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III.

Mecklenburgische Beziehungen
Herzog Carl Augusts
von Weimar.

Mit ungedruckten Briefen Carl Augusts.

von

Hans Haimar Jacobs.

 

Vignette
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I.

I m Großherzoglichen Hausarchiv in Schwerin liegen 11 Briefe Carl Augusts von Sachsen-Weimar an Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin aus den Jahren 1788 bis 1827 und vier Briefe an Erbgroßherzog Paul Friedrich aus den Jahren 1819 bis 1825, die ich für das von Professor Willy Andreas in Heidelberg im Auftrag des Thüringischen Volksbildungsministeriums herausgegebene Carl-August-Werk durchsah. Der vertrauliche Ton der Briefe und auch ihr ziemlich alltäglicher Inhalt deutet daraufhin, daß jedenfalls die späteren mehr zufällige Überbleibsel eines regelmäßigeren Briefwechsels sind. An den Erbprinzen und späteren Erbgroßherzog Friedrich Ludwig, der von 1810 bis 1816 als Gatte der Prinzessin Karoline Luise von Weimar Carl Augusts Schwiegersohn war, fand sich im Hausarchiv, wie Herr Staatsarchivdirektor Dr. Strecker mir freundlicherweise mitteilte, überhaupt kein Schreiben Carl Augusts, obwohl ja Briefe vorhanden gewesen sein müssen.

Der Inhalt der Briefe an Friedrich Franz und seinen Enkel ist fast rein persönlich und dynastisch, wie denn der Anknüpfungspunkt für die näheren Beziehungen der beiden Häuser eine dynastische Heiratsangelegenheit war. Carl August wollte seinen Sohn, den Erbprinzen Karl Friedrich, mit der Großfürstin Maria Paulowna, einer Tochter Kaiser Pauls I. von Rußland, verheiraten. Friedrich Franz' Sohn, der Erbprinz Friedrich Ludwig, aber war schon verlobt mit Maria Paulownas Schwester Helene Paulowna; die Hochzeit fand im Oktober 1799 in St. Petersburg statt. Carl August eröffnete Friedrich Franz I. am 5. März 1799 seinen Wunsch und bat ihn, den mecklenburgischen Oberhofmeister August von Lützow, der in der Heiratsangelegenheit als Gesandter in Petersburg weilte 1 ), zur Beratung seines eigenen Unterhändlers, des Kammerherrn von Wolzogen, anzuweisen. Auch erbat er von dem Herzog selbst verschiedene Auskünfte, besonders über die Mitgift von dessen Schwiegertochter. Friedrich Franz erfüllte seine Bitte, und so trugen er und Lützow mit zu dieser Heirat


1) Vgl. darüber bei L. v. Hirschfeld, Von einem deutschen Fürstenhofe, Wismar 1896, Bd. 1, S. 71 ff., den Abschnitt über die "Brautwerbung des Erbprinzen Friedrich Ludwig". Von der Weimarer Angelegenheit ist nichts erwähnt.
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bei, die 1804 stattfand, als die Verlobten das heiratsfähige Alter erreicht hatten.

Es finden sich auch Andeutungen über die andere Angelegenheit, die Carl August damals in Rußland betrieb. Mit dem "Verhältnis, das in diesem Kriege anfangen sollte, welches aber der Rückmarsch der Russen zu zerreißen scheint" 2 ), ist der beabsichtigte Übertritt des tatendurstigen Herzogs und preußischen Generals in das russische Heer gemeint, das damals im zweiten Koalitionskrieg im Gegensatz zum neutralen Preußen zusammen mit England und Österreich gegen das von Carl August mit Recht so gefürchtete revolutionäre Frankreich kämpfte. Auch in dieser Angelegenheit nahm Carl August Lützows Hilfe in Anspruch, wie ein Brief an diesen vom 13. Juli 1799 zeigt 3 ). Und am 2. Januar 1800 bittet er Friedrich Franz, ein Paket an den Grafen Rostopschin, der bis 1799 russischer Außenminister war, durch Kurier oder Staffette nach Rußland mitzugeben. Dabei handelt es sich wohl um den Brief an Rostopschin vom 31. Dezember 1799, in dem Carl August für den Fall des Kriegsendes seine Bitte zurücknimmt 4 ); er ist in dem nächsten Schreiben an Friedrich Franz (vom 9. 1. 1800) froh, daß er sich damit beeilt hat, weil die Russen sich in der Tat aus dem Krieg zurückziehen. So ging also der Weg auch der politischen Annäherung des Herzogs an Rußland, als er Preußens Neutralitätspolitik gegen Frankreich seit dem Baseler Frieden als verderblich anzusehen begann, über die mecklenburgischen Verbindungswege; an Lützow erbat Carl August von dem Grafen Rostopschin auch dessen Antwort auf seinen Brief vom 31. Dezember 1799.

Wenn in die Briefe an Friedrich Franz aus der napoleonischen Zeit ein Widerhall des großen politischen Geschehens wenigstens hineinklingt, so scheint sich Carl August in den ruhigen Jahren nach 1815 mit dem mecklenburgischen Großherzog ausschließlich auf dem Boden freundlicher, menschlich-familiärer Beziehungen und jenes kräftigen, altfürstlichen Lebensgenusses getroffen zu haben, in dem beide Herrscher vor allem übereinstimmten. Von Jagd und Wild ist viel die


2) Schweriner Hausarchiv, Brief Carl Augusts an Friedrich Franz I. vom 2. Januar 1800.
3) Siehe darüber G. Bahls, Carl August von Weimar als Soldat, Heidelberger Dissertation, Berlin-Charlottenburg o. J. (1932), S. 84, der überhaupt über die ganze Angelegenheit unterrichtet.
4) Bahls a. a. O. S. 86.
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Rede. Mit dem behaglichen Humor eines selbstsicheren Autoritätsgefühls und leiser Überlegenheit gegenüber der eigenen kleinfürstlichen Souveränität, an deren Grenzen Carl August sich ja Zeit seines Lebens gestoßen hatte, schreibt er einmal über die Wirkung eines Heilmittels, das seiner Gesundheit zuträglich war: "- - wenn man auch etwas ausländisch danach riecht, so hat dieses mit uns Souveränen nicht viel auf sich, denn unsere Untertanen beklagen sich doch nicht darüber" 5 ). Und in patriarchalischer guter Laune spricht er von den preußischen Prinzen, die aus ihm unerfindlichen Gründen auf Besuch am Hof weilen und später ja seine Enkelinnen heirateten, von seinen Enkeln und denen Friedrich Franz' I. In solchen kurzen, plaudernden Mitteilungen erschöpft sich im allgemeinen der Inhalt dieser Briefe.

II.

Die Dienste, die August von Lützow dem Herzog 1799 und 1800 in Petersburg geleistet hatte, erwarben ihm das enge Vertrauen Carl Augusts. "Der ehrliche Mann hat wacker an mir gehandelt, mich von allem Nötigen unterrichtet, meine Erkenntlichkeit für ihn ist ohne Grenze", schrieb der Weimarer Herzog an Friedrich Franz 6 ). Der Eindruck, den er von der Umsicht und Zuverlässigkeit des mecklenburgischen Diplomaten gewonnen hatte, wird von den Zeitgenossen bestätigt.

Rudolf Friedrich August von Lützow 7 ) aus dem Hause Groß-Salitz war als Sohn des Oberstallmeisters von Lützow 1757 in Schwerin geboren worden und hatte zuerst als württembergischer, dann als preußischer Offizier und Hofmann eine jener Laufbahnen im Dienste verschiedener deutscher Fürsten durchmessen, wie sie im Adel und Beamtentum des 17. und 18. Jahrhunderts allgemein üblich waren. Von 1783 ab stand er in mecklenburgischen Hofdiensten, seit 1785 als Oberhofmeister der Herzogin; dieses Amt behielt er bis an sein Lebensende (1835). Daneben aber bestand seine Haupttätigkeit in diplomatischen Unternehmungen. Seit 1794 vertrat er seinen Herzog am Berliner Hofe (mit einigen Unterbrechungen bis 1835). Daneben erwarb er sich Verdienste auf mehreren Son-


5) Briefe an Friedrich Franz I. vom 15. Dezember 1826.
6) Brief an Friedrich Franz I. vom 23. Dezember 1799.
7) Über Lützow s. Hirschfeld a. a. O. Bd. 1 S. 71 ff., und H. v. Lützow in: Lützowsches Familienblatt 1. Bd. Nr. 4 (1922), 2. Bd. Nr. 29 (1932).
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dergesandtschaften in Petersburg (1799 bis 1800, 1806/07 und 180 8 ), in Paris (1808 bis 1813) und vor allem in den Verhandlungen mit Schweden, die 1803 im Malmöer Vertrag zur Rückgewinnung Wismars führten. Trat in seiner früheren Zeit die diplomatische Routine und kluge höfische Gemessenheit und Diskretion, die als berechnende Kühle empfunden werden konnte 8), sichtbarer in Erscheinung, so erschienen diese Züge im Alter ganz eingeschmolzen in die vornehme Gesamthaltung eines aufrechten und ausgeformten Aristokraten; der Prinzenerzieher Gotthilf Heinrich von Schubert, der 1817 an den Hof in Ludwigslust kam und im Hause Lützows verkehrte, vergleicht ihn - etwas romantisch angehaucht - mit "einer alten mächtigen Edeleiche seines Vaterlandes, unter deren Schatten man gerne ausruht" 9 ).

So würdigte auch Herzog Carl August ihn seines freundschaftlichen Vertrauens. Schon in dem Brief vom 13. Juli 1799 10 ) spricht er von "unserer alten Bekanntschaft, Freundschaft" und den "tätigen, häufigen Proben, welche Sie mir von letzterer gegeben haben", und diese Haltung zu Lützow zeigen vor allem 10 Briefe Carl Augusts an Lützow aus den Jahren 1805 und 1806, die im Geheimen und Hauptarchiv in Schwerin erhalten und sicher auch nur ein Teil aus einer umfangreicheren Reihe sind 11 ). Auch in diesen Briefen plaudert der Herzog von persönlichen und Familienangelegenheiten, aber doch mehr gelegentlich; der politische Inhalt steht durchaus im Vordergrund.

In seinen Lebenserinnerungen sagt der spätere Generalfeldmarschall Carl von Müffling, der von 1806 bis 1813 in Carl Augusts Diensten stand: "Die vielen literarischen Korrespondenzen, welche in Weimar mit allen Teilen von Deutschland unterhalten wurden, die alte Gewohnheit des Herzogs,


8) So von Lily von Campenhausen, einer Hofdame Helene Paulownas; s. Hirschfeld a. a. O. Bd. 1, "Aus dem Tagebuch einer Hofdame".
9) Gotthilf Heinrich v. Schubert, Der Erwerb aus einem vergangenen und die Erwartung von einem zukünftigen Leben, Erlangen 1856, Bd. 3, S. 61. Mitgeteilt von H. v. Lützow in: Lützowsches Familienblatt, 2. Bd., Nr. 29.
10) Abschrift Großherzogl. Sächs. Hausarchiv in Weimar. A XIX Nr. 77.
11) Außer ihnen konnte ich zur Ergänzung einige Briefe Lützows an Carl August und Maria Paulowna aus dem Großherzogl. Sächs. Hausarchiv in Weimar (Fasz. A XIX Nr. 77, 96 und 177) benutzen; die Gegenbriefe zu unseren Schreiben sind dort nicht vorhanden.
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sich von seinen Chargés d'Affaires oder besoldeten Korrespondenten Nachrichten aus allen Teilen Europas mitteilen zu lassen, erleichterte das Nachrichtenfach" 12 ). Diese von Carl August über die Köpfe seiner eigentlichen Beauftragten hinweg "allenthalben geführten Korrespondenzen" wurden von diesen zuweilen unangenehm empfunden 13 ). Lützow war kein eigentlicher Agent Carl Augusts; er gehörte zu jener Reihe von Staatsmännern befreundeter deutscher Staaten wie Frankenberg in Gotha, Edelsheim in Karlsruhe, Hardenberg in Preußen, die Carl August seiner politischen und oft auch persönlichen Mitteilungen würdigte. Mehr als diese, mit denen als leitenden Ministern der Herzog unmittelbar verhandelte, gehörte aber Lützow als Gesandter mit guten Beziehungen in sein System der Nachrichtensammlung und der mittelbaren Einflußnahme hinein. Lützow spricht von "unserem Verhältnis", das man in Paris nicht ahnen würde 14 ); als 1802 Napoleon Preußen nahelegte, sich Mecklenburg einzuverleiben und dafür das Fürstenhaus in Westfalen zu entschädigen, um Preußen damit vom Westen abzudrängen, benutzte Lützow dieses Verhältnis zu Carl August, um seinerseits durch Wolzogen aus Paris Nachrichten über diese beunruhigende Angelegenheit zu erlangen. Bei Carl August war dieses System von Beziehungen ein Ausdruck zugleich des weitaus greifenden politischen Wollens wie der überall vorsichtig herumhorchenden Machtlosigkeit des Kleinfürsten in seiner bedrohten und zugleich Gewinnmöglichkeiten in sich bergenden Lage zwischen den großen Mächten und im Geschiebe der deutschen Kleinstaaterei. Diese Haltung zeigen die Briefe an Lützow aus den Jahren 1805/06 recht deutlich. Soweit sie die politische Stellung Carl Augusts in dieser unheilvollen Epoche der preußischen Zauderpolitik vor dem Zusammenbruch beleuchten, sind sie wert, im Auszug mitgeteilt zu werden 15 ).


12) F. C. F. von Müffling, Aus meinem Leben, Berlin 1851, S. 21.
13) U. Crämer, Der politische Charakter des weimarischen Kanzlers Friedrich v. Müller und die Glaubwürdigkeit seiner "Erinnerungen" 1806-1813, Jena 1934, S. 22.
14) Brief an Carl August vom 12. April 1802 aus Hannover (Abschrift); Sächs. Hausarch. A XIX Nr. 77.
15) Drei von den Briefen, vom 11. und 25. Februar und vom 11. April 1806, sind teils technisch-unpersönlicher Art, teils enthalten sie rein familiäre Erzählung, so daß auf Auszüge aus ihnen verzichtet wurde. Die Orthographie der abgedruckten Briefe ist modernisiert; die "Grundsätze für die äußere Textgestaltung bei der (  ...  )
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An der dritten Koalition, zu der sich 1805 Rußland, Österreich, England und Schweden gegen den immer bedrohlicher vordringenden Napoleon verbanden, nahm Carl August mit seinen leidenschaftlichsten Wünschen teil. Seit Anfang Oktober 1805 war seine Verwendung im mobil gemachten preußischen Heer, das die preußische Neutralität verteidigen sollte, und zwar damals vor allem schon gegen Frankreich, vorgesehen 16 ); mit Ungeduld und heftiger Kritik verfolgt er in den Briefen an Lützow die politischen und militärischen Operationen, als General, als Landesfürst, als Deutscher. Der Groll und die Ungeduld der Machtlosigkeit, die sich in Schimpfen und Klagen Luft macht, mischt sich in ihnen mit echter politischer Leidenschaft und Urteilsschärfe. Von der schmerzlichen Hoffnung auf die Teilnahme Preußens, an dessen Politik das kleine Sachsen-Weimar Anlehnung suchen mußte 17 ), und dann von bitterer Resignation ist ihr Grundton bestimmt. Mit Lützow verstand Carl August sich in diesen Fragen gut, weil auch Mecklenburg in ähnlicher Weise von Preußen abhängig war und weil gerade Lützow eine mecklenburgische Politik im Anschluß an Preußen verfocht 18 ).

Als Kaiser Alexander I. von Rußland vom 28. Oktober bis 5. November 1805 in Potsdam weilte, um Preußen auf die Seite der Koalition zu ziehen, war auch Carl August dort anwesend. Die Verbindung Preußens und Rußlands lag ja ganz in der Linie seiner Politik; schon vorher hatte er zwischen Kursachsen und Preußen eine Vereinbarung wegen des militärischen Zusammenschlusses gegen Frankreich herbeiführen wollen 19 ), und nun wurde verabredet, daß er den Zaren nach einem Aufenthalt in Weimar nach Dresden begleiten sollte.

Das teilte er Lützow in seinem Brief vom 3. November von Potsdam aus mit. Über den Potsdamer Vertrag von


(  ...  ) Herausgabe von Quellen zur neueren Geschichte" von der Konferenz der landesgeschichtlichen Publikationsinstitute wurden beachtet, soweit sie für den beschränkten Zweck dieser Veröffentlichung in Frage kamen.
16) Bahls a. a. O. S. 97.
17) Vgl. über dieses Grundverhältnis von Carl Augusts Politik W. Andreas, Preußen und Reich in Carl Augusts Geschichte, Rektoratsrede, Heidelberg 1932.
18) Vgl. dazu R. Asch, Mecklenburgs auswärtige Politik und insbesondere seine Beziehungen zu Preußen vom Reichskrieg gegen Frankreich (1792) bis Jena (1806), Rostocker Diss. (Masch.-Schrift) 1922, S. 10.
19) Bahls a. a. O. S. 98.
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diesem Tage, der Preußen zu bewaffneter Neutralität zugunsten der Verbündeten und zum Druck auf Napoleon durch Verhandlungen verpflichtete, schreibt er in seinem Brief nichts. Vielleicht wußte er auch nichts Näheres, weil der Vertrag zunächst streng geheim gehalten werden sollte, wie Carl August denn zu den großen politischen Verhandlungen wohl nicht zugezogen wurde 20 ). Auf die besonderen Interessen des mecklenburgischen Vertreters in Berlin aber ging er ein, wenn er die Lage der Russen streifte. Damals stand nämlich das russische Landungskorps des Grafen Tolstoy, das Hannover besetzen und die russische Hauptarmee unter Kutusow am Inn dadurch entlasten sollte, auf seinem Marsch von Stralsund nach Hannover in Mecklenburg; Carl Augusts Mitteilung, daß es dort erst Verstärkungen abwarten werde, findet in einem Brief Lützows aus Berlin an die Regierung in Ludwigslust vom 7. November 1805 Verwendung 21 ). Der Durchmarsch der Russen und damit der Bruch der mecklenburgischen Neutralität war für das kleine Land eine politische Lebensfrage und daher in den letzten Wochen der Gegenstand vieler angstvoller Überlegungen gewesen, aus denen Preußens Anschluß an Rußland die mecklenburgischen Staatsmänner erlöste. Carl Augusts Kritik an der russischen Unüberlegtheit bezieht sich wohl auf das isolierte Vorgehen der Russen im Norden, die nun erst durch den inzwischen erfolgten Einmarsch der Preußen in Hannover und überhaupt durch die preußische Reservestellung Rückhalt fanden. Es heißt in dem Brief:

"Potsdam, 3. November 1805.     

- - Die Russen bleiben stehen, weil man hier überein gekommen ist, die Sache etwas vorsichtiger zu betreiben, den König von Schweden heranzulassen, der in Stralsund ist, und Truppen, zumal Kavallerie, aus den russisch-polnischen Provinzen zu erwarten, die zu Tolstoy stoßen sollen. Die ganze Sache ist so zweckwidrig und jung und unüberlegt angefangen worden, daß jetzt die Russen Gott danken werden, wenn man sie ein bißchen zurecht hilft, ehe sie en détail geschlagen werden." - -

Der Potsdamer Vertrag machte die Teilnahme Preußens am Krieg von dem Ausgang der Verhandlungen mit Napoleon abhängig, in denen Preußen als Vermittler die Wiederherstellung der früheren Vertragslage von dem bisher siegreichen


20) Bahls a. a. O. S. 98.
21) Asch a. a. O. S. 89/90.
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Kaiser fordern sollte. In dieser Schwebesituation, in der alles auf die Einsatzbereitschaft und Entschlußfähigkeit des preußischen Königs ankam, äußert sich im nächsten Brief an Lützow die ungeduldige Hoffnung des deutschen Patrioten Carl August. Der Brief bringt auch die Nachricht von seiner Verwendung im Korps des Fürsten Hohenlohe, der die preußischen und sächsischen Truppen befehligen sollte. Die allgemeine Wertschätzung, die Hohenlohe genoß 22 ), klingt auch hier an, und überhaupt tritt Carl August seinen neuen Posten hoffnungsfreudig an.

In seinem Brief heißt es:

- - "Mich hat der Fürst Hohenloh mit Auszeichnung bei seinem Korps angestellt; gewiß soll dieser rechtschaffene Herr erfahren, daß er an mir einen ehrlichen Mann habe, der nichts scheuen wird, um zu beweisen, daß es nicht der Individuen Schuld sei, daß sich der deutsche Name auf der Tafel der Geschichte im V..sch... befinde. Gott der Herr gebe nur, daß, da die Sachen nun einmal dorten sind, wo sie sich befinden, das Herz des Königs geleitet werde, das Notwendige zu vollbringen. Schreiben Sie mir doch immer gelegentlich. Durch den Vetter 23 ) lasse ich schon die détails melden, wenn etwas der Mühe wert vorfällt.

Adieu alter Freund.
Weimar, 17. November 1805.            Carl August."     

Der nächste Brief dagegen spiegelt vor allem die Nöte des weimarischen Landesherrn wieder, dessen Volk unter der drückenden Einquartierung der mobilisierten preußisch-sächsischen Truppen leidet, die in Thüringen auf das Vorgehen nach Franken hinein warten sollten. Aber auch jetzt ist Carl Augusts Stimmung noch hoffnungsfroh, vor allem durch den großen Sieg Nelsons über die französische Flotte bei Trafalgar (am 21. Oktober), aber auch durch die Schlappe der Franzosen auf dem Rückzug der Österreicher und Russen bei Dürrenstein an der Donau, wo der österreichische Befehlshaber, Feldmarschallleutnant Schmidt, den Heldentod starb (am 11. November 1805).

Carl August schrieb u. a.:

"Weimar, 23. November 1805.

- - Die hiesigen Lande und das Erfurtische sind sehr drückend belegt, ich sehe aber nicht ein, wie dem abgeholfen


22) Vgl. das Charakterbild bei Max Lehmann, Scharnhorst, Bd. 1, Leipzig 1886, S. 364.
23) Von diesem Vetter, einem preußischen Offizier, den Carl August auf Lützows Empfehlung in seinem Befehlsbereich unterbrachte, ist in den Briefen oft die Rede.
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werden könne. Die Lieferungen sind auch ganz unerschwinglich, und die Preise der Dinge über alle Beschreibung hoch. Der Scheffel Hafer kostete heute drei Taler, das Korn sieben Taler. Unser Scheffel um ein Fünftel größer wie der Berliner; was aus allem diesem werden solle, mag Gott wissen. - - Morgen - mache ich mich - auf die Straße und gehe auf 24 Stunden nach Erfurt, um dem Fürsten von Hohenloh aufzuwarten.

- - Die Kavallerie klagt gewaltig über lahme Pferde, die Eskadrons sind sehr schwach, die Infanterie hat ziemlich Desertion, Regiment Hohenloh 40 Mann, das von Schimansky 60.

Endlich scheint doch md. fortuna dem großen Napoleon etwas untreu werden zu wollen; Nelson hat sie stark herumgedreht, und es wäre fast, als wenn die Österreicher und Russen nun auch dran wendeten. Die Affäre bei Crems und Stein scheint doch wichtig zu sein. Schade für den braven General Schmidt. - -

Leben Sie recht wohl und behalten mich lieb. C. Aug."   

Carl Augusts nächster Brief an Lützow ist aus der völlig veränderten Lage heraus geschrieben, die durch den großen Sieg Napoleons über die verbündeten Russen und Österreicher bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 geschaffen wurde. Bahls hat gezeigt, wie Carl Augusts militärisches Interesse auf Nachrichten über die Schlacht bedacht war, die der Herzog zu einem Aufsatz verarbeitete 24 ); aus unseren Briefen ergibt sich, daß auch Lützow ihm mit Einzelheiten diente.

Als nach Austerlitz der Waffenstillstand zwischen Österreich und Frankreich geschlossen wurde, verzichtete Preußen auf jede Offensive und wollte sich auf die Landesverteidigung beschränken, wenn ein Angriff Napoleons erfolgen würde; die Truppen in Thüringen rückten nicht weiter. Der rechte Flügel stand im Dezember unter General von Rüchel und das Zentrum unter dem Herzog von Braunschweig, während der Fürst Hohenlohe weiter das kombinierte preußisch-sächsische Korps befehligte 25 ). Unter ihm stand Carl August. Als der Herzog von Braunschweig als Oberbefehlshaber im Dezember gewöhnlich


24) Bahls a. a. O. S. 94/95.
25) Über die Stellungen der Armee vgl.: Die preußischen Kriegsvorbereitungen und Operationspläne von 1805. In: Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Hrsg. vom Großen Generalstabe. Heft 1, Berlin 1883, S. 46.
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zu den Beratungen in Berlin weilte, erhielt Rüchel seine Vertretung, sehr zum Ärger Carl Augusts, der selbst auf diese Stellung rechnete 26 ). Sein Land litt sehr unter der langen Einquartierung dieser großen geschlossenen Truppenkörper, die nun nicht mehr den Zweck erfüllen konnten, den der Herzog erhofft hatte; seine eigene militärische Stellung war nicht sehr bedeutend; der Zorn über alles das entlud sich in Urteilen über den stellvertretenden Oberbefehlshaber Rüchel, wie sie wohl in dieser ausschließlichen Betonung der Fehler auch von den Zeitgenossen sonst nicht über den unglücklichen Feldherrn gefällt worden sind, der 1806 bei Jena zu spät kam 27 ). Wenn fast allen Beurteilern ein Zug heftig-lärmender Eitelkeit an ihm auffiel, wenn auf Niebuhr seine Heftigkeit wie halber Wahnsinn wirkte 28 ), wenn auch Boyen 29 ) und Clausewitz 30 ) daneben seinen Mangel an klarem Denken hervorheben, so sind Carl Augusts Urteile eine sehr kräftige Variation dieser Motive; die positiven Züge des Generals, seine glühende preußische Vaterlandsliebe, seine Willenskraft bei aller Umständlichkeit und seine Tapferkeit sind nicht angedeutet. Marwitz, der Rüchels Verhalten als Generalgouverneur von Ostpreußen nach dem Zusammenbruch mit ähnlicher Ironie schildert wie Carl August sein Auftreten in Gotha 31 ) als Oberbefehlshaber und ihn geradezu für eine Karikatur des vornehmen Fürsten Hohenlohe erklärt 32 ), hielt ihn doch für "eine von den großen Kriegernaturen, die durch die Zeitumstände zugrunde gingen" 33 ). Das Urteil Carl Augusts, das nicht aus zusammenfassendem Überblick, sondern aus dem Augenblick und aus persönlicher Zurücksetzung heraus gefällt ist, steht in der Skala der Beurteilungen Rüchels der Äußerung des Herzogs von Braunschweig am nächsten, der nach dem


26) Vgl. dazu Bahls a. a. O. S. 100.
27) Beurteilungen über Rüchel siehe in dem Artikel der A.D.B., Bd. 29, S. 437.
28) Vgl. Max Lehmann, Scharnhorst, Bd. 1, Leipzig 1886, S. 407.
29) Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen. Hrsg. v. F. Nippold. 1. Teil, Leipzig 1889, S. 124.
30) Clausewitz, Nachrichten über Preußen in seiner großen Katastrophe. In: Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Hrsg. vom Großen Generalstabe, Heft 10, Berlin 1888, S. 435.
31) F. A. L. v. d. Marwitz, Ein märkischer Edelmann der Befreiungskriege. Hrsg. v. Friedrich Meusel. Bd. 1, Berlin 1908, S. 362.
32) A. a. O. S. 227.
33) A. a. O. S. 416. Marwitz hat wohl die von vornehmstem Verständnis getragene und - neben Clausewitz - schlüssigste Charakteristik Rüchels geliefert.
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Zeugnis Müfflings, des späteren Offiziers und Beamten unter Carl August, Rüchel einen Fansaron nannte 34 ).

In dem Brief an Lützow schrieb Carl August:

"Weimar, 27. Dezember 1805.   

Da Ew. Exzellenz total gegen mich verstummt sind, obwohlen ich mit der Königlich Preußischen Armee noch nicht die Grenzen des obersächsischen Kreises verlassen habe, so schicke ich eigens einen Kurier, um Sie aus Ihrem Sündenschlafe zu wecken. Gott weiß, was Sie derweilen für böse Dinge getrieben haben: Die Gräfin von Henkel 35 ) soll es Ihnen schon abfragen. Doch so ganz eigentlich geht der Kurier nicht bloß, um Sie zu schütteln, sondern hauptsächlich, um den K[önig] und den H[erzog] v. Br[aunschweig] anzustoßen, damit wir hier durch die Untätigkeit und Ungewißheit ihrer Anstalten nicht ganz ruinieren. Auf 5-6 Quadratmeilen meines Landes ruhen jetzt über 20 000 Preußen und mehr denn 8000 ihrer Pferde, ohne Zweck, in der unglaublichsten Stellung, von Winterquartieren redend, die sie also zu halten gedenken. Dazu schicken sie mich persönlich nach Ronneburg und schicken fremde Leute her, rechte Prahler und konfuse nocii? wie R..... und Konsorten, die über mir regieren und das zerstören, was ich baute. Unter dem F[ürst] v. H[ohenlohe] 36 ) sitze ich mit 8 Grenadierbataillonen, von denen 4 ich noch nicht zu sehen bekommen habe. Ich mache diesen Winter solche Galle, daß, wenn ich nach Berlin müßte, da Gott vor sei, ich die halbe Stadt vergiften würde. - - Ich bin abwechselnd in Ronneburg oder in Weimar.

Pappenheim 37 ) kam gestern abend an; er sagte, daß Sie durch Boten eine Menge Details von der Schlacht bei Austerlitz gesendet hätten; um diese bitte ich Sie recht inständigst; lassen Sie selbige mir durch jemanden, der eine schöne Hand schreibt und keine blasse Tinte hat, aufsetzen. Adieu.   C. A."

Dem Abschluß des Vertrags von Schönbrunn, den der preußische Unterhändler Haugwitz selbständig mit Napoleon


34) Müffling, Aus meinem Leben, Berlin 1851, S. 15.
35) Die Oberhofmeisterin der Großfürstin Maria Paulowna, Ottilie Gräfin von Henckel-Donnersmark, geb. Gräfin von Lepel (1750-1843), war zum Abfragen der Dinge, an die Carl August offenbar denkt, sehr geeignet. Sie war eine besondere Liebhaberin erotischer Literatur; Carl August vererbte ihr seine ganze Sammlung von Erotika.
36) Fürsten von Hohenlohe.
37) Der weimarische Kammerherr Wilhelm Maximilian von Pappenheim, der 1812 starb.
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vereinbart und der Österreich zum Friedensschluß und die Russen zum Rückmarsch bewogen hatte, folgte nun, da Preußen allein stand, seine Annahme in Berlin (4. Januar 1806) und am 24. Januar auch der Befehl zur Demobilisierung des Heeres. Aus der Demobilmachung heraus schrieb Carl August an Lützow:

"Weimar, 30. Januar 1806.   

Rechten vielen schönen Dank, beste Exzellenz, für die mir mit schwarzer Tinte und sehr leserlich geschriebenen Nachrichten wegen Austerlitz; Sie haben mich durch diese Güte sehr verbunden. Wenn Ihnen die Russen diesen Winter, nicht alle schwarze Dinte in Mecklenburg kosten und Ihnen alle Federn ausrupfen, so wenden Sie doch manchesmal etwas an mich davon. - - Morgen gehe ich wieder nach Gera zurück, weil das Korps, wozu ich gehöre, den 2. aufbricht. Ich bin so viel hin- und hergerutscht, daß ich deswegen mich mit Schreiben nicht viel abgeben konnte, und daher kommts, daß ich Ihnen so spät antworte. - -

- - Hier leben wir in einem steten Frühlinge, vom Winter wissen wir gar nichts. Die Preußen haben uns doch 80 000 Scheffel Roggen und 40 000 Scheffel Hafer gefressen, Stroh, Heu und Kartoffeln ungerechnet. Mehr wie 50 000 Fuhren hat das hiesige Land alleine; es ist die höchste Zeit, daß wir Luft bekommen. Das Weimarische ist ganz besonders und über alle Not und Ursache bedrückt worden. Auf die erste Ordre zum Halt! der Truppen hätte müssen eine andere Dislokation erfolgen; aber das geschah nicht, alles blieb stehen, als wenn es weiter vorwärts sollte; unser Klagen und Lamentieren fruchtete gar nichts, das kursächsische Thüringen blieb unbelegt, und jetzt erst, da alles nach Hause geht, bekommen wir die Freiheit wieder, weil sie Preußen uns nicht mehr vorenthalten kann. Und dabei bin ich noch obendrein für meine Person in Betracht meiner Anstellung bei der Armee unwürdig behandelt worden. Um rechte Galle zu sammeln, dazu habe ich rechte Zeit und Muße gehabt.

Rüchel ärgert sich gewaltig, weil ihn jetzt jedermann auslacht, indem er entsetzlich und mit Beleidigung anderer Generale geschmeichelt wurde und er bei dieser Gelegenheit seiner unbegrenzten Eitelkeit und Herrschsucht freien Lauf ließ. Dadurch ist er in einem bösen Licht erschienen, hat sich viele Feinde gemacht. Er zeigte öfter durch die Unordnun-

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gen, welche bei seinem Korps und bei dem des Herzogs herrschten, das er einstweilen verwaltete, obwohlen 4 ältere Generalleutnants dabei waren, daß er doch ein Konfusionsrat sei. Man trug seine eigenhändigen Briefe sich einander zu, die in dem lächerlichsten Stil von der Welt verfaßt sind, und am Ende sagt jetzt die böse Welt, er habe doch nur eigentlich die Küche des Herzogs von Braunschweig zu seinem unumschränkten Kommando gehabt, weil ad laterem der ganze Generalstab bei ihm in Gotha saß, der die Sachen eigentlich dirigierte, und das Oberkommissariat dort unumschränkt herrschte, Rüchel aber an des Herzogs Tafel aß und dahin einlud, wen er wollte. Die Unzufriedenheit in der Armee ist hoch gestiegen und das Zutrauen auf die Führer ganz verloren gegangen.

Wolzogen 38 ) soll jetzt zusehen, daß er von M[inister] von Angern 39 ) einstweilen nur etwas Korn herausbekomme, damit wir nicht gar zu leer uns bis zur Ernte befinden. Es scheint, daß sich Wolzogen in Berlin nicht sonderlich gefällt und sehr sich von dorten wegsehnt.

Leben Sie recht wohl und vergessen mich nicht ganz.

Carl August."   

Auch in einem Brief vom 24. Februar 1806 aus Dresden äußert sich diese Stimmung persönlicher, militärischer und politischer Gereiztheit gegen Preußen. Es heißt darin:

"Beträchtliche Ausgaben für den Preußischen Dienst zu machen, dazu reizet mich die Art nicht an, wie ich in selbigem behandelt worden bin."

Die preußische Schaukel- und Zauderpolitik hatte nach der Demobilisierung zu einem Vorschieben der Armee des napoleonischen Marschalls Augereau geführt, die im Hessischen stand, und andererseits war Rußland mißtrauisch wegen Preußens Annäherung an Frankreich. Der Herzog von Braunschweig, als Bruder der Herzogin-Mutter Anna Amalia von Weimar Carl Augusts Oheim, war daher am 29. Januar nach St. Petersburg abgegangen, um beruhigende Zusicherungen zu machen und Rückhalt an Rußland zu suchen.


38) Wilhelm von Wolzogen (1762-1809), der weimarische Minister und Oberhofmeister und Gatte Karoline von Lengefelds, weilte damals in diplomatischer Mission in Berlin; vgl. Bahls a. a. O. S. 99 ff.
39) Dem Staatsminister von Angern (1757-1828) war das gesamte Verpflegungs- und Fouragewesen der preußischen Armee unterstellt.
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Sehr erbittert und resigniert schrieb Carl August in seinem Brief:

"Dresden, 24. Februar 1806.   

- - Die Ausbreitung der Augereauischen Armeen gehört unter die Dinge, die man sich muß gefallen lassen, und mehrere folgende Zufälle dieser Art werden wir noch erleben. Jetzt sind wir alle in den Sack gebannt. Was doch mein teurer Oheim in Petersburg ausrichten mag? Er ist die Schnur, welche den Sack, in dem unsere Köpfe stecken, verschloß, Gott lohne es ihm 40 ). - -

Leben Sie recht wohl, und lassen bald etwas von sich hören.

Carl August."

Inzwischen hatte es Napoleon nach der Demobilisierung des preußischen Heeres erreicht, daß der Schönbrunner Vertrag noch verschlechtert wurde durch den Pariser Vertrag vom 15. Februar, der Preußen zur sofortigen Übernahme Hannovers und dadurch zur Feindschaft mit England sowie zur Schließung der Nordseehäfen zwingen sollte. Hardenberg schrieb damals in einer Denkschrift vom 24. Februar 1806: "Den Vertrag ratifizieren heißt unsere Unterwerfung unter Napoleons Gebote laut verkündigen, unsere Unfähigkeit, ihm zu widerstehen, offen bekennen, das Vertrauen und die Achtung der anderen Mächte verlieren, uns mit den bedeutendsten unter ihnen entzweien und selbst das patriotische Gefühl im Volke und im Heere ernstlich gefährden" 41 ). Die Vereinsamung Preußens, die Carl August als Folge der Neutralitätspolitik schon lange vorausgesagt hatte 42 ), war jetzt eingetreten. Ganz ähnliche Gedanken wie Hardenberg, nur in drastischerem Tone, äußerte der Herzog zu Lützow; er sprach auch von dem Vorrücken Augereaus in Hessen, das sich gegen den Kurfürsten von Hessen-Kassel richtete, weil der englische Gesandte Taylor, in Napoleons Augen ein gefährlicher Verschwörer 43 ), noch in Kassel weilte.

"Weimar, 5. März 1806.   

- - Die Nachschrift Ihres Briefes lautete schrecklich. Indessen erwartete ich mir diesen Ausgang dergestalt gewiß,


40) Der Herzog von Braunschweig war einer der Hauptträger der Friedenspolitik und als Oberbefehlshaber auch für die Demobilmachung in besonderem Maße verantwortlich, für die übrigens auch Carl August nach dem Fehlschlag seiner politischen Hoffnungen eingetreten war.
41) Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg, Bd. 2, S. 495.
42) Andreas a. a. O. S. 19.
43) Ranke, Hardenberg, Bd. 2, S. 403.
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daß ich schon seit drei Wochen meinen ganzen Feldetat aufgelöset hatte. Wenn man sich jetzt das Niederträchtigste erwartet, so irrt man sich am wenigsten. Napoleon hat die erste Partie ergriffen, um Preußen sich zur Hand abzurichten, er zwingt es, verbrecherisch gegen Europa zu handeln, und dadurch stürzt es sich kopfüber kopfunter in seine Schlinge. Wie man vom Herzoge von Orleans sagte, das paßt auf Preußen: cela bande le crime, mais ne le decharge pas 44 ); jetzt hat ihm Napoleon die gehörige éjaculation verschafft. Ich fürchte für böse Folgen im Innern des preußischen Staates; der Geist der Armee ist sehr gespannt und seine Ehrliebe beleidiget: Die Ständchensgeschichte [?] bei Hardenbergen wäre sonst eine undenkliche Sache gewesen. Hier bringt sich ein preußischer Kommissarius nach dem andern ums Leben, einer starb vergiftet, der andere ersäuft.

Die Franzosen haben bei Hanau eine Schiffsbrücke geschlagen und hanauische Ortschaften besetzt, sie stehen schon bei Butzbach, Grimmberg, Alsfeld. Taylor ist von Kassel wegkomplimentiert worden.

- - Leben Sie recht wohl.               C. A."

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Die Verbindung Lützows mit Carl August blieb auch in der Folgezeit bestehen; die wenigen Zeugnisse, die uns davon erhalten sind, deuten doch auf einen ausgedehnteren Gedankenaustausch. Wie früher Wolzogen in St. Petersburg, so unterstützte er 1806 und 1807 auch den Kanzler von Müller, als dieser nach dem Zusammenbruch als Friedensunterhändler in Paris weilte 45 ). Zwei Briefe Lützows an den Herzog aus Paris vom 16. September 1808 und 13. April 1809 46 ) zeigen, daß Lützow auch damals dem Herzog Mitteilungen zukommen ließ und andererseits, wie früher Carl August den mecklenburgischen, jetzt den weimarischen Nachrichtenapparat benutzte, um gelegentlich auf sicherem Umwege Briefe an sein Fürstenhaus zu übermitteln. Mit Carl Augusts Schwiegertochter, der


44) Das Wort stammt von Mirabeau, der es einmal auf Philippe Egalité, gesagt haben soll. Vgl. Ducoin, Etudes révolutionäres. Philippe d'Orléans-Egalité. Paris 1845, S. 79, wo es italienisch mitgeteilt ist: "Ribaldaccio! rizza semprè la sceleratezza, senza mai eiacularda!" Ducoin fügt hinzu: "On a rendu en langue étrangère l'exclamation de Mirabeau, l'honnêteté francaise se refusant a traduire de semblables obscénités." [!].
45) Vgl. darüber U. Crämer a. a. O. im Register unter Lützow.
46) Hausarchiv Weimar A XIX Nr. 77.
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Großfürstin Maria Paulowna, trat Lützow 1810 in Verbindung, als er in Paris auch die Interessen des Herzogs Peter von Oldenburg wahrnahm, dessen Land damals im Zusammenhang der Kontinentalsperre gegen England dem Kaiserreich einverleibt wurde. Lützow appellierte an das verwandtschaftliche Gefühl der Großfürstin, deren Schwester Katharina mit einem Sohn des Herzogs vermählt war, um durch ihre Vermittlung zweimal Depeschen sicher nach Oldenburg gelangen zu lassen 47 ). Übrigens war diese Inanspruchnahme dem Herzog peinlich, als er später durch die Großfürstin davon erfuhr 48 ). Da der Oldenburger Herzog mit Erfurt entschädigt werden sollte, konnten Lützows Nachrichten in Weimar auch politisch interessieren; im Weimarer Staatsarchiv ist ein Akt über diese Angelegenheit vorhanden. Lützow hielt die Entschädigung des Herzogs mit Erfurt, auf das Carl August doch immer sein Augenmerk richtete, für beruhigend für Weimar, denn damit sei bewiesen, daß die politischen Pläne des Kaisers diese Gegend nicht berührten. Und er fügt hinzu:

"J'aimerais bien pouvour avoir la même sûreté pour ma patrie, mais la situation sur les côtes est bien dangereuse aujourd'hui" 49 ).

Diese Beziehungen, die Lützow mit der Familie des Herzogs verknüpften, dehnten sich seit 1810 auch auf die Gattin Lützows, die Oberhofmeisterin am Mecklenburgischen Hofe, aus. Sie erwarb sich die besondere Schätzung der zarten und feingebildeten Erbprinzessin Caroline, der Tochter Carl Augusts 50 ). An dem lebensfrohen Hofe Friedrich Franz I. fühlte sich Caroline zu der Oberhofmeisterin, die einen dämpfenden Einfluß übte, besonders hingezogen.

Einen eigentlichen gedanklichen Einfluß Lützows auf Carl Augusts Politik wird man, soweit das lückenhafte Material eine Aussage gestattet, nicht annehmen dürfen; Lützow wurde von Carl August als gut informierter und gefälliger Diplomat geschätzt, der darüber hinaus freundschaftlichen Vertrauens und der Mitteilung von Gedanken und Sorgen wert war.

Vignette

47) Hausarchiv Weimar A XIX Nr. 96, Bl. 12 u. 18.
48) Ebd. Bl. 24/25 (Abschrift).
49) Ebd. Bl. 18.
50) Vgl. C. Schröder, Caroline Erbprinzessin von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar, Schwerin o. J. (1901), S. 31.