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5.
Ueber die in Folge des
Landfriedens vom Jahre 1291
zerstörten
lauenburgischen Raubburgen
und
die Burgen Walerow und Neuhaus,
von
G. C. F. Lisch.
Gegen das Ende des 13. Jahrhunderts bewegten außerordentliche politische Ereignisse die ehemaligen Wendenländer. Der Fürst Heinrich I. der Pilger von Meklenburg war seit dem J. 1272 auf einem Kreuzzuge in Egypten gefangen genommen und hatte seine Gemahlin Anastasia als Landesregentin und zwei junge Söhne zurückgelassen; in Rostock saß seitdem J. 1282 der letzte Sproß des rostocker Fürstenhauses, Nikolaus das Kind, schwach, wie sein Name andeutet, unter Curatel auf dem Throne; der Herzog Johann I. von Sachsen=Lauenburg war im J. 1285 gestorben und hatte minderjährige Söhne hinterlassen. Die Hauptstützen waren die Fürsten von Werle und die Grafen von Schwerin, jedoch waren auch hier die Landesherren noch jung, denn vor kurzem waren die alten Herren, der große Fürst Nikolaus I. von Werle im J. 1277 und der edle Graf Gunzelin III. von Schwerin im J. 1274, mit Tode abgegangen und in beiden Ländern herrschte vielfach Landestheilung, Verwirrung und Schwäche. Bei einem solchen Zustande der Dinge waren die Vasallen übermüthig und übermächtig geworden, und wenn auch viele große und edle Männer, wie sie eine neue Staatenbildung zu erzeugen pflegt, in ihren Reihen standen, so gab es doch auch viele, welche, in der Ueberlieferung von alter wendischer Macht und Herrschaft, nach Selbstständigkeit strebten und von ihren festen Burgen die größten Gewaltthaten übten. Dagegen blühte mit unerwarteter Ueppigkeit die frische Kraft der jungen Städte empor, unter denen die Seestädte sehr bald Mächte ersten Ranges wurden. Um der Unsicherheit und dem Unfrieden zu steuern, hatten die Fürsten der Ostseeländer und die Seestädte von Lübeck bis Anklam am 13. Junii 1283 zu Rostock den ersten Landfrieden 1 ) geschlossen, ein für die Stellung der Städte und die ganze Politik Jahrhunderte hindurch wichtiges Bündniß.
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Als nun nach vielfachen Beförderungen und Beitritten zu diesem Landfrieden die Fehden und Raubzüge doch nicht aufhören wollten und namentlich in dem Herzogthume Sachsen=Lauenburg, vorzüglich in dem Lande der Passage von der Elbe (Hamburg) nach der Ostsee (Lübeck und Wismar) zwischen den beiden von Norden nach Süden lang hin gestreckten Gewässern des ratzeburger Sees und des Schal=Sees, die Gewaltthaten überhand nahmen, da verbanden sich 1 ) am Neujahrstage 1291 zu Grevismühlen, um den Landfrieden zu stärken, die herangewachsenen Fürsten von Meklenburg, ferner der Fürst Heinrich von Werle, der Graf Helmold von Schwerin und die Stadt Lübeck zur Zerstörung der Burgen: Clokestorpe, Karlowe, Slawekestorpe, Mustin, Borchardestorpe, Linowe und Nannendorpe, an der großen Straße des Verkehrs gelegen, und im Nothfalle gegen die Landesherrschaft von Sachsen=Lauenburg, falls diese sich Repressalien gegen die Vasallen der verbündeten Fürsten und die Bürger der Stadt Lübeck erlauben sollte. Die Verbündeten waren, im Verein mit den Städten Wismar und Rostock, schon im Anzuge: da legte sich der Landesvormund und Statthalter des Herzogthums Sachsen im Norden der Elbe, der Ritter Hermann Ribe, ein ausgezeichneter und gewaltiger Mann, ins Mittel, um das Land der Gefahr zu entreißen; überdies galt der Krieg auch Gliedern und Burgen seines eigenen Geschlechts, welches zu den gefürchtetsten jener Zeit gehörte. Hermann Ribe veranlaßte also den Herzog Otto von Braunschweig, die Grafen Adolph und Gerhard von Holstein und den Grafen Nikolaus von Schwerin=Wittenburg, daß sie mit den verbündeten Fürsten und Städten, zu denen noch die Grafen Bernhard und Nikolaus von Danneberg gekommen waren, am 19. Jan. 1291 zu Dutzow zusammentraten und mit Hermann Ribe, als Repräsentanten des Landes Sachsen=Lauenburg und der lauenburgischen Vasallen, und Reimbern von Karlow, als Bevollmächtigten der bedroheten Burgbesitzer, einen Frieden schlossen, nach welchem die Burgen Clokerstorpe, Karlowe, Slawekstorpe, Mustin, Burchardesdorpe, Linowe und Nannendorpe, ferner Weninghe, Walrowe und Duzowe bis zum 11. Febr., also binnen drei Wochen, von den Besitzern selbst gebrochen und nie wieder aufgebauet, alle Schäden vergütet und alle Gefangenen nach geleisteter Urfehde freigegeben werden sollten. Die Burgen sollten bis auf den Grund abgebrochen und ihre Gräben zugeschüttet und es sollten keine andere Festen an ihrer Stelle wieder aufgeführt
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werden. Die Erneuerung des wendischen Landfriedens und das Friedensbündniß von Dutzow vom J. 1291 war aber von der allergrößten Wichtigkeit, indem durch diese Verträge das moralische Uebergewicht edlerer Kräfte anerkannt und dem Unwesen im Großen ein Ende gemacht ward. In der That kommt auch ein solches Beispiel in einer so weit verbreiteten, so tief eingerissenen und so mächtigen Fehdeführung und Wegelagerei in der norddeutschen Geschichte nicht wieder vor und der Friede von Dutzow bezeichnet allerdings einen Wendepunct in der norddeutschen Geschichte. Die gefürchteten Burgbesitzer waren vorzüglich aus den weit verzweigten Familiengruppen der Riben, Scharfenberg, Karlow u. a., welche unter sehr verschiedenen Namen vorkommen, z. B. die in diesen Gegenden mächtige Familiengruppe mit dem Stral (Pfeilspitze) im Schilde, unter den Namen: Scharfenberg, Züle, Wolf, Jesow, Zecher, Crumesse, Lasbek, Tralow, Borstel.
Daß in dem dutzower Frieden vom 19. Jan. 1291 die Burgen Weninge und Walrowe mehr genannt werden, als in dem Landfrieden vom 1. Jan. 1291, kam durch den Beitritt der Grafen von Danneberg, in deren Gebiete diesseit der Elbe diese beiden Burgen lagen. Dutzow, die wichtigste von allen Festen dieser Gegend, der Schlüssel der Länder, ward durch den Beitritt mehrerer Landesherren in die Bestimmung hineingezogen, weil das Schloß selbst grade auf der Grenze zwischen dem Herzogthume Sachsen=Lauenburg und dem meklenburgischen Lande Gadebusch lag; die Landeshoheit dieses meklenburgischen Gutes ward daher lange Zeit hindurch angefochten. Eine völlig gleiche Lage und Bedeutung hat das Schloß Wolde an der östlichen Grenze Meklenburgs mit Pommern.
Die Kenntniß der Lage dieser Schlösser, von denen allerdings mehrere mit der Zeit wieder aufgebauet wurden, ist nun begreiflicher Weise von großem Interesse; es ist jetzt möglich, die Lage aller, wenigstens zu großer Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen.
Kloksdorf, Karlow, Schlagsdorf, Mustin und Dutzow bestehen noch heute und sind bekannte Landgüter, zwischen Gadebusch und Rehna, von der einen, und Ratzeburg, von der andern Seite, zwischen dem Südende des ratzeburger und dem Nordende des Schal=Sees.
Burchardesdorf, Linow und Nannendorf lagen westlich von dem Südende des ratzeburger Sees bis an die holsteinsche Grenze, von Mölln bis an die Landstraße von Hamburg nach Lübeck.
1) Gedruckt in Lübeck. Urkundenbuch I, Nr. 572, S 515.
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Borchardesdorf ist das heutige Borstorf, westlich von Mölln, in der alten Parochie Breitenfelde (vgl. Ratzeb. Zehntenregister S. 13).
Linow liegt westlich davon, unter demselben Namen noch heute stehend, früher zur alten Parochie Nusse gehörend (vgl. Zehntenreg. S. 14).
Nannendorf lag wieder westlich von Linow, beide nahe nördlich von Trittau, auf der Grenze zwischen Lauenburg und Holstein, an der Heerstraße von Hamburg nach Lübeck. Die Lage dieser Burg ist in neuern Zeiten genau bezeichnet worden. Als am 8. Nov. 1259 die Grafen Johann und Gerhard von Holstein den Verkauf des Dorfes Elmenhorst an das Dom=Capitel zu Hamburg bestätigten 1 ), beschrieben sie die Grenzen dieses Dorfes also:
Termini uero uille prefate sunt hii: a terminis uille Slamersekede usque ad terminos uille Nannendorp, deinde ad terminos uille Gronewolde, exinde ad terminos ville Luttekense, dehinc ad terminos uille Todendorp,
d. i. also:
von (Slamers) Eichede nach Nannendorp, von hier nach Grünwalde, von dort nach Lüttensee und endlich nach Todendorf.
Die Burg lag daher östlich zwischen Eichede und Grünwalde, also an der Stelle, wo jetzt Gr. und Kl. Schönberg, hart an der holsteinischen Grenze, liegen. Nach dem Landfrieden muß die Burg noch im Lauenburgischen gelegen haben; die im Westen umherliegenden Dörfer gehörten zur lauenburgischen Pfarre Nusse (vgl. Zehntenreg. S. 13-14). Wahrscheinlich gehörte das Schloß der Familiengruppe mit dem Stral im Schilde, da es im J. 1344 dem "Raubritter" Marquard Wulf gehörte, welcher von derselben raubte und fehdete. Später kam das Gut in den Besitz des hamburger Bürgers Dietrich Cosveld, welcher es mit dem Dorfe Schönberg im J. 1391 an den lübecker Bürger Berend Pleskow verkaufte (vgl. Remonstr. Saxo - Lauenb. contra Lubeck in pto. reluit. Mollensis, 1670, append. Litt. N.).
Die Schlösser Wehningen und Walerow lagen in dem Theile der Grafschaft Danneberg diesseit der Elbe, in dem Amte Neuhaus, welches zwar an Meklenburg überlassen, aber nicht abgetreten ist.
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Die Burg Wehningen, welche erst der Ritter Hermann Ribe gebauet hatte (vgl. Detmar Lüb. Chron. I, S. 165 - 166), ist der bekannte Ort an der Elbe bei Dömitz.
Walerow ist am schwierigsten nachzuweisen. Da sie erst nach dem Beitritt der Grafen von Danneberg zum Landfrieden genannt wird, so wird sie ebenfalls in dem Amte Neuhaus gelegen haben. Wahrscheinlich hatte sie von dem Flusse Walerow, jetzt Rögnitz, welcher das Amt Neuhaus oder die alten Länder Wehningen (Waninke) und Dertzing (Dirtzinke) bespült (vgl. Zehntenreg. S. 25), ihren Namen und lag an diesem Flusse oder nicht weit von demselben. Es ist von dieser Burg unter dem alten Namen nicht weiter die Rede. Es ist aber wahrscheinlich, daß der Ort Neuhaus an der Stelle der alten Burg Walerow liegt. Als nach dem Aussterben der Grafen von Danneberg der Fürst Heinrich von Meklenburg am 1. Aug. 1328 die vier Brüder Sprengel mit dem Dertzing und den Schlössern Zeetze (im A. Neuhaus) und Gresse (nördlich von Boizenburg) in seinen Dienst und Schirm nahm 1 ), versprach er, ihnen eine Burg (Haus=hûs) bei Herzogenfuhrt (hertogenvorde) zu bauen: dieser Name deutet ohne Zweifel auf eine Begebenheit in der Geschichte der Züge des Herzogs Heinrichs des Löwen. Dafür sollten die Sprengel die Schlösser Zeetze und Gresse den Brüdern und Rittern Wipert und Volrath von Lützow zu Handen des Fürsten Heinrich überantworten und das Neue Haus (d. i. die neue Burg) einräumen, so lange bis der Fürst sich mit dem Grafen Johann von Holstein ausgesöhnt habe. Dieses Neue Haus oder neue Schloß (denn Haus [hûs] bedeutet im Mittelalter: Schloß) wird sicher das jetzige Neuhaus sein. Zwar könnte der Ausdruck: neues Schloß, ein neuerbautes Schloß ohne weitere Beziehung bezeichnen; aber es ist wahrscheinlich, daß der Ausdruck, nach der Sprechweise des Mittelalters, im Gegensatze zu einem ältern Schlosse zu verstehen sei. Und daher mag das Neue Haus an der Stelle der alten Burg Walerow aufgeführt sein und den Namen Neuhaus behalten haben. so hätten wir die alte Burg Walerow und den Ursprung des Schlosses Neuhaus an der Herzogenfuhrt im Dertzing zugleich gefunden.
Freilich lag weiter aufwärts, nicht weit von den Quellen der Walerow, bei Picher, auch ein Ort Walerow (jetzt Warlow), nicht weit von der ribenschen Feste Glaisin, und wird in den Urkunden des Kloster Eldena oft genannt (vgl. Rudloff Gesch. der Grafen von Danneberg, S. 38, 32, 42 u. s. w.),
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und es wäre möglich, daß das Neue Haus an der Stelle einer alten Burg Dertzing erbauet worden sei; aber es scheint die obige Annahme doch immer beachtenswerth. Jedenfalls werden wir die Burg Walerow in dem Theile der Grafschaft Danneberg diesseit der Elbe und an dem Flusse Walerow zu suchen haben. Vielleicht klären Untersuchungen an Ort und Stelle einmal mehr auf.