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Knochengeräthe von Dobbertin.

An dem ehemaligen Ufer des frühern, in neuern Zeiten trocken gelegten Dobbiner Sees bei Dobbertin, ungefähr 10 Minuten von Dobbertin entfernt, liegt eine Niederung, welche den Namen "Paradieskoppel" führt und nahe an dem durch den See fließenden Mildenitz=Flusse gelegen ist. Unter dieser Paradieskoppel liegt Wiesenkalk, mit welchem ein dort stehender Kalkofen gespeiset wird. In einer der Kalkgruben wurden 1866 ungefähr 3 Fuß tief im Wiesenkalk Geräthe aus Knochen von hohem Alter gefunden, welche bisher in Meklenburg, außer im Pfahlbau von Wismar, nur in wenigen, einzelnen Stücken, jedoch noch nicht in Gräbern oder ehemaligen Ansiedelungen, beobachtet sind. Die Geräthe sind noch roh, wahrscheinlich durch Feuerstein, wenn auch glatt, bearbeitet und gelbgrau (nicht braun) von Farbe und gut erhalten.

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Herr Dr. Wiechmann zu Kadow gewann durch Geschenk von dem Herrn Dr. Sponholtz zu Dobbertin aus diesem Funde 3 stücke, von denen er 2 dem Vereine schenkte, nämlich folgende.

1) Eine Häkelnadel zum Netzstricken, ein dreieckiges "Griffelbein" von einem Hirsch, 9 Zoll (21 Centim.) lang, am obern Ende etwas beschnitten und abgerundet, am spitzen Ende zu einem Haken ausgeschnitten und überall geglättet, sonst mit den natürlichen, etwas abgeriebenen Flächen. Die hakenförmige Spitze ist harpunenartig, aber nicht tief eingeschnitten und nicht scharf und die Spitze des Hakens nur ungefähr 3/4 Zoll lang. Das Geräth ist ähnlich, wie die in Keller's Schweizerischen Pfahlbauten, 3. Bericht, Tat. III, Nr. 44 und 45, abgebildeten Werkzeuge, welche S. 85 Lanzen und Pfeile genannt werden. (Das lange Bein ist wahrscheinlich vom Hirsch; das Griffelbein vom Pferde ist kürzer und am obern Ansatz breiter und an der Spitze dünner.)

2) Ein an einer Seite sägenartig gekerbtes Geräth, jedoch mit stumpfen Zähnen; die Zähne sind 1/4 bis 3/8 Zoll breit und liegen alle in einer graden Linie, so daß das Geräth wohl kaum zum Sägen hat gebraucht werden können. Ein ganz ähnliches Geräth ist bei Nilsson Skandinaviska Nordens Ur-Invånare, I, Lund, 1843 Taf. XIII, Fig. 160 als Pfeilspitze oder Harpune abgebildet. Es läuft spitzig aus und ist durchbrochen und wohl nur ungefähr zur Hälfte vorhanden, jetzt 5 Zoll (12 Centim.) lang. Es scheint aus einer Rippe gemacht zu sein.

3) Herr Dr. Wiechmann besaß noch die spitze Hälfte einer Häkelnadel, wie die oben beschriebene, ebenfalls zerbrochen und 5 Zoll lang, welche flacher ist und auch aus einer Rippe gearbeitet zu sein scheint.

Der Herr Dr. Wiechmann hat in der Folge diese Nadel ebenfalls dem Vereine geschenkt.

Endlich hat der Herr Dr. Sponholtz zu Dobbertin dem Verein

4) noch ein knöchernes Geräth geschenkt, welches etwas später an derselben Stelle gefunden ist. Es ist 6 Zoll lang, nadelförmig und nach beiden Enden hin zugespitzt und geglättet. Dem Anscheine nach hat es dazu gedient, die Maschen der Netze darüber zu stricken.

Der Fund ist für Meklenburg sehr wichtig und scheint auf eine uralte Ansiedelung zu deuten, welche in den ältesten Zeiten wohl im Wasser stand, über welche sich eine Wiesenkalkschicht von wenigstens 3 Fuß (86 Centim.) Mächtigkeit gebildet hat.

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Wenn nicht Alles trügt, wie Lage, Gestalt, Bearbeitungsweise, Farbe der Geräthe, so gehört dieser Fund noch der ersten Postdiluvialzeit an. In Frankreich kommen ähnliche und gleiche Geräthe aus der dort sogenannten "Rennthierzeit" vor und einige unserer Geräthe dürften vielleicht aus Rennthierbein gefertigt sein.

G. C. F. Lisch.