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6. Die Gründung der Städte Alt- und Neukalen 325 ).

Die Stadt Kalen hat ungefähr vier Jahrzehnte bestanden und ist heute schon längst vom Erdboden verschwunden. Sie soll auf der Stelle von Altkalen, einem Dorfe in der Nähe von Dargun, gelegen haben. Denn noch heute "zieht sich ein Wall, der an jeder Seite einen Graben hat, wie die Landwehren der Städte, um das ganze Dorf und die Dorfgärten" von Altkalen herum. In dieser Anlage vermutet Lisch wahrscheinlich mit Recht noch Spuren der ehemaligen Stadt 326 ), der nach der urkundlichen Überlieferung im Jahre 1253 das lübische Stadtrecht verliehen wurde 327 ).


325) Vgl. Lisch, Die Kirche zu Altkalen und die Geschichte der Gründung von Alt- und Neukalen (M.J.B. Bd. 12, S. 457 ff.); Lisch, Über das alte Stadtbuch von Neukalen (M.J.B. 43, S. 3 ff.); Schlie a. a. O. I, S. 598 ff., S. 610 ff.; Bachmann a. a. O. S. 418. Lisch berichtet (Bd. 12, S. 458), daß der Landesherr bereits im Jahre 1244 die Grundherrlichkeit über das Gebiet von Kalen vom Kloster Dargun erwarb. Tatsächlich geschah dies erst im Jahre 1252 (M.U.B. II, 684).
326) Vgl. Lisch, M.J.B. 12, S. 461.
327) M.U.B. II, 713.
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Der Name Kalen begegnet uns zuerst im Jahre 1174, in dem die Burg Kalen (urbs Kalen) von Kasimir von Pommern an das Kloster Dargun verliehen wird 328 ). Die Bedeutung der Burg war gering. Sie war wohl eine sogen. "Fliehburg", die nur in Notzeiten von der umwohnenden Bevölkerung aufgesucht wurde. Der Mittelpunkt in dieser Gegend war in wendischer Zeit die in unmittelbarer Nähe Kalens liegende Burg Dargun. Wo die Burg Kalen gelegen hat, ist nach den vorhandenen Urkunden nicht sicher 329 ); vielleicht hat Lisch mit seiner Annahme recht, daß ihr Burgwall im 13. Jahrhundert von Borwin von Rostock zur Anlage einer neuen Burg, von der uns berichtet wird, benutzt worden ist 330 ).

Auch ein Dorf Kalen hat es vor der Stadtgründung gegeben. Wir können es aus der Tatsache entnehmen, daß 1232 eine Kirche in Kalen genannt wird 331 ). Da eine Stadt Kalen erst im Jahre 1244 erwähnt wird 332 ), müssen wir annehmen, daß die Kirche in einem Dorf stand. Die Bewohner desselben werden uns noch im Jahre 1244 genannt 333 ). Sie legten der Stadtgründung kein Hindernis in den Weg, erklärten sich vielmehr, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, damit einverstanden. Vermutlich sind sie selbst mit in die Stadt gezogen, da das Dorf nicht Stadtrecht erhielt, sondern die Stadt Kalen, wie uns berichtet wird, neu gebaut wurde 334 ). Wiederum läßt sich eine Entscheidung darüber, ob dies Dorf ein slawisches oder deutsches gewesen ist, nicht herbeiführen.


328) M.U.B. I, 114.
329) Nach dem Jahre 1266 (M.U.B. II, 1071) wird vom Pommernherzog dem Kloster Dargun die "urbs Kalen cum toto stagno adiacente" bestätigt. Da die Burg Borwins aber bereits seit dem Jahre 1244 besteht (M.U.B. I, 564), müßte es noch eine andere Burg bei Kalen gegeben haben. Scheinbar ist aber die Urkunde aus dem Jahre 1266 in ihrem ersten Teil nur eine Abschrift aus früheren Privilegien des Klosters Dargun, die vor dem Jahre 1244 ausgestellt sind, als das Kloster noch im Besitz der Burg Kalen war. Die Urkunde ist deshalb für die tatsächliche Besitzverteilung in Kalen im Jahre 1266 ohne Bedeutung.
330) Vgl. Lisch, M.J.B. 12, S. 457 ff.
331) M.U.B. I, 401.
332) M.U.B. I, 564.
333) M.U.B. I, 564: "de consensu tamen inhabitancium ipsum locum".
334) M.U.B. I, 564: "cum nos ciuitatem ... edificassemus". Weil die Stadt heute nicht mehr besteht, läßt sich die urkundliche Aussage nicht so ohne weiteres nachprüfen. Das Wort "aedificare" deutet nicht immer auf eine Gründung aus frischer Wurzel hin.
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Die Stadtgründung scheint nicht so mühelos gelungen zu sein. Denn während uns bereits 1244 die Erbauung der Stadt überliefert ist, wird uns erst 1253 von der Verleihung des lübischen Stadtrechts an Kalen berichtet 335 ). Neun Jahre verstrichen danach noch seit 1244, bis die Stadtgründung Kalens. endgültig erfolgte. Dieser Umstand mag sich aus der Schwierigkeit erklären lassen, daß das Gebiet, auf dem die Stadt gegründet werden sollte, dem Kloster Dargun gehörte. Die Grundherrschaft über das Stadtgebiet mußte der Landesherr erst erwerben. Im Jahre 1244 sehen wir den Fürsten Borwin daher zunächst bemüht, für seine mit der Stadt zugleich neu errichtete Burg Kalen ein Burglehen für die Burgbesatzung vom Kloster Dargun zu erhalten. Es gelingt ihm zu diesem Zweck, ein Dorf, das dem Kloster gehörte und für ein Kalener Burglehen sehr geeignet und günstig erschien, gegen zwei andere Dörfer von dem Kloster einzutauschen 336 ). In den folgenden Jahren war er bestrebt, auch die Grundherrschaft der Stadt und ihrer Feldmark zu erwerben. Vor dem Jahre 1248 hat er scheinbar dem Kloster Dargun bereits für das Stadtgebiet, das er ihm genommen hatte, 30 Hufen in Teschow angewiesen 337 ). Im Jahre 1252 kommt gegen noch weitere Zugeständnisse Borwins ein endgültiger Vertrag zwischen ihm und dem Kloster zustande, der Borwin definitiv die Grundherrschaft über Kalen sicherte 338 ). Darauf erfolgte ein Jahr später (im Jahre 1253) die Stadtrechtsverleihung 339 ).

Die Lage von Kalen scheint den Bürgern jedoch nicht günstig genug gewesen zu sein; denn im Jahre 1281 erfolgte die Verlegung der Stadt Kalen in das Dorf Bugelmast 340 ). Die "narratio" der Urkunde berichtet: "wy hebben thogelaten tho kamende die stadt Kalandt in dat dorp, welker genomet was Bugelmast". Auf diese Weise entstand die heutige Stadt Neukalen. Den Bürgern von Kalen, die im Jahre 1281 ihre bisherige Stadt verließen und in das Dorf Bugelmast übersiedelten, um sich dort eine neue Stadt zu bauen, wurden ihre Privilegien, die sie in ihrer alten Stadt gehabt hatten, be-


335) M.U.B. I, 564; II, 713.
336) M.U.B. I, 564.
337) M.U.B. I, 604.
338) M.U.B. II, 684.
339) M.U.B. II, 713.
340) M.U.B. III, 1581.
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stätigt. Zugleich wurde ihnen auch eine Feldmark von der Größe, wie sie sie vorher in der alten Stadt besessen hatten, verliehen.

Von dem Dorf Bugelmast ist anscheinend keine Spur mehr vorhanden. Vielleicht war es bereits bei der Gründung Neukalens verlassen. Denn nach unserer Überlieferung ist die Stadt in das Dorf verlegt worden. Der Stadtplan freilich läßt dies nicht mehr erkennen 341 ). Der Grundriß Neukalens ist vielmehr ein typisches Beispiel für die Zentralanlage der mittelalterlichen Stadt 342 ). Eine Karte von 1727 zeigt diese Anlage noch besonders deutlich. Die Stadt ist kreisrund gebaut. Der Radius beträgt etwa 200 Meter. Der Marktplatz ist quadratisch und liegt im Zentrum der Stadt. Auf dem Marktplatz schneiden sich rechtwinklig zwei Straßen, die gleichsam als Durchmesser in dem Kreis der Stadtanlage liegen. Die Stadt Neukalen wurde also bei ihrer Gründung neu angelegt. Die erste Stadt Kalen erhielt nach der Gründung Neukalens den Namen Altkalen und ist bald ein Dorf geworden 343 ).


341) Carte von der Stadt Nien-Kahlden und den Grentzen, Feldtmark nebst Spezification derer sämbtlichen Bürgernahmen und freyen Theile ... emessen und aufgenommen von dem Artillerielieutnant C. G. Hermanns und Condukteur F. H. Brückmann 1727 (im Besitz der Stadt Neukalen).
342) Vgl. Meurer a. a. O. S. 65 ff.
343) Schlie a. a. O. I, S. 598.