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3.
Die Burg Schwerin und der Hof Ostorf.

An der Hand der bisher gewonnenen Resultate gehe ich nunmehr schon etwas zuversichtlicher an die Untersuchung der

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eigentlichen Schwerine Meklenburgs, d. h. derjenigen Oertlichkeiten, welche diesen alten wendischen Namen noch heute führen. Hoffentlich wird mir auch der Leser bereits mit günstigem Vorurtheile folgen, was ich in so weit auch in Anspruch nehmen muß, als die vorhandenen Nachrichten über jede einzelne dieser Oertlichkeiten für sich allein nicht hinreichen, um dadurch selbstständig meine Ansicht zu begründen. Man muß natürlich das Gesammtresultat zusammen greifen. Ganz an aller Bestätigung desselben wird es aber kaum in einem einzelnen Falle fehlen.

Die wichtigste unter diesen Oertlichkeiten ist die uralte Burg der Obotritenfürsten, noch jetzt der reizende Sitz unsers hohen Herrscherhauses, den wir daher vor allen einer nähern Betrachtung unterwerfen wollen. Fragen wir zunächst nach der ursprünglichen Lage dieses - ich setze voraus - heiligen Schwerins 1 ), wo einst die der Gottheit geweiheten Rosse weideten, so liegt es allerdings am nächsten, ihn dort zu suchen, wo später eben die nach ihm benannte Stadt erbauet worden ist. Wirklich scheint diese Oertlichkeit auch ganz dazu geeignet, da die eigentliche alte Stadt Schwerin mit Einschluß der später bebauten Neustadt Schelfe und des nördlich daran gränzenden Schelffeldes auf der Ostseite von dem großen Schweriner See, im Norden von dem kleinen Heidensee und dem denselben durchströmenden und den Großen See mit dem Ziegelsee verbindenden Bach, im Westen durch diesen letztern und den künstlich aufgestaueten Pfaffenteich, der früher ein breites durch einen Bach durchschnittenes Wiesenthal gebildet haben wird, im Süden endlich von dem Burgsee, einer tief in das Land einschneidenden Bucht des Großen Sees ringsum eingeschlossen, in der Vorzeit eine fruchtbare, weiden= und wiesenreiche und vermuthlich auf den Hügeln mit Buchwald bestandene Insel war, ein natürlicher Park, wie er zu dem angegebenen Zwecke nicht schöner gedacht werden kann. Dazu kommt, daß schon der Herzog Heinrich der Löwe nach der Gründung der deutschen Stadt Schwerin im Jahre 1160 und der Verlegung des Bisthums Meklenburg nach diesem neuen Grafensitze, in der Dotationsurkunde des Bisthums vom 9. September 1171, den ganzen nicht bebauten Theil des obenbezeichneten Gebietes, welches stets als eine Insel, oder viel=


1) In den lateinischen Urkunden des Mittelalters wird das Wort Zwerine, Zwerina stets weiblich gebraucht, wie es das slavische Zwirinica sc. obora fordert. Ich folge dem heutigen deutschen Sprachgebrauch, wonach es männlich ist.
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mehr als drei neben einander liegende, durch tiefe Sümpfe getrennte Inseln, betrachtet ward, obgleich derselbe für die Entwickelung des bürgerlichen Verkehrs der neuen Gründung fast unentbehrlich scheinen mußte, nicht dieser, sondern den Tafelgütern des Bischofs zulegte, worin man eine Andeutung der religiösen Bedeutung dieser Insel im Heidenthum finden könnte 1 ). Allein grade diese nördlich von der Stadt gelegenen Abschnitte der Insel waren wegen der hohen und steilen Bergrücken und der dazwischen liegenden tiefen, noch spät unzugänglichen Sümpfe am wenigsten zur Pferdezucht geeignet, und haben auch niemals den Namen Schwerin geführt. Schon die Bullen der Päpste Urban III. von 1186, Clemens III. von 1189 und Cölestin III. von 1197 bezeichnen die erste Hälfte dieser bischöflichen Insel bis zu einem großen Sumpfe als die Scala, welcher sie die jenseits des Sumpfes liegende Insel entgegen setzen 2 ). Ebenso der Grenz= und Tausch=Vertrag zwischen Bischof Hermann und dem Grafen Helmold II. von Schwerin vom 6. Decbr. 1284 3 ). Ein gefälschtes Exemplar der Dotations=Urkunde des Herzogs Heinrich von 1171 unterscheidet dagegen die kleine und die große Scala, und setzt denselben einer noch nördlicher gelegenen Insel entgegen 4 ). Dieser Name Scala ist ohne


1) Meklenb. Urk. B. Nr. 100: insulam, Zwerin adiacentem, usque ad riuulum. Ebenso in den Bullen des Papstes Cölestin III. vom 4. October 1191 und der Konfirmation des Kaisers Otto IV. von 1211; Januar 4. Meklenb. Urk. B. Nr. 151 und 202. Unter diesem rivulus verstehe ich den heutigen Schiffgraben, welcher den Ziegelsee mit dem Heidensee und durch diesen mit dem Großen See verbindet.
2) Meklenb. Urk. B. Nr. 141, 149 und 162: usque in Scalam et ultra paludem eidem Scale proximam totam insulam. Dieser Sumpf ist nach meiner Ansicht die vom Ziegelsee zwischen dem Stephansberge und dem Schelf=Markte über den Ziegenmarkt bis zum Großen See reichende Niederung, welche noch auf Karten des 17. Jahrhunderts als magna palus bezeichnet wird.
3) Meklenb. Urk. B. Nr. 1766: tota Scala usque ad insulam episcopalem, - und später: Scala et tota insula.
4) Meklenb. Urk. B. Nr. 100 p. 97: insulam Zverin adiacentem, - - ipsam ciuitatem - - usque ad minorem Scalam, cujus medietatem ad areas fratrum deputamus, maiorem vero Scalam usque ad predictam insulam. Hier wird nach meiner Erklärung zum ersten Mal der schön bewaldete Schelfwerder, worauf der Bischof und das Capitel schon früher ein Holzungsrecht geübt haben mochten, mit in die Grenzen des bischöflichen Gebietes gezogen, und darin glaube ich den Hauptgrund der Fälschung zu erkennen. Vgl. die abweichenden Ansichten von Lisch Meklenb. Urk. III. S. 8 ff. und Wigger, Jahrb.XXVIII. 199 ff.
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Zweifel von dem slavischen skala, auch skalj: Fels (rupes) abzuleiten, und mogte sich ursprünglich nur auf den hohen und steilen Rücken des Stephansberges beziehen. Die eingewanderten Sachsen deuteten denselben aber auf ihr scilf, scelf, wovon die ganze Insel den Namen Schelfe, auch Schilfe erhielt, wofür sich später auch Schelm (schelmo) findet. Von einem slavischen Schwerin dagegen ist hier keine Spur zu finden.

Der südlichste, zunächst vor der Burg liegende Abschnitt des hier besprochenen Gebietes, also die heutige Altstadt, wird dagegen wirklich in der Bulle des Papstes Alexander III. vom März 1178 ein Mal als die Insel Schwerin bezeichnet, was aber anscheinend nur als die Insel, worauf die Stadt Schwerin liegt, zu erklären ist 1 ). Hier lag nun schon in hohem Alterthum ein bewohnter und befestigter Ort, welcher im Jahre 1018 zuerst genannt wird, als der Obotritenfürst Mistizlav daselbst eine auserlesene Mannschaft gegen die empörten Lutizier zusammenzog, nachdem er seine Familie durch die Flucht gerettet hatte 2 ). Vielleicht stand hier in der Nähe oder auf der Stelle des heutigen Domes auch schon unter seinem Vater Mistui vor der Empörung vom Jahre 983 eine christliche Kirche, da noch 1186 östlich oder nordöstlich von dem Dome an der Grenze der Schelfe eines alten Kirchhofs gedacht wird, der aus dieser Zeit stammen könnte. Freilich kann damit auch ein heidnischer Begräbnißplatz gemeint sein, aber auch in diesem Falle liegt darin eine Bestätigung, daß diese Gegend schon im hohen Alterthum bebauet war. Wenn daher das alte Heiligthum Schwerin gleichwohl ursprünglich auf der Nordseite der Burg, und des sie umgebenden Süd= oder Burgsees gelegen haben sollte, so mußte es wenigstens schon im Heidenthume verlegt worden sein.

Betrachten wir uns nun das südliche Ufer des Burgsees, wo jetzt der Hof und das wahrscheinlich wendische Fi=


1) Meklenb. Urk. B. Nr. 124: - - partem insule Zverin secundum distinctionem ipsius ducis, - - et aliam insulam -, wofür es an den entsprechenden Stellen der obenbesprochenen Bullen heißt: secundum distinctionem ipsius ducis partem ciuitatis Zwerinensis. Die Grenze dieses bischöflichen Antheils an der Altstadt Schwerin wird wahrscheinlich schon bei der Anweisung des Bauplatzes für den Dom in einer besondern, verloren gegangenen Urkunde festgestellt sein. Die Ermittelung derselben aber scheint mir immer noch ein ungelöstes Problem zu sein. Vgl. Jahrb. XXVIII, S. 301.
2) Thietmar VIII. 4: Liutici - - Mistizlavum seniorem - - uxorem suam et nurum effugare ac semet ipsum infra Zwarinae civitatis munitionem cum militibus electis colligere cogunt. Wigger Meklenb. Annal. p. 60.
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scherdorf Ostorf liegen. Hier ist die Oertlichkeit nicht minder günstig. Ein sanftes Hügelland, theilweise noch bei Menschengedenken mit Buchen= und Tannenwald bestanden, das sich nur auf einer Stelle zu einer ziemlich steilen, vielleicht künstlich erhöheten, kegelförmigen Spitze, dem sogenannten Weinberge hinter dem erwähnten Dorfe erhebt, im Westen und Norden von ausgedehnten Wiesenflächen eingefaßt, auf welchen noch jetzt zum Theil alte Eichen stehen, endlich durch den Schweriner und den Burgsee, sowie durch den nicht unbedeutenden Ostorfer= und den langen, aber schmalen Faulen=See, welche unter sich durch sumpfige Wasserläufe in Verbindung stehen, rund um zu einem natürlichen, inselartigen Gehege abgeschlossen, - das ist die alte Feldmark Ostorf, welche in älterer Zeit gegen Süden von See zu See durch eine ausgedehnte, später zu Gunsten des Hofes und der Stadt auf eine kurze Strecke ausgerodete Buchenwaldung unmittelbar begrenzt ward, und deren nördlicher Wiesensaum, der alten Burg gegenüber, mit dem dahinter liegenden Hügellande jetzt zu den großen Parkanlagen des Schloßgartens benutzt worden ist. Daran schließt sich gegen Osten ein langgestreckter Bergrücken zwischen dem Großen und dem Faulen=See, welcher gleichfalls zur alten Feldmark Ostorf gehört und seit alter Zeit der Ostorfer=Hals genannt wird. In einer noch näher zu besprechenden Urkunde von 1282 wird er als eine abgesonderte Nebeninsel (insula, que in vulgo Hals dicitur) betrachtet, obwohl er an einer Stelle hart an der Zippendorfer Grenze zwischen den nahe zusammen liegenden Quellen zweier kleiner Wasserläufe, die in ziemlich breiten Wiesenthälern von der hier etwas gesenkten Höhe, theils nach Nordost in den Großen See, theils nach Südwest in den Faulen=See hinabfließen, allerdings einen schmalen trockenen Ausgang hat. Wendische Ortsbezeichnungen finden sich auf dieser Feldmark nicht, außer der Krosnitz, d. i. Krähen=Ort, von krosna: Krähe, einem kleinen runden Ackerkamp in einer Wiese, hart am Ufer des Ostorfer Sees. Der Name des großen und des kleinen Krosk, zweier kleiner runder Teiche in der Wiese, neben der Kalkbrennerei am Großen See ist dagegen wohl das Deminutiv des niederdeutschen Kros: Krug.

Hier auf dieser eigenthümlichen Feldmark glaube ich nun den alten wendischen Schwerin wirklich gefunden zu haben, und zwar als heiligen Hain mit den Rossen des Gottes, wie uns der Name selbst verräth. Der Name Ostorf hat nämlich mit der Himmelsgegend nach dem Aufgang der Sonne nichts gemein. Der Ort liegt weder im Verhältniß zu

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der Burg oder der Stadt im Osten, noch findet sich irgend eine Spur eines ihm entgegengesetzten Westdorfes, dessen Existenz nicht einmal möglich ist, da sich auf der ganzen Westseite der große Ostorfer See ausbreitet, in welchen sich unsre Feldmark als eine Halbinsel mit dem Hof und Dorfe tief hineinstreckt. Die alte Form des Namens ist vielmehr urkundlich Orsestorp. Die älteste Urkunde, worin des Ortes gedacht ward, ist diejenige des Grafen Helmold von Schwerin vom 8. December 1282, worin er der Stadt das Eigenthum der wahrscheinlich nicht lange zuvor erworbenen Dörfer Zippendorf, Göhren und Ostorf verleiht, und derselben, wie den genannten Dörfern, das Holzungsrecht in dem angränzenden Walde Bokholt einräumt, auch zugleich das Jurisdeductionsverhältniß zwischen dem gräflichen Vogte und dem Rathe der Stadt ordnet, wogegen er die ganze oben beschriebene Insel Hals, welche zu der Burg Schwerin gehörte, sich und seinen Nachfolgern vorbehält 1 ). Leider besitzen wir diese wichtige Urkunde nur in einer Abschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, welche mehrfache Fehler hat. Hier lautet nun der Name des Ortes freilich Osestorp, eine Form, welche von dem modernen Ostorf schon weit genug abliegt, in welcher aber unbezweifelt noch ein Lesefehler statt Orsestorp steckt, indem der Schreiber, durch den Sprachgebrauch seiner Zeit verleitet, entweder das r hinter dem O ausfallen ließ, oder etwa auch nur das Verkürzungszeichen für die Silbe or, welches zu Anfang des Wortes auch statt des einfachen r über das anlautende O gesetzt zu werden pflegt, übersah. - Dies ist aber nicht etwa eine willkürliche Conjectur, sondern beruht auf der Vergleichung mit der Namensform in der nächst folgenden Original=Urkunde. Die Stadt Schwerin war nämlich nicht lange im Besitze dieser Feldmark, deren frühere, unmittelbare Zugehörigkeit zu der Burg aus der Reservation der Insel Hals für die Burg deutlich her=


1) Ob hoc igitur eisdem (consulibus ciuitatis nostre Zverin) et eorum successoribus graciam volentes facere specialem, proprietatem villarum Zippucendorp, Gorne et Osestorp - - in suis terminis et disterminacionibus, quemadmodum hactenus libere possederunt, terris cultis et incultis, agris, pratis, nemoribus, pascuis, aquis et aquarum decursibus dicte ciuitati contulimus. - - Ville vero nemori, quod Bocholt vulgariter appellatur, sepedicte ciuitatis circumquaque adiacentes nihil in eodem iurisdictionis in lignis et pascuis obtinebunt, - - exemptis tamen villis ciuitatis superius recitatis. Insulam vero, que vulgo Hals dicitur, castro nostro adiacentem nobis et nostris heredibus et successoribus integram ascribimus. Meklenb. Urk. Nr. 1650.
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vorgeht. Sie wird denn auch bald nach der Zeit von 1282, wahrscheinlich tauschweise gegen andere, der Stadt bequemer gelegene Ländereien auf der Westseite, in dies ursprüngliche Verhältniß zurückgekehrt sein, wenigstens finden wir sie um die Mitte des 14. Jahrhunderts wieder in dem unmittelbaren Besitze der Grafen. In der Zwischenzeit war aber bereits ein Hof auf derselben angelegt, der das ganze Mittelalter hindurch als der eigentliche sogenannte Bauhof der fürstlichen Burg benutzt ward, während auch die Fischer des Dorfes zu allerlei Burgdiensten verpflichtet waren, z. B. zum Brauen und Schlachten, zum Freihalten des Wassers vom Eise rund um die Burg u. s. w. Dieser Hof wird nun in einer Urkunde vom Marien=Himmelfahrtstage des Jahres 1357, in welcher der Graf Nicolaus von Schwerin denselben an Volrath v. Tzule und dessen Bruder Schele Detlev v. Tzule mit dem See und der Neuen Mühle vor Schwerin und 3 Last (?) Heringe für 1050 Mark lüb. Pfennige verpfändete, klar und deutlich Orstorf genannt 1 ), wogegen sich im 15. Jahrhundert die heutige, sinnentstellende Form des Namens bereits festgestellt hatte.

Der hiernach urkundlich sichere alte Name unsers Dorfes Orsestorp, contrahirt Orstorp, von dem Niederdeutschen Ors, engl. Hors, d. h. Roß, Pferd, besonders das große, starke Ritterpferd, ist nun offenbar gleich dem besprochenen Derhagen bei Swante Wustrow eine deutsche Uebersetzung des wendischen Schwerin, dies Mal aber zugleich mit der bestimmten Hinweisung auf die Bestimmung dieser Anlagen und namentlich auf das hier gehegte Thier, wodurch die in diesem Falle fehlende historische Nachricht über das Bestehen einer Stuterei in dem hiesigen Schwerin glücklich ergänzt wird.

Und die zu dem heiligen Haine gehörige Tempelstätte des heidnischen Gottes selbst? Wer sich dafür entscheidet, die ursprüngliche Lage des Haines nördlich von der Burg zu suchen, könnte vielleicht geneigt sein, das Hauptheiligthum nach der Schelfe zu verlegen und namentlich auf der isolirten, von Wiesen eingeschlossenen, länglich runden Höhe am Ufer des großen Sees, und ganz in der Nähe des von tiefen Sümpfen umgebenen Heidensees, auf welcher jetzt der Judenkirchhof liegt, zu vermuthen. Bei näherer Untersuchung


1) - Den Hof to Orstorpe mit deme zee vnde [der] nygen molne vor Zwerin, vnde dre leste haringhes, dese lygghen to den dorpen by dem zee to Zwerin. - - Nach dem Original auf Pergament, wovon das Siegel abgerissen ist, im Archive zu Schwerin.
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erscheint diese allerdings auffallende Oertlichkeit jedoch durchaus als ein natürlicher Hügel, ohne jede Spur von Kunst. Auch ist der Umfang desselben für den angegebenen Zweck nicht bedeutend, und seine Lage nicht fest genug, da die ihn umgebenden Wiesen nur auf der Nordseite nach dem Heidensee hin, von wo ohnehin kein Angriff möglich ist, tief und breit genug sind, gegen Westen hin aber nur einen schmalen Streifen bilden, der gegen Süden von der Stadt her jetzt zugeschüttet ist, und den Eingang bildet. Endlich sind hier auch, so viel bekannt, niemals Alterthümer gefunden worden, welche den Ort als eine frühere menschliche Verkehrsstätte kennzeichnen könnten. Was aber den benachbarten Heidensee betrifft, dessen Name auf eine besondere religiöse Bestimmung im Heidenthum hinzuweisen scheint, so wird diese Vermuthung durch den Umstand mindestens sehr geschwächt, daß die dem See nahe liegende Höhe am Ziegelsee der Heideberg heißt, was auch für den Namen des Sees die ursprüngliche Form Heid= oder Heide=See vermuthen läßt.

Diese Idee wird also aufzugeben sein. Dagegen zweifle ich nicht, daß die alte Tempelstätte auf der Burg selbst zu suchen sei. Dieselbe liegt bekanntlich auf einer Insel am Eingange zu dem jetzt nach ihr benannten Burgsee, früher Südsee, zwischen der Stadt und der jetzt als der eigentliche, alte Schwerin nachgewiesenen Feldmark Ostorf, welcher eigentlich nur als eine tiefe und sich landwärts erweiternde Bucht des Großen Sees zu betrachten ist. Die Untersuchungen bei dem letzten umfassenden Durchbau des Schlosses haben vollständig bewiesen, daß diese Insel auf ursprünglichem Moorboden aufgeschüttet ist. Ihre Lage ist aber um so fester und sicherer gegen jeden feindlichen Angriff, als das Ufer des Sees hier zu beiden Seiten der Burg im Alterthume gleichfalls tiefer Moorgrund war, und nur auf künstlichem Pfahlbau überschritten werden konnte. Die älteste Aufschüttung war zwar nicht sehr hoch, doch ist nicht zu übersehen, daß die ursprüngliche Umwallung höchst wahrscheinlich von geringerem Umfange war, als die spätere, und deshalb bei den neueren Bauten aus der Grafenzeit abgetragen und auseinandergeworfen werden mußte, um an Raum zu gewinnen. Die hier zum Theil tief unter den Fundamenten des ältesten Theils der Burg gefundenen Alterthümer, Gefäßscherben und Waffen von Stein und Metall, aus allen Perioden der geheimnißvollen Vorgeschichte unsrer Küstenländer, sind denn auch ein sicherer Beweis, daß dieser für die damaligen Angriffsmittel in der That unzugängliche Punkt schon in der

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Urzeit zu künstlichen Bauten benutzt worden ist 1 ). Für diese früheste Zeit darf man aber gewiß voraussetzen, daß die mit Aufwand aller Kräfte ausgeführten Werke zum Schutze und Sicherheit des Volkes nicht dem Privatgebrauche eines Einzelnen, sei es auch des Fürsten, übergeben, sondern der Gottheit geweiht wurden, mit andern Worten, daß diese Werke National=Heiligthümer waren, zu welchen das Volk sich zur Zeit der Noth und Gefahr unter den Schutz der Gottheit flüchtete, wie dies noch in der spätern Wendenzeit an mehreren Beispielen als sichere historische Thatsache nachzuweisen ist. Diese Verhältnisse werden fortgedauert haben bis zu dem vollständigen Siege des Christenthums unter der Regierung Mistuis, wo mit den übrigen Götzentempeln des Obotritenlandes natürlich auch der hiesige zerstört ward. Auch scheint er nach den erfolgreichen Aufstand der Wenden im Jahre 983 nicht wieder hergestellt, sondern sein Inselwall nur als Stützpunkt der erweiterten Befestigungswerke um die inzwischen auf der Nordseite erstandene wendische Stadt (infra munitionem civitatis Zwarinae) benutzt worden zu sein, in welchen Mistizlav 1018, wie wir gesehen haben, die ihm treu gebliebene Schaar zum letzten unglücklichen Kampfe gegen die Lutizier sammelte, während auf der Südseite der heilige Hain mit seinem nunmehr säcularisirten Gestüte noch fortbestehen und der von der Gottheit verlassenen Burg den Namen geben mogte. Seitdem erfahren wir nichts wieder, weder von der Tempelburg, noch von der Stadt oder dem Haine, bis Fürst Niclot 1160 sich zu dem letzten Verzweiflungskampfe gegen den gefürchteten und siegreichen Sachsenherzog rüstend neben Ilow, Meklenburg und Dobin auch die Burg Schwerin den Flammen preis gab, um sich hinter die Warnow zurückzuziehen. Dort fand er bekanntlich den Heldentod, worauf auf den Trümmern des alten heidnischen Tempels und obotritischen Fürstenburg das neue Residenzschloß der sächsischen Grafen als Wart= und Schutzburg der jungen christlichen Pflanzung erbauet ward.

Diese Ansicht findet auch hier, wiederum wie bei Wustrow und Pustekow, ihre Bestätigung in der Volkssage. Vor allen Dingen ist in dieser Beziehung an den im ganzen Lande bekannten Burggeist selbst zu erinnern, eine sehr interessante Erscheinung, die wir nothwendig näher betrachten müssen.


1) Jahrb. XV. 160.
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Das Alter dieser Sage ist zwar urkundlich nur bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückzuführen 1 ) und nach Erzählungen der Bauern in dem Kirchspiel Pinnow soll unser Petermännchen sogar in älterer Zeit in dem Petersberge, einem hohen, ziemlich isolirten Hügel in der Nähe des Pfarrdorfes, gewohnt haben, und erst später nach dem Schweriner Schlosse übergesiedelt sein. Allein diese Erzählung ist offenbar nichts andres, als ein vermuthlich junger Versuch zur Erklärung des Namens unsers Burggeistes, wozu die ohne Zweifel ächten, ältern Zwergsagen jener Gegend Veranlassung gegeben haben mögen. Wäre die ursprüngliche Identität des Petermännchen mit dem offenbar verwandten Puk des Franziskaner=Klosters am Burgsee, dem Schlosse schräg gegenüber, zu erweisen, so wäre damit zugleich ein viel höheres Alter der Sage nachgewiesen. Die Geschichte des Puk wird nämlich schon in einer Handschrift mitgetheilt welche der protestantische Prediger Simon Pauly (1559-1560) in einem Klosterschrein gefunden haben soll und deren Verfasser sich auf die alten Register des Klosters und die Erzählung der ältesten Mönche beruft. Er selbst scheint aber nicht zu den Mönchen zu gehören, von denen er stets in der dritten Person spricht, und seine ganze Darstellung der Sage verräth unverkennbar protestantischen Einfluß und die Tendenz, das Mönchswesen herab zu setzen. Die Handschrift wird daher in die erste Zeit der Reformation gehören. Nach diesem Berichte hatte der Puk, der wiederholt als unsauber und unheilbringend, ja als teuflisch bezeichnet wird, früher sein Wesen auf dem v. Halberstädtschen Ritterhofe Brütz getrieben, und namentlich einem Guardian des Klosters trotz seiner hohen geistlichen Würde bei einem nächtlichen Besuche in Brütz arg mitgespielt, bis dieser versprach, ihn für das Kloster in Dienst zu nehmen. Wirklich folgte der Geist seinem neuen Herrn am nächsten Morgen, wo er demselben in Gestalt eines Affen erschien, andern aber unsichtbar blieb, nach Schwerin, und ward hier förmlich als Haus= und Küchenknecht angestellt. Dies Amt verwaltete er 30 Jahre hindurch bis zu dem plötzlichen Tode eines Domherrn, worauf er ungestüm den ihm als Lohn seiner Dienste verheißenen bunten, mit Glocken besetzten Rock verlangte, und nach Empfang desselben unter lautem Geläute der Schellen über dem Kloster empor stieg, zu seinem Andenken aber eine kupferne Bierkanne zurückließ, die noch zur Zeit des Verfassers gezeigt und vom Volke nach seinem


1) Jahrb. V. S. 58 - 60. (Protok von 1748).
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frühern Besitzer der Puk genannt ward. - So weit nimmt diese Spukgeschichte kein besonderes Interesse in Anspruch. Einen ganz andern Karakter aber entwickelte unser Geist bei dem Wiederaufbau des durch eine Feuersbrunst, wie unser Berichterstatter angiebt, zerstörten Klosters, wo er allein in einer einzigen Nacht das zum Bau erforderliche Holz fällte, und mit einem Male, durch die Luft nach der Baustätt trug. Hier erscheint der affenähnliche Küchenknecht der Mönche plötzlich als Riese, der namentlich lebhaft an den tempelbauenden Riesen der heiligen Wustrow mit dem Schimmel Svantevits erinnert, so daß es schwer wird, an die Identität beider Erscheinungen zu glauben. Höchst wahrscheinlich sind vielmehr in dieser Erzählung zwei ursprünglich ganz verschiedene Sagen mit einander verbunden, von welchen die letztere, die Riesensage, nicht auf eine spätere Wiederherstellung, sondern auf den ersten Bau des Klosters im Anfang des 13. Jahrhunderts zu beziehen sein wird. Gewiß ist wenigstens, daß diese Sage nicht erst nach dem großen Brande der Stadt Schwerin im Jahre 1552, von welchem auch das Kloster ergriffen zu sein scheint, erfunden sein kann, wie gleichwohl vermuthet ist, denn damals ward das Kloster selbstverständlich nicht wieder aufgebauet. Schon der Kanzler v. Westphalen, der die besprochene Handschrift zuerst publicirte, setzt den Ursprung der Sage in das Jahr 1222, und bezieht sie also auf die erste Erhebung des Klosters (1222 -.1234). Zu seiner Zeit (also vor der Publication der Handschrift) war dieselbe allgemein im Munde des Volkes, und haftete namentlich an dem damals noch stehenden Theile des Klosters, welchen die Justizcanzlei inne hatte, nach dessen Abbruch sie auf den, aus dem alten Bauholze des Klosters errichteten, fürstlichen Kornboden welcher erst bei Menschengedenken abgebrochen ist, übertragen ward 1 ).

Mit bei weitem größerer Achtung und Liebe, als jenen Puk in seiner gewöhnlichen Erscheinung, als Küchenknecht der Mönche, hat die Sage stets den schon erwähnten Burgeist behandelt.

Er ist durchaus kein gewöhnlicher Kobold, wie er auf Bauerhöfen und in Bürgerhäusern sein Wesen treibt, sondern einer jener Elfen und Zwerge höherer Ordnung, in welchen die ursprüngliche Verwandtschaft mit den obern Göttern,


1) Westphalen, Specimen Monumentor. Mecklenb., ed 1726 p. 156 sqq.: "Veridica relatio de servo quodam de Puck" etc. - und Mon. Jned. IV. Praefat. p. 232 ad Tab. K. Nr. 49.
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oder wenigstens eine nähere oder vertraulichere Stellung zu denselben noch deutlich hervortritt 1 ). Am nächsten steht ihm der sächsische Hödeke auf der uralten Stammburg der Grafen von Winzenburg, die in dem frühern Heidenthum eine religiöse Bestimmung gehabt haben mag. Das nahe Verhältniß dieses Urbildes aller sächsischen Burggeister zu Wodan selbst tritt trotz seiner Zwerggestalt schon in der äußern Erscheinung hervor, und auch darin gleicht ihm sein Schweriner Ebenbild. Wie jener erscheint auch dieser mit einem vor Alter tiefgefurchten, aber nicht abschreckenden Antlitz, langem, weißem Barte und grauen Locken unter dem breitkrempigen Hute, den Mantel über die Schultern geworfen und mit Reiterstiefeln bekleidet; doch ist die Farbe des Mantels nach den ältesten Berichten nicht grau, wie der des Hödeke, sondern schwarz, nach andern jedoch auch weiß, je nachdem Trauer oder Freude in der Burg herrscht, und statt des Hutes sahen ihn andere in einer Kappe (Kalotgen), worin Grimm die alte unsichtbar machende Tarn=Kappe zu erkennen glaubt. Ebenso haben beide die Gabe der Weissagung gemein, und verkünden dem Burgherrn und dessen Familie sowohl frohe Ereignisse, als Unglücksfälle, vorzugsweise jedoch letztere, namentlich Tod und kriegerisches Unheil. Ihrem Wesen nach aber sind beide Hüter und Wächter ihrer Burg. Unser Schweriner Burggeist übt das Amt gegen jeden rechtmäßigen Inhaber und Bewohner derselben mit Freundlichkeit, fremden Eindringlingen und unwillkommenen Gästen aber ist er ein wahrer Quälgeist, indem er ihnen durch Poltern und Neckereien die nächtliche Ruhe stört, bis sie den Aufenthalt verlaufen. Auch beobachtet und prüft er die Dienerschaft der Burg und straft die Treulosen. Vorzugsweise steht die fürstliche Silberkammer unter seiner Aufsicht und seinem Schutze. Außer diesem irdischen Amte hat er aber auch noch andere, höhere, geheimnißvolle Pflichten zu erfüllen, und diese sind es, die ihn vor allen ähnlichen Hausgeistern der deutschen Sage auszeichnen, und seine ursprüngliche, vertrauliche Stellung zu der heidnischen Götterwelt unmittelbar und deutlich hervortreten lassen; er ist nicht nur Wächter der Silberkammer des irdischen Burgherrn, ihm ist auch zugleich die unterirdische Schatz= und Waffenkammer des Gottes anvertraut. Dies erfuhr einst ein Soldat der Schloßwache, den der Burggeist, nachdem er ihn geprüft und treu befunden hatte, um eine Dienstleistung bat. Muthig folgte ihm der Jüngling durch lange


1) Grimm deutsche Mythol. S. 294 (1. Ausg.)
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dunkle Gänge zu einem geräumigen, mit räthselhaften Zeichen geschmückten, und durch eine Lampe erhellten Zimmer, in dessen Mitte ein langer schwarzer Tisch stand. Der Geist nahm ein altes, verrostetes Schwert von dem Tische, und bat den jungen Krieger, dasselbe blank zu putzen, wie seine eigenen Waffen. Bereitwillig geht dieser an die Arbeit, die unter seinen geübten Händen rasch vorwärts geht, da kracht plötzlich ein furchtbarer Donnerschlag durch die unterirdischen Hallen, daß er betäubt zu Boden sinkt. Als er erwacht, findet er sich auf dem Schloßhofe wieder, aber ein schwerer Goldbarren in seiner Tasche, der Lohn seiner Arbeit, überzeugt ihn, daß er nicht geträumt hat.

In dieser letzten Sage überragt unser Burggeist seinen sächsischen Collegen bedeutend. Die reiche Belohnung des ihm geleisteten Dienstes durch Goldklumpen gemahnt lebhaft an die deutsche Frau Holla und Frau Woden, das verrostete Schwert aber, das der treue Schildknappe so gerne wieder blank hätte, weiset, wie mir scheint, unmittelbar auf sein Verhältniß zu der durch das Christenthum besiegten heidnischen Gottheit hin, deren Tempel einst auf dieser Burgstätte stand, und stellt ihn plötzlich dem slavischen Markopeten Pustekat des Bisdeder Heiligthums ebenbürtig an die Seite. Wie jener als vertrauter Diener des Gottes den heiligen Hain überwachte, so war unserm Petermännchen die Bewachung der Tempelburg selbst anvertraut 1 ).

Zu dieser Auffassung des Schweriner Burggeistes stimmen endlich die Sagen der umliegenden Dörfer vollkommen. Auch hier, namentlich in Ostorf und der nächsten Nachbarschaft,


1) Vgl. über diese Sage: Chr. Dehn, meklenb. Volksbibliothek 1844 I. 2. S. 3 - 8. Die bei Dehn zuerst nach dem Berichte eines alten Feuerwärters mitgetheilte Sage über die unterirdische Schatz= und Rüstkammer kann ich nach der Erzählung eines alten zuverlässigen Bewohners von Ostorf in allen Einzelheiten bestätigen. Die Erzählung Studemunds, Meklenburgische Sagen, 2. Aufl. 1848. S. 208 ff., worin Petermännchen als ein verzauberter, obotritischer Prinz erscheint, kann dagegen nur zur Warnung vor einer solchen "Bearbeitung" meklenburgischer Sagen dienen. Der rothe Hochzeitsfrack, den selbst Dehn dem Geiste giebt, ist eine moderne Erfindung, die den offenbar alterthümlichern und ächten weißen Mantel, von welchem mein Ostorfer Gewährsmann ausschließlich gehört zu haben versicherte, fast verdrängt hat. - Ueber die slavischen Zwergsagen, vgl. Hanusch a. a. O. S. 123 und 326. Der Name Petermännchen kommt in den deutschen Zwerg= und Hausgeister=Sagen nicht vor und ist überhaupt in dieser Verbindung auffallend. Wenn in dem slavischen Markopety der Ton auf dem è ruhen sollte, so würde ich es nicht für unmöglich halten, daß unser Peter aus dem - pety entstanden wäre.
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weiß man viel zu erzählen von den Zügen des wilden Jägers Wod, und zwar nicht bloß von seinem Einzuge im Herbste und seinem Umzuge während des 12tägigen Julfestes zur Zeit der Wintersonnenwende, wie in andern Gegenden, sondern auch von dem Auszuge zur Frühlingszeit, namentlich in der Mainacht, wann auch die Hexen und der ganze Winterspuk nach dem Blocksberge ziehen. In dieser Nacht hörte z. B. einst ein Bauer in Wüstmark die wilde Jagd über das Dorf hinziehen, und erlaubte sich in unbesonnenem Uebermuth einen spottenden Zuruf. Da kam ein Pferdefuß durch das Fenster geflogen und warf ihn zu Boden. - Auch auf der Schelfe umreitet der alte heidnische Gott in der Neujahrsnacht drei Mal die Kirche auf weißem Schimmel, wenngleich in der Verkappung des heiligen Nicolaus. Auf der Stelle dieser protestantischen Kirche stand nämlich im Alterthum die schon vor 1211 erbauete Kapelle dieses Heiligen, welcher in deutschen Sagen häufig die Stelle Wodans vertritt, z. B. um Weihnacht als Kinder scheuchender Ruhklas. Nach allem diesen scheint es denn nicht mehr zweifelhaft, daß auch der hiesige Burgtempel dem, dem deutschen Kriegsgotte entsprechenden Swantewit Arkonas geweihet war, welcher hier vermuthlich unter dem Namen Radegast verehrt sein wird, da Helmold diesen ausdrücklich als den höchsten Gott der Obotriten nennt.