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VIII.

 

 

 

Carl Schröder †.

 

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Carl Schröder †.
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A m 28. Juli 1916 ist der langjährige frühere Bücherwart des Vereins, Direktor a. D. der Großherzoglichen Regierungsbibliothek Geh. Rat Dr. Carl Schröder nach einem langen, an wissenschaftlicher Arbeit und wissenschaftlichen Erfolgen reichen Leben gestorben. Sein Tod fiel zwar schon in das Vereinsjahr 1916/17, aber gleich in dessen ersten Monat, und darum glaubten wir mit einer Würdigung dieses um unseren Geschichtsverein hochverdienten Mannes nicht bis zum nächsten Jahrbuche warten zu sollen.

Schröder gehörte dem Verein seit 1885 an, war Bücherwart von 1886-1915 und versah dann noch ein Jahr lang das Amt des Bilderwarts, das er im April 1916 wegen Krankheit niederlegte. Auch ist er Mitglied der Urkundenbuchskommission gewesen. So hat er dreißig Jahre lang für den Verein gewirkt, an dessen Arbeiten und geselligen Veranstaltungen er mit ganzem Herzen teilnahm. Einer unser Getreuesten ist in ihm von uns gegangen.

Zu den Jahrbüchern steuerte er des öfteren inhaltreiche, sorgsam gearbeitete Aufsätze bei. Und gerne erfreute er uns auf winterlichen Vereinsabenden durch Vorträge, in die er selbständige Forschungen auf den Gebieten der mecklenburgischen Geschichte und Literaturgeschichte zusammenzufassen pflegte. Viele unserer Mitglieder werden sich solcher Vorträge Schröders, zumal aus dem letzten Jahrzehnt, entsinnen, etwa des schönen Vertrags über den Grafen Adolf Friedrich v. Schack, gehalten im November 1908, oder des Vertrags über Adolf Wilbrandt und Heinrich Seidel (gehalten im Januar 1909). Die Studien, deren Ergebnisse er hier brachte, sind dann in seinem prächtigen Buche über Mecklenburg und die Mecklenburger in der schönen Literatur zum dauernden Ausdrucke gekommen. Auch an seine

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geschichtlichen Vorträge über die Anfänge der Regierung Friedrich Franz' I. und über die Verpfändung Wismars an Mecklenburg 1803 sei hier erinnert. Zum letzten Male sprach er am 27. März 1914 über Mecklenburg und die Kurwürde; es war der Gegenstand eines Aufsatzes, den er hernach in Band 80 der Jahrbücher veröffentlichte, und der seine letzte Arbeit sein sollte.

Für seine aufopfernde Tätigkeit im Dienste des Vereins, von der er erst ließ, als ihn der Verlust seiner körperlichen Kräfte dazu zwang, schulden wir dem Heimgegangenen innige Dankbarkeit; sie ist ihm, nachdem er auch sein letztes Vereinsamt niedergelegt hatte, vom 1. Sekretär auf Ermächtigung der Generalversammlung von 1916 in herzlichen Worten ausgesprochen worden.

In den Gelehrtenkreisen Mecklenburgs nahm Schröder eine hervorragende und geachtete Stellung ein. Seine Werke überdauern ihn. Wer ihn kannte und sein reiches Wissen, sein freundliches Wesen, seine stete Bereitwilligkeit, andere bei ihren Arbeiten zu fördern, schätzen lernte, wird auch seine Persönlichkeit nicht vergessen.

Auf Wunsch des Sekretariats hat ein Fachgenosse des Verstorbenen, der Germanist und Literarhistoriker unserer Landesuniversität, sich gerne bereitfinden lassen, den Nachruf zu schreiben, den wir auf den folgenden Blättern darbieten können, und der den Menschen, Gelehrten und Beamten Schröder, sein Leben, seine Werke und sein Wirken schildert.

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Carl Schröder.


Carl Gustav Theodor Schröder wurde am 15. September 1840 zu Waren in Mecklenburg als Sohn des Theologen und Schulmannes Ferdinand Schröder (vgl. Allgemeine Deutsche Biographie 32, 505 f.) geboren. Der Vater (1812-84) war längere Zeit als Lehrer und Prediger tätig und wurde 1851 als Schulrat ins mecklenburgische Unterrichtsministerium nach Schwerin berufen. Seine Schulbildung empfing Carl Schröder auf dem Schweriner Gymnasium. Mit 19 Jahren bezog er die Universität Jena, um auf Wunsch des Vaters Rechtswissenschaft zu studieren, obwohl seine Neigung bereits damals literarischen Dingen gehörte. Als er 1860 nach München übersiedelte, wandte er sich von den juristischen Studien gänzlich ab. Im Kreise junger Dichter und Künstler erlebte er in München seine Sturm= und Drangzeit. Geibel und Bodenstedt regten ihn zu dichterischen Versuchen an. Bald aber faßte er wieder ernstere wissenschaftliche Ziele ins Auge, nach dem Vorbild von Wilhelm Hertz, der als junger Privatdozent an der Universität wirkte und in glücklichster Weise Poesie und Forschung miteinander verschmolz. Hertz ward dem jungen Studenten Lehrer und Freund und lenkte ihn auf die rechte Bahn. Schröder hörte bei Konrad Hofmann, dem Vertreter der deutschen und romanischen Philologie, und bei Giesebrecht, der ihn als Mitarbeiter bei der Herausgabe der Chroniken deutscher Städte annahm. Zur Ergänzung der Vorlesungen las er eifrig Quellenwerke und Bücher aus dem Gebiete der deutschen und mittelalterlichen Philologie. Mit einer Abhandlung über die höfische Dorfpoesie, die in Gosches Jahrbuch für Literaturgeschichte l (1860) gedruckt wurde, bewarb er sich an seiner Heimatuniversität Rostock um die Doktorwürde. Karl Bartsch beurteilte die eingereichte Schrift günstig so daß Schröder am 23. Mai 1864 promoviert wurde. Im Jahre 1860 erschien sein erstes Buch, eine Bearbeitung von Werners Helm=

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brecht, der "ältesten deutschen Dorfgeschichte". Die geschmackvolle Übertragung ist dem "Lehrer und Freunde Wilhelm Hertz" gewidmet. Er eiferte dem Meister der Übersetzungskunst aus den mittelalterlichen Denkmälern erfolgreich nach und erneuerte für die Zeitgenossen eines der Werke, die den Gegenstand seiner Doktorschrift bildeten. Mit einem in der "Germania" 1865 veröffentlichten Aufsatz über Heimat und Dichter des Helmbrecht suchte er gegen Keinz den Nachweis zu erbringen, daß Werner der Gärtner, der Verfasser des Helmbrecht, der als fahrender Sänger bekannte Bruder Werner sei. Diese Meinung ist freilich nicht durchgedrungen, insofern schwerwiegende Gegengründe geltend gemacht werden konnten.

Inzwischen war das Leben des jungen Doktors in ganz neue Bahnen gelenkt worden. Im Herbst 1864 berief ihn Großherzog Friedrich Franz II. zum Lehrer und Reisebegleiter des Erbgroßherzogs, der seiner Gesundheit wegen den Süden aufsuchen mußte. In seiner kleinen Schrift "Aus der Jugendzeit des Großherzogs Friedrich Franz III." (1897) und in seinem Buche "Friedrich Franz III." (1898) berichtet Schröder über diese Jahre, die ihn nach Bagnères=de=Bigorre am Fuß der Vorberge der Pyrenäen, am Eingang des Campanertales entführten. Der Aufenthalt im Süden währte bis Ende April 1866. Schröder begleitete seinen jungen Herrn im Oktober 1866 nach Dresden, wo der Erbgroßherzog das Gymnasium besuchte. Zu Neujahr 1868 gab er sein Erzieheramt auf, um seine brach liegenden Wissenschaftlichen Forschungen wieder aufzunehmen.

Er trat in den Dienst der historischen Kommission bei der Kgl. Akademie der Wissenschaften in München und machte in ihrem Auftrag Reisen nach Erlangen, Cöln und Wien. Die Bearbeitung der Städtechroniken war ihm zugeteilt. So ist die Ausgabe von Gotfrid Hagens Cölner Chronik (gedruckt im 12. Band der Chroniken deutscher Städte, Leipzig 1870; vgl. S. 17 ff.) in bezug auf die philologische Textbehandlung sein Werk. Als Erinnerung an seine Reise nach Südfrankreich veröffentlichte er 1869 Weihnachtslieder aus Bearn in ihrer eigenartigen Mundart. Diesem kleinen Beitrag zur romanischen Philologie folgten bedeutendere Arbeiten aus dem Gebiete der deutschen Philologie, wobei bereits die Vorliebe fürs Niederdeutsche sich bemerkbar macht. Er gab zwei Sammlungen niederdeutscher Sprichwörter heraus und schrieb eine gründliche Abhandlung übers Redentiner Osterspiel, eine Vorstudie zu einer künftigen Ausgabe. In der "Germania" berichtete er über verschiedene

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Texte des Brandan, ebenfalls als Vorläufer der Ausgabe des Gedichtes von 1871. Im Jahre 1869 erschienen Ausgaben von drei niederdeutschen Gedichten: Vruwenlof, van sunte Marinen, van deme holte des hilligen cruzes. In Zeitschriften finden wir sprachliche Bemerkungen zu Closener, Erklärung seltener unverständlicher Ausdrücke, Bruchstücke von Hartmanns Gregorius und ein geistliches Volkslied (carmeu sponsae) aus Cölner Büchereien, eine Ausgabe einer epischen Estherdichtung; endlich 1872 den Reinke Vos, eine für weitere Kreise bestimmte Ausgabe mit Einleitung und Anmerkungen. Mithin eine reiche und vielseitige Tätigkeit, die sich immer mehr nach der philologischen Seite entwickelte.

Schröders rüstige und erfolgreiche Arbeit erlitt im Jahre 1869 ein schwere Störung: als er bei seinen Eltern in Rudolstadt weilte, erkrankte er an Lähmungserscheinungen, die ihn längere Zeit zur Ruhe zwangen, aber nach Verlauf von neun Monaten wieder verschwanden. Immerhin hatte seine Gesundheit einen harten Stoß erlitten und erheischte für die späteren Jahre sorgfältige Schonung.

Im Jahre 1872 begann ein neuer Abschnitt seines Lebens: Schröder wurde nach Leipzig berufen, um zuerst im Verlag von Otto Spamer, hernach bei Bädeker wissenschaftlich zu arbeiten. Er verblieb in dieser Stellung mit kurzen Unterbrechungen bis zu seiner Berufung nach Schwerin 1880.

Für den Winter 1874/5 erhielt Spröder eine Einladung, den Erbgroßherzog von Mecklenburg auf einer Reise ins Morgenland zu begleiten. Am 16. November wurde die Fahrt angetreten, die über Paris, Marseille nach Algier, dann nach Sizilien, Ägypten, Alexandria, Kairo, den Nil hinauf, nach dem Sinai, Jerusalem, Nazareth und Damaskus und endlich über Athen und Konstantinopel in die Heimat zurück führte. Seine Eindrücke schilderte Schröder in seinem Gedenkblatt auf Friedrich Franz III. (1897) auf Grund von Tagebuchaufzeichnungen. Mit offenem Auge blickte er in die farbenfrohe neue Welt, die sich ihm auf dieser beinahe dreivierteljährigen Reise erschloß.

In Leipzig nahmen die beruflichen Arbeiten seine Zeit so sehr in Anspruch, daß wir in den nächsten Jahren nur wenige Veröffentlichungen wissenschaftlicher Art nachweisen können. Gelegentliche Anzeigen und Besprechungen, z. B. über die das Nibelungenlied betreffenden Forschungen von H. Fischer und Vollmöller, über Jonckbloets niederdeutsche Literaturgeschichte, Aus=

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gaben eines niederdeutschen Steinbuches und eines Susannenspiels aus Wiener Handschriften sind hier zu nennen. Aber dieser Stillstand war vorübergehend, eine neue Zeit fruchtbarer Tätigkeit begann wieder mit der Wendung, die sein Leben mit der Rückkehr in die alte Heimat erfahren sollte.

In seinem Buch über Friedrich Franz III. (1898) erzählt Schröder, wie seine Berufung nach Schwerin durch das persönliche Eingreifen seines einstigen Zöglings, der ihm dauernde Achtung und Freundschaft bewahrt hatte, in die Wege geleitet wurde. Bereits im August 1882 schrieb der damalige Erbgroßherzog: "ich möchte wissen, ob ich nicht in irgend einer Weise meine Gefühle für Sie praktisch beweisen könnte". Schröder erwiderte, daß man in Schwerin damit umgehe, die Regierungsbibliothek neu zu ordnen und daß er sich's zutraue, eine solche Anstalt zu leiten. Der Ausbau des Domklosterganges zum Bibliotheksgebäude sollte im Sommer 1885 beginnen und zum Herbst 1886 vollendet sein. Aber schon zum 1. Juli 1885 durfte Schröder sein Amt antreten. Der Großherzog schrieb: "ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich freue, daß wir so weit sind, und daß ich nun endlich die Aussicht habe, Sie dauernd in Mecklenburg und in meiner Nähe zu haben." So wurde Schröder auf die ehrenvollste Weise in seine Heimat zurückberufen und in einen seinen Neigungen und Fähigkeiten durchaus entsprechenden Wirkungskreis eingewiesen. Über die Neugestaltung der Bibliothek, deren Anfänge bis ins Jahr 1779 zurückreichen, berichtet eine besondere kleine Schrift Schröders aus dem Jahre 1893 (vgl. dazu noch die Sonntagsbeilage der Mecklenburgischen Zeitung vom 5. November 1911). Die Bücherei wuchs im Laufe der Zeiten zu einer vielseitigen, weitschichtigen Sammlung der Literatur, zu einer reichhaltigen Pflegestätte der Wissenschaft und Kunst heran. Durch Schenkungen und Ankäufe wurde ihr Bestand ansehnlich vermehrt, ihre Hauptfächer sind Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft einschließlich Volkswirtschaft und Sozialpolitik, Geschichte nebst Kulturgeschichte und Länderkunde, besonders aber Mecklenburgisches im vollen Umfang, darunter niederdeutsche Schriften und Volkskundliches. Ohne die übrigen Zweige zu vernachlässigen, gab Schröder der ihm anvertrauten Bibliothek ein wesentlich literarisch=philologisches Gepräge. Die Grundsätze der Verwaltung, Aufstellung und Katalogisierung sind vortrefflich und ganz den Raumverhältnissen angepaßt. Wennschon ein vollständiger Neubau für die künftige Entwicklung zweckdienlicher gewesen wäre, so genügten doch die vorhandenen

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Baulichkeiten jedenfalls für eine lange Reihe von Jahren. Das Arbeitszimmer, mit den Bildern aus Alt=Schwerin ausgeschmückt, bietet dem Besucher behaglichen Aufenthalt, die Wünsche der Benutzer werden durch Auskünfte und Nachweise zuvorkommend berücksichtigt. Mit großer Sorgfalt arbeitete Schröder einen niederdeutschen Katalog aus, der im Verein mit der Rostocker Universitätsbibliothek zu einem in beiden Büchereien aufgestellten möglichst vollständigen Verzeichnis der plattdeutschen Schriften Mecklenburgs erweitert werden soll. Überhaupt haben unter Schröders Leitung die Schweriner Regierungsbibliothek und die Rostocker Universitätsbibliothek engste Fühlung gewonnen, indem die Bestellungen von Büchern, die in Schwerin fehlen, wenn möglich durch Vermittlung der Ausleihe von Rostock erledigt werden und umgekehrt den Rostocker Bestellern auch die Schweriner Bestände fast unbeschränkt und kostenlos zur Verfügung stehen. Die Neuordnung der Bibliothek hatte eine erhebliche Steigerung der Benutzung zur Folge, jetzt erst wurden die reichen Schätze ihrer Bestimmung zugeführt. Die Zahl der Beamten vergrößerte sich den neugeschaffenen Verhältnissen gemäß. Als Schröder, der neben der Regierungsbibliothek die Privatbibliothek des Großherzogs verwaltete und seine fachmännische Hilfe verschiedenen anderen Sammlungen angedeihen ließ, im Sommer 1914 sein Amt aus Gesundheitsrücksichten niederlegte, durfte er auf eine segensreiche Tätigkeit zurückblicken: die Regierungsbibliothek war eigentlich erst durch ihn als eine den heutigen Anforderungen vollkommen entsprechende wissenschaftliche Anstalt begründet worden. Vor ihrem Einzug in den Kreuzgang am Dome war sie ohne große Bedeutung gewesen. Da Schröder vor seinem Amtsantritt keine eigentliche bibliothekarische Schulung durchgemacht hatte, verdient seine Leistung um so mehr Anerkennung: er bewährte in der Einrichtung der Bibliothek eine glückliche Hand.

Die Schweriner Heimat und das neue Amt bestimmten auch die wissenschaftlichen Arbeiten Schröders. Während er bisher mit seinen Ausgaben und Abhandlungen keine festen Ziele verfolgt, sondern das, was ihm der Zufall darbot, ausgeführt hatte, allerdings mit Vorliebe fürs Niederdeutsche, so nahm er sich jetzt als Lebensaufgabe die Heimatkunde, besonders Literatur und Geschichte, vor. Die Regierungsbibliothek enthielt hierfür Mittel, so daß er aufs glücklichste amtliche und wissenschaftliche Tätigkeit verbinden konnte. Ein Blick auf das Verzeichnis der Schriften belehrt uns über die stets zunehmende und sich ver=

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tiefende Beschäftigung mit der mecklenburgischen Literatur. Das Redentiner Osterspiel wurde mit gehaltreicher Einleitung und gründlichen Anmerkungen herausgegeben. Schröders Ausgabe steht auf voller wissenschaftlicher Höhe, die mit dem Denkmal verknüpften literarischen und sprachlichen Fragen sind sorgfältig behandelt und nur noch in Einzelheiten der Verbesserung und Ergänzung bedürftig. In der Hauptsache darf die Ausgabe als abschließend und für alle weiteren grundlegend bezeichnet werden. Das Osterspiel ist mecklenburgische Heimatkunst im besten Sinne, die Rostocker Bearbeitung von Sebastian Brants Narrenschiff (1519) zeugt für die Fähigkeit niederdeutscher Drucker, fremde Erzeugnisse der niederdeutschen Umgebung anzupassen. Schröders Erläuterungen rücken das Wesen der Bearbeitung in helles Licht. Im Anschluß an diese beiden Werke und an den niederdeutschen Katalog schrieb Schröder eine Gesamtdarstellung der neu=niederdeutschen Dichtung in Mecklenburg (1904), ein Büchlein von großem Wert sowohl für die mecklenburgische Heimatkunde als für die ganze niederdeutsche Literatur überhaupt. Reiche, wenn auch nicht erschöpfende Quellennachweise und anschauliche Schilderung hervorragender Dichterpersönlichkeiten zeichnen die Schrift aus, die 1909 im vierten Abschnitt des großen Buches über "Mecklenburg in der schönen Literatur" eine erweiterte Fassung erhielt. Wie ein Entwurf geht diesem großen Buche 1894 ein Vortrag über Mecklenburgs Anteil an der deutschen Nationalliteratur bis zum Ende des 17. Jahrhunderts voran. Im Verein für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde hielt Schröder öfters Vorträge, z. B. über Johann Jakob Engel, über Fanny Tarnow und andere literarische Persönlichkeiten. Aus solchen Vorarbeiten erwuchs "Mecklenburg und die Mecklenburger in der schönen Literatur" (1909), eine Literaturgeschichte Mecklenburgs, die in vier Abschnitten das Mittelalter (Humanismus und Renaissance), die Anfange der modernen Literatur (Klassische Zeit und Romantik), die moderne Dichtung, die Neuniederdeutschen behandelt. "Das Buch soll zusammenfassen, was von Mecklenburgern innerhalb und außerhalb ihres Vaterlandes, sowie von Nichtmecklenburgern in der Zeit, da sie in Mecklenburg weilten, auf dem Gebiete der schönen Literatur geschaffen worden ist." Mecklenburgs Anteil am deutschen Schrifttum im weitesten Verstand ist also der Gegenstand dieser Schrift, die durch Erwähnung aller Beteiligten ein möglichst vollständiges und durch Charakterisierung der bedeutenden Schriftsteller ein möglichst lebendiges Bild geben will. Unter den landschaftlichen

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deutschen Literaturgeschichten, die zur Ergänzung der umfassenden allgemeinen deutschen Literaturgeschichte dienen, behauptet Schröders Darstellung einen ehrenvollen Platz, sie ist dem Forscher ein unentbehrliches Hilfsmittel. Die mecklenburgische Eigenart tritt natürlich besonders in den plattdeutschen und rein volkstümlichen Dichtungen zutage, denen Schröder mit warmer Teilnahme, aber auch mit strenger Kritik gegenübersteht.

Aus Schröders literarischen Forschungen ging auch die Abhandlung über die Anfänge des Buchdrucks in Schwerin (1895) hervor. Später als manche anderen mecklenburgischen Städte kam Schwerin in den Besitz einer Druckerei. In Rostock wurde bereits 1476 von den Michaelisbrüdern gedruckt, wogegen Schwerin nach längeren vergeblichen Verhandlungen in Peter Schröder 1683 seinen ersten Drucker erhielt.

Die lange ruhenden geschichtlichen Studien nahm Schröder in Schwerin wieder auf, und zwar widmete er sich auch auf diesem Gebiete der heimischen Geschichte, mit Vorliebe des Großherzoglichen Hauses. Er veröffentlichte das Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig aus den Jahren 1811-13, schrieb über die Anfänge der Regierung des Großherzogs Friedrich Franz I. und über seine Jugend und Erziehung, verfaßte für die Allgemeine Deutsche Biographie eine kurze Lebensbeschreibung des Großherzogs Friedrich Franz II. und ein liebevoll persönlich gehaltenes Buch über Friedrich Franz III. Die Schrift über Caroline, Erbprinzessin von Mecklenburg=Schwerin, geb. Prinzessin von Sachsen=Weimar (1786-1816) führte teilweise in die literarischen Kreise Weimars. Die Abhandlungen über die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg=Schwerin (1803) und über die für Mecklenburg eine Zeitlang in Aussicht stehende Kurwürde beschäftigen sich mit der Vorgeschichte des Großherzogtums. Alle diese Schriften waren Vorstudien zu einem größeren zusammenfassenden Werk über die Geschichte des Großherzogtums im 19. Jahrhundert. Dieser Arbeit wollte sich Schröder nach dem Rücktritt vom Bibliotheksamt mit ungeteilter Kraft widmen, der Tod hat ihn darüber ereilt. In schöner, sinniger Weise hätte hier der Geschichtsschreiber dem Gefühl der Dankbarkeit und Verehrung für das Großherzogliche Haus Ausdruck verliehen. Seine Darstellung hätte zweifellos eine besondere persönliche Note gewonnen als ein Denkmal wahrer und inniger Liebe zur Heimat.

Schröders amtliche und wissenschaftliche Tätigkeit wurde 1891 durch die Ernennung zum Regierungsrat, 1899 zum Ge=

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heimen Regierungsrat anerkannt. Die philosophische Fakultät der Universität Rostock nahm mit Freuden die Gelegenheit wahr, am 23. Mai 1914 die fünfzigste Wiederkehr seiner Promotion durch Erneuerung der Doktorurkunde zu feiern. Unsern Glückwunsch brachten wir in deutscher Sprache dar. Die Urkunde schloß mit den Worten: "der Fakultät gereicht es zur Ehre, Carl Schröder zu den von ihr promovierten Doktoren zu zählen".

Die Berufung nach Schwerin und sein Amt durfte Schröder als eine glückliche Wendung seines Lebens begrüßen. Im Alter von 45 Jahren, gereift und noch im Vollbesitz seiner geistigen Kraft, gewann er einen Wirkungskreis, dem er vollauf gewachsen war. Die Ziele seiner Arbeit waren klar und fest vorgezeichnet, erreichbar und frei von der Gefahr der Ablenkung und Zersplitterung. Er wußte sich zu beschränken zu vielseitiger, aber doch einheitlicher Tätigkeit. So kam eine schöne Ruhe in sein Leben.

Im Jahre 1886 hatte er sich vermählt und damit eine reich beglückende Häuslichkeit gewonnen. Seine Gattin brachte den Arbeiten ihres Mannes verständnisvolle Teilnahme entgegen. Sie war um seine sorgfältige Pflege in gesunden und kranken Zeiten bemüht und kräftigte so seine Leistungsfähigkeit. Die Leiden, die ihm in den letzten Lebensjahren nicht erspart blieben, hat sie nach Möglichkeit gelindert. Sie hat ihm das Dasein froh und leicht gemacht.

Schröder war ein Mann von wahrer geistiger Kultur, feinfühlig und anregend im Verkehr mit andern, voll innerer Teilnahme an Wissenschaft und Kunst, gewandt und mitteilsam im Gespräch. Schon als Student war er in München der süddeutschen Art und ihrer zwanglosen Offenheit besonders zugetan. Die hier geweckten künstlerischen Neigungen blieben ihm ein dauernder Gewinn. Gern zog er auf Reisen südwärts, auch über die Alpen nach Italien, nach Rom, wo er mit Vorliebe seinen Urlaub zu verbringen pflegte. In den ersten Monaten des Jahres 1915 weilte er zur Erholung und Kräftigung in Meran. Seine Gesundheit war nicht sehr widerstandsfähig, er hatte mit manchen Leiden zu kämpfen, die er aber mit zäher Ausdauer überwand, so daß ihm doch ein hohes Alter beschieden war. Seit 1912 machten sich die Altersbeschwerden sehr fühlbar. Am 28. Juli 1916 nahm ihn der Tod nach schweren mit Geduld ertragenen Leiden im Alter von 76 Jahren hinweg. Sein Andenken steht bei seinen Freunden und Amtsgenossen und in der gelehrten Welt in hohen Ehren.

Rostock, Oktober 1916.

Wolfgang Golther.     


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Schriftenverzeichnis.


Bücher.

Helmbrecht, von Wernher dem Gartner, die älteste deutsche Dorfgeschichte, übertragen von C. S. Wien 1865; 2. Aufl. Troppau o. J.

Vruwenlof. Van sunte Marinen; mittelniederdeutsche Gedichte, herausgegeben von C. S. Erlangen 1869.

Van deme holte des hilligen cruzes; mittelniederdeutsches Gedicht mit Einleitung, Anmerkungen und Wörterbuch, herausgegeben von C. S. Erlangen 1869.

Sanct Brandan. Ein lateinischer und drei deutsche Texte, herausgegeben von C. S. Erlangen 1871.

Der Nonne von Engeltal Büchlein von der Genaden Uberlast, herausgegeben von C. S. (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart CVIII.) Tübingen 1871.

Reinke de Vos, herausgegeben von C. S. (Deutsche Dichtungen des Mittelalters von Karl Bartsch II.) Leipzig 1872.

Griseldis. Apollonius von Tyrus, herausgegeben von C. S. (Mitteilungen der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig V.) Leipzig 1872.

Dat nye schip van Narragonien, die jüngere niederdeutsche Bearbeitung von Sebastian Brants Narrenschiff (Rostock 1519), herausgegeben von C. S. Schwerin 1892.

Redentiner Osterspiel nebst Einleitung und Anmerkungen, herausgegeben von C. S. (Denkmaler, herausgegeben vom Verein für niederdeutsche Sprachforschung V.) Norden und Leipzig 1893.

Die Großherzogliche Regierungsbibliothek in Schwerin von C. S. (Statt Manuskript gedruckt.) Schwerin 1893.

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Mecklenburgs Anteil an der deutschen Nationalliteratur bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Ein Vortrag von C. S. Schwerin 1894.

Johann Jakob Engel, ein Vortrag von E. S. Schwerin 1897.

Friedrich Franz III., Großherzog von Mecklenburg=Schwerin, ein Gedenkblatt. Schwerin 1897.

Friedrich Franz III., Großherzog von Meckleuburg=Schwerin; aus seinem Leben und seinen Briefen; herausgegeben von C. S. Schwerin 1898.

Caroline, Erbprinzessin von Mecklenburg=Schwerin, geb. Prinzessin von Sachsen=Weimar, von C. S. Schwerin 1901.

Fanny Tarnow; ein Lebensbild von C. S. Schwerin 1902. (Aus Jahrbuch 68 des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.)

Die neu=niederdeutsche Dichtung in Mecklenburg von C. S. Bremen 1904. (Sonderabdruck aus der Halbmonatsschrift Niedersachsen.)

Mecklenburg und die Mecklenburger in der schönen Literatur, von C. S. Berlin 1909. (Mecklenburgische Geschichte in Einzeldarstellungen XI/XII.)

Aufsätze, Ausgaben usw. in Zeitschriften.

Die höfische Dorfpoesie des deutschen Mittelalters (Gosches Jahrbuch für Literaturgeschichte I, 1865).

Heimat und Dichter des Helmbrecht (Germania X, 1865).

Weihnachtslieder aus Bearn (Jahrbuch für romaniche und englische Literatur I, 1869).

Hundert niederdeutsche Sprichwörter (Archiv für das Studium der neueren Sprachen XLIII, 1868).

Aber hundert niederdeutsche Sprichwörter (Archiv XLIV, 1869).

Zum Redentiner Spiel (Germania XIV, 1869).

Zum Brandan (Germania XVI, 1871).

Sprachliches zu Closener (Germania XVI, 1871).

Bruchstücke von Hartmanns von Aue Gregorius (Germania XVII, 1872).

Carmen Sponsae (Germania XVHH, 1872).

Hester (Germanistische Studien herausg. v. Bartsch I, 1872).

Hester von Heinrich von München (Archiv für das Studium der neueren Sprachen L, 1872).

Zur Geschichte der niederländischen Literatur (Archiv für Literaturgeschichte III, 1874).

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Die Forschungen über das Nibelungenlied (Archiv für Literaturgeschichte IV, 1875).

Deutsche Handschriften im Britischen Museum (Archiv IV, 1875).

Ein niederdeutsches Gedicht von den sieben Todsünden (Archiv IV, 1875).

Varia aus Wiener Handschriften (Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung II, 1876).

Susanna (Germania XXII, 1877).

Franz Wilhelm Ferdinand Schröder (Allgemeine deutsche Biographie XXXII, 1891).

Die Anfänge des Buchdrucks in Schwerin (Jahrbuch des. Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde LX, 1895).

Zum mittelniederdeutschen Wörterbuch (Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung Heft 19, 1896/7).

Zu Hölderlin (Euphorien VI, 1899).

Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg=Schwerin aus den Jahren 1811-13 (Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte LXV, 1900).

Der Güstrower Tumult im Jahre 1800, nach den Magistratsakten dargestellt (Mecklenburgische Zeitung, Sountagsbeilage 8. März 1903).

Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg=Schwerin (Allgemeine deutsche Biographie XLIX, 1904).

Zu Christian Ludwig Liscows Jugend (Euphorien XIII, 1906).

Johann Jacob Engel an Kotzebue (Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte LXXI, 1906).

Schwerin (Niedersachsen XVI, 1910/11).

Die Anfänge der Regierung des Großherzogs Friedrich Franz I. (Mecklenburger Nachrichten 1912 Juni).

Beiträge zur Erziehungs= und Jugendgeschichte des Großherzogs Friedrich Franz I. (Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte LXXVII, 1912).

Die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg=Schwerin 1803 (Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte LXXVII, 1912).

Mecklenburg und die Kurwürde (Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte LXXX, 1915).