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3. Die Gründung der Stadt Wittenburg 111 ).

Wittenburg in Westmecklenburg, heute nur eine kleine Landstadt, hatte in der Wendenzeit und im Mittelalter eine weit größere Bedeutung. In unsern Tagen nimmt Hagenow, das einst nur ein Dorf und später eine Stadt im Lande Wittenburg war, eine wichtigere Stellung ein. Hier befindet sich das Amt, zu dessen Verwaltungsgebiet auch Wittenburg gehört. Die Rollen zwischen Hagenow und Wittenburg sind also in neuerer Zeit vertauscht worden. Deutlich macht sich hier der Einfluß der Eisenbahnlinie bemerkbar. Während Hagenow an der Hamburg-Berliner Bahnstrecke liegt, führt an Wittenburg nur eine weniger wichtige Linie vorbei. Einst lag Wittenburg jedoch an der großen Landstraße, die von der Elbe herauf nach Lübeck führte 112 ). Dieser günstigen Lage verdankt es die Stadt Wittenburg wahrscheinlich, daß sie schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts gegründet wurde. Wittenburg ist eine der ältesten mecklenburgischen Städte. Wir sind allerdings nicht wie bei Gadebusch in der günstigen Lage, das Datum der Gründung genau bestimmen zu können. Es läßt sich nur sagen, daß die Gründung vor 1230 erfolgt sein muß; denn in diesem Jahre wird uns im Ratzeburger Zehntenregister Wittenburg bereits als Stadt (civitas) genannt 113 ). Möglicherweise erhielt Wittenburg schon vom Dänenkönig Stadtrecht, da dieser am Anfang des 13. Jahrhunderts auch das Land Wittenburg vorübergehend beherrschte 114 ). Und wenn nicht während der Dänenherrschaft, so erfolgte die Stadtrechtsverleihung bald nach dem


111) Vgl. Festbuch zur Erinnerung an die 700-Jahrfeier der Stadt >Wittenburg in Mecklenburg am 28. und 29. August 1926. Der Termin wurde nach M.U.B. I, 322 angenommen. Wittenburg wird als Stadt nicht genannt; Fr. Schlie, Denkmäler, Bd. III, S. 38 ff.; Bachmann a. a. O. S. 480; Reifferscheid a. a. O. S. 127/129; O. Vitense, Wittenburg (Mecklenburgische Nachrichten, 6. April 1924, Nr. 82).
112) M.U.B. I, 322.
113) M.U.B. I, 375. Das Wort "civitas" an dieser Stelle nicht als einen Beweis für die Existenz der Stadt Wittenburg aufzufassen, liegt kein Grund vor. Die Angaben des Ratzeburger Zehntenregisters sind zuverlässig.
114) Vgl. Witte a. a. O. Bd. I S. 145 ff.
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Ende derselben 115 ) 116 ). Im Jahre 1230 ist, wie bereits erwähnt, eine Stadt Wittenburg vorhanden 117 ).

In der Wendenzeit stand hier eine Burg, die der Mittelpunkt des Landes gewesen ist und ihm den Namen gegeben hat 118 ). Von der Existenz eines slavischen Dorfes neben der Burg ist uns nichts bekannt.

Wittenburg ist neben Ratzeburg und Gadebusch der dritte der Burgbezirke gewesen, in die das Land der wendischen Polaben zerfiel, als Heinrich von Badewiede hier von Heinrich dem Löwen 1144 als Grenzgraf eingesetzt wurde 119 ). Frühzeitig wird der Ratzeburger Graf auch diese alte wendische Burg mit deutschen Mannen besetzt haben; schon der deutsche Name Wittenburg scheint darauf hinzuweisen.

Jedenfalls erwuchs am Fuße der Burg eine vorwiegend von Deutschen bevölkerte Ansiedlung 120 ), die sich allmählich soweit entwickelte, daß ihr Stadtrecht verliehen werden konnte. Die Erhebung Wittenburgs zur Stadt hat sich demnach wahr-


115) Man hielt es für auffällig, daß Wittenburg kein Schweriner Stadtrecht empfing, sondern lübisches (vgl. W. Böttcher, Geschichte der Verbreitung des lübischen Rechts, 1913, siehe Wittenburg). Man glaubte, das spräche für eine Stadtgründung unter dänischer Herrschaft, da den Grafen von Schwerin, denen nach dem Ende der Dänenherrschaft Wittenburg gehörte, die Verleihung von Schweriner Stadtrecht doch näher gelegen hätte, für die Dänen die Verleihung des lübischen Rechtes aber das Natürliche war. (Vgl. Wigger, Über die Stammtafel der alten Grafen von Schwerin, M.J.B. 34 S. 55 ff., S. 104). Wie das Beispiel der Städte mit Rostocker Stadtrecht zeigt, hat aber der Landesherr bei der Auswahl des Stadtrechts nicht immer eine völlig freie Wahl gehabt (vgl. das Kolonisationsgebiet der Herrschaft Rostock). In Wittenburg ist das lübische Recht eher durch Ansiedler, die aus Lübeck kamen, zu erklären.
116) Die Dänenherrschaft erreichte ihr Ende mit der Schlacht bei Bornhöved 1227.
117) W. Böttcher (Geschichte der Verbreitung des lübischen Rechts) nimmt für 1230 die Existenz von Wittenburg als Stadt noch nicht an. Ohne Begründung läßt er "civitas W." nicht als eine Bezeichnung dafür gelten. Mir ist kein Beispiel aus mecklenburgischen Urkunden bekannt, wo civitas der Ausdruck für Dorf ist.
118) M.U.B. I, 59, 88; I, 338: Wittenburg cum suis attinentiis.
119) Helmold, Chronica Slavorum I, cap. 56.
120) Aus den Bürgernamen der späteren Stadt erkennt man die überwiegend deutsche Abstammung der Bürger (M.U.B. II, 704; III, 1929, 2013, 2384). Auf slawische Abstammung deutet nur der Name "Sloue" selbst (2384).
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scheinlich in der gleichen Weise wie in Gadebusch und Ratzeburg vollzogen, indem auch hier ein Dorf Stadtrecht bekam.

Diese Entwicklung erkennt man aus dem Alter des Kirchspiels, das uns fast 40 Jahre früher als die Stadt bekannt wird. Im Jahre 1194 haben wir bestimmt mit dem Vorhandensein des Kirchspiels zu rechnen 121 ). Wahrscheinlich wird jedoch die Wittenburger Kirche, wenn auch nicht in ihrer heutigen Gestalt, schon damals, als die Burg eine deutsche Besatzung erhielt, erbaut sein 122 ). Das Bestehen der Kirche, bevor die Stadt gegründet wurde, läßt mit Sicherheit vermuten, daß schon vorher ein Dorf vorhanden war, in dem sie stand. Der Stadtplan von Wittenburg 123 ) macht es nun sehr wahrscheinlich, daß die Stadt unmittelbar aus der alten dörflichen Ansiedlung hervorgegangen ist. Er zeigt genau wie bei Gadebusch eine lange Hauptstraße, die sich vor der Burg an der Kirche und dem Markt vorbeizieht. Kirche und Rathaus liegen auf einem unregelmäßigen dreieckigen Platz vor dem Zugang zur Burg, der wahrscheinlich zunächst als großer freier Platz die Kirche umgab und von dem sich erst später bei der Gründung der Stadt durch den Bau des Rathauses der Markt abtrennte. Auch heute noch bilden beide Plätze, Markt- und Kirchplatz 124 ), eine Einheit; denn sie sind weder durch Häuser noch durch Mauern geschieden.

Dem Stadtplan nach zu urteilen, ist es also sehr wohl möglich, daß die Einwohner des alten Dorfes Wittenburg nach der Verleihung des Stadtrechtes in ihrer alten Siedlung verblieben, so daß das alte Dorf Wittenburg uns vermutlich in der heutigen Stadt noch erhalten ist.


121) Schmaltz, M.J.B. Bd. 72, S. 130/1.
122) Schmaltz, M.J.B. Bd. 72, S. 122/3.
123) Ein Situationsplan von Wittenburg ist bei Schlie, Denkmäler III, S. 60 abgebildet.
124) So heißt heute auf dem Plan der Platz bei der Kirche.