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XI.

Handschriften

mittelhochdeutscher Gedichte,

mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch


Fragmente.

I n einem Bande auf der Bibliothek der Marienkirche zu Rostock, Nr. 60, enthaltend: Sermones dominicales perutiles a quodam fratre hungaro ordinis minorum de obseruantia comportati biga salutis intitulati feliciter incipiunt, Hagenow, 1506, kl. Fol., ist vorne und hinten ein Blatt von der Handschrift eines mittelhochdeutschen Gedichts verkehrt eingeklebt und nach dem Format des Buches beschnitten. Die Schrift ist kräftig und stammt wohl noch aus dem Ende des 12. Jahrhunderts; die Unzialen im Anfange der Abschnitte sind roth geschrieben. Ueber dem i steht ein kleiner Strich; als Abbreviaturzeichen findet sich nur -, für -n- und -m-Abbreviatur. Die Interpunction besteht nur in einem Puncte, da wo dieser in dem folgenden Abdrucke angegeben ist. Die beiden Blätter sind oben und an einem Rande beschnitten.

Zu welchem Gedichte das Fragment gehört, hat bisher noch nicht erforscht werden können; auch die Brüder Grimm und Lachmann können keine Nachweisung geben und glauben behaupten zu können, daß das Gedicht noch nicht gedruckt ist: um so nothwendiger ist die Veröffentlichung des folgenden Fragments.

1.
Fragment

eines unbekannten epischen Gedichts.

p. 1 a. - - - - - - comen.
vrowe hat daz vornomen
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sie willen ton al vwe gebot
vf vwe genade sun al de slot
5. gegen vhc werden vf getan
ir sult al des gewald han
des in der stat beslozen is
des sult ir vrowe sin gewis
De marcgraue wart besant
10. v... de vorsten al zo hant
sie sprachen soche ihc vwen rat
de s... [sie] mich gehoten hat
de r[ittare] de dar inne sin
daz iz zo den eren min 
15. mir nein man missewende moge
al so iz miner richeit toge
de marcgreue sprach zo hant
ihc ton vhc minen rat becant
de stat de were zo rechte min
20. vnde al de rittare de dar sin
ihc hatte ir manigeme swert gegeven
sie weiten helphen mich wr treven

p. 1 b. [Ir wult] ie neme daz nt mi - -
swaz ir an dem lande min l -
des bin ihc volgihc dorch den -
von dem de voget den tot ge r  
5. Ir boten werten gesant
in de stat al zo hant 
daz sie de coningin wolde v -
dar wart gevrowet svnder w -
in der stat vil manich man
10. dar uz riten do began 
de rittare zo der coningin
de coningin sprach sint ihc -
geweidich. so laz comen der -
de dar stat gesworen hat
15. de boten Worten sint gesa -
do quamen de gine al zo han -
vur de coninginnen riche 
sie vragete zogentliche
ob sie al so weren comen
20. al so sie von den boten hette v -
do sprach ein al zo hant
de ir wort dete becant

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p. 2 a. - - nd werden alle gew -
- s gi röchet vnde gert
- z wert mit willen al getan
- nt ihc gewalt over vhc han
5. - svid den marcgreuen wert
- olde sweren of her des gert
- r is zo heren vhc geborn
- t ir de hůlde sin verlern
- s sal he dorch sine edelicheit 
10. - c getzen . de marcgreue gemeit 
- prach . v ring we de mach nicht sin
- er quam inte dem lande min
- in der dugte mich so wert
- hc gaf im mit zwenzich knechte
15. - n mit Querstrich leiz in weldihc over min lant 
-e voget hette her sich genant
-er was geweidich over min riche
- n mit Querstrich gaf so mildichliche
- az sie al gewňnen swachen mot
20. - n mit Querstrich karten zo im dorch min got
- e stat de buwete her zo baut 
- ogotesowe is se genant

p. 2 b. - - - - - - - - - - -
[n]uch mir an in nicht rechen mot
tot mit der stat swes gi gert
des sit ir al von mir gewert
5. Do sprach von scozzen anfissan
daz ne were nicht vorsteliche getan
ir suld ton nach vorsten art
de vorste an dem cruce wart
dorch siten . vozen . vnde hant . gewvnt
10. de wr gaf an corzer stvnt 
swe genade gerte an in
wi vorsten svn den seinen sin
hauen . sint he vns geeret hat
daz geweldichliche an vns stat
15. an vnseme lande swaz dar is
her marcgreue sit des gewis
wer ne richten rechte swer vns claget 
vns wert daz himelriche wrsaget
Do sprach de coninginne rich
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20. her marcgreue nv rate ihc
daz ir sie lephliche vntfan
swaz sie gegen vhc hat getan

p. 3 a. Ihc sage vhc vrowe minen mot
Zein heren de ihc han
vnde zwei hundert rittar svnder wan
de wil ihc voren vf min w ring riost
5. iz were ein al zo deine cost
solde ihc dorch daz vwes gotes geren
wer wollen is al gemeine vmberen
sprachen de v ersten al geliche
wer sin also riche
10. daz wer dorch vwe werdicheit
mit vhc varen vf der coninge leit
Sie dankete in al gemeine
van der coninginnen reine
de anderen werten al besant
15. de dorch gaue quamen an ir lant 
sie gaf in minnichlichen grot
sie sprach sint ihc vhc geven mot
zo der widerkere orlof 
vhc sal gereite sin min hof
20. de wile daz ihc de cronen han
sal he uhc imber ophen stan
Irn marscalc hez sie al zo hant
in geven ros vnde gewant

p. 3 b. ir svld sie alle geweren
sprach de werde beamunt
de marscalc zo der seluen stunt
sie alle machete riche
5. her gaf in sunderliche
den besten nach ir werdicheit
hir daz ros . dar de cleit
dem daz siluer vngewegen
sie gaf in Iren minnichlichen se -
10. de coningin do sie von in reit
sie voren vro vnde gemeit
alle wider an ir lant
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nu hat de coninginne besan[t]
iren kemerere . do he quam 
15. vnde der vrowen rede wrnam 
Ihc sage vhc we sie wider in spr[ach]
du sald mi raten we ihc mac -
gegeven dessen vorsten cleit
so riche nach ir werdicheit 
20. daz iz miner cronen erlich si 
dv hast dem coninge lange bi
gewesen . dez laz genesen mic[h]
nicht bei geraten so kan ihc

p. 4 a. Daz suln wesen ir ersten cleit
[d]er vorsten vnde der heren al 
- v ihc vhc vrowe raten sal
daz dunkel mir daz beste sin
5. [g]eforneret von hermelin
[a]lso svn wesen ir vnderdach
de cleit vhc nein man strafen [mach]
Ein scarlachen von engelant
[s]in ir reidecleit genant
10. [d]en - v de croen hat gegeuen
wold ir de rittare de hir bleven
[ ] . leiden al gemeine
do sprach de coninginne reine
sie solen al gecleidet sin
15. [d]e kemerere sprach v ring we min
gervalch was her genant
brun scarlachen ein riche want
solen ir h[oue]cleider sin
[s]o [rate] ihc vhc vrowe min
20. iz sol ein blau gewant 
ir reitekleider sin genant
[n]icht baz ihc is gedenken kan
[n]v lone di got werde man

p. 4 b. waz man vz ir cameren sneit
vil manichen samit richen
sie vol brachte costichlichen
so ir de kemerere geret 
5. sie gebot vnde het
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sie solden werden al we bracht
de cleit so se se bette gedacht
Ovhc gaf de coningin gemeit
mit ir hundert vrowen cleit
10. dar waren ovhc iung v ring wen mite
gecleidet nach der v ring wen site
funftihc waren ir genant 
waz men an in clarheit vant
we torste des vnderwinden sihc
15. dar vf zo redende . io were ihc
zo tumb zo so getaner rede
dorch de valschen ihc wr mede
of ihc is sprechen cunde ein teil
de bosen gotes mannes heil 
20. imber wider redende sin
doch sal reden de zunge min
ein teil der goten werdicheit
scarlachen waren ir cleit.

2.
Fragment des Titurel.

Im Großherzogl. Archive zu Schwerin ist ein Band Acten (Rostock. Pol. S. Vol. 27.) mit einem Bogen Pergament eingebunden, welches ein Fragment des alten Titurel (des alten Drucks XV, 65 flgd.) enthält. Die Schrift ist aus dem Ende des 14. oder dem Anfange des 15. Jahrhunderts, in 2 Columnen; die Verse sind nicht abgesetzt, die Strophen beginnen mit einem großen Buchstaben, abwechselnd in roth und blau, jede Strophe schließt zur Füllung des Raumes bis zur folgenden Zeile mit Schnörkeln in roth. Hier eine Probe:

Der herre von patrigale.
vnde der von iohenevse.
der von ascalon tzomale.
geclaret vůr werdyclige reyse.
daz floriscantz waz gebeten svner kunfte.
an pryse der geblomte.
von arragun nů selbe waz de funfte.
Karel der von spolyte
dez name er nach tzogte.
ob michyz evn furste bete.
ich beduchte uch diczen namen der werlt tzo vogte.

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evn koning koningliche da werben solde.
hertzogen het er nach tzogen.
sol durch guten vryde der recht erkennen wolde.

3. Fragment
eines lyrischen Gedichts.

Auf einem leeren Blatte in den gleichzeitig geschriebenen Hanseacten vom J. 1390 im Stadt=Archive zu Wismar finden sich, nach der Mittheilung des Herrn Dr. Burmeister zu Wismar, auf der Rückseite folgende Verse:

Ag must ik bi der tzarten
vrolyk sin tzo aller tzvd
hundert duzent enghel suld eer warten
so is daran mil heyl vn licht
uppe mine zele.

Die bisher in den Jahrbüchern mitgetheilten Nachrichten über alt= und mittelhochdeutsche Schriftwerke sind sämmtliche, welche sich nach der genauesten Nachforschung in Meklenburg haben auftreiben lassen.