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Menschlicher Rückenwirbel

aus einer Mergelgrube zu Roggow,

von

G. C. F. Lisch .

Auf dem dem Herrn v. Oertzen gehörenden, bei Neu=Bukow an der Ostsee liegenden Gute Roggow zieht sich eine Hügelkette hin, welche viel Kalk enthält. Bekannt im Lande ist der hohe kalkhaltige Höhenzug von Diedrichshagen bei Doberan, dessen Ausläufer z. B. bei Diedrichshagen und Brothagen den berühmten Mörtelkalk liefern. Ein solcher Ausläufer berührt auch noch Roggow, wo überall Kalk in Form von Muschelkalk, Wiesenkalk und Kalkadern, welche sich in Streifen durch den überall mergelhaltigen Boden hinziehen, lagert. Die oben erwähnte Hügelkette enthält auf der Höhe ein Mergellager, welches ungefähr 40 Fuß über der Meeresfläche und 20 Fuß über der am Südabhange sich ausbreitenden Ebene liegt; der Mergel trat hier zu Tage und war sehr stark kalkhaltig. Der Herr v. Oertzen ließ hier eine Mergelgrube anlegen, dieselbe aber im Jahre 1865 wieder verschütten, weil in einer Tiefe von 18 bis 20 Fuß sich eine Lage des feinsten Sandes zeigte, welche ganz frei von Kies und Geschieben war. In diesem (auch nach meinen eignen Untersuchungen) ganz ungestörten Mergellager fand ein Bruder des Herrn v. Oertzen, k. k. österreichischer Rittmeister, einen anscheinend versteinerten, sehr schweren Knochen, welchen der Herr v. Oertzen auf Roggow aufbewahrt und 1865 dem Vereine geschenkt hat.

Der Knochen ist ein in den Oberflächen wohl erhaltener Lendenwirbel (vertebra lumborum) eines ausgewachsenen Menschen, welcher zwar nicht versteinert, aber überall von einer 2 bis 3 Millim. starken Schicht von Kalktuff (oder Tropfstein) ziemlich gleich= und regelmäßig überzogen ist und den Knochen vor dem Verfallen vollständig geschützt hat. Der Knochen ist, wie sich aus einigen abgebrochenen Ecken ersehen läßt, im Innern weißlich von Farbe, durchaus trocken, völlig porös und ohne Spur von einer organischen Substanz, ein reines Kalkgerüst. Der Knochen wird in einer Art Höhlung oder Druse etwas schräge auf einer Seite gelegen haben, da

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die Seite, welche anscheinend oben gelegen hat, ganz dicht mit aufgetropften, warzenförmigen, grauen, kleinen Erhebungen besetzt, die anscheinend untere Fläche aber mit einer mehr ebenen, gelbweißen Kalkschicht bedeckt ist. Der Knochen wird in einem Mergelnest vereinzelt, und nicht als Theil eines ungestörten Gerippes gelegen haben, da der Kalktuff sonst wohl die nächsten Wirbel mit ihm verbunden haben würde; er erscheint als ein Stück, welches in der Mergelgrube frei gelegen hat.

Man kann sich bei dem Anblick dieses Knochens des Gedankens nicht enthalten, daß er, zumal in Betracht des Lagers, in welchem er gefunden ist, vielleicht aus dem Diluvium stammen könnte. Er ist zwar etwas besser erhalten, als sonst die diluvialen Knochen; dies ließe sich aber wohl durch die frühe Kalkinkrustirung erklären. Zudem will es sich nicht gut erklären lassen, wie dieser Knochen in das Mergellager gekommen sei. Leider sind genauere Nachrichten über die Lage nicht mehr zu gewinnen. - Der Herr Prosessor Rütimeier zu Basel, dem ich den Wirbel zur Ansicht geschickt habe, erklärt jedoch: "Menschlicher Lendenwirbel, mit Kalk tuff überzogen, nicht alten Datums, relativ jung". Wenn dieses Urtheil auch sicher sein wird, so muß ich doch hinzufügen, daß unter zahllosen alterthümlichen Erscheinungen diese ganz allein dasteht und daß sich in Meklenburg wohl nichts ähnliches findet. Jedenfalls muß der Knochen der aufmerksamen Beobachtung der Folgezeit empfohlen werden.

Auch unser verstorbene Freund Dr. v. Hagenow hat im Jahre 1830 zu Gr. Rakow in Neu=Vorpommern einen ganz gleichen Fund gemacht, indem er in einer Mergelgrube ungefähr 6 Fuß tief in einer Art Höhlung (Druse) unter unberührten Diluvialschichten ein menschliches Gerippe entdeckte, welches er einem antediluvianischen Menschen zuschreiben zu müssen glaubte. Vgl. Baltische Studien VII., H. 1, S. 267. Die Knochen mögen sich noch in seinen nachgelassenen Sammlungen vorfinden.

G. C. F. Lisch.