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der
zu
St. Michael in Rostock.
1.
Ueber die Brüder vom gemeinsamen
Leben überhaupt.
U eber die sogenannten Michaelis=Brüder oder die Brüder vom gemeinsamen Leben im Frater=Kloster zu St. Michael in Rostock ist bisher in unserer Landesgeschichte noch nicht das, zur Erkenntniß der Brüderschaft nöthige Licht verbreitet. Es kann nicht die Absicht sein, die vielen, im vorigen Jahrhundert verbreiteten Irrthümer und entstandenen Dunkelheiten, nach welchen die "Michaelis=Brüder" irgend einem der bekanntern Mönchs=Orden angehören sollten, zu widerlegen und aufzuhellen. Nach den neuern kirchengeschichtlichen Forschungen sind wir jetzt im Stande, ohne Rückblick auf frühere Irrthümer die Verfassung und den Geist dieser Genossenschaft in ihrer Wirklichkeit klar darzustellen 1 ) und dadurch helles Licht über die rostocker Brüderschaft zu verbreiten.
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Das Verderbniß des öffentlichen und kirchlichen Lebens im Fortschritte des Mittelalters rief, besonders seit dem 12. Jahrhundert in den Abendländern, in ernstern Gemüthern einen tiefern christlichen Sinn hervor und nöthigte Männer und Frauen, welche einen reinern Geist bewahrten und pflegten, sich von dem Treiben der Welt zurückzuziehen; es blieb ihnen, da auch die Klöster nicht selten von dem Verderben der ganzen Kirche mit ergriffen waren, nichts weiter übrig, als in freien brüderlichen Vereinen zusammenzutreten, um in denselben einen ernstern evangelischen und praktischen Geist zu pflegen. Diese freien Vereine trugen zum Theil äußerlich die Form des Klosterlebens, blieben aber frei von dem Zwange und dem hierarchischen Verbande desselben.
So zieht sich durch den größern Theil des Mittelalters, von der Hierarchie häufig gedrückt und verfolgt, mehr dem Leben des Volkes, als dem Wirken der Kirche zugewandt, eine Reihe freier geistlicher Genossenschaften, in mehr oder minder geregelter Form und verschiedenen Lehren zugethan, aber alle in dem Grundbestreben nach einem evangelisch=praktischen Christenthume übereinstimmend.
Zuerst bildeten sich seit dem 11. Jahrhundert in den Niederlanden, zum Theil veranlaßt durch das Mißverhältniß der Geschlechter, welches die Kreuzzüge hervorbrachten, die Frauengesellschaften der Beghinen 1 ); zu ihnen gesellten sich, besonders seit dem 13. Jahrhundert, die Männervereine der Begharden 2 ), und seit dem Beginne des 14. Jahrhunderts kamen die Lollharden hinzu 3 ).
In den nördlichern Gegenden wurden, seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch in Meklenburg, die vielfachen geistlichen Gesellschaften der Brüderschaften, Schwesterschaften, Graale, Gilden, Kalande sehr verbreitet. Von dem allgemein theilnehmenden Geiste des bürgerlichen Lebens geschützt, blühten diese Gesellschaften bald auf und wurden nur von der Inquisition und den Bettelmönchen verfolgt.
Dennoch fehlte es diesen Gesellschaften, wie es gewöhnlich bei kleinern religiösen Vereinen der Fall ist, an einer klarern Erkenntniß und kräftigern Regelung, so warm und innig auch die Frömmigkeit sein mochte, welche in ihren Kreisen herrschte.
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Sollte sich die bessere Richtung dieser Gesellschaften behaupten, so mußten diese zu einer höhern Stufe allgemeiner Geistesentwickelung geleitet werden. Und dies geschah durch die Brüder vom gemeinsamen Leben (fratres communis vitae), welche in ihrem Streben zu dem praktischen Wirken einen wissenschaftlichen Geist, zu der gefühlvollen Innigkeit eine reinere Erkenntniß gesellten.
Der erste Urheber dieser neuen Entwickelungsreihe war Gerhard Groot (Gert Groete, Gerhardus Magnus), geboren 1340 und gestorben 1384 zu Deventer, wo eine bedeutende Schule war. Er nahm im reifern Alter wieder seinen Sitz zu Deventer und versammelte hier einen Kreis von Schülern und jüngern Freunden um sich, in den er sich nach und nach ganz zurückzog. Dieser Kreis ward von selbst immer größer, bis endlich aus demselben die Stiftung des gemeinsamen Lebens hervorging, indem Gerhard Groot demselben als einer geschlossenen Gesellschaft bestimmtere Regel und Begrenzung gab. So bildeten die Gleichgesinnten und Gleichgebildeten bald eine geschlossene Gesellschaft, und als die Art ihres Zusammenlebens Nachahmung fand, einen religiösen Bund, der in familienartige Vereine getheilt war, welche stets im Innern eine lebendige Gemeinschaft erhielten. Dieser Verein des gemeinsamen Lebens hatte eine gewisse Aehnlichkeit mit den philosophisch=ascetischen Bundesgenossenschaften des heidnischen und jüdischen Alterthums, aber er war freier, offener und praktischer, jedoch wieder dem Mönchsleben verwandt, aber, da keine Verpflichtung auf Lebenszeit statt fand, zwangloser und von einem edlern Geiste beseelt, der mehr das Wohl Anderer, als das eigne zum Zielpunkt hatte; denn der Hauptzweck dieses Vereins lag in der Begründung, Darstellung und Verbreitung eines praktisch=christlichen Lebens. Diesen Zweck suchten die Brüder zunächst an sich selbst zu erreichen in der ganzen Art ihres Zusammenseins durch eine sittlich strenge, einfache, aber doch nicht mechanisch geregelte Lebensweise, durch freundlich stille gegenseitige Hülfe, Arbeit und Dienstbarkeit für das Wohl der Welt, durch fromme Mittheilungen, sittliche Bekenntnisse, Vorlesungen und Andachtsübungen; nach außen hin wirkten sie für ihre Zwecke durch Abschreiben und Verbreiten der heiligen Schrift, besonders der Evangelien, der Apostelgeschichte und der Briefe Pauli, ferner zweckmäßiger religiöser Aufsätze, erbaulicher Schriften der Kirchenväter und anderer Religionslehrer, wie der Bücher von Augustin, Anselm, Bernhard u. A., besonders aber durch christlichen Volksunterricht, durch Be=
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lebung und Verbesserung der Jugendbildung, in welcher sie Epoche machten, indem sie das Erlernen des Lesens und Schreibens Allen, Reichen und Armen, zugänglich machten.
Nach Gerhards Tode (20. August 1384) gingen die Vorsteher und Leiter seiner Stiftungen auf dem von ihm eingeschlagenen Wege fort, und in kurzer Zeit waren an den verschiedensten Orten von Holland, Geldern, Brabant, Friesland, Westphalen Brudervereine gegründet. Gerhards Nachfolger gaben dem Werke Verbesserungen und Erweiterungen, durch welche das Ganze mehr Regelung und Haltung gewann. Vorzüglich war es Florentius Radewin (1384 gest. 1400), welcher Gerhards letzten Lieblingswunsch in Erfüllung brachte, indem er im Jahre 1386 den Plan zu einem Kloster regulirter Kanoniker entwarf, welches den Mittelpunkt für die Männer= und Frauen=Vereine des gemeinsamen Lebens bilden sollte. Der Herzog Wilhelm von Geldern begünstigte das Unternehmen und der Bischof von Utrecht, Florentius von Wewelinkhoven, gab seine Genehmigung. So kam das Kloster der mit den Brüdern des gemeinsamen Lebens verbundenen Kanoniker zu Windesem oder Windesheim zu Stande, auf welches bald andere ähnliche Anstalten folgten, namentlich das Kloster auf dem St. Agnesberge bei Zwoll.
Fortan bildeten die Stiftungen der regulirten Chorherren oder der Kanoniker des gemeinsamen Lebens, welche in der strengern Form des Mönchslebens in Klöstern vereinigt waren, den mehr abgeschlossenen Mittelpunkt der Brüderschaft, und gaben dieser Ordnung und Regelung.
Die größere, freier sich bewegende, mehr in das Volksleben eindringende Masse der Gesellschaft bestand aus den gewöhnlichen Brüdern des gemeinsamen Lebens, welche entweder in Bruderhäusern, Fraterhäuser genannt, beisammenwohnten, oder einzeln und zerstreut in geistlichen Aemtern standen und für die Jugendbildung wirkten, aber in steter Verbindung mit dem großen Vereine waren. Die gewöhnlichen Brüder des gemeinsamen Lebens theilten sich wieder in Priester, Kleriker und Laien; die Priester hatten die gewöhnliche Priesterweihe und andere gelehrte Würden genommen; der Stand der Kleriker correspondirte dem Mönchsstande, jedoch ohne Gelübde auf Lebenszeit; die Laien bestanden aus Leuten aller Art aus dem bürgerlichen Leben, aus Künstlern, Handwerkern und Arbeitern aller Art, welche den
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mannigfaltigen Zwecken der Brüderschaft dienten. In einem Fraterhause lebten immer ungefähr 20 Brüder aus den drei Abtheilungen der Brüderschaft zusammen, hatten gemeinsame Casse und Speisung und verrichteten, außer den von jedem besonders übernommenen Hauptgeschäften, wechselsweise bereitwillig die zur Erhaltung des Hauses nothwendigen häuslichen Dienste. Die gewöhnliche Kleidung der Brüder war ein grauer Oberrock (Gerhard Groote kleidete sich in grau); das Haupt war mit einer grauen Kappe bedeckt, woher sie auch cucullati (Bekappeten) genannt wurden. Jedem Hause stand ein Vorsteher vor, welcher Rector, Pater, Präpositus, Prior oder Verweser genannt und aus der Mitte der Brüder gewählt ward; ihm zur Seite stand ein Vicerector; besondere Aemter und Geschäfte hatten der Procurator oder Oeconom, der Scripturarius, der das Geschäft des Abschreibens beaufsichtigte, der Librarius, der den Vertrieb der Bücher besorgte, der Magister novitiorum, Infirmarius, Hospitiarius, die Scholares, welche den Schulunterricht ertheilten, und sodann die einzelnen Handwerker, Arbeiter und Novizen. - Die Ordnung der Gesellschaft beruhte nicht auf eigentlichen Regeln oder Gesetzen, sondern auf Sitten und Gewohnheiten, welche durch Herkommen und Uebereinkunft oft zu Satzungen wurden.
Zu gleicher Zeit und nach denselben Grundsätzen entwickelten sich auch die Frauenvereine des gemeinsamen Lebens.
Florentius Radewin starb im Jahre 1400; er ist der vollständige Gründer, Ordner und Befestiger des Instituts. Nach ihm leuchteten viele große Männer aus dem wohlthätigen Streben der Brüderschaft hervor, wie Gerhard Zerbold, auch Gerhard von Zütphen genannt († 1398, 31 Jahre alt), Thomas von Kempen († 1471, 91 Jahre alt), der berühmteste der Brüder des gemeinsamen Lebens, Johann Wessel, der wahre Vorläufer der Reformation, wie überhaupt das ganze Wirken der Brüderschaft die sich von selbst entwickelnde Reformation genannt werden kann.
Die Wirksamkeit der Brüder umfaßt beinahe zwei Jahrhunderte; ihre Blüthe erstreckt sich etwa von 1425 bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts, in welchem Zeitraume des Verfalls sie fast allein unter allen geistlichen Vereinen dem Forscher einen tröstlichen Rückblick gewähren. Die meisten Bruderhäuser wurden um 1425 und 1450 gestiftet.
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Unter den Päpsten zeigten sich besonders Martin V., Eugen IV. und Pius II. der Brüderschaft geneigt 1 ).
Den Verfall und Untergang der Brüderschaft bewirkten mehrere Ursachen; theils wurden sie durch die seit der Reformation entstandenen Schulen und durch den großen kaufmännischen Verkehr der Buchdruckerei überflüssig, theils bewahrten sie nicht den ursprünglichen Geist der Verbrüderung, ohne daß sie sittlich sanken, oder sie schritten nicht mit dem Geiste der Zeit fort, theils machte man mit der Zeit keinen großen Unterschied zwischen den Fraterhäusern und den Mönchsklöstern und stürzte bei der allgemeinen Säcularisirung in den niederdeutschen Ländern, der eigentlichen Heimath des gemeinsamen Lebens, jene mit diesen, theils gaben sie durch ihre schroffe Haltung, im Bewußtsein des Werthes ihrer Brüderschaft, gegen die Jünger einer geistreichen, bewegten Zeit Anstoß, und so erstickte man sie grade nicht, gab ihnen aber auch keine Nahrung, bis sie, wenn auch ehrenvoll, doch unrettbar in der Mitte des 16. Jahrhunderts untergingen.
Dies sind die allgemeinen Grundzüge der Geschichte der Brüderschaft vom gemeinsamen Leben, welche zur Erkenntniß der Wirksamkeit des Fraterklosters zu Rostock unumgänglich erforderlich sind, aber auch helles Licht über dieselbe zu verbreiten im Stande sein werden.
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2.
Das Frater=Haus der Brüder
vom gemeinsamen Leben zu Rostock,
genannt der Grüne Hof zu St. Michael.
a) Entstehung und Wachsthum des Hauses.
Die ersten Nachrichten 1 ) von dem Frater=Hause zu Rostock, welches das einzige in den Ostseeländeen 2 ) gewesen zu sein scheint, stammten bisher aus jener Zeit, wo es schon in voller Blüthe stand, nämlich aus dem J. 1476, als das erste bekannte Buch aus der Druckerei der Brüder erschien. Dennoch mußte die Stiftung schon früher erfolgt sein 3 ), da die Brüder unmittelbar nach der Herausgabe ihres ersten Drucks schon so viel erworben hatten, daß sie Kloster und Kirche bauen konnten und schon vorher Buchdruckerei und Buchladen hatten anlegen können.
Da nach der Urkunde vom 8. Oct. 1559 4 ) die Brüder mit ihrem ganzen Besitze auch alle ihre Urkunden dem Rathe der Stadt Rostock verschrieben, so mußten diese auch wahrscheinlich in dem Stadt=Archive zu Rostock aufbewahrt werden. Und wirklich haben sich diese Urkunden, von denen die wichtigern in dem angehängten Urkunden=Buche mitgetheilt sind, auch im Stadt=Archive zu Rostock gefunden 5 ), so daß jetzt die Abfassung einer vollständigen Geschichte 6 ) der rostocker Brüderschaft möglich geworden ist.
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Die Gründung des Frater=Hauses hängt ohne Zweifel mit der Stiftung der Universität Rostock (1419) in der Art zusammen, daß die aufblühende Universität, die, als eine niederdeutsche, den niederländischen Brüdern vom gemeinsamen Leben näher lag, als irgend eine andere deutsche, die Brüder nach sich zog, welche an dem wissenschaftlichen Institute Stütze und Nahrung fanden: denn nur so möchte sich das Herbeiströmen so vieler Niederländer und auch Graduirter von Paris zu der rostocker Hochschule nach der alten Universitäts=Matrikel 1 ) erklären lassen. Auch die im J. 1466 in der alten Hansestadt Rostock gestiftete allgemeine Landfahrer=Krämer=Compagnie (von Messekaufleuten, im Gegensatz der Seefahrer,) mochte viel zur fernern Belebung der Brüderschaft beitragen, da diese Compagnie jährlich viele Niederländer nach Rostock zog.
Gestiftet ward das Frater=Haus zunächst vom "Frater=Hause zum Springborn binnen der Stadt Münster in Westphalen" 2 ), welchem auch der Convent von Rostock bis zu seiner Auflösung unterworfen blieb 3 ). Die Brüder zu Rostock nannten sich im Verlaufe der Zeit die "Herren Priester, Kleriker und Brüder vom gemeinsamen Leben des Hauses vom Grünen Hofe zu St. Michael binnen der Stadt Rostock" 4 ).
Nach den vorhandenen Urkunden läßt sich jetzt die äußere Geschichte des Bruderhauses klar darstellen. Die Brüder vom gemeinsamen Leben waren ungefähr im J. 1462 5 ) nach Rostock gekommen; denn am 8. Sept. 1462 wurden von zwei rostocker Priestern, Nicolaus Mund und Laurentius Culemann, für zwei Priester von der neuen Congregation des gemeinsamen Lebens der Brüder zum Grünen Hofe zu Rostock 6 ) zwei Commenden in der Kirche des cistercienser Nonnenklosters zum Heil. Kreuz in Rostock fun=
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dirt und mit 600 Mk. Capital dotirt, eine Fundation, welche für die Brüderschaft von den wichtigsten Folgen ward. Es waren drei Brüder Priester, wahrscheinlich aus dem Frater=Hause zu Münster, welche zuerst nach Rostock kamen, nämlich: Heinrich Xantis (von Xanten?), Nicolaus von der Nienborg (de novo castro), auch von Deer zubenannt, späterhin Rector des Frater=Hauses, und Heinrich Loen 1 ).
Nach einer Urkunden=Registratur schenkte der besondere Wohlthäter der Brüderschaft, der Priester Nicolaus Sukow, der eine Zeit lang auch Probst des Klosters zum H. Kreuz war, schon im J. 1463 den Brüdern 12 Mark Renten aus einem Hause in der Schnickmannsstraße und aus Peters von Cölln Hause und Hofe. Auf diesem Hofe Peters von Cölln am Kuhthor 2 ), in der Nähe der Beginen, am Ende des noch jetzt sogenannten Beginenberges 3 ), ungefähr dort, wo jetzt das Stadt=Krankenhaus an der Stadtmauer steht, wohnten die Brüder zuerst, wenn ihnen auch der Hof nicht eigenthümlich gehörte. Schon bei der Einwanderung legten sie ihrer Stiftung den Namen des Grünen Gartens (viridisorti, d. i. viridis horti) oder des Grünen Hofes bei, welchen sie auch nach Versetzung ihrer Wohnung beibehielten.
Hier blieben die Brüder jedoch nicht lange. Schon Ostern 1464 verlieh ihnen das Kloster zum Heil. Kreuz 4 ), damit sie desto bequemer ihr Amt in der Kirche dieses Klosters verrichten könnten, für eine jährliche Rente von 16 Mark rostocker Münze mehrere dem Kloster gehörende Gebäude, nämlich einen Bauhof, zwei Buden, eine Kemenade oder kleinere
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Wohnung" und andere verfallene Gebäude, in der schwanschen Straße an der Stadtmauer, links am Ausgange zum Thore, an der Ostseite. Die Verleihung dieser Gebäude, welche die Brüder nicht verschlechtern, vielmehr zum Neubau nach ihrem Gefallen benutzen sollten, war der Grund zur festen Begründung und demnächstigen Erweiterung des Frater=Hauses. Hier wohnten sie denn auch bald darauf: nach zwei Schenkungs=Urkunden des Nicolaus Sukow sicher seit Michaelis 1469 1 ). Zu gleicher Zeit war denn auch der Convent vollzähliger eingerückt. An die Spitze desselben hatte sich bei der Installirung der Bruder Johannes Veghe vom Springborn in Münster, als derzeitiger Rector (rector pro tempore), gestellt; ihm zur Seite stand Nicolaus von Deer als Procurator; außerdem lebten im Bruderhause der Priester Johannes Stuve und vier Kleriker 2 ). Hier hatten sich die Brüder einstweilen häuslich und für ihre Andachtsübungen auch eine kleine Kapelle 3 ) eingerichtet. Von dieser Zeit an erhielten sie auch mehrere Schenkungen von Renten in und außerhalb Rostock; diese Schenkungen beginnen mit ihrer häuslichen Festsetzung im J. 1469 4 ), und nachdem sie die Tilgung der auf den Grundstücken haftenden Schulden möglich gemacht hatten 5 ).
Jetzt strebten die Brüder nach einer selbstständigen Existenz; und diese erreichten sie auch sehr bald möglichst vollständig. Die wichtigste Begünstigung war eine päpstliche Anerkennung. Schon der Papst Paul II. hatte ihnen am 29. Dec. 1470 ihre Anerkennung versichert und ihnen die Erlaubniß zur Anlegung einer Kapelle und eines Kirchhofes, so wie zur Erwählung eines eigenen Beichtvaters gegeben und sie vom Besuche ihrer Pfarrkirche befreiet, des Rechtes der Pfarrkirche unbeschadet. Dieser Papst war aber, vor Ausstellung der Bulle (28. Julii 1471), darüber weggestorben. Daher bewilligte ihnen diese Vorrechte sein Nachfolger, der Papst Sixtus IV., in
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einer Bulle vom 25. Aug. 1471 1 ), "ohne grade dadurch die Lebensweise der Brüder billigen zu wollen" 1 ). Diese Bulle ward an den Rektor Johann Veghe zum Springborn in Münster ausgefertigt. Jetzt eilten die Brüder, auch von ihrem Bischofe Werner von Schwerin eine Confirmation zu erhalten, vorzüglich aus Furcht, "gewisse Nachahmer ihrer Lebensweise möchten ihnen durch Schlauheit und Kränkung schaden" 2 ); um ihnen ihren mit Mühe erbauten Besitz zu sichern, ertheilte der Bischof ihnen die Confirmation am 3. Aug. 1472 3 ). Zur größern Sicherheit ihres fernern Strebens entsagte das Kloster zum Heil. Kreuze 4 ) am 11. Nov. 1472 allen Kündigungsrechten an den ihnen verliehenen Besitzungen und reservirte sich allein die Erhebung von ablöslichen 10 rostocker Mark Renten, da die Brüder schon 6 Mark abgelöset hatten. Hiedurch erlangten die Brüder einen möglichst freien Besitz ihrer Grundstücke; zur Verleihung des Eigenthums mochte sich der Rath der Stadt Rostock wohl schwerlich verstehen: sie gewannen auch nie ein freies Eigenthumsrecht. - Jetzt insinuirten die Brüder auch dem Pfarrer des Jacobi=Kirchsprengels die päpstliche Bulle 5 ).
Da machte sich der Rector des Frater=Hauses zum Springborn in Münster, Johannes Vege, derselbe, der das Bruderhaus zu Rostock gestiftet hatte, in Begleitung des Bruders Johannes Spikermann vom Bruderhause zu Hervorden, auf, um das Haus zu Rostock zu visitiren. Dies geschah am 4. Oct. 1475. Die Visitatoren fanden zwar die Einrichtung des Bruderhauses lobenswerth, jedoch auch manches zn verbessern; sie entfernten daher den leibesschwachen Rector Johannes von Iserlon, bestellten den bisherigen Procurator Nicolaus von Deer zum Rector und den Bruder Bernhard tom Dike zum Procurator und gaben dem Hause eine Regel, welche am Anfange eines jeden Monats vorgelesen werden sollte, bis zur nächsten Visitation 6 ). Der Bischof Balthasar von Schwerin bestätigte diese Regel, welche
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er ein "Gesetz der Liebe" (cartam caritatis) nannte, am 4. Oct. 1475 1 ). Der neue Rector Nicolaus von Deer (1475-1490) muß ganz der Mann dazu gewesen sein, eine Brüderschaft zu regeln und empor zu bringen. Er verschaffte dem Bruderhause nicht allein fast allen Grundbesitz an der westlichen Seite der schwanschen Straße, vom Bruderhause am schwanschen Thore nach dem Hopfenmarkte hinab, und alle dahinter liegenden Wohnungen zu beiden Seiten der Altbüttelstraße 2 ), sondern führte auch den Bau der Kirche (1480-1488) aus und legte die Buchdruckerei (1475) an. Daher geschah es denn auch, daß der Bischof Balthasar von Schwerin, in Betracht der segensreichen Wirksamkeit der Brüder in den Diöcesen Cölln, Lüttich, Utrecht und Münster, am 31. März 1476 die Brüderschaft zu Rostock zu einer kirchlichen Congregation erhob und ihre Regel erneuete 3 ). Ihre kirchlichen Verhältnisse zur Mutterkirche wurden erst am 21. Junii 1485 so geregelt 4 ), daß die Brüder, mit Ausnahme der Entrichtung des Leichengeldes und des Vierzeitenpfennigs, kirchliche Freiheit erhielten, welche ihnen am 4. Julii 1499 bestätigt ward 5 ). Nachdem in dem Zeitraume von 1480-1488 die Kirche erbauet, und bald darauf geweihet war, verlieh der Bischof Conrad Loste von Schwerin, in gleicher Zuneigung zur Brüderschaft wie seine Vorgänger, am 21. April 1493 der Kirche einen vierzigtägigen Ablaß 6 ), den die Brüder darauf selbst ertheilten 7 ). Mit der Vollendung eines neuen Klostergebäudes im J. 1502 schließt der Wachsthum des Bruderhauses.
Nachdem die Stiftung und Befestigung des Bruderhauses erforscht ist, wird sich auch
b) der Geist und die Regel der Brüderschaft
darstellen lassen. Die innere Verfassung wird vorzüglich erkannt aus der päpstlichen Bulle 8 ), aus der Regel des vorgesetzten Rectors von Münster 9 ) und aus den Confirmationen der schwe=
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riner Bischöfe 1 ). Die Hauptgrundzüge der Brüderschaft bestehen, vorzüglich nach den Worten der päpstlichen Bulle darin, daß die Brüder:
1) als weltliche Cleriker,
2) in
Gemeinschaft,
3) ohne Privateigenthum des
Einzelnen,
4) von ihrer Hände Arbeit
leben 2 ). Vorzüglich wird das gemeinsame Leben und der Lebensunterhalt durch eigene Arbeit häufig hervorgehoben 3 ) und als empfehlenswerth gepriesen.
Nach der von ihrem Vorgesetzten ihnen gegebenen Regel und nach den bischöflichen Confirmationen läßt sich auch die innere Verfassung unter gewisse Grundgesetze bringen:
1) Die Brüder sollen dem Frieden, der Liebe und der Eintracht nachstreben; dies ist ihr höchstes Gesetz, ihre erste Regel.
2) Sie sollen in der Form von Weltgeistlichen in bestimmten Häusern und Collegien nach den Vorschriften der Evangelien und der heiligen Väter, auch der Päpste und ihrer vorgesetzten Kirchenobern zusammen wohnen.
3) Sie sollen nach dem Muster der Bruderhäuser zu Cölln und Münster in Gemeinschaft und brüderlich zusammen leben und verbotene Gewohnheiten und Einrichtungen vermeiden.
4) Sie sollen sich in kirchlichen Ceremonien und Gebräuchen nach den Vorschriften und Gebräuchen der schweriner Kirche richten.
5) Sie sollen sich einen tüchtigen, ehrenwerthen und geschickten Mann aus dem Priesterstande zum Rector wählen, der sich einen Procurator zum Gehülfen nimmt und mit dem Rath der Priester des Hauses die häuslichen Dienste ordnet.
6) Sie sollen dem Rector nach den Statuten und den Gewohnheiten der Brüderschaft und in allen häuslichen Angelegenheiten mit Ehrfurcht gehorchen.
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7) Sie sollen in Angelegenheiten des Hauses und in den Capitel=Verhandlungen, zu deren Berathung nur ordinirte Geistliche zugelassen werden, unverbrüchliches Schweigen beobachten.
8) Sie sollen, mit Ausnahme des Rectors und des Procurators, kein Geld bei sich bewahren oder zum eignen Gebrauche ausgeben, es sei denn auf ausdrückliche Erlaubniß des Rectors.
9) Sie sollen alle ihre Güter immer als gemeinschaftliche betrachten und keine Testamente machen.
10) Sie sollen ihre Lebensbedürfnisse durch eigene Arbeit erwerben und nicht betteln und sollen ihre tägliche Arbeit nach den Anordnungen des Rectors mit Fleiß auszurichten streben.
11) Der Rector und die Aeltesten des Hauses sollen genau auf die Beschaffenheit derer achten, welche in die Brüderschaft aufgenommen werden wollen, daß nämlich diese einen guten Charakter und anerkannte Redlichkeit verbürgen, damit die Brüderschaft die Hoffnung einer segensreichen Wirksamkeit von ihnen hege.
12) Der Novizen=Meister vorzüglich soll für die tüchtige Unterweisung der Novizen und der Aufgenommenen sorgen, damit sie sich in jeder Tugend achtbar, zum Gehorsam geneigt, gesittet, besonnen und nüchtern, ehrerbietig gegen die Brüder, in und bei Allem aber als Verehrer der Demuth erzeigen 1 ).
Es waren also rein die Gebote der christlichen Liebe und die Gebräuche einer, auf Tugend gegründeten Gemeinschaft, denen die Brüder folgten; in kirchlichen Dingen beobachteten sie die Institutionen der kirchlichen Gemeinden, in denen sie lebten.
Folgten die Brüder im Allgemeinen auch den Einrichtungen und Gebräuchen der Brüderschaft überhaupt und besonders ihres Hauses, so hatten doch sowohl das Frater=Haus selbst, als eine kirchliche Congregation, als auch die Geweiheten unter den Brüdern eine
c) Kirchliche Wirksamkeit ,
deren nähere Betrachtung von nicht geringem Interesse ist.
Als die Brüder nach Rostock kamen, bildeten sie noch keinen geregelten Convent; sie fungirten einstweilen als das, was
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sie waren, als Priester, und erhielten als solche am 8. Sept. 1462 für zwei Priester aus ihrer Mitte zwei Commenden in der Kirche des Klosters zum Heil. Kreuz 1 ), eine Schenkung, welche den ganzen Flor der Brüderschaft zur Folge hatte. Am 12. Nov. 1499 verliehen ihnen die Burgemeister der Stadt Rostock, als Vorsteher des Hospitals und der Kirche zum Heil. Geist, einen Altar in dieser Kirche 2 ). -Nachdem die Brüder einen festen Wohnsitz gewonnen hatten, erlaubte ihnen der Papst Sixtus IV. am 25. Aug. 1471 3 ) die Weihung und den Gebrauch einer eigenen Kapelle und eines eigenen Kirchhofes, die Haltung des Gottesdienstes in der Kapelle und die Wahl eines eigenen Beichtvaters und befreiete sie von dem Besuche der Kirche zu St. Jacob, in welcher sie eingepfarrt waren, der Rechte der Pfarrkirche unbeschadet. Nachdem die Brüder vom schweriner Bischofe Confirmation 4 ) und vom Kloster zum Heil. Kreuze den ungestörten Besitz ihres Hauses erlangt hatten 5 ), insinuirten sie am 28. Nov. 1472 dem Pfarrer zu St. Jacob die päpstliche Bulle 6 ) und leiteten damit die Verhandlungen zur Befreiung von der Pfarrabhängigkeit ein. Der Pfarrer erwiderte, er sei auf eine Entscheidung nicht vorbereitet und müsse die Sache erst mit dem herzoglichen Patron der Kirche berathen. Zwar gab der Herzog und Bischof Balthasar ihnen am 31. März 1476 eine Constitution 7 ), in welcher er ihnen den Gebrauch einer Kapelle mit Altären und Glocken und eines Kirchhofes gestattete, ihnen auch erlaubte, daß ihr Rector oder sein Substitut der Brüder und anderer Kleriker, Studenten und Schüler Beichte höre und dieselben absolvire, daß sie die Sacramente, Messen und andere kirchliche Dienste verrichten, ein Siegel 8 ) führen, die Brüder durch den bischöflichen Vikar auf Vorschlag des Rectors ordiniren lassen könnten, ja daß der Rector die Gelübde an des Bischofs Stelle annehmen dürfe, daß sie zur Annahme geistlicher
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Pfründen bevollmächtigt und ihre Güter Kirchengüter sein sollten; - aber dennoch reservirte er immer noch die Ansprüche des Pfarrers an das Bruderhaus. Diese hörten auch so bald nicht auf, indem er noch am 26. April 1484 1 ) über die Zahlung der gewöhnlichen Priestergebühren, nämlich des Leichengeldes von 12 Schillingen für jede Leiche und des Vierzeitenpfennigs (eines Pfennigs an jedem der 4 großen Feste für jeden Kopf) quittirte. Endlich befreiete die Jacobi=Pfarre am 21. Junii 1485 2 ) die Brüder von jeder Abhängigkeit von der Pfarre und von jeder Leistung an dieselbe, mit Ausnahme der Zahlung des Leichengeldes und des Vierzeitenpfennigs. Nachdem der Bau der Kirche im J. 1488 beendigt war und der Bischof Conrad von Schwerin sie mit ihren sieben Altären geweiht hatte, verlieh dieser der Kirche in derselben am 21. April 1493 3 ) einen vom Papste bewilligten vierzigtägigen Ablaß, den die Brüder seit dem J. 1500 in gedruckten Fraternitätsbriefen selbst ertheilten 4 ). Alle diese Rechte, welche die Brüder nach und nach erwarben, beschränkten sich auf die Ausübung eines stillen Gottesdienstes innerhalb der Brüderschaft. Endlich erlangten sie eine freiere kirchliche Wirksamkeit, als am 4 Julii 1499 zwischen der Jacobi=Pfarre und dem Bruderhause ein feierlicher Vertrag 5 ), unter Vermittelung mehrerer geistlicher Würdenträger in Rostock und unter Consens des Bischofs und der Herzoge, dahin abgeschlossen ward, daß sie an gewissen Festtagen (wie am Michaelistage, am Kirchweihtage, Ostern und Pfingsten, am Stiftungstage (?) und an den Bettagen) vor Personen beiderlei Geschlechts öffentlichen Gottesdienst 6 ), jedoch ohne Predigt, halten und an diesen Tagen milde Gaben einsammeln dürften, wofür die Brüderschaft jedoch der Pfarre ein im Dorfe Bistow fundirtes Capital von 100 Mark
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sund. abtreten mußte. Mit diesem Vertrage, den ihnen grade die Geistlichkeit schwer genug gemacht hatte, war die kirchliche Wirksamkeit der Brüder abgeschlossen.
d) Die Besitzungen der Brüderschaft.
Als die Brüder nach Rostock kamen, bewohnten sie im J. 1462 Peters von Cölln Hof auf dem Beginenberge; diesen Hof nannten sie schon damals, wahrscheinlich mit einem willkürlich beigelegten Namen, den Grünen Hof 1 ). Nachdem sie vom Beginenberge nach der schwanschen Straße gezogen waren (nach 1464), besaßen sie hier, durch die Verleihung des Klosters zum Heil. Kreuz, an der Westseite der Straße, am schwanschen Thore an der Stadtmauer, einen Bauhof, zwei Buden, eine kleinere Wohnung (Kemenade) und mehrere verfallene Gebäude 2 ). Hier richteten sie sich zuerst so gut als möglich eine Wohnung, ein Frater=Haus, ein, auf welches sie den Namen des Grünen Hofes übertrugen. Hinter diesem Hause führten sie vor dem Bau der Kirche eine kleine Kapelle zu ihren eignen gottesdienstlichen Uebungen auf; diese Kapelle war schon im J. 1471 fertig 3 ). Diese Kapelle war dem Heil. Michael, dem Schutzpatrone der rostocker Brüderschaft, geweiht; denselben Patron erhielt auch die später erbauete Kirche, und daher die Brüderschaft nach und nach den Namen des Klosters des Grünen Hofes zu St. Michael.
In kurzer Zeit gewannen die Brüder eine große Menge nahe liegender Wohnungen. Die wichtigste Erwerbung bestand darin, daß der Rathmann Heinrich vom Broke ihnen am Tage vor Jacobi 1476 seinen Hof und Baumgarten in der Altbüttelstraße westlich und südlich von der Brüder Hofe gab 4 ); dieser Hof muß an der Stelle der Michaelis=Kirche gelegen haben. Von diesen beiden Anfangspuncten aus erwarben sie nach und nach Besitzungen in beiden Straßen nach der
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Stadtmauer und nach dem Hopfenmarkte hin. In der schwanschen Straße zunächst am Bruderhause erhielten sie sehr bald 4 Buden oder Häuser und endlich im Jahre 1480 vom Rathmann Heinrich Meig 1 ) noch 4 Buden. - In der Altbüttelstraße, welche im 16. Jahrh. auch die Michaelisstraße hieß, besaßen sie seit 1470 Heinrichs vom Broke Hof und Baumgarten und gewannen dazu am Freitage vor Michaelis 1479 von den Bürgern Curd Eler und Hans Becker drei Buden nach dem Hopfenmarkt hin und nach der andern Seite hin im J. 1486 von dem rostocker Bürger Claus Becker, zu Suderkopingh wohnend, eine Bude. Endlich schenkte ihnen der rostocker Bürger Heinrich Timm im J. 1494 acht Buden in der Rakerighe 2 ), später auch der Grüne Weg 3 ) genannt, (d. h. in der Verlängerung der Altbüttelstraße nach der Stadtmauer hin, welche Verlängerung jetzt zum Theil zum Stadtbauhofe gelegt und durch einen Thorweg von der Straße geschieden ist,) und noch eine Bude in der schwanschen Straße.
Die Brüder besaßen also im Anfange des 16. Jahrhunderts von der Stadtmauer an gegen den Hopfenmarkt hin an der Ostseite der schwanschen Straße und zu beiden Seiten der Altbüttelstraße im Zusammenhange drei Reihen Wohnungen und Höfe, welche ihren Besitz zu einem Ganzen abrundeten. Sie besaßen hier im Ganzen 26 Häuser, Buden oder Höfe. Als sie im Jahre 1480 den Bau der Kirche und des Klosters begannen, ward der Theil der Gebäude nach der Stadtmauer hin, namentlich die Höfe, welche sie in der schwanschen Straße vom Kloster zum Heil. Kreuz und in der Altbüttelstraße von Heinrich vom Broke erhalten hatten, abgebrochen. An der Stelle derselben entstanden Kirche und Kloster, welche noch jetzt stehen, und Kirchhof und Garten, der jetzige Stadtbauhof, und ein Weg mit einem Klosterthore an jeder Straße. So blieben ihnen in der schwanschen Straße nur 4 Buden (an der Stelle der alten Reitbahn) und in der Altbüttelstraße an der Westseite nur ein Haus und 2 Buden. In dem Hause neben des Klosters Thorwege in der Alt=
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büttelstraße hatten die Brüder ihre Schule 1 ). An den acht Buden in der Rakerighe oder am Grünen Wege, dort wo jetzt die Freimaurer=Loge, die neue Reitbahn und ein Theil des Stadtbauhofes ist, ließen die Brüder im J. 1519 bauen 2 ); es blieben ihnen hier nur 6 Buden. Bei dieser Gelegenheit versprachen sie, keine Häuser in der Stadt Rostock mehr zu kaufen. Alle ihre Grundstücke lagen zu Stadtrecht 3 ).
Außer diesem Grundbesitz hatten die Brüder eine sehr bedeutende Anzahl kleiner Renten in Häusern und Grundstücken der Stadt. Bei der Visitation im J. 1566 trugen, nach dem Protocolle, diese Renten und die Miethe von den Buden noch 355 Mark sund. oder 118 fl. 16 ßl. lüb. 4 ). Das meiste Geld hatten sie wohl verbauet.
Der Besitz der Brüderschaft bei ihrem Untergange läßt sich aus folgender alten Aufzeichnung ersehen:
Nachricht von dem Frater=Kloster und desselben Buden, de anno 1581.
Nach einer alten Aufzeichnung im Stadt=Archive zu Rostock.
M. Henricus Arsenius ys gestoruen anno 75 up Martini ist itz in dessem 81 Jar went Martini kompt 6 Jahr vnd ist alsbalde nach seynem dode by das Frater=Closter komen Bernardus Luschow vnd den Renten in der stadt so in der borger huse stehen vngeferlich 70 fl. jerlikes, ock beneuenst den vpkompsten der boden so by dem Kloster belegen ingemanet und upgeburdt.
Synt der boden 13 in alles, darvan 7 verkofft, de auch 6 noch unverkofft. Desse boden seyndt belegen 4 in der Swanschen straten.
Die erste hard by des Klosters dorwege gifft jerlickes thor hur 12 fl. noch vnuerkofft.
De ander darbey ys verkofft vor 50 fl.
Die 3 ist ein geuelhusken hefft een tymmermann gekofft vor 500 Mk. sund.
Die 4 ock en geuelhusken gifft jerlickes 8 fl. noch vnuorkofft.
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Ahn de ander syde des Klosters in der olde budel edder Michaelis strate.
De 1 is de Scholl gifft jerlickes 9 fl. noch vnuorkofft.
De 2 dar by wanen studiosi juris in, gifft 12 fl. noch vnuorkofft.
De 3 wanet M. Hassaeus in noch vnuorkofft.
De 4 in desser straten nach der Ostsyden tegen de schol aver hefft gekofft Hanß Scholtes de Lynnenueuer vor 450 mk. sund.
De 5 un 6 darby hefft gekofft Hanß Kirchoff een Timmermann vor 400 mk. sund.
De 7 ys vorkofft vor 175 mk. sund.
De 8 een Geuelhusken ys vorkofft vor 450 mk. sund.
De 9 een twerhusken ys datsulftige dar H. Christopher Genschow de stouen in gebauet hefft, noch vnuorkofft.
Benevenst dessen 13 boden noch een gebeut yn dem kloster, welker des klosters coquina pfleget tho seyn.
Außerdem hatten die Brüder noch einige kleine Hebungen und Renten außerhalb Rostock, welche jedoch nicht sehr bedeutend waren, z. B. in Güstrow 1 ), seit 1481 aus einer Wiese in Bentwisch 2 ), seit 1469 durch Nicolaus Sukow 8 Mk. lüb. von Jacob Schönenberg aus dem Dorfe Schöneberg im Kirchspiel Frauenmark bei Parchim 3 ), seit 1497 von Lorenz Pren zu Bandmerstorp 12 Mk. sund. aus Dummerstorf und Slawe und seit 1482 die Renten von 100 Mk. in Bistow, welche sie aber schon im J. 1499 an die Jacobi=Pfarre zu Rostock abtraten 4 ).
e) Die Verfassung der Brüderschaft
läßt sich am klarsten aus einer Inschrift auf Kupfer erkennen, welche im J. 1488, zur Zeit der höchsten Blüthe des Fraterhauses, in den Thurmknopf gelegt ward 5 ) und welche also lautet:
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Huius Deo dicatae domus Anno Domini nostri J. C. MCCCCLXXX coepere fundamenta construi et eiusdem MCCCCLXXXVIII tecta consummari praesidentibus universali Ecclesiae sacrosanctissimo Papa Innocentio VIII. Diocesi Suerinensi Domino Conrado Lostio. Imperio Friderico II. Patriae duobus fratribus Magno et Balthasare Ducibus Megapolensibus. huic sancte congregationi venerabili Patre Nicolao Rectore sequentium fratrum videlicet Joh. Stuven sacerdotis. Jo. Nieken presbyteri. Jo. Lobben Presbyt. Bernh. Klostermann Presbyt. Engelb. Ternen Presbyt. Herm. Worinek Presbyt. Jo. Buschen Presbyt. Wilh. Ultzen Diaconi. Wilh. Pose Diaconi. Jo. Butzow Acolati. Joh. Zlisow scholaris. Joh. Tunae scholaris. Claus Bardis. Claus Johannis. Eggerbert von Zwolle laicorum fratrum. Theodor. Hotemann Novitii non recepti, qui praedicti fratres auxilio Dei suis sudoribus et ope benefactorum nostrorum, praecipue D. Nicol. Zukow sacerdotis necnon Gertrudis Beckmann priorissae cum suis virginibus ad sanctam crucem hoc opus inceptum feliciter ad honorem sanctae Trinitatis, beatissimae Mariae semper virginis, sancti Patroni nostri Michaelis, omnium angelorum et sanctorum laudem consummaverunt Anno quo supra, circa Johannis Baptistae nativitatis. Magistri structurae murorum Bernd Werdenlerch. Tecti turrisque Jacob Kruse.
Diese Inschrift lehrt uns die innere Einrichtung des Bruderhauses zu Rostock kennen. In der blühendsten Zeit lebten im Hause im Ganzen 17 Mitglieder: ein Rector, ein Priester, sechs Kleriker, zwei Diakonen, ein Akoluthus, zwei Scholaren, drei Laienbrüder und ein Novize.
Nach mehreren Urkunden, in denen zu verschiedenen Zeiten die Hauptpersonen, die Brüder des Capitels, aufgezählt werden, pflegten immer 8 bis 10 Priester und Cleriker, die Vorsteher und Beamten eingerechnet, im Hause zu wohnen; diese
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werden ungefähr die Hälfte der Bevölkerung des Hauses ausgemacht haben; die andere Hälfte bestand aus Clerikern niedern Grades und aus Laienbrüdern.
An der Spitze der Brüderschaft stand ein Rector (Pater, Verweser, auch Prior genannt); ihm zur Seite stand der Senior (als Vice=Rector und magister novitiorum); die Verwaltung besorgte ein Procurator (oder Schaffer) 1 ).
Die Reihenfolge der Beamten des Fraterhauses ist nach den Urkunden ungefähr folgende:
Rectoren: | Senioren: | Procuratoren: |
Heinrich Xantis | Nicolaus von Deer | |
1462-1464. | 1464. | |
Johannes Veghe | Johannes Stuve | Nicolaus von Deer |
1470-1471. | 1470-1488. | 1470-1472. |
Johannes Iserloen | 1472-1475. | |
Nicolaus von Deer 2 ) | Bernhard tom Dike | |
1475-1490. | 1475. | |
Johannes Stuve | 1494. | |
Wilhelm Pothe | Hermann Klostermann | Albert Doman |
1497-1499. | 1497. | 1497. |
Martin Hillemann | Albert Doman | Johann Kreveldie |
1509-1551. | 1509-1519. | 1512-1527. |
Barthold Kölzow | ||
1520-1527. | ||
Heinrich Burick | ||
1533-1542. | ||
Heinrich Arsenius | Johann von Wesel | |
1551. | 1551-1559. | |
Heinrich Arsenius | Gerhard Dunkerad | |
1557-1575. | 1560. | |
die letzten Brüder. |
Besondere Dienste leisteten zwei Scholaren (Schullehrer) und ein Buchdrucker. - Nach den Namen waren die
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Brüder gewöhnlich aus den Niederlanden oder aus dem westlichen Niederdeutschland.
f) Verfall und Untergang des Bruderhauses.
Die erste Spur von einer Anfechtung, welche die Brüderschaft zu erleiden hatte, finden wir während des tumultuarischen Streites zwischen den Herzogen und den Rostockern über die Errichtung eines Dom=Capitels zu Rostock, in welcher die Brüder Partei für die Rostocker genommen haben sollten; sie fühlten sich so unsicher, daß die Herzoge dem Rector im J. 1484 ein frei Geleit zu einer nothwendigen Reise geben mußten 1 ). Doch hatte dieser Vorfall keine weitern Folgen und die Brüder blieben ungestört bis zur Reformation. Durch die ganze Periode der Einführung der lutherischen Lehre in Rostock, welche oft nur gewaltsam durchgesetzt werden konnte, regierte das Fraterhaus der Rector Martin Hillemann (1509-1551), ein Mann, der gegen einen so großen Sturm allerdings nicht fest genug gewurzelt gewesen zu sein scheint. Zuerst ward im J. 1531 den Brüdern, wie allen übrigen Klostergeistlichen zu Rostock die besondere Mönchstracht verboten 2 ). Bald aber machte sich der Rector geheimer Umtriebe verdächtig. Der Dr. Emser suchte einen Drucker für sein antilutherisches Neues Testament und hatte sich deshalb an die Brüder vom gemeinsamen Leben zu Rostock gewandt, damit diese den Druck übernehmen möchten. Als Luther dies erfuhr, wandte er sich am Sonnabend nach Katharinä 1529 an den Herzog Heinrich, den Beförderer der Reformation, mit der von den Räthen des Kurfürsten von Sachsen unterstützten Bitte, den Druck zu verhindern, und schrieb dabei:
"Denn wir von redlichen Leuten aus Lübeck statlich bericht, das etlich Lolbrüder 3 ) des Emsers Testament sechsischer sprache zu Rostock ynn Druck gebenn."
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Dagegen hatte der Rector Martin Hillemann seinen Drucker Johann van Holt 1 ), einen Bruder des Fraterhauses, zu dem katholisch=gesinnten Bruder des Herzogs, dem Herzoge Albrecht, geschickt, um mit diesem den Druck des Emserschen Testaments zu überlegen. Hier hatte der Drucker Anschläge gehört, welche zum Verderben des rostocker Stadt=Syndicus Dr. Johann Oldendorp, des Vorfechters für die Reformation in Rostock, und der ganzen Stadt gereichen sollten und zum Schaden gereicht hatten, diese aber nur seinem Rector anvertraut: beide hatten das Geheimniß dem Rath der Stadt Rostock verschwiegen; ja sie hatten sich so weit vergessen, daß sie ihre Druckerei zum Nachtheile der Reformation und der Stadt gegen das Verbot angewandt hatten. Dafür war, zur ganz gelinden Bestrafung, der Rector mit Hausarrest und der Drucker mit Gefängnißstrafe vom Rath belegt worden. Um sich hievon zu befreien, mußten sie am 28 Junii 1532 Urfehde schwören 2 ).
Bald darauf ward es mit der Ausrottung des Papismus in Rostock völliger Ernst. Alles, was ihm anhing, suchte die Güter des einstürzenden Gebäudes, namentlich die Urkunden und Kleinodien, wenn möglich, zu retten; auch der Rector des Fraterhauses hatte, gegen Vorschrift, Wissen und Willen des Rathes der Stadt, alle Kostbarkeiten des Hauses entweder versetzt, oder in der Kirche, im Keller und auf dem Heuboden vergraben oder versteckt. Der Magistrat hatte sich dagegen der Person des Rectors versichert und ihn im Dominikaner=Kloster zu St. Johannis gefänglich verwahrt. Zur Befreiung von dieser Haft, und da alle seine Bürgen ihm ihre
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Bürgschaft aufgekündigt hatten, er auch keine neue Bürgen finden konnte, mußte er mit allen Brüdern des Hauses am 16 Dec. 1533 Urfehde schwören und geloben, die versteckten Schätze anzuzeigen und ohne Erlaubniß nicht aus der Stadt zu gehen 1 ). Die Urkunden und Schätze aber nahm der Rath in Verwahrung 2 ).
So übel es auch für die Brüder aussah, so günstig gestalteten sich doch, nachdem der Sturm vorübergegangen war und das Morsche umgestürzt hatte, ihre Verhältnisse für die nächsten Zeiten, wahrscheinlich in Folge des guten Geistes, der die Brüderschaft immer beseelt hatte.
Während im J. 1534 das Dominikaner= und das Franziskaner=Kloster zu Rostock aufgehoben waren, die Bewohner derselben verdrängt und ihre Güter eingezogen wurden, kurz das Lutherthum siegreich durchdrang, ließ man die Brüder vom gemeinsamen Leben ruhig in ihren Besitzungen und verflichtete sie nur, ganz im Geiste ihrer Brüderschaft, zur fernern Haltung ihrer deutschen Schule 3 ), wie sie von Alters her eine deutsche Schule gehalten hatten, jedoch nach den höhern Anforderungen der Zeit und ohne Verleitung zur Papisterei; ja der rostocker Magistrat übergab ihnen im J. 1534 gewissermaßen die Einrichtung der neuen Schulen zu Rostock 4 ). In dem aufgehobenen Dominikaner=Kloster zu St. Johannis ward die neue lateinische Stadtschule angelegt.
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So lebten die Brüder unbemerkt und ungestört in der Beschäftigung ihrer Brüderschaft fort, nachdem im J. 1552 auch die meisten großen Feldklöster und Ordenshäuser im ganzen Lande säcularisirt waren und die Reformation siegreich das Feld behauptete. Ja sie hatten im J. 1542 alle ihre Kleinodien und Urkunden, welche der Magistrat vor mehrern Jahren zum Besten des Bruderhauses in Verwahrung genommen hatte, unverringert wieder ausgeliefert erhalten und dem Rathe nur das Vorkaufsrecht einräumen müssen 1 ). Dennoch mußten die Brüder den baldigen Untergang ihrer Stiftung voraussehen; deshalb ertheilten sie am 23. Junii 1557 dem rostocker Bürger Bernhard Kron, wegen seiner dem Bruderhause geleisteten Dienste, mit Genehmigung des vorgesetzten Klosters Springborn, ein Conservatorium für das Michaelis=Kloster 2 ).
Am 8. October 1559 nahmen aber die letzten Brüder des Convents: der Rector Heinrich Arsenius und die Brüder Priester Johann von Wesel, Johann von Zütphen und Gerhard Dunkhorst dieses Conservatorium wieder zurück und entschlossen sich, sämmtliche Besitzungen des Frater=Hauses dem Magistrat von Rostock zum gemeinen Besten der Stadt 3 ) zum Eigenthum zu übergeben, in der Ueberzeugung, daß bei dem Verfall der Priesterschaft alter Zeit es auch mit dem Frater=Kloster bald ein Ende nehmen werde 4 ); jedoch reservirten sie sich die jährlichen Auskünfte und Wohnung im Klostergebäude für ihre Lebenszeit. Für den Fall, daß in kommenden Zeiten die Religionssachen eine andere Wendung
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nehmen und wieder zum frühern Zustande kommen sollten, versprach der Magistrat, der Brüderschaft wieder zum Besitz ihres Eigenthums zu verhelfen. Diese Abtretung an die Stadt geschah ohne Zweifel deshalb, weil, wie die Brüder selbst sagen, sie Alles durch die Mildthätigkeit der Stadt, wenn auch durch eigner Hände Arbeit, erworben hatten und die Fürsten alles Klostereigenthum im Lande in Anspruch nahmen; eine solche freiwillige Abtretung einer ganzen geistlichen Stiftung durch die Besitzer kommt im Lande auch nicht weiter vor. Auch geschah es wohl wirklich, daß die Landesfürsten sehr bald das Kloster als ihr Eigenthum betrachteten, indem sie es im J. 1563 der Stadt Rostock feierlich überließen.
Ueber den Besitz der Güter des Bruderhauses entstand bald großer Streit. Die letzten Brüder hatten mit der Ertheilung des Conservatoriums an den Bürger Bernhard Krohn wohl nur die Absicht gehabt, das Eigenthum des Hauses für den Fall ihres Ablebens dem gesammten Orden zu sichern. Dennoch hatten sie ihn in "vollkommenen und wirklichen Besitz gesetzt", die Güter für sich und seine Erben nach Gefallen zu benutzen. Zur nähern Erläuterung bekannten sie am 8. Oct. 1559, daß Bernhard Krohn allein die Güter conserviren und bei ihrem Leben ihr Beschützer sein solle, und bezeugten dies dadurch, daß sie, unter Tradition der Schlüssel, den ganzen Besitz dem Rathe der Stadt Rostock überwiesen 1 ). Als aber B. Krohn ernstliche Ansprüche an den wirklichen Genuß des ganzen Eigenthums der Brüder machte, unter dem Vorgeben, sie hätten es an ihn erblich verkauft, so nahm der Magistrat am 29. Junii 1560 Besitz von allen Gütern des Bruderhauses, ließ jedoch den Rector Heinrich Arsenius und den Bruder Gerhard Dunkradt, als die letzten Brüder und alte, arme Leute, unter Zurückgabe der Schlüssel, im lebenslänglichen Genuß derselben, wie wohl in vielen Fürstenthümern die Mönche längst aus ihren Besitzungen verjagt seien 2 ). Den ungestörten Lebensgenuß in dem Frater=Hause versicherte der Rath dem Rector H. Arsenius noch ein Mal am 23. Sept. 1560, als das Haus zum Pädagogium eingerichtet ward 3 ). Bernhard Krohn gab aber seine Ansprüche nicht auf, sondern begann einen Proceß vor dem Reichs=Kammergericht, der jedoch liegen blieb, nachdem B. Krohn (vor dem J. 1566) gestorben war; die häufigen Anforderungen seiner Wittwe beim Rathe blieben ebenfalls erfolglos.
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Der letzte Rector und Bruder des Frater=Hauses war der Mag. Henricus Arsenius 1 ), oder Heinrich Arsen, eigentlich Heinrich Pauli aus der Gegend von Arßen im Westphälischen. Er war schon im J. 1533 im Bruderhause zu Rostock, und ward im J. 1534 bei der Universität immatriculirt 2 ). Im J. 1539, am Agathentage, ward er zugleich mit Arnoldus Burenius zum Magister creirt 3 ) und darauf zum Professor der Philosophie an der Universität 4 ) bestellt. Im J. 1551 war er Senior des Frater=Hauses 5 ) und endlich, sicher zwischen 1552 und 1557 6 ), ward er auch Rector des Frater=Klosters. Er starb, nach Aufzeichnungen im rostocker Stadt=Archive, kurz vor Martini 1575 7 ). Noch im J. 1571 bat er um die Erlaubniß, an der Universität wieder über die griechischen Schriftsteller lesen zu dürfen 8 ); und Nathan Chyträus gedenkt im J. 1578 seiner als eines Verstorbenen 8 ). Er ward in der Stille in der Klosterkirche begraben 9 ).
Heinrich Arsenius war in vieler Beziehung ein ausgezeichneter Mann; ausdauernd und eifrig, friedlich und würdig, rein im Wandel und fest im Glauben, gelehrt und bis zum Ende seines Lebens voll Liebe zu den Wissenschaften, wie zur Natur, erwarb und erhielt er sich die hohe Achtung der großen Schaar ausgezeichneter Männer, welche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die glänzende Universität Rostock zierten, wie eines Caselius und Possel, und selbst als er in der eifrig protestantischen Stadt noch lange als die letzte Ruine eines alten großen
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Baues da stand, wagte Niemand den würdigen Mann mit der tiefen, stillen Trauer anzutasten und zu verletzen 1 ).
Eine solche Würde erhielt nicht geringere Anerkennung, als überhaupt der Geist und der Wandel der Brüder vom gemeinsamen Leben, und wenn auch die Stiftung dem höher auffliegenden Geiste der Zeit nicht genügen mochte, so unterlag sie doch nicht, wie die Klöster der Bettelmönchsorden, einem gewaltsamen Sturme, sondern ging mit edler Ergebung selbstbewußt, ruhig und geachtet der Auflösung entgegen 2 ).
Als die heftigen Streitigkeiten zwischen den Herzogen von Meklenburg und der Stadt Rostock hereinbrachen, welche durch die Formula Concordiae vom 11. Mai 1563 beigelegt wurden, ging die Stiftung des Bruder=Hauses völlig unter, indem das Kloster mit allen seinen Zubehörungen ganz der Stadt Rostock zur Beihülfe zur Besoldung der räthlichen Professoren an der Universttät von den Fürsten überlassen ward 3 ); jedoch
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ward des hochbejahrten Frater=Rectors Arsenius in dem Friedensschlusse höchst ehrenvoll gedacht 1 ), indem er neben dem Professor Joh. Possel zum Dirigenten eines Studenten=Collegii des Pädagogiums Porta coeli, ernannt und ihm völlige Freiheit gegeben ward, nach seinem Gefallen diese Stelle zu verwalten oder nicht 2 ).
g) Die Gebäude des Bruderhauses.
Die Hauptgebäude des Frater=Hauses stehen noch, jetzt zum Wollmagazin benutzt, unverfallen zwischen der schwanschen Straße und der Altbüttelstraße. Die Gebäude haben das Eigenthümliche, daß Kirche und Kloster unter Einem Dache, die beiden Hauptgebäude also in denselben Ringmauern liegen. Jetzt bildet das Ganze einen einzigen, mit vielen Böden übereinander durchlegten Raum; die alte Einrichtung läßt sich aber noch sehr genau erkennen. Das Ganze bildet ein unverhältnißmäßig langes Oblongum. Die Kirche befand sich im östlichen, das Kloster im westlichen Theile des Gebäudes (an der schwan= Straße). Die Kirche hat an der Ostseite nach der Altbüttelstraße hin eine abgerundete Tribune für die Altarstelle, und ist etwas schmaler, als das Kloster, ungefähr so viel, als die äußern Strebepfeiler der Kirche mehr Tiefe haben, als die Strebepfeiler der Klosterseite; auch im Innern sind die Ringmauern der Kirche etwas eingezogen. Noch sind im Innern und Aeußern die jetzt zugemauerten, hohen Kirchenfenster und die Stützpuncte für die Gewölbe klar zu sehen. - Das Kloster, welches die westliche Hälfte des Gebäudes bildete, hat gleiche Höhe mit der Kirche und dieselbe Breite, ist in vier Stockwerke getheilt und umfaßt daher einen bedeutenden Raum. Dieser Theil hat kleine Fenster und eine große Giebelseite nach der schwanschen Straße hin. An der Nordwestecke, an der schwanschen Straße, am ehemaligen Hauptthor des Klosters, steht in Form eines runden, angebauten Thurms das Treppenhaus zum Kloster mit einer aus Ziegeln äußerst leicht, zierlich und fest gebauten Wendeltreppe, einem wahren Meisterwerke. Die Ziegel, aus denen
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Kirche und Kloster erbaut sind, sind nach alter Beschaffenheit, d. h. groß, grobkörnig, gemengt und sehr fest.
Die Kirche ward im J. 1480 gegründet und im J. 1488 vollendet 1 ); der Baumeister der Kirche hieß Bernhard Werdenlerch, der Baumeister des Thurms Jacob Kruse. Das neue Kloster an der Kirche ward erst im J. 1502 vollendet 2 ).
Vom J. 1559 an scheidet sich die Geschichte des Klosters und der Kirche der Brüder vom gemeinsamen Leben.
Nachdem die Brüder dem Magistrat das ganze Kloster im J. 1559 abgetreten hatten, trat das Kloster in die Reihe der Regentien oder Collegien der Universität und ward im J. 1560 zn einem sogenannten Pädagogium eingerichtet 3 ), in welchem jüngere Studenten unter Aufsicht lebten, nachdem die deutsche Schule der Brüder vom gemeinsamen Leben wahrscheinlich wieder eingegangen war. Zu Regenten wurden die Magister Peter Hagemeister und Gerhard Schmidt ernannt; M. Heinr. Arsenius behielt einstweilen eine Wohnung im Kloster. Durch die Concordienformel vom J. 1563 ward das Frater=Kloster der Stadt Rostock zugeschrieben und der Mag. H. Arsenius, als Professor, zum Rector der Regentie Porta coeli höchst ehrenvoll ernannt, aber damit auch von seinem Kloster losgerissen. Nach dem Abschluß der Concordienformel bestätigte im J. 1564 der Magistrat die Einrichtung des Klosters zum Pädagogium 4 ) und gestattete, nachdem der Stu=
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dentenfreitisch oder das Convictorium im Mai 1566 ebenfalls in das Kloster verlegt war 1 ), am 12. Febr. 1567 die Verlegung der Sitzungen des akademischen Senats (des akademischen Concilii) in das Reventer des Klosters 2 ). Jedoch mußte sich die Universität am 25. Sept. 1572 verpflichten, das Kloster wieder zu räumen, sobald es der Rath verlangen sollte 3 ).
Außerdem wurden hier, nach den Acten, Vorlesungen 4 ) gehalten und allerlei Uebungen getrieben; auch wohnten hier, außer dem Mag. Laurentius Wessel im J. 1568, viele Studenten. Im J. 1568 ward das Kloster wieder streitig, indem der Herzog Johann Albrecht viel Korn auf den Boden des Reventers schütten 5 ) ließ und sogar in die nicht bewohnten Concilien=Räume des Reventers schütten lassen wollte. Es kam zum heftigen Wortwechsel zwischen der Universität, dem Magistrat, dem Herzoge Ulrich, als Canzler der Universität, und
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dem Herzoge Johann Albrecht, ja zu thätlichen Prohibitiv=Maaßregeln gegen die Diener des letztern. Wahrscheinlich ward die Sache durch den Ernst des Herzogs Ulrich wieder beigelegt.
Das Pädagogium blieb längere Zeit im Kloster 1 ), bis dieses am 16. Julii 1594 abbrannte 2 ).
Bei allen Verhandlungen und Abtretungen war die Michaelis=Kirche der Brüder vom gemeinsamen Leben mit in das Kloster im Allgemeinen eingeschlossen. Höchst wahrscheinlich ward sie seit dem J. 1534 nicht mehr gebraucht, und es wird derselben in den nächsten Jahren nicht gedacht. Nachdem aber im J. 1563 der Stadt Rostock das ganze Kloster überwiesen war, räumte der Magistrat am 15. Junii 1568 der Universität die Kloster=Kirche, jedoch nicht weiter, als die Kirche sich erstreckte, zum Lectorium oder Auditorium Theologicum ein, "daß daselbst alle lectiones theologicae sollten gelesen werden", und verhieß die Einrichtung der Kirche zu diesem Zwecke 3 ), behielt sich jedoch das Eigenthumsrecht der Kirche und des Klosters vor. Der Rector des Frater=Hauses, M. Heinrich Arsenius, war noch im Besitze des Kirchenschlüssels 4 ) und wollte denselben vor einem Befehle des Herzogs Ulrich nicht herausgeben 5 ); nicht lange darauf begrub man ihn jedoch in der Kirche. Mit der Zeit haben aber auch die Juristen, sicher von 1578-1593, in dieser Kirche Vorlesungen und Disputationen gehalten 6 ).
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Nach dem Brande des Klosters im J. 1594 ward im J. 1619 das ganze Gebäude zu einem Zeug= und Kornhause umgewandelt 1 ), und als solches ist es unter dem Namen des Zeughauses 2 ) bis in die neuern Zeiten benutzt. Bei dieser Gelegenheit ward das Gebäude aufgeräumt: die Altar= und Leichensteine und die Stühle wurden gehoben und verkauft, die Keller wurden verlassen, der Fußboden ward überall gleich gelegt und das ganze Gebäude ward innerhalb der Ringmauern durchgehends zu einem einzigen freien Raume geschaffen; unten ward ein Zeughaus eingerichtet, und oben wurden zwei Kornböden angelegt. Ueber diese Veränderung findet sich folgende
Nachricht im Stadt=Archive zu Rostock:
1) D. Assuerus soll alles aus dem Closter reumen.
2) Darnach sol der Bodem rein gemacht vnd die Leich= vnd Altarstein gehoben vnd dem Baw zum besten verkaufft werden.
3) Das Kellerschaur soll furderlichst ausgebeßert werden.
4) Hernach sol des kellers gewelbe verlaßen vnd sein Bohn dem fundament der kirchen gleich gemacht werden.
5) Der keller sol bleiben zu gemeiner notturfft.
6) Es sol ein durchgehend gebewd werden so weit die Mauren sich zu beiden seiten strecken.
7) Vnd sol vnten ein Zeughaus vnd oben zwei Bohne zum kornhause sein.
8) Die Eichen Gestülte vnd Panneling sol man dem Gebewte zum besten verkauffen.
9) Der Rahtt vnd hundert sollen sich erstes tages der Vncost halber vergleichen.
10) Dan sol man keuffen Bawholtz zum Vorrahtt.
Am 19. Julius 1629 ward der Thurm abgetragen 3 ). Zum Zeughause und zum Kornhause ist das Gebäude bis zum
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J. 1820 benutzt; in diesem Jahre wurden die alten Waffen verkauft und das ganze Gebäude ward in einen Kornspeicher umgewandelt 1 ). In den neuesten Zeiten ist das Gebäude ganz zu einem großen Wollmagazine eingerichtet und zu diesem Zwecke mit vielen Böden über einander durchzogen.
3.
Die Buchdruckerei der Brüder vom
gemeinsamen Leben zu Rostock.
Die Richtung und Beschäftigung der Brüder vom gemeinsamen Leben zu Rostock läßt sich aus einigen Andeutungen sehr klar erkennen. Im Allgemeinen charakterisirt sie ein nüchternes, fleißiges und friedliches Leben. Vorzüglich beschäftigten sie sich mit dem Studium der heiligen Schrift und den Werken derjenigen Kirchenväter 2 ) und ältern erbaulichen Schriften, deren Studium der Brüderschaft vorzüglich eigenthümlich war; mehrere derselben gaben sie in Drucken heraus 3 ) und der Druck vieler Bücher zum Kirchendienst forderte Vertrautheit mit der Bibel. Diejenigen Brüder, welche Priester waren, versahen in der Bruderkirche den Gottesdienst und warteten zweier Altäre in den Kirchen zum H. Kreuz und zum H. Geist 4 ). Die Graduirten waren bei der Universität eingeschrieben und hielten Vorlesungen, vorzüglich über Werke in griechischer Sprache 5 ).
Die glänzendste Zeit der rostocker Brüderschaft scheint in das letzte Viertheil des 15. Jahrhunderts zu fallen, als sie ihre Gebäude aufführten und die Druckerei einrichteten. Zu dieser Zeit stand an der Spitze der Gesellschaft der Rector Nicolaus von Deer, auch genannt von der Nienborch (1475-1490) 6 ).
Bald darauf erfreueten auch, mit dem erwachenden Studium der Classiker, die Früchte der Brüderschule von Deventer die Gebildeten Europas, und Kinder und Kindeskinder dieser
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glücklichen Mutter besuchten alle Werkstätten der Wissenschaften. Um diese Zeit, im Anfange des 16. Jahrhunderts, kamen Männer wie Conrad Celtes, Hermann von dem Busche 1 ), Ulrich von Hutten u. A. nach Rostock, wirkten hier einige Zeit 2 ) und traten unbezweifelt mit den Brüdern vom gemeinsamen Leben in Verbindung.
Ein sehr großes Verdienst erwarben sich die Brüder von Rostock dadurch, daß sie eine allgemeine deutsche Schule hielten 3 ), in welcher Lesen, Schreiben und Rechnen für jeden, der es lernen wollte, gelehrt ward. Schon im Jahre 1488 fungirten zwei Brüder des Vereins als Schulmeister (scholares) 4 ), und bei der hereinbrechenden Reformation behielten die Brüder diese Schule bei, indem sie nur verpflichtet wurden, die Papisterei aus derselben entfernt zu halten 5 ).
Am berühmtesten wurden jedoch die rostocker Brüder vom gemeinsamen Leben durch die Verbreitung nützlicher Schriften 6 ). Und hiefür wirkten nicht allein die gelehrtern Brüder, die Priester, sondern es lebten im Fraterhause unter den Laienbrüdern auch allerlei Künstler und Handwerker 7 ). In frühern Zeiten schrieben sie Bücher ab und zeichneten sich darin durch eine äußerst schöne und gewandte Handschrift aus, als die Schönschreiberei schon längst sehr gesunken war 8 ); noch spät nach Verbreitung der Buchdruckerkunst trieben sie das Geschäft des Bücherschreibens 9 ).
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So wie aber die Buchdruckerkunst festen Boden gewonnen hatte, legten die Brüder eine Buchdruckerei an, aus welcher der erste Druck schon im J. 1476 erschien 1 ). Damit der Buchdruckerei in den damaligen Zeiten auch immer ein Buchhandel verbunden war, so trieben sie diesen nicht allein mit den Büchern ihrer eigenen Officin, sondern nahmen auch Bücher, die sie auswärts drucken ließen, in Verlag 2 ). Auch eine Buchbinderei hatten die Brüder, in welcher die Bücher vollständig zum Gebrauche zugerichtet wurden mit gedruckter Preisbestimmung 3 ).
Diese typographische Wirksamkeit 4 ) der rostocker Brüder vom gemeinsamen Leben in das rechte Licht zu stellen und genauer zu untersuchen, ist vorzüglich die Veranlassung zu den vorstehenden und nachfolgenden Forschungen 5 ).
Es steht zur Frage, wann die Buchdruckerkunst in Rostock eingeführt ist. Das erste bekannte Buch, welches sicher aus der Druckerei der Michaelis=Brüder hervorgegangen ist, Lactantii opera, ward am 9. April 1476 vollendet; die Druckerei ward also wahrscheinlich im Jahre 1475 eingerichtet. Hiefür reden auch innere Gründe. In diesem Jahre erhielt das Bruderhaus eine Regel und, an die Stelle des altersschwachen, kränklichen Rectors Johannes von
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Iserlon, in dem Bruder Nicolaus von Deer einen Rector, der ganz dazu geschaffen war, dem Bruderhause eine kräftigere Richtung zu geben 1 ). Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß dieser Rector die Buchdruckerei einrichtete, um so mehr, da die Sagen von ältern Drucken aus der Officin der Brüder durch nichts begründet sind 2 ). Die Druckerei der Michaelis=Brüder ist eine der ältesten in Norddeutschland; es macht ihr nur Lübeck den Vorrang streitig: der älteste lübecker Druck ist das Rudimentum novitiorum, welches im Jahre 1475 aus der Officin des Lucas Brandis de Schaß hervorging 3 ).
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Eine andere Frage ist, woher die Buchdruckerei nach Rostock eingewandert sei. Ebert meint, die rostocker Druckerei stamme aus Brüssel oder mit der brüsseler aus derselben niederländischen Quelle, und sagt darüber Folgendes 1 :
"Die teutsche Erfindung verbreitete sich bis etwa zum J. 1475 nur im südlichen und westlichen Teutschland, und selbst der Drucker Brandis, welcher 1475 in Lübeck auftrat, hatte vorher zu Mersburg in Schwaben gearbeitet. Ob die Verbreitung der Buchdruckerkunst im nördlichen Teutschland der teutschen Erfindung unmittelbar angehöre, ist eine andere, mit vielen andern ganz fremdartigen Forschungen verschlungene Frage. In Rostock treten 1476 die fratres communis vitae mit einer Type auf, welche weder mainzisch, noch strasburgisch, noch überhaupt teutsch, sondern brüsselisch ist. Zwar erscheint dieser Orden in Brüssel erst seit 1476 typographisch thätig; aber man weiß, wie zufällig das Hinzufügen oder Weglassen des Datums in frühern Drucken war und wie wenig der Mangel desselben gegen eine frühere Thätigkeit zeugt. In Magdeburg (seit 1483 thätig), in Hamburg (seit 1491), in Lüneburg (seit 1493) läßt sich derselbe Einfluß nicht verkennen, wie überhaupt in der ganzen Bildung und Litteratur Niedersachsens ein bis auf den heutigen Tag noch unenträthselter, aber nachzuweisender Anklang holländischer Weise und Sitte nicht abzuleugnen ist. Vielleicht enthüllt auch sie einst das Dunkel, in welchem die frühere Buchdruckergeschichte Kölns schwebt".
"Denn der zweite Buchdrucker, der dort erscheint, war ein Niederländer, Arnold Ter Hoernen, dessen erster datirter Druck von 1470 ist. Seine Typen sind ziemlich dieselben, welche die fratres communis vitae zu Brüssel brauchten, und eben so wenig teutsch, als die der letztern, im Gegentheil mit dem Ductus in ursprünglich holländischen Handschriften in auffallender Art übereinkommend."
Es ist freilich wahr, die Brüder vom gemeinsamen Leben zu Brüssel hatten auch eine Druckerei; aber sie
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druckten nur von 1476 bis 1487, also auch nicht früher, als die rostocker Brüder. Und dazu sind die den Brüsselern (bei Panzer) beigelegten Drucke wegen durchgehends fehlender Unterschrift noch alle zweifelhaft und ihnen nur muthmaßlich (durch die in Parenthese beigesetzte Notiz: per fratres communis vitae) zugeschrieben, obgleich die Sache nach Lambinet sur origine de l'imprimerie und Santander dictionnaire ihre Richtigkeit haben mag. Aber Ebert sah die zur Vergleichung stehenden Bücher nicht selbst, sondern folgte 1 ) wahrscheinlich der Bemerkung von Lambinet II, p. 188, als dieser von den Brüdern des gemeinsamen Lebens im Ringkgau, Diöcese Mainz, bei Gelegenheit eines von diesen im J. 1474 gedruckten Psalters sagt:
"A Rostok, ville de Basse Saxe, dans le duché de Meklenbourg, ces mêmes clercs imprimoient en 1476 dans leur maison du Jardin vert de St. Michel les oeuvres de Lactance (voy. Catal. la Vallière Nr. 419). Ils ont aussi donné en 1481 une édition in fol. de B. Bernardi sermones super cantica canticorum. On présume, que ceux de Bruxelles ont imprimé avant 1476, comme on le verra plus bas; mais leur humilité, leur modestie leur faisoient une loi de taire leur nom dans les éditions, qu'ils donnoient".
Ein Beweis für die brüsseler Drucke überhaupt ist noch immer nicht geführt, viel weniger noch für die Gleichheit der rostocker Typen mit den brüsselern 2 ).
Dagegen läßt sich etwas anderes behaupten. Die rostocker Ausgabe des Lactanz ist mit kleinen gothischen Lettern gedruckt,
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wie sie in den ersten Zeiten der Buchdruckerei häufiger vorkommen. Diese Lettern des Lactanz sind nun denen der ersten lübecker Drucke 1 ) äußerst ähnlich; namentlich gilt dies von der lübecker Scala celi von 1476 und dem rostocker Lactantius von 1476, welche beide von mir mit einander verglichen sind. Auch die Lettern des unbekannten lübecker Druckers 1 )) mit dem Zeichen der drei Mohnköpfe sind den Lettern des Lactanz sehr ähnlich 2 ). Auch den alten köllner Drucken stehen die rostocker sehr nahe.
Die Wirksamkeit der Druckerei der Michaelis=Brüder war eine kirchliche, indem von ihren Drucken fast nichts anders bekannt geworden ist, als Kirchenschriftsteller und Bücher zum Kirchendienst.
Alle Lettern der Michaelis=Brüder sind sogenannte gothische Lettern, mit denen lateinischer, wie deutscher Satz ausgeführt ward. Ihre ersten Drucke sind mit kleinen gothischen Lettern 3 ) gedruckt, gleich andern wissenschaftlichen Werken aus den ersten Zeiten der Buchdruckerei. Bald aber schafften sie sich Missallettern an, große 4 ) und kleine 5 ), und nun begannen ihre größern Arbeiten zum Kirchendienst, indem sie Missale, Agenden und dergleichen Werke druckten. Und in dieser Art von Werken reicht die Wirksamkeit der rostocker Brüder weiter, als man bisher angenommen hat, indem sie sich auch über die Diöcesen Lübeck und Schleswig erstreckte, ja selbst über Dänemark sich verbreitete 6 ). Zu den Missalen und Plenarien konnten sie ihre drei Gattungen von Lettern gebrauchen. Seitdem sie diese besaßen, druckten sie auch wissenschaftliche Werke und andere Schriften mit den kleinern Missallettern. An andern Typen fehlte es ihnen ganz;
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Holzschnitt kommt nur in Druckerzeichen 1 ), einfachen Initialen und Notenstöcken vor: überhaupt ist ihr Druck ernst, klar und ohne Schmuck. Ja es fehlte ihnen an den eigenthümlichen Brevierlettern, und als das Dom=Capitel zu Schwerin im J. 1522 ein Brevier herauszugeben dachte, sahen sie sich genöthigt, es in Verlag zu nehmen. Sie schlossen daher am 17. Sept. 1522 mit dem Capitel einen Contract, nach welchem sie den Druck des Breviers mit den Lettern des kleinen pariser corpus juris canonici von 1508 übernahmen, wozu sie sich das Manuscript unter Redaction des Capitels auf eigne Kosten schreiben oder schreiben lassen mußten 2 ); dabei verpflichteten sie sich, das ungebundene Exemplar nicht theurer als für 2 1/2 lüb. Mark und das gebundene nicht theurer als für 3 lüb. Mark zu verkaufen. Am 12. Sept. 1527 confirmirte der Bischof Magnus diesen Contract 3 ) und gegen Ende des Jahres 1529 erschien das Brevier, "mit einer neuen Art von Lettern", d. h. Brevierlettern, gedruckt, zu Paris in der Officin der Wittwe des Thileman Kerver 4 ). Am 10. März 1530 empfahlen der Bischof und das Dom=Capitel von Schwerin den Geistlichen ihrer Diöcese den Ankauf dieses Breviers für den contractlichen Preis von 3 lüb. Mark für ein gebundenes Exemplar 5 ).
Die Lettern der Michaelis=Brüder reichten aber mit dem Fortschritte der Buchdruckerkunst und der Wissenschaft bald nicht mehr aus 6 ), wenn es sich auch nicht leugnen läßt, daß sie im Missalsatze und im Pergamentdrucke nichts Gewöhnliches leisteten, und es dauerte nicht lange, daß diese Officin von mehreren Anstalten überflügelt ward, welche mehr dem Bedürfnisse der Zeit entsprachen 7 ); seit dem J. 1514 hatte sie sogar
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zwei Nebenbuhlerinnen (die des Nic. Marschalk und des Hermann Barkhusen oder Ludwig Dietz) in Rostock. Auch wurden der Druckerei der Brüder aus religiösen und politischen Gründen Fesseln angelegt. Als Dr. Emser im Jahre 1529 einen Drucker für sein Neues Testament suchte, hatten sie sich zum Druck des Buches bereit erklärt; nachdem, auf Luthers Vorschreiben, ihnen der Druck des Testaments untersagt war, und sie dennoch Anstalt dazu machten, auch sonst mit ihrer Druckerei gegen die Reformation zu wirken strebten, ward ihr Rector Martin Hillemann mit Hausarrest und ihr Drucker Johann von Holt mit Gefängnißstrafe vom Rathe zu Rostock belegt, woraus sie sich nur durch Leistung der Urfehde am 28. Junius 1532 befreien konnten 1 ). Bei dieser Gelegenheit lernen wir auch den Drucker der Brüder im 16. Jahrhundert dem Namen nach kennen.
Endlich ging mit der Reformation im J. 1534 die katholische Wirksamkeit der Brüder unter und mit derselben auch wohl ihre typographische Thätigkeit. Mit dem 16. Jahrhundert kommen immer weniger Druckwerke von ihnen zum Vorschein; der letzte bekannte Druck von ihnen ist vom J. 1531. Die typographische Thätigkeit der rostocker Brüder vom gemeinsamen Leben umfaßt ungefähr einen Zeitraum von 60 Jahren, indem die ersten und letzten bekannten Drucke derselben von den Jahren 1476 und 1531 datirt sind. Dennoch scheinen sie bis zu ihrem völligen Untergange im Besitze ihrer Druckerei geblieben zu sein; denn als im Sommer 1542 der Buchdrucker L. Dietz nach Lübeck gereiset war und der Herzog Heinrich schnell einen Druck in Staatsgeschäften verlangte, befahl er seinem Secretair Simon Leupold, dafür zu sorgen, daß die Michaelis=Brüder ihre Druckerei wieder in Stand setzten, wenn es, bei Dietzens Abwesenheit, nöthig sein sollte, mit den Worten:
"alsdan bei den "Nolbrüdern" 2 ) zu Rostock fürdern und fleissigk anhalten, das sie vnvertzüglich die Instrumenta, so zum drucken notturfftigk sein, zuwege bringen".
Das Wasserzeichen des Papiers der Michaelis=Brüder ist in den frühern Zeiten ein Ochsenkopf; in den spätern Zeiten kommt neben diesem Zeichen auch ein Zeichen wie ein p und eine Hand vor. Jedoch läßt sich aus diesen weit ver=
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breiteten und lange üblichen Zeichen eher nichts schließen, als bis glückliche archivalische Forschungen einen sichern Grund gelegt haben.
Von Druckerzeichen sind zwei bekannt geworden, deren jedes aber nur einmal nach bisherigen Beobachtungen angewandt ist. Das älteste, eine Weltkugel mit einem auf derselben errichteten Kreuze 1 ), steht am Ende von Bernhardi Clarevallensis sermones von 1481. Das jüngere, unter der Agende des Bisthums Schwerin von 1521, ist ein großer, sauber ausgeführter Holzschnitt, den St. Michael auf einer Weltkugel darstellend, wie er mit Kreuzstab und Schwert den Drachen überwindet 2 ).
4.
Drucke der Michaelis=Brüder.
1476.
Ohne ein besonderes Titelblatt beginnt das Buch mit 11 Bl. Registern und den Worten:
Lactancii Firmiani de diuinis institutionibus aduersus gentes rubrice primi libri incipiunt.
Am Ende steht mit rothem Druck:
Firmiani Lactancii viri pcellentis ingenii qui vel solus inter xpiane professionis scriptores supereminet nitore quodaz et copia: vel nullum eor. sequitur facundia simul et lenitate sermonu. Diuinar. institutionu aduersus gentes. De ira quoque dei ad Donatum. Necnon et de opificio dei vel formatione hominis ad Demetrianu finiunt libri Per fratres presbiteros et cl'icos cogregationis domus viridisorti ad scm Michaelem in opido Rostockcen partium inferioris Sclauie. prout facultas et industria tulit emendate satis et accurate consummati. Anno incarnationis dominice. Millesimo quadringentesimo septuagesimo sexto. Quinto Idus Aprilis. Deo Gratias.
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Druckerzeichen fehlt. - In Fol., ohne Seitenzahlen, Custoden und Signaturen, im Ganzen 203 Bl. von schönem, festem Papier mit einem Stierkopfe als Wasserzeichen. Die Anfangsbuchstaben der Abschnitte sind abwechselnd roth und blau eingemalt; die großen Anfangsbuchstaben der einzelnen Sätze sind senkrecht roth durchstrichen. Die Typen sind kleine gothische Lettern (Tab. I, Nr. 5), den Typen ähnlich, mit welchen die Werke aus der ältesten Zeit der Buchdruckerei gedruckt sind, und sind den Typen des unbekannten lübecker Druckers mit dem Zeichen der Mohnköpfe (seit 1488) am ähnlichsten; Interpunctionszeichen nur Punct, Komma und Fragezeichen.
Diese Ausgabe ist nach der römischen Ausgabe von 1468 gedruckt; vgl. Fabricii Bibl. lat. III, p. 397; Masch Beitr. zur Gesch. merkw. Bücher S. 69.
Exemplare in der Bibliothek des Vereins für meklenburg. Geschichte, auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock, auf der Königl. Bibliothek zu Kopenhagen, auf der Stadt=Bibliothek zu Hamburg In dem Exemplare des Vereins fehlt das erste Blatt des Textes de divinis institutionibus, welches aber durch ein beschriebenes Pergamentblatt ersetzt ist.
Vgl. Etwas 1740, S. 535; Panzer Ann.; Dibdin Bibl. Spencer. IV, p. 522; Catalogue of the library of Dr. Kloss, of Frankfort a. M. professor, including many and unpublished manuscripts and printed books with ms. annotations by Philip Melanchthon. London. 1835; Hain Rep. Nr. 9812.
Am Ende:
Humilibus placent humilia. Huius gratia rei Doctor hic precellens suppresso proprii nominis vocabulo Sermones hos prehabitos Discipuli prenotatosque alias maluit nuncupari. Quique tamen vt luce clarius patet de sub manibus euasit Doctor magistri. Huic applaudere hunc efferre laudibus hunc predicatum iri miretur nemo cum certissime constet inter modernos sermonistas eum in vulgi scientia tenere principatum. Huius igitur zeli cupientes fore consortes nos fratres presbiteri et clerici viridis horti in Rostock ad sanctum Michaelem non verbo
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sed scripto predicantes virum hunc preclarum apud paucos in conclauis latitantem foras eduximus arte impressoria artium omnium ecclesie sancte commodo magistra in noticiam plurimorum ad laudem cunctipotentis Dei. Anno incarnationis dominice MCCCCLXXVI. tertio kalendas Nouembris.
Ein Exemplar dieses Buches ist nicht aufzufinden gewesen. Die vorstehenden Angaben sind entlehnt aus Lackmanni annalium typographicorum selecta quaedam capita. Hamburgi, 1740, S. 114. Vgl. Etwas 1740, S. 536; Panzer Ann.
"Rostock per fratres presbiteros et clericos congregationis domus viridis horti. 1476."
Nach Hain Rep. Nr. 1986. Leider ist weder Litteratur, noch Fundort angegeben. Auch Westphalen Mon. I, Praef., p. 24, erwähnt einer rostocker Ausgabe von Augustins Homilien, jedoch fälschlich vom J. 1472; vgl. oben S. 38.
"Ohne Ort und Jahr, in Fol., mit goth. Lettern. Mit der Type des rostocker Lactantius von 1476 gedruckt." Nach Ebert II, S. 1034; vgl. Panzer Ann. II, 558, Etwas 1740, S. 534.
Ein Exemplar befindet sich auch auf der Rathsbibliothek zu Lübeck. Nach sorgfältiger Vergleichung dieses Buchs mit dem Lactantius der Michaelis=Brüder vom J. 1476 durch den Herrn Dr. Deecke zu Lübeck ist der Druck ohne Zweifel von den Michaelis=Brüdern besorgt. Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Deecke beginnt das Buch:
fol. 1. a. (E)latissimis ac religiosissimis in cristo viris et illustrissimis.
fol. 100. a. Z. 7. ist das Wort habuit mit rothem Druck nachgetragen.
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Das Buch selbst schließt:
fol. 147. b. Z. 22, 23: Vincencii beluacen. ordinis predicator. religiosissimi professoris de liberali ingenuorum institucone pariter ut educacone liber finit foeliciter.
Es folgen 10 1/2 Zeilen, den Vincentius betreffend.
Darauf folgt noch:
fol. 148. a. Incipit Rubrica primi libri de morali principis institucone.
fol. 149. a. Z. 23. Finit Rubrica pntis operis.
Jede Seite hat 41 Zeilen, ohne Cust., Seitenzahl und Sign. Bisweilen nachcorrigirt. Das Wasserzeichen: der Ochsenkopf mit Stange und Stern.
(147?-148?)
5) Plenarium diocesis Zuerinensis.
Pergament=Druck.
Im Großherzoglichen Geheimen= und Haupt=Archive zu Schwerin wird ein vollständiges, großes, auf Pergament gedrucktes Plenarium aufbewahrt.
Es ist nach den Lettern unbezweifelt in der Druckerei der Brüder vom gemeinsamen Leben zu St. Michael in Rostock gedruckt; es fehlt jedoch dem Buche Titel, Bezeichnung des Druckortes und Druckjahres. Es ist in gespaltenen Columnen mit Missaltypen gesetzt, ohne Seitenzahlen, Columnentitel und Custoden; Signatur der Blätter steht auf dem Rande. Der Druck umfaßt 215 (CCxv) Blätter in groß Folio. Der Druck ist schön und scharf, mit großen oder kleinern Missaltypen (Tab. I, Nr. 1, 2 u. 3) gesetzt, in schwarz oder roth gedruckt, nach Bedürfniß; an einzelnen, wenigen Stellen ist der rothe Druck auf die Ränder des schwarzen gesetzt. Alle Anfangsbuchstaben sind mit reinen Farben abwechselnd roth und blau eingemalt; der erste Buchstabe ist sehr groß in blau gemalt; alle gedruckten großen Buchstaben sind roth durchstrichen.
Angebunden ist ein nicht foliirter Bogen Pergamentdruck, welcher die Liturgie zu dem Feste medelidinge Mariä enthält, mit der Ueberschrift:
und mit zwischengeschriebenen Noten. Dieser Bogen ist nicht in gespaltenen Columnen gesetzt und hat keine Signatur; der Druck desselben ist etwas unreinlicher, als der des Hauptwerkes.
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Dieser Nachtrag des officii de compassione et dolore Mariae deutet darauf hin, daß das Missale schon gedruckt war, als das Fest in Meklenburg eingeführt ward. In Lübeck ward es im J. 1479 eingeführt und im J. 1494, 1498 und 1504 wurden dort Bücher von der medelidinge Marien gedruckt. Da für Lübeck im J. 1477 auch das große Liber horarum canonicarum in Rostock bei den Michaelis=Brüdern gedruckt ward, so ist es wahrscheinlich, daß das Schweriner Plenarium noch im 15. Jahrhundert, vielleicht noch vor 1479 gedruckt ist.
In der Mitte des Buches zwischen fol. CV und CVI ist ein geschriebenes Antiphonarium eingeheftet. Dabei ist noch ein nicht signirter Bogen Pergamentdruck in gespaltenen Columnen, dessen erste Seite beschrieben, dessen übrige Seiten bedruckt sind. Dieser Bogen enthält:
De quinque vulneribz
und
De psentacone beate marie virginis
und die gewöhnlichen, täglichen Antiphonien. Auf diesem Bogen finden sich zwei große, verzierte Initial=Typen.
Die Lettern zeugen für den Druck im Michaeliskloster. Einige Stellen im Druck selbst beweisen, daß das Buch für die Schweriner Diocese bestimmt war. Es steht nämlich:
fol. Cv. a.
Et nota, quod dnica in dcta pethecostes solepniter peragitur festu sce trinitatis in ecclesia zuerinensi pro duplici festo.
fol. Cxliii. a.
Sic seruatur in sancto die corporis xpi. et dnica infra octaua. sed in aliis diebus octaue ipsius scd'm ordinariu zuerinensem d'r alleluia seques.
fol. CCrx. a.
Nota quod feria secd'a post remigij in eccl'ia zuerinen comemoracoes aiarum peragutur modo cosueto prout in die aiaru post festu oim sanctorum e expressuz exceptis horis de animabus que hic non seruatur.
Dieses Plenarium und ein geschriebenes Antiphonarium auf Pergament in größtem Folio=Format wurden vom Archive auf der Auction des Professors Burgmann zu Rostock im J. 1780 zusammen für 6 Thaler gekauft.
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1478.
Nach der wendischen Chronik 1 ) ließ der lübecker Bischof Albert Krummendyk ein großes liber horarum canonicarum für seinen Sprengel drucken, welches v. Seelen sel. litter. p. 596 und nach ihm Gerner und Suhl für einen lübecker Druck ausgaben. v. Seelen in seiner Nachricht von der Buchdruckeri , 1740, S. 10, sagt: "Mit wenigerem Bedencken rechne zu diesem Jahre (1477) Libros Horarum Canonicarum, welche Albertus Crummedikius, Bischoff zu Lübeck, drucken lassen. Denn ob gleich der Ort, wo sie gedruckt, nicht gemeldet worden, so ist doch kein Zweifel, daß es Lübeck sei, weil, allem Ansehen nach, eben die Buchstaben dazu genommen worden, welche Lucas Brandis de Schass zum Rudimento Novitiorum gebraucht."
Nach einer genauen Vergleichung dieses Werkes durch den Herrn Dr. Deecke zu Lübeck ist das lübecker Liber horarum canonicarum ohne Zweifel von den Michaelis=Brüdern zu Rostock gedruckt, was um so wahrscheinlicher ist, als dem Werke eine "plena additio ordinis Zwerinensis" angehängt ist.
Das Buch ist nach dem Studium und der Beschreibung des einen Exemplars auf der Stadt=Bibliothek zu Lübeck durch den Herrn Dr. Deecke:
In gr. Fol., 493 Bl., in zwei Columnen mit 49 Zeilen, ohne Seitenzahlen und Signaturen. Das Wasserzeichen im Papier ist bald eine Krone, bald ein Ochsenkopf, aus dessen Hörnern in der Mitte eine Stange hervorgeht, die oben in einen Stern oder einen Hammer endigt, bald eine Weintraube. Die Typen sind die der Ausgabe des Bernhard Clarev. (Nr. 8), wie sie auch in den Explicationen des schweriner Plenarium (Nr. 5) angewandt sind (Tab. I, Nr. 3).
Das Buch beginnt:
Incipit prefatio et exhortatio in libruz horararum canonicarum.
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Bl. 137 a, Col. 2 ist ein Abschnitt: Z. 19 flgd.
steht:
Nobilis ut multa n ars ipressoria
laude
Digna: nec efferre sat quis na potis
e.
Inuentu tamen esse suu germania iactat,
Quod docta italia no reperisse pudet.
Darunter ein schwarzes, rundes Siegel mit den
weißen Buchstaben:
J. K. S. (= Jussu
Krummendickii sculptum?).
Bl. 138 a, Z. 1:
Dominica pri.
mit großen Missallettern.
Bl. 211 a wieder ein Abschnitt; Bl. 212a:
Incipit psalterium gallicanum emendatum.
Bl. 282 b, Z. 21:
Nota ano domini M. CCCC.
LXXV. sic fuit seru atum.
Bl. 284 b, Col. 2: Abschnitt; Bl. 285: frei. Bl.
286a:
Sequitur canticum Hilarii episcopi Pictauien.
Bl. 313 a, Col. 1, Z. 5 v. u.:
(A)nno dui
M. CCCC. LXXVIII. est ann9 comunis secundus post
bisex.
u. s. w. die Kalenderangaben bis 1499.
Bl. 337 a, Col. 1 in der Hälfte: Abschnitt. Bl.
338a:
In vigilia sacti Andree ad matutinas.
Bl. 477 b, Col. 1, Z. 29 flgd.:
Explicit
veri ordinis Lubicensis liber, horarum
canonicarum
.
Bl. 478 a:
Sequitur plena additio ordinis
Swerinensis (im Original stilisierte Blume)
Bl. 493 b, Col. 2:
Finis est.
Ein Exemplar auf der Rathsbibliothek zu Lübeck 1 ).
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Eine neue Auflage dieses Buches ward in Nürnberg, 1513, in 8., veranstaltet. Eine rostocker Auflage von 1514, welche v. Westphalen, Mon. ined. IV, p. 1128, gekannt haben will, ist nicht aufzufinden.
147?-148?
7) Ein unbekanntes Missale
in
Pergamentdruck
muß noch aus der Officin der Michaelis=Brüder hervorgegangen sein, da sich von einem andern ganz ähnlichen Werke, wie das Plenarium (Nr. 5) der Schweriner Diöcese, im Großherzogl. Archive zu Schwerin ein ausgerissener Bogen findet, der mit dem Schweriner Missale in den Typen, aber nicht in Signatur, Vertheilung des Satzes auf die Seiten und Inhalt übereinstimmt. - Auch auf der Bibliothek der Marienkirche zu Rostock findet sich ein ähnliches Blatt aus einem, bei den Michaelis=Brüdern gedruckten Exemplare in einen Folianten eingeklebt.
1481.
8) Bernhardi Clarevallensis sermones super cantica canticorum.
Ohne besonderes Titelblatt; die erste Seite beginnt mit folgenden Zeilen in rothem Druck:
Incipiunt sermones egregij atqz melliflui doctoris beati bernhardi Clareuallensis abbatis Super cantica canticoru.
Am Ende (Bl. 204a.) steht mit rothem Druck:
Ad laudem et gloriam omnipotentis dei. gloriose virginis marie. et omnium sanctor. Finiunt feliciter elegantissimi atz pulcherrimi sermones beati. Bernardi clareuallesis abbatis doctoris melliflui super Cantica canticorum suma cu diligencia correcti atqz impressi in Rozstock per fratres Cois vite. ad sanctu Michaelem. Anno a natiuitate domini. Millesimo quadringentesimo octuagesimo pmo qnto kaledas Augusti.
Darunter das Druckerzeichen der Michaelis=Brüder in rothem Druck: eine Weltkugel mit einem Kreuze auf demselben, abgebildet Tab. I, Nr. 7. - Fol., ohne Seitenzahlen, Custo=
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den und Signaturen, 205 Bl. von schönem, festem Papier mit einem Ochsenkopfe als Wasserzeichen, jede Seite mit 37 Z. Die Blätter sind mit dem Drucke gleichzeitig in roth paginirt. Die Anfangsbuchstaben der Abschnitte sind abwechselnd roth und blau, jedoch nicht immer in regelmäßiger Abwechselung, eingemalt; der erste Buchstabe des Textes ist sehr groß und bunt mit mehreren Farben gemalt. Die großen Anfangsbuchstaben der einzelnen Sätze sind senkrecht roth durchstrichen. Die Lettern sind die kleinern Missallettern der Michaelis=Brüder (Tab. I, Nr. 3) mit häufigen Abbreviaturen; Interpunctionszeichen nur Punct, Komma und Fragezeichen.
Hinter dem Buche steht:
fol. 205a, Col. 1. Repertoriu notabiliu sentenciaru in omilias melliflui doctoris bernhardi super cantica canticoru.
fol. 208b, Col. 2, Z. 38. Quisquis videris hoc repertorium si ad vnguem in bis Z. 43.
Vgl. Etwas 1739, S. 297 und 1740, S. 137; Hain Rep. Nr. 2856.
Ein Exemplar in der Bibliothek des Vereins für meklenb. Geschichte. In diesem steht am Ende mit rother Dinte geschrieben:
Anno 1489 emi pro 3bus fertonibus sed sine registro.
Ein Register von O-Z ist von derselben Hand im J. 1489 auf die letzten leeren Seiten eingeschrieben.
Ein Exemplar auf der Raths=Bibliothek zu Lübeck, ein Exemplar auf der königl. Bibliothek zu Kopenhagen und zwei Exemplare auf der Marien=Bibliothek zu Rostock, deren einem das Repertorium fehlt. Dem andern Exemplare ist angebunden:
Liber sermonum sancti leonis primi pape doctoris floridissimi ac eloquentissimi incipit feliciter.
mit ähnlichen, jedoch andern Lettern.
?
9) Incipit tractat 9 de verbo rei collectus ex doctore sancto.
Der Text beginnt:
Quoniam in habetibus simbolu facilior est trasitus secundum philosophum secundo de generacione
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Am Schlusse:
Registrum eorum que in hoc tractatu habentur.
Das Ende:
Quartadecima propositio
15 Bl. in Fol., in gespaltenen Columnen, ohne Sz., Cust. u. Sign., ohne Druckort und Druckjahr.
Die Lettern sind den Typen der Michaelis=Brüder (Tab. I, Nr. 3) gleich, oder doch sehr ähnlich, scheinen aber in sehr geringen Zeichen von denselben abzuweichen.
Ein Exemplar ist einer undatirten Ausgabe des Ovid auf der Marien=Bibliothek zu Rostock (Nr. 102) vorgebunden.
(1500).
10) Ein Ablaßbrief oder Confraternitäts=Brief, welcher also lautet:
Nos huilis pater et rector. ceteriqz fres dom 9 sancti mychaelis in Rostock. Dilect nobis in xpo. Salute et vtutu incrementa. Cu iure diuino lex mutue caritatis generalit' oibz nos obligat et efficiat debitores. Illis tame quor. circa nos sce caritatis affectu maiore certis indiciis experimur. nos merito reddit peramplius obligatos. Hinc est qd' exigentibz pie deuocois vre bnfecijs. q nob' et domui nre exhibuistis. Uobis plena 9cedim 9 dom 9 nre oim spualiu bonor. participacoem. in vita pariter et in morte. videlicz missar. vigiliar. oronu. ieiunior. elemosinar. abstinenciar. labor. et disciplinar. ac obediecie et ceteror. bonor. operu spualiu. q per fres nros operari dignabit clemencia saluatoris. Addentes insuper de gra speciali. sicut caritas vra meruit. qd' cu obitus vester. que deus felicem faciat et beatu. nob' per pntes denuciatus fuerit. ea pro vob' fiet suffragia que pro nris cofratribz defuctis fieri sut 9sueta. Datu sub sigillo nro. Anno dni millesimo qngentesimo
Ipsa die
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ein Pergamentblatt in Queer 8, mit den Lettern Tab. I, Nr. 3. Dieser Brief ist ein Schema zum Ausfüllen auf eine bestimmte Person und zu einer bestimmten Zeit nach dem Jahre 1500. Wahrscheinlich sind diese Formulare im Anfange des 16. Jahrhunderts gebraucht, indem im J. 1502 das neue Fraterkloster gebauet ward. Ein Exemplar dieses Formulars verdankt der Verein für meklenb. Geschichte dem Hrn. Dr. Deecke zu Lübeck, welcher mehrere auf einen Bogen zusammengedruckte Exemplare in einem alten Bücherdeckel entdeckte.
1511. ?
11) Dreifache Schnur oder Erklärung der drei Hauptstücke des Katechismus, von N. Ruß.Diese Schrift, welche ein Vorläufer der Reformation zu Wismar, außer einer Harmonie der Evangelien, herausgab, ward wie diese, sorgfältig aufgesucht und verbrannt; wenig Exemplare, die zu seiner Zeit gerettet und vergraben wurden, fand man vermodert wieder. Vgl. Krey Andenken III, S. 4.
1521.
12) Agenda secundum ritum ecclie Swerinen. correcta.Dieser Titel ist im Facsimile mitgetheilt Tab. I, Nr. 1. Das Proemium operis sagt über diesen Druck S. 2:
Itaqz eade noua castigata agenda per Venerabile Patrem d. Martinu. ac religiosos Fratres apud sanctu Michaele in Rostok in tot exeplaribus quot sufficere valeant pro hac tota diocesi (ad dei laudem, ecclesiaru profectu et communem vtilitatem) imprimi fecimus, preciuque cuiuslibet ligate ac cum registris et aliis correquisitis bene absolute agende huiusmodi ad Vndecim Solidos Lubicenses dumtaxat (ne quisquam grauari possit) taxauimus. Cum in eadem agenda sint etiam plurima folia de charta pargameni presertim quo ad materias que frequenter per anni circulu curatis iteranda occurrut.
Das Proömium ist unterzeichnet:
Datu et actum apud Ecclesiam Suerinen. in loco nostro Capitulari, Sub anno a natiuitate dni MDXXI. die XXIII Mensis Marcii.
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Am Ende steht:
Rostochii apud Divum Michaelem ex fratru chalcotypa officina hec agenda impressa fauste finem accepit. Anno a Christo nato MDXXI. vicesima octaua Augusti.
Der Titel steht in einem Holzschnitt: dem Bogen eines Portals. Dann folgt das Prooemium operis mit Folio=Bezeichnung und Signatur I u. II. Am Ende des zweiten Blattes steht:
Registru huius libelli siue agede secundu ritu ecclie et diocesis Swerin.
Das dritte Blatt beginnt:
Index in agendam,
welches fol. III. einnimmt. Auf fol. IIII und VII stehen die Statuta der schweriner Diocese.
Dann folgt die Agende selbst mit neuer Folienbezeichnung von Fo. I bis fol. CXI mit Sign. a bis o. Die letzten 10 Blätter nehmen "Casus papales, episcopales" in kleiner Schrift ein. Die Agende selbst ist abwechselnd roth und schwarz gedruckt, so daß die Anordnungen für die Handlungen des Priesters, auch die Kreuze, (agenda) mit den mittlern Lettern, mit denen der Bernhard gedruckt ist, (Tab. I, Nr. 3) in roth, und die von Priestern und Laien auszusprechenden Worte (credenda) mit den großen Missallettern (Tab. I, Nr. 2 und 4) schwarz gedruckt sind. Hin und wieder findet sich ein Blatt Pergamentdruck. Die Anfangsbuchstaben größerer Abschnitte sind Holzschnitte. Die Noten sind ebenfalls in Holz geschnitten und in schwarz auf rothe Linien gedruckt.
Auf der letzten Seite steht in kleinen Lettern die oben mitgetheilte Nachricht über Druckort und Druckjahr in vier Zeilen in kleinen Lettern (Tab. I, Nr. 5). Darunter steht das größere Druckerzeichen der Michaelis=Brüder in Holzschnitt: in einer Landschaft auf einer Weltkugel der H. Michael auf einem Drachen stehend, mit der Rechten ein Schwert auf den Drachen schwingend, mit der Linken eine, mit einem Kreuze am Griffende geschmückte Lanze in das Maul des Drachen drängend; außerdem hält er in der linken Hand eine Wage, in dessen linker Schale ein Kind steht, welches die rechte Schale, in welches etwas Unkenntliches liegt, in die Höhe schnellt (Tab. I, Nr. 5).
In 4, mit dem Wasserzeichen p, am Ende auch mit dem Wasserzeichen einer Hand.
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Ein Exemplar auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock. Vgl. auch Mark Schwerin. Evang. Kirchengeschichte S. 3, Kohlreiff Bericht von der Calvinisten Lehre, Vorbericht, §. 3., Etwas, 1740, S. 537, Mantzel Bützowsche Ruhestunden XXIV, S. 35 und 43, Krey Beiträge II, S. 248, Rudloff Mekl. Gesch. III, 1, S. 39, Westphalen Mon. ined. IV, S. 1126, Panzer Ann.
Angehängt ist:
Darunter des Papstes Wappen in Holzschnitt; 1 Bogen von 4 Bl., mit Sign. p, ohne Sz., in den kleinen Lettern (Tab. I, Nr. 4 und 5). - Ein Exemplar dieser Bulle auf einem Pergamentblatte für die Geistlichen der schweriner Diocese ist dem Opusculum in officium Missae von 1506 (gedruckt bei Herm. Barkhusen) auf der Stadt=Bibliothek zu Hamburg beigebunden.
13) Aufgebotsausschreiben des Herzogs Heinrich an die meklenburgische Ritterschaft, d. d. Dobbertin am Mittwoch nach Mauricius (25. Sept.) 1521
ist bei den Michaelis=Brüdern zu Rostock mit den kleinern Missallettern (Tab. I, Nr. 3) gedruckt, mit welchen die Ausgabe des Bernhard Clarev. von 1481 gedruckt ist. Der Herzog Albrecht ließ im J. 1521 ein Warnungsschreiben gegen dieses "einseitige" Aufgebot und auch ein Aufgebotsschreiben für sich bei Ludwig Dietz drucken.
Ueber dieses Aufgebotsschreiben des Herzogs Heinrich, welches das einzige öffentliche fürstliche Ausschreiben ist, welches aus der Druckerei der Michaelis=Brüder stammt, sagt eine fürstliche Kammer=Rechnung:
1521.
"IIII guldenn, geuenn vor denn druck, de nhu lest wurth gedrukket, dat de gantze lantschopp scholde up synn. Actum Güstrow donredages nha dionysii (17. October) vonn bouell m. g. h. Hinrik".
Exemplare befinden sich im Großherzoglichen Archive zu Schwerin.
1522.
14) (Godschalci ab Ahlefeld) Rosarium sive Liber agendarum secundum ritum ac consvetudinem
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ecclesie et dioeceseos Slesvicensis divinorum rectoribus utilis et necessarius eius cura ac jussu.
In 4. Nach Melch. Ludw. Wiedekinds Past. Berol. Verzeichniß rarer Bücher, Berlin 1753, in Mantzel Bütz. Ruhest. XXIV, S. 48. Vgl. Panzer Ann. und Dreyer notit. librorum manuscr. , wo zwei Ausgaben angegeben sind: Paris. a. 1512, it. Rostochii a. 1522. Die Ausgabe Paris. 1512 ist auf der königl. Bibliothek zu Kopenhagen. Nach Moller Cimbr. litt. I, p. 12, besitzt die Kieler Universitäts=Bibliothek ein Exemplar der rostocker Ausgabe von 1522.
Es steht übrigens noch zur Frage, ob die pariser Ausgabe von 1512 mit der rostocker von 1522 dasselbe Buch ist. Im J. 1512 ward für die Diocese Schleswig 1 ) ein Brevier zu Paris gedruckt; die rostocker Ausgabe von 1522 ist dagegen eine Agende. Das zu Paris gedruckte Brevier, zu welchem man ein ähnliches für die schweriner Diocese vom J. 1529 vergleichen kann, ist folgendermaßen beschaffen:
Liber Breuiari 9 scdz ordinarium ritu ac consuetudine ecclesie et diocesis Sleßwicen.
mit rothen Missaltypen, eingefaßt durch einen Holzschnitt. Unter dem Titel steht das Druckerzeichen: ein queer getheilter Schild, in dessen oberer Hälfte die Buchstaben T. K. stehen; in der untern Hälfte steht ein Zeichen wie ein Steinmetzzeichen. Der Druck und die Einrichtung des Buches sind fast ganz wie in dem zu Paris gedruckten schweriner Brevier von 1529.
Am Ende steht:
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per venerabiles viros et magistros wilhelmu mercatore et Thoma kees ciuem in vrbe Parisien. Impressum e regione collegii Italorum. Cathedre epali Sleßwicen. presidete Reueredo in xpo patre ac dno dno Godschalco de aleuelde
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presule dignissimo. Sub anno dni millesimo quingetesimo duodecimo. Die vero decima sexta mensis Julii.
Vgl. unten das schweriner Brevier zum Jahre 1529. Exemplare auf den Bibliotheken zu Rostock 1 ) und Kopenhagen.
1526.
15) Enchiridion locorum communium adversus Lutheranos, Joanne Eckio autore, in quo determinatur de diversis in altera facie huius pagelle signatis. Novissime recognitum. Anno MXXVI. Rozstock.
Am Ende steht:
Impressum Rozstock per fratres domus S. Michaelis. Anno domini MDXXVI.
In 8. - Nach Panzer Ann. - Dieses Buch, "welches ock alhyr in disser Stadt dorch de Frater=Mönneke in S. Michaelis=Kloster gedrucket und yderman tho handen gekamen ys", führt an: Nic. Gryse Historia von der Lere, Leuende vnd Dode Joachim Slüters z. J. 1526.
1527.
16) Antwort auf des Ketzers Hans Michelsen von Malmö Brief,
unter folgendem Titel in Holzschnittrahmen, Fol. 1 a:
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Till thet ketterlige wcristelige wbesindige Breff som then wbeskemede kettere Hans Mickelß aff Malmö, lod wdgaa met thz ny Testamente, ther konningh Cristiern lod ynckellige och wtilbörlige forwandle paa sith tijranniscke wildt, oc icke Gudt till loff, ent kort och tilbödigt swar.
Am Ende steht:
T(ryckt) wdi Rozstock hooß the brödre i sancti Mich(ells) Closter Anno dni. M.D.XXVII. Och XXV (Ap)rilis Maanid.
In 4, 53 Blätter mit 32 Zeilen, mit Sign. A. II. - N. o., in gothischer Schrift.
Ein von Wasser beschädigtes Exemplar auf der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen; die ergänzten Buchstaben in der Unterschrift sind ausgerissen. Nach Mittheilung des Herrn Bibliothekars Bölling zu Kopenhagen.
1528.
17) Dauids Psaltare paa Danske wdset aff B. Franc. Wormodo Carmelita. Rost., brödere ij S. Michaelis closter 1528,
kl. 4.; vgl. Ebert II, S. 351; Panzer Ann. - Nach einer Disputation: De typographiae natalibus in Danis schedula historica, quam publico confluctui sistit Laurentius Terpager, Petr. F., respondente peramico viro iuuene Johanne Frisio, Joh. F., Philos. Baccal. de 13 Jul. 1707. Kopenhagen, ist diese dänische Ausgabe der Psalmen als:
Psalterium Dauidis Danicum editum Rostochii in coenobio S. Michaelis A. 1528, interprete Franc. Wormodo, Carmelita, viro egregio docto ac longe facundissimo
in Etwas, 1740, S. 631, aufgeführt.
1529.
18) Breuiarium diocesis Tzwerinensis in plerisqz locis vsqz modo vulgariter obseruatis, vigilatius per doctos viros nunc emendatu. Ubi si quid inuentum fuerit, quod Ordinario memorate Diocesis per oia no quadrauerit. Illud de Breuiario exactius correcto: emen=
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det. Nec offendat piu ac deuotu pcatorem: varietas ista: que scienter. ac certis locis psalmorum et aliorum: cotra vulgatam lectionem facta est: sed eande pie et fideliter secum reuoluat: anteqz mordaciter corrigat et codenet.
Unter diesem Titel zwei kleine Holzschnitte: links der Evangelist Johannes neben einem Adler unter einem Baume, rechts ein Marienbild. Zwischen beiden Holzschnitten steht die Jahrszahl: M. D. XXIX.
Unter den Holzschnitten:
Uenundatur Rozstochii, per Fratres dom9 Uiridis horti apud sanctum Michaelem.
Auf der Rückseite des Titelblattes eine Einleitung. Dann auf 18 nicht foliirten Blättern ein Calendarium und andere allgemeine Einleitungen; die letzte Seite dieser Blätter füllt ein hübscher Holzschnitt, die Verkündigung Mariä darstellend. Dann folgt das Breviarium auf fol. i bis und fol. 1 bis 187.
In 8 mit Sign. a bis t und bis und 4 Bl.; ohne Custoden.
Auf dem letzten Blatte steht:
Habetis magnifici dni, non pauca notatu dignissima: huic vestro Breuiario nuperrime adiecta. Primum est, ad quid pro pia deuotione Psalmi dicantur: peculiaris ad singulos annotatio. Scd'm, Biblie multiplex citatio: sedem et locum singulorum ex ipsa desumptorum liquido edisseres. Tertiu, marginalis Foliorum numerus: quo Psalmi, Antiphone, Resposoria, et id genus alia facile inueniuntur.
Excusum prodit hoc Breuiarium Parisijs (hoc nouo literarum genere, et eo quidem venustissimo) ex officina graphiaria vidue spectabilis viri Thielmani Keruer. Anno dni millesimo quingentesimo vndetrigesimo. Decimoseptimo calendas Decebres.
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Omnes sunt quaterniones: preter t . et. . qui sunt duerniones 1 ).
Auf der Rückseite des letzten Blattes ein Holzschnitt: ein Baum, an welchem ein Wappenschild hängt, von zwei Einhörnern gehalten; der Wappenschild ist quer getheilt: in der obern Hälfte stehen die Buchstaben T. K., in der untern Hälfte Zeichen, wie Steinmetzzeichen. Zu Füßen des Baumes ein Band mit dem Namen:
Unter dem Holzschnitte steht in Roth:
Der Satz mit kleinen Lettern und häufigem rothen Druck ist schön, scharf und in gespaltenen Columnen regelmäßig gesetzt. Die ersten Buchstaben der Hauptabschnitte sind verzierte Holzschnitte.
Vgl. das schleswiger Brevier oben zum J. 1522.
Ein Exemplar in der Bibliothek des Vereins für mekl. Geschichte, auf der Bibliothek der meklenb. Ritter= und Landschaft und auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock.
1530.
19) The tolff Article aff wor christelige Tro. Tryct i Rozstock hoß the brödre i sancti Michaelis closter anno 1528, oc findis tilköbs i Rozstock til Hans Meiers Bogebinders, oc y Kiöbnehaffn til Hermen Kösters i Klaeborne y then hwide Swan.
In 8. - Nach Panzer Annal.
1531.
20) Dr. Oldendorp tractatus de praescriptionibus.
Der Titel lautet:
Omnium fere temporalium prescriptionum ex equo et bono breuis enarratio in republica ad vsum ciuilem cum primis necessaria. Per Joan=
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nem Oldendorp, Juris Professorem, Syndicum Rostocensem. Rostochii apud S. Michaelem Anno 1531.
in 12; 19 Bogen.
Das Buch ist den Herzogen Magnus und Philipp von Meklenburg dedizirt:
Ut congratularer vestris ad bonas literas studiis, quae vos duplici nomine, hoc est, tum genere, tum virtute, declarant illustres, praelucente optimo Principe Henrico Patre vestro, totius Germaniae ornamento, sicut unanimi consensu vere in Christo gloriari possimus. Ex Rostochio vestro ultima mensis Augusti Anno 1531.
Am Schlusse steht:
Pereat libellus iste si quamlibet calumniandi ansam suppeditaverit. - - Nos letos dies novissimus sistat ante tribunal patris, benedictos per Christum filium eius, cui soli sit honor et gloria in eternum Amen.
Vgl. Etwas 1737, S. 78; 1738, S. 822; 1740, S. 822; Krey Andenken II, S. 18.