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Auf dem leipzig=dresdener Bahnhofe zu Dresden
ward im J. 1851 beim Bau eine heidnische
Begräbnißstätte
1
) gefunden. Von den dort
gefundenen Alterthümern erwarb der durch mehrere
werthvolle alterthümliche Geschenke um den
Verein verdiente Freiherr Ad. v. Maltzan, früher
auf Duchnow
. in Polen, jetzt zu Eschdorf, bei
Dresden, durch Geschenk mehrere Grabgefäße und
schenkte dieselben unserm Vereine wieder.
Dieses in mancher Hinsicht werthvolle Geschenk enthält folgende Stücke:
1) Eine völlig erhaltene, hellbraune Urne, von der in Jahrb. XI, S. 357 und hieneben wieder abgebildeten Form, 9" hamb. Maaß hoch, 11 1/2" weit in der Mündung. Der Bauchrand ist durch senkrechte Einschnitte gekerbt. Dicht über dem Bauchrande laufen 4 eingerissene Parallellinien umher.
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2) Eine kleine, glatte Schale ohne Henkel, 2" hoch, 4 1/2" weit in der Mündung.
3) Eine kleine, glatte Schale mit Henkel, eben so groß.
4) Eine kleine, glatte, gehenkelte Urne, am Rande abgebrochen, gegen 3" hoch und eben so weit in der Mündung, von der in Jahrb. XI, S. 363 oben und hier wieder abgebildeten Form, jedoch ohne Verzierungsreisen auf dem Bauchrande.
Welcher Zeit diese Urnen angehören, läßt sich bei dem Mangel an metallenen Alterthümern nicht bestimmen. Nach den Größen und Formen gehören sie der Bronze=Periode an; da sie aber sehr wohl erhalten und fest sind und die Form der großen Urne bis in den Anfang der Eisen=Periode hineinreicht, so ist es wahrscheinlich, daß diese Gefäße in die letzte Zeit der Bronze=Periode fallen.
Diese Gefäße sind durch die kleine gehenkelte Urne sehr merkwürdig. In Norddeutschland werden oft diese kleinen gehenkelten Urnen, welche häufig sehr schöne, antike Formen haben, bei großen Urnen mit Asche und zerbrannten Knochen gefunden; sie sind gewöhnlich in oder dicht neben große Urnen gestellt. Bisher sind aber die in diesen kleinen Urnen gefundenen zerbrannten Knochenreste so sehr durch den Leichenbrand zerstört und an Menge so unbedeutend gewesen, daß sich die Bestimmung dieser kleinen Urnen nicht erkennen ließ. Man kam daher auf den Gedanken, daß diese kleinen Urnen zur Sammlung der Asche von edleren Theilen des Körpers, z. B. der Augen, bestimmt gewesen seien, um so mehr, da diese Urnen zur Aufnahme der Gebeine und Asche eines ganzen Körpers zu klein zu sein schienen.
Diese dresdner kleine Urne giebt aber andere und sichere Aufschlüsse. Der Leichenbrand muß nicht stark genug gewesen sein, und so sind denn mehrere Gebeine in der Urne fast vollständig erhalten, z. B. die Beinknochen fast vollständig, die Augenhöhlen, Stücke von dem Schädel und den Rippen u. s. w. Nach diesen Knochen war die verbrannte Leiche, nach dem Urtheile mehrerer Aerzte, ein neu gebornes Kind. Die Beinknochen sind ungefähr 2 1/2" hamburger Maaß lang, so daß sie
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noch horizontal in die kleine Urne gelegt werden konnten. Die Schädelbruchstücke sind nicht viel dicker, als starkes Schreibpapier, jedoch schon fest; eben so sind die Augenhöhlen fest ausgebildet. Von den Knochen der großen Leiche lag nichts in der kleinen Urne, so daß die Kindesleiche allein verbrannt worden ist.
Es ist daher sicher, daß diese kleinen Urnen Kinderurnen waren, und daß, wenn sich eine solche kleine Urne in oder neben einer großen Urne findet, dort eine Mutter mit ihrem neu gebornen Kinde beigesetzt ist, welche beide durch die Geburt gestorben waren.
G. C. F. Lisch.