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Wendenkirchhof von Wotenitz,
von
G. C. F. Lisch.
Am 13. Jan. 1859 fand ein Forstarbeiter beim Ausroden von Baumstämmen in den Mühlentannen von Wotenitz bei Grevismühlen, rechts an der Landstraße von Grevismühlen nach Gadebusch, ungefähr 2000 Schritte vom Wege und 1500 Schritte von der Stepenitz, auf einer niedrigen, natürlichen, sandigen Anhöhe in einer Tiefe von 2 Fuß unter der Erdoberfläche eine Begräbnißurne, welche jedoch beim Ausheben zerbrach. Am folgenden Tage nahm der Herr Forstadministrator Waterstras zu Gostorf bei der Beaufsichtigung die zerbrochene Urne mit allen darin enthalten gewesenen Alterthümern an sich und sandte sie an den ihm vorgesetzten Herrn Oberforstmeister v. Lehsten zu Rehna ein, welcher sie dem großherzoglichen Antiquarium übermittelte, und Se. Königliche Hoheit der Großherzog hatte die Gnade, dem Finder den Werth der Sachen zu vergüten.
Dieser Fund ist nun äußerst werthvoll und wichtig und vielleicht einzig in seiner Art in allen deutschen Ländern, so weit Wenden gewohnt haben. Der Fund stammt nach der Begräbnißweise, der Form und Verzierung der Geräthe und den Metallen offenbar und ohne Zweifel aus der schon ausgebildeten Eisenperiode oder der Wendenzeit und dürfte vielleicht ungefähr in das 8. oder 9. Jahrhundert n. C. fallen, da er schon eine ungewöhnliche Kunstbildung und Andeutungen auf einen weiten Weltverkehr trägt. Der Fund charakterisirt nicht allein die ausgebildete Eisenperiode vollständig, sondern überschreitet die besten Wendenbegräbnisse bei weitem, indem er nicht allein alle Metalle und Kunstfertigkeiten des Heidenthums zeigt, sondern auch Kunstwerke von absolutem Werthe enthält. Vorzüglich wichtig ist das Vorkommen des kunstreich bearbeiteten Goldes, welches bisher in Meklenburg in wendischen Gräbern noch nicht beobachtet 1 ) ist, indem die wendischen Gräber gewöhnlich nur Silber, Bronze und Eisen zeigen. Da die Urne ungewöhnlich reich verziert und der Inhalt derselben ungewöhnlich reich an edlen Metallen ist, so gehörte das Grab wahrscheinlich einer vornehmen Person.
Die Art der Beisetzung ist der Beisetzung aller andern Begräbnißurnen der Eisenperiode in den sogenannten
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"Wendenkirchhöfen" völlig gleich. Die Urne stand, wie gewöhnlich, 1 bis 2 Fuß tief im Sande, ohne daß ein Hügel oder ein Steinbau das Begräbniß bezeichnete. Die Wenden gruben ihre Todtenurnen stets nur in die Erde ein, ohne einen Hügel darüber zu errichten.
Die Leiche war verbrannt, wie die in der Urne befindlichen zerbrannten Knochensplitter zeigen. Leider sind die meisten Knochen verschüttet und verloren gegangen; aber einige Ueberreste von den Schädel=, Röhren= und Rippen=Knochen beweisen klar, daß die verbrannte Leiche eine sehr junge und zarte Person war.
1) Die Urne, welche freilich zerbrochen ist, sich aber in einer Hälfte von oben nach unten vollständig, also zur vollkommenen Erkenntniß der Form hat wieder zusammensetzen lassen, zeigt den vollständigen Charakter der ausgebildeten Eisenperiode. Die Urne ist, nach der Art der heidnischen Urnen aus Thon, stark mit Kiessand und Granitgrus gemengt, mit seinem, geschlämmten Thon überzogen und hellbraun (nicht schwarz) von Farbe. Sie ist 10" hoch und 10" weit im Bauche und hat die Gestalt der Urnen aus den ausgeprägten Wendenkirchhöfen von Kothendorf und Camin, wie sie im Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 1 bis 8, und in den Jahrbüchern XII, S. 432 bis 433, abgebildet sind, namentlich wie Frid. Franc, a. a. O. Fig. 7 und Jahrb. Fig. 6 und 7, und hat im Allgemeinen die Gestalt und dieselben Verzierungen, wie die hieneben abgebildete, in dem Wendenkirchhofe zu Camin gefundene Urne. Ueberhaupt scheint die Urne mit dem merkwürdigen Wendenkirchhofe von Kothendorf, welcher in Frid. Franc. Erl. S. 89 -96 beschrieben ist, zusammenzufallen. Die Urne von Wotenitz ist auf der ganzen Oberfläche sehr voll und dicht verziert. Um den obern Bauchrand unter der Oeff=
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nung laufen zwei Reihen nach unten gekehrter, gefüllter Spitzen oder Dreiecke, welche an einer Doppellinie hangen.
Alle diese Linien bestehen aus an einander gereiheten, kleinen, eingedrückten Vierecken, welche scheinbar mit einem laufenden gezahnten Rade gebildet sind, ein charakterisches Zeichen der Eisenperiode. Der ganze untere Theil ist mit dicht an einander gestellten, feinen Parallellinien verziert, welche oben (unter den Dreiecken) horizontal, nach unten hin bis zum Fuße perpendiculair stehen.
Die Alterthümer, welche in der Urne lagen, sind sehr reich und bestehen aus folgenden Gegenständen:
Zwei, vielleicht drei eiserne Messer, ungefähr 4 bis 6 Zoll lang, sehr verrostet und zerbrochen.
Ein Bruchstück von einer eisernen Messerscheide, wie es scheint.
Einige eiserne Hefteln oder Schnallen oder ähnliche gebogene, kleine Gegenstände, stark verrostet und an andere eiserne Gegenstände angerostet und zerbrochen.
Zwei kleine, zierliche, ganz gleiche bronzene Hefteln. Schon früher wurden bronzene Hefteln von ähnlicher Form in einem andern Wendengrabe zu Wotenitz auf dem Schullehreracker gefunden (vgl. Jahrb. XXIII, S. 288).
Zwei größere, ganz gleiche, schwere, silberne Hefteln, von denen eine ziemlich erhalten, die andere sehr zerbrochen ist, ganz von der Form, wie sie in Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 13 und im Jahresber. VIII, S. 48 und hieneben wieder abgebildet ist.
Die beiden silbernen Hefteln sind zwar breiter und derber, als die beiden bronzonen, aber mit Punktgravirungen sehr sauber und geschmackvoll verziert. Eine ganz ähnliche silberne Heftel ward auch im Wendenkirchhofe zu Kothendorf gefunden und ist in Frid. Franc. Tab. XX, Fig. 14, abgebildet (vgl. Erl. S. 95-96).
Ein Stück zusammengeschmolzenes Silber, vielleicht von einer kleineren Heftel.
Acht grade silberne Nadeln, jede 3 bis 3 1/2" lang, mit rundem Knopfe.
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Zwei kleinere, oben im rechten Winkel gebogene, silberne Nadeln, jede ungefähr 2 1/2" lang, mit rundem Knopfe. Das eine obere Ende einer solchen Nadel ist an die eiserne Messerscheide angerostet.
Zwei gleiche kleinere, gebogene, silberne Nadeln, mit gereiftem Knopfe oder vier ausgefeilten Knöpfchen.
Das Silber ist sehr weich, zerbrechlich, rein und ohne Rost. Grade solche silberne Nadeln von beiden Formen wurden auch im Wendenkirchhofe von Kothendorf gefunden; vgl. Frid. Franc. Erl. S. 95 und Abbildungen Tab. XXIV, Fig. 17 und 18.
Zwei gebogene bronzene Nadeln mit rundem Knopfe. Zwei gebogene bronzene Nadeln mit gereiftem Knopfe. Eine bronzene Nähnadel mit Oehr, ungefähr 3 1/2" lang, wie die zu Kothendorf gefundene und in Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig. 24 abgebildete Nähnadel.
Ein schmaler bronzener Beschlagstreifen, 2 1/2" lang.
Ein rundlich gebogener, offener, silberner Haken, mit Schaftspitze, aus starkem Silberdrath sich verjüngend, in grader Linie gut 6" lang.
Eine offene, silberne Spange oder ein Armband. Diese bildet in der Mitte einen dünnen (jetzt rundlich gebogenen) Silberdrath von ungefähr 3 1/2" Länge, welcher sich nach den beiden Enden flach bis 3/8" verbreitert und an jedem der beiden Enden mit zwei Halbkugeln von 5/8" Durchmesser verziert ist. Das Ganze ist ungefähr 8 1/2" lang und jetzt in sechs Stücke zerbrochen; das eine Ende mit einer Halbkugel ist fest auf ein Stück von einem eisernen Messer gerostet, während die übrigen Stücke sowohl von Silberrost, als von Eisenrost völlig frei sind. Das breite Ende ist an einer Seite mit kleinen Augen von zwei eingeschlagenen concentrischen Kreisen verziert. In der Sammlung zu Kopenhagen wird ein ähnlich gearbeiteter, einzeln gefundener Fingerring aufbewahrt, welcher in Worsaae Afbildninger, zweite Auflage, Taf. 88, Nr. 383, und Boye Oplysende Fortegnelse, 1859, S. 108, Nr. 655, abgebildet ist. Dieser besteht aus drei parallel laufenden, zwei mal gewundenen, breiten Ringen, deren Enden der wotenitzer Spange ganz ähnlich ist. Es möchte daher nach dem wotenitzer Funde dieser kopenhagener "Ring nicht dem jüngern", sondern dem "ältern Eisenalter" zuzuschreiben sein (vgl. unten die Vergleichung).
Eine silberne Perle, mit kurzem Halse, 3/4" hoch und dick, hohl gearbeitet und auf der ganzen Oberfläche mit dichten, äußerst feinen Schrägestrichen sehr sauber verziert.
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Zwei Glasperlen, aus weißem Glase mit hellblauen Stellen, an die eiserne Messerscheide fest angerostet.
Ein Stück Räucherwerk, ungefähr 3/4" groß, von brauner Farbe, einem Stückchen Braunkohle ähnlich; es brennt ununterbrochen mit heller Flamme am Licht und riecht stark harzig, fast wie Braunkohle, jedoch angenehmer. In einer wendischen Urne bei Malchin wurden ganz gleiche Stücke gefunden; vgl. Jahresber. II, S. 75. - Dieses Harz scheint fabrikmäßig in großen Massen gemacht und verhandelt zu sein. Im J. 1845 wurden zu Togårp in Schweden 14 große Harzkuchen dieser Art gefunden und in Lund 1 ) zerstreut, jedoch mehrere derselben für die Museen gerettet. Diese runden, braunen Harzkuchen sind wie Scheiben gebildet und ungefähr 6" im Durchmesser und 1" dick.
Wenn dieser Reichthum der verschiedensten Gegenstände, welche alle für eine bestimmte Zeit äußerst bezeichnend sind, in Einer Urne schon eine große Seltenheit ist, so wird dies alles doch durch ein vortreffliches goldenes Geschmeide übertroffen, welches ebenfalls wohl erhalten in der Urne lag. Dies ist eine Kette mit Bommel aus reinem Golde. Leider war die sonst wohl erhaltene Kette von dem Finder an einem Ende durchgerissen und es läßt sich nicht mehr ermitteln, ob sie noch in ihrer ganzen Länge vollständig erhalten ist oder ob zwischen den Bruchenden jetzt ein Ende fehlt. Die Kette ist ganz wie eine moderne sogenannte "venetianische Kette" aus 8 Dräthen, wie es scheint, äußerst zierlich, dicht und genau geflochten, rund, 1/8" dick und mit den Endringen und dem Schließhaken 14 1/2" hamburger Maaß oder 35 Centimeter lang. An jedem Ende sitzt ein zierlich gearbeiteter Knopf und ein Ring zur Aufnahme eines nach zwei verschiedenen Seiten gebogenen, eben so zierlich gearbeiteten Hakens (von welchem ein Ende abgebrochen war), welcher die beiden Enden zusammenhalten kann. Lose auf die Kette sind zwei sehr sauber gearbeitete Knöpfe oder dicke Scheiben, und zwischen dieselben an einem Ringe eine Bommel gezogen, so daß diese Ringe und die Bommel nicht von der Kette gezogen werden oder fallen können. Die Bommel ist ebenfalls aus reinem Golde, hohl gearbeitet, äußerst kunstreich verziert, von hübscher, birnenförmiger Gestalt und 1 1/4" hamb. Maaß oder 2 1/4" Centimeter lang und 3/4" oder 1 1/2 Centimeter an der
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dicksten Stelle im Durchmesser. Die ganze Oberfläche der Bommel ist mit einer sehr großen Menge ganz kleiner Knötchen in doppelten Spiralwindungen dicht und sauber bedeckt, wie es scheint in 24 concentrischen Reihen, von denen die längste über 50 Knötchen enthält, so daß wohl gewiß über 600 Knötchen, welche dem Ganzen nur ein punctirtes Ansehen geben, auf der Bommel sitzen. Der Metallwerth des ganzen Schmuckes beträgt ungefähr 18 Thlr. Preuß. Cour.
Der Zweck dieses äußerst kunstreich gearbeiteten Geschmeides ist jetzt nicht völlig sicher zu bestimmen. Es kann, was jedoch am wahrscheinlichsten ist, ein Halsband gewesen sein, wenn man annimmt, daß beim Zerreißen ein Ende verloren gegangen ist; noch jetzt paßt die Kette grade um einen nicht dicken Hals, jedoch knapp, so daß beim Schließen der Kette die Bommel beinahe fest anliegt. Es kann aber auch, was jedoch nicht wahrscheinlich ist, ein Armband gewesen sein, so daß die Kette zwei mal um den Unterarm geschlungen ward und die Bommel herabhing, wie es auch jetzt wieder Mode ist; noch jetzt kann die Kette grade zwei mal um einen nicht dicken Arm geschlungen werden. Zu berücksichtigen ist hiebei allerdings, daß die hier bestattete Person nach den Knochenresten offenbar jung und zierlich war und die Kette daher sehr gut ein Halsband für diese Person bilden konnte.
So ganz ungewöhnlich nun auch diese Kette für die heidnische Eisenperiode in Deutschland und das Heidenthum überhaupt ist, so giebt grade sie, mit den dabei gefundenen Sachen, einen Beweis für eine gewisse Zeit. So wie für die
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Mehrzahl der bei Wotenitz gefundenen Sachen die Zeit des bestimmt ausgeprägten Wendenkirchhofs von Kothendorf zur Vergleichung gezogen werden kann, so kann für die Kette ein Fund zur Vermittelung dienen, der um das Jahr 1853 zu Milow in der Prignitz an der meklenburgischen Grenze bei Grabow gemacht ward und theilweise in die schweriner Sammlung kam. Hier ward nämlich neben einer silbernen Heftel auch eine Bommel von verziertem Silber gefunden, welche an Größe ganz und an Gestalt und an Verzierungsweise ungefähr der Bommel von Wotenitz ähnlich, jedoch nicht völlig so kunstreich gearbeitet ist.
Die silberne Heftel von Milow ist aber den kleinen bronzenen Hefteln von Wotenitz an Größe, Gestalt und Verzierung völlig gleich, so daß alle aus derselben Form gekommen zu sein scheinen und ohne Zweifel einer und derselben Zeit angehören. Diese beiden Sachen von Milow geben aber den Beweis, daß diese Bommeln aus der Zeit der silbernen Hefteln und des Eisens nicht ohne Beispiel in Deutschland sind.
Daß die Kette von Wotenitz nicht von wendischen Händen gemacht ist, ist wohl als gewiß anzunehmen. Sie muß von einem kunstfertigen Volke eingeführt sein. Es bedarf aber noch einer sehr genauen Ermittelung, ob sie aus dem Morgenlande mit kufischen Kunstsachen, oder aus dem Abendlande, aus dem fränkischen Reiche gekommen ist. Bekanntlich ist im nordöstlichen Deutschland immer sehr viel kunstreiches Geschmeide mit kufischen Silbermünzen zusammen gefunden; aber dieses Geschmeide bestand immer, so viel ich unterrichtet bin, aus Silber. Es finden sich aber bei solchen kufischen Silberfunden auch ganz gleich nach "venetianischer" Art gearbeitete Drathketten aus Silber. Dagegen ist es bekannt, daß im fränkischen Reiche zur Zeit der Merovinger noch viel Gold verarbeitet ward, wie die zahlreichen merovingischen Goldmünzen beweisen.
Dieser Fund wird außerdem ungemein wichtig durch die in Dänemark gefundenen Geschmeide gleicher Art. In der großen königlichen Sammlung vaterländischer Alterthümer zu Kopenhagen wird ein ganzer Kasten voll ähnlicher Alterthümer aufbewahrt, welche, einzeln gefunden, dort in ihrem Zusammenhange jedoch noch nicht mit Bestimmtheit erkannt sind. 1 ) Es finden sich dort wenigstens 12 goldene Bom=
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meln, von denen die größte und die kleinste in Worsaae Afbildninger fra det Kongelige Museum for Nordiske Oldsager, Kjöbenhavn, erste Auflage, 1854, S. 74, Nr. 299 und 300, zweite Auflage, 1859, Taf. 87, Nr. 377, und 378, abgebildet sind; in Boye Oplysende Fortegnelse, I, Kjöbenhavn, 1859, S. 56, sind die goldenen Bommeln ("Berlok") im königlichen Museum zu Kopenhagen beschrieben und die größte derselben ist daselbst S. 56 zu Nr. 318 wieder abgebildet. Neben diesen Bommeln wird in Kopenhagen auch eine ganz gleiche Kette, wie die schweriner jedoch ohne Ringe und Schließhaken, aufbewahrt; es sind dort aber noch einzelne Endringe und Ringe zum Aufziehen, so wie ein vereinzelter Doppelhaken zu finden. Es sind in Kopenhagen also alle Theile zu vollständigen Ketten vorhanden. Bei diesen Ketten und Bommeln sind goldene und bronzene Hefteln, silberne Ringe und silberne Nadeln mit goldenen Knöpfen gefunden, welche eben so gearbeitet sind, wie die Wotenitzer Bommel; vgl. Worsaae Afbildninger S. 74, Nr. 294.
Die dänischen Forscher (vgl. Warsaae und Boye) schreiben diese Goldsachen dem "ältern Eisenalter" zu, und dies würde ungefähr zu meiner Ansicht stimmen, nach welcher ich diese goldenen Arbeiten in die Zeit der Merovinger setze. Freilich scheint die Wotenitzer Urne auf eine jüngere Zeit zu deuten; jedoch ist die Zeit der punctirten Urnen in Meklenburg noch nicht genau bestimmt.
So viel ist gewiß, daß in Meklenburg der Fund von Wotenitz das erste Gold aus der Eisenperiode bietet, und daß in Meklenburg noch nie ein so reiches wendisches Grab geöffnet ist, als das Grab von Wotenitz, daß wir also zum ersten Male ein Grab gefunden haben, welches einer vornehmen wendischen Person angehört.
Zur Bestimmung der Zeit und zur Erläuterung der Culturgeschichte ist aber dieses Begräbniß von Wotenitz ungemein wichtig, indem es alle Mineralien der Heidenzeit in den bestimmt ausgeprägten Formen der Eisenperiode bietet: Gold, Silber, Bronze, Eisen, Glas, Thon und Erdharz.
Die große Wichtigkeit der Urne und ihres reichen Inhalts bewog mich, an der Stelle, wo dieselbe gefunden war, weiter nachforschen zu lassen, da die Wahrscheinlichkeit vorhanden war, daß hier ein sogenannter Wendenkirchhof liege. Ich beauftragte daher den Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar, Mitglied des Vereins, welcher durch wiederholte andere Nachgrabungen schon Erfahrungen gesammelt hatte, an der Fundstelle Nachgrabungen anzustellen, und derselbe hat mit Vorsicht und Ge=
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schick den Auftrag ausgeführt und ansehnliche Beute gemacht. Er hat an der Fundstelle der zuerst gefundenen, wichtigen Urne acht Tage lang gegraben und den Begräbnißplatz wahrscheinlich ganz ausgebeutet. Im Ganzen wurden noch 28 braune Urnen gefunden, von denen 5 vollständig und 5 zur Hälfte oder in größern Bruchstücken erhalten sind; alle diese und 2 ganz zerbrochene Urnen, welche alle ungefähr die Gestalt und Verzierung der oben abgebildeten Urne hatten, enthielten viele Alterthümer aus Eisen und Bronze. Die Urnen, welche alle eine bräunliche, und nicht die in Wendenkirchhöfen oft vorkommende gleichmäßig dunkelschwarze Farbe hatten, waren so stark mit Tannenwurzeln um= und durchwachsen, daß die meisten in kleine Stücke auseinandergedrängt waren und zerfielen, und nur mit großer Mühe einzelne größere Stücke gerettet werden konnten. Die Urnen standen auf dem Begräbnißplatze im Sande immer 2 bis 3 Fuß weit von einander und 2 1/2 Fuß tief. Der Begräbnißplatz war weder durch Hügel, noch durch Steine ausgezeichnet und bot also nur die gewöhnliche Erscheinung eines Wendenkirchhofs. In den entdeckten Urnen wurden noch über 60 Stück Alterthümer aus Eisen oder Bronze, keine von edlem Metall gefunden. Diese Alterthümer sind aber doch sehr wichtig, indem viele eine feine, geschmackvolle Form haben und alle nicht sehr gerostet sind. Mehrere Stücke haben merkwürdiger Weise gar keinen Rost und lassen daher die Bearbeitungsweise klar erkennen. Im höchsten Grade bemerkenswerth ist die ungewöhnlich kunstreiche Bearbeitung des Eisens, welche namentlich an der eisernen Heftel in der Urne 2 hervortritt. Die feine Perlenverzierung dieses Eisenschmucks ist so fein und so sauber, daß sie der Bearbeitung des Goldschmucks völlig gleich kommt, wenn nicht übertrifft. Dieses Stück ist äußerst wichtig für die Bildungsgeschichte des Eisenalters. Auch alle anderen Stücke sind sehr sauber und tüchtig gearbeitet.
Die durch die neue Aufgrabung gewonnenen Alterthümer sind folgende.
2) Eine Urne, sehr groß, über 13" Durchmesser im Bauche, zerbrochen und nur in einem großen Bruchstücke vorhanden, reich und kräftig verziert, am obern Rande mit zusammenhangenden Mäander= oder Hammerlinien verziert.
In dieser Urne lag in den zerbrannten Knochen:
ein eiserner Schildbuckel, ziemlich gut erhalten, an einer Stelle ohne Rost, 5" im Durchmesser und 4 1/2" hoch, einfach aus Eisenblech tütenförmig gebildet, ohne aufgesetzte
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Spitze; im Rande sitzen 4 ganz eiserne Niete mit runden Köpfen;
eine eiserne Schildfessel, 8" lang;
eine eiserne Lanzenspitze, 6" lang, mit dem Niet im Schaftloche, an der am Ende umgebogenen Spitze ohne Rost;
eine bronzene Heftel, ganz von der Größe und Gestalt, wie die oben S. 254 abgebildete, fein und schön verziert;
eine eiserne Heftel , von derselben Größe und Gestalt, vollständig erhalten und in der obern Hälfte ganz ohne Rost, wie neu. Diese Heftel läßt einen tiefen Blick in die Gewerbethätigkeit der wendischen Zeit thun; sie ist reich mit feinen Perlenreihen und anderen Verzierungen geschmückt, welche eben so fein gearbeitet sind, als die feinsten Verzierungen auf den gegossenen Hefteln aus Bronze. Diese ganz gewiß aus freier Hand mit unvollkommenen Instrumenten ausgeführte Arbeit ist jedenfalls eben so kunstreich, als die goldene Bommel und Kette, und verdient wahrhaft Bewunderung. Es existirt wohl kaum ein ähnliches Stück aus jener Zeit. Endlich fand sich:
eine eiserne Schnalle.
Dieses Begräbniß gehörte ohne Zweifel einem Kriegsmann.
3) Eine Urne, ziemlich groß, 6 1/2" hoch, 12" weit im Bauche, ebenfalls mit feinen Hammerverzierungen und Halbkreisen und Kränzen unter denselben geschmückt. In dieser Urne lagen:
eine bronzene Heftel, klein und sehr zierlich an
Form und Verzierung, vollständig;
eine
bronzene Heftel, eben so, Bruchstück;
ein
bronzener Ring, 1" im Durchmesser, derbe
und ohne Verzierung;
ein eiserner Ring,
eben so groß und etwas dünner;
eine
bronzene Schnalle, viereckig, 1" im Quadrat
groß, sehr fein und zierlich;
ein eisernes Messer.
Dieses Grab gehörte nach den Geräthen und den Knochenüberresten ohne Zweifel einer erwachsenen weiblichen Person.
4) Eine Urne mit ganz gleicher Verzierung, nur etwas kleiner, 5 1/2" hoch und 10" weit im Bauche. In dieser Urne lagen:
eine eiserne Sichel, wie Frid. Franc. Tab. XVII,
Fig. 12;
auf derselben ist angerostet:
ein eisernes Messer; ferner lag in der
Urne:
ein eisernes Messer mit hölzernem Griff;
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ein eisernes Messer, in der Klinge nur 1
3/4" lang, mit hölzernem Griff;
eine
bronzene Heftel, ohne Rost, sehr schmal und
zierlich;
eine bronzene Schnalle mit rundem
Bügel, wie Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig. 20, auf
dem Bügel mit kleinen Kreisen verziert.
Unten an der Außenseite der Urne sitzt auch Eisenrost.
Dieses Begräbniß gehörte sicher ebenfalls einer weiblichen, nach den Schädelknochen schon bejahrten Person an.
5) Eine Urne, ungefähr von gleicher Größe und Gestalt, wie die vorige, jedoch ohne Hammerverzierungen. In dieser Urne lagen:
eine eiserne Sichel;
eine eiserne
Sichel;
ein eisernes Messer mit hölzernem
Griff;
ein eiserner Ring;
eine eiserne
Heftel, sehr fein gearbeitet, jedoch
gerostet;
eine bronzene Schnalle mit
viereckigem Bügel, wie Frid. Franc. Tab. XXXII,
Fig. 16;
ein Bronzebeschlag, 1" lang,
aus zwei Blechstreifen mit zwei Nieten
bestehend. Unten außen an der Urne sitzt auch Eisenrost.
Auch dieses Begräbniß gehörte sicher einer weiblichen Person, welche nach den an die Sichel gerosteten Schädelbruchstücken noch sehr jung war.
6) Eine Urne, von großer Form, nur noch in einem Bruchstück vorhanden. In dieser Urne lagen:
ein eisernes Messer;
ein eisernes Messer mit
hölzernem Griff;
eine eiserne Pfeilspitze
oder lanzetförmiges Messer,
dünn, mit
hölzernen Schaftresten;
eine eiserne
Pfeilspitze oder Messer, eben so;
eine
eiserne Schnalle;
eine eiserne Heftel,
Bügelbruchstück, breit;
eine eiserne
Heftel, schmal, zerbrochen.
Nach den Schädelresten war die Person zwar ausgewachsen, aber noch jung.
7) Eine Urne, ganz zerbrochen, ohne Ueberreste.
Darin lagen:
eine eiserne Sichel, vollständig, nur 3 1/4"
lang;
ein eisernes Messer, vollständig, nur
3" lang in der Klinge, mit hölzernem Griff;
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ein eisernes lanzetförmiges Messer, 2 1/2"
lang, wie in der Urne 6;
eine bronzene
Heftel, schmal und zierlich.
8) Eine Urne, zerbrochen, nur leicht mit Linien verziert. In dieser Urne lagen:
ein eisernes Messer mit hölzernem Griff;
ein
eiserner Stift;
eine bronzene Heftel;
eine eiserne Heftel;
eine eiserne Heftel,
deren Bügel aus einem flachen Blechstreifen
besteht;
eine eiserne Schnalle, rund;
eine eiserne Schnalle, Bruchstück.
9) Eine Urne von mittlerer Größe, mit Hammerverzierungen, zerbrochen. In dieser Urne lagen:
eine eiserne Sichel;
eine eiserne
Sichel;
ein eisernes Messer;
eine
eiserne Heftel;
eine eiserne Schnalle;
eine eiserne Schnalle.
Nach den Ueberresten der Knochen gehörte dieses Begräbniß einer jungen Person.
10) Eine Urne, zerbrochen. In dieser Urne lagen:
ein eisernes Messer;
ein eisernes
Messer;
eine eiserne Sichel;
eine
eiserne Schnalle.
11) Eine Urne, niedrig und flach, zerbrochen. In dieser Urne lagen:
ein eisernes Messer;
ein eisernes
Messer;
ein eisernes Messer,
Bruchstück;
ein eisernes sichelförmiges
Messer, ganz klein und stark halbmondförmig
gebogen, nur 2 1/4" lang;
ein eisernes
sichelförmiges Messer, eben so gestaltet und
eben so groß;
eine eiserne Heftel, wie die
oben abgebildete;
eine bronzene Heftel,
eben so, zerschmolzen.
Nach den Knochenresten gehörte das Grab einer jungen, nicht stark gebaueten Person an.
12) Eine Urne, ganz erhalten, klein, 4 1/4" hoch und 8 1/2" im Durchmesser, nicht mit Punctlinien, sondern nur mit eingeritzten Strichen verziert. In dieser Urne lagen:
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ein eisernes Messer, kurz und breit, mit
hölzernem Griff;
ein eisernes Messer;
eine eiserne Sichel, groß.
Die in der Urne liegenden Schädel= und andern Knochen gehören einem Kinde an.
13) Eine Urne, mit Punctlinien verziert, sehr klein, 4" hoch und 8" weit. In dieser Urne lagen:
ein eisernes Messer, klein;
ein eisernes
Messer, klein, mit hölzernem Griff;
ein
eisernes sichelförmiges Messer, ganz klein, nur
2" lang und 5/8" breit.
Die in der Urne liegenden Knochen gehören einem ganz kleinen Kinde an. Nach der Größe der Urne, der Geräthe und der Knochen ist diese Urne sicher eine Kinderurne, wie auch die nächst vorhergehende und vielleicht noch einige der vorauf aufgeführten.
Diese Begräbnißstätte ist also ein gewöhnlicher Wendenkirchhof wie viele andere. Die bei der zweiten Aufgrabung gefundenen Urnen und Alterthümer zeichnen sich durch nichts vor den in andern Wendenkirchhöfen gefundenen Alterthümern aus. Die Urnen sind alle braun (nicht schwarz) und mit den gewöhnlichen Punctlinien verziert, auch an Gestalt den Urnen aus den Wendenkirchhöfen ähnlich, in welchen sich schon Silber findet, namentlich den im Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 1 bis 8, und in den Jahrbüchern XXII, S. 432 bis 433 abgebildeten Urnen gleich. Die Alterthümer sind wenig gerostet, die Formen derselben leicht und geschmackvoll. Wenn wir auch noch keine verschiedene Abtheilungen im Eisenalter machen können, wie in Dänemark, da dort sicher verschiedene Völkerschaften gehauset und verschiedene Bildungsweisen geherrscht haben, während in Meklenburg das eine und dasselbe Volk der slavischen Wenden mit großer Zähigkeit gewiß wohl vom 6. - 12. Jahrhundert ruhig gesessen hat, so läßt sich doch aus Formen und Rost der Alterthümer, wenn man auch den trockenen Sandboden in Anschlag bringt, annehmen, daß dieser Fund aus der jüngern Zeit der Eisenperiode oder des Wendenthums stammt, um so mehr, da alle gleich gestalteten und erhaltenen Alterthümer dieselben Eigenthümlichkeiten tragen. Ich kann daher den Goldschmuck mit den dänischen Forschern nicht der ältern, sondern der jüngern
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Eisenzeit zuschreiben, es sei denn, daß ganz bestimmt bezeichnende Alterthümer mit solchem Goldgeschmeide gefunden würden.
Zugleich lehrt dieser Fund auch, daß auch vornehme Leute gleich den geringen in den Wendenkirchhöfen bestattet wurden. Die Urne mit den Gold= und Silbersachen war ohne Zweifel das Begräbniß einer vornehmen und reichen Person, und doch ward das Grab durch kein äußeres Zeichen vor den übrigen Gräbern ausgezeichnet. Man muß also den Gedanken aufgeben, daß die Gräber der vornehmen Wenden durch äußerlich hervorragende Denkmäler bezeichnet seien. Die Auffindung eines reichen Grabes ist daher immer nur Zufall.