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Die Kirchen
zu
Rethwisch, Lichtenhagen und Steffenshagen

bei Doberan sind drei interessante Bauten, welche viel Gemeinsames haben und in manchen Stücken aus derselben Zeit stammen.

Die Chorbauten aller dieser Kirchen sind verschieden und bei jeder eigenthümlich.

Die Schiffe aller drei Kirchen find aber fehr ähnlich und stammen ungefähr aus derselben Zeit aus dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts. Es sind dreischiffige, gewölbte Gebäude mit einem weiten und hohen Mittelschiffe und zwei schmalen, niedrigem Seitenschiffen. Die Gewölbe ruhen auf achtseitigen Pfeilern. Die Ringmauern sind niedrig und haben niedrige, weite Fenster mit mehrern Pfeilern; diese Fenster sind gewiß im 15. Jahrhundert in die gegenwärtige Form gebracht, oft grade nicht zum Vortheil der Bauten. Die Kirchen haben dadurch eine unscheinbare Außenseite erhalten, während sie im Innern durch ihre Kraft, oft durch ihre Schönheit überraschen. An mehrern Orten herrscht die Sage vom Brande der Kirchen, wodurch ihre Außenseiten gelitten haben sollen.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Rethwisch

bei Doberan ist äußerlich ein unscheinbarer, niedriger Bau, dessen Außenmauern und Fenster wohl aus dem 15. Jahrh. stammen.

Der einfache Chor hat schöne Blätterconsolen, auf denen die Gewölberippen stehen.

Das dreischiffige Schiff, dessen Gewölbe von achteckigen Pfeilern getragen werden, hat aber ein Mittelschiff in einem sehr schönen und erhabenen Spitzbogenstyl, etwa aus dem Anfange des 14. Jahrh., so daß die Kirche im Innern eine ungewöhnlich erhabene und freie Ansicht bietet.

Die Kirche ist zwar nach allgemeiner neuerer Mode ausgeweißt, jedoch sind die Abschrägungen der Gurtbogen mit hübschen Blattverzierungen in weiß, grau und braun gemalt. Ich halte diese Malereien für alt, wenn auch nicht für sehr alt, jedoch für älter, als die gewöhnlichen Malereien aus dem vorigen Jahrhundert. Jedenfalls sind sie geschmackvoll genug, um Beachtung zu verdienen.

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Der Altar ist ein Schnitzwerk von ziemlich reicher Ausführung und wenn auch nicht ausgezeichnet, doch ganz hübsch. Die Arbeit scheint aus dem Ende des 15. Jahrh. zu stammen. Das architektonische Ornament des Altars ist aber sehr mittels mäßig. In der Mitteltafel ist in der Mitte eine Kreuzigung mit vielen Figuren dargestellt; daneben stehen an jeder Seite zwei Heilige über einander. In jedem der beiden Flügel stehen je zwei Heiligenbilder über einander. In der Predelle ist die Krönung Maria dargestellt, an jeder Seite mit drei Heiligen.

An der nördlichen Wand neben dem Altare ist ein kleines Tabernakel befestigt. Tabernakel haben sich in Meklenburg bisher nur noch, außer in der Kirche des Klosters zum Heil. Kreuz in Rostock, in den Kirchen der Abtei Doberan gefunden: zu Doberan, Hansdorf, Lichtenhagen und Rechwisch.

In dem Fenster über dem Altare sind verschiedene recht gute, alte Glasmalereien, welche in neuern Zeiten aus den übrigen Fenstern zusammengebracht sind. In der Mitte steht eine Kreuzigung, daneben links Johannes Ev., rechts ein anderer Heiliger.

An Geräthen ist noch ein Weihrauchfaß aus Messing und ein messingenes Taufbecken mit einem Hirsche im Mittelschilde bei der Kirche vorhanden.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Lichtenhagen

hat einen Chor, ein Schiff und ein Thurmgebäude von kräftigen Verhältnissen. Aeußerlich hat die ganze Kirche den Charakter des 15. Jahrhunderts; namentlich sind alle Fenster mit ihren weiten Oeffnungen und vielen Pfeilern ein Werk dieses Jahrh.

Der Chor ist ein alter Feldsteinbau mit einem alten Gewölbe, wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh.

Das Schiff ist ein kräftiger, niedriger, gewölbter Bau mit zwei schmalen, gewölbten Seitenschiffen. Die achteckigen Pfeiler sind sehr kurz und haben Basen und Deckplatten. Wahrscheinlich stammt dieser innere Bau aus dem Ende des 13. Jahrhunderts.

Der Thurm ist ein hohes, altes, tüchtiges Ziegelgebäude, an jeder Seite oben mit drei Schallluken oder Fensteröffnungen im Uebergangsstyle und mit drei ähnlichen Nischen in jedem Giebel. Der Thurm ist eines der kräftigsten Gebäude der Gegend.

Im Thurme hangen noch 2 alte Glocken. Eine große Glocke hat die Inschrift:

Inschrift

Die kleine Glocke hat diese Inschrift mit der Jahreszahl 1480.

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Vor der Thurmpforte liegt ein abgetretener Leichenstein aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, von dessen Inschrift nur noch zu lesen ist:

Inschrift

( - - dominus Nicolaus Domelowe, rector hujus ecclesie. Orate pro eo.)

In der Kirche und im Thurmgebäude stehen überall viele zurückgesetzte, aus Eichenholz geschnitzte, alte Heiligenbilder von ehemaligen Altären. Im Thurmgebäude liegt auch ein auseinander genommenes Tabernakel, wie es scheint, von schönen Verhältnissen.

Im Thurmgebäude steht zurückgesetzt auch ein großer, alter Taufstein aus Granit. Die Schale ist ganz mit vier Reihen nach unten gekehrter Spitzen in Relief Symbol zum Zierrath bedeckt, wie der Taufstein von Steffenshagen mit einer Reihe solcher Spitzen am Rande eingefaßt ist. Die Schale wird von sechs ungeschlachten Figuren getragen, welche auf dem Fuße des Taufsteins stehen. Der Taufstein stammt, wie der zu Steffenshagen, wohl aus der ersten Zeit des Christenthums in der Gegend von Doberan.

Das Gut Lichtenhagen war im Mittelalter ein Lehn der von Gummern auf Bliesekow; andere Linien der Familie wohnten auf Lambrechtshagen und Gerdeshagen.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Steffenshagen

bei Doberan ist eine der merkwürdigsten Kirchen in Meklenburg und wahrscheinlich einzig in ihrer Art in Norddeutschland. Sie besteht aus Chor und Schiff.

Das Schiff ist dreischiffig, wie die meisten Kirchen der Abtei Doberan, mit achtseitigen Pfeilern; die Seitenschiffe sind sehr schmal; alle drei Schisse sind gewölbt. Wahrscheinlich stammt der innere, kräftige Bau aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Die Seitenwände sind jedoch niedrig und haben große, weite Spitzbogenfenster, dem Anscheine nach aus dem 15. Jahrhundert. Auch hier geht die Sage, daß die Kirche durch Brand gelitten habe und dadurch niedriger geworden sei.

Der Chor ist dagegen von dem allergrößten Interesse. Der Chor ist ein viereckiges Gebäude, mit grauer Altarwand, ganz von kräftigen Ziegeln gebaut, wahrscheinlich am Ende des 13. Jahrhunderts. Die Außenwand ist ganz mit gedruckten Ziegeln mit sehr schönen Reliefs geschmückt. Rings um den

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Chor laufen nämlich Schichten von unglasurten Ziegeln, wie Bänder, welche mit bildlichen Darstellungen in Relief verziert sind, abwechselnd Weinlaub und Löwen (auch Tiger) und Greifen darstellend. Zuerst umgiebt den Chor eine Schicht von Ziegeln, auf welchen immer ein Löwe (auch Tiger oder Panther) und ein Greif, laufend und entgegengekehrt, dargestellt sind; dann folgen drei Schichten glatter Mauersteine, von denen einige Schichten unmittelbar neben den gedruckten Ziegeln glasurt sind; auf diesen drei glatten Schichten liegt eine Schicht, welche mit einer Weinranke verziert ist. So geht diese Architektur in regelmäßigem Wechsel bis zum Dache hinauf. Die Reliefs sind sehr schön modellirt und die Ziegel gut gebrannt und wohl erhalten. Wahrscheinlich soll diese Darstellung den Sieg des Christenthums über das Heidenthum darstellen, indem die wilden, gegen einander gekehrten Thiere das Heidenthum, die Weinranken Christum symbolisiren. So viel bekannt, kommt ein zweites Beispiel dieser Art in Norddeutschland nicht weiter vor. - Der Chorgiebel ist mit vertieften, schmalen Spitzbogennischen und kreisrunden Schilden verziert.

In der Südwand des Chors ist eine durch eine Vorhalle verdeckte, alte Pforte, welche eben so merkwürdig ist. Die schräge eingehende Pforte ist mit 6 Wulsten verziert, welche an jeder Seite 6 Säulen bilden. Diese 12 Säulen haben Kapitäler, welche aus kurzen, gedrungenen Heiligenbildern bestehen; leider sind sie mit Kalk sehr verschmiert, jedoch läßt sich aus den Attributen einiger Figuren, z. B. des Petrus, erkennen, daß sie die 12 Apostel darstellen sollen. Die Bogen sind mit Weinlaub und Rosen in Relief verziert.

An der Nordseite des Chors ist eine Sakristei angebauet, welche jetzt ganz dunkel ist und wüst liegt. Diese Kapelle ist aber dadurch sehr ausgezeichnet und selten, daß sie mit Heiligenbildern und Geschichten aus der Zeit der Erbauung des Chors ausgemalt ist. Leider sind diese Bilder durch die eingeschlossene, feuchte Luft fast ganz verwittert.

Im Innern hat der Chor einen großen geschnitzten Altar von ziemlich guter Arbeit, in der Mitte mit einer großen Figur der Jungfrau Maria, welche auf dem Halbmonde steht.

Bei dem Altare ist noch ein Belt, ein Brett mit einem Heiligenbilde zum Einsammeln der Opfergaben.

Vor dem Altare liegen zwei gute Leichensteine aus Kalkstein:

1) ein großer, schöner Leichenstein mit dem Bilde eines Priesters. Sowohl die figürliche Darstellung, als die Inschrift sind vertieft in die platte Fläche eingegraben. Die Inschrift lautet:

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Inschrift

(= Anno domini MCCCXXX obiit dominus Nicolaus, qui fuit plebanus istius ecclesiae laudabiliter XXX annos, cujus anima requiescat in pace per Jhesum Christum. Amen.)

Dieser Leichenstein gehört zu den älteren Leichensteinen im Lande. Wahrscheinlich ward unter diesem Pfarrer Nicolaus († 1330), welcher 30 Jahre im Amte gewesen war, der Chor der Kirche erbauet, da seiner rühmlich gedacht wird.

Daneben liegt

2) ein anderer Stein, ebenfalls mit dem Bilde eines Priesters. Sowohl die figürliche Darstellung, als die Inschrift sind in der glatten Fläche stehen geblieben und der Grund ist nach Messingschnittmanier ausgegraben. Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Anno domini MCCCXCIII in die Gregorii papae obiit dominus Alardus Schademoller, rector huius ecclesie, qui laudabiliter ei praefuit. Orate pro eo.)

Am Westende des Schiffes steht ein uralter, großer Taufstein von Granit aus der Zeit der Einführung des Christenthums, ähnlich dem Taufsteine in Lichtenhagen. Das Becken ist rund umher mit Relief=Verzierungen bedeckt, welche sehr roh gehalten sind. Vorne ist ein Crucifix eingehauen: das Kreuz hat die Gestalt, wie ein Kreuz , der Kopf Christi ragt über den obern Queerbalken hinaus, der Leib Christi ist ganz bekleidet. Zu beiden Seiten des Crucifixes umher stehen unter Rundbogen 12 Köpfe von roher Arbeit, welche wohl die 12 Apostel darstellen sollen. Der Kopf, welcher an der dem Crucifixe entgegengesetzten Seite steht, hat lange Ohren (vielleicht Judas Ischarioth?). Der Rand des Beckens ist mit einer Reihe dreiseitiger Spitzen Symbol verziert, mit denen das Becken des Taufsteins von Lichtenhagen ganz bedeckt ist.

G. C. F. Lisch.