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III.

Ein Beitrag
zur Einwanderungsfrage

von

Julius von Weltzien, Generalmajor z. D.,
Ehrenmitglied des Vereins
für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.

Vignette
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Im Mecklb. Monatsheft vom Jan. d. J. wird darauf hingewiesen, daß die Bauart eines großen Teils der Wohnhäuser in den mecklb. Bauerndörfern die des niederdeutschen Typus sei.

Auf diesen Umstand hat auch schon Lisch im Jahrbuch 13 (1848 hingewiesen, indem er auf eine überraschende Übereinstimmung der Bauart der Bauernhäuser in Mecklenburg und Westfalen aufmerksam macht und daraus mit Recht schließt, daß ein großer Teil der Bauern, welche Mecklenburg zu Ende des 12. und im 13. Jahrhundert besiedelten, aus Westfalen stammt, was er auch nach anderen Merkmalen für sicher annimmt.

Woher stammen nun aber die Adelsgeschlechter, welche urkundlich bald nach Eroberung des Landes durch Heinrich den Löwen auftreten und so vielfach wendische Familiennamen führen?

Masch in demselben Jahrbuch läßt diese Frage unentschieden, eine Lösung kann auch immer nur für jedes Geschlecht einzeln versucht werden. Ich möchte nun für einige Adelsgeschlechter des Landes den Nachweis führen, daß sie trotz ihres rein wendischen Familiennamens doch deutschen Ursprungs sind. Aus den Urkunden im Mecklenburgischen Urkundenbuch ersehen wir, daß zu der fraglichen Zeit der Besiedelung Mecklenburgs Familiennamen auch beim Adel noch nicht durchweg gebräuchlich waren; es finden sich zahlreiche Beispiele, daß die Personen, welche in den Urkunden genannt, nur mit Vornamen bezeichnet werden, und weiter eine Reihe von Fällen, daß Brüder oder sonstige Geschlechtsgenossen verschiedene Familiennamen führen, z. B. Hahn und Dechow, Schack und Estorf, Bülow und Britzkow, Brüsewitz-Brüsehaver und Weltzin, Holstein-Parkentin und Kruse, Negendank und Plüskow usw.

Also die Familiennamen standen damals noch nicht sicher fest, sie entstanden hier erst im Laufe des folg. Jahrhs., um die vielen Personen, welche den gleichen Vornamen führten, voneinander unterscheiden zu können, beim Adel in der Regel nach den Lehngütern.

Um also die wendische oder deutsche Herkunft eines Adelsgeschlechts Mecklenburgs zu erforschen, kann der Familienname vielfach keinen Anhalt bieten.

Dafür gibt es indessen beim Adel in manchen Fällen einen andern Weg, den durch das Wappen; das ist beim Uradel meistens älter als der Familienname. Der Brauch, daß ganze Geschlechter in allen ihren Gliedern ein gemeinsames Bild auf ihre Schilde

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setzten, war schon vor Anfang des 12. Jahrhunderts die Regel.

Allerdings ist der Beweis für die Abstammung einer Familie durch die gleiche Schildfigur recht schwierig und auch trügerisch, denn eine Durchsicht des Siebmacherschen Wappenbuchs für den Adel Europas zeigt nur zu deutlich, daß viele Schildfiguren sich in allen Ländern unseres Erdteils wiederholen, wie z. B. Adler, Löwe, Bär, Lilie, Fisch, Flug, Balken, Stern, Fallgatter, Leiter usw.

Diese so weitverbreiteten Schildfiguren sind also für den Nachweis der Abstammung eines Adelsgeschlechts ziemlich wertlos. Es gibt nun aber solche Schildfiguren, die in einem ganz bestimmten Landstrich ursprünglich nachweislich entstanden sind und nur dort vorkamen; diese geben uns nun einen sicheren Beweis für die Abstammung eines Adelsgeschlechts. Eine solche Wappenfigur ist die "Pferdebremse oder Pferdeprame". Diese Wappenfigur kommt laut Siebmacher und dem Wappenbuch des westfälischen Adels ursprünglich nur beim Uradel in Westfalen vor, wie mir auch aus den westfälischen Archiven bestätigt wurde, und dort nur bei den Lehnsmannen der 877 gegründeten reichsunmittelbaren Benediktiner Nonnen-Abtei zu Essen an der Ruhr, und die Adelsgeschlechter, welche dies Wappen damals führten, leiteten es ursprünglich her von der Wildpferdezucht im Emschenbruch.

Von den mecklenburgischen Adelsgeschlechtern, welche urkundlich bald nach Eroberung des Landes durch die Deutschen auftraten, führten die Familien von Brüsewitz, von Brüsehaver, von Weltzin und von Wolkow die geflügelte Pferdebremse im Wappen. Dies bringt also den Beweis, daß diese vier Adelsgeschlechter Mecklenburgs trotz ihres wendischen Namens deutschen Ursprungs sind.

Jüngere Söhne des Adels aus den Landen Heinrichs des Löwen kamen mit dessen Heeren ins Land und wurden mit Lehngütern für ihre Kriegsdienste belohnt. Später kamen sie auch als Führer der herbeigerufenen deutschen Bauern ins Land und in den Besitz von Lehngütern mit wendischen Namen. Als die Nachkommen Niklots wieder in den Besitz des Landes gekommen und zum Christentum übergetreten waren, zogen auch sie, wie dies sicher die deutschen Grafen von Schwerin getan, neben den Resten des wendischen Adels diese deutschen Ritter an ihren Hof und in ihren Dienst und belehnten sie mit Grundbesitz, so daß es für die Abstammung eines Adelsgeschlechts auch nicht allein entscheidend ist, ob es zuerst urkundlich im Gefolge der deutschen Grafen von Schwerin oder der Fürsten aus Niklots Stamm auftritt.

Vielleicht regen diese Zeilen dazu an, daß auch andere mecklenburgische Adelsgeschlechter versuchen, mit Hilfe des Wappens ihre Abstammung klarzulegen.