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IX.

Reincke-Bloch zum Gedächtnis

von

Hans Spangenberg.

 

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D ie enge Verbundenheit H. Reincke-Blochs mit Mecklenburg, dem er in fast zwanzigjähriger Tätigkeit mit voller Hingebung gedient hat, rechtfertigt hinreichend den Wunsch, dem allzufrüh, im 62. Lebensjahr Dahingeschiedenen auch in den Jahrbüchern einige Worte dankbaren Gedenkens zu widmen.

Das alte Grenz- und Kernland deutscher Kultur, das Elsaß, ist die erste Stätte der Wirksamkeit Reincke-Blochs gewesen. Nach Beendigung seines Studiums an den Universitäten Freiburg, Leipzig, Berlin, ein Schüler W. Arndts und P. Scheffer-Boichorsts, kam er im Frühjahr 1892 nach Straßburg, um unter Leitung H. Breßlaus an der Diplomata-Abteilung der Monumenta Germaniae mitzuarbeiten; ihn empfahl eine noch heute unentbehrliche, durch methodische Forschung und Kombinationsgabe ausgezeichnete Erstlingsschrift (1891) "Zur Politik Kaiser Heinrichs VI. in den Jahren 1191-1194". In Straßburg beschäftigten ihn vornehmlich kritische Untersuchungen über die literarische und urkundliche Überlieferung des Elsaß; aus ihnen ging später die Edition der Annales Marbacenses (1907), einer Hauptquelle der Hohenstaufenzeit, hervor. Als Privatdozent (seit 1896) las er mit Vorliebe Geschichte des Elsaß, die er als Einheit zu begreifen und in den Gesamtverlauf der deutschen Geschichte einzureihen suchte.

Der mit den Mitteln der Quellenkritik und Editionstechnik trefflich ausgerüstete Monumentist trat seit seiner Berufung an die Rostocker Universität (1904) in einen größeren, selbständigen Wirkungskreis, der dem Lehrer und Forscher eine freiere und vielseitigere Entfaltung ermöglichte. Mit seltener Energie schuf er aus kümmerlichen Anfängen, einem unvollständigen Exemplar der Mon. Germaniae und einigen Rankewerken, die verhältnismäßig stattliche historische Seminarbibliothek, um die uns heute manch' andere Universität beneiden kann, und erzog hier mit den Mitteln strenger historischer Methode zahlreiche Schüler. Den Höhepunkt seines wissenschaftlichen Schaffens bildet das umfassende Werk "Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums" (1911), wo er anregend und fördernd, bisweilen wohl mit ein wenig ausschweifender Phantasie, ein zentrales Problem der deutschen Reichs- und Verfassungsgeschichte behandelte,

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während die bekannte Studie über den Ursprung der Ratsverfassung in den deutschen Städten (1914) wieder an die Urkundenkritik anknüpfte.

Das Ende des Weltkrieges, in dem Reincke-Bloch zwei hoffnungsvolle Söhne verlor, stellte seinem Betätigungsdrange neue Aufgaben: Er bekleidete in der Zeit von 1920 bis 1922 das Amt des Ministerpräsidenten und hernach des Kultusministers im Freistaate Mecklenburg-Schwerin. Im Jahre 1922 trat er zurück und folgte 1923 einem Rufe nach Breslau, wiederum in ein Grenzland, wo er mit neuem, durch die politische Schulung geschärften Blicke seine alte Tätigkeit wieder aufnahm und den Fragen der heute in ihrer Bedeutung längst nicht hinreichend gewürdigten Ostpolitik volles Verständnis entgegenbrachte; davon zeugt unter anderem eine seiner letzten Schriften "Schlesien im ostdeutschen Raum" (Mitt. der Ges. für Volkskunde, Bd. 29). Mit der ihm eigenen Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit des Geistes arbeitete er sich in den neuen Wirkungskreis hinein. Aber die Mannigfaltigkeit seiner Tätigkeit, organisatorische Maßnahmen auf dem Gebiete des Unterrichtswesens, die Leitung des Breslauer Historikertages (1926) und die Mitarbeit an der durch die Rockefeller-Stiftung ins Leben gerufenen internationalen Bibliographie, die Lehrtätigkeit, in der er sich ganz ausgab, rieben seine Kräfte vor der Zeit auf; und so hat er auch die wichtigste, kurz vor dem Tode übernommene wissenschaftliche Aufgabe, die Bearbeitung des von seinem Lehrer Breßlau unvollendet hinterlassenen grundlegenden Handbuchs der Urkundenlehre, leider nicht mehr fertigstellen können.

Die mecklenburgische Geschichte, für die namentlich auf dem Gebiete des innerstaatlichen Lebens, des Wirtschafts- und Städtewesens, der staatlichen und kommunalen Verfassung und Verwaltung noch manches zu tun ist, verdankt den tüchtigen Schülern Reincke-Blochs willkommene Bereicherung; daher ist die Ernennung Reincke-Blochs zum Ehrenmitglied der 1928 begründeten "Historischen Kommission für beide Mecklenburg" eine gerechte Anerkennung der Verdienste gewesen, die auch er sich in langjähriger Lehrtätigkeit um Mecklenburg erworben hat. Das Gute, das er hier und anderwärts geschaffen, wird fortwirken, auch in der Erinnerung aller Freunde und Schüler, die seine Selbstlosigkeit und opferbereite Güte erfahren haben.

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