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III.

Bisher unbekannte und
unveröffentlichte Originalbriefe
der Großherzogin Alexandrine

der Gemahlin des Großherzogs Paul Friedrich
Mutter Friedrich Franz II.

mitgeteilt von

Dr. von Langermann

 

Vignette
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Die Töchter Friedrich Wilhelms II. von Preußen und der Königin Luise, die ja aus dem mecklenburgischen Fürstenhause stammte, die Prinzessinnen Charlotte, Alexandrine und Luise, wurden in ihrer Jugendzeit am preußischen Hofe von ihrem Hauslehrer Friedrich Schmidt unterrichtet. Alle drei bewahrten diesem ihren langjährigen Lehrer auch nach ihrer Verheiratung ein dankbares Gedenken. Die Briefe, die sie noch nach Jahren, vielen Jahren an ihn schrieben, vererbten sich in der Dessauer Nachkommenschaft des aus Dessau stammenden Schmidt bis auf den heutigen Tag und liegen im Original vor dem Schreiber dieser Zeilen (in Dessau).

Fünf dieser Briefe sind von der Hand der Prinzessin Alexandrine, der späteren Erbgroßherzogin und Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, die also in die mecklenburgische Heimat ihrer edlen Mutter, der Königin Luise, zurückkehrte.

Bevor wir nun diese schönen und höchst charakteristischen Briefe Alexandrines, der Schwester des alten Kaisers 1 ) und Mutter des Großherzogs Friedrich Franz II. wiedergeben, zunächst ein paar erklärende Worte über den, an den sie gerichtet sind, an den einstigen Lehrer Alexandrines, Professor Schmidt.

Schmidt, ein an Wissen und Charakter gleich hervorragender Mann von edelstem Menschentum, ein wahrer Erzieher der Jugend und Menschenbildner, war 1776 als armer, aber rechtschaffener Leute Kind in Dessau geboren. Hier genoß er auch den Unterricht des berühmten, von Basedow und dem Fürsten Franz ("Vater Franz"), dem von Goethe bewunderten Schöpfer des herrlichen Wörlitzer Parks, gegründeten Dessauer Philanthropins. 1805 kam der noch jugendliche Schmidt als Lehrer an einer Handelsschule nach Berlin. Doch schon bald wurde ihm nun der Unterricht bei den königlichen Prinzessinnen übertragen.

Im Juni 1817 verlor er seine erste Schülerin, die Prinzessin Charlotte, die als verlobte Braut des Großfürsten Nikolaus, des späteren Kaisers Nikolaus I., nach Petersburg abging. Und im Mai 1822 verließ ihn die Prinzessin Alexandrine, die sich, als Neunzehnjährige, mit dem Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin vermählte.


1) Die Briefe des Kaisers an seine Schwester Alexandrine sind von Johannes Schultze bearbeitet und 1927 im Verlage K. F. Koehler, Berlin und Leipzig, erschienen.
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Zwei Jahre vorher, 1820, war Schmidt zum Professor ernannt worden. 1832 schloß er seine langjährigeTätigkeit als Lehrer am preußischen Hofe ab. Der König übertrug dem bewährten Manne nunmehr das Amt eines Kustos der Kartenabteilung der preußischen Staatsbibliothek. Hier hat Schmidt als Kartenentwerfer und -zeichner noch viele Jahre bahnbrechend gewirkt. Er starb zu Beginn des Jahres 1849. Dann kehrte seine Witwe, die gleich ihm aus Dessau stammte, nach Dessau zurück. So kommt es, daß jene Briefe nach Dessau kamen, wo sie noch heute sind. - Und nun zu unseren Briefen! Den ersten schreibt die jungvermählte Erbgroßherzogin (aus Doberan) zwei Monate nach ihrer Hochzeit. Er lautet:

I.

Dobberan, d.24.Juli 1822.

Mein bester Herr Schmidt.

Sie haben mich sehr angenehm überrascht durch Ihren freundlichen Brief. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen dafür danken soll. Ich will Ihnen aber meine Freude dadurch zeigen, daß ich Ihnen so schnell antworte, besonders da ich jetzt recht viel unwohl bin, Ihnen aber gerne diese gesunde Stunde weihe. - Mir geht es im neuen Vaterlande unendlich gut, ich bin aber auch mit so viel Liebe empfangen worden, daß es garnicht anders sein kann. Der Großherzog 2 ) behandelt mich mit soviel Güte, und meine Schwiegermutter - eine solche Frau giebt es wirklich nicht mehr! Ich hänge auch mit ganzer Seele an ihr, sie besitzt mein ganzes Vertrauen, sie liebt mich aber auch sehr und steht mir immer mit ihrem guten Rath bei. Sie würde Ihnen, liebster Herr Schmidt, sehr gefallen. Sie ist aber von einer ganz anderen Art, als Tante Wilhelm 3 ), wohl viel strenger in ihren Grundsätzen.

Nun muß ich Ihnen doch ein wenig von meinem jetzigen Aufenthalt erzählen. Dobberan liegt in einer Tiefe, die sehr fruchtbar ist. Der Ort an sich ist natürlich ganz klein, daher so sehr ländlich, was ihm eben das angenehme Ansehen giebt. Das Haus des Großherzogs, in dem ich wohne, liegt sehr freundlich, da es auf dem Camp ist, welches ein großer Platz ist, auf dem viele schattige Alleen angelegt Sind. In der Mitte


2) Friedrich Franz I.
3) Amalie Marie, die Gattin des Prinzen Wilhelm Karl, des zweiten Bruders des Königs. Nach dem Tode der Königin Luise war sie die erste Frau des Hofes. Beider Sohn ist Adalbert (geb. 1811), der spätere bekannte Admiral.
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ist ein schöner grüner Platz, dessen eine Seite mit Bondikon eingefaßt ist, von dem ich Ihnen einige Proben schicke und Sie bitte, dieselben unter Ihrer Familie zu vertheilen. Eine halbe Stunde von dem Orte sind die Badehäuser, dicht an der See selbst. Der Eindruck, welchen die See auf mich gemacht, ist unbeschreiblich. Es ist ein so erhabner Anblick, besonders wenn es stürmisch ist. Seit meinem dritten Lebensjahre hatte ich die See nicht gesehen; man fühlt sich so klein und nichtig, wenn man am Ufer steht; und nun erst, wenn man darauf herumfährt! Zweimal bin ich von ihr schon leicht hinweggetragen worden.

Leben Sie nun wohl, lieber Herr Schmidt, nehmen Sie noch meinen Dank für Ihren Brief! Ich hoffe, daß es Ihnen noch immer recht gut gehen mag. Recht oft bedauere ich es, daß ich Ihren Unterricht missen muß, er war mir soviel werth. Noch bin ich nicht dazu gekommen, mich recht ernsthaft zu beschäftigen. Dies muß man aber einer jungen Frau zu gut halten, die nur glücklich ist, wenn ihr Mann um sie ist, und dieser wohl manche Störung verursacht. Doch seien Sie überzeugt, daß ich Ihrer noch mit recht viel Liebe gedenke! Schreiben Sie mir einmal wieder, wenn Sie Zeit haben.

Ihre dankbare Schülerin               
Alexandrine.   

Kameke grüßt Sie herzlich.

II.

Ludwigslust, d. 30. Dec. 1822.

Lieber Herr Schmidt!

Ich danke Ihnen sehr für das übersandte Buch und für Ihren Brief, welcher mir viel Freude gemacht hat, und ich daraus gesehen habe, daß Sie noch zuweilen Ihrer Schülerin gedenken. Frl. v. Kameke freut sich gewiß jedesmal, wenn Sie sie besuchen und sie sich mit Ihnen der verflossenen Zeit erinnern kann. Ich begreife es sehr gut, daß Sie sich noch immer nicht in ihre Einsamkeit finden kann. Auch mir wird es zuweilen ganz angst, wenn mein lieber Mann nicht zu Haus ist und um mich her sich auch garnichts bewegt, alles so still ist. Oft sehne ich mich nach einer Stunde von Ihnen, die mir, wie ich gestehen muß, erst die letzten Jahre anziehend wurden, vorzüglich die Geschichtsstunden.

Luise wird wohl jetzt sehr fleißig gewesen sein, um die ruhige Zeit recht zu benutzen! Denn wenn der Papa (König

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Friedrich Wilhelm III.) nun zurückkehrt, da werden wohl viele Unterbrechungen sein, da sie ja nun die einzige Tochter (dort) ist. Der liebe Papa kann recht mit Ruhe an seine entfernten Kinder denken, da sie beide so glücklich verheiratet sind; und ich meine immer, das ich die glücklichste bin, erstens weil mein Mann so unendlich gut ist und zweitens, daß ich meiner lieben Familie so nahe bin.

Der armen Friederike 4 ) ihren Verlust werden Sie, lieber Herr Schmidt, gewiß besonders recht aufrichtig bedauert haben. Sie hatte, glaube ich, wenig Freude in ihrem Häuslichen, und nun wird ihr noch der einzige Gegenstand ihres Glückes geraubt! Sie soll sich aber mit einer Fassung und Ruhe benehmen, die ihr die Herzen ihrer Dessauer noch mehr zuwendet. Welch' trauriges Wiedersehen wird es mit Leopold sein, der das Kind so wohl verlassen hat!

Was machen denn Ihre Kinder? Das Weihnachtsfest wird wohl wieder sehr heiter zugebracht worden sein? Wie sehr habe ich gerade in dieser Zeit an Sie alle gedacht. Gerne hätte ich wieder unsern Berliner Weihnachtsmarkt besucht, wie die anderen Jahre. Nun kommt das Neue Jahr, das ich zum ersten mal entfernt von meiner Familie anfange! Es ist doch ein wehmütiges Gefühl. Leben Sie wohl, lieber Herr Schmidt, möge es Ihnen auch dies neue Jahr recht gut gehen und Sie

Ihrer Schülerin                        
Alexandrine            
gedenken.   

III.

Ludwigslust, d. 14. Februar 1823.   

Lieber Herr Schmidt.

Ich kann unmöglich den 14. Februar vorüber gehen lassen, ohne Ihnen, als dankbare Schülerin, meine Glückwünsche zum Geburtstag zu senden! Sonst hatte ich die Freude, Sie Ihnen mündlich sagen zu können, jetzt aber muß die Feder sie dem Papier vertrauen. Indessen sind Sie doch nicht minder warm und innig. Sie werden wohl jetzt gerade bei Luise sein, denn es schlägt eben 11 Uhr. Einst war dies die Stunde, wo ich


4) Die ebenfalls von Schmidt unterrichtete Tochter eines Bruders Friedrich Wilhelms III. Ihre Mutter war die Schwester der Könign Luise. - Friederike ist also die Kusine Alexandrines. Sie war inzwischen die Gemahlin des Herzogs Leopold Friedrich von Anhalt geworden und war seitdem in Dessau, Professor Schmidts Heimat, ansässig.
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bei Ihnen Unterricht hatte, in der blauen Stube, hinter dem kleinen Tisch, und Ihnen wohl manchmal als Geduldsprobe diente. Mit meiner Gesundheit geht es immer sehr gut, und ich sehe mit großer Ruhe dem Augenblick meiner Entbindung entgegen. Gott wird ja alles zum besten wenden. Leben Sie wohl und gedenken Sie zuweilen

Ihrer Schülerin            
Alexandrine.   

Ich sende Ihnen hier einige Schnupftücher, das Einzige, welches diesen Augenblick hier zu haben ist. Ich hoffe, Sie werden sie zu meinem Andenken tragen.

IV.

Ludwigslust, d. 11. Januar 1825.   

Bester Herr Schmidt.

Sie haben mich recht sehr angenehm überrascht durch Ihren Brief, für welchen ich Ihnen herzlich danke. Ich glaubte nicht, daß Sie mich durch einige Zeilen erfreuen wurden, da Sie immer so unerträglich bescheiden sind. Noch mit rechtem Dankgefühl gedenke ich der Stunden, welche Sie mir widmeten, und oft wünschte ich wohl, mit Ihnen einiges durchzugehen, was meinem Gedächtnis entfallen; was wohl mehr ist, als ich mir selbst gestehe. Diese Zeit wird mir wohl nie werden!!

Dieses Jahr wird Ihnen wohl Luise abgehen, dann sind wir alle Schwestern verheirathet; und recht glücklich, was wohl nicht so zu erwarten stand. Doch möchte ich fast behaupten, daß ich das beste Loos gezogen, denn so glücklich wie ich bin, ist doch keine andere! Und so sich in sein Verhältnis finden thut auch keiner! Das soll aber kein Lob für mich sein! Das glauben Sie auch nicht, bester Schmidt.

Das Vertrauen, das Sie mir Schenken, Herr Schmidt, ist mir sehr schmeichelhaft, und ich werde, wenn mir Ihr Wunsch erst ausgesprochen ist, gewiß nicht ermangeln, alles zu thun, was in meinen Kräften steht, doppelt lieb, Ihnen von neuem einen kleinen Beweis meiner Anhänglichkeit zeigen zu können. Leben Sie wohl, bester Herr Schmidt, und denken Sie zuweilen

Ihrer dankbaren Schülerin           
Alexandrine.   

Meine Kinder sind wohl und munter und werden recht groß.

Dem Herrn Professor

J. M. F. Schmid              zu Berlin.   

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Noch in die Berliner Jugendzeit der Prinzessin Alexandrine geht ihr folgender kurzer, aber bezeichnender Brief (ohne Datum) zurück:

V.
Lieber Herr Schmidt.

Wären Sie wohl so gut, mir einen Gegenstand aufzuschreiben, über den ich einen freien Aufsatz machen könnte? Wir gehen morgen nach Potsdam, wo wir bis Mittwoch Abend bleiben. Da ich nun keinen Geschichtsaufsatz habe, so könnte ich die Zeit anwenden, meine Gedanken ein wenig zu ordnen.

Alexandrine.   

Soweit unsere Briefe. - Über Alexandrine äußert sich nun Professor Schmidt in seinen handschriftlichen unveröffentlichten Lebensaufzeichnungen, die mir ebenfalls vorliegen:

"Der Mai 1822 entführte mir auch diese Schülerin, indem sie sich mit dem Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin vermählte. Wenn dieselbe auch in wissenschaftlicher Beziehung weniger befriedigte als ihre Schwestern, so ward sie mir doch um desto theurer durch die Offenheit ihres Charakters, die große Herzensgüte und die außerordentliche Anhänglichkeit an allen den Personen, welchen sie ihre Bildung verdankt. Diese Eigenschaften erwarben ihr auch bald die allgemeine Liebe der Mecklenburger, denen sie auch ein Vorbild der schönsten Muttertreue wurde. Wenn sie mir in einem Briefe schrieb: "Seien Sie Überzeugt, daß ich Ihrer mit recht viel Liebe gedenke", so hat sie mir dies bis jetzt (1847) auch bei jeder Gelegenheit bewiesen. Mit zarter Aufmerksamkeit sorgte sie immer für solche Extrabedürfnisse, deren Anschaffung eine gewisse ökonomische Überwindung erfordert. So versah sie mich regelmäßig und reichlich mit seidenen Taschentüchern, und an meinem ersten Geburtstage, den ich als Großvater feierte (1834), kam ganz unerwartet ein sehr schöner und höchst bequemer Großvaterstuhl als Geschenk von ihr und der Prinzeß Luise in meiner Stube an."

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