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II.

Bischof Brunward von Schwerin

von

Wilhelm Biereye.

 

Vignette
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U nter den Bischöfen der Schweriner Diözese ragt neben Berno, der durch seine unermüdliche Missionstätigkeit den Grund für das Bistum gelegt hatte, vor allem sein Nachfolger Brunward, der Organisator des Gewonnenen, hervor. Als Gründer von Klöstern und Kirchen, der auf das eifrigste bemüht war, das Werk seines Vorgängers auszubauen, hat er schon immer in den Darstellungen der mecklenburgischen Geschichte die gebührende Beachtung gefunden.

Aber damit ist nur ein Teil seiner Lebensarbeit umfaßt. Seinem klugen und entschlossenen Handeln ist es vor allem zu verdanken, daß das Schweriner Bistum die ihm von Heinrich dem Löwen gegebene Machtstellung gegen Kammin behauptete, vielleicht sogar verstärkte, und nicht, wie die Ratzeburger Schwestergründung, in den Zustand beschaulicher politischer Bedeutungslosigkeit versank. Vor allem aber gebührt ihm der Ruhm, der zweiten Kolonisations- und Germanisationsepoche zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Mecklenburg bis nach Vorpommern hinein Form und Ziel gegeben zu haben. Überall spürt man hier, auch wenn Brunward nicht selbst genannt wird, hinter den Verleihungen und Anordnungen der weltlichen Großen seinen leitenden Rat und Willen.

Als Bischof Berno am 14. Januar 1191 gestorben war 1 ), wählte das Domkapitel in Schwerin zu seinem Nachfolger den Hamburger Dompropst Hermann, einen Sohn des Grafen Gunzelin I. von Schwerin. Die Wahl stieß aber auf Widerspruch bei "den Wenden", die ihrerseits den bisherigen Domdekan Brunward als zukünftigen Bischof namhaft machten 2 ).


1) Wohl mit Recht nimmt Fr. Salis in seinem Aufsatz: Die Schweriner Fälschungen, Archiv für Urkundenforschung (im folgenden abgekürzt: AfU.), Bd. I, 1909, S. 275, Anm. 1, im Gegensatz zu Rudloff, Geschichte Mecklenburgs vom Tode Niklots bis zur Schlacht bei Bornhöved, Berlin 1901 (im folgenden abgekürzt: Rudloff), S. 90 f. und 171, Anm. 39 an, daß Berno schon 1191 und nicht erst 1193 gestorben sei.
2) Mehr wird in dem Clandrianschen Regest über die Beilegung des Streits zwischen beiden Bewerbern um den Bischofssitz vom 18. VI. 1195 (M.U.B. Nr. 158) über die Wahl selbst nicht gesagt. Auf welche rechtlichen Grundlagen das Domkapitel wie "die Wenden" sich bei der nominatio ihrer Kandidaten stützten, ist aus (  ...  )
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Fraglich bleibt, wer mit dem Ausdruck "die Wenden" gemeint ist. Waren es die Fürsten allein, oder wirkten auch die seniores ihrer Länder mit? Sicher gehörten zu Brunwards Fürsprechern die Fürsten Borwin von Mecklenburg und Niklot von Rostock. Über die Haltung Jaromars von Rügen schweigen unsere Quellen 3 ).

Zweifellos spielten politische Gegensätze bei dieser Doppelwahl stark mit. Hermann war der Kandidat seiner Brüder, der Grafen von Schwerin. Hinter Brunward standen die Enkel Niklots, die den von Heinrich dem Löwen eingesetzten Schweriner Grafen hatten weichen müssen. Hermanns Obsiegen hätte die Macht der deutschen Grafen bedeutend gesteigert. Es mochte fraglich sein, ob sie sich dann noch mit dem engen Raum ihres Territoriums begnügt und der Versuchung widerstanden hätten, es auf Kosten ihrer wendischen Nachbarn auszudehnen.

Auch Brunward war deutscher Abstammung. Er war consanguineus, also blutsverwandt, mit Detlev v. Gadebusch 4 ), wenn sich auch der Grad dieser Verwandtschaft nicht näher bestimmen läßt. Der Ahnherr des Geschlechts v. Bützow Gadebusch war aus der Halberstädter Gegend schon unter Berno als bischöflicher Vasall in das Land Bützow eingewandert und vermutlich mit dem Kommando über die dortige Burg betraut worden. Dann erwarb er oder einer seiner Söhne reichen Besitz bei Gadebusch. Schon früh scheint der Bützower Burgherr in freundschaftliche Beziehungen zu den Wendenfürsten getreten zu sein, deren Länder diese bischöfliche Enklave umgaben, während sich zum ferneren Schweriner Grafenhaus kein engeres Verhältnis gestaltete. Vielleicht ist Brunwards Eifer für kolonisatorische Betätigung, der später bei ihm so


(  ...  ) M.U.B. Nr. 158 nicht zu ersehen. Für die ganze Kirche ist ausschließliches Wahlrecht für die Domkapitel erst auf dem Laterankonzil von 1215 erklärt worden. Es ist aber anzunehmen, daß, wie die Wahl des Bischofs Dietrich von Lübeck vom 21. XI. 1186 zeigt (s. Zeitschr. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. Altertumsk., XXV, S. 313 ff.), tatsächlich in den meisten Diözesen schon vorher so verfahren wurde. Vgl. Werminghoff, Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. Aufl., Leipzig, 1913, S. 125 f.
3) Jaromar konnte überhaupt bei der Wahl nur dann mitwirken, wenn Teile seines Reichs innerhalb der Schweriner Diözese lagen; das ist aber selbst für das Land Tribsees zweifelhaft. S. u., S. 127.
4) M.U.B. Nr. 440. Clandrian übersetzt in dem Regest consanguineus mit "Oheim", gibt aber keine Begründung dafür.
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ausgeprägt hervortritt, ein Erbteil von seinen Ahnen her gewesen 5 ).

Er war von Anfang an für die geistliche Laufbahn bestimmt worden und wird gleich nach Erlangung des vorgeschriebenen Alters von 14 Jahren 6 ) in das Schweriner Domkapitel 7 ) eingetreten sein, in dem er schnell zur Würde des Dekans aufstieg 8 ). Da trugen ihm 1191 die wendischen Fürsten das Schweriner Bischofsamt an; und der seiner Fähigkeit bewußte und nach Taten drängende Domherr nahm ihre Wahl an, auch wenn ihm die Eifersucht eines großen Teils seiner Mitkanoniker drohen mochte.

Die Einkünfte des Bistums, auf die beide Kandidaten Anspruch erhoben, mußten durch diesen Streit erheblich gefährdet werden. Die Not wird häufig die beiden rivalisierenden Anwärter gezwungen haben, auf die Güter des Domkapitels zurückzugreifen und sogar Stiftsgüter zu veräußern. Wertvolle Schätze des Bistums, wie die Bücherei Bernos, hatte Brunward mit Beschlag belegt und aus Schwerin entführt. Diesen unhaltbaren Zuständen ist schließlich am 18. Juni 1195 in Boizenburg durch Bischof Isfried von Ratzeburg, Abt Arnold von Lübeck und den Lübecker Kanoniker Hermann auf dem


5) Über das Geschlecht der Herren v. Bützow-Gadebusch-Marlow-Loitz wird an anderer Stelle ausführlicher gehandelt werden.
6) Vgl. Werminghoff, a. a. O., S. 146. Brunward starb 1238; 1191 war er Dekan. Nimmt man an, daß er bei seinem Tode 75 Jahre alt war, so müßte er das Dekanat schon mit 29 Jahren bekleidet haben. Das läßt vermuten, daß er sehr jung in das Domkapitel eingetreten ist.
7) Aus Brunwards Vorliebe für die Cistercienser und dem Umstand, daß er einmal in einer Urkunde die Amelungsborner Mönche als fratres nostri in Amelongesborn (M.U.B. Nr. 257) bezeichnet, hat man (s. Rudloff a. a. O., S. 91 und 171, Anm. 41) schließen wollen, er sei selbst Mitglied des Ordens gewesen. Die Bezeichnung der Mönche als fratres nostri kann sich aber ebensogut auf die gemeinsame Zugehörigkeit zum geistlichen Stand überhaupt beziehen; seine Vorliebe für den Cistercienserorden mag in dessen kolonisatorischen Bestrebungen begründet gewesen sein. Die Zugehörigkeit zu einem Mönchsorden schloß die Mitgliedschaft bei einem Domkapitel aus; ferner pflegte ein Bischof, der aus einem Mönchsorden stammte. seinem Titel das Wort frater voranzustellen (s. Werminghoff, a. a. O., S. 173), was in Brunwards Urkunden nirgends vorkommt. Die Urkunde vom Jahr 1178 (M.U.B. Nr. 125), in deren Zeugenliste Brunward zum erstenmal als canonicus bezeichnet wird. ist eine Fälschung (s. AfU. III, 40, 70 Anm., 76); aber vielleicht ist die Zeugenreihe einer echten Urkunde entnommen.
8) Arnold, V, 24, ed. in us. schol. S. 1934.
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Wege des Vergleichs ein Ende bereitet worden. In der Personenfrage siegten die wendischen Herren, die im weitaus größten Teil der Diözese geboten; Brunwards Wahl wurde jetzt vom Domkapitel als gültig anerkannt. Aber indem dem Domkapitel für die Zukunft das bisher von den Wendenfürsten angefochtene alleinige Recht der Bischofswahl und außerdem dieselben Rechte, die von den Domkapiteln in Lübeck und Hamburg ausgeübt wurden, zugestanden wurden, und indem der neue Bischof jeglicher Einmischung in die Verwaltung der Güter des Domstiftes entsagte und die Veräußerung von bischöflichen Gütern von der Zustimmung des Domkapitels abhängig machte 9 ), wurde das Domkapitel für das Fallenlassen seines Kandidaten Hermann reich entschädigt.

Zu einer endgültigen Ausgleichung der Gegensätze scheint dieser Vergleich aber nicht geführt zu haben. Für die Zeit von 1195 bis 1217 sind zwar nur wenig Urkunden über die Schweriner Grafen oder das Bistum erhalten 10 ). Aber auffälligerweise fehlt in ihren Zeugenlisten überall der Name des Schweriner Bischofs, während der Domscholastikus Magister Appollonius, Brunwards Gegenspieler 11 ), zweimal 12 ) und andere Mitglieder des Kapitels einmal 13 ) in ihnen auftreten. Andererseits begegnet uns der Bischof während dieser ganzen Zeit mehrfach, aber stets außerhalb seiner Diözese. 1199 weihte er eine Kapelle im niederländischen Kloster Egmond 14 ). Besonders häufig erscheint er am Hofe seines Lübecker Amtsgenossen 15 ). Erst nachdem Bischof Berthold am 15. März 1218 in Lübeck das Schiedsurteil zwischen Brunward und dem "magistro Appollonio und seinen Consorten", womit das Domkapitel gemeint ist, gefällt hatte 16 ), sind wieder erträgliche Zustände in der Leitung des Schweriner Bistums geschaffen worden. Die Schweriner Grafen scheinen dabei, wie das Auftreten des Appollonius 1217 17 ) in ihrem Gefolge und auch später das Fehlen Brunwards in den Zeugenlisten der meisten


9) M.U.B. Nr. 158.
10) M.U.B. Nr. 165 (um 1200), 230, 231, 235 (alle von 1217).
11) M.U.B. Nr. 240.
12) M.U.B. Nr. 230, 235.
13) M.U.B. Nr. 235.
14) M.U.B. Nr. 163.
15) B.L. 18 (1197), Hasse I, 225 (1201), M.U.B. Nr. 2660 (1208), B.L. 25 (1210).
16) M.U.B. Nr. 240 nach einem Clandrianschen Regest.
17) M.U.B. Nr. 230, 235.
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Schweriner Urkunden bis 1238 zeigen, die Partei des Domkapitels ergriffen zu haben.

Erst nachdem 1218 der Friede zwischen Bischof und Domkapitel wieder hergestellt worden war, 23 Jahre nach seinem Amtsantritt, hat Brunward sich den großen Aufgaben zuwenden können, die mit dem Amt eines Bischofs in einer noch großenteils von Heiden bewohnten Diözese eng verbunden waren. Die Fülle der urkundlichen Nachrichten über sein tatkräftiges Wirken nach 1218 steht in so auffallendem Gegensatz zu ihrer Schweigsamkeit über die Zeit vor der Aussöhnung mit Appollonius, daß es nicht ausgeschlossen erscheint, daß Brunward bis 1217 vor der Übermacht seiner Gegner aus der Diözese hatte weichen müssen.

Von 1218 ab hat Brunward sich stets mit Erfolg bemüht, die während des Streits mit dem Domkapitel entstandene Unsicherheit über die Einnahmen des Domkapitels und des Bischofs zu beseitigen und den Haushalt des Bistums auf eine sichere Grundlage zu stellen.

Nachrichten über eine klare Scheidung zwischen den Gütern des Bischofs und des Domkapitels, wie wir sie etwa über das Bistum Ratzeburg vom Jahr 1194 18 ) besitzen, sind aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts für das Bistum Schwerin nicht erhalten. Es ist aber anzunehmen, daß sie zu Anfang des Jahrhunderts auch hier vollzogen ist. Daß Streitigkeiten über eine solche Güterverteilung Mitanlaß zum Zwist zwischen Bischof und Domkapitel gewesen sind, zeigen Hederichs Erklärungen zum Vergleich vom 15. März 1218, wonach Brunward die Zehnten des Landes Warnow und von Malchow dem Domkapitel überließ 19 ).

Bei Neugründungen von Klöstern und Besitzvermehrungen der schon bestehenden ist Brunward dem allgemein üblichen Brauch gefolgt, ihre Güter von der Zahlung des bischöflichen Zehntenanteils zu befreien 20 ). Daß auch das Kapitel an diesen


18) M.U.B. Nr. 159.
19) M.U.B. Nr. 240, Anm. Die Verhandlungen über den Zehnten von Warnow vom 21. April 1230 mit den Fürsten Johann und Pribislav von Mecklenburg scheint Brunward als Mandatar des Kapitels geführt zu haben.
20) Kloster Sonnenkamp: 1219 (M.U.B. Nr. 255), 1235 (M.U.B. Nr. 429); Lübecker St. Johanniskloster: 1219 (M.U.B. N. 256); Kloster Amelungsborn: 1219 (M.U.B. Nr. 257), 1233 (M.U.B. Nr. 418); Kirche Bützow: 1229 (M.U.B. Nr. 365); Doberan: 1230 (M.U.B. Nr. 380), 1232 (M.U.B. Nr. 406), 1237 (M.U.B. Nr. 462); Kloster Neuenkamp: 1231 (M.U.B. Nr. 394).
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Zehnteneinnahmen beteiligt war, ergibt sich daraus, daß es 1219 für seinen Anteil an den Zehnten der Dörfer Krempin und Schmakentin, die Brunward an das Lübecker Johanniskloster verkaufte, durch Zehnten aus dem Dorf Jarchow entschädigt wurde 21 ).

Wenn auch nicht immer erwähnt wird, wie groß der Anteil des Bistums an den Zehnten innerhalb der Diözese gewesen ist, so deutet doch manches darauf hin, daß im allgemeinen die Hälfte der Zehnteinkünfte den Landesherren überlassen war 22 ). Die Einkünfte der Kirche aus den Abgaben der bekehrten Wenden waren nur gering; andererseits zahlten die Kolonisten nur mit Widerstreben der Kirche den üblichen Zehnten. Da ist es nicht verwunderlich, daß in diesen wirren Zeiten ein großer Teil der Zehntpflichtigen überhaupt die Zahlungen an die Kirche einstellte, zumal ihr die weltliche Macht zur Durchführung ihrer Ansprüche noch fehlte 23 ). Die weltlichen Fürsten waren aber keineswegs geneigt, die Ansprüche der Kirche zu vertreten, wenn nicht eigener Vorteil dabei winkte. Brunward hat sich so die Mithilfe der Fürsten Johann und Pribislav beim Eintreiben der Zehnten in den Ländern Warnow, an beiden Ufern der Eldena und Brenz 24 ) und in einer Reihe ihrer Vasallengüter, also kurz gesagt in ihrem ganzen Herrschaftsgebiet, dadurch erkauft, daß er ihnen am 21. April 1230 25 ) die Hälfte der einlaufenden Zehnten zusicherte. Ähnliche Abmachungen hatte er schon früher mit dem rügischen Fürsten getroffen, als er 1221 seinen groß angelegten Kolonisationsvorstoß in das Land Tribsees unternahm 26 ). Eine besonders wichtige Rolle spielte die Zusicherung von Zehnten an weltliche Machthaber, als es galt, die Hilfe der


21) M.U.B. Nr. 256.
22) Wenn Brunward an das Lübecker Johanniskloster den halben Zehnten von Krempin und Schmakentin verkaufte (M.U.B. Nr. 256) und seinem Neffen Brunward den halben Zehnten von "Stauenisthorpe und Kaminyz" verlieh (M.U.B. Nr. 421), ist anzunehmen, daß er hier nicht mehr besaß.
23) Ein anschauliches Bild für die Abneigung der Kolonisten gegen die Zehntenzahlung gibt Helmold für das Bistum Lübeck cap. 92, Ausg. Schmeidler, S. 179 9 ff.
24) Mit dem Land "an beiden Ufern der Eldena" ist wohl das Land Parchim gemeint, das östlich der Landschaft Brenz liegt.
25) M.U.B. Nr. 376. Das Regest läßt versehentlich: "an beiden Ufern der Eldena" fort.
26) M.U.B. Nr. 278. Hierüber ausführlicher im Abschnitt über Brunwards Kolonisationstätigkeit, s. u. S. 120 f.
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Söhne Borwins 1236 beim Kampf um die Erweiterung seiner Diözese über den pommerschen Anteil von Circipanien zu gewinnen 27 ).

Allerdings wurde hier schon das Fell des pommerschen Bären verteilt, ehe er erlegt war. Zunächst kam es Brunward darauf an, den Rostocker Fürsten Borwin III., der es bisher mit dem Bistum Kammin gehalten hatte, auf die Schweriner Partei herüberzuziehen. In den Ländern Circipanien und Wozlende 28 ) besaß Borwin schon den halben Zehnten vom Kamminer Bischof zu Lehn. Es war selbstverständlich, daß Brunward ihn in diesem Besitz beließ. Dazu versprach er ihm aber noch den halben Zehnten der Länder Gützkow und Ziethen und aller Gebiete, die sie sonst noch peeneabwärts im pommerschen Herzogtum erobern würden 29 ). Johann von Mecklenburg, Borwins III. Bruder, gewann er als Verbündeten, indem er ihm in dem noch von ihm zu erobernden Teil Circipaniens den ganzen Zehnten von 400 Hufen und sonst die Hälfte der Zehnten versprach, ferner den halben Zehnten von Loitz und Gützkow, obwohl er die letztgenannten Einkünfte auch schon Borwin III. zugesichert hatte, und von allem eroberten Land von Loitz aus peeneabwärts. Wie problematisch dies letzte Angebot war, zeigt die Tatsache, daß es sich zum Teil mit den schon Borwin III. zugesicherten Belohnungen deckte 30 ). Über den ganzen Zehnten der Länder Lassan und pommersch Wolgast einigte man sich bis zum 5. August 1236 dahin, daß Johann den Lassaner, Borwin den Wolgaster Teil haben sollte 31 ).

Dies Zehntversprechen von ungewöhnlicher Größe ist aber durch einen besonderen Anlaß verursacht worden. Ob es wirklich erfüllt worden ist, muß mit Recht bezweifelt werden. Das eine hoffte Brunward immerhin zu erreichen, daß wenigstens aus Circipanien die Hälfte der Zehnten, die bisher in die Kassen des Kamminer Bischofs geflossen war, dem Schweriner Bistum zugute kam.

So hat Brunward, wenn auch nicht ohne Opfer, durch seine Zehntverträge mit den Fürsten dem Bistum wenigstens einen Teil der Zehnten als dauernde Einnahme gesichert, ohne


27) M.U.B. Nr. 446. 458.
28) Um Güstrow.
29) M.U.B. Nr. 446.
30) M.U.B. Nr. 458
31) Über die chronologische Einordnung der Urkunden M.U.B. Nr. 446 und 458 s. u. S. 135 f.
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die das Bistum seine kulturellen Aufgaben gar nicht hätte erfüllen können.

An der Spitze dieser kulturellen Aufgaben stand für Brunward die Ausbreitung christlichen Glaubens im Bereich seiner größtenteils von Heiden bewohnten Diözese. Er hat dies Ziel auf mancherlei Wegen zu erreichen gesucht. Kirchen wurden in vielen Orten des Landes errichtet und mit Priestern besetzt. Als festen Halt für diese Vorposten der Mission richtete Brunward nicht nur eine ganze Reihe neuer Klöster ein, sondern er rief auch christliche Bauern aus Deutschland in großer Zahl ins Land und siedelte sie dort an. Wie sehr christliche Mission und deutsche Einwanderung hier mit einander verbunden waren, zeigt schon die Tatsache, daß alle von Brunward errichteten Kirchen mit Hufen ausgestattet wurden, was eine Besitzverteilung und Dorfverfassung nach deutschem Recht voraussetzte. So verband sich unlösbar Geistliches mit Weltlichem, so wurde die christliche Missionstätigkeit der Kirche ein starker Bundesgenosse bei der weltlichen Eroberung des mecklenburgischen Landes für die deutsche Kultur.

Über Brunwards Kirchengründungen berichten die gleichzeitigen Urkunden im allgemeinen nur wenig. Das Vorhandensein einer Kirche zu bestimmter Zeit läßt sich häufig nur aus dem gelegentlich in den Zeugenlisten von Urkunden angeführten Namen eines Priesters mit beigefügter Ortsbezeichnung erschließen. Nur für wenig Gebiete sind in Hinsicht auf den Bestand an Kirchen genauere Nachrichten überliefert worden wie etwa über die werlische Vogtei Schwaan und das bischöfliche Stiftsland Bützow. In Bützow selbst ist die Kirche, obwohl hier der Mittelpunkt des ganzen Stiftslandes lag, wohl erst von Brunward gegründet worden 32 ). Am 8. Juli 1233 war die kirchliche Organisation der beiden genannten Länder soweit durchgeführt, daß das Kloster Rühn mit der Verwaltung eines Archidiakonats betraut werden konnte 33 ), dem die Kirchen Neukirchen, Retschow, Karin, Tessin, Warin, Qualitz, Baumgarten, Boitin, Tarnow, Parum, Lambrechtshagen, Bernitt und Bützow, alles also Gründungen aus der Zeit Brunwards, angehörten. Die Versorgung mit Kirchen war hier ausgiebiger als in irgend einem Teil des benachbarten Bistums Ratzeburg, das doch schon wenigstens ein Menschenalter


32) M.U.B. Nr. 365 vom Januar 1229: ecclesiam Butzowensem in consecratione ipsius dotavimus.
33) M.U.B. Nr. 420.
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vor dem Bützower Lande von deutschen Einwanderern bevölkert wurde.

Genauere Angaben sind ferner über die Versorgung der Länder Parchim und Sternberg überliefert worden. Als 1225/6 Fürst Heinrich II. christliche Siedler in die terra deserta, invia, die terra cultui demonum dedicata Parchim berief 34 ), mag im Hauptort schon eine Kirche bestanden haben, über deren Entstehungszeit aber jegliche direkte Nachricht fehlt 35 ). Aber schon 4 Jahre, nachdem hier die Einwanderung christlicher Siedler eingesetzt hatte, gründete Fürst Johann auf Brunwards Geheiß 36 ) im Kirchspiel Parchim 4 Kapellen in Damm, Klokow, Lanken und Möderitz 37 ). Östlich von Parchim werden die Kirchen in Plau 38 ), das 1226 zur deutschen Stadt erhoben wurde 39 ), und von Kuppentin, die urkundlich zuerst zum 3. August 1235 erwähnt wird 40 ), noch unter Brunwards Regierung erbaut worden sein, und ebenso auch die Kirche in Neu-Malchow 41 ).

Auch für die Gegend um Goldberg wird man vor 1200 das Vorhandensein von Kirchen kaum annehmen dürfen 41). Also werden die 5 Kirchen zu Goldberg, Lohmen, Ruchow, Karcheez (Ghetce) und Woserin, über die 1228 das Dobbertiner Kloster das Archidiakonat erhielt 42 ), Schöpfungen Brunwards sein. Aber auch in den übrigen Teilen der Diözese ist der Bau von Kirchen während Brunwards Amtszeit urkundlich bezeugt, wenn für sie auch so zusammenfassende Nachrichten, wie für das Stiftsland Bützow und das Land Goldberg, fehlen. Im Dezember 1217 bestätigte der Bischof den Schweriner Domherren die Verleihung einer Hufe in Wittenförden, 6 km westlich Schwerin, zum Bau einer Kapelle 43 ). Nach 1219 44 ) errichteten die Mönche von Amelungsborn in Satow, ubi quondam locus


34) M.U.B. Nr. 319.
35) Vgl. K. Hoffmann in M.J.B. 94 S. 91 ff.
36) "ad voluntatem venerabilis patris et domini nostri Brunwardi Zwerinensis episcopi".
37) M.U.B. Nr. 370.
38) Schmaltz in M.J.B. 73 S. 64.
39) M.U.B. Nr. 428.
40) M.U.B. Nr. 436.
41) Vgl. Schmaltz in M.J.B. 73 S. 57 ff.
42) M.U.B. Nr. 425, s. dazu M.U.B. Bd. IV, S. 240. Die Goldberger Kirche wird schon 1231 urkundlich erwähnt. Vgl. M.U.B. Nr. 386.
43) M.U.B. Nr. 234.
44) M.U.B. Nr. 257.
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erat horroris et vaste solitudinis, eine Kirche, deren Sprengel Brunward 1224 45 ) bestätigte. 1229 genehmigte er die Gründung einer Filialkirche von Neuburg zu Gardesskenthorp 46 ), 12 km nordöstlich Wismar 47 ). Selbst im Lande Tribsees, östlich der Recknitz, scheint Brunward Kirchen errichtet zu haben. 1221 sehen wir den Bischof hier an der Arbeit, deutsche Bauern in das von Einwohnern fast entblößte Land einzuweisen 48 ). 1231 überwies Wizlav I. dem neu entstehenden Kloster Neuenkamp das Patronat der Kirche in Richtenberg 49 ), 1 km nördlich Franzburg, die danach in dem Zeitraum von 1221 bis 1231 gegründet sein muß.

Manche Kirche, die in der urkundlichen Überlieferung erst viel später auftaucht, mag sonst noch von Brunward gegründet worden sein 50 ). Aber allein schon die große Anzahl der sicher bezeugten Gründungen des Bischofs gibt hinreichend Kunde von dem Ernst und der Tatkraft, mit der er an die Bekehrung der heidnischen Gebiete seiner Diözese heranging und sich der Seelsorge in ihr annahm.

Aus Gründen der Verwaltung und der kirchlichen Rechtspflege hat Brunward in manchen Gegenden seiner Diözese die Kirchen zu Archidiakonaten zusammengefaßt. Daß er schon von Anfang an das ganze Gebiet seines Bistums in größere kirchliche Verwaltungsgebiete eingeteilt habe, ist nicht anzunehmen; das praktische Bedürfnis allein wird ihn hierbei geleitet haben. Wohl ordnete das Kloster Doberan schon 1177 innerhalb seines gesamten Klostergebiets die kirchliche Ge-


45) M.U.B. Nr. 300.
46) Heute Dreweskirchen.
47) M.U.B. Nr. 363.
48) M.U.B. Nr. 278. Über Brunwards kolonisatorische Tätigkeit im Lande Tribsees s. u. S. 112 f.
49) Pom.U.B. Nr. 277.
50) Mit großem Scharfsinn und Fleiß hat K. Schmaltz in M.J.B. 72 S. 213-270, und M.J.B. 73 S. 31-124 die Entwicklung der kirchlichen Organisation Mecklenburgs im 13. Jahrhundert behandelt. Dennoch scheinen die von ihm aufgestellten Grundsätze für die zeitlichen Bestimmungen der Kirchengründungen noch einer genauen Nachprüfung zu bedürfen, ehe man den Ergebnissen seiner Arbeit voll zustimmen kann. In vielen Fällen bleibt Schmaltz, wie es bei der Dürftigkeit der Quellen auch kaum anders möglich ist, den exakten Beweis schuldig und beschränkt sich auf Vermutungen. Eine eingehendere Nachprüfung würde ungebührlich großen Raum einnehmen und den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Trotzdem behalten viele seiner kenntnisreichen Beobachtungen ihren Wert.
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richtsbarkeit und Verwaltung 51 ) und übte seit spätestens 1191 der Schweriner Dompropst in der Grafschaft Schwerin dieselben Rechte aus 52 ). Aber für den übrigen weitaus größeren Teil der Diözese fehlte es noch ganz an solchen Archidiakonaten, weil es in ihnen an Pfarreien mangelte, die sich in dieser Weise zusammenfassen ließen. Neue Archidiakonate richtete Brunward wohl erst dann ein, wenn sich um einen festen Mittelpunkt herum eine größere Anzahl Kirchspiele gebildet hatte, die dann, um ihre Verwaltung zu erleichtern, zu besonderen Einheiten zusammengefaßt wurden. Solche geistlichen Zentren waren vor allem die Klöster. Deshalb wird Brunward das Archidiakonat über die Kirchen des Stiftslandes Bützow und des nördlich angrenzenden Teils der Vogtei Schwaan 1233 dem Kloster Rühn bei Bützow 53 ) und das Archidiakonat über das Land Goldberg etwas später dem Kloster Dobbertin übertragen haben 54 ). Daß das 1252 zum erstenmal genannte Archidiakonat Rostock schon zu Brunwards Lebzeiten bestanden habe 55 ), ist eine Vermutung von Schmaltz, die jeglicher urkundlichen Unterlage entbehrt; noch weniger läßt sich das Vorhandensein eines schwerinschen Archidiakonats Tribsees erweisen 56 ).


51) Schmaltz, M.J.B. 73 S. 149.
52) M.U.B. Nr. 151.
53) M.U.B. Nr. 420.
54) M.U.B. Nr. 425.
55) M.J.B. 73 S. 150.
56) M.J.B. 73 S. 150. Schmaltz schließt aus dem Auftreten des Jerizlauus prepositus de Tribuses in der Zeugenliste zu der Bestätigungsurkunde Brunwards für das Kloster Doberan vom 3. Oktober 1232 (M.U.B. Nr. 406), daß damals schon ein Archidiakonat für das rügische Vorpommern bestanden habe, dessen Probst Jaroslav, der Sohn des Fürsten Wizlaw I. von Rügen, gewesen sei. 1235 erscheint dieser Jaroslav aber als Geruzlauus prepositus und Kamminer Propst oder Dekan neben dem Florencius Caminensis summus prepositus im Gefolge des Kamminer Bischofs (M.U.B. Nr. 427) und am 16. September 1237 als Jarovezlaus prepositus Ruianorum et Triluses (Pom.U.B. Nr. 343). Am 12. November 1237 begegnet er neben Florentius prepositus als Jarozlauus decanus im Kamminer Domkapitel in vorpommerschen Angelegenheiten (Pom.U.B. Nr. 347). Daraus ergibt sich, daß Jaroslav nicht Propst eines bischöflich-schwerinschen Archidiakonats, sondern des Kamminer Bistums war, das ihn mit der Sonderverwaltung des rügischen Anteils der Diözese betraut haben mochte. Ein schwerinsches Archidiakonat über das Land Tribsees wird urkundlich erst zum 7. Juli 1299 erwähnt.
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Als die geistlichen Zentren des Landes sind schon die Klöster genannt worden. Ihnen hat Brunwards Fürsorge vor allem gegolten, oft vielleicht im Gegensatz zum eigenen Domkapitel, das in der Abtretung der Zehnten innerhalb des Klostergebiets eine Gefahr für seinen eigenen Vermögensstand erblicken mochte 57 ). Besonders nahe haben ihm die Tisterzienser gestanden. Man hat deshalb, allerdings wohl fälschlich 58 ), vermutet, Brunward sei selber Cisterziensermönch gewesen.Schon seine Herkunft aus altem, ritterlichem Einwanderergeschlecht mag enge innerliche Beziehungen zu dem Orden hergestellt haben, der wie kein anderer die tatkräftige Kolonisation in den neu zu erschließenden östlichen Grenzländern zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte. Wenn auch die Ausstattung der neuen Klöster in der Hauptsache durch die mecklenburgischen Herrscher und von Neuenkamp durch den rügischen Fürsten erfolgte, wird die treibende Kraft bei ihrer Errichtung Bischof Brunward gewesen sein. Oft hielt er sich in ihrer Nähe auf 59 ), und die Art, wie er in ihren Urkunden erwähnt wird, läßt schließen, daß er bei ihnen in besonderem Ansehen stand 60 ). Wenn man ferner bedenkt, daß Borwins I. Fürsorge für die Kirche seines Landes sich eigentlich erst im letzten Jahrzehnt seiner langen Regierung praktisch äußerte, nachdem Brunward wieder in sein Bistum zurückgekehrt war, so wird die Vermutung nicht zu gewagt erscheinen, daß diese Wandlung im Verhältnis Borwins I. zur Kirche auf Brunwards persönliche Einwirkung auf den Fürsten zurückzuführen ist.

Den Reigen dieser Klostergründungen eröffnete 1219 Sonnenkamp-Neukloster. Schon Bischof Berno hatte Anstalt


57) So ist wohl der Satz in Brunwards Bestätigung des neu errichteten Klosters Sonnenkamp 1219 zu deuten: M.U.B. Nr. 255: conferentes, quicquid decimationis nobis de villis eorum et prediis accrescere posset, cum ipsi expensis suis et laboribus incultam silvam a novalibus exstirpaverint, quod pro monasteriis de novo fundandis Lateranense concilium fieri posse indulsit (1215), auctoritate etiam ducis Heinrici, qui hunc episcopatum instituit, muniti. Vgl. zu letzterem M.U.B. Nr. 100.
58) S. o. S. 105 Anm. 7.
59) Bei Borwin I.: 1218 (M.U.B. Nr. 237, 244), 1219 (M.U.B. Nr. 260), 1224 (M.U.B. Nr. 301), 1226 (M.U.B. Nr. 331); bei Borwin II.: 1219 (M.U.B. Nr. 258).
60) M.U.B. Nr. 244: episcopus noster Br. videlicet vir religiosissimus; M.U.B. Nr. 331: uenerabilis Dominus et pater noster Br. Zw. ep.; M.U.B. Nr. 323: consilio domini mei Br. Zw. ep. et consensu patris mei Burwini.
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getroffen, in seinem Stiftsland Bützow ein Nonnenkloster zu errichten 61 ). Der Sturm der heidnischen Reaktion, der 1179 über die junge Pflanzung des Christentums in Mecklenburg hinwegfuhr, hatte aber alle diese Vorbereitungen zunichte gemacht. Durch die inneren Streitigkeiten von 1191 bis 1217 werden aber die Mittel des Bistums in arge Verwirrung geraten sein; es war daher aus eigener Kraft noch nicht imstande, dem Versprechen einer Klostergründung, das Berno bei Übernahme des Stiftslandes gegeben hatte 61), nachzukommen. Da griff auf Brunwards Veranlassung Fürst Borwin I. ein. Es bestand wohl schon ein Zisterzienserkloster bei Parkow, 5 km östlich Neubukow, das von Arendsee bei Salzwedel aus mit Nonnen besetzt worden zu sein scheint 62 ). Lebensfähig war es aber wohl kaum, da wir erst bei seiner Übersiedlung nach Sonnenkamp-Kuszin von ihm hören. Durch reiche Schenkungen seitens des Fürsten in der Umgegend von Neukloster, Grevesmühlen, Kröpelin, Rostock und Goldberg wurde ihm jetzt Gelegenheit genug zu aufbauender kolonisatorischer Arbeit im Sinne des Ordens gegeben. Sonnenkamp wurde bald nächst Doberan zum vornehmsten und bedeutendsten Kloster der Schweriner Diözese und hat sich dauernd des Bischofs Gunst erfreut.

Drei Jahre später wurde von Borwin I. auf dem Hof Tunischin am Flusse Tepnitz das Antoniuskloster Tempzin gegründet 63 ), das vor allem zur Aufnahme und Pflege von Elenden, die an schweren ansteckenden Krankheiten litten, bestimmt war. Es wurde mit der curia Tunischin bis zum Tepnitz-Fluß und dem dritten Teil des anstoßenden Sees und mit 16 Hufen in Goltbeke 64 ) im Lande Warnow mit dem angrenzenden See und dem Mühlenbach ausgestattet. Außerdem erhielt es das Recht, 300 Schweine auf die Weide zu treiben, und eine Salzpfanne in Sülten 65 ). Das Kloster war als Sammelpunkt für die Brüder des Mutterklosters Grünberg in Hessen bestimmt, die, Almosen heischend, in die Wendenländer geschickt waren. Es hat in den ersten anderthalb Jahrhunderten aber nur ein dürftiges Dasein gefristet, weil alle seine


61) M.U.B. Nr. 398, 420.
62) Vgl. Lisch in M.J.B. 15 S. 5.
63) Vgl. M.J.B. 33 S. 11 ff. Tunischin entspricht dem heutigen Tempzin.
64) Jetzt verschwunden, lag in der Gegend von Sternberg.
65) Das ist wohl mit in loco, quo sal decoquitur, gemeint. Vgl. M.U.B. Nr. 282; M.J.B. 33 S. 18 f.
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Überschüsse vom Mutterkloster zu dessen eigenem Gebrauch eingezogen wurden 66 ).

Schon die Verleihung von Techentin an das Kloster Sonnenkamp zeigt, daß die Gegend um Goldberg von Anfang an von Brunward als Missionszentrum im Südosten des Landes in Aussicht genommen war. Die Schwierigkeiten, die sich aus der weiten Entfernung Techentins von Sonnenkamp für eine tatkräftige Bekehrungsarbeit in der Goldberger Gegend ergaben, erwiesen sich aber bald als zu groß. Daher ist hier noch in den 20er Jahren ein besonderes Kloster angelegt worden. Dobbertin reicht mit seinen Anfängen noch in das Jahr 1225 zurück. Schon Borwin I. und seine Söhne, der am 28. Sept. 1225 verstorbene Nicolaus 67 ) und Heinrich II., haben reichen Besitz für ein zu gründendes Kloster der schwarzen Mönche vom Benediktinerorden bereitgestellt. Borwin gab 40 Hufen in Dobbertin selbst, Nicolaus 40 Hufen im benachbarten Dobbin, Heinrich 40 Hufen ober "Geline" beim See Lanckaue mit diesem See 68 ) und Getreiderenten aus Goldberg. Nach Nicolaus' jähem Tode hat Heinrich seiner Schenkung noch das Dorf Lohmen, 6 km nördlich Dobbertin, und einen Teil des benachbarten Gardener Sees hinzugefügt. 1227 vervollständigten Heinrichs II. Söhne Johann und Nicolaus die Ausstattung des Klosters durch den Grenzbach Clestene zwischen Goldberg und Dobbertin 69 ). Im Dezember 1227 war das Kloster schon von Benediktinermönchen des Stader Marienklosters bezogen, da der Abt Thedelin als Zeuge auftritt 70 ). Sehr bald haben aber die Mönche des Dobbertiner Klosters Cisterziensernonnen Platz machen müssen. Am 27. Oktober 1228 verlieh Brunward dem Kloster die freie Wahl des Propstes und der Priorin und übergab dem Propst das Archidiakonat über die Kirchen zu Goldberg, Lohmen, Ruchow, Karcheez und Woserin 71 ); die Bekehrungsarbeit hatte damit in der Goldberger Gegend zu reichen Erfolgen geführt. 1231 verlieh Fürst Johann dem Dobbertiner Kloster auch die Kirche in Goldberg als Ersatz für den Ausfall der von seinem Vater versprochenen Getreidezehnten 72 ).


66) Vgl. M.J.B. 15 S. 150 f.
67) M.U.B. Nr. 316.
68) Jellen am heutigen Langhagener See zwischen Goldberger und Krakower See und Wooster Teerofen.
69) M.U.B. Nr. 343.
70) M.U.B. Nr. 344.
71) M.U.B. Nr. 425; vgl. aber M.U.B. Bd. IV, S. 240; s. o. S. 111,
72) M.U.B. Nr. 386.
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1231 stieß Brunward mit seinen Klostergründungen über die Grenzen Mecklenburgs hinaus in das Land Tribsees vor. Schon 1221 lassen sich enge Beziehungen zwischen Brunward und Wizlav I. von Rügen nachweisen 73 ), die durch gemeinsame Bestrebungen des Kamminer Bischofs und der Pommernherzöge gegenüber dem festländischen Gebiet der rügischen Fürsten verursacht sein mögen. Ihnen setzten auf der andern Seite Brunward und Wizlav I. gemeinsamen Widerstand entgegen. Die seit 1221 in Angriff genommene Besiedlung mit deutschen Bauern, die dem menschenarmen Land Tribsees neue Arbeitskräfte zuführen sollte, war auf den Richtenberger Waldgürtel gestoßen, für dessen Rodung besondere Maßnahmen getroffen werden mußten. Meister in diesen technischen Arbeiten waren die Cisterzienser 74 ). Aber noch ein anderer Zweck scheint dieser Gründung vorgeschwebt zu haben. Es galt, dem unter Kammins Diözesangewalt stehenden Eldenaer Kloster bei einem etwaigen Versuch, in das Tribseer Land vorzustoßen, zuvorzukommen. So wird der Plan zur Gründung des Klosters Neuenkamp im heutigen Vorpommern zum großen Teil auf politische Beweggründe zurückzuführen sein. Neuenkamp war Kampfkloster der ecclesia militans Zwerinensis gegen Eldena; und vielleicht ist dieser Gesichtspunkt mitbestimmend gewesen für den Umfang der Dotierung, die ihm zuteil wurde; ein Bauplatz für das Kloster selbst an dem Bache Campeniz, das Dorf Richtenberg mit dem Patronat über seine Kirche, die Dörfer Cracows, Ratwards und Wulfers und 300 Hufen ungerodeten Waldlandes bildeten den Grundstock für den späteren, fast fürstlichen Besitz dieses Konvents 75 ). Im November 1233 wurde das Kloster mit Mönchen des Cisterzienserklosters Camp am Rhein besetzt 76 ).

Brunwards letzte Klostergründung war der Nonnenkonvent in Rühn bei Bützow, der aber nicht aus fürstlichem, sondern aus bischöflichem Besitz dotiert wurde. Es war der Preis an die werleschen Fürsten Heinrich III. von Rostock und Nikolaus von Güstrow für ihre Anerkennung des Bützower Stiftlandes, dessen Grenzen bei dieser Gelegenheit noch einmal genau festgelegt wurden. Damit er sein Versprechen, ein


73) M.U.B. Nr. 278; s. u. S. 120.
74) S. o. S. 114.
75) Fabricius, Rügisches Urkundenbuch, II, S. 12. Im Auszug M.U.B. Nr. 393, Pom.U.B. Nr. 277.
76) Pom.U.B. Nr. 300, ferner Pom.U.B. I S. 239.
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Kloster im Lande Bützow zu errichten und mit 100 Hufen auszustatten, leichter erfüllen könne, schenkten sie dem Bischof zwei Dörfer, darunter "Crazneierst" bei Binsdorf, 3 km westlich Malchow 77 ).

Schon von Berno waren in Rühn Vorbereitungen für die Errichtung eines Nonnenklosters getroffen 78 ). Brunward nahm die Pläne seines Vorgängers wieder auf, und am 14. Mai 1233 waren die Gebäude soweit hergestellt, daß das Kloster von Erzbischof Gerhard II. von Bremen bestätigt 79 ) und von Nonnen bezogen werden konnte 79). Als Besitz wies Brunward ihm folgende Dörfer der nächsten Umgebung zu: Rühn, Peetsch, Nienhagen bei Rühn, Brunit mit dem Hagen Altena, Duzcin (Gr. Tessin) mit dem Langen Hagen, der sich von Duzcin nach Glambeck, 5 km nordöstlich Warin, erstreckte 80 ). Dazu fügte er noch das Archidiakonat über alle Kirchen des Stiftslandes und der im Norden und Osten angrenzenden Teile des Werler Landes 81 ).

Ganz ohne Widerspruch des Schweriner Kapitels scheint es allerdings nicht abgegangen zu sein; denn Brunwards Nachfolger Friedrich bescheinigte dem Kloster am 21. Mai 1239 ausdrücklich, daß "ein Bischof auch ohne Consens des Capittels den funftzigften Teil seiner Einkommen zu milden Sachen oder heiligen Ortern geben muge", und betonte, daß der Bau des Klosters Rühn die Bedingung für den Erwerb des Stiftslandes überhaupt gewesen sei 82 ). Daher erklärt es sich wohl auch, daß das Kapitel erst am 25. April 1234 seine Zustimmung zur Ausstattung des Klosters gab 83 ). Es war natürlich, daß Brunward diesem unmittelbar von ihm selbst errichteten Kloster seine besondere Gunst angedeihen ließ. So verlieh er ihm am 3. Nov. 1235 die Zehnten aus 10 Holzendorfer 84 ) Hufen, die sein naher Blutsverwandter Detlev v. Gadebusch für eine Memorie in der Klosterkirche aufgetragen hatte, den Zehnten von 11 Hufen und ein Dritteil des Zehnten, "so fallen wirt vom Orte des Holtzes, so noch ausgeradet werden soll", zu Granzin, den Nicolaus von Brüsewitz ihm abgetreten hatte,


77) M.U.B. Nr. 398.
78) S. o. S. 115.
79) M.U.B. Nr. 417.
80) M.U.B. Nr. 420.
81) S. oben S. 110.
82) M.U.B. Nr. 498.
83) M.U.B. Nr. 423.
84) 7 km sw. Brüel.
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und 4 1/2 Hufen in Boitin als Geschenk Konrads v. Schwaan für die Aufnahme seiner Schwester Elisabeth als Nonne 85 ).

Dem ältesten Kloster seiner Diözese, Doberan, das noch unter Bernos Regierungszeit gegründet war, hat er 1230 und 1233 die Zehnten der zu Anfang des 13. Jahrhunderts erworbenen Dörfer Gallin, Stäbelow, Redefin, Farpen, Polas, Schulenburg und Conendam 86 ) und noch 1237 die Zehnten von 50 Hufen, die Nicolaus von Werle dem Kloster zu Zechlin im Lande Turne geschenkt hatte, verliehen 87 ).

So hat Brunward den Ruhm, mehr Klöster in der Schweriner Diözese errichtet zu haben als sein Vorgänger oder als irgendeiner seiner Nachfolger. Wie umsichtig er dabei zu Werke ging, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß alle diese Gründungen, mit Ausnahme des wohl nur als Rastplatz der almosenheischend umherziehenden Antoniusmönche gedachten Tempzin, es später zu bedeutendem Reichtum und Ansehen brachten. Bevorzugt wurde dabei von ihm der Cisterzienserorden, der in Sonnenkamp, Neuenkamp (Franzburg) und in Rühn seinen Einzug hielt, während den Benediktinern alter Observanz Dobbertin zufiel. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich hinsichtlich der Ausstattung zwischen Sonnenkamp einerseits und Dobbertin, Neuenkamp und Rühn andererseits. Fast scheint es, als sei Sonnenkamp deshalb mit räumlich so weit verstreutem Besitz ausgestattet worden, um vorzufühlen, ob entlegenere Teile des Landes, wie Goldberg, schon zur Anlage neuer Klöster reif seien.

Mit der Errichtung dieser Klöster eng verbunden war für Brunward die Ansiedlung deutscher Bauern auf ihren Ländereien. Aber er hat sich auch außerhalb seiner Klostergründungen der Eindeutschung des noch wenig kultivierten wendischen Landes angenommen. Dieser Zug seines Wesens war wohl ein Erbteil seines Geschlechts, das in der Gegend von Gadebusch und von Marlow an der Recknitz in dieser Hinsicht besonders erfolgreich gewirkt hatte 88 ). Mitten hinein in diese Tätigkeit führt uns sein Abkommen mit Fürst Wizlav I. von Rügen vom 24. Nov. 1221 über die kirchlichen Abgaben des Landes Tribsees 89 ).


85) M.U.B. Nr. 440.
86) M.U.B. Nr. 380, 406. Vgl. M.J.B. 94 S. 240 ff.
87) M.U.B. Nr. 462.
88) M.U.B. Nr. 192.
89) M.U.B. Nr. 278.
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Weshalb Brunward die Germanisation an der äußersten Ostgrenze seiner Diözese so besonders eifrig betrieb, wird später noch erörtert werden 90 ). Den Anstoß zu den Verhandlungen mit dem rügischen Fürsten gab die Ansetzung deutscher Bauern in dem menschenleeren westlichen Grenzstreifen des Tribseeser Landes 91 ). Sie scheint durch Brunward veranlaßt zu sein, der schon früh durch Entsendung schwerinscher Geistlicher an den rügischen Hof 92 ) bei Wizlav entscheidenden Einfluß zu gewinnen versucht hat. Fürst und Bischof einigten sich 1221 dahin, daß dem letzteren ein Dorf von 12 Hufen, wahrscheinlich das heutige Bisdorf, 6 km nnw. Tribsees, mit aller Gerichtsbarkeit über die dort wohnenden Kolonisten überlassen wurde; nur bei nicht dort ansässigen Fremden (hospites) sollen fürstlicher Vogt und bischöflicher Vogt gemeinsam urteilen, wobei aber zwei Drittel der etwaigen Vergleichsbußen dem Bischof und nur ein Drittel dem Fürsten zufallen sollten. Als Gegengabe überließ Brunward dem Fürsten den ganzen Zehnten von 120 Hufen zu Lehn und erklärte sich außerdem bereit, von seiner Seite aus den Lokator 93 ) eines jeden neu zu gründenden Dorfes mit dem Zehnten von einer Hufe zu belehnen. Der Zehnte aller übrigen Hufen des Landes sollte zur Hälfte in die bischöfliche Kasse fließen, zur Hälfte dem rügischen Fürsten als bischöfliches Lehn zufallen. Es wurde weiter bestimmt, daß bei neu anzulegenden Dörfern aus wilder Wurzel in den Wäldern 94 ) zwei Drittel der Zehnten dem Fürsten und nur ein Drittel dem Bischof zufallen sollten. Da diese Gegenden früher dem Bistum überhaupt keine Einkünfte brachten, konnte Brunward diese Abmachung als einen Erfolg für das Bistum buchen. Und indem er in kluger Mäßigung dem Fürsten zwei Drittel der Zehnten überließ, vermehrte er seinen Eifer, gerade hier die Ansetzung


90) S. u. S. 127 f.
91) cum pro Theutonicis ageretur colonis, qui terram Tribuzes inhabitarent, in decima, que spectabat ad usus episcopi Suerinensis, Theutonico solvenda more.
92) Vgl. meinen Aufsatz: Das Vordringen der deutschen Kolonisation im rügischen Vorpommern, Baltische Studien, N. F. Bd. 37.
93) Magister bedeutet in M.U.B. Nr. 278 Lokator, wie die Bezeichnung des Großlokators Iwan v. Bliedersdorf als Magister in Wizlavs Urkunde vom 25. September 1242 über den Verkauf von Ländereien in der Gegend von Velgast zeigt, Pom.U.B. Nr. 408. Vgl. den in Anm. 3 angeführten Aufsatz.
94) "si silve et locus vaste solitudinis, ubi prius nulla villa sita fuit, precisis arboribus atque rubis exstirpatis ad agriculturam devente fuerint".
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deutscher Kolonisten zu betreiben, die zugleich auch den geistlichen Einfluß des Schweriner Bistums im Lande Tribsees vermehren mußte. Sollte sich später die Ackerfläche der neu einzurichtenden Dörfer vergrößern, so war eine Teilung der Zehnten des bei einer Nachprüfung sich ergebenden Bodenzuwachses zu gleichen Hälften vorgesehen. Die Scheidung zwischen schon vorhandenen Siedlungen nach deutschem Recht und solchen, die erst noch zu gründen seien, zeigt klar, daß die Ansetzung deutscher Bauern 1221 in Tribsees schon in vollem Gange war.

Einen weiteren Antrieb zur Ersetzung der Wenden durch deutsche Bauern gab Wizlav der Vertrag über die Abgaben der Wenden an den Bischof, über die biscopounizha. Die Abgaben solcher Wenden, die noch mit Deutschen zusammen in Siedlungen wohnten, sollten dem Bischof allein gehören; nur von der biscopounizha der durch deutsche Bauern aus ihren alten Wohnsitzen vertriebenen Slaven wurde dem Fürsten ein Dritteil überlassen. Wurde also ein wendischer Bauer durch einen deutschen ersetzt, so erhöhte sich die Einnahme des Fürsten noch, indem er zu dem halben Zehnten des deutschen Siedlers ein Drittel der, wenn auch wohl nur spärlichen, Abgaben des vertriebenen Wenden an den Bischof hinzuerhielt.

Und schließlich wurde im Vertrage der Fall vorgesehen, daß eine wendisch-nationale Reaktion die deutschen Siedler wieder aus dem Lande jagen sollte. Indem bestimmt wurde, daß dann die ganze biscopounizha dem Bischof allein gehören und damit alle Einnahmen des Fürsten aus den Abgaben des Landes Tribsees an den Bischof fortfallen sollten, machte Brunward Wizlav I. zu einem entschlossenen Vertreter der deutschen Kolonisation, die mit den fürstlichen finanziellen Interessen eng verknüpft war.

Weitere Kolonisationsverträge des Bischofs sind nicht auf uns gekommen; daß Brunward aber auch in andern Gegenden kolonisatorisch tätig war, zeigt seine Urkunde vom 21. Mai 1236 95 ), in der er Böbelin, 10 km südl. Neubukow, dem Kloster Sonnenkamp verlieh, nachdem ihm der Versuch, hier deutsche Bauern anzusetzen, wegen der Überfälle der vertriebenen Wenden mißglückt war.

Besonders die Bestimmung für den Fall, daß einmal die wendische, nicht die heidnische, Reaktion wieder die Oberhand im Lande Tribsees gewinnen könnte, zeigt, daß Brunward


95) M.U.B. Nr. 454.
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der Urheber des Abkommens von 1221 war. Seine Beschäftigung mit Fragen der deutschen Kolonisation scheint aber schon in die Zeit zurückzugehen, als er außerhalb seines Bistums in der Fremde umherzog. 1199 sehen wir ihn in Holland 96 ), in einem der Zentren der großen Auswandererbewegung; 1210 nahm er als Ratgeber und als Zeuge an dem Vertrag teil, den der schwache, fast ausschließlich geistlichen Fragen zugewandte Bischof Dietrich von Lübeck mit Borwin von Mecklenburg hinsichtlich der Insel Poel abschloß 97 ). Auch hier handelte es sich um ein Gebiet, das der Fürst wegen der Armut und der geringen Anzahl der dort ansässigen Wenden deutschen Kolonisten zu öffnen im Begriff war. Hier hatte aber Borwin Partei für die deutschen Einwanderer ergriffen, die sich weigerten, den hohen Zehnten an die Kirche zu zahlen. Schließlich einigte man sich dahin, daß die Zehnten zwischen Borwin und dem Lübecker Bistum geteilt und 12 Hufenzehnten des bischöflichen Anteils dem Wasmod und "gewissen anderen", vermutlich Lokatoren, gegeben wurden.

Schon Heinrich der Löwe hatte sich die Hälfte der bischöflichen Zehnten in den Ländern Ratzeburg, Wittenburg, Gadebusch 98 ) und wohl auch in den andern zu kolonisierenden wendischen Gebieten von den Bischöfen zu Lehn geben lassen; das war also für Brunward nichts Neues. Anders stand es aber mit der Ausstattung der Lokatoren in den neu errichteten Kolonistendörfern. Heinrich der Löwe hatte für Ratzeburg bestimmt, daß der Bischof dem Siedlungsunternehmer in dem Normaldorf von 12 Hufen zwei Hufenzehnten frei überlassen sollte. Über die Zahl der bischöflicherseits auf Poel dem Lokator einzuräumenden Zehnten läßt sich kein Urteil bilden, da die Zahl der an den verliehenen 12 Hufen beteiligten Lokatoren nicht bekannt ist. Aber Brunwards Abkommen mit Wizlav, das den Bischof nur zur Abgabe eines Hufenzehnten an den Lokator verpflichtete, erscheint, verglichen mit dem Ratzeburger Vertrag Heinrichs des Löwen vom Jahr 1154 98), als ein erheblicher Erfolg für die Schweriner Kirche. Er ist wohl vor allem Brunwards kluger Diplomatie zuzuschreiben, der aus den Schwierigkeiten gelernt haben mochte, die den


96) M.U.B. Nr. 163, s. S. 106.
97) Leverkus, Urkundenbuch des Bisthums Lübeck, Oldenburg 1856, Nr. 25.
98) M.U.B. Nr. 375, S. 361, Einleitung zum ratzeburgischen Zehntlehenregister.
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anfangs starr auf dem kirchlichen Standpunkt, daß die Zehnten nur der Kirche zukämen, stehenden Lübecker Bischof zum Nachgeben gezwungen hatten.

Die Ansiedlung deutscher Kolonisten war für Brunward aber auch ein wichtiges Mittel im kirchenpolitischen Kampf um den Bestand seiner Diözese gegenüber den Nachbarbistümern.

Wie so oft bei Missionsbistümern in partibus infidelium war auch für Schwerin bei seiner Gründung nach Süden und Osten keine Grenzlinie festgelegt worden 99 ). Bestimmt war sie nur nach Westen und Norden durch die Diözesen von Verden und Ratzeburg; wie weit sie nach Osten oder Süden reichen würde, war abhängig von dem Missionserfolg der Schweriner Bischöfe und der Reichweite des schützenden Schwerts seines Begründers. Zwar hatte Kaiser Otto I. 948 dem Havelberger Bistum nach Norden hin die Peene und die Elde bestimmt 100 ). Aber nachdem 983 Havelberg selbst der wendischen Erhebung zum Opfer gefallen war, hat die Kirche diese Position für fast zwei Jahrhunderte selbst aufgegeben. Erst 1128 hat Erzbischof Norbert von Magdeburg dies Havelberger Bistum wieder zu neuem Leben erweckt 101 ); die Stiftskirche wurde erst August 1170 wieder geweiht 102 ), also zur selben Zeit, als Kaiser Friedrich I. dem Schweriner Bistum seinen Sprengel bestätigte, der auch die Länder Parchim, Kutin und Malchow mit allen Dörfern ex utraque parte alvei, que dicitur Elde, umfassen sollte 103 ).

Ein neuer Grundsatz hatte aber im 12. Jahrhundert bei der Abgrenzung der Missionsbistümer Anwendung gefunden: Man ließ nach Möglichkeit die kirchlichen Grenzen mit den politischen zusammenfallen. So war dem Wollin-Kamminer Bistum 1140 das Herzogtum Pommern als Sprengel verliehen 104 ) und dem Schweriner wohl ebenfalls schon bei der


99) Vgl. hierzu vor allem die grundlegenden Abhandlungen von Salis: a) Die Schweriner Fälschungen in Archiv f. Urkundenforschung, Bd. I, S. 273-353 (abgekürzt: AfU.), und b) Forschungen zur älteren Geschichte des Bistums Kammin (Baltische Studien, N.F., Bd. 26, S. 1-156 (abgekürzt: Balt.St.).
100) Vgl. Curschmann in N.A. f. ält. deutsche Geschichtskunde, Bd. 18, S. 395-434.
101) [kein Fußnotentext angegeben!]
102) M.U.B. Nr. 94.
103) AfU. S. 321, 346.
104) Vgl. Salis in Balt.Stud., N.F. 13, S. 133-147.
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Gründung, wie es 1211 in der Bestätigungsurkunde Kaiser Ottos IV. eindeutig lautet, "gegen Rügen, Pommern und die Mark Brandenburg die Grenze des Herzogtums Sachsen" als Diözesangrenze bestimmt worden 105 ). Nun wird Heinrich der Löwe bei der Ausbreitung seines Herzogtums östlich der Elbe schwerlich vor den Grenzen Halt gemacht haben, die einmal, 200 Jahre vorher, Otto I. auf dem Papier dem Bistum Havelberg gezogen hatte. Havelberg lag aber in der Markgrafschaft der Askanier, der erbittertsten Nebenbuhler der Welfen im Ringen um die Beute der slavischen Lande zwischen Elbe und Oder. Es war daher eine Machtfrage, ob Havelbergs nördliche Diözesangrenze auf der durch den ducatus Heinrici leonis oder nach der von Otto I. 948 gegebenen Linie verlaufen sollte; dabei konnte Havelberg wohl auf die Hilfe der Askanier rechnen. Solange der große Welfe noch seines Herzogsamtes waltete, mußte man sich in Havelberg mit der für Schwerin günstigeren Grenze des ducatus abfinden. Als Heinrich der Löwe gestürzt wurde, war das Bistum Havelberg innerlich wohl noch nicht genügend gefestigt, um den Kampf gegen Schwerin mit Erfolg führen zu können. Dann erstand dem Schweriner Bistum noch einmal in Kaiser Otto IV., Heinrichs Sohn, ein starker Schutzherr. Als aber 1215 seine Machtstellung gegenüber der geschickten Diplomatie des jungen Staufers Friedrich II. zusammenbrach, scheint das Havelberger Bistum die Zeit für einen kräftigen Vorstoß für reif erachtet zu haben.

Die erste, allerdings noch recht unklare Notiz, die darauf hindeutet, findet sich in Hederichs Index annalium Suerinensium 106 ): Zlone terra resignatur capitulo Havelbergensi a Caminensi episcopo. Was hat diese Bemerkung in einem Register des Schweriner Domkapitels zu suchen? Vermutlich hatten die Schweriner Herren gegenüber dem Kamminer Kapitel auf den Zehnten im Lande Schlön im Müritzgebiet Anspruch erhoben. Bischof Berthold von Lübeck, der den Streit zwischen dem Bischof von Schwerin und seinem Domkapitel zu schlichten eingesetzt war, ließ sich durch die Urkunde Ottos I. überzeugen, daß das Müritzgebiet eigentlich zum Havelberger Bistum gehöre. Da hat Kammin, um bei seinem eigenen


105) M.U.B. Nr. 202. In den aus der Zeit von 1150-1211 überlieferten echten Urkunden des Schweriner Bistums: M.U.B. Nr. 100 A, 134, 151, 189, fehlt jede Umschreibung der Sprengelgrenzen.
106) Vgl. M.U.B. I, Einl. S. XIX und M.U.B. Nr. 240 Anm.
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Kampf gegen Schwerin Havelberg als Bundesgenossen zu gewinnen, sich ebenfalls gefügt und das Land Schlön dem südlichen Nachbarn überlassen. Deutlicher erkennbar wird der Vorstoß des Havelberger Rivalen durch die Verleihung der Dörfer Gardin und Garz bei Plau seitens Heinrich Borwins I. im Dezember 1223 an das Havelberger Domkapitel. Brunward hat sich, wie ein Brief des Papstes Honorius III. vom 13. Jan. 1226 zeigt 107 ), dagegen zur Wehr gesetzt. Gegenüber den klaren Angaben der Havelberger Urkunde vom Jahre 948 über die Eldegrenze mochten Brunward seine Schweriner Diplome von recht zweifelhaftem Wert erscheinen. Es gelang ihm anscheinend anfangs, die Gegenpartei durch das Angebot eines Kompromisses von der Anrufung des päpstlichen Richterspruchs abzuhalten. Als dann aber Havelberg sich doch nach Rom wandte, um seine Ansprüche durchzusetzen, griff Brunward zu einem verzweifelten Mittel: er sandte den Domscholastikus Appollonius nach Rom und ließ ihn von dort eine Reihe von gefälschten Urkunden zurückbringen, die Schwerins Rechte auf seinen bisherigen Besitz gegenüber den Bistümern Havelberg und, da man nun doch einmal um die Urkundenfälschung nicht herumkam, auch Kammin beweisen sollten. Havelberg hat sich aber durch diese Urkunden nicht einschüchtern lassen. Am 19. Juli 1227 erlangte es ein Interlokutoren-Urteil gegen Schwerin 108 ), über dessen Inhalt wir leider nicht unterrichtet sind.

Angesichts der schwereren Gefahr, die von Osten, von Kammin her, dem Schweriner Bistum drohte, scheint Brunward zu Anfang der dreißiger Jahre seinen Widerstand gegen die Havelberger Ansprüche aufgegeben zu haben. So wird man die Verleihung der Zehnten 109 ) jener 60 Hufen am Dranssee (bei Wittstock in der Priegnitz) an die Amelungsborner Mönche, die Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster geschenkt hatte 110 ), kaum als ein großes Opfer anzusehen brauchen.Sie war wohl eher ein taktisches Rückzugsmanöver. Um weiteren Streitigkeiten mit Havelberg aus dem Wege zu gehen, stieß Brunward den bischöflichen Besitz südlich der Elde ab; mochte des Kloster Amelungsborn dann zusehen, wie es sich mit dem Havelberger Bistum einigte.


107) Rodenberg, Epp. saeculi XIII, Bd. 1, Nr. 211. Vgl. die Darstellung von Salis in AfU. I, S. 299 f.
108) M.U.B. Nr. 341.
109) M.U.B. Nr. 418.
110) M.U.B. Nr. 414/5.
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Erbitterter war der Kampf, der mit dem Kamminer Bistum auszufechten war. In den Slavischen Ländern östlich der Elbe war die Mission in ihren Anfängen doch in recht hohem Maße auf das Wohlwollen der Landesherren angewiesen. Daraus erklärt sich wohl am natürlichsten die Tatsache, daß in den Verleihungen und Bestätigungen des 12. Jahrhunderts für die Bistümer Kammin und Schwerin die Diözesangrenzen nach Möglichkeit den Landesgrenzen angepaßt wurden 111 ). So waren 1140 dem Kamminer Sprengel auf dem westlichen Oderufer die Burgwarde (castra) Demmin, Tribsees, Gützkow, Wolgast, Usedom und Groswin bei Anklam zugelegt worden 112 ). Schwierigkeiten hat vor allem die Frage bereitet, ob das Land Tribsees dem Kamminer oder dem Schweriner Bistum zugehört habe. Zweierlei scheint mir zu wenig beachtet zu sein.

Erstens waren die Bestimmungen bei der Gründung eines Bistums in partibus infidelium doch wohl noch zum Teil provisorischer Art. Die Abhängigkeit der Mission vom guten Willen des Landesherrn konnte so groß sein, daß aus der Veränderung der Landesgrenzen, wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich, eine Veränderung des Umkreises, in dem der Bischof in kirchlichen Dingen gebot, sich ergeben mußte. Deshalb vermute ich, daß das Land Tribsees 1140 noch zum pommerschen Herzogtum gehörte und erst nach 1168 in den Besitz der rügischen Fürsten gekommen ist.

Zweitens hat um die Jahrhundertwende noch ein drittes Bistum versucht, auf vorpommerschem Boden Fuß zu fassen. 1168 war Rügen ein dänisches Lehn geworden, nachdem seine Fürsten sich hatten taufen lassen. Eine Auflehnung gegen die übermächtigen dänischen Lehnsherren haben die rügenschen Fürsten nach 1168 nicht mehr gewagt, dafür aber versucht, mit dänischer Hilfe ihr Herrschaftsgebiet in Vorpommern auf Kosten des pommerschen Herzogtums zu erweitern und sich auf diese Weise Ersatz für den Verlust ihrer Selbständigkeit zu verschaffen 113 ). Hinter diesen Vorstößen der rügischen Fürsten stand Roeskildes großer Bischof Absalon, der die dänische Oberhoheit über die südliche Ostseeküste dadurch zu festigen suchte, daß er auch kirchlich Rügen der dänischen Kirche unterstellte.


111) S. o. S. 123.
112) Pom.U.B. Nr. 30.
113) Vgl. Hamann, Die Beziehungen Rügens zu Dänemark von 1168 bis zum Aussterben der einheimischen rügischen Dynastie 1325, Greifswald 1933, S. 31 ff.
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1169 ließ er durch Papst Alexander III. die Insel Rügen zum Bistum Roeskilde legen 114 ); 1172 stieß er schon auf das Festland vor und errichtete mit Hilfe Esromer Mönche das Kloster Dargun 115 ), wenige Kilometer westlich von Demmin im Südwestwinkel des Landes Circipanien, um einem weiteren Vordringen des Sachsenherzogs und des von ihm abhängigen Schweriner Bistums einen Riegel vorzuschieben. So wird das Kloster Dargun als Rivale des 1171 in der Schweriner Diözese errichteten Klosters Doberan gedacht gewesen sein. Dem Darguner Kloster bereiteten allerdings die Kriegswirren zu Ende des 13. Jahrhunderts zwischen Dänemark und der brandenburgischen Markgrafschaft für längere Zeit ein jähes Ende; 1199 zogen die Mönche sich auf ihren abseits vom Kriegsschauplatz gelegenen Besitz nach Eldena zurück 116 ). Der Versuch der Dänen, sich auch in kirchlicher Hinsicht in Vorpommern maßgeblichen Einfluß zu sichern, war damit gescheitert und ist nach Absalons Tode 1201 ernstlich nicht mehr wiederholt worden. Aber auch die Ansprüche auf das Land Tribsees, die Kammin aus seiner Urkunde vom Jahre 1140 herleiten konnte, waren tatsächlich kraftlos geworden, nachdem die Herrschaft der Pommernherzöge dort beseitigt war. Tribsees gehörte jetzt den rügischen Fürsten 117 ); die aber lehnten es ab, die kirchliche Oberleitung in ihren festländischen Gebieten wieder dem Bistum Kammin anzuvertrauen, das sich bei ihren erbitterten Kämpfen mit den Pommernherzögen zu den letzteren gehalten hatte. Wie die rügischen Fürsten sich jetzt politisch dem Mecklenburger Herrscher Borwin I. näherten, um gemeinsam etwaigen Eroberungsgelüsten der pommerschen Herzöge entgegenzutreten, so haben sie auch in kirchlicher Hinsicht Anschluß an das Schweriner Bistum gesucht und ihm die Sorge für das Seelenheil ihrer festländischen Untertanen anvertraut. Und Brunward wird dieses Anerbieten nicht abgelehnt haben. Hier seines Bistums Herrschaft auch für die Zukunft zu sichern, mag einer der Beweggründe gewesen sein, das Land Tribsees mit deutschen Kolonisten zu füllen, die ihre neue Heimat zum großen Teil dem Schweriner Bischof verdankten 118 ).


114) Jaffé, Regesta pontificum Romanorum, 2. Aufl., Leipzig 1885 ff., II, 11 645.
115) M.G.S. XXIX, 715. Annales Colbatzenses. Vgl. ferner Kunkel in AfU. III, 23 f.
116) Pom.U.B. Nr. 136.
117) Pom.U.B. Nr. 125 vom Jahre 1194.
118) S. o. S. 120 f.
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Ebenso unklar wie die territoriale Zugehörigkeit des Landes Tribsees in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sind die Verhältnisse in Circipanien. 1162 gehörte es noch zur Herrschaft Pribislavs 119 ). 1174 befand sich aber der östlichste Teil Circipaniens, der Darguner Winkel einschließlich der Burg Altkalen, im Besitz Kasimirs I. 120 ). Wann der Pommernherzog dies Land erworben hat, läßt sich nicht mehr ermitteln; v. Sommerfeld nimmt an, daß Pribislav Circipanien seinen pommerschen Nachbarn als Preis für ihre Hilfe im Kampf gegen Heinrich den Löwen abgetreten habe 121 ). Demgegenüber meint Salis, Circipanien habe zur dicio Heinrichs des Löwen gehört, die sich über Circipanien bis zur Trebel und oberen Peene erstreckt habe 122 ). Helmold, auf den Salis sich beruft, läßt, wohl aus den Anschauungen des 12. Jahrhunderts heraus, schon dem ersten Bischof von Oldenburg, Marco, als Diözese ein nach territorialem Gesichtspunkt umgrenztes Gebiet: omnem Obotritorum provinciam usque ad Penem fluvium et urbem Dimine 123 ). Den Ausdruck provincia gebraucht er für Niklots Herrschaftsgebiet noch einmal, als er von der Vertreibung seines Sohnes Pribislav aus dem väterlichen Reich berichtet 124 ). Pribislav fand Zuflucht in der Burg Demmin, die also von Helmold zum Territorium des Herzogs von Pommern und nicht mehr zu Mecklenburg gerechnet wird. Diese provincia, aus der Pribislav vertrieben wurde, ist identisch mit dem regnum Obotritorum, zu dem die terra Obotritorum et finitimae regiones gehörten 125 ). 1167 wurde dem Pribislav omnis hereditas patris sui außer Schwerin zurückgegeben 126 ). Da sich in den letzten Kapiteln von Helmolds Slavenchronik


119) Helmold, c. 93, Ausg. Schmeidler, S. 181 30 f.
120) M.U.B. Nr. 114.
121) v. Sommerfeld: Geschichte der Germanisierung des Herzogtums Pommern oder Slavien, S. 45. Wenn Helmold, c. 103, Schmeidler 204 2, schreibt, daß Heinrich der Löwe reddidit ei (Pribizlauo) omnem hereditatem patris sui, terram scilicet Obotritorum preter Zuerin et attinentia eius, so wird man daraus nicht folgern können, Circipanien werde hier "nicht mehr unter Pribislavs Herrschaftsgebiet genannt" und habe ihm daher 1167 nicht mehr gehört, wie Sommerfeld a. a. O. S. 45, Anm. 2 tut.
122) AfU. I, 323 ff.
123) Helmold, c. 12, Schmeidler 24 12 ff.
124) Helmold, c. 103, Schmeidler 204 1: Pribizlavum, quem multis preliis expulerat (sc. Heinricus Leo) provincia.
125) Helmold, c. 101, Schmeidler 199 19 f.
126) Helmold, c. 103, Schmeidler 204 2.
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keinerlei Nachricht findet, aus der irgendwie auf Abtretung von Gebietsteilen an die pommerschen Herzöge geschlossen werden könnte 127 ), wird Circipanien in der Zeit, als Helmold sein Buch beendete, nach 1168 und vor 1172, noch zu Pribislavs Herrschaft gehört haben.

Aber noch zu Heinrichs des Löwen Zeiten müssen die pommerschen Fürsten von Demmin aus ihre Herrschaft nach Westen hin ausgedehnt haben, wie die Bewidmung des Klosters Dargun durch Fürst Kasimir vom Jahre 1174 zeigt 128 ). In kirchlicher Beziehung unterstanden die Gebiete westlich der Peene, also auch ganz Circipanien, bis zum Ende des 12. Jahrhunderts weiter dem Schweriner Bistum 129 ); wenigstens ist nicht bekannt, daß während dieser Zeit der Kamminer Bischof hier kirchliche Rechte für sich in Anspruch genommen hat.

Das änderte sich aber zu Beginn des 13. Jahrhunderts, als im Jahre 1209 130 ) Bischof Sigwin von Kammin unter Mitwirkung Kasimirs II. von Pommern-Demmin 131 ) das 1199 verlassene Kloster Dargun wieder mit Mönchen besetzte. Wenn Sigwin dabei die Brüder dem Kloster Doberan entnahm, so ändert das doch nichts an der Tatsache, daß er damit bischöfliche Rechte in Circipanien usurpierte 132 ), die 1173 noch Bischof Berno von Schwerin ausgeübt hatte 129). Gewissensbisse hat Sigwin nie empfunden, wenn es galt, Vorteile für sein Kamminer Bistum herauszuschlagen. Der Streit zwischen dem Schweriner Bischof und seinem Kapitel bot eine günstige Gelegenheit, vielleicht schon länger gehegte Pläne zur Ausführung zu bringen und dem jetzt durch inneren Zwist geschwächten Nachbarn den östlichen Teil seiner Diözese zu entreißen. Und Sigwin griff entschlossen zu, nachdem er den Landesherrn von den Vorteilen überzeugt hatte, die sich aus einheitlicher kirchlicher Leitung durch das pommersche Landesbistum für alle Teile des pommerschen Territoriums ergeben mußten. Auffällig bleibt allerdings, daß er die Mönche für Dargun der dem


127) Helmold, c. 110, Schmeidler 218 15 ff.: Pribizlavus quoque... sedit quietus et contentus funiculo portionis sibi permissae.
128) M.U.B. Nr. 114.
129) M.U.B. Nr. 111, 125.
130) Pom.U.B. Nr. 149.
131) Vgl. in Sigwins Bestätigungsurkunde für Kloster Dargun vom 10. November 1216 (M.U.B. Nr. 226): de consilio principis terre domini Kazimiri.
132) Ebendort: Sane quidem locus nomine Dargun in nostra est diocesi constitutus.
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Schweriner Bistum unterstehenden Abtei Doberan und nicht einem Kloster der eigenen Diözese entnahm. Wollte er damit das mächtigste mecklenburgische Kloster an sich locken und seinem rechtmäßigen Schweriner Diözesanherrn entfremden? Ernstlichen Widerstand scheint die Schweriner Kirche nicht geleistet zu haben, so daß Sigwin glaubte, weitere Gebiete seiner Diözese einverleiben zu können. So bemächtigte er sich der Zehnten des Landes Schlön, die er 1218 allerdings dem Bistum Havelberg überließ, um es zum Bundesgenossen für seine Pläne gegen Schwerin zu gewinnen 133 ). 1219 nahm Sigwins Nachfolger Konrad II. für sein Bistum das Recht der Zehntverleihung in Warkentin bei Malchin in Anspruch 134 ). So schob Kammin die Grenzen seiner Diözese von Osten und Süden her konzentrisch in Circipanien vor.

Da raffte Brunward sich nach Festigung seiner Stellung im Innern seines Bistums auf, diesen Übergriffen seines östlichen Amtsgenossen Schranken zu setzen. Im Ringen um das Diözesangebiet vor dem apostolischen Richterstuhl in Rom bildeten Urkunden das wichtigste Kampfmittel. Waren sie nicht vorhanden, so mußten sie auf dem Wege der Fälschung oder der Interpolation, indem man ungenauere Angaben früherer Verleihungen zu seinen Gunsten präzisierte, neu geschaffen werden. Der frühere Gegner des Bischofs, der Domscholastikus Appollonius, übernahm im Streit mit dem Havelberger Bistum diese heikle Aufgabe. Und wenn nun doch einmal ohne dies im Mittelalter häufig angewandte letzte Kampfmittel nicht auszukommen war, verschlug es nichts, wenn man die Gelegenheit benutzte, in den anfänglich gegen Havelberg gerichteten Fälschungen auch die Diözesangrenze nach Osten hin zu seinen Gunsten zu korrigieren. Man nahm dabei Rücksicht auf die in Rom übliche Gewohnheit, zwischen den Ansprüchen der sich bekämpfenden Appellanten eine mittlere Linie zu finden, und schob, wenigstens auf dem Pergament, jetzt auch die Grenzen der Schweriner Diözese viel weiter nach Osten vor, als rechtlich vertretbar war 135 ). So erhob Schwerin Anspruch auf Demmin, Tollense, Plote, Loitz, Tribsees und Circipanien und, da man nun doch einmal beim Fordern war, sogar auf die terra Ruyanorum de dicione ducis Saxonie 136 ).


133) S. o. S. 124; M.U.B. Nr. 240, Anm.
134) M.U.B. Nr. 272.
135) Vgl. hierzu Salis in AfU. I, S. 299 f., 337 f.; Balt.St., N. F. 26, S. 41 f.
136) M.U.B. Nr. 91; dazu AfU. I., S. 306-339.
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Die erste Handlung Brunwards zur Ausnutzung der Fälschungen, die sicher bedeutende Summen gekostet hatten, war die Gründung des Güstrower Kollegiatstiftes. Obwohl schon neben dem Schweriner Dom in Bützow ein Domherrnstift bestand, ließ Brunward am 3. Juni 1226 durch den ganz unter seinem Einfluß stehenden Fürsten Heinrich II. von Rostock 137 ) in Güstrow ein zweites Kollegiatstift nach dem Vorbild der Hildesheimer Kirche gründen, als dessen Hauptaufgabe wohl die Abwehr der von Osten her dem Schweriner Diözesangebiet drohenden Angriffe und die Rückgewinnung des seit 1200 verlorenen Bodens gedacht war. Am 10. August 1226 hat Brunwards mächtiger Gönner Borwin I. noch einmal die Stiftung seines Sohnes bestätigt und erweitert 138 ). Als er aber am 28. Jan. 1227 seine Augen schloß 139 ), änderte sich die Lage zum Nachteil des Schweriner Bistums.

Die wendischen Großen, die in der letzten Regierungszeit Borwins I. vor den eingewanderten deutschen Rittern fast ganz hatten zurücktreten müssen, gewannen noch einmal Einfluß in der für Borwins minderjährige Enkel eingesetzten Vormundschaftsregierung 140 ). Die Germanisierungspolitik, die vor allem vom Schweriner Bistum her betrieben wurde, lag nicht in ihrem Sinne. Und wenn auch Johann von Mecklenburg sich bei der Übernahme der Regierung in der westlichen Landeshälfte sehr bald wieder Brunward zuwandte, blieb für die Länder Rostock und Werle-Güstrow das Verhältnis zwischen Landesherrn und dem Schweriner Bischof recht kühl, zumal Konrad II. von Kammin nicht knauserte, wenn es galt, die Fürsten für seine kirchenpolitischen Ziele zu gewinnen.

1228 war Kammins Einfluß schon bis zum Oberlauf der Recknitz vorgedrungen. Auf Konrads II. von Kammin und nicht auf Brunwards Ermahnungen hin verlieh Herzog Wartislav der Kirche zu Polchow, 8 km östlich Laage, das Dorf Prebberede 141 ); und als im selben Jahr Wartislav III. dem Kloster Belbuk das Dorf Nieköhr am Flusse Darbein, westlich


137) M.U.B. Nr. 323: accedente consilio domini mei Brunwardi Zuerinensis episcopi necnon consensu patris mei Burwini. Dabei wurde Brunward besonders unterstützt durch die Gewissensangst des schon mit dem Tode ringenden Fürsten.
138) M.U.B. Nr. 331.
139) M.U.B. Nr. 336.
140) Vgl. die Zeugenlisten zu M.U.B. Nr. 344, 359.
141) M.U.B. Nr. 354.
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Gnoien, verlieh 142 ) und dem Kloster Dargun das Dorf Schlutow, 3 km südöstlich Gnoien, vertauschte 143 ), war als Zeuge und wohl auch als geistlicher Diözesanherr Bischof Konrad von Kammin zugegen. 1228/9 scheint die weltliche Herrschaft über Circipanien den Pommern wieder durch Borwins I. Enkel entrissen worden zu sein 144 ). Brunward mochte hoffen, daß er jetzt den verlorenen Boden in Circipanien wieder gewinnen würde, und hat dem Güstrower Domkollegiatstift am 27. April 1229 feierlich seinen Besitz bestätigt 145 ). Ein Jahr darauf mußte Brunward erkennen, daß seine Hoffnung ihn getrogen hatte. Wohl gelang es ihm, bei der Neuordnung der mecklenburgischen Verhältnisse unter Borwins Enkeln mit den Herren des westlichen Teils, Johann von Mecklenburg und Pribislav von Parchim, in engere Beziehungen zu treten, nachdem er ihnen am 21. April 1230 den halben Zehnten ihrer Länder als Lehn überlassen hatte 146 ). Heinrich von Rostock und Nicolaus von Werle gingen aber ihre eigenen Wege und zogen einen Zehntenvertrag mit dem Kamminer Bistum einer Bindung an Brunward vor 147 ).

Als am 11. Mai 1230 Papst Gregor IX. dem Güstrower Stift, Caminensis diocesis, seinen Besitz bestätigte 148 ), schien der Kampf für Brunward verloren zu sein. Das 1226 zum Schutz nach Osten hin errichtete Güstrower Bollwerk des Schweriner Bistums war kaum vier Jahre später in den Besitz der Gegner übergegangen. Und drohte nicht die Gefahr, daß die Interessengemeinschaft mit dem Kamminer Bistum, in die die Fürsten des östlichen Mecklenburg hineingezogen worden waren, sie veranlassen könnte, eine weitere Ausdehnung der Kamminer Diözese bis an die Warnow oder gar an die Westgrenze ihres Herrschaftsgebiets wohlwollend zu unterstützen?


142) Pom.U.B. Nr. 244.
143) M.U.B. Nr. 356.
144) Vgl. v. Sommerfeld a. a. O., S. 138, Anm. 6, und Klempin in Pom.U.B., Bd. I, S. 207.
145) M.U.B. Nr. 368.
146) M.U.B. Nr. 376.
147) Das ergibt sich für Heinrich von Rostock aus M.U.B. Nr. 446: preter medietatem totius decime in terris Cyrspanie et Wozlende, quicquid a Caminensi episcopo, qui quondam violentus detentor extitit, contra iustitiam receperat; für Nikolaus und Heinrich aus M.U.B. Nr. 411: dilecti nobis Nycolaus et Hinricus domini de Rostok decimam super totam solitudinem possident a nobis iure pheodali, que tali nomine Bisdede nuncupatur.
148) M.U.B. Nr. 378.
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Ende 1233 gab Bischof Konrad III. von Kammin seine lehnsherrliche Zustimmung zur Verleihung von Zehnten in Kirch-Rosin, 4 km südöstlich Güstrow, und in dem Lande Bisdede seitens der Fürsten Nicolaus und Heinrich an das Kloster Michelstein im Bistum Bamberg 149 ). Am 16. Okt. 1235 aber schenkte er dem Güstrower Domkapitel den Zehnten von 40 Hufen zur Errichtung einer neuen Präbende, in die sein Vertrauensmann, der Kamminer Kleriker Albert, eingesetzt werden sollte. Die früher schwerinschen Stiftsherren in Güstrow scheinen müde geworden zu sein, sich noch länger in diesem Streit zwischen den feindlichen Bistümern hin und her zerren zu lassen. Gegen die Verleihung der Zehnten von 20 weiteren Hufen zur gemeinsamen Verwendung für die Domherren, die Übertragung des Archidiakonats im Lande Bisdede und die Überlassung der Kleinzehnten und Opfergaben an ihr Kapitel gaben sie ihren Widerstand auf und erkannten die Oberherrschaft des Kamminer Bischofs für ihr Domstift an 150 ).

Nur ein Bundesgenosse stand Brunward hier im Osten noch zur Seite. Wizlav I. hatte im Frühjahr 1232 versucht, die Insel Rügen aus der Diözesanhoheit des Bistums Roeskilde zu lösen, vermutlich um sie dann dem Schweriner Bischof unterstellen zu lassen. Aber Gregor IX. hat diesem Plan seine Zustimmung versagt 151 ). Nachdem so alle geistigen Waffen in diesem Ringen keinen Erfolg gebracht hatten, griff Brunward, in dem das Blut seiner ritterlichen Ahnen sich nicht verleugnete, zum Schwert.

Die Gefahr, in der das Schweriner Bistum sich befand, bedrohte mittelbar auch die Ansprüche des ganzen Erzbistums Bremen auf seine kirchliche Oberhoheit bis zur Peene. Daher versammelten sich zu Anfang des Jahres 1236 in Neukloster Erzbischof Gerhard und seine Suffragane von Lübeck und Ratzeburg 152 ), um über die zu treffenden Gegenmaßnahmen zu beraten. Zunächst kam es darauf an, den Fürsten Heinrich Borwin III. von Rostock von seinen Bindungen an das Kamminer Bistum zu lösen und als Streiter für die Interessen des Schweriner Bistums zu gewinnen.

Den Appell an die Waffen suchte Brunward damit zu rechtfertigen, daß die brutale Gewalt der Demminer Fürsten ihm


149) M.U.B. Nr. 411.
150) M.U.B. Nr. 438/9.
151) Pom.U.B. Nr. 3921.
152) M.U.B. Nr. 446.
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bisher nicht einmal den Besuch desjenigen Teils seiner Diözese gestattet habe, der "nach Demmin zu läge" (terminorum episcopatus nostri uersus Dymyn), obwohl er doch dem Schweriner Bistum vom Tage seiner Gründung an zugewiesen und von den Richtern des Heiligen Stuhls in Rom mehrmals zuerkannt worden sei 152a ). Soweit Circipanien in Frage kam, mochte Brunward recht haben, wenn er sich auch kaum darüber im unklaren gewesen sein wird, daß die Urkunden, auf die er sich berief, gefälscht waren 153 ). Bezeichnend ist aber einmal, daß er den Fürsten Nicolaus von Werle-Güstrow, der doch seit 1229 über einen großen Teil Circipaniens gebot, ganz mit Stillschweigen überging, um bei seinem Bruder Borwin keine Mißstimmung zu erregen. Und ferner unterließ er es, seinerseits die Grenzen des Schweriner Bistums nach Osten hin genauer zu umschreiben. Weshalb sollte man sich schon jetzt auf eine bestimmte Linie festlegen, um von vorneherein auf etwaigen weiteren Gewinn zu verzichten, falls der Sieg vollkommen war und das Recht des Siegers Gelegenheit bot, über die bei Beginn des Kampfes proklamierten Grenzen hinauszugehen? Hatte man für diesen Fall doch schon Barbarossas Bestätigung für das Bistum Schwerin von Anfang des Jahres 1170 154 ) bereit liegen; man hatte sie zweckmäßig umgestaltet, indem man sich in dem gefälschten Exemplar dieser Urkunde die Länder Tollense, Plothe, Loitz, Tribsees, Circipanien, also ganz Neuvorpommern und weite Strecken auf dem rechten Peeneufer, und dazu noch halb Rügen freigebigst zugesprochen hatte 155 ).

Aber die Mittel, die Brunward zur Verfügung standen, waren nur spärlich; und Borwin war für den Handel nur zu haben, wenn ein bedeutender Gewinn dabei für ihn heraussprang. Dieser schwierigen Lage suchte Brunward dadurch Herr zu werden, daß er die Größe seiner Anerbietungen vom Erfolg des ganzen Unternehmens abhängig machte und so seinen Verbündeten anspornte, seine ganze Kraft im bevorstehenden Kampf einzusetzen. Außer dem halben Zehnten der Länder Circipanien und Wozlende bei Güstrow, die Borwin schon vorher vom Kamminer Bischof zu Lehn getragen hatte 156 ), wurde


152a) M.U.B. Nr. 446.
153) AfU. I. S. 291 f. 337 f.
154) M.U.B. Nr.91. Vgl. in M.U.B. Nr. 446: a prima fundatione ecclesie nostre assignatam.
155) Vgl. AfU. I, S. 307-339.
156) S. oben S. 132, Anm. 147.
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ihm als Extragabe der ganze Zehnte in pommersch Wolgast zugesprochen, falls Borwin es nicht vorziehen sollte, sich mit Johann von Mecklenburg, mit dem man also auch schon zu verhandeln begonnen hatte, den ganzen Zehnten von pommersch Wolgast und Lassan zu teilen. Und um Borwins Eifer noch weiter anzustacheln, versprach der Bischof ihm auch noch in Gützkow und Ziethen den halben Zehnten und in allen weiteren Ländern peeneabwärts, in deren Besitz die Verbündeten sich setzen würden. Ausgenommen sollte in dieser Gegend nur das Gebiet Wizlaws von Rügen und seiner Verwandten Barnuta und Johannes sein, auf deren Mithilfe man wohl bei dem bevorstehenden Waffengang mit den Pommernfürsten hoffte. Denn es war ausgeschlossen, daß diese gegenüber den Schweriner Ansprüchen ihren Landesbischof im Stich ließen. Daß aber Konrad III. von Kammin aus dem stolzen Geschlecht der Edelvögte von Salzwedel sich Brunwards Forderungen nicht freiwillig beugen würde, war vorauszusehen.

Einem solchen Angebot hat Borwin von Rostock nicht widerstehen können. Am 5. Febr. 1236 wurde in Warin ein Bündnis unter diesen Bedingungen abgeschlossen und vom Bischof und von Borwin mit 12 Eideshelfern aus seinem Gefolge beschworen. Dabei verpflichteten sich beide Parteien, nicht ohne Zustimmung der andern mit irgendeinem der Gegner, seien es die Pommerfürsten oder der Kamminer Bischof, Frieden zu schließen 157 ).

Borwin scheint sofort die Feindseligkeiten eröffnet zu haben; denn schon am 20. März 1236 befahl Gregor IX. seinem Legaten Wilhelm von Modena, die Klagen des Kamminer Bischofs gegen den Erzbischof von Gnesen und den Bischof von Schwerin zu untersuchen, die Teile der kamminschen Diözese mit Waffengewalt (per violentiam) besetzt hätten 158 ). Viel geholfen scheint diese päpstliche Anweisung nicht zu haben. Rom war weit, und ein völliger Sieg schien bevorzustehen.

Wie verzweifelt die Sache für den Demminer Fürsten stand, ergibt sich daraus, daß Wartislav III. keinen andern Ausweg mehr sah, als sich am 20. Juni 1236 in Cremmen, man möchte fast sagen bedingungslos, den Brandenburgern in die Arme zu


157) M.U.B. Nr. 446.
158) Pom.U.B. Nr. 329. Der Kampf muß danach schon begonnen haben. Deshalb irrt Salis, wenn er Balt.St., N. F., S. 43, Anm. 3, den Vertrag zwischen Brunward und Borwin auf den 5. Februar 1237 verlegt.
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werfen. Er erkannte den Markgrafen die bisher hartnäckig verweigerte Lehnsoberhoheit für sein Gebiet zu und trat ihnen die Länder Stargard, Beseritz und Wustrow ab gegen das Versprechen, ihn wieder in den Besitz der Gebiete zu bringen, die ihm nach ihrer Meinung zu recht zuständen 159 ).

Damit waren alle bisher errungenen Erfolge der Mecklenburger in Frage gestellt; der gemeinsamen Streitmacht der Brandenburger und Pommern waren Brunward und seine Verbündeten kaum gewachsen. Sie mußten sich also nach weiteren Helfern umsehen. Unter diesen Umständen kamen am 5. Aug. 1236 in Neukloster die schon zu Anfang des Jahres begonnenen Verhandlungen mit dem Fürsten Johann von Mecklenburg zum Abschluß 160 ). Die Versprechungen, die Brunward hier seinem neuen Verbündeten machte, übertrafen noch die an Borwin gegebenen, ja überschnitten sie zum Teil. Daß Borwin keinen Widerspruch erhob, zeigt, wie gefährlich jetzt seine Lage gewesen sein muß.

Zunächst erhielt Johann den ganzen Zehnten von 400 Hufen in seinen Besitzungen 161 ) in Circipanien. Für den Rest wurde ihm der halbe Zehnte zugesprochen, ebenso in den Ländern Loitz und Gützkow und allem Gebiet, das von Loitz ab peeneabwärts liegt und in den Besitz der Verbündeten kommen, wird; außerdem der ganze Zehnte im Lande Lassan, nachdem Borwin sich für das etwaigen pommerschen Vergeltungsangriffen weniger ausgesetzte pommersch Wolgast entschieden hatte 160). Hiervon war der halbe Zehnte in Gützkow und den Ländern peeneabwärts ein halb Jahr früher auch Borwin versprochen worden; und auch Johanns Einmischung in Circipanien wird der Rostocker Herr nur unter dem Zwange der Not zugestanden haben.

Daß auch Nicolaus von Werle sich jetzt auf die Seite des Schweriner Bischofs gestellt hat, ist daraus zu schließen, daß Brunward am 14. Februar 1237 das Recht der Zehntenver-


159) M.U.B. Nr. 457 Auch diese Urkunde läßt vermuten, daß der Kampf in vollem Gange war.
160) M.U.B. Nr. 458. Die Abgabe von 12 Hufen bei Bäbelitz, 5 km n. Gnoien, und von 4 Hufen bei Vilz, 1 km sö. Tessin, an Johann gegen Überlassung der Gerichtsbarkeit und der übrigen Hoheitsrechte des Fürsten in den Dörfern Bäbelitz, Vilz und Wotenik, 6 km nw. Demmin, fallen demgegenüber nicht ins Gewicht, zeigen aber Johanns Streben nach territorialem Besitz in Circipanien.
161) prout sua est.
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leihung an 50 Hufen in Zechlin im Lande Turne ausübte, die Nicolaus dem Kloster Doberan geschenkt hatte 162 ), und daß Nicolaus am 6. März 1237 cum consensu venerabilis patris ac domini nostri Brunwardi Zwerinensis episcopi dem Güstrower Stift die Kirche in Lüssow zur Errichtung einer neuen Präbende schenkte 163 ).

Über den Verlauf des Kampfes im einzelnen sind wir nicht unterrichtet. Aber die mecklenburgischen Verbündeten scheinen sich mit Erfolg wenigstens in Circipanien behauptet zu haben. Johanns Besitz der Dörfer Barlin, Brudersdorf, Dobremuzle (bei Brudersdorf), Glasow, Pannekow, Röknitz, Schlutow, d. h. der Gegend zwischen Gnoien und Dargun, und von Alt-Polchow, 8 km östlich Laage, am 1. März 1238 164 ) dürfte erst eine Folge dieser Fehde von 1236/7 sein. Und auch die Erneuerung der Urkunde über den Besitz von Groß- und Klein-Rackow und von Bretwisch, 9 km südlich Grimmen, an das Kloster Doberan seitens des Herzogs Wartislavs III. von Pommern-Demmin vom 14. Dez. 1237 165 ) scheint mit dem glücklichen Ausgang des Kampfes in Verbindung zu stehen, da der Doberaner Abt wenigstens an den Bündnisverhandlungen seines Bischofs beteiligt gewesen ist 166 ).

Über die weitere Entwicklung des schwerin-kamminschen Kirchenstreits in den nächsten Jahren fließen die Quellen nur sehr spärlich. Es ist hier auch nicht der Platz, weiter darauf einzugehen 167 ). Die weiten Ziele, die Brunward seinem Bistum im gefälschten Teil der kaiserlichen Bestätigungsurkunde von 1170 gesteckt hatte, sind allerdings nicht erreicht worden; aber die von Kammin her drohende Gefahr war doch gebannt und dem Bistum im allgemeinen der Umfang wiedergegeben, den es zuletzt unter Brunwards Vorgänger besessen hatte; vielleicht war sein Umfang sogar durch Einbeziehung des Landes Tribsees vergrößert worden.


162) M.U.B. Nr. 462.
163) M.U.B. Nr. 464.
164) M.U.B. Nr. 479.
165) M.U.B. Nr. 470.
166) S. die Schlußsätze von M.U.B. Nr. 446 und 458.
167) Salis' Urteil, Balt.Stud., N. F., Bd. 26, S. 44, übersieht, daß die Länder an der Peene vorher nie zur Schweriner Diözese gehört hatten. Circipanien ist doch zum größten Teil, soweit es den Enkeln Borwins unterstand, in der Folgezeit schwerinsches Diözesangebiet geblieben.
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Das Bewußtsein, die Rechte seines Bistums nach Osten hin erfolgreich gewahrt zu haben, hat die letzten Monate des greisen Kirchenfürsten erhellt. Am 14. Jan. 1238 ist er nach einem an Mühen und Kämpfen, aber doch schließlich auch an Erfolgen reichen Leben aus dieser Welt geschieden 168 ).

Überblickt man das Ergebnis seiner Lebensarbeit, so wird man zugeben müssen, daß in ihr viel geschaffen ist. Das Bistum Schwerin war im Jahr 1238 doch ein anderes als 1191. Der große Umbruch war hier in vollem Gange. Manche Gegend, die früher verödet dagelegen hatte, war jetzt mit deutschen Bauerndörfern durchsetzt, in deren Mitte sich Kirchen erhoben und Priester ihres Amtes walteten. Klöster bildeten in allen Teilen des Landes Zentren christlicher und damit wohl auch deutscher, feinerer Kultur; deutsche Herrensitze sicherten Leben und Eigentum der Zugewanderten. Das Bistum Schwerin selbst hatte an Ansehen mächtig gewonnen und konnte sich jetzt als gleichberechtigt neben die weltlichen Gewalten des Landes stellen. Wenn Brunward auch nicht immer unmittelbar an dieser Wandlung beteiligt erscheint, so spürt man doch überall in ihr das Wirken seiner bedeutenden Persönlichkeit. Zwar durchzog er nicht wie sein Vorgänger selbst predigend als Missionar das Land; aber er baute das durch Berno Gewonnene tatkräftig aus und gab seinem Bistum die festen Grundlagen, auf denen es sich gesichert weiter entwickeln konnte. Daher wird man mit Recht Brunward zu den großen Lenkern des Schweriner Bistums zählen können.

Vignette

168) M.U.B. Nr. 478.