungsämter.

Zur Officialei in Rostock gehörte ein Haus mit Nebengebäuden (jetzt das Teutenwinkelsche Amtshaus am Amberg Nr. 12), welche gewöhnlich der Einnehmer der Officialei=Hebungen, Officialist genannt, bewohnte. Die Gebäude und deren Insassen standen unter der Jurisdiction des Stiftsadministrators, waren also von der Rostocker Gerichtsbarkeit befreit, ebenso waren sie frei von allen städtischen Lasten. Als in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts neben andern Differenzen auch Streitigkeiten der Landesherren mit der Stadt Rostock wegen der Jurisdiction auf der Officialei entstanden waren, versuchte man eine gütliche Beilegung derselben. Herzog Adolf Friedrich schloß in Folge dessen unterm 22. Nov. 1642 für sich und in Vormundschaft des Herzogs Gustav Adolf

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mit Rostock einen Vertrag, welcher in Bezug auf die Officialei lautete:

"Die Officialei belangend, ist beliebet und bewilliget, wann jemand daselbst delinquiren und sich in die Stadt salviren, daselbst aber oder sonst in der Stadt Botmäßigkeit betroffen oder angehalten würde, daß derselbe I. F. G. gegen einen Revers jedes Mal unweigerlich ausgefolget soll werden. Es soll aber über den Missethäter oder sonst sein Recht auf der Officialei gehalten, sondern derselbe nach geschehener Ausfolgung, oder da er auch in loco angehalten wäre worden, außerhalb der Stadt Rostock und derselben Botmäßigkeit an Ort und Enden, da es I. F. G. gefällig, von I. F. G. Dienern geführt, die Sache cognoscirt, Urtheil und Recht darüber gesprochen und exequirt werden. Hingegen haben I. F. G. gnädig versprochen, wenn jemand in der Stadt Rostock und derselben Botmäßigkeit delinquiren und sich in die Officialei retiriren würde, daß Sie denselben ebenmäßig gegen einen Revers der Stadt Rostock jedes Mal unweigerlich ausfolgen lassen wollen."

Zur Officialei gehörte um 1600 das Recht Bier und Wein zu schenken, doch wußte man 1620 nicht sicher, ob die Schankgerechtigkeit schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts bestanden habe.

Bei dem Hause lag der Garten der Oficialei; früher gehörten derselben, wie nach Aussage des Capitäns Michel Graß "der alte Elias Möller" 1620 behauptet haben soll, 2 Gärten und das "Münchefeld" bei Bentwisch von 8 Hufen Landes. Dies Mönchfeld war aber damals längst in den Besitz des Rostocker Rathes gekommen, der einen Theil davon an Henning Beselin erblich verkauft hatte. Nach andern Behauptungen sollten früher zur Officialei mehrere Häuser mit Gärten gehört haben. Wenn das der Fall war, so werden diese Besitzungen in der Reformation verloren gegangen sein.

Werthvoll war die Rostocker Officialei für das Stift weniger wegen des Wohnhauses, als wegen der beträchtlichen Hebungen, die seit alter Zeit mit ihr verbunden waren. Das Landbuch für das Stift Schwerin von 1581 berichtet, daß die Officialei beziehe:

1) Geldhebungen

aus Rostock 1 ), Lage, Gr. und Kl. Wardow, "Gr. Preßen" (Bresen bei Sülze), Gr. und Kl. Lantow, Kl. Ridsenow,


1) Die gesperrt gedruckten Orte sind auch in der Officialei=Rechnung von 1670/71 aufgeführt.
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Kl. Wozezen (Wozeten bei Lage), Kronskamp, Damen, Dummerstorf, Scharstorf, Gr. Reze (Reez bei Schwan), Sanitz, Niekrenz, Reppelin, Kl. Reppelin, Petschow, Godow (A. Ribnitz), Bussewitz, Steinfeld (bei Rostock), Allerstorf, Jankendorf, Poppendorf, Fahrenhaupt (Varnnhop), Kölzow, Dettmannstorf, Kl. Tessin (bei der Stadt Tessin), Grammerstorf (jetzt nur noch Gramstorfer Feldmark bei Tessin), Helmstorf, Stormstorf, der "wüsten Feldmark Kl. Gnevitz, v. d. Lühe zu Külzow gehörig", Kammin (bei Lage), Kossow, Kötwin, Weitendorf (bei Lage), "Dopstorf (Deperstorf bei Tessin), "Warnnstorf" (Wahrstorf), "Wendorf" (Wenendorf), "Canekel" (Kankel bei Schwan), Dolgen, Siemitz, Röknitz, Knegendorf, "Luzow" 1 ), "Peryede" 2 ), Kritzkow, Zehlendorf, Bentwisch, Albersdorf, Kl. Kussewitz, Harmstorf, Riekdahl, Pastow, Teschendorf, Hohen Schwarfs ("Schwervitz"), Ikendorf, Fresendorf, Neuendorf (bei Rostock), Fienstorf, Wozeze (Zeez bei Schwan?), Kukstorf, Dudendorf, Kuhlrade, in Summe 139 Fl. 3 ßl. 6 Pf. oder 210 Mark 2 ßl.

2) Kornzehnten, a. Roggen

aus Lütten Klein, Gr. Ridsenow, Finkenberg, Bentwisch, Albertsdorf, Riekdahl, Schmadebek, Barnstorf, ("Parrenstorf, 4 Hufen hat die Stadt Rostock zu einem Hof zusammengelegt und gibt dafür"), Sildemow, Gr. Schwaß, Niendorf (Kirchsp. Biestow), in Summe 17 Dpt. 8 3/4 Schff.

b. Gerste

aus Lütten Klein, Gr. Ridsenow, Finkenberg, Bentwisch, Neuendorf (bei Rostock), Schmadebek, Barnstorf, Sildemow, Gr. Schwaß, Niendorf (Kirchsp. Biestow), in Summe 16 Dpt. 10 Schff. 3 Faß.

c. Hafer

aus Lütten Klein, Gr. und Kl. Lantow, Gr. Ridsenow, Dummerstorf, Damm, Schlage, Kokendorf, Goldenitz (bei Schwan), Finkenberg, Bussewitz, Steinfeld, Brünkendorf (Brunekend.), Helmstorf, Kammin, Kossow, Kötwin, Weitendorf, Bentwisch, Albertsdorf, Riekdahl, Pastow, Teschendorf, Schmadebek, Neuendorf (bei Rostock), Barn=


1) Wohl Lissow bei Lage.
2) Untergegangen in der Gegend von Kritzkow.
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storf, Fienstorf, Kl. Kussewitz, Harmstorf, Sildemow, Gr. Schwaß, Niendorf (Kirchsp. Biestow), in Summe 130 Dpt. 5 Schff.

Die ganze Summe der Kornhebung betrug also fast 2000 Scheffel und hatte selbst im 16. Jahrhundert einen Werth von etwa 2000 Mark.

Die Officialei=Rechnung von 1670/71 zählt außer den gesperrt gedruckten Ortschaften noch auf: 1) bei der Geldhebung: Kossow, Bandelstorf, Schlage, Göldenitz, Kokendorf und Kassebohm, 2) bei der Roggenhebung: Kassebohm und Pastow. Sie kommt in der ganzen Jahreseinnahme auf 237 Fl. 14 ßl. 10 Pf., 14 Dpt. 4 Schff. Roggen, 11 Dpt. 5 Schff. Gerste und 115 Dpt. 3/4 Schff. Hafer.

Die Hebungen nahm ein im Solde des Administrators stehender Beamter, der Officialist, ein. 1567 wurde von Herzog Ulrich dem Rath Georg Kummer die Officialei (als Wohnung?) verliehen. Später besorgte der Kanzler Jacob Bording die Geschäfte eines Officialisten; doch wurden sie ihm bald lästig, und Herzog Ulrich befahl deshalb am 31. Jan. 1581 dem Amtmann Bastian Barner zu Doberan, die Schlüssel der Officialei an sich zu nehmen, natürlich um Bording abzulösen. Ob diese beiden Beamten auf der Officialei selbst wohnten, berichten die Acten nicht; aber der schon genannte alte Elias Möller sagt 1621 als Zeuge aus, daß dort nach einander ihre Wohnung hatten: Dr. Hoffmann, Dr. Bouke, "der Maler" (Geometer) Peter Bökel, Johann Thielcke und Barner. In der Reihenfolge der Bewohner irrte sich Möller, wie wir bald sehen werden, doch dürfen wir ihm sonst wohl Glauben schenken. 1600 bewarb sich Peter Lange, der früher 6 Jahre Küchenschreiber und Diener bei dem Herzog Ulrich II., dem damaligen Coadjutor des Stifts, gewesen war, um die Officialei=Wohnung, "die Bastian Barner eine geraume Zeit verwaltet." Anscheinend bekam er sie nicht oder nur für kurze Zeit, denn die Acten berichten bald, daß Johann Thielcke den Dienst erhielt. Später verrichtete den Officialeidienst "auf bestimmte Jahre", die 1613 "bald um waren", Joachim v. Bassewitz d. j. zu Hohen=Lukow; nach diesem bekam Michel Graß die Verwaltung. Die Verwalter mußten damals Caution stellen und Rechnung ablegen. 1630 wurde Chr. Polack Officialist. Unterm 9. Jan. 1634 schenkte der schwedische Kanzler Oxenstierna dem Residenten Eßken zu Erfurt zur Anerkennung seiner Dienste neben dem Hofe Wolken mit dem dienstpflichtigen Dorfe Zeppelin die Officialei zu Rostock erblich, wie sie die Schweden "jure belli" besaßen. Da aber dem

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Herzog Adolf Friedrich, welcher zu der Zeit um den Besitz des Stiftes Schwerin mit dem schwedischen Kanzler verhandelte, sehr viel an der Officialei gelegen war, "durch welche das Stift die geistliche Jurisdiction und das jus patronatus über die Rostocker Akademie habe", so fragte Oxenstierna schon am 7. März desselben Jahres Eßken, ob er nicht die Officialei gegen ein anderes Geschenk abtreten wolle, da dieser Besitz wegen seiner besonderen Beziehungen zu der Universität einem Privatmanne nicht wohl anstehe. Eßken wird nun wohl dem Wunsche des mächtigen Kanzlers nicht entgegen gewesen sein, aber die Frau Eßken wollte den Besitz nicht fahren lassen. Sie hatte die Officialei dem Chr. Polack für 300 Gulden jährlich verpachtet und nannte dieselbe noch lange ihr "Haus". Indessen wurde doch Adolf Friedrich wirklicher Besitzer, denn schon am 25. März wurde der Officialist (Polack) von ihm zu Bützow vereidigt. Polack erhielt die Officialei für eine Jahrespacht von 900 Gulden; er war noch 1666, wo er sich einen alten Mann nennt, Officialist. 1 )

2) Die Collectorei Waren.

Auch von den Einkünften des früheren Archidiaconats Waren, die ebenfalls aus dem Bischofszehnten bestanden, wurden in der Reformation einige Hebungen gerettet. Man ließ diese Hebungen seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts durch einen Collector einsammeln und dann an die bischöflichen Beamten in Bützow einliefern. Die Größe der Hebungen war aber schon vor 1600 nicht mehr sicher bekannt, indem die amtlichen Register nicht übereinstimmten und wahrscheinlich die Besitzer der zahlungspflichtigen Grundstücke wieder nicht die Richtigkeit der Register anerkannten. Nach dem Bützower Verzeichnisse sollten die Hebungen 27 Fl. 11 ßl. 6 Pf. Geld, 6 Dpt. 7 Schff. Roggen und 7 Schff. Hafer betragen. Als pflichtig werden in verschiedenen Listen genannt die Orte:


1) Nach Polack zog Hans Jacob Faber, früher Trompeter und Hoffourier bei Herzog Cristian Louis, in die Officialei. Bei dem großen Brande am 11. Aug. 1677 wurden auch die Officialeigebäude eingeäschert, aber seit 1681 wieder neu aufgebaut. Faber starb 1680, und nun bekamen diese Officialei=Hebungen der Geh. Rath Burmeister und der Kammerrath Krause, welche sie aber an Balzer Dobbin für 200 Thlr. jährlich verpachteten. Nach dem Tode Dobbins (1690) wurde der Lieutenant Holstein Officialist (60 Thlr. Pacht), später Johann Koppe, der zuletzt 1742 so genannt wird.
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1) zur Geldzahlung:

Waren, Plau, Jabel, Federow, Krase, Schlön, Varchow, Zislow, Hungerstorf, Leisten, Lansen, Garz, Malkwitz, Kl. Giwitz, Lütkendorf, Sommerstorf, Vielist, Schönau, Alt=Schwerin, Walow, Roez, Lexow, Göhren, Silz, Poppentin, Grüssow, Sparow, Torgelow;

2) zur Kornlieferung:

Damerow, Leppin, das wüste Feld Vietze 1 ), Sanz, das Feld Globen 1 ), Klink und Dratow.

Der Collector bekam für seine Dienste, die wegen der häufigen Verweigerung der Zahlungen und Lieferungen nicht grade gering waren, die ganze Kornhebung; das Geld mußte er aber, soweit er es zusammenbrachte, nach Bützow liefern.

Nach einer Notiz, die viel später einmal gelegentlich vorkommt, hieß der erste Collector Troje. Näheres wird über denselben nicht berichtet. Auf Troje folgte wahrscheinlich Georg Pfitzner, welcher nachweislich bis 1594 Collector war. In dem genannten Jahr wurde der Stadvogt zu Waren Saurwald von Herzog Ulrich I. zum Collector bestellt, 1609 aber von Herzog Ulrich II. entlassen. In seine Stelle rückte der Warensche Bürgermeister Henning Troje, der zwar 1626 von Herzog Ulrich III. seine Entlassung erhielt trotzdem aber, wenigstens scheint es so, ruhig die Hebungen weiter einforderte. Allerdings wird er in den Kriegsjahren nicht viel erhalten haben.

Ulrich III. beabsichtigte einen einfachen, ehrbaren Bürger mit der Einhebung des Zehnten zu betrauen und für diese Dienste 1 Drpt. hartes Korn zu geben. Die Einkünfte der Collectorei sollten der studirenden Jugend zu Gute kommen. Wir haben schon früher gesehen, daß die kriegerischen Ereignisse den jungen Administrator bald aus dem Lande riefen; aus diesem Grunde wurde sein ganzes Vorhaben vereitelt.

1630 bat ein Sohn des Bürgermeisters Troje 2 ), Gregor Troje, um den Dienst des Collectors, welchen sein Vater bisher verwaltet habe. Er erhielt ihn nicht. Wiederum 1634 bewarb sich ein anderer Sohn des damals schon verstorbenen alten Collectors, Namens Henning Troje, der seit 1600 als Barbier in der Welt umhergewandert


1) Mit der Bemerkung: "Dieses kann man nicht wissen, wo es ist."
1) Mit der Bemerkung: "Dieses kann man nicht wissen, wo es ist."
2) Der Bürgermeister Troje ist auch der Vater des in der Stiftsgeschichte oft genannten Daniel Troje, der von den Dänen Zibühl und Gallentin erwarb.
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war und nun seine alte Heimath wieder aufgesucht hatte, um die Stelle bei der Collectorei. Ob er sie erhielt, wissen wir nicht, da die Acten hier plötzlich abbrechen und erst unter dem Jahre 1705 wieder mittheilen, das "über Menschen Gedenken" keine Collectorei=Hebungen mehr eingekommen seien.

3) Das Cancellariat der Universität Rostock. 1 )

In der Stiftungsbulle der Universität Rostock wurde dem Bischof von Schwerin das Cancellariat verliehen. Vermöge der Kanzlerwürde sollten die Appellationen von der Universität an den Bischof gehen, und der akademische Senat sollte zu Promotionen die Erlaubniß des Bischofs nachsuchen. Dies Kanzleramt verrichteten die Bischöfe entweder in eigner Person, oder sie ließen sich durch den Rostocker Archidiaconus vertreten. 2 )

Das Einholen der bischöflichen Zustimmung zur Ertheilung der akademischen Würden ward aber den Professoren bald lästig, vielleicht weil die Bischöfe oder deren Stellvertreter oft Schwierigkeiten machten oder in der Beantwortung der Gesuche sich nachlässig erwiesen. Genug, die Universität fühlte sich veranlaßt, den Papst um Abhülfe dieses Uebelstandes zu bitten, und sie erhielt Gewährung ihres Wunsches. Denn der Papst Martin V. bestimmte in einer Bulle vom 26. Febr. 1427, das der Rector, wenn der Bischof oder dessen Stellvertreter die Erlaubniß zu Promotionen ohne gegründete Ursache verweigere oder verzögere, alsdann unter Zuziehung von 2 oder 3 Doctoren oder Magistern diese Erlaubniß ebenso gültig solle ertheilen können, als wenn sie von dem Bischof selbst ertheilt worden wäre. Durch diese Bestimmung wurde natürlich der Einfluß des Kanzlers um ein Bedeutendes verringert. Denn wollte er Promotionen jetzt nicht zulassen, so brauchte der Rector die vom Bischof etwa angegebenen Gründe nur für ungenügend zu erklären und selbst zu promoviren.

Mit dem jus appellandi ad Cancellarium ging es bald nicht besser. Das Streben des Rostocker Magistrats nach unbeschränktem Einfluß auf die Universität machte, wie das Recht der meklenburgischen Landesherren als Patrone, so auch das jus appellandi an


1) Vgl. Krabbe. die Universität Rostock, S. 60 u. 97, und Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht, S. 59, 62 u. 68.
2) Daher war später die Meinung verbreitet, das das Cancellariat mit der Officialei (dem früheren Archidiaconat) zu Rostock zusammenhing. Vgl. S. 186.
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den Kanzler ziemlich illusorisch. Der herzogliche Kanzler Johann v. Lucka klagte deshalb um 1550, der Zustand der Universität sei ein völlig zerrütteter, sie besitze keine besondere Jurisdiction, keinen Gerichtszwang, und das jus appellandi ad Cancellarium, sc. ad episcopum Sverinensem, sei ihr entzogen. Es war seit 100 Jahren nicht mehr an den Bischof appellirt, dafür hatte man sich aber gelegentlich mit Beschwerden an den Papst gewandt.

Unter der Regierung des Herzogs Ulrich I. treffen wir aus erklärlichen Gründen trotzdem selten auf Klagen über die Nichtbeachtung des bischöflichen Kanzlerrechtes; anders wurde es aber, als Ulrich II. das Stift regierte. Wie alle andern Rechte, so suchte der dänische Prinz auch dies Recht des Bisthums eifrigst zu vertheidigen. Das mußte ihm aber um so schwerer werden, als er außer den Universitätsprofessoren und dem Rostocker Magistrat hierbei auch noch den Herzog Karl von Meklenburg zum Gegner hatte, der als regierender Fürst von Meklenburg die Kanzlerwürde für sich selbst in Anspruch nahm. Ulrich II. wurde in diesem Streit zwar von den Stiftsständen willig und gern unterstützt, aber man stritt vergeblich; denn thatsächlich war das bischöfliche Cancellariat nicht mehr vorhanden, und von Bützow aus konnte man es sicher nicht wieder ins Leben zurückrufen.

Die großen Ereignisse des 30jährigen Krieges drängten endlich, wie andere, so auch diese kleine Streitfrage in den Hintergrund, und nach dem westfälischen Frieden war der ganze Standpunkt des Bisthums und mit ihm die Frage wegen der Kanzlerwürde ein anderer geworden.

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