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aus dem 15. Jahrhundert,
mitgetheilt
von
G. C. F. Lisch.
I n einem im Archive der Stadt Wismar 1 ) unter ungeordneten Papieren aufgefundenen Privatrechnungsbuche aus dem 15. Jahrhundert stehen mitten unter den Rechnungsansätzen 2 ) an zwei verschiedenen Stellen zwei plattdeutsche Gedichte, welche ohne Zweifel in dem bürgerlichen Geschäftsverkehr niedergeschrieben und als seltene Proben einer volksthümlichen, gesellschaftlichen Dichtung beachtenswerth sind. Das Buch, aus Papier, in Pergament geheftet, hat Hal= oder Schmalhochfolio=Format und enthält 52 Blätter in 5 ungleichen Lagen. Man unterscheidet nach der Handschrift zwei Arten von Eintragungen: die früheren Eintragungen betreffen theils Waaren= 2 ), theils Schiffsrechnungen, - die späteren bilden das Journal einer Bierbrauerei. Später noch sind die Dichtungen eingetragen. Der Eigenthümer des Buches war "Hinrik Ganskow", in S. Jürgen=Kirchspiel wohnhaft, von der "Segler=Cumpanie", unter deren Vorstehern er im Anfange des J. 1426 genannt wird, und kam (nach Schröder) im J. 1437 in den Rath. Er mag aber schon früher das Seefahren aufgegeben haben, da fol. 21 Jacob Hoghenkerke,
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ein Geistlicher, bereits im J. 1433 ein Schuldbekenntniß mitten unter andern eingetragen hat. Das Jahr seines Todes ist nicht bekannt.
Die Dichtungen sind von Händen eingetragen, welche unter sich selbst und von den Handschriften der Rechnungen verschieden sind.
Das erste Gedicht steht auf fol. 17 b auf einer leer gebliebenen Stelle. Die Schrift ist sehr undeutlich und von einer sehr ausgeschriebenen Hand. Dieselbe Hand hat etwas höher geschrieben: "Item Peter Rybe is en ghut knecht"; derselbe Name steht auch auf der folgenden Seite. Von derselben Hand steht fol. 24 b: Hynryk van der ouue (oder onne)".
Der Trinkspruch steht fol. 38 b und über demselben von derselben Hand:
"In dat yar vnses heren do men schref XLVIII".
Auf der gegenüberstehenden Seite stehen von derselben Hand einige Federproben, eine Handelsnotiz und ein schwer zu entzifferndes Recept.
Man könnte vermuthen, daß Kaufgesellen die Schreiber der Dichtungen seien; allein die neben dem Trinkspruche stehende Handelsnotiz:
"Item is my tenetur Hans Bomoley (?) VIII par swyne fele, dar steyt my dat deker XXX mr. lub. myn VI etc."
scheint für einen selbstständigen Mann zu sprechen.
Die Niederschreibung der Gedichte fällt also in die Zeit 1433 bis 1448.
Die beiden Gedichte sind sehr verschieden an Inhalt und Ton.
Das erste Gedicht ist ein launiger Trinkspruch oder eine Tischrede, deren Inhalt aus der wörtlichen Uebersetzung klar wird; es ist eine Aufforderung zum Trinken. Dieses Gedicht ist rein plattdeutsches Original, wie es ächt plattdeutsche, noch heute allgemein übliche Redensarten und Wörter beweisen, wie z. B. 1. ik ghâ stân (= ich gehe stehen = ich stelle mich), 2. nychen beten (nicht ein Bischen), 1. schap (Schrank), 11. grâpen (dreifüßiger Kessel oder Topf, 11. râken (raffen? = hervorziehen, oft = auf ebener Fläche hervorziehen oder wegziehen).
Das zweite Gedicht ergeht sich in dem lyrischen Ton der sogenannten Minnesänger des 13. Jahrhunderts. Es ist offenbar eine Uebersetzung oder Nachahmung eines lyrischen Gedichtes jener Zeit, das gewiß an vielen Stellen mißverstanden und schlecht wiedergegeben ist. Dazu ist die Handschrift sehr schlecht,
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wenn sie auch, mit Ausnahme der als zweifelhaft angegebenen Stellen, hier getreu wiedergegeben ist. Ton und Versmaaß sind durchaus nicht niederdeutsch, und viele Redensarten und Wörter kommen wohl nur in der hochdeutschen Dichtung vor, z. B. tynnekynen (Zinnchen), lustechlyke mey, bumgardelyn u. s. w. Die Bilder der dritten Strophe: borch van ylbenbên, carhunkelenstên, goldene krôn, tynnekynen van caralen, sind rein Bilder der romantischen Zeit. Manches ist ganz unverständlich. So viel es scheint, soll die Freude mit dem Mai und eine Jungfrau mit einer elfenbeinernen Burg vor einem Maigarten verglichen werden.
I.
In dat yar vnses heren do men schreff XLVIII.
1 Hyr ghâ ik hen vôr dat schap stân vnde wyl
wat eten,
2 men hyr is nychen beten;
3 dat ghôde bêr mach ik gherne drynken
4 vnde ôk ête ik gherne van deme
schynken.
5 Myn lêue kumpân, wo gheyt yt
dy so tho strvnpe?
6 kanst dv noch
ghyghen edder trvmpen?
7 De balken kanst
dv tellen
8 vnde ên stoffekens bêrs vt
der tonnen fellen;
9 dâr vmme byst dv ên
ghôt gheselle.
10 Dv kanst ôk wol
kâken,
11 dat flêsk vte deme grâpen
râken.
12 Wen dv dat heft ghedân,
13
so kanst dv na deme keller ghân.
14 Den kôl
macht dv nycht gherne eten, den lest dv wol
stân,
15 dâr vmme byst dv ên ghôet ku[m]pân.
II.
1.
1 Ik heue an vnde singhe
2 dat beste dat yk kan,
3 van den veyten 1 ) in den velde,
4 he steyt so lâuesan,
5 dâr vynt me blômeken eddelen vyn 2 );
6 yk rede jv dat vôr wâre,
7 beter lust macht nîman syn.
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1 Fyggôlen 1 ) leygen klê
2 vnde de blômekyn,
3 och syderner secer syllige 2 ),
4 der schouwten verne II
5 to desseme lustechlyken mey:
6 vyl vy de vrouken lâuen
7 myt reden meynerley.
1 Och machte I borch van ylbenbên
2 an ên bûmgardelyn stân,
3 de torne van carbunkelenstên,
4 dâr bâuen êne guldene krûn,
5 vnde vêren de tynnekynen
6 van caralen,
7 so wêr de borch gâr luchlyk anttoschouende.
Uebersetzung.
I.
1 Hier geh ich vor den Schrank stehn und will was essen,
2 aber hier ist nicht ein bischen;
3 das gute Bier mag ich gerne trinken
4 und auch äße ich gerne von dem Schinken.
5 Mein lieber Kumpan, wie geht es Dir so zu Strumpfe (?)
6 Kannst Du noch geigen oder trompeten ?
7 Die Balken kannst Du noch zählen
8 und ein Stübchen Bier aus der Tonne füllen.
9 Darum bist Du ein guter Geselle.
10 Du kannst auch wohl kochen,
11 das Fleisch aus dem Grapen holen.
12 Wenn du das hast gethan,
13 so kannst du nach dem Keller gehn.
14 Den Kohl magst Du nicht gerne essen, den läßt Du wohl stehn,
15 darum bist du ein guter Kumpan.
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II.
1.
1 Ich hebe an und singe
2 das beste das ich kan,
3 von dem Waizen in dem Felde,
4 er steht so lobesam,
5 Da findet man Blümchen edel fein,
6 ich sage euch das fürwahr,
7 bessere Lust mag niemand sehn.
1 Veilchen und (. . . . . ) Klee
2 und die Blümchen
3 auch seidener . . . . . Silgen
4 der schauten verne zwei:
5 zu diesem lustiglichen Mai(:)
6 wollen wir die Jungfrauen loben
7 mit Reden mancherlei.
1 Auch mochte eine Burg von Elfenbein
2 an einem Baumgärtchen stehn,
3 die Thürme von Karfunkelstein,
4 dar über eine goldene Kron
5 und wären die Zinnchen
6 von Corallen,
7 so wäre die Burg gar lustig (?) anzuschauen.