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D ie ersten sicheren Spuren des deutschen Theaters zeigen sich in den geistlichen Schauspielen des Mittelalters, in denen, wie in Frankreich und England, das Heilige in burlesker Form auftrat. Gottsched 1 ) glaubt in einer alten Chronik gelesen zu haben, es sei bereits Kaiser Carl dem Großen ein Schauspiel in altfriesischer, d. i. deutscher Sprache vorgestellt worden, und auch Freiesleben meint, in seiner Nachlese zur deutschen dramat. Dichtkunst 2 ), etwas Aehnliches gefunden zu haben; da aber beide den Titel des Werks nicht anzugeben vermögen, so kann man diese Nachricht bei ihrer ziemlichen Unwahrscheinlichkeit nur für eine Sage gelten lassen. Dagegen berichten verschiedene Chroniken 3 ), daß Friedrich, Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, einem Spiel "von den zehn Jungfrauen im Evangelio" beigewohnt habe, welches von den Priestern zu Eisenach im Jahre 1322, 14 Tage nach Ostern, aufgeführt worden. - Aus den Mysterien und Moralitäten entwickelten sich im 15. Jahrhundert die Fastnachtsspiele, deren Aufführung später ganz in die Hände der Gilden fiel. Um 1498 ward durch Johann Reuchlin die Schulcomödie ein=
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geführt, indem er in Gegenwart des Bischofs von Worms Jodann von Dalberg Scenica progymnasmata 1 ) aufführen ließ.
Das früheste Lebenszeichen theatralischer Darstellungen in Meklenburg = Schwerin, welches uns bekannt geworden, enthält das "Etwas von gelehrten Rostockschen Sachen für gute Freunde, Anderes Jahr, 1738", S. 423. Die Herausgeber dieser Zeitschrift theilen mit, daß sie ein altes gedrucktes Blatt, welches den Einladungen zu Schauspielen zu ihrer Zeit ähnlich sei, besäßen, und zwar folgenden Inhalts:
"Dorch Gunst, Vorloff, und Fulbort beyde geystliker und wertliker desser Stat Rostock Overicheit wert men hyr (wil God) up dessen tokommenden Sondach, also den Dach der Medelidinge Marie, to der ere Gades eyn schone innich unde mercklich spyl anrichten, van deme State der werld, unde söven older der minschen, de doch mede in vorige söven artikel des lidendens Christi, up de VII Dagetyde wysende. Oeck VII der yunkfrouwen Marien dröffnisse, unde sust dorch mennichfoldighe heylsame lere unde fruchtbare underwisinge ane yenige schimplike lichtferdicheyt van der werld to dem densten Gades getogen, unde gantz bekeert werden. Myt anhengenden beslute schoner antögynge eyner figuren der ewygen frölicheyt, allen deenren und utherwelden Gades gelovet. Weme sodans to seende belevet, mach sick an den middelmarcet vögen, dar wert men halffwege twelven anhevende.
Alle to der ere Gades."
(Unten steht geschrieben:)
"So ferne sik dat Weder to klarheyt schickende wert."
"Wie lange vor der Reformation", fragen die Herausgeber des Rostockschen Etwas a. a. O., "mag dieß wohl geschehen sein? Wir schließen von der späten Anrichtung der Druckerei allhier, daß es nicht lange vorher gewesen. Wer wird aber durch die geistliche Obrigkeit verstanden? Was ist für ein Tag der Mitleydung Marien? Ist's der 21. Nov.? 2 ) Sind Ort
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und Zeit nicht sonderlich? Was für Personen haben das Spiel aufgeführt? Dergleichen fahrende Comödianten, als man jetzt hat, waren vielleicht noch nicht, zu geschweigen, daß sich dieselben mit solchen andächtigen und allem Ansehen nach nichts eintragenden Vorstellungen nicht aufzuhalten pflegen. Wir glauben, daß die Studenten sich damit bemühet haben. Denn so merken wir an, daß man vorzeiten sehr viele geistliche Schauspiele allhier, ja, daß man wohl in den Kirchen dergleichen aufgeführt habe. Kamen fremde große Herren oder auch besonders die Landesfürsten in die Stadt, so war gleich die Frage: was für eine Comödie man zu Ehren machen wollte; Rector und Concilium kamen von selbst darauf, oder sie waren auch ersucht von jemand, der sich dadurch eine Gnade zu erwerben dachte. Die Abhandlungen waren allezeit aus der Bibel."
M. Christian Schreigelius, welcher 1560 Rector Scholae Wismar. geworden, erließ im folgenden Jahr nachstehendes
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Schreiben an E. E. Rath zu Wismar: "Gnade vnd frede wünsche ick yuw Erb. Wise Heren von Godt deme Vader Amen. Erb. G. Heren, ick kan yuwer Erb. W. nicht bergen, dat ick ein Christlick spil mit minen mithulpern habe thogericht, dar de Lop der Werlt wo es itzt in velen Orden togheit, vast grüntlick inne vorvaten vnd ogenschinlick vorgestellet, desuluige ym Nedderlande gemacket vnde ock sünst in etlicken Sesteden gespelet. So denne nu E. Erbar Radt mochte Lust hebben desuluige in der negestkumpftigen wegen tho horen, bid ick früntlick E. E. R. my einen dach vnd stede antegen moge dat de personen denne dar mochten vpwaren, vnd vns denne darna de Kerke thom Grawen Municken (Grauen Kloster) vorgunnen darinne vor der gemeine tho spelen. So ock E. E. Raht dar suluest wolde henkamen kan E. E. Radt einen dener darhen verordnen desuluige de stede vor E. E. erholden moge. Worup ick beger ein gnedich antwordt wenner es ein Erb. Rade wert gelegen sin. Do yuw hir mith Godt dem Heren in sinen gnedigen schutz lang gesunt beuelen sampt den yuwen. datum ex meo museo an. 1561. 7. martii.
Christianus
Schreigelius,
Scholemester in eins
Erb. Rades Schole."
1
)
In einem Manuscripte des Rostockschen Stadtarchivs (von 1526 - 1559), in welchem sich zu Anfange eine genaue Berechnung der Kosten des Baues des "Thorne ofte dwenger mit dem nien dore vor dem sten dore anno XV c XXVI" findet, kommen auch einige andere Ausgaben E. E. Raths vor und namentlich vom Jahr 1558 folgende: - - "Den gesellen de de Tragoediam Agamemnonis In dem Vastelauende speledenn ock de vann der Susanna agered wurt ehn vth befell des Rades geschencket 1 last Beres, Betalede Ick hernn Jurgen Bungen kostede mith dem Tzisenn. . . . VI fl. XVIII ßl. lüb.
Aehnliche Vorstellungen fanden dort auch statt im Jahr 1573 bei dem fürstlichen Einzuge, nachdem mit der in Ungnade gefallenen Stadt Rostock ein Vertrag abgeschlossen worden war, und im Jahr 1576, wo man dem Könige von Dänemark zu Ehren ein Schauspiel auf dem Hopfenmarkte gab. 2 )
Aus Herzogs Ulrich Güstrowscher Schulordnung, welche ungefähr in das Jahr 1552 (oder 1553) fällt, wird in Reichard's Theaterkalender von 1787 nach einem alten Manuscripte folgendes mitgetheilt:
"Cap. X. De Ludis scenicis. - Es soll auch alle halbe
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Jahr eine latein. Comoedia aus dem Plauto oder Terentio für die Knaben, daß sie gut Latein lernen mögen, von den Schülern in der Schule, jedoch extra habitum agiret werden, denn es heißt:
Continet humanae speculum Comoedia vitae
Turpiaque urbano facta lepore notet.
Es wehre auch unter den großen Schülern, die der griechischen Sprache erfahren sind, ein fein Exercitium, daß sie bisweilen einen Dialogum Luciani mit agirten, der allezeit ein lateinisch Argument hette, umb der gemeinen Schüler willen. - Teutsche Comedien oder Tragedien sollen für denn gemeinen Mann noch sonsten von den Schülern nicht agiret werden, es sei denn, daß es mit Unserm Vorwissen und auf Unser Gutachten geschehe."
Der Professor und Rector A. F. Fuchs zu Güstrow führt in seinem "Versuch einer Geschichte des Güstrowschen Gymnasii", 1ste Lieferung, Neujahr 1801, diesen Theil des Inhalts der Schulordnung des Herzogs Ulrich gleichfalls an und bemerkt dabei, daß man mit der Aufführung solcher Comödien bis zur Zeit des dreißigjährigen Krieges fortgefahren habe. Dieser habe jedoch jeden frohen Gedanken verdrängt, und bei der allgemeinen Noth sei es für unanständig gehalten worden, aus der Schule Comödie zu spielen. Um indessen den löblich und nützlich geachteten Gebrauch nicht abkommen zu lassen, habe man an die Stelle der profanen Lustspiele geistliche Schauspiele, dramata sacro-politica, gesetzt, an welchen das Publicum viel Vergnügen gefunden, und welche je zuweilen selbst bei Hofe wiederholt worden. Es habe aber alles lateinisch sein müssen; die Aufführung deutscher Schauspiele dagegen habe einer speciellen fürstlichen Erlaubniß bedurft. 1 )
Ein Ausgabe = Register des Herzogs Johann Albrecht vom Jahr 1557 gibt an, daß den 25. Febr. "10 Thaler denn Schülern so die Comedien gespilet", und vom Jahr 1561, daß den 20. Februar "den Schulmeistern zu Swerin vonn wegenn der agirten Comedien von dem Tobia 25 fl. 20 ßl. vorehret" worden. 2 )
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Nach Hederich's Schwerinscher Chronik kam der Herzog Ulrich den 30. August 1582 vom Reichstage zu Augsburg sammt seiner Gemahlin und den beiden jungen Herzogen in Schwerin an, weßhalb "in der Kirchen die Comoedia vom Fall Adae und Evae, aus dem Gedichte Divi Bernhardi tröstlich genommen, ganz zierlich agiret" wurde.
Auch in Wismar wurden im 16. Jahrhundert jährlich 2 Schauspiele, theils lateinisch, theils deutsch, im grauen Kloster gegeben. 1 )
Im Jahr 1568 erschien in Rostock folgendes Schauspiel in Druck: "Ein newe Comedia von Dionysii Syracusani vnd Damonis vnd Pythiae Brüderschafft. Darinn der vnterschied warer trewer Freundschafft vnd falscher heucheley fein artig fürgebildet durch M. Franciscum Omichium, 2 ) Schulmeistern zu Güstrow. Rostock, 1568, in 8. 3 )
Das oben angeführte alte Manuscript enthält auch die Notiz, daß im Jahr 1605 in der Rostocker St. Johanniskirche die Comoedia von der Susanna vorgestellt worden sei. 4 )
Ein M. Albertus Wichgrevius zu Rostock hatte um diese Zeit eine latein. Comödie "Cornelius relegatus" geschrieben, welche im Jahr 1600 daselbst aufgeführt worden ist. Sie ist in einer Uebersetzung zu Magdeburg gedruckt worden, deren Vorrede von 1605 datirt ist. Gottsched 5 ) hatte ein Exemplar davon, welches 1618 zu Magdeburg erschienen war, ohne Meldung, daß es eine neue Auflage sei. Der vollständige Titel dieser Uebersetzung ist: "Cornelius relegatus, eine newe lustige Comödia, welche gar artig der falschgenannten Studenten Leben beschreibet, Erstlich in lateinischer Sprach beschrieben durch M. Albertum Wichgrevium. Hamburg. Jetzo aber auf vieler ansuchen vnd begehr in teutsche Sprach vbersetzet durch Johannem Sommerum Cycnaeum Pfarrherrn zu Osterweddingen. Magdeburg." Es treten 61 Personen darin auf.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts befand sich in Deutschland eine Schauspielertruppe, welche sich "die englischen
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Comödianten" nannte, an vielen Orten, besonders auch in Dresden, spielte und meistentheils Stücke gab, welche Shakspeare's Zeitgenossen, ja dem Shakspeare selbst (wie Titus Andronicus) nachgebildet waren. 1 )
Diese s. g. englischen Comödianten hielten sich auch im Anfange des Jahrs 1606 in Rostock auf, wo sich in dem Stadt = Archive nachstehende genau copirte Eingabe derselben an E. E. Rath findet:
"Ernuheste, Achtbare, Hoch vnd Wolgelarte, Hoch vnd Wolweise, E. E. vnd hw. sein vnsere gehorsame dienste, mit besonderm fleiße zuuor, großgunstige gepietende liebe Herrn,
Fur E. E. vnd hw. vns biß dahero bezeigte vberaus große vnd vielfeltige gunst vnd befoderung, in dem das wir nun allhie eine geraume Zeitt, von E. E. v. hw., großgunstiglich geduldett, vnd vnserm geringem vormugen vnd Kunst nach, mitt vnser Music auch geistlichenn vnd weldtlichenn Historien, commedienn vnd tragedienn, gemeiner Stadt dienen mugen, vnd sonsten, Dafür sein wir gegen E. E. v. hw. nicht alleinn dienstliches hochstes fleißes danckbar, sondern wollen daßelbe auch umb E. E. vnd hw. mit vnserm geringem gebete, vnd Diensten, Zuuordienen vnd sonsten Zurühmen wißen, Vnd ob wir also woll billig, E. E. vnd hw. vber vorgedachte bezeigte große vielfeltige gunst vnd befoderung, ferner wo mitt nicht beschwerenn solltenn, weil aber dennoch, vns hiebeuohr in andern Stettenn Da wir auch gewesen, vnsers vorhaltens, vns eine vrkundt, vnter gemeiner Stadt siegell mittgetheilet worden, vnd vns also auch damitt nicht weinig gedienett, dan wir vnsers vorhaltens halben alhie, E. E. vnd hw. vrkundt, in andern benachbartten Steten vnd sonstenn furzulegen habenn, Alßbitten wir demnach auch dienstliches hochstes fleißes, [weil wir vns ie ohne ruhm zumelden auch allhie still vnd eingezogenn vorhaltten, auch nicht anders dan was leiblich vnd woll anzusehenn vnd zuhoren gewesen, agirt vnd musicirt] E. E. vnd hw. wollen vber vorige vns bezeigte große gunst vnnd befoderung, ferner auch noch in diesem so großgünstiglich erscheinen, vnd vnsers vorhalttens halbenn, vns eine vrkundt vnter gemeiner Stadt insiegell großgünstiglich mittheilenn vnd zukommenn laßenn, vnd wir seinn es vmb E. E. vnd hw. mit vnserm geringenn Diensten vnnd sonstenn wie vorgemeldett hinwider Zuuordienenn Zum hochstenn gefließenn, Datum Rostogk denn 31. Marty 1606.
E. E. vnd hw. | gehorsame, |
Marggrefen von Brondenborgk Diener | |
Engelsche Commedianten." |
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Trotz aller Nachforschungen, aus welchen Personen diese Gesellschaft englischer Comödianten bestanden und wie lange sie unter dieser Bezeichnung existirt habe, liegt kein sicheres Resultat darüber vor. Einige glauben, daß vielleicht nur der Principal von Geburt ein Engländer war, welcher englische Schauspiele nach Deutschland brachte. Von den Niederlanden waren sie in Deutschland eingewandert. Daß ihre, wenn gleich werthlosen Stücke den größten Einfluß auf die deutsche Bühne ausübten, läßt sich nicht in Abrede nehmen. Tieck, der sich am ausführlichsten über diese Truppe äußert, behauptet 1 ), daß, als in London die Theater blühten und selbst im Auslande berühmt waren, zuweilen Schauspielertruppen nach den Niederlanden gingen, um dort zu spielen und daß wir etwa um das Jahr 1600 (vielleicht auch einige Jahre früher) in Deutschland wandernde Schauspieler antreffen, die unter dem Titel der englischen Comödianten herumreisten, um unsern Landsleuten, wenn auch nur schwache Vorstellung von der Höhe der englischen Poesie und von der Vortrefflichkeit der dortigen Schauspielkunst zu geben. "Haben sie selber so gespielt, fährt er a. a. O. fort, wie die Stücke geschrieben sind, die diese Wanderer (1620 u. 1630) in Deutschland herausgaben (wenn diese anders von den Spielern herrühren), so können wir uns keinen großen Begriff von ihrer Geschicklichkeit machen; aus ihrem Beifall sollte man schließen, daß sie viel leisten konnten, wenn die Deutschen nicht vielleicht, wegen der Neuheit der Sache, auch mit dem Unbedeutendsten sehr zufrieden waren. - Diese Gesellschaft bestand nicht, wie es früher gewöhnlich war, aus Bürgern; diese Menschen machten aus der Schauspielkunst einen eigenen Beruf. Aber wer waren sie? Sollen wir sie für wirkliche Engländer halten? Oder waren es junge Deutsche vom Comptoir der Hansa in London, oder Abenteurer, die jene Uebersetzungen der populairsten Schauspiele zu uns brachten? Es ist auch nicht unmöglich, daß Liebhaber des Theaters auf Speculation nach London reisten und mit einem Vorrath von Manuscripten und einstudirten Rollen zurückkamen und so in Deutschland ihr Glück versuchten. Es scheint, daß diese Leute allenthalben gefielen, ihr Stand mag auch erst viel später in Verachtung gesunken sein, denn man findet, daß ihnen und spätern Truppen der Magistrat der Städte feierlich entgegen kam; daß einer der ältesten Schauspieler, welcher Lassenius genannt wird (und der vermuthlich bei dieser Truppe war, da er um 1600 spielte) 2 )
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nachher Doctor der Theologie und dänischer Hofprediger wurde; daß ein Junker Hans von Stockfisch (wohl ein Theatername) von Johann Siegmund 1 ) von Brandenburg 220 Rthlr. Gehalt nebst freier Station erhielt, um ihm ungefähr 1614 eine "Compagnie Comödianten" aus England und den Niederlanden zu verschaffen. Noch im Anfange des 18. Jahrhunderts finden wir viele Schauspieler, die ihren Stand verließen, und, da sie früher studirt hatten, wieder die Arzneikunst, Chemie oder andere gelehrte Beschäftigungen ergriffen; doch bald darauf, als sich die Truppen nun ziemlich vermehrten und sich jeder zum Director aufwarf, um auf kurze Zeit sich zu versuchen, scheinen wohl diese vielwandernden, sich gegenseitig schadenden Spieler zu jener Abenteuerlichkeit und Armuth hinabzusinken, in welcher wir sie noch lange nachher antreffen."
Joh. Bapt Rousseau nimmt 2 ) ohne Weiteres an, daß im Anfange des 17. Jahrhunderts wandernde Comödiantentruppen aus England nach Deutschland herüberkamen, welche ihre betrübten Marionettenspiele spielten und Sprache und Geschmack entstellten. Zum Beweise der letzten Behauptung führt er eins ihrer Stücke: "Eine sehr klägliche Tragödie von Tito Andronico vnd der hoffertigen Kayserinn ." an, das widerlichste Gemälde von Buhlerei und Henkerstreichen, dessen deutsche Bearbeitung aber noch weit mehr zu verwerfen sei, weil die Abscheulichkeiten, von denen im Englischen doch nur ein Theil auf dem Theater vor sich gehe, bei ihr sämmtlich in der Scene vorgebracht seien; nämlich 1.) der Kaiser jagt seine rechtmäßige Gemahlin fort und macht eine mohrische Buhlerin zur Kaiserin; 2.) der Mann der Andronica wird im Walde gemeuchelt; 3.) an der Andronica üben ebendaselbst zwei Söhne der Kaiserin ihre Verbrechen, beide Hände werden ihr abgehauen und ihr die Zunge aus dem Munde gerissen; 4.) Andronicus wird gezwungen, sich mit dem Beil die rechte Hand
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abzuhauen; 5.) die beiden Söhne des Andronicus werden hingerichtet und ihre Häupter dem Vater zugebracht, der sich damit im Halbwahnsinn herumzerrt; 6.) ein Bote wird gehenkt; 7.) die Kaiserin wird Mutter einer schwarzen Ungestalt; 8.) Morian (der Intriguant des Stücks) wird gehenkt; 9.) Titus Andronicus schlachtet zwei Söhne des Kaisers wie Schweine ab; diese Scene ist in ihrer Art so merkwürdig, daß sie zum Theil hier stehen mag:
"T. Andronicus: Seyd ihr nicht der Keyserinnen Söhne vnd meynet mich verrätherlich vmb mein Leben zu bringen; Aber jetzt habe ich, woran ich mich rechen kann, bringt mir da alßbald ewer ein, ein scharfes Scheermesser vnd ein Schlacht=Tuch herausser. Ja jetzt habe ich ein heymlichen Rath bey mir erdacht, worin ich alle meine Feinde fangen wil, vnd meinen Muth wiederumb genugsam an sie kühlen.
[Jetzt kömpt einer, bringt ihm ein scharffes Scheermesser vnd Schlacht=Tuch, er macht das Tuch umpt, gleich als wenn er schlachten will.]
Gehe auch geschwinde hin und hole ein Gefäß.
[Gehet hin.]
Vnd du kom mit demselben Mörder, den du hast, hieher, vnd halte ihm seine Gurgel herüber, daß ich sie kan abschneiden.
[Bringt Gefäß.]
Vnd kom du hie mit deinem Gefäß, halt es ihm vnter die Gurgel, vnd fange alles Blut darein.
Der elteste Bruder wird erstlich herüber gehalten, er wil reden aber sie halten ihm das Maul zu. Titus schneidet ihm die Gurgel halb abe. Das Blut rinnet in das Gefäß, legen ihn, da das Blut ausgerennet, todt an die Erden.]
Num kom du ander auch heran. Halt ihm eben so die Gurgel herüber.
[Er weigert sich hefftig zum Tode, wil reden, aber sie halten ihm das Maul zu. Titus schneidet ihm an die Gurgel, das Blut wird auffgefangen, darnach todt an die Erden gelegt.]
Nun habe ich ihnen die Gurgel beyde halb abgeschnitten, was ich aber nun geschlachtet, darüber wil ich selber Koch seyn, die Häupter will ich gar klein zuhacken, vnd sie in Pasteten backen, worauf ich dann den Kayser samt ihrer Mutter zu gaste bitten wil, vnd alßbald ein Friedes Boten nach dem Kayser schicken, ihr aber nempt alßbald die Cörper, vnd bringet sie mir in die Kuchen."
10.) Kaiser und Kaiserin essen die Häupter ihrer Kinder als Pasteten und loben deren Wohlgeschmack; 11.) Andronicus erdolcht seine Tochter und 12.) die Kaiserin; 13.) der Kaiser ersticht den Andronicus und endlich 14.) Vespasian den Kaiser.
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Von den Schauspielen dieser englischen Comödianten erschien der erste Band 1620 und zwar unter folgendem Titel: "Englische Comedien vnd Tragedien, d. i. Sehr schöne herrliche vnd außerlesene, geist= vnd weltliche Comedi und Tragedi = Spiel, Sampt dem Pickelhering, welche wegen ihrer artigen Inventionen, kurtzweiligen auch theils wahrhafftigen Geschicht halber, von den Engelländern in Deutschland, an Königlichen, Chur= vnd fürstlichen Höfen, auch in vornehmen Reichs = See= vnd Handel = Städten seynd agiret vnd gehalten worden, vnd zuvor nie im Druck außgegangen. Anjetzo allen der Comedi vnd Tragedi Liebhabern, vnd andern zu lieb vnd gefallen, dergestallt in offenen Druck gegeben, daß sie gar leicht darauß Spielweiß wiederumb eingerichtet, vnd zur ergetzlichkeit vnd Erquickung des Gemüths gehalten werden können." 1 ) Der Inhalt dieses Bandes ist:
1.) Comoedia von der Königin Esther vnd hoffertigen Haman. 2 )
2.) Comödia von dem verlornen Sohn, in welcher die Verzweiffelung vnd Hoffnung gar artig introducirt werden.
3.) Comödia von Fortunato vnnd seinem Seckel vnd Wünschhütlein, darinnen erstlich drey verstorbene Seelen als Geister, darnach die Tugend vnd schande eingeführet werden. 3 )
4.) Eine schöne lustige triumphirende Comödia von eines königes Sohne aus Engelland, vnd des Königes Tochter aus Schottlandt. 4 )
5.) Eine kurtzweilige lustige Comödia von Sidonia vnd Theagene. 5 )
6.) Eine schöne lustige Comödia von Jemand und Niemand. 6 )
7.) Tragoedia von Julio vnd Hyppolito. 7 )
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8.) Eine sehr klägliche Tragödia von Tito Andronico vnd der hoffertigen Kayserinn, darinnen denckwürdige Actiones zu befinden. 1 )
9.) Ein lustig Pickelherings=Spiel von der schönen Maria vnnd alten Hanrey.
10.) Ein ander lustig Pickelheringsspiel, darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen machet.
Am Schlusse: "Nachfolgende englische Aufzüge können nach Beliebung zwischen die Personen agiret werden." Es sind fünf kleine Intriguen, zum Gesang eingerichtet, von denen die eine sogar mit den Melodien wechselt; bekannte Späße, die manchmal ziemlich platt und frei werden.
Der im Jahr 1630 erschienene zweite Band enthält unter dem Titel: "Liebeskampff, oder Ander Theil der Englischen Comödien vnd Tragödien, in welchen sehr schöne, außerlesene Comödien vnd Tragödien zu befinden, vnd zuvor nie in Druck außgegangen" folgende Stücke: 2 )
1.) Comödia von Macht des kleinen Knaben Cupidinis. Die Personen dieses Lustspiels sind: a. Venus, eine stumme Person; b. Cupido; c. Jucunda, Jungfraw; d. Florettus, Liebhaber; e. Balendus, Betrieger; f. Corcillana, Kuplerin; g. Hans Worst.
2.) Comödia von dem Aminta vnd Silvia, mit 9 Personen, worunter die lustige Person "Schräm" heißt. 3 )
3.) Comödie vnd Prob getrewer Lieb, mit 11 Personen.
4.) Comödia von König Mantalors vnrechtmeßigen Liebe vnd derselben Straff, mit 9 Personen, von denen die lustige Person "Schampitasche", Jean Pottage, heißt.
5.) Eine Singe = Comödia mit 6 Personen.
6.) Eine Singe = Comödia mit 4 Personen.
7.) Eine Tragi-Comedia sonder Benennung, mit 13 Personen.
8.) Tragoedi vnzeitiger Vorwiz, mit 9 Personen. 4 )
Dieser zweite Theil ist weit weniger characteristisch, auch kann man nicht mit Gewißheit behaupten, daß alle oder nur die meisten Stücke dieses Bandes aus dem Englischen wären. 5 )
Der Gebrauch, aus Schulen und Universitäten biblische Geschichten oder moralische und allegorische Erfindungen drama=
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tisch aufführen zu lassen, war im Verlauf der Zeit immer allgemeiner geworden, besonders durch die Reformation, wo diese Uebungen bei beiden Parteien einen polemischen Character angenommen hatten. Auch später dauerten diese Vorstellungen fort 1 ), fanden aber doch bisweilen Widerspruch und gaben zu manchem Aergerniß Veranlassung. 2 ) So berichtete z. B. den 10. Sept. 1642 3 ) der M. Joachim Schröder, Prediger zu St Georg in Rostock, an das Ministerium zu Lübeck: Wie der Rector Scholae M. Jerem. Negrinus in der St Johanniskirche daselbst eine heidnische Comoediam durch Knaben öffentlich in Verkleidung habe exhibiren lassen, und erbitte sich darüber des ehrw. Ministerii Instruction aus, wie er sich bey solchem Greuel zu verhalten? worauf aber solches erwiderte: Wie sie nicht alle Comödien schlechterdings verwerfen könnten, und sie den besten Rath zu seyn vermeynten, falls ihm dadurch Aerger und Wehe geschehen, er solches verschmerzen möchte um unsers Heilandes willen, der uns die liebe Sanftmuth und Geduld so hoch commendiret.
Anscheinend derselbe M. Joachimus Schröder zu Rostock machte unterm 14. Mart. 1651 beim Herzoge Adolph Friederich die Anzeige, daß aufs Neue heidnische Schulcomödien in der Kirche, und zwar am nächsten Dienstag durch den jungen Dr. Quistorpius, gegeben werden sollten, und bat dringend um ein ernstliches Monitorium durch den Magn. Rectorem an den Dr. Q. und um einen Befehl an das Ministerium, dahin zu sehen, daß er, Schröder, "ungehindert in diesen und andern göttlichen und der Kirchen Erbauung angehenden Sachen sein Amt verrichten könne". Dießmal machte er mit seiner Anklage und Bitte mehr Glück; denn schon am 17. März erließ der Herzog Nachstehendes an den "Rector, Concil. und die übrigen Professoren" zu Rostock: "Wier werden außwertig berichtet, ob solten theils ewerß mittelß vnter Theologen die wiedereinführung heidnischer comoedien offentlich vnd wohl gar an heiligen Orthen (die zu verrichtung des Gotteßdienstes allein gewidmet seyn) zu agiren Ihnen angelegen seyn laßen. Nun habet Ihr leicht zu ermeßen, daß solches, wan Theologen
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selbst hier zustimmen vnd daß ergernuß bey der Jugent fortpflantzen wollen, allerhandt Vbell nach sich ziehet, daher Ihr vielmehr bey den jezo durch Gotteß gnade Ja wiedergebrachten frieden dahin zu sehen hettet, daß die Liebe Jugent zu aller Gottesfurcht angeführet vnd von ergerlichen Wesen abgehalten werden möge, vnd ist demnach hiermit Vnser gnediger vnd ernster Befehl, daß Ihr die wiedereinführung heidnischer ergerlicher Comoedien, wan nemblich selbige in den Gotteshauße solten agiret vnd gespielet werden, den ewrigen Inhibiren, vnd insonderheit dem jungen Dr. Quistorffio ernstlich verbieten wollet, daß Er cum scandalo Juventutis dergleichen thema In cathedra zu tractiren vnd zu behandeln sich enthalten soll, so Lieb Ihme ist Vnsere hochste Vngnade vnd straffe zu vermeiden, Ewres Ambts ist hingegen, daß Ihr diesen vnd andere junge hitzige Leutte ihrer gebührnuß erinnert vnd sie nicht ihren eignen willen, worinnen sich mancher ohne Vhrsache klug dünken leßet, hingebet, sintemahl waß einer pecciret vnd versiehet, offtmahls dem Gantzen Collegio von Frembden Imputiret vnd beygemeßen wirt. Ihr verbringet hieran Vnsern gnedigen willen vnd meinung. Wier seint Euch mit gnaden sonders wohl gewogen. Geben Schwerin, den 17. Mart. 1651." 1 )
Bald nach der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wendeten sich an den Herzog Gustav Adolph 2 ) zu Güstrow "vnterthänigste vndt gehorsahmbste Diener Commedianten" mit der Bitte, da sie vor etlichen Tagen in der fürstlichen Residenz Güstrow angelangt, dem gnädigsten Fürsten "mit etlichen Actionen nach Englischer Mannier" aufwarten zu dürfen. Auf Erlaubniß E. E. Raths hätten sie zwar die Ehre gehabt, zweimal zu agiren, worauf aber wider Verhoffen Inhibition geschehen sei. Könne es aber nicht sein, daß sie vor I. F. Durchl. agiren dürften, so möge es gnädigst gestattet werden, in der Stadt noch einige Vorstellungen zu geben, in Betracht daß es sonst unmöglich sei, die angewandten Unkosten zu entrichten. Zugleich reichten sie folgendes Verzeichniß "Etlicher Comoedien welche in Eill wir haben aufgesetzet" ein:
"1.) Könen wir I. F. Durchl. praesentiren die action von der h. martyrin Dorothea, wie sie nemblich enthauptet vndt Theophilius mit glüenden Zangen gezwicket wirdt.
2.) Von den hoffertigen Haman vndt der demütigen Ester.
3.) Der klägliche Bezwang in welcher grose Tyranney geboten wirdt, durch List aber verhindert.
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4.) Die Verlierung beider königlichen Kinder aus Cypern, worin Pickelhering sehr lustig sich erzeiget.
5.) Von dem unbarmherzigen Vater.
6.) Untrew schlegt seinen eignen Herren.
7.) Die blutige Hochzeit oder die 2 zwespaltige Heuser.
8.) Der unglückliche Breuttigamb oder die Jungfrawen Tragoedi.
9.) Der streit zwischen Engellandt vndt Schottlandt.
10.) Die Enthauptung des Königes in Engellandt.
11.) Die 4 bestendigen Liebhabers.
12.) Die Verfolgung der Christen unter dem Kayser Diocletiano.
13.) Die Tragoedia von Cajo julio Caesare.
undt noch viele andere anmuthige v. schone Comoedien, Tragoedien vndt Pastorellen, welche in eill nicht können hingesetzet werden. - Die nahmen der vornembsten persohnen sindt diese
Caspar Stiller mit seiner fraw, als meister aus Hamburg.
Georgius Plocius L. L. studiosus. Oscaniensis Saxo.
Dietericus Cramerus S. S. Theolog. studiosus Frislandus.
Sigismundus Heilman. Schoningensis. ein Schiller oder Mahler.
Jeremias Wellner Weimariensis.
Noch eine frawens Person.
Wir haben vor diesen unsere actiones praesentiret in Hamburg, Holstein, Ostfristlandt, westfalen, wie auch zu Zwerin, auch hatt vor 6 jahren Pickelhering mit seiner frawen vor Ihr fürstl. gn. Hertzogin fr. Mutter 1 ) agiret, von deren sonderliche hohe gnade sie noch bis auff diese stunde zurühmen wissen, auch etliche notas vndt Zeichen von Kleidern aufzuweisen haben." 2 )
Im Jahr 1668 ertheilte der Herzog Gustav Adolph zu Güstrow dem Schauspieldirector Carl Andreas Paul nachstehendes Attest:
"Demnach gegenwärtiger Carl Andreas Paul Comoediant, so sich mit seiner trouppe eine Zeitlang in der fürstl. Meckl. Residenz Güstrow aufgehalten vnd vnterschiedliche Mahl vor des Durchl. Fürsten u. Herrn, Herrn Gustav Adolph Herzog zu Mecklenburg agiret, deroselben bey seinem abzug vnterthänigst zu vernehmen hat geben lassen, wasgestalt Er entschlossen sich mit seinen gefehrden nach Lübeck zu verfügen, vnd daselbst bey E. E. Raht umb vergunstigung commoedien zu spielen anzuhalten, dahero vnterthänigst gebehten, Höchstged. I. fürstl.
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Durchl. geruheten gnädigst ihm ein attestatum seines wohlverhaltens zuertheilen, als haben I. f. D. ihm seine vnterthänigste Bitte nicht abschlagen wollen, sondern gnädigst befohlen ihm ein attestatum dahin zugeben, das er mit seiner bey sich habenden compagnie dahier wohl praesentiret, vnd sich im agiren gebührlich verhalten habe. Vrkundlich haben Höchstged. f. Durchl. dieses mit dem fürstl. insiegel bekräftigen lassen.
Datum Güstrow, d. . . Aug. A. 1668." 1 )
Auch ein Hof=Liebhabertheater gab es unter der Regierung des Herzogs Gustav Adolph in Güstrow, wenigstens zu Anfang des Jahrs 1671, "wobei die princesses Louyse und Elisabeth und I. Durchl. der Prince von Schwerin tanzten". "Zwischen den Entrèes wurden Lieder gesungen und Concerte von einigen Stimmen", auch am Geburtstage des Herzogs "ein Hirtenspiel mit vieler Kunst repraesentiret". 2 )
Ebenfalls noch unter der Regierung des Herzogs Gustav Adolph 3 ) zu Güstrow ward nachstehende Bittschrift, welcher jedoch Jahreszahl und Datum fehlen, eingereicht:
"Durchl. Fürst, gn. F. u. Herr.
Eure
Hochfürstl. Durchl. imploriren unterthänigst wie
die so genandten Carli sche Comoedianten
Geselschaft, weil wir vor einigen Jahren die
hohe Gnade genoßen Eurer Hochfürstl. Durchl. mit
etlichen Comoedien unterthänigst aufzuwarten,
und seidhero vor der Römischen Kayserl. May.,
beiden Königen zu Schweden und Dänemark, auch an
andern Hochfürstl. Höfen mit unsern agiren uns
Aller= und unterthänigst haben sehen
laaßen,
Eure Hochfürstl. Durchl. wolle
gnädigst erlauben und zulaaßen, daß in Dero
Residentz= Statt Güstrow
4
) gegen
bevorstehenden Marckt oder Umschlaag, etliche
gute neüe, sinnreiche Comoedien und Schau
=.Spiele, wir dehnen Liebhabern und Zuschauern
zur ergötzlichkeit ohne einige Aergernüs
verstellen mögen.
Eurer Hochfürstl.
Durchl. wünschen langes Leben nebenst
glücklich=blühender und friedlicher Regierung
unterthänigste und
gehorsamste
Diener die so genandte Carlische deutsche Comoedianten Geselschafft. |
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Nach dem Tode des Herzogs Gustav Adolph erging an die Güstrowsche Interims=Regierung im Jul. 1697 folgende Bitte:
"Zur .
Nach dehm der Höchstbeklagte tödtliche Hintritt Ihro Königl. Maytt. von Schweden unß kein geringes trauern mitt beygefügt, alß haben wir unß entschließen müssen, unser Liebes Vaterland, nachdehme wihr bey 6 Jahren unß in den Nordischen Plätzen auffgehalten, wieder Einmahl zubesuchen, sind also Von Stockholm in Lübeck erstlich gelandet (alda wir auch die Ehre erhalten Unßere actiones 2 Monaht vorzustellen) Von dar aber nach Schwerin beruffen, Nun aber unßere reiße hieher zunehmen suchen, dan ferner nach Rostock gedencken; Also ist unßer dienstschuldiges Bitten an die Hrrn. Regierungs= Rähte, sie wollen gühtigst geruhen, unß einige Historien zu agiren alhier Vergönnen, welches wir Lebenszeit allenthalben vor eine hohe faveur werden zurühmen wissen, erwarten in zuversichtlicher Hoffnung einen gühtigen Bescheidt 1 ) und Verbleiben
Unßere Hochgeehrte
Herren
RegierungsRähte
dienstschuldige Nordische Commoe- dianten, in hochteutscher Sprache. |
Güstrau, d. 23. Jul. 1697." 2 )
Hochfürstlich Meklenburg=Schwerinsche Hofcomödianten 3 ) treffen wir zuerst im Jahre 1702 während des Landesconvents zu Rostock an, wo sie den anwesenden Herren Landräthen und Deputirten namentlich am 28. Jun. eine "Comödia dediciret und dieselben dazu eingeladen haben, wofür ihnen ein Geschenk von 6 Rthlrn. ex cassa gemacht worden". 4 ) Das Spiel, welches sie repraesentirten, hieß:
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Eben diese Mekl. = Schwerinschen Hofcomödianten reichten d. 3. u. d. 14. Jul. 1702 nachfolgende zwei Eingaben bei dem Magistrat zu Rostock ein, von denen wir hier gleichfalls einen genauen Abdruck 1 ) liefern:
1. | "den 3. Jul. 1702. |
Hoch Wohl Edel gebohrne Hoch vndt Wohl gelahrte,
auch hoch vndt Weiße hochgebiettende Herrn Herrn .
Man pflegt insgemein zu sagen undankbarkeit ist daß große laster damit wir unß aber dißes laster nicht wollen theilhafftig machen, wollen wir einen hoch Edlen Magystrat Zur Dankbarkeit eine absonderliche Sehenswürdige Action auffführen laden derowegen einen hoch Edlen Magystrat Zu dißer uortrefflichen Matery wie bey liegende Synopsis auß weissgen, mit demüttiger bitt morgen alß Dinstag darbey Zu erscheinen, wir wollen bereith sein auff Zuwartten.
Eines ."
2. | "den 14. Jul. 1702. |
Hoch und Wohl Edle Herren Herren
Wür Bedanken uns in tieffister unterthenigkeit gegen einen Hoch und Wohl Edlen Magistrat vor die grosse gnade, daß wür unsere Comoedien diesen Markt über haben repraesentiren könen, werden solche große gnade bei unserm Durchl. Hortzog in schwerin bestermassen Zu rühmen wüssen, Weilen wür nun aber unsere vorgenomene reiße nicht haben fortsetzen könen, und anjezo ohne deßen die huntstag einfahlen, und die studiosen keine Collegia halten und in diesen faerien nichtes wüssen anzufangen, so ist ia besser, dz sie in die Comoedien alß bier
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und wein häußer gehen, bietten also wür in tieffister unterthenigkeit in faver und regarde unseres Durchl. Hertzog uns die hohe gnade zu vergönnen, daß wür nur eintzige 14 Tag terfften unsere Comoedien aufführen, welche hohe gnade wür nicht allein bey unsern Durchl. Hertzog sondern an allen orthen höchlich rühmen werden. getresten unß einer gnedigen Resolution und verbleiben
Eines Hoch und Wohl Edlen Magystrat | ||
vnterthenigstgehorsambste
Diener
sämmbtliche hochfürstl. Meklenb. HoffComoedianten." |
So wenig uns der Zeitpunkt bekannt geworden, wann diese Gesellschaft vom Herzogl. Hofe angenommen worden ist, eben so wenig wissen wir, wie lange dieselbe beibehalten wurde. 1 ) Im Jahr 1711 scheint sie noch in diesen Verhältnissen sich befunden zu haben, wo die Mitglieder eine neue Auflage der Vertheidigungsschrift einer Theaterdirectrice Velthem gegen den Pastor Winkler zu Magdeburg unter folgendem Titel veranstalteten: "Zeugniß der Wahrheit vor die Schauspiele und Comödien, wider Hrn. Joh. Jos. Winklers, Diaconi der hohen Stiftskirche in Magdeburg herausgegebene Schrift, worinnen er dieselbe heftig angegriffen und verhaßt zu machen sich vergeblich bemühet, aus vieler Theologorum Zeugniß zusammengetragen und aufgesetzt von Frau C. E. Velthemin, Principalinn der
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Königl. Polnischen und Churfürstl. Sächsischen Hofcomödianten. Jetzt aber auf Begehren guter Freunde zum andern mal zum Druck befördert von den Hochfürstl. Mecklenburgischen Hofcomödianten. Gedruckt Anno 1711. 1 )
Zu Anfange des 18. Jahrhunderts hielt sich auch 4 Winter hindurch eine französische Schauspielergesellschaft in Schwerin auf, wie aus nachstehendem Schreiben derselben an den Geh. Secretair Duwe 2 ) hervorgeht, obgleich dem Schreiben jede nähere Bestimmung über die Zeit der Abfassung desselben abgeht:
"A S. E. Monsieur Duwe Conseiller et Secretair D'état de S. A. S. Monseigneur Le Duc de Mèckelbourg etc.
Les Comediens de S. A. S. ont l'honneur de Representer tres humblement que
1°. Ils ont quitté Chacun un Etablissement qu'ils avoient en Hollande, lors qu'il a plü à Son Altesse Serenissime de les faire venir. qu'ils ont souffert durant le voyage les Incommoditez les plus rigoureuses, et se sont vüs en peril de perdre la vie; qu'ils s'étoient flatez d'un Service durable, et quils nont rien negligé pour repondre à l'atente de la Cour et eatisfaire à tous leurs devoirs.
2°. quils voyent avec douleur que non seulement on les congedie au bout d'un Contract, quils avoient esperé que lon renouvelleroit; mais que mèmes on leur fait des difficultez sur le payement des habits pour la derniere année.
3°. Cette Somme qui n'est rien pour la Chambre et beaucoup pour eux leur aloit estre Comptée dès La St. Michel, lorsque Le Quaissier qui la destina à un autre Emploi, en differa le payement. Monsieur leur Directeur qui convient de la Justice de leurs pretensions les assura, quils en seroient payez dans quelques Jours. ils ont Compté la dessus et sans diminuer les depenses, ils ont pris à Credit Ce qui leur etoit necessaire Chez les marchands à qui ils le doivent encore; Insolvables, si ledit argent leur est refusé.
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4°. Ce refus est bien eloigné de l'esperance quils avoient Conçeue que S. A. S. etant Contente de leurs efforts leur feroit la mème grace qu'à tous ses autres servitÄurs, àqui Elle a Coutume d'accorder genereusement un quartier deplus que leur service et dequoi se rendre aux Lieux d'ou ils sont venus.
5°. L'argent du quartier qui vient de leur être remis joient à la ditte somme pour les Habits ne peut suffire tout au plus qu'a aquitter leurs detes et à les mettre en Etat de gagner un autre Lieu, Sans autre profit reel que l'honneur d'avoir diverti Leurs A. S. durant quatre hivers. Et l'argent des Habits leur etant retranché les Jette dans un miserable Etat sans pouvoir sortir dici, en y abandonnant leurs hardes aux marchands.
6°. Les Habits dont S. A. S. leur a fait present, sont des marques qu'elle leur a données de sa generosité, et les Comediens se flattent qu'apres leur en avoir fait present a Chacun deux Respectivement, Elle ne souhaitte point les leur donner en Payement ensuitte au quel Cas les dits Habits ne sauroient tenir lieu de la susditte somme en question.
7°. Ce qui confirme encore les suplians dans la Confiance quils ont sur cette demande c'est que entre eux tous la somme ne faisant apeine Cinc ou Six Cens ecus. Le Comedien rosidor dont la part seule se montoit a plus de Deux Cens ecus a eté payé fort regulierement, et comme ils l'ont egalê ou même surpassé dans leur empressement à satisfaire la Cour, ils esperent quils ne seront pas traittez moins favorablement que ledit Comedien.
Ce sont les Considerations que les comediens ont l'honneur de recommander à S. E. Monsieur Duwe, Le suppliant d'y avoir egard et d'appuyer leur Bon droit auprez de son Altesse Serenissime."
Löwen erwähnt in seiner Geschichte des deutschen Theaters 1 ) eines Schauspieldirectors Haßcarl, der um das Jahr 1720 eine der erbärmlichsten Gesellschaften geführt, in Rostock die Tochter eines Ballmeisters 2 ) geheirathet habe und daselbst, nachdem seine Truppe aus einander gegangen, Notarius geworden sei. Ob diese Auflösung seiner Gesellschaft in Rostock, oder an einem andern Orte statt gehabt, geht aus Löwen's Nach=
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richt aber nicht deutlich hervor. Wie weit die Unanständigkeit dieses Directors und seiner Vorstellungen gegangen, ist bei Löwen a. a. O. nachzusehen.
Im Jahr 1724 befand sich ein Principal Carl Knauth in Rostock, welcher am 26. Jul. beim dortigen Magistrate supplicirte, derselbe möge doch das Verbot, ferner zu agiren, aufheben und ihm noch für einen Monat Concession ertheilen. "Er sei an den zwischen den Herren Officiers und Herren Studiosis vorgegangenen Differentien so unschuldig als ein Kind im Mutterleibe, indem solche sich in der Privatstube eines Studiosi angesponnen. Alles das Seinige sei gerichtlich verarrestirt; überdieß habe er seine Burschen auf dem Halse, welche er täglich mit Kost versehen müsse, wodurch er sich immer mehr in Schulden stecke. Die hochpreißl. Kaiserl. Commission habe sich gnädig herausgelassen, wie sie mit seinem weitern Agiren höchst zufrieden wäre. Nur zur Bezahlung seiner Creditoren wünsche er noch ferner zu agiren ." Was E. E. Rath hierauf beschlossen, ist aus den betreffenden Acten nicht ersichtlich, indem der worthabende Bürgermeister in sessione beauftragt ward, den Bescheid mündlich zu ertheilen. 1 )
Im Mai des Jahrs 1732 erhielten die hochfürstl. Wolfenbüttelschen Hofcomödianten auf ihr Ansuchen in Rostock die Erlaubniß, während des bevorstehenden Pfingstmarkts daselbst Vorstellungen geben zu dürfen. 2 )
Das 1732 im Druck erschienene Trauerspiel Gottsched's Der sterbende Cato (gedichtet 1730, gespielt 1731) soll, wie es scheint nach einer Notiz von Gottsched in der Vorrede, in Rostock von den Studenten aufgeführt worden sein. 3 ) Die Zeit, wann diese Vorstellung statt gefunden, findet sich aber dabei nicht angegeben.
In Schwerin hielt sich 1733 der Schauspieldirertor Joh. Gottl. Förster 4 ) auf, dem bei seiner Abreise von dem Magistrate daselbst nachstehendes Zeugniß ertheilt ward:
"Wir Bürgermeister und Rath der hochfürstl. Mecklenburgischen Residentz = Stadt Schwerin urkunden und attestiren auf geziemendes Ansuchen, daß Vorzeiger dieses, Hr. Johann
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Gottlieb Förster mit seiner bei sich habenden Familie u. Svite sich 3 Wochen allhier aufgehalten - wärender Zeit auf hochfürstl. gnädigste Concession verschiedene Comoedien mit Marionetten und lebendigen Personen nicht sonder Ruhm präsentiret und nebst denn Seinigen sich unverweißlich und honéte bezeiget und aufgeführet habe. Wann nun derselbe nunmehr von hier zu gehen resolviret, so gelanget an alle und jede, wes Ehren, Würden, Standes und Dignitet dieselben seyn mögen, denen dieser Schein vorgezeiget wird, unser resp. dienst u. freundliches Ansuchen, vorerwähnten Hrn. J. G. Förster aller Ohrten ungehindert passiren zu lassen und denselben nebst denn Seiningen allen geneigten Willen zu erweisen. Urkundlich unter unserer Stadt kleineren Insiegel u. des Secretarii Unterschrift.
Schwerin, den 9. July 1733." 1 )
Förster schloß damals seine Vorstellungen zu Schwerin am 15. Jul., wie aus einem Schreiben desselben an den Herzog vom folgenden Tage 2 ) hevorgeht:
"Durchl. Hertzog .
Ew. Hochfürstl. Durchl. habe ich gestern auf meinen Theatrum bey endigung des allhiesigen agirens einen musicalischen prologum in tiefster Ehrfurcht dediciren u. vorstellen wollen. In gegründeter Hoffnung, daß Ew. Hochfürstl. Durchl. mein pflichtschuldigstes Bezeigen gnädigst werden ersehen u. angenommen haben. Ich will demnach nochmals wünschen, daß alles das was ich Ew. Hochfürstl. Durchl. hohen Fürstenwohl aus hertzlichen Eüffer gewünschet habe, kräfftiglich wahr werden möge. Ich getröste mich Ew. Hochfürstl. Durchl. gnädigster Fürstenhuld u. ersterbe in devotester submission
Ew. | |
Schwerin, d. 16. Jul. 1733. | unterthänigster Knecht |
J. G. Förster." |
Ein Hr. Johann Friederich Darmstaedter, "Königl. Dänischer privilegirter Comödiant", spielte zu Rostock Ende Februars 1735. Er dankte unterm 28. Febr. E. E. Rathe, "daß er aus dem Ballhause, wiewohl nur eine Woche lang, habe agiren können. Um aber seine Schulden gänzlich zu tilgen und da die Ballmeisterin sonst ihr mit großen Kosten erbautes Theatrum wieder abbrechen wolle, bat er noch um Erlaubniß, von Ostern bis Johannis ungehindert spielen zu dürfen, welche ihm auch ertheilt ward, jedoch mit der Bemerkung, daß, wenn sich noch eine andere Bande zu gleicher Zeit einfände, dieselbe
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seinetwegen nicht werde abgewiesen werden". 1 ) - Auch im October desselben Jahres müssen in Rostock theatralische Vorstellungen statt gehabt haben, indem unterm 13. jenes Monats beim dortigen Magistrat eine Klage einging (vielleicht vom Russischen Consul?), "wie über die Comödie von Dantzig, wovon auch schon das Project nichts tauge, viel übles Gesprächs entstehe; sie sei Stanislauisch und verstoße wider den Kaiser von Rußland". Ob E. E. Rath auf die Bitte, die Vorstellung zu verbieten, eingegangen, haben wir aus den vorhandenen Acten 2 ) nicht in Erfahrung bringen können.
Von dieser Zeit bis zu Schönemann's erstem Erscheinen in Schwerin (1740) fehlen uns weitere Data über unsere Bühne. Freilich sind auch von dort an die Quellen nur mangelhaft, allein sie fließen doch, gegen die frühere Zeit gehalten, bedeutend reichhaltiger und zusammenhangender. Mit Schönemann aber begann für Meklenburg = Schwerin eine neue, glänzende Epoche seiner Bühne, besonders mit dessen wiederholter Ankunft im Jahr 1750 und der Ernennung zum Hofschauspieldirector mit einem bestimmten Gehalt. Das unbestrittene Verdienst, das Theater damals zu einer ausgezeichneten künstlerischen Höhe, großentheils durch seine Begünstigungen, erhoben zu haben, steht dem Herzoge Christian Ludwig von Mekl.= Schwerin zu, der als umsichtiger Beschützer aller schönen Künste in Meklenburg unvergeßlich bleiben wird. Er berief, noch als Kaiserl. Administrator Meklenburgs, im Jahr 1740 Schönemann zu sich 3 ) der erst vor kurzem in Lüneburg das Glück gehabt hatte, durch Hülfe einiger Gönner am 15. Jan. daselbst ein eigenes Theater eröffnen zu können. Schönemann war d. 21. Oct.1704 zu Crossen a. d. Oder 4 ) geboren, hatte zuerst im Jahr 1725 unter dem Schauspieldirector Förster (s. oben) die Bühne betreten und war 1730 zu der bekannten Directrice Neuber gegangen. Für dieß Mal war es aber dem neuen Director nur kurze Zeit vergönnt, in Meklenburg zu bleiben, indem er wegen des Todes des Kaisers Carls VI. (20. Oct. 1740) seine Bühne schließen mußte.
Aus dieser Zeit seines Aufenthalts in Meklenburg theilen wir folgenden Comödienzettel mit, 5 ) als dessen Druckort Schwerin,
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obgleich derselbe auf dem Zettel nicht näher angegeben ist, mit Sicherheit angenommen werden kann:
"Mit Erlaubniß einer hohen Obrigkeit wird heute von denen allhier anwesenden deutschen Comödianten auf gnädiges Begehren ein deutsches Schauspiel nochmals vorgestellet werden, genannt: Die unter der Grausamkeit des Antiochus hingerichteten sieben Söhne oder Die Standhaftigkeit der Maccabäer. Aus dem Französischen des Mr. de la Motte in deutsche Verse übersetzt.
Personen: | |
Antiochus, König in Syrien | Hr. Ackermann. |
Salmonèe, Mutter der Maccabäer | Mad. Schönemann. |
Antigona, des Antiochus Geliebte. | Mad. Schröder. |
Misael, jüngster Sohn der Salmonèe | Hr. Ekhof. |
Cephises, Vertrauter der Antigona | Hr. Bitau. |
Thares, Vertraute der Salmonèe | Madem. Henkeln. |
Barses, Hauptmann der Guarde | Hr. Ruch. |
Hidaspes, andrer Capitaine der Guarde | Hr. Heytrich. |
Arsaces, Officier des Antiochus. |
Nach Endigung dieses schönen Stückes folget ein lustiges Nachspiel " Arlequin Philosoph". Die Person gibt auf dem ersten Platz 12 ßl., auf dem zweiten Platz 8 ßl. und auf dem letzten Platz 4 ßl., die Stühle werden besonders bezahlt. - NB. Wer sich auch beim Eingange nicht lange aufhalten will, kann in der Salzstraße, in des gewesenen Kiesewieters Hause Billets bezahlen und abholen lassen. Auch dient zur beliebten Nachricht: daß um keinen Lermen in der Stadt zu machen, und Unordnung so daraus entstehen könnte zu verhindern, keine Trommel unsertwegen gerührt werden wird. Der Anfang ist um 5 Uhr, und der Schauplatz hier auf dem Rathhause, wohin die Herren Liebhaber invitiret:
Mittwochs, den 14. Sptbr. 1740. | |
Johann Friederich Schönemann." |
Die allgemeine Theater=Chronik enthält 1 ) "den Gagenetat des 1740 in Schwerin gewesenen Hofschauspielers (?) Schönemann" aus diesem Jahre, nämlich:
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Von Meklenburg wandte sich Schönemann nach Leipzig, wo er einige Zeit spielte, darauf aber nach Hamburg, wo er 1741 seine Bühne mit dem Cid eröffnete. 1742 erwarb er das Preußische Generalprivilegium und ging nach Berlin, wo er noch 1743 war. Auch in Hannover erhielt er besondere Vorrechte. 1745 spielte er neben der Neuberin in Leipzig, 1746 u. früher auch in Halle, 1747 in Braunschweig, Hamburg ., 1749 in Göttingen, von wo er im Herbst nach Leipzig kam, und dort ward durch seine Vermittelung und Fürsorge ein kleines Comödienhaus erbauet, 1 ) welches er den 6. Oct. 1749 mit dem Cinna einweihete. 2 )
Durch seine allgemein anerkannten ausgezeichneten Verdienste um die Ausbildung und Vervollkommnung des Schauspielwesens bewogen, 3 ) ertheilten ihm, wie bemerkt, mehrere deutsche Höfe die vortheilhaftesten Privilegien, auch ward ihm von dem Herzoge Christian Ludwig von Meklenburg = Schwerin aufs neue den Ruf nach Schwerin, wo er am 7. Oct. 1750 seine Bühne mit Regnard's Democrit und dem Nachspiel Die beiderseitige Probe in dem Redoutensaale auf dem Herzogl. Schlosse eröffnete. 4 ) Am 8. ward Das Gespenst mit der
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Trommel von Destouches, mit dem Nachspiel Die drei Brüder und Mitbuhler gegeben. Am 9. Die polit. Vorsichtigkeit aus dem Italienischen des Ricciardi, mit dem Nachspiel Die geprüfte Treue. 1 ) Am 12. Iphigenia von Racine, mit dem Nachspiel Der betrogene Cadis. Am 13. der Hypochondrist von Quistorp, mit dem Nachspiel Die Verstandsucherin. Am 14. Die verkehrte Welt von v. König, mit dem Nachspiel Die erzwungene Heirath von Melière. Am 15. Der Spieler von Regnard, mit dem Nachspiel Sieg der vergangenen Zeit. Am 16. Die zärtlichen Schwestern von Gellert, mit einem Nachspiel von Krüger. Am 19. Das Loß in der Lotterie, mit dem Nachspiel Das Band; beide von Gellert. Am 20. Der verlorne Sohn von Voltaire, mit dem Nachspiel Die Franzosen in London von Boissy. Am 22. Die kranke Frau von Gellert, mit dem Nachspiel Der Bauer mit der Erbschaft von Marivaux. Am 23. Der Verschwender von Destouches, mit dem Nachspiel Der Blöde von Gleim. Am 26. Der Kranke in der Einbildung von Melière. Am 27. Mahomet von Voltaire, mit dem Nachspiel Die Amme von Le Grand. Am 28. Die Betschwester von Gellert, mit dem Nachspiel Das Orakel von demselben. Am 29. Der sterbende Cato von Gottsched, mit dem Nachspiel Sieg der künftigen Zeit von Le Grand. Am 30. Die ungleiche Heirath von der Frau Prof. Gottsched, mit einem "Ballet=Pantomime zwischen Scaramouch und Arlequin". Am 2. Nov. Das Testament von Frau Prof. Gottsched, mit dem Nachspiel Die Frau Sybilla. Am 3. Der poetische Dorfjunker von Destouches, mit dem Nachspiel Sieg der künftigen Zeit. Am 4. Tartüffe von Molière, mit dem Schäferspiel Sylvia von Gellert. Am 5. Sidney von Gresset, mit dem Nachspiel Der Bauer mit der Erbschaft. Am 6. Die zwiefache Unbeständigkeit von Mariwaur, mit dem Nachspiel Zeneide von Cahüsac. 2 )
Noch in demselben Jahre (1750) ließ der Herzog in Rostock ein kleines Comödienhaus bauen, welches Schönemann den 11. Mai 1751 "bei seiner Wiederankunft in Rostock" 3 ) mit dem Geheimnisvollen von Schlegel und der gelernten Liebe
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von Rost eröffnete. 1 ) Am 15., dem Geburtsfeste des regierenden Herzogs, ward das Vorspiel Die zärtlichen Freunde Orestes und Pylades, mit dem Nachspiel Der Menschenfreund gegeben. Am Geburtstage der Prinzessin Ulrike (d. 1. Jul.) Der Unbesonnene von Molière, mit dem Nachspiel Due Gratien.
Am 21. Jul. ward die Schloß = Schaubühne in Schwerin von der Schönemann schen Gesellschaft, welche dem Hofe aus Rostock dorthin gefolgt war, mit der ungleichen Heirath wieder eröffnet, aber schon am 30. Jul. mit dem Lustspiel Sidney von Gresset geschlossen, worauf Schönemann am folgenden Tage nach Hamburg abreiste. Acht Tage später ward bekannt gemacht, daß der Herzog die Schönemannsche Gesellschaft "als Hofcomödianten mit einem anständigen Gehalt unter gewissen Bedingungen in Dienst genommen habe". 2 ) Zu diesen Bedingungen scheint auch die Erlaubniß gehört zu haben, Hamburg jährlich besuchen zu dürfen, was in den folgenden Jahren wohl immer geschehen ist. 3 ) Am 10. October kehrte Schönemann von Hamburg nach Schwerin zurück, worauf am 13. zuerst wieder auf der Schloß = Schaubühne gespielt ward, und zwar Sidney und das Nachspiel Das Mündel. Am 14. ward gegeben Der verlorne Sohn, mit dem Nachspiel Die verliebte Verwandelung. Am 15. Die zärtlichen Schwestern, mit dem Nachspiel Das Mündel. Am 16. (Sonnabend) Triumph der guten Frauen, Lustspiel, von der Frau Prof. Gottsched, mit dem Nachspiel Der Bauer mit der Erbschaft. Am 18. Der Praler von Destouches, mit dem Nachspiel Die Brüder als Nebenbuhler. Am 19. Die drei Candidaten von Krüger, mit dem Schäferspiel Die geprüfte Treue. Am 20. Die Betschwester von Gellert, mit dem Nachspiel Die Verstandsucherin. Am 21. Andromach von Racine, mit dem Nachspiel Der Teufel ein Bärenhäuter. Am 22. Der Hypochondrist von Quistorp, mit dem Nachspiel Die gezwungene Heirat von Molière. Am 23. (Sonnabend) Iphigenia von Racine, mit dem Nachspiel Die beiderseitige Probe. Am 25. Zaire von Voltaire, mit dem Nachspiel Der unvermuthete Außgang von Marivaux. Am 26. Der Zerstreute von Regnard, mit dem Schäferspiel Silvia von Gellert Am 27. Das Loß in der Lotterie, mit dem Nachspiel Der
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faule Bauer von Uhlig. Am 28. Die beiderseitige Unbeständigkeit von Marivaux, mit dem Nachspiel Das Orakel von Krüger. Am 29. Der Spieler von Destouches, mit dem Nachspiel Der neugierige Ehemann. Am 30. (Sonnabend) Democrit von Regnard, mit dem Schäferspiel Das Band. Am 1. Nov. Der eingebildete Kranke, mit dem Nachspiel Der unvermuthete Ausgang. Am 2. Der Philosoph ein Ehemann, der sich schämt es zu sein von Destouches, mit dem Nachspiel Der Franzos zu London. Am 3. Der Verschwender von Destouches. Am 4. Der Philosoph ein Ehemann ., mit dem Nachspiel Das Mündel. Am 5. Der poetische Dorfjunker, mit dem Nachspiel Die Widersprecherin von dü Freny. Am 6. (Sonnabend) Der Geizige von Molière, mit dem Nachspiel Die kranke Frau. Am 8. Die Mamselle von Frau Prof. Gottsched, mit dem Nachspiel Sieg der künftigen Zeit. Am 9. Sinilde, Trauerspiel, von König, mit dem Nachspiel Zeneide. Am 10. Nov. Bramarbas von Holberg, mit dem Nachspiel Der Menschenfreund.
Wegen des tödtlichen Hintritts der verwittweten Herzogin von Meklenburg=Strelitz trat nun eine tiefe Hoftrauer ein, weßhalb auch die Vorstellungen eingestellt wurden, nur daß am. 30. November, dem Stiftungstage des Russ. Kaiserl. St. Andreas=Ordens, "bei Hofe im blauen Saal zwischen sogenannten spanischen Wänden das Lustspiel Die zärtlichen Schwestern von Gellert vorgestellt wurde".
Im Jahr 1752 ging der Hof den 28. Jan. nach Güstrow. Von dort ward am 24. Febr. angezeigt, 1 ) daß es in voriger Woche mit den Hofcomödien der eingefallenen Fastenzeit wegen seine Endschaft erreicht habe. 2 ) Am 24. März kehrte der Hof, welcher am 3. nach Rostock gegangen war, von dort nach Schwerin zurück, wo am Geburtstage des Herzogs (d. 15. Mai) im Comödiensaal das Vorspiel Das Denkmal wahrer Größe von Eckhof und das Schauspiel Der verliebte Philosoph, aus d. Französ. von Gärtner, aufgeführt wurden. Ende Mai's folgte Schönemann dem Hofe wieder nach Rostock, wo die Hofcomödien am 29. Mai ihren Anfang nahmen und zur Geburtsfeier der Prinzessin Ulrike am 1. Jul. ein "schönes Vor= und Nachspiel" gegeben wurden. Später kehrte das Hoftheater wieder nach Schwerin zurück, wo am 9. Nov. der Geburtstag
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des Erbprinzen Friederich mit einem Prolog Die Frucht der Weisheitsliebe und dem Lustspiel Die zärtlichen Schwestern gefeiert ward.
Auch im Anfange des Jahrs 1753 ging Schönemann nach Rostock, wo der Herzog den 12. Jan. eingetroffen war und wo bis zur Fastnachtszeit am Montag, Mittwoch und Donnerstag Vorstellungen gegeben wurden, und zwar die erste am 15. Januar. 1 ) Am 3. Febr., dem Geburtstage der Erbprinzessin Louise Friederike, ward ein Prolog Die Wunder, Die vertraute Mutter und das Nachspiel Egeria aufgeführt; am 8. März, dem Geburtsfeste der Prinzessin Amalia Die Mütterschule und das Nachspiel Damon. In Schwerin dagegen ward am 15. Mai der Geburtstag des Herzogs durch einen Prolog Das Wohl der Länder, das Lustspiel Der Eifersüchtige und das Nachspiel Die neue Probe gefeiert. Später ward in Rostock die Feier der Geburt der Prinzessin Ulrike (am 1. Jul.) bis auf den 4. Julius ausgesetzt, und dazu ein Prolog, das Schauspiel Cenie und das Nachspiel Crispin der Lehrmeister gegeben. Den Geburtstag, des Prinzen Ludwig feierte man den 6. Aug. in Schwerin durch die Aufführung des ganz neuen, aus dem Französischen übersetzten Schauspiels Melanide.
Während der nun erfolgenden Abwesenheit der Schönemann schen Gesellschaft, dem Anscheine nach in Hamburg, wurden auf der Schloß = Schaubühne vom 17. Septbr. an "wieder französische Comödien aufgeführt". 2 ) Zu welcher Zeit dieß schon früher geschehen, ist nicht zu bestimmen. Diese Vorstellungen währten jedoch nicht lange, da schon Anfangs November Schönemann wieder in Schwerin eintraf und am 6. dess. M. seine Bühne eröffnete. 3 ) Am Geburtstage des Erbprinzen Friederich, den 15. Nov., ward der Prolog Die Frucht der Weisheitsliebe, das Trauerspiel Brutus von Voltaire und das Nachspiel Das Portrait gegeben.
Aus dem Jahre 1754 können wir folgende Festvorstellungen anführen:
1.) Am Geburtstage der Erbprinzessin, den 3. Febr., in Schwerin, der Prolog Die Wunder, das Schauspiel Der Preiß der Verschwiegenheit und das Nachspiel Der Liebhaber seiner Frau. 4 ).
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2.) Am Geburtstage der Prinzessin Amalia, ebendaselbst, ein Prolog, die Comödie Der Ehemann durch Betrug und das Nachspiel Das Mündel.
3.) Am Geburtstage des Herzogs Christian Ludwig, d. 15. Mai, gleichfalls in Schwerin, ein Prolog Das Wohl der Länder, die Comödie Der unbesonnene Kluge und eine Pantomime.
4.) Am Gedächtnißtage der Stiftung des Russ. Kaiserl. St. Andreas=Ordens, d. 30. Nov., in Rostock, 1 ) das Vorspiel Das Recht zur Fröhlichkeit, das Schauspiel Der Graf von Neuilli von Boissy und die Pantomime Der betrogene Müller.
1.) Am Geburtstage der Erbprinzessin, in Rostock, ein Impromptü statt eines Vorspiels, nebst einem von dem Hoftänzer erfundenen Ballet, das Lustspiel Die Hofmeisterin von de la Chausée und eine Pantomime des Hoftänzers Die verkleideten Schäfer.
2.) Am Geburtstage der Prinzessin Amalia, in Rostock, ein neues Vorspiel Einsicht und Geschmack, ein Ballet, die Comödie Der unbesonnene Kluge und zum Beschluß eine vom Herzogl. Balletmeister Girard neuerfundene Pantomime Le Pommier, so wie das Lustspiel des St. Foix Julchen oder Die glückliche Probe.
3.) Am Tage der Vermählung der procuraturam des Prinzen Ludwig mit der Prinzessin Charlotte Sophie zu Sachsen =Coburg, den 25. Apr., zu Schwerin, Nachmittags 4 Uhr, Der verheiratete Philosoph, das Nachspiel Die geprüfte Treue und zum Beschluß ein Pantomimentanz.
4.) Am 2ten Tage nach dem Einzug Derselben in Schwerin, d. 15. Mai, Schauspiel im sg. Tanzsaal des Schlosses. 2 )
5.) Am Geburtsfeste der Prinzessin Ulrike, welches vom 1. auf den 14. Jul. ausgesetzt worden war, im Comödiensaal das Vorspiel Das Schicksal und die Comödie Nanine.
6.) Am Geburtstage des Prinzen Ludwig, d. 6. Aug., in Schwerin, ein Prolog und das neue Lustspiel Die unvermuthete Hinderniß.
7.) Am Geburtstage der Gemahlin des Prinzen Ludwig, den 24. Septbr., in Schwerin, ein Prolog Die Freude als
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Lehrerin des Geschmacks und das Lustspiel Der junge Mensch auf der Probe.
8.) Am Geburtsfeste des Erbprinzen, welches vom 9. auf den 12. Nov. verschoben worden, in Schwerin, das neue Lustspiel La fausse antipathie.
9.) Am Gedächtnißtage der Stiftung des Russ. Kaiserl. St Andreas = Ordens, d. 30. Nov., in Schwerin, ein vom Secretair Löwen verfertigtes Vorspiel Marc Aurel oder Das Muster der Menschenliebe, die Comödie der Preis der Verschwiegenheit und das Nachspiel Der Advocat Patelin.
Eine italienische Opern = Gesellschaft, welche im September 1755 aus Hamburg über Lübeck in Schwerin eintraf, debütirte daselbst den 23. Septbr. mit der Oper Tamerlano. 1 ) Sie sollte einige Zeit lang wöchentlich des Dienstags und Freitags Vorstellungen geben. Der Opernmeister hieß Nicolo Peretti, der Capellmeister Antonio Duni. Mitglieder waren die Demoiselles Dominica Lambertini und Anna Maluccelli und Hr. Lingi Palesi. Sie kehrten erst in der Mitte Aprils 1756 nach Hamburg zurück, nachdem Duni, der den Principal verklagt hatte, aber abgewiesen und in die Kosten verurtheilt worden war, 2 ) die Gesellschaft verlassen hatte, welche überhaupt dem Anschein nach in einem der Auflösung nahen Zustande Schwerin verließ. In seinen Contracten nannte sich Peretti "Principal von dem Hamburgischen theatro". - Am Geburtstage der Erbprinzessin, welcher am 4. Febr. 1756 statt am 3. gefeiert ward, führte diese Opern = Gesellschaft Didone abandonnata auf, und am folgenden Tage gab das Herzogl. Hoftheater ein vom Secretair Löwen verfertigtes Impromptü und Die Mütterschule von de la Chaussée. Vereinigt feierten beide Gesellschaften am 8. März den Geburtstag der Prinzessin Amalia durch das Vorspiel Einsicht und Geschmack, durch ein Intermezzo der Dem. Lambertini und des Hrn. Palesi Amor macerato, durch das Schäferspiel Die gelernte Liebe und das neue Originalstück Die Matrone von Ephesus. 3 )
Mit dem Tode des Herzogs Christian Ludwig (d. 30. Mai 1756) hörte Schönemann's Verbindung mit dem Schwerinschen Hofe auf, und er nahm jetzt für beständig seinen Aufenthalt in Hamburg, gab aber schon im folgenden Jahre, nachdem kurz vorher Eckhof sich von ihm getrennt hatte, "bei der Versammlung einer unbeschreiblichen Menge Zuschauer" sein
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Theater völlig auf, 1 ) dessen meiste Mitglieder sich bald mit der Koch schen Gesellschaft vereinigten. 2 )
"So hatte Mecklenburg in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Schaubühne, wie vorher Deutschland noch keine gehabt hatte, und gerade mit dem Jahre, da sie Meklenburg anzugehören anfing und durch die Unterstützung des Hofes von dem Geschmack des großen Haufens unabhändiger ward, verbannte sie alle unregelmäßigen Stücke, die sie bis dahin noch hatte beibehalten müssen. 3 ) Meklenburg hat also um die Bildung des deutschen Geschmacks ein großes, nicht immer anerkanntes Verdienst." 4 ) Löwen meint sogar, 5 ) daß durch die Einwirkung dieser Bühne selbst die Hofleute angefangen hätten, die alte wendische Barbarei zu vergessen und an dem Liebenswürdigen der schönen Wissenschaften Geschmack zu finden.
Einen sichern Beweis des Strebens nach Ausbildung gab die Schönemann sche Gesellschaft durch die von Eckhof gestiftete und am 5. Mai 1753 in Schwerin eröffnete Academie, welche in ihren, alle 14 Tage statt findenden Sitzungen mit der Schauspielkunst wissenschaftlich sich beschäftigte. Schönemann selbst war Praeses, Eckhof Vice = Praeses, Proponent und erster Lector. 6 ) In der ersten Sitzung waren als Mitglieder folgende Personen zugegen: Mad. Schönemann, Dem. Schönemann, Mad. Eckhof, Mad. Rainer, Mad. Starke; Hr. Schönemann, Hr. Eckhof, Hr. Martini, Hr. Kirchhof, Hr. Starke, Hr. Berger, Hr. Schleiffer, Hr. Rainer, Hr. Bernhard Eckhof. Es wurden die 24 Artikel der Grundverfassung der Gesellschaft verlesen, von denen die Artikel 15., 16. u. 17. der Mittheilung nicht unwürdig erscheinen dürften.
"Art. 15. - Die Hauptsachen, die in den Sitzungen vorgenommen werden, sollen in folgenden bestehen: a.) In Vorlesungen derjenigen Schauspiele, die gespielt werden sollen, und soll wenigstens kein Stück aufgeführt werden, bis es in der Sitzung abgelesen worden, ausgenommen Vorspiele und solche kleine Stücke, die oft in der Zwischenzeit von einer Sitzung zur andern verfertigt, gelernt und gespielt werden müssen, und die ein jeder leicht überlesen kann. b.) In gründlichen und genauen Untersuchungen der Charaktere und Rollen solcher
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Stücke, und in vernünftigen Ueberlegungen, wie sie gespielt werden können und müssen. c.) In unparteiischen, ohne Ansehung der Person, von allen Vorurtheilen und Schmeicheleien entfernten critischen Betrachtungen über die Stücke und ihre Vorstellungen, die von einer Sitzung zur andern aufgeführt worden, und wie etwa untergeschlichene Fehler abgeschafft oder verbessert werden können. d.) In vernünftigen Abhandlungen und Erläuterungen über die Schauspielkunst überhaupt, oder über abgesonderte Theile derselben. e.) In bescheidenen Anmerkungen über unsere Pflichten im gemeinen Leben, in so weit sie mit der Aufnahme der Gesellschaft und unsern Theaterverrichtungen in Verbindung stehen. Hierbei finden weder Entrüstungen, Beleidigungen, noch Empfindlichkeiten statt.
Art. 16. - Dieses alles wird hoffentlich zur Aufnahme des Theaters und der Gesellschaft nicht wenig beitragen, und würde also nöthig sein, daß jedes Mitglied der Gesellschaft Theil daran nähme; sollte sich aber jemand von diesen Sitzungen ausschließen, der soll demohngeachtet nicht von obangeführten critischen Betrachtungen ausgeschlossen sein, und soll der Directeur oder Principal der Gesellschaft dahin sehen, daß ein solcher oder solche die etwa in den Sitzungen von ihm oder ihr angemerkten und durch die Mehrheit der Stimmen bestätigten Fehler verbessere und vernünftige Erinnerungen vernünftig annehme. Im Fall aber ein solcher oder eine solche sich darin gegen das Ansehen des Directeurs der Gesellschaft widerspenstig erwiese und sich weigerte, diese Anmerkungen anzunehmen oder sich darnach zu verhalten, so sollen alle und jede Mitglieder der Academie verbunden sein, das Ansehen des Directeurs hierbei zu unterstützen und ihren gefaßten Entschluß gegen den Widerspenstigen aufs nachdrücklichste zu vertheidigen und zu behaupten. Und damit niemandem bei Gelegenheit etwa die vorkommenden Critiken zum Nachtheil gereichen können, so soll von allem, was in den Sitzungen vorgenommen wird, niemals außer den Sitzungen gesprochen werden, noch jemandem, der nicht selbst Theil daran nimmt, das Geringste erwähnt, noch gegenwärtige Artikel oder etwa abgehandelte Schriften gezeigt werden, bei Strafe von 2 Mark oder noch höher, nach Befinden der Sache und Mehrheit der Stimmen.
Art. 17. - Es soll daher auch keinem Mitgliede, wer er auch sei, erlaubt sein, fremde Personen, als die sich unterschrieben haben, in die Sitzung mit zu bringen. Sollte es aber geschehen, daß Freunde der Schauspielkunst von dieser Academie erführen und sie durch ihren Beistand unterstützen wollten, so sollen von ihnen eingesandte Abhandlungen mit Dank ange=
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nommen, abgelesen und, wenn es nöthig sein wird, beantwortet werden; der Zutritt aber soll keinem von ihnen gestattet sein, der nicht wirklich Schauspieler in der Schönemannschen Gesellschaft und vorher gebührend ausgenommen ist, damit nicht etwa vorfallende Betrachtungen bei einem oder anderm Mitgliede durch Gegenwart des Fremden den Schein einer Beleidigung bekommen mögen."
Eckhof erreichte aber freilich seinen bei Gründung dieser Academie ins Auge gefaßten Zweck keinesweges, sondern das ganze Institut scheint mit der Sitzung am 15. Jun. 1754 in Hamburg erloschen zu sein. Wenigstens legte Eckhof in derselben, durch vielfachen Verdruß bewogen, seine Aemter nieder und ermahnte selbst die Versammlung in seiner Abschiedsrede, die Academie lieber aufzuheben als fortzusetzen. "Ich war Mensch", sagte er, "als ich sie stiftete und konnte alle die Hindernisse, die Widerspenstigkeiten, die elenden Spöttereien nicht vorhersehen."
Besondere Auszeichnung in der Schönemann schen Gesellschaft verdienen Eckhofs Gattin, die Tochter des nicht unberühmten Schauspieldirectors Joh. Spiegelberg, 1 ) als Soubrette, Schönemann's Frau, eine geborne Weitzler, 2 ) Schönemann's Tochter, Eleonore Louise Dorothea, geb. zu Lüneburg 1733, und Mad. Starke, geb. Gerhard, welche noch lange nachher eine Zierde der Hamburger Bühne war. Schönemann's Tochter war an den als Dichter bekannten Secretair des Prinzen Ludwig von Meklenburg = Schwerin J. F. Löwen verheirathet. 3 ) Durch seinen Schwiegersohn kam auch Schönemann als Rüstmeister in die Dienste dieses Prinzen. Als solcher lebte er bis zu seinem, d. 16. März 1782 erfolgenden Tode in Schwerin, wo er sich auch mit dem Verkauf von ihm in Commission gegebenen Büchern, mit Bücher = Auctionen . beschäftigte. 4 ) Früher als Schauspieldirector hatte
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er die besten bei seiner Bühne aufgeführten Stücke herausgegeben, 1 ) so wie auch ein Communionbuch von ihm erschienen sein soll. 2 ) - Löwen ward von der bekannten Hamburger Theater=Unternehmung (1767), durch welche Lessing's Dramaturgie veranlaßt ward, zur Aussicht über die Wahl der Stücke und zur Bildung der Schauspieler berufen. 3 ) Er folgte diesem Rufe, gab seine Stelle auf, und seine Frau betrat die Hamburger Bühne "nach neunjähriger Entfernung vom Theater aufs neue in allen den Vollkommenheiten, die Kenner und Nichtkenner, mit und ohne Einsicht, ehedem an ihr empfunden und bewundert hatten. Sie verbindet mit dem silbernen Tone der sonorsten, lieblichsten Stimme, mit dem offensten, ruhigsten und gleichwohl ausdrucksfähigsten Gesicht von der Welt, das feinste schnellste Gefühl, die sicherste wärmste Empfindung, die sich, zwar nicht immer so lebhaft, als es Viele wünschten, doch allezeit mit Anstand und Würde äußert". 4 ) Einen bedeutenden Theil ihrer sittlichen und Geistesbildung verdankte sie dem Unterricht des 1750 verstorbenen Schauspielers und Dichters Krüger. 5 ) AIs 1769 die Hamburger Unternehmung zu Ende ging und Ackermann das Theater wieder übernahm, ging Löwen mit seiner Frau nach Rostock, wo er eine schlechtere Stelle als seine ehemalige in Schwerin übernahm. Er starb daselbst den 23. Dec. 1771 und seine Frau 6 ) den 6. Septbr. 1783.
Von dem männlichen Personale der Schönemann schen Gesellschaft führen wir außer Schönemann selbst, der sich als Lusignan im Trauerspiele und als Bedienter in den Lustspielen des Destouches auszeichnete, besonders Heiderich, 7 )
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später zu Wien, Uhlig, auch als Schriftsteller bekannt, Ackermann, 1 ) in der Folge Director der bekannten Gesellschaft, und vor Allen Conrad Eckhof an, zu dessen unbedingtem Lobe sich alle Stimmen vereinigten. Eckhof war den 12. Aug. 1720 zu Hamburg geboren. Er betrat den 15. Jan. 1740 in Lüneburg bei Schönemann zuerst die Bühne und blieb 17 1/2 Jahre bei dessen Gesellschaft. Dann hielt er sich eine kurze Zeit bei dem Schauspieldirector Schuch auf, kehrte aber, als Schönemann seine Gesellschaft in Hamburg aufgab, zu derselben zurück und führte sie nach Kiel zum dortigen Umschlage, und darauf in den Fasten zu Koch nach Lübeck, der deßwegen von Leipzig hinkam und während des Krieges 6 Jahre in Hamburg blieb, darauf aber nach Leipzig zurückkehrte. Bei dieser Gesellschaft blieb Eckhof bis 1764, in welchem Jahre er zu Ackermann ging und später auch zur Entreprise übertrat, nach deren Beendigung jedoch zu Sailer in Hannover reiste. Mit diesem kam er nach Gotha, wo er den 16. Jun. 1778 als Director des Hoftheaters an einer Brustkrankheit starb und auf Kosten der F.=M.=Loge zum Rautenkranz feierlich beerdigt ward. 2 )
"Sittlichkeit, Richtigkeit, Bildung und Wohlstand", sagt Reichard 3 ) von ihm, "das sind Eckhof's Verdienste um die Bühne, und wer darf sie ihm streitig machen? Seinen eigenen theatralischen Werth habe ich nirgends treffender als in einer alten Schrift geschildert gefunden. ,Er ist nicht ein gemeiner Schauspieler', heißt es darin, ,der um sein Brot zu haben dem Pöbel vorgaukelt oder einige auswendig gelernte Zeilen ohne Gefühl und Kunst herplappert, sondern ein Künstler, der die Schönheiten und Vollkommenheiten seiner Kunst kennt und einsieht, der sie als eine freie Kunst betrachtet und studirt, und mit einer vollkommnen theoretischen Einsicht die genaueste Practik verbindet, der jeden Charakter kennt und empfindet, der kein Wort sagt ohne es zu fühlen, und keinen Gestus, keine Mo=
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dulation anbringt, ohne es überlegt zu haben. Seine Stellung ist jederzeit richtig; bei großen Charakteren groß, bei komischen komisch, bei gebeugten gebeut und bei dummen dumm. Seine Bewegungen sind nicht nur wohl überlegt und durchdacht, und Dollmetscher seiner Seele, sondern auch in ihrer Art vollkommne Muster. Seine Modulation ist unverbesserlich. In leeren Stellen weiß er dieses Leere eben sowohl zu überhüpfen und das Schöne hervorschimmern zu machen, als in gedrängten Stellen jedes Wort mit seinem wahren, eigenen und besten Tone auszusprechen. Seine Declamation ist poetisch, ohne zu scandiren, und pathetisch, ohne schwülstig zu sein. Er kennt das Theater vollkommen und spielt alle Partien als ein Meister. Ein Beweis, daß er ein wirklich großer Schauspieler und sonder seines Gleichen in unserm Vaterlande war, ist, daß in einem Fache, wo Cabale fast noch mehr als in der Gelehrten = Republik gilt, dieser sein Ruhm unangefochten und als außer Zweifel gesetzt blieb." Lessing behauptet von ihm: 1 ) "Eckhof mag eine Rolle machen, welche er will, man erkennt ihn in der kleinsten noch immer für den ersten Acteur, und bedauert, auch nicht zugleich alle übrigen Rollen von ihm sehen zu können. 2 ) Ein ihm ganz eigenes Talent ist dieses, daß er Sittensprüche und allgemeine Betrachtungen, diese langweiligen Ausbeugungen eines verlegenen Dichters, mit einem Anstande, mit einer Innigkeit zu sagen weiß, daß das Trivialste von dieser Art in seinem Munde Neuheit und Würde, das Frostige Feuer und Leben erhält."
Als Schriftsteller für das Theater lieferte Eckhof, so weit uns bekannt geworden: Die Mütterschule, Lustspiel aus dem Französischen; Die wüste Insel, Lustspiel; Der galante Laufer; Crispin als Lehrmeister; Don Quichotte; Mensch auf gut Glück; Der Wucherer ein Edelmann; Blinde Kuh; Der verlorne Sohn; sämmtlich Uebersetzungen. Auch hatte er Antheil an der gereimten Uebersetzung des verheiratheten Philosophen von Destouches. 3 )
Während des Zeitraums von 1740 bis 1756 können wir von andern Schauspielergesellschaften als der Schönemannschen
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nur die des Joh. Friedrich Darmstädter anführen, welcher im Pfingstmarkt des Jahrs 1742 in Rostock "Comödien darstellte". Er wünschte schon gegen Ende des Jahrs 1741 seine Bühne dort eröffnen zu dürfen, besonders da er auch schon vor 7 Jahren die Erlaubniß zu Vorstellungen erhalten, 1 ) jetzt aber nach einem fünfjährigen Aufenthalte am Schwedischen Hofe sich wieder nach Rostock gewendet; was ihm jedoch damals nicht gestattet ward. Gegen den auf dem Markte ausstehenden Arzt, der "wider seine Function Comödien aufführte und zur Theaterzeit mit seinen durcheinander gemengten unordentlichen Voppereien" den Darmstädter um seinen Verdienst brachte, schützte ihn während des Marktes der Magistrat durch die Verfügung, daß der Operateur nur Morgens und Nachmittags bis 6 Uhr, "sein Verfahren treiben solle". 2 )
Die erste Schauspielergesellschaft, welche wir nach dem Schlusse der Schönemann schen Bühne in Meklenburg=Schwerin antreffen, ist die des Johann Martin Leppert. Unterm 12. Aug. 1764 bat derselbe von Rinteln aus den Magistrat zu Rostock, mit seiner regelmäßigen und bestgeordneten Gesellschaft deutscher Schauspieler in Rostock agiren zu dürfen, wozu er in Pyrmont von Sr. Exc. dem Hrn. Oberst v. Glüer, Commandanten von Rostock, aufgefordert worden sei. 3 ) Ob er die ihm ertheilte Erlaubniß sofort benutzt habe, ist uns unbekannt; in Schwerin wenigstens erhielt Leppert erst den 19. Jun. 1766 vom Magistrat die Erlaubniß, "vom nächsten Montag über 8 Tage an auf dem Rathhause eine Zeitlang zu spielen". 4 ) Bei dieser "berühmten" Leppert schen Gesellschaft befand sich Dem. Lucius, welche den 23. Jun. 1772 als verehelichte Räder in Weimar starb, 5 ) und deren Talente und Charakter Gotter in einer Epistel besungen hat; auch Schröter, der erste Waitwell in Lessing's Miß Sara und überhaupt ein im Fache der bürgerlichen, sowohl rührenden als komischen, Alten ausgezeichneter Schauspieler; doch ist es ungewiß, ob dieser schon in Meklenburg bei der Gesellschaft war. Diese Gesellschaft scheiterte 1770 in Straßburg. - Durch einen Regierungsbefehl vom 14. Jul. 1766 ward aber dem Schwe=
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rinschen Magistrate aufgegeben, Leppert nicht weiter spielen zu lassen. Der Magistrat verwahrte seine landesgrundgesetzlichen Gerechtsame, versprach jedoch auf Ersuchen des Ministeriums, vor der Hand keine Schauspielergesellschaften weiter zuzulassen. 1 )
So ward seit dem Regierungsantritt des Herzogs Friederich der Schauspielkunst in Meklenburg=Schwerin aus religiösen Grundsätzen nicht nur alle höhere Unterstützung entzogen, sondern ihr sogar, so weit der Einfluß des Hofes galt, der Zugang verweigert. Nach Rostock und Güstrow indeß kamen immer noch wandernde Gesellschaften, deren Loos aber gewöhnlich war, dort ihr Schwanenlied zu singen. Durch zu geringe Einnahmen wurden sie in Schulden gesetzt, und durch die Unmöglichkeit, ihre Gläubiger zu befriedigen, weilten sie dann länger als es selbst ihr Wille war. So schlug dann am Ende die Stunde ihrer Auflösung. 2 )
In der ersten Adventswoche des Jahrs 1767 gab zu Rehna eine "Bande sogenannter Comödianten unter häßlichen Zoten ganz unanständige Vorstellungen", zu deren Einstellung der Magistrat bei Strafe von 50 Rth. für jedes Mitglied desselben aus eigenen Mitteln von Herzogl. Regierung befehligt ward, wogegen der Magistrat anführte, daß nur zwei Vorstellungen und zwar "Schäferspiele" gegeben worden wären. 3 ) - Im Jahr 1768, im Mai, erbat und erhielt Erlaubniß François Lambert Yilly, damals in Wismar, in Rostock mit seiner Gesellschaft von 7 Personen Opern und Pantomimes en ballet aufführen zu dürfen. 4 ) Im November desselben Jahres gab auf dem Ballhause in Rostock eine Gesellschaft italienischer Operisten Vorstellungen, und später, in der ersten Adventswoche, geistliche Concerte. Im Februar 1769 ward gleichfalls in Rostock den Herren Porsch und Heinrici "Directeurs von der Bande studirter Comödianten und Mitglieder der teutschen Gesellschaft zu Jena", erlaubt, auf ihre Gefahr und Kosten einen Versuch mit ihren Schauspielen zu machen. 5 ) - Gegen Ende des Jahres1769 ward in Schwerin der Constantinischen Operngesellschaft nach manchen Anfechtungen vergönnt, "in ihren gewöhnlichen Anzügen mit wenigen gestibus, ohne Theater und Auszierungen musikalische Vorstellungen geben zu dürfen. Con=
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stantini war vorher schon in Güstrow und Bützow gewesen, wohin er von Meklenburg = Strelitz gekommen. 1 ) - In den Jahren 1772 und 1773 spielte in Güstrow und Rostock die Barzanti sche Gesellschaft, deren Director Mitglied des Schuchschen Theaters gewesen war. 2 ) Die im Jahr 1773 von Barzanti in Güstrow gegebenen Vorstellungen waren 3 ): 1.) Minna von Barnhelm; Die 2 lächerlichen Bauerjungen, Ballet. 2.) Der Lotteriespieler oder Die 5 glücklichen Nummern; Apollo unter den Hirten, Singspiel. (Anmerkg. Die Entwickelung des heutigen Stücks läßt Leandern eine Quaterne gewinnen; möchten doch alle unsere resp. Gönner in der nächsten Ziehung, wenn sie in die Lotterie gesetzt, ein gleiches Glück haben.) 3.) Die verstellte Kranke oder Der taube Apotheker und Ballet 4.) Die Apotheke, kom. Operette; Der erschossene und wieder lebendige Arlequin, Ballet 5.) Der junge Gelehrte; Die Weinlese in Sürenne. 6.) Der Lügner von Goldoni; Der Hausknecht oder Der lächerliche Zweikampf, Lustspiel. 7.) Miß Fanny oder Der Schiffbruch und Ballet. 8.) Die schlaue Wittwe oder Die 4 Nationen von Goldoni. (Nachricht: Der Hr. Verf. hat die Liebe verschiedener Nationen geschildert, und indem er denen Italienern darinnen den Vorzug der Beständigkeit ertheilt, so hat er durchgängig so viele schöne Auftritte angebracht, und besonders in der Entwickelung ein Meisterstück bewiesen, daß wir ohne zu viel zu hoffen uns schmeicheln können, unsere resp. Zuschauer werden in diesem Stücke vergnügt unterhalten werden, so wie wir uns alle mögliche Mühe geben werden, Dero Zufriedenheit und Beifall zu erhalten.) Ballet 9.) Die Jagd 10.) Die Jagd 11.) Medon oder Die Rache des Weisen von Clodius, und Ballet 12.) Der durch den Cupido beglückte Arlequin, große opera pantomima; Der bestrafte Hochmuth, Lustspiel; Die durch den Arlequin befreite Sclaven, Ballet. 13.) Amalia oder Das Muster der ehelichen Liebe; Die wunderbare Mühle die Weiber jung zu machen, Ballet. 14.) Die Liebe auf dem Lande; Der Mechanicus, Ballet. 15.) [d. 20. April] Der Postzug oder Die noblen Passionen; Die Gouvernante, kom. Operette. 16.) Arlequin's Triumph, opera pantomima; Der gefürstete Schuster Lustspiel von Holberg. 17.) Romeo und Julie Trauerspiel; Pas de trois. 18.) Der Deserteur; Die Dre=
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scher oder Die Landwirtschaft, Ballet. 19.) Die ungewöhnlichen Nebenbuhler, Lustspiel; Der ungetreue Schäfer, Lustspiel. 20.) List über List; Der reisende Capellmeister, Ballet. 21.) Die Liebe auf dem Lande und Ballet. 22.) Der Lügner und Ballet. 23.) Minna von Barnhelm und Ballet 24..) Die schlaue Wittwe und Ballet. 25.) Eeugenia und Ballet. 26.) Der Kaufmamn von London von Lillo; Die angenehme Schäferflur, Ballet. Außerdem liegen uns 5 Zettel vor, aus denen sich die Bezeichnung "Herzogl. Mekl.= Strelitzsche privelegirte Barzantische Gesellschaft" findet, nämlich: 1.) Freund und Feind oder Der Zweikampf; Die Weinlese in Sürenne. 2.) Die Liebe auf dem Lande und Ballet. 3.) Die verwandelten Weiber. 4.) Emilia Galotti. 5.) Die Apotheke; Die Haubenhefterin oder Die Verliebte in 3 Liebhaber, Ballet. - In den Pfingsten 1773 hielt sich Paulo Barzanti zu Rostock auf, und erhielt, da er bei seiner Abreise von dort, im August, viele Schulden hinterlassen mußte, die Concession, im November oder gleich nach Weihnachten wieder kommen zu dürfen, mit gänzlicher Ausschließung anderer Gesellschaften bis dahin. 1 ) Er wandte sich von Rostock nach Wismar und bekam dorthin unterm 6. Sptbr. vom Magistrat zu Schwerin die Erlaubniß, auf dem Rathhause in Schwerin "allerhand equilibristische und andere Kunststücke, auch Musik, um durch Kinder eine oder andere Operette aufzuführen", geben zu dürfen. Seine Vorstellungen wurden jedoch gleich anfangs [d. 16. Sptbr.] aus den bekannten Rücksichten geschlossen. 2 ) - Im April und Mai des Jahrs 1774 finden wir diese Gesellschaft noch in Güstrow. 3 ) - Barzanti hatte einen ausgezeichneten komischen und auch in andern Fächern brauchbaren Schauspieler an Joh. Dav. Reinwald, welcher nachher Mitglied des Berliner Theaters ward. Dieser wollte in Güstrow die Dem. Sommer, welche die Liebhaberinnen in den Weißeschen Operetten spielte, heirathen, mußte aber die Heirath aussetzen, weil man in Güstrow keinen Schauspieler copuliren wollte. 4 ) Sie ward in späterer Zeit von ihm geschieden und heirathete den Schauspieler Rennschüb (Büchner). 1792 verließ sie die Bühne. Als erste Liebhaberin erhielt eine Mad. Eilenberg vielen Beifall. Andere Mitglieder waren die Herren Keiser und Lück. Zu dieser kleinen, aber achtungswerthen Gesellschaft, bei welcher auch Unzelmann debütirte, kam nach=
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her noch die Keilholzsche Familie. Bald aber scheiterte sie und Reinwald mit seiner Braut und Unzelmann 1 ) gingen nach Berlin. Barzanti starb im Jahr 1779 zu Reval mit dem Ruhm eines guten Schauspielers im komischen Fache und eines rechtschaffenen Mannes. 2 )
1775, d. 9. Nov., bat Peter Florenz Ilgener von Neubrandenburg aus den Rostocker Magistrat um Concession für den Winter 177 5/6. Er bemerkte, daß er seit zwanzig und einigen Jahren Directeur und privilegirter Hofschauspieler von Chur=Cölln, Anspach, Würtemberg, Würzburg und Hildburghausen sei, und daß er seine "von allen Schmutz, Hannswurst und pourlesquen unflätereyen gereinigten Schau = Lust = und Trauerspillen als comischen opern mit aller Aufnahme der Herrschaften u. des ganz feinen u. kenntnißreichen Publicums" gegeben habe. 3 ) Er durfte seine Bühne eröffnen und seine Vorstellungen veranlaßten einen "Versuch einer Kritik über die Ilgener sche Gesellschaft" (vom Dr. Koppe, Rostock 1776), den man in Reichard's Theaterjournal. 1779. St. 11. S. 76, abgedruckt findet.
Als in der Fastenzeit des Jahres 1776 die 1770 gebildete Amberg sche Gesellschaft zu Stralsund auseinander ging, begab sich ein Theil der Mitglieder mit dem Balletmeister Reymann ( Amberg's Schwiegersohn) nach Rostock, vereinte sich aber nach 14tägigem verunglückten Versuche eigener Vorstellungen mit der Ilgener schen Gesellschaft, welche sodann Lübeck, Stralsund, Rostock und Güstrow besuchte. 4 ) Die besseren Mitglieder, z. B. Gödel, der Ilgener's älteste Tochter geheirathet hatte, verließen sie jedoch bald. 1778 ging sie von Greifswald nach Güstrow, worauf sie sich nach Rostock wandte und dann im Sptbr. nach Güstrow zurückkehrte. Ueber ihre Vorstellungen in Güstrow im Jahr 1778 theilen wir nach einer Zettelsammlung folgendes mit: d. 15. Mai Die verschwisterte Thalia mit Melpomene, Vorspiel von Ilgener; Richard der Dritte, Trauerspiel von Weiße; Der Streit zwischen den Engländern u. Türken, Ballet. d. 18. Der Essighändler
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mit seinen Schubkarren; DerVogelfänger, Ballet. (NB. Das Comödienhaus [im Hinterhause des Kaufmanns Böhmer in der Holzenstraße] ist ganz ausgebessert; auch sind Erfrischungen zu haben.) d. 19. Der Deserteur; Der Hausknecht, Lustspiel. - Elfride, Trauerspiel; Die große Mithridatfabrique zu Venedig oder Der betrogene Apotheker, Ballet. - Der poetische Dorfjunker u. Ballet. - Der Graf von Walltron. - Der Erndtekranz. - Die Zwillinge, Trspl. von Klinger; Das durch die Liebe gestörte Concert, Ballet. - Die Dorfdeputirten, kom. Oper. - Hamlet. - Der Schein betrügt u. Ballet. - Der Dorfbalbier; Der dankbare Sohn. - Die Nebenbuhler; Die zerschnittenen Qvinten, Ballet. - Zum Letztenmal: Das Opfer der Schauspielkunst, musikal. Vorspiel von Ilgener; Präsentirts Gewehr!; Der geplünderte Jude oder Die verwiesenen Egyptier, Ballet.
Bei dem Todesfall des Prinzen Ludwig zu Meklenburg= Schwerin (d. 12. Sptbr. 1778) durfte die Gesellschaft der Landestrauer wegen bei ihrer Rückkehr nach Güstrow ihre Vorstellungen nicht anfangen. Die hierdurch verursachte Schuldenlast konnte durch die nachmalige Einnahme nicht getilgt werden, weßhalb sich denn die Gesellschaft mit dem Advente trennen mußte. 1 ) Ilgener selbst machte Bankerott u. der Bescheid in seiner Concurssache erfolgte der 16. Apr. 1779 beim Magistrate zu Güstrow. 2 ) Die bedeutendsten Mitglieder seiner Gesellschaft waren damals: Mad. Vittarsi; Fischer, der in Güstrow blieb, sich dem Unterrichte widmete und später Director in Schwerin ward; Looff; Michaud, seit dieser Zeit Mitglied und zuletzt Inspector der Hamburgschen Bühne; Ohlhorst, kein schlechter Sänger; Mad. Ilgener und Dem. Ilgener, nachmalige Mad. Dörr, gest. 1797 zu Schleswig. 3 ) In der Folge findet sich Ilgener noch an der Spitze kleiner Schauspielergesellschaften, namentlich zu Ratzeburg, Harburg und Altona, 4 ) und er starb 1788 zu Gautsch bei Leipzig. 5 ) Als Schauspieler war er in einigen komischen Rollen ganz erträglich, aber im Ganzen höchst pedantisch und geschmacklos. Von seinem Ruf als Schauspieldirector zeugt folgende Anecdote. Als Lessing sich im Winter 177 4/5 Tage in Leipzig aufhielt, gab Ilgener ihm zu Ehren die "Miß Sara Sampson". Lessing
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lehnte es ab, der Vorstellung beizuwohnen und erwiderte einem Leipziger Gelehrten, der ihm bemerklich machte, daß man sein Kind, wenn auch etwas zerlumpt, doch immer gern sähe - "das wohl; aber wenn ich's nun am Galgen finde?" - Außer dem ganz interessanten Unsinn auf seinen Comödienzetteln, wovon wir unten Einiges mittheilen werden, verdienen noch eine Rede, welche er in Rostock an das Publicum hielt, und ein kurzer Auszug aus einem Briefe an einen Collegen, zur Charakteristik des Mannes angeführt zu werden.
"Hochwohlgeborne, geneigte, große Seelen!
Des edlen Rostocks schönste Zierd - -
Was für ein Bild soll ich erwählen,
Das Euer Bild im Abriß führt?
Ich will und muß — doch beim Ewählen
Kann mir vielleicht der Ausdruck fehlen,
Der Eures Lobes Größe zeigt.
Kühn durch die Dankbegierd' und Ehre,
Da sich zum drittenmal heut Ilg'ner vor Euch beugt,
Erhebt er Euch zu jener Spähre,
Die an das Paradies sich gränzt,
Wo Euer Ruhm am schönsten glänzt.
Wo soll ich Grund zum Lob erfinden,
Das Eurer Tugend ähnlich sei?
Nur ähnlich - denn es zu ergründen
Bin ich vor Euch zu blöde, schwach und scheu.
Allein die Ehrfurcht spricht und denket,
Die mich zu Eurer Großmuth lenket.
Durch Euch Ihr Damen wird belehret,
Ob Euch mein heutig Spiel gerührt,
Wenn Eure Gunst mich ferner ehret,
So bin ich davon überführt,
Daß einst mein Fleiß, daß unsre Mühe
Aus Eurem Beifall Nutzen ziehe.
Verehrungwerthe Schauerzahl - -
Was soll ich Dir zum Opfer weihen?
Du schenkst mir Deine Huld zum drittenmal - -
Dies heiß Dich künftig mit mir freuen.
Dein Zuspruch lehrt, daß unser Spiel
Bisher Dir unverdient gefiel.
Gepriesner Adel laß mich hoffen,
Daß Dir mein Fleiß einst würdig dünkt,
Und laß mir Herz und Ohren offen,
Wenn Dir die trag'sche Muse winkt!
Ich werde keine Mühe scheuen,
Und eifern, Dich stets zu erfreuen.
Ihr, die die Tapferkeit und Muth
Mit Waffen umzugehen lehret,
Zeigt, daß da noch der Kriegsgott ruht,
Nur Geist die schönen Künste ehret.
Es fühlet Kunst und Wissenschaft
Durch Euren Beifall neue Kraft.
Und ihr gelehrte, große Männer!
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Des Staates Stützen - - Euer Blick
Zeigt, daß Ihr bloß des Schauspiels Kenner
Stürzt mich aufs Alterthum zurück.
Selbst Rom, die Vaterstadt der Weisen,
Kann, wär' es noch, Euch nie recht preisen.
Wenn mich Eu'r Beifall klatschend ehrt,
So hat es mir zwar oft geschienen,
Ich sei der Gnade kaum halb werth,
Doch bin ich stolz sie zu verdienen.
Bewegen, rühren, wenn man spricht,
Ist meines Standes erste Pflicht;
Und welch ein Lob zu Deiner Ehr',
Verehrungswerthe Kaufmannschaft - -
Das Lob spricht, Du gebrauchst nichts mehr,
Dein Beistand gibt der Bühne Kraft,
Du weißt der Welt Dich nützlich zu bezeigen,
Drum muß ein kühnes Lob vor Deiner Tugend schweigen.
Nun Gönner, Euch empfehl' ich mich!
Entzieht mir ja nicht Eure Huld.
Verbleibt mein Schutz, das bitte ich,
Und mit den Fehlern habt Geduld - -
Ich weiß, Ihr wißt ein jedes Stück zu schätzen - -
Ich hoff, ein Lustspiel soll Euch morgen recht ergötzen,
"Die Nebenbuhler" wird's genannt,
Voll Geist, voll Witz und voll Intriguen - -
Es wird des Kenners Herz vergnügen.
Auch zum Beschluß wird ein Ballet gemacht,
ihr Gönner bleibt mir hold, ich wünsche gute Nacht." 1 )
"Lieber Freund!
- - Sie klagen, daß Ihnen das Publicum den Beifall versagt, ich bedaure Sie nicht im geringsten, denn Sie sind selbst Schuld, weil Sie alle Ihre guten Leute zuerst auftreten lassen. Versuchen Sie es einmal und machen es so wie ich, so werden Sie wenigstens im Anfange das Publicum täuschen, zumal wenn Sie, wie ich, das Glück haben, Oerter zu finden, wo wenig oder gar keine Kenner sind. Ich lasse alle meine guten Acteurs nicht eher in Hauptrollen auftreten, bis ich das Publicum so an mich gewöhnt habe, daß es schlechthin in einem Stücke, wo ich nicht mitspiele, mich vermissen muß. Der erste Eindruck findet das Publicum am willigsten, besonders die Nichtkenner. - - Zwar schicken sich viele der Rollen nicht für mein Alter, aber das muß man dem Publicum nicht weiß machen. - - Hat nun das Publicum verschiedene Rollen gesehen, so wird es gewiß gern die andern vergessen. - - Ja ich habe oft das Vergnügen gehabt zu sehen, daß man die
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andern aufmunterte mir nachzuarbeiten. Auch hieß es an manchem Orte, ich sei in allen Fächern gleich stark. ."
Titel, welche Ilgener den aufzuführenden Stücken gab:
1.) Die Jagd oder Der König im Walde, eine Oper mit einem Donnerwetter.
2.) Minna von Barnhelm oder Der Major mit dem steifen Arme.
3.) Romeo und Julie oder Der unvermutete Ausgang auf dem Kirchhofe.
4.) Tancrede und Amenaide oder Die siegende Ritterschaft und Republik von Syracusa. Ein zur Ehre einer hohen Noblesse u. andern hohen Gönnern, aus dem Französ. des Hrn. v. Voltäre von einem gelehrten u. berühmten Schausspieler von des *** Gesellschaft, Mons. Porsch, übersetzt, ausnehmend opernmäßiges Schauspiel in 5 Aufzügen, mit Pauken u. Trompeten begleitet.
5.) Der Geizige oder Harpagon der alte Schabhals. (Dieser Zettel hatte eine Nachricht, welche am Schlusse sagte: "Das Vorurtheil wider die Comödien wird ganz unter die Füße getreten, wenn man heute des Directeurs Eifer und Arbeit in der Rolle des Geizigen sehen wird".)
6.) Die Liebe auf dem Lande oder der Herr Schösser im Schafstall. (NB. Der Hr. Directeur wird sich heute zur Bewunderung in der Rolle des Schössers zeigen.)
7.) Miß Sara Sampson oder Die rachgierige Marwoud. (NB. Jeder Kenner wird heute vor dem Spiel der Mad. Directrice erstaunen.)
8.) Der Graf von Olsbach oder Das unverhofft geknüpfte Band. (NB. Der Directeur, den man heute gewiß in der Rolle des Stornfels bewundert, wird an alle Zuschauer eine Abschiedsrede halten. Folgender Vers aus dieser Rede mag ein Pröbchen seyn:
O könnt ich doch den Geist erlangen,
Womit ein Weiß und Lessing prangen,
Ich wagte hier ein großes Werk.)
9.) Herr von Hasenkopf der Furchtsame oder Viel Narren in einem Stück. (Das critische Auge wird vielleicht über unsern heutigen Tittel sich in etwas verzerren und dabei ausrufen: welch wunderlicher Tittel! Da man aber anfängt, mehr Geschmack an komischen als tragischen Scenen zu sammeln, so wollen wir also hauptsächlich benachrichtigen, wer sich recht satt lachen will, der kann sich heute den Bauch so erschüttern, daß ihm gewiß die Abendmahlzeit noch einmal so gut schmecken wird.)
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10.) Die schlaue Wittwe oder Die 4 Nationen zu Liebhabern, als Spanier, Engländer, Italiener und Franzosen. (Nun so wollen wir doch auch heute einmal recht lachen. Die schlaue Wittwe kann heute allen Frauenzimmern viel Lehren geben, wie man in der Wahl bei Heirathen und Ehestiftungen verfahren solle. Die Augen der Vernunft muß jedes Frauenzimmer aufthun, wenn es sich von mehr als einem Ambassadeur angegangen sieht - Ihr Schönen besucht uns alle! alle! - aber nehmt nur nicht zuviel mit von der Bühne, sonst möcht' es für die schmachtenden Liebhaber im bürgerlichen Leben nachtheilig sein.)
11.) Hamlet, Prinz von Dänemark oder Die Comödie in der Comödie. (Heute ruft der Kenner jung und alt zu: hört, hört heute des Hamlets nervoese Gedanken! Seid aber ja alle, alle aufmerksam, damit ihr nichts von dessen Schönheit durch unerträgliches Geräusch verlieret. NB. Die 3 Acteurs der kleinen Comödie sind extra Schauspieler.) (Mad. Gödel wird heute in der Rolle der Ophelia zeigen, was die Schauspielkunst für große Wirkungen vermag, und Hr. Gödel wird als Hamlet durch sein meisterhaftes Spiel zur Bewunderung hinreißen, so wie der Directeur in der schweren Rolle des Geistes sich den Beifall eines hochgeneigten Publicums nicht unwerth bezeigen wird. - O! hochpreisliches Publicum! komm und sieh! so wirst Du empfinden, welch ein Unterschied es ist, wenn der Hamlet von wahren Schauspielern oder Stümpern aufgeführt wird, und wir das Costüm in Kleidung und Decorationen beobachten werden.) 1 )
Im Jahr 1777 fand sich ein Hr. Brenner, seit 1773 Principal einer Truppe zu Inspruck und später Mitglied der Wäser schen Gesellschaft, in Güstrow ein, wo er seine Bühne mit Ariadne auf Naxos eröffnete. Seine Gesellschaft bestand außer ihm aus einer Schauspielerin (Dem. Gleixner? ) und zwei schlechten Schauspielern. Er starb d. 27. Jun. 1779 als Mitglied des Constantini schen Theaters in Lüneburg. 2 )
In Rostock ward zum Pfingstmarkt des Jahres 1779 der Schauspieldirector Constantini, welcher zuletzt in Cassel, Celle und Lüneburg Vorstellungen gegeben, zugelassen, nachdem die früher für 2 Monate concessionirte Gesellschaft des Directors Preinfalck in Stralsund auseinander gegangen war. 3 ) Con=
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stantini's Gesellschaft bestand aus folgenden Mitgliedern:
Hr. Constantini, Vetter des Directeurs, Musikdirector; Mad. Albrecht, erste Mütter, Kupplerinnen und Soubretten, singt die Mutter in der Oper; Dem. Constantini, zweite Liebhaberinnen und unschuldige Rollen, singt und tanzt; Mad. Hartmann, Mütter und Vertraute; Mad. Lindner, Anfängerrollen; Mad. Wothe, erste Liebhaberinnen im Schau= und Singspiel; Hr. Albrecht, kom. Alte, Bauern und Pedanten, ist zugleich Theatermeister; Hr. Antoni, Bediente, Buchhalter ., singt; Hr. Hartmann, Bediente und Nebenrollen; Hr. Huber, Bauern und niedrige Rollen; Hr. Kramp, erste kom. Bediente, Wirthe und Pedanten; Hr. Stierle, erste Bediente, Deutschfranzosen, singt den ersten Tenor; Hr. Wothe, zweite Liebhaber im Schau= und Singspiel. 1 )
Außer Rostock sahen die übrigen Städte nach der Trennung der Ilgener schen Gesellschaft während der spätern Regierungszeit des Herzogs Friederich keine Schauspiele weiter, worüber von dem städtischen Convent Ende 1779 dem Herzoge folgende Versicherung gegeben ward:
"Durchl. .
Ew . so beruhigende Landesregierung versucht Höchstdero treugehorsamste Städte nicht nur in muthvoller Zufriedenheit, sondern erweckt in ihnen auch das Bestreben, der Herzogl. Neigung nach Möglichkeit zuvor zu kommen. Sie haben seit einiger Zeit wahrgenommen, daß Comödien, Marionettenspiele, maskirte Bälle, mit Gefahr vermischte Künsteleien und dergleichen öffentliche Gaukelwercke dem landesväterlichen Herzen, das nur die wahre Vervollkommnung der Unterthanen schätzt, einen widrigen Eindruck gemacht. Auf landesvergleichmäßig vorangegangenes Ausschreiben der Vorderstädte hat also der gegenwärtige Convent den freiwilligen Entschluß gefaßt, mit Begebung dieser gesammten Mißfälligkeiten ihrem mildesten Beherrscher während desselben, Gott gebe aufs späteste dauernder Regierung ein Opfer ihrer Devotion zu machen, und unterthänigst zu ersuchen, Höchstsie geruhen in Gemäßheit der lautersten Quelle, woraus es geflossen, Sich solches in Gnaden gefällig sein zu lassen.
Anwesende Versammlung hält sich für glücklich, daß so eben eine zur Vermehrung des Herzogl. Hauses erfreuliche Begebenheit 2 ) ihr Anerbieten zur huldreichen Annahme begünstigt,
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und erbittet sich die Erlaubniß, dazu den in Treue geweiheten Glückwunsch darzubringen. Die gütigste Vorsehung, die so viele Zeiten hindurch über dem Durchl. Meckl. Regentenstamme zur Wohlfahrt des Landes besorgt gewesen, wolle fernerhin für dessen Erhaltung, Aufnahme und immerwährende Glückseligkeit walten, und Ew. . davon die vorzügliche Erfahrung geben, zugleich aber auch die treugehorsamste Landschaft in Höchstdero gnädigstem Zutrauen und wohlaffectionirter Gesinnung immer mehr und mehr befestigen, als wozu deren Deputati sich mit den eifrigsten Wünschen zur gewissen Erhörung empfehlen und mit der unverbrüchlichsten zele unterschreiben
Ew. . | |
unterthänigste, auf jetzigem Convent | |
Sternberg, | versammelte Deputierte von Städten |
d. 22. Nov. 1779. | mecklenb. und wendischer Craysen. 1 ) |
Wie schon im ersten Quartalberichte des Vereins geschehen, bittet der Verf. wiederholt um gefällige Mittheilung sowohl ihm unbekannt gebliebenen Materials als auch etwaniger Berichtigungen und Zusätze zu Vorstehendem, indem derselbe beabsichtigt, die Geschichte unseres Theaters, bis zum Jahre 1835 fortgesetzt, bald selbstständig erscheinen zu lassen. Nachträglich ist nur noch zu bemerken, daß nach Plünicke's Theatergeschichte von Berlin (1781) unterm 2. Dec. 1702 und 26. Nov. 1704 den Meklenburgischen Hofcomödianten die nachgesuchte Erlaubniß zu Vorstellungen in Berlin erteilt worden ist.