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III.

Mecklenburgs Militärwesen
vor und in den Freiheitskriegen.

 

Vortrag

von Prof. Dr. Ernst Schäfer,
gehalten
im Verein für Meckl. Geschichte und Altertumskunde
am 21. Oktober 1913,
bei der
Erinnerungsfeier an die Leipziger Schlacht.

 

Vignette
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M. H.! Für einen Verein, der wie der unsrige sich die Erforschung der vaterländischen Geschichte zur Aufgabe gemacht hat, ist es eine naheliegende Pflicht in diesem Jahre der Erinnerungen an die große Zeit des Freiheitskampfes auch an seinem Teile derer zu gedenken, die vor hundert Jahren mit dem scharfen Stahl in der Faust die Weltgeschichte geschrieben haben, eine Weltgeschichte, deren Folgen noch heute und, wie wir hoffen dürfen, noch für lange Zeit gültig und spürbar sind. Und mit besonderer Freude darf unser Mecklenburgischer Geschichtsverein sich der mannhaften Taten unserer Vorfahren in jener Zeit erinnern. War doch Mecklenburg das erste deutsche Land, das sich mit brennendem Herzen dem Vorgehen Preußens und Rußlands gegen den langjährigen Bedrücker zugesellte, Herzog Friedrich Franz der erste unter den deutschen Fürsten, der seine junge Mannschaft zum Kampf gegen die napoleonische Gewaltherrschaft aufrief.

Und es war eine Mannschaft, die des edlen Waffenhandwerks wahrlich nicht ungewohnt war. Die Geschichte unseres mecklenburgischen Militärwesens - ich fasse den Begriff heute nur im Sinne des stehenden Heeres -, so eng auch der Zahl nach seine Begrenzung gewesen sein mag, weist in ihrem kleinen Rahmen Taten genug aus, deren sich auch die Kriegsmacht des sieggewohntesten Staates nicht zu schämen brauchte, von jenen fröhlichen Reiterhieben im Gefecht bei Walsmühlen bis zu dem Sturmangriff unserer Grenadiere und Füsiliere bei Loigny. Doch weniger auf diese Waffentaten unserer Truppen möchte ich heute eingehen - sie sind Ihnen allen durch Schrift und Wort, zumal in diesem Erinnerungsjahr, oft genug lebendig geworden - als vielmehr auf die, wenn ich so sagen darf, innere Geschichte unseres Militärwesens, die, wie im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts, so auch in der Zeit der Befreiungskriege eine reiche Fülle bemerkenswerter kulturgeschichtlicher Bilder darbietet, von der Neuzeit ganz zu geschweigen.

Den ersten ständigen Truppen in Mecklenburg begegnen wir, wenn wir von der herzoglichen Leibgarde der Trabanten

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absehen, die schon im Laufe des 17. Jahrhunderts vielfach genannt wird, unter der Regierung des Herzogs Friedrich Wilhelm - die gelegentlich geworbenen Regimenter aus der Zeit des Herzogs Christian Louis sind schwerlich als ständige Truppen zu bezeichnen und stehen außer allem Zusammenhang mit der weiteren Militärgeschichte des Landes. Zu Ende des 17. Jahrhunderts aber errichtete Herzog Friedrich Wilhelm zwei Infanterie=Regimenter, von Buchwald und von Schwerin, die in beträchtlicher Stärke, je 10 Kompanien mit etwa 70 Gemeinen und 6-8 Unteroffizieren, als niederländische Hilfstruppen am spanischen Erbfolgekriege teilnahmen. Dazu kam 1702 noch ein Bataillon, von Maltzan, das als Reichskontingent des Dänenkönigs mit 5 Kompanien nach Bayern marschierte und später auf dem ungarischen Kriegsschauplatz unter dem General von Heister verwendet wurde. Endlich zwei Reiterregimenter, Leibregiment zu Pferde unter dem Oberst von Krassow und Meerheimb=Dragoner, wahrscheinlich bald in eins verschmolzen und lange, oft schwere Jahre zu der verbündeten Armee am Oberrhein gehörig, bei der sich die mecklenburgischen Reiter wiederholt als tüchtige Truppe hervorgetan haben. Die Geschichte aller dieser Truppenteile ist zwar bisher noch nicht soweit im einzelnen durchforscht worden, daß es möglich wäre, ein deutliches Bild derselben zu zeichnen. Aber als sichtbares Sinnbild dieser ältesten stehenden Truppen Mecklenburgs werden noch heute zwei schöne, wenn auch arg mitgenommene Fahnen im Schweriner Arsenal aufbewahrt, die den Namenszug des fürstlichen Begründers in der Spitze tragen, die weiße Leibfahne des Regiments Buchwald und eine blaue, die wahrscheinlich der 5., von Bohlenschen Kompanie des Regiments Schwerin bei Hochstädt dem Siege entgegen voranwehte, derselben Schlacht, in der eben diesem Bohlen, dem damaligen Regimentsführer, die rechte Hand abgeschossen wurde - es war aber nur eine eiserne, denn seine eigene hatte er schon Jahre vorher in schwedischen Diensten gegen Frankreich verloren. Unwillig hielt ihn, als er zur Bagage zurückritt, der alte Dessauer an: ob er ins Dreiteufelsnamen retirieren wolle, aber Bohlen antwortete nur: "Mir ist die Hand abgeschossen worden, aber die Hundsfötter haben nicht gewußt, daß ich im Rüstwagen noch eine im Vorrat habe, die will ich mir holen und die Franzosen dann schon auf den Trab bringen." Was auch geschah!

Zu den Zeiten des Herzogs Karl Leopold erfuhren die mecklenburgischen Truppen eine nicht unbeträchtliche Verstärkung, um dem Herzog in seinen Kämpfen gegen die widerwilligen Stände,

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vielleicht aber auch zu ehrgeizigeren, niemals völlig aufgeklärten Plänen zu dienen. Zu den schon genannten drei alten Regimentern (Schwerin, später Bohlen, jetzt von Kahlden; Buchwald, jetzt von Flohr; und Leibregiment zu Pferde) trat noch ein einheimisches Infanterie=Regiment (von Krafft) und zwei von Peter dem Großen überlassene russische: von Tilly und von Wallinskoi, außerdem das Schweriner Nationalmilizbataillon unter Oberst von Buggenhagen und das Güstrower unter Oberstleutnant von Kohlhans, endlich ein Doberaner Bataillon unter Major von Zülow und die Rostocker Garnison unter Oberst Dupuits. Die Kavallerie wurde 1715 durch das Dragoner=Regiment von Vietinghoff und 1717 durch das Dragoner=Regiment von Lilliestreng vermehrt, beide freilich anfangs nur zur Hälfte beritten. so brachte der Herzog im ganzen reichlich 11 000 Mann auf die Beine, aber sie gingen, schon bald nach dem rühmlichen Treffen von Walsmühlen, wo das Leibregiment, Lilliestreng=Dragoner, Kahlden, Krafft und Wallinskoi den hannoverschen Exekutionstruppen schwere Hiebe austeilten, einer traurigen Zukunft entgegen. Es ist Ihnen bekannt, daß der Herzog sich nach Karls XII. Tode der kaiserlichen Exekutive nicht mehr widersetzen zu dürfen glaubte und deshalb seine Regimenter, um sie für spätere Zeiten zu konservieren, nach Rußland sandte, während die Nationalmilizen aufgelöst wurden. Dort, in der Ukraine, haben die wackeren Kämpfer noch einige Zeit ihr Dasein gefristet, schmolzen aber immer mehr zusammen, zumal sie allmählich der meisten Offiziere verlustig gingen und seit 1726 auch nicht mehr rekrutieren durften. Und als nach 27jähriger Abwesenheit die letzten Reste 1746 in die Heimat zurückkehrten, da waren von den drei mecklenburgischen Infanterie=Regimentern nur noch die kümmerlichen Stämme von 13 Kompanien, vom Doberaner Bataillon nur noch ein einziger Fähnrich, von der ganzen Kavallerie aber nicht ein Mann mehr übrig, Flohr und Krafft aber hatten wenigstens noch jedes eine Fahne gerettet, die sich bis auf diesen Tag im Schweriner Arsenal erhalten haben.

Mit dem Jahre 1746 schließt der erste Zeitabschnitt in der Geschichte des mecklenburgischen Militärwesens. Nur noch einige Worte dazu seien mir gestattet, um Ihnen den äußeren Anblick dieser alten Truppenteile zu schildern. Bis zum Jahre 1704 oder 1705 scheint, wie auch in anderen Staaten, das ungefärbte Weißgrau des Wollstoffs die allgemeine Grundfarbe der Uniform gewesen zu sein, die bei uns durch hellblaue Tuchaufschläge und ein Futter von blauem Boy ein bunteres Ansehen erhielt. Erst seit

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dem obengenannten Zeitpunkt wird bei der Infanterie das dunkelblaue Tuch mit roten Aufschlägen üblich, das wir alle kennen, während das Leibregiment zu Pferde wahrscheinlich einfach kornblaue Röcke ohne besondere Abzeichen erhielt. Herzog Karl Leopold hatte eine auch in den Akten ausgesprochene Abneigung gegen Rot, und so sehen wir seine neuen Regimenter auch nirgends mit dieser Farbe geschmückt. Vietinghoff=Dragoner hatten zu ihren blauen Röcken strohgelbe (paille) Aufschläge, Lilliestreng=Dragoner und Wallinskoi weiße, Tilly wahrscheinlich wieder strohgelbe. Die noch heute uns bekannte Eigentümlichkeit der mecklenburgischen weißen Knöpfe aber ist uralt, schon die Regimenter Buchwald und Schwerin haben zinnerne Knöpfe an ihren Montierungen getragen, während die Kavallerie gelbe, Messingknöpfe, trug. Die Strümpfe, die von den kurzen Lederhosen am Knie durch einen Riemen festgehalten wurden, waren anfangs von blauer, später von roter Wolle, die Dragoner trugen lange, geschmierte Reiterstiefel, als Kopfbedeckung war bis auf die schon im Jahre 1700 erwähnten Grenadierkompanien der Hut allgemein, der mit einer weißen oder goldenen Borte und einem Metallknopf an der aufgeschlagenen Krempe verziert war. Das Lederzeug (Patrontaschen= bezw. Karabinerbandolier und Degengehänge) war in dieser ältesten Zeit durchweg von gelbem Büffelleder mit Messingbeschlägen, die Hosen für die ganze Kavallerie stets, für die Infanterie wenigstens in der ältesten Zeit, wie schon erwähnt, ebenfalls von Leder, später von blauem, endlich von weißem Tuch. An Waffen trugen die Infanteristen einen Degen, die Kavallerie, wie während des ganzen 18. Jahrhunderts, einen Pallasch mit Messinggefäß in lederner, messingbeschlagener Scheide, die Feuerwaffen waren Gewehre bezw. Karabiner und Pistolen (unter Karl Leopold z. B. von der Firma Feuchter und Lesch in Solingen). Waffen und Musikinstrumente (Querpfeifen, Hörner, Trompeten, Trommeln und Kesselpauken) lieferte der Herzog, anfangs auch die übrigen Ausrüstungs= und Monturstücke, während zu Karl Leopolds Zeit bei mehreren Regimentern ein aus den Kopf der Mannschaften berechnetes Pauschquantum, auch für Werbegelder und dergl., an den Kommandeur gezahlt wurde, andere wieder vom Herzog montiert wurden. Oft haben aber die Lieferanten jahrelang auf Bezahlung warten müssen, denn das bare Geld war zu jenen Zeiten, wie auch hundert Jahre später, knapp im Lande, und die Hamburger Kaufleute Bidenharen und Sentrup, die 1718 die größte Lieferung für die russischen Regimenter und Nationalmilizen (29 000 Tlr.)

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bekamen, konnten erst zu den Zeiten der kaiserlichen Exekutionskommission mit Not und Mühe die Hälfte der noch rückständigen 13 000 Taler herausschlagen. Ob Sie den Rest, wegen dessen sie an den Herzog Karl Leopold verwiesen wurden, je bekommen haben, ist aus den mir vorliegenden Akten nicht ersichtlich.

Als Herzog Christian Ludwig, der langjährige kaiserliche Kommissar im Herzogtum Mecklenburg=Schwerin, nach dem Tode seines Bruders Karl Leopold endlich zur Regierung kam (1747), wurde er alsbald auch der Neubegründer des mecklenburgischen Militärs. Noch zu Ende des Jahres befahl er die Errichtung eines Infanterie=Regiments, dessen Chef der Generalmajor von Zülow wurde. Es war zunächst 10 Kompanien stark, gab aber sehr bald drei derselben nach Rostock ab (von Both, Jensen und Herterich), nachdem es dem Herzog gelungen war, der Stadt das lange gewahrte Besatzungsrecht abzunehmen und die Garnisonierung von höchstens 500 Mann herzoglicher Truppen in Rostock durchzusetzen. Dafür wurden, zusammengeschlossen als Regiment Jensen, die drei erwähnten Kompanien bestimmt, während das Stabsquartier des Regiments Zülow die Hauptstadt war und Dömitz von mehreren Garnisonkompanien besetzt blieb, die mit dem Namen Infanterie=Bataillon Alt=Dömitz zusammengefaßt wurden. An Kavallerie wurde zunächst nur eine etwa 60 Mann starke Leibgarde zu Pferde errichtet, die erst unter dem Kommando des Rittmeisters von Blücher, dann einige Jahre dem des Prinzen Ludwig stand und in erster Linie für den Wachtdienst in den herzoglichen Schlössern bestimmt war, daher auch nur einen verhältnismäßig geringen Pferdebestand, etwa 2/3 der Mannschaftsstärke, zeigte.

Die Ungleichheit der beiden Infanterie=Regimenter im Mannschaftsstand - eins von 7, das andere von nur 3 Kompanien - nötigte schon bald zu einer Veränderung. Als der Oberst Jensen 1754 pensioniert war, wurden die beiden Regimenter zu zwei gleich starken Truppenkörpern von je 5 Kompanien formiert, der General von Zülow behielt sein nun verringertes Regiment, das verstärkte Jensensche bekam der jüngere Bruder des Generals, Oberst von Zülow und die beiden Regimenter erhielten nun die Bezeichnung Alt= und Jung=Zülow. Jede Kompanie war ungefähr 80 Mann stark, von denen aber ständig nur die zum Wachtdienst nötigen Mannschaften in der Garnison waren. Die übrigen gingen einer bürgerlichen Hantierung nach und wurden nur zur Exerzierzeit im Frühjahr für einige Monate eingezogen. Das Exerzierreglement und die Ver=

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waltungsnormen waren preußischem Muster nachgebildet, während der Dienst der Leibgarde anscheinend die württembergische Garde du Corps zum Muster hatte. Wenigstens findet sich ein Auszug aus deren Organisations= und Dienstbestimmungen noch in den Akten, und die Regierungsbibliothek bewahrt noch heute das alte gedruckte "Exerzierreglement von seiner hochfürstlichen Durchlaucht zu Württenberg Eskadron Guarde du Corps" auf, das man wohl von Stuttgart als Vorbild verschrieben hatte.

Die Verwaltungsangelegenheiten des gesamten Militärwesens lagen in den Händen einer dreiköpfigen Kriegskommission, der Nachfolgerin des alten Kriegskommissariats und Vorläuferin des späteren Militärdepartements. Sie hatte aber keine entscheidende Stimme, sondern war nur Verwaltungsorgan, das der Regierung alle Einzelheiten unterbreitete, die dann wieder dem Herzog zum clementissimum ratum, der Allergnädigsten Willensäußerung vorgelegt wurden - und zwar bis in die kleinsten Kleinigkeiten hinein, so z. B. wenn die Farben des Aufschlagstuches oder Futters ein wenig zu hell oder zu dunkel geraten waren, oder wenn dieser oder jener neu eingestellte Unteroffizier oder "Kerl" einer neuen Montierung bedurfte oder neue Grenadiermützen aus Berlin verschrieben werden sollten, wie im Jahre 1756/57, wo wir eine auch kulturgeschichtlich höchst unterhaltende lange Korrespondenz zwischen der Regierung und dem mecklenburgischen Gesandten am preußischen Hofe, Geheimrat von Hövel, über diese Frage in den Akten finden. Geheimrat von Hövel klagt über die Schwierigkeiten, denen er in Berlin dabei begegne, denn alles derartige werde in Preußen als ein areanum domesticum behandelt, und die Kaufleute zeigten sich selbst zur Probenlieferung erst dann bereit, als sich der General von Massow ins Mittel legte und Hövel bei seinen Bemühungen unterstützte. Die gewünschten Grenadiermützen kamen denn auch endlich 1757 an und wurden zur Ausstattung von zwei neuen Grenadierkompanien benutzt, die aber dem Mannschaftsstande der Regimenter entnommen waren. Auch das Dömitzer Bataillon erhielt 16 Grenadiere.

Da brachen die traurigen Zeiten des 7jährigen Krieges über Mecklenburg herein. Ich brauche Ihnen nicht zu schildern, in welcher unerhörten Weise das neutrale Land von dem Preußenkönig freundnachbarlich "wie ein Mehlsack" ausgeklopft worden ist - unsere Jahrbücher bringen ja eine sehr eingehende Schilderung dieser Unglückszeit, die das Land bis an den Rand des Verderbens gebracht, Preußen in seinem Kampfe aber finanziell

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gerettet und so, wenn man den großen Lauf der Weltgeschichte betrachtet, letztlich doch auch ihren Segen gehabt hat. Obwohl Herzog Friedrich ernstlich bestrebt war, peinlichste Neutralität zu bewahren, solange es irgend ging, brachte es der Verlauf des Krieges, insbesondere die aktive Gegnerschaft des benachbarten Schweden gegen Preußen, doch mit sich, daß die Truppenzahl Mecklenburgs in dieser Zeit erheblich vermehrt wurde, wenngleich es ihnen nicht vergönnt gewesen ist, in den Kampf ernstlich einzugreifen und sie wiederholt genötigt waren, auf der Insel Rügen vor dem übermächtigen Gegner Schutz zu suchen. so wurde, abgesehen von der Vermehrung der beiden vorhandenen Infanterie=Regimenter, im Jahre 1759 das Infanterie=Bataillon von Both neu errichtet, im Jahre 1760 die Leibgarde zu Pferde durch drei neue Kompanien (Halbeskadrons) auf 230 Mann verstärkt, die nun unter dem Kommando des bisherigen Chefs der Leibgarde, Oberst Otto von Barsse, ein Leibregiment zu Pferde bildeten. Es dauerte freilich geraume Zeit, bis dasselbe an Mannschaft, Pferden und Ausrüstung komplett war - noch im Sommer 1761 fehlten die Pallasche, die in Lübeck bestellt waren - und die finanzielle Notlage brachte oft bittere Schwierigkeiten mit sich. So konnte man den neuen Kompanien anfangs aus Mangel an Mitteln keine Lederhosen geben, die tuchenen aber waren bald durchgeritten, und der Oberst mußte sich wiederholt zu flehentlichen Bitten an die Kriegskommission entschließen, da das Regiment "fast nackt ging" und sotane Hosen doch zu den "unentbehrlichsten Montierungsstücken" gehörten. Außer den 4 Halbeskadrons vom Leibregiment wurde noch eine Husarenschwadron, anfangs 97, später 113 Reiter stark, errichtet und dem Major Thomas von Baader anvertraut. Das Infanterie=Bataillon von Both wurde schon 1760 auf 8 Kompanien gebracht und erhielt damit die Bezeichnung: Regiment von Both. so hatte Mecklenburg damals eine Truppenstärke von drei Infanterie=Regimentern mit zusammen 24 Kompanien und 1 1/2 Kavallerieregimenter mit 3 Eskadrons, dazu etwa einen Zug Artillerie, der in Schwerin und Dömitz garnisonierte. Von diesen sind die Regimenter von Both und Jung=Zülow, früher Jensen, als Stammtruppen der heutigen beiden mecklenburgischen Infanterie=Regimenter anzusehen, und diese können demnach ihre Geschichte bis auf die Jahre 1759 bezw. 1748 zurückverfolgen. Wenn die Stiftungstage derselben späterhin auf 1782 bezw. 1788 festgesetzt worden sind, so ist das im Grunde historisch nicht eben gerechtfertigt, denn gerade die Regimenter von Both und Jung=

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Zülow, damals Glüer, sind, als der Erbprinz Friedrich Franz zum Kommandeur der mecklenburgischen Truppen im Jahre 1782 ernannt wurde, zwar auch reorganisiert worden, wurden aber doch in keiner Weise als neu errichtete Truppen angesehen. Das älteste Regiment dagegen, Alt=Zülow, ist schon im Jahre 1765 aufgelöst worden, als nach Beendigung des 7 jährigen Krieges schon die Finanzlage des Landes eine erhebliche Reduktion der Truppen nötig machte. Dem gleichen Geschick verfiel das Leibregiment zu Pferde, von dem nur die erste Kompanie wieder als Leibgarde zu Pferde bestehen blieb. Die übrigen Regimenter und die Husaren wurden beträchtlich verringert. Im Jahre 1763 hatte jedes Infanterieregiment über 750 Mann einschließlich Unteroffiziere und Spielleute, 10 Jahre später nur noch 540 Mann; und als 1782 von dem Prinzen Friedrich Franz ein neues Grenadier=Regiment Erbprinz Friedrich, später Leibgrenadiere aus der bisherigen Dömitzer Garnison und Abgaben der beiden anderen Regimenter errichtet wurde, sank der Mannschaftsstand für jedes der drei auf rund 450 Mann, von denen aber kaum die Hälfte ständig bei der Fahne war. Im Jahre 1788 wurde das Rostocker Regiment von 6 auf 8 Kompanien verstärkt und gemeinsam mit dem größten Teil des Grenadier=Regiments v. Both (seit 1785 führte es diesen Titel) dem Erbstatthalter Wilhelm I. von Oranien in Sold gegeben. Die in drei Bataillone formierten 12 Kompanien kehrten erst 1796 in die Heimat zurück, nachdem sie sich in Holland wiederholt durch Tapferkeit und gute Mannszucht ausgezeichnet hatten. Während dieser Expedition verlor das Rostocker Regiment seinen langjährigen Chef, General von Glüer, der zum Kommandeur des Leibregiments ernannt wurde, und erhielt den Obersten Bernhard von Pressentin als Kommandeur. Der Rest des Bothschen Regiments war aufgelöst worden, das Leibregiment detachierte mehrere Kompanien nach Rostock als Ersatzgarnison und wurde bald um 2 Kompanien auf etwa 700 Mann verstärkt, da es die sämtlichen Garnisonen des Landes zu besetzen hatte. Nach der Rückkehr von Holland erhielt für den verstorbenen Generalleutnant von Both der Oberst Winter das Grenadierregiment, das jetzt zum großen Teil nach Güstrow verlegt, seit 1800 mit allen 6 Kompanien dort garnisoniert wurde. 1805 nach dem Tode des letzten Kommandeurs wurde das Regiment mit den Leibgrenadieren zu einem Regiment von 2 Bataillonen vereinigt. Das Rostocker Regiment erhielt 1797 den Erbprinzen Friedrich

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Ludwig als Chef, behielt aber seinen bisherigen Kommandeur bei.

Die Leibgarde zu Pferde verlor nach und nach aus Sparsamkeitsgründen immer mehr den Charakter einer berittenen Truppe, bis ihr 1789 die sämtlichen Pferde genommen wurden und sie nur noch in ihrer Uniform den alten Reitertypus bewahren konnte. Die Husaren blieben in wechselnder Stärke, zwischen 15 und 40 Mann, als Ordonnanzreiter und Polizeitruppe erhalten.

So blieb es bis zu dem auch für Mecklenburg verhängnisvollen Winter 1806, in dem die Franzosen bei der Verfolgung des geschlagenen preußischen Heeres zum ersten Male unser Land betraten. Schlag folgte auf Schlag: Mecklenburg wurde für feindliches Gebiet erklärt, der Herzog Friedrich Franz mußte das Land verlassen (29. November). Die mecklenburgischen Truppen wurden aufgelöst, den Offizieren das Tragen der Uniform verboten. Glücklicherweise dauerte die eigentliche Fremdherrschaft, wie Ihnen bekannt ist, nur 7 schwere traurige Monate. Durch Verwendung des russischen Kaisers erhielt Herzog Friedrich Franz Ende Juni 1807 sein Land zurück, mußte aber, wenngleich sehr ungern, am 22. März 1808, als letzter deutscher Fürst, dem Rheinbunde beitreten und sein Militär in einer Stärke von 1900 Mann Infanterie nach französischem Muster neu formieren.

Die Ausstattung der herzoglichen Truppen erinnerte während des ganzen, mit dem Jahre 1806 endigenden Zeitabschnittes durchaus an preußische Vorbilder. Die Infanterie hatte durchweg dunkelblaue Röcke mit weißen Kamisölern und weißen Hosen, die sich in schwarzen, im Sommer auch weißleinenen Gamaschen (sogenannten Stiefeletten) verliefen. Alt=Zülow war durch weiße Aufschläge und Kragen ausgezeichnet, Jung=Zülow und Both trugen rote "Dublüre", ersteres aber gelbe Knöpfe und bis 1763 auch gelbe Borten an den Aufschlägen, während bei Both beides weiß war und das Dömitzer Bataillon bis 1773 schwarze Aufschläge und Kragen, seitdem gelbe mit weißen Borten trug. Die Uniform des Dömitzer Bataillons wurde 1782 von dem Leibregiment übernommen. Sämtliche Infanterie=Regimenter, wie auch die Artillerie, die anfangs hellblaue Röcke mit dunkelblauem Besatz und desgleichen Unterkleidern trug, später hellblau mit schwarz und paillefarbigen Kamisölern und Hosen, hatten Hüte als Kopfbedeckung, die bei Jung=Zülow=Glüer mit gelber Borte, bei den anderen mit weißer, bei der Artillerie mit Goldtresse besetzt waren. Äußerst prächtig muß die Leibgarde zu Pferde

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ausgesehen haben. Sie trug außer einer 1760 in Abgang gekommenen kornblauen Rockmontierung strohgelbe Kolletts mit karmoisinroten Kragen, Aufschlägen und Kamisölern, die besonders bei den Unteroffizieren reich mit Goldborten besetzt waren, dazu Lederhosen und hohe Reitstiefel, sowie einen Hut mit goldener Tresse. Bei der Infanterie wurden, wie schon erwähnt, seit 1757 eine Anzahl Mannschaften, die möglichst gleich groß gewachsen und schnurrbärtig sein sollten, mit Grenadiermützen nach preußischen Modellen versehen, auf deren Vorderblech das herzogliche Wappen mit kriegerischen Emblemen eingeschlagen war. Die Grenadiermützen kamen 1764 bei der Reduktion ins Zeughaus, wurden aber 1784 wieder hervorgeholt und dem ganzen Regiment v. Both gegeben, während das Leibregiment, wahrscheinlich gleich bei seiner Gründung, Bärenmützen mit gelbem Deckel und weißen Schnüren sowie einem Federstutz bekam. Ausrüstungsstücke waren Tornister, weiße Koppel für Seitengewehre und Patrontaschen mit großem Messingschild, die Bewaffnung bestand in Steinschloßgewehren mit Bajonett und einem kurzen gekrümmten Seitengewehr, während die Leibgarde Pallasche nach preußischem Muster, anfangs mit dem Namenszug CL, später mit dem herzoglichen Wappen auf dem Gefäß am juchtenen Gehänge trug, außerdem mit Karabiner und je einem paar Pistolen versehen war. Die Offiziere hatten zur Dienstuniform einen gelben Ringkragen mit silbernem Namenszug, später einen silbernen mit goldenem Wappen darauf, trugen silberne bezw. bei Glüer goldene Stickereilitzen und breite Huttressen mit weißer Plümage, später auch die Grenadier= und Bärenmützen, außerdem goldene Schärpen mit blauer und roter Seide durchwirkt, bei der Leibgarde Aufschläge und Kragen von Karmoisinsamt sowie karmoisintuchene Schabracken zur Pferdeausrüstung. Die Husaren waren in ihrer Uniformierung dem preußischen Zietenhusaren=Regiment ganz ähnlich: rote Attilas und blaue Pelze mit weißer Verschnürung, dazu "rauhe Mützen", d. h. Pelzmützen.

Die gesamte Uniformierung wurde möglichst im Lande selbsthergestellt und der Stoff entweder den Tuchmacherämtern bezw. Posamentierern Stück für Stück in Lieferung gegeben oder auch einem Generallieferanten übertragen. Als solche sind in früherer Zeit besonders der Bürgermeister Kuetemeyer zu Schwerin und seine Erben häufig genannt, während die Stücke für das Rostocker Regiment Glüer stets bei den dortigen Handwerkern bestellt wurden. Die Innungen wachten natürlich mit brennender Eifer=

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sucht darauf, daß kein Fremder eine Lieferung bekam, was aber trotzdem, da sie sich manchmal recht sperrig zeigten, nicht ganz selten der Fall war. Alle Stücke mußten genau nach besiegelten Proben verfertigt werden, und die Kommandeure waren sehr darauf bedacht, nur gute Lieferungen zu bekommen. Die große Montierung wurde alle zwei Jahre für die ganze Truppe geliefert, und es war natürlich verhängnisvoll, wenn sich einzelnes während dieser Zeit schlecht bewährte, denn Nachlieferungen wurden nur sehr selten bewilligt. Nur als zu Anfang der achtziger Jahre der Versuch gemacht wurde, die herzogliche Tuchfabrik zu Ludwigslust, dann zu Dömitz mit den Tuchlieferungen zu betrauen, diese aber so schlecht ausfielen, daß bald die blauen Röcke sich in ein "Scheußliches Kupfergrün" verwandelten, wurde den betroffenen Truppenteilen, deren Kommandeure natürlich sehr energisch remonstrierten, neues Tuch gegeben, und die Tuchfabrik ging nach kurzer ruhmloser Tätigkeit wieder ein.

Mit dem Beginn der Rheinbundsherrschaft auch in Mecklenburg tritt für die Bewohner unseres Landes in militärischer Beziehung eine ganz besonders einschneidende Veränderung ein. Die bisherige Werbung des Militärs wird durch die Konskription ersetzt, der, allerdings mit zahlreichen Ausnahmen, alle Männer vom 20. bis zum 25. Lebensjahre unterworfen sind - eine Maßregel, die für das Land mit seiner schwachen Bevölkerung äußerst drückend war. Formation, Uniformierung und Exerzierreglement wurden ebenso wie der Ersatz französischem Muster nachgebildet und demgemäß 4 Bataillone, die ersten drei zu je 6, das vierte zu 2 Kompanien errichtet. Diese haben aber im Verlauf der nächsten Jahre manche Wandlung durchgemacht. Schon 1809 wurde das erste Bataillon ganz wieder aufgelöst, die beiden folgenden daraus verstärkt und zu einem Regiment, dem sogenannten Kontingentsregiment, zusammengeschlossen. Das vierte Bataillon wurde zusammen mit der alten Leibgarde zu Pferde zu einem drei Kompanien starken Grenadier=Gardebataillon formiert (25. März 1810), das zur besonderen Verfügung des Herzogs blieb, während das Kontingentsregiment jederzeit des Winkes des Franzosenkaisers gewärtig sein mußte, um auch außer Landes dem fremden Gewalthaber zu dienen. Das erste Bataillon des Regiments war aus dem früheren Leibgrenadier=Regiment, das zweite aus dem Regiment Erbprinz hervorgegangen, beide führten je eine Fahne ihrer früheren Regimenter, während die anderen ins Zeughaus abgegeben werden mußten, wo sie noch heute zu sehen sind. Diese beiden

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Bataillone haben im Jahre 1812 den schauerlichen Todeszug nach Rußland mitmachen müssen, und obwohl von den 1700 Mann kaum hundertunddreißig zurückgekehrt sind, haben sie doch den höchsten Beweis der Treue und Mannszucht erbracht und die beiden Feldzeichen aus dem Lande des Grauens nach Hause gerettet, die noch bis zum Jahre 1904 dem 3. Bataillon unseres Grenadier=Regiments und dem ersten der Rostocker Füsiliere zu zahlreichen Siegen vorangetragen worden sind. Seit dem ruhen die geringen Reste der Fahnentücher im Schweriner Arsenal nach mehr als hundertjähriger Dienstzeit aus, die Schäfte mit den Spitzen und Bändern aber sind noch heute, mit neuen Fahnentüchern geschmückt, das Feldzeichen dieser beiden Bataillone.

Die Rheinbundszeit brachte auch auf dem Gebiete der Uniformierung eine völlige Umwälzung, deren Nachwirkungen sich bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts hineinziehen. Zwar blieb den Mecklenburger Truppen das dunkelblaue Grundtuch und die weißen Knöpfe, auch die Aufschlagsfarben waren bald wieder einheitlich rot, nachdem sie während der kurzen Zeit der Bataillonseinteilung verschieden: gelb, weiß, rot und pfirsichfarben gewesen waren. Aber an die Stelle des bisherigen, allerdings schon recht knappen Rockes trat der französische Frack mit eckig angesetzten Schößen, die kurzen Hosen und langen Gamaschen wurden zu langen, weiten französischen Pantalons mit kurzen Unterknöpfgamaschen. Den Hut ersetzte der Tschako, der bei den Mannschaften mit messingnen Schuppenketten und einem rautenförmigen Blechschild mit eingestanztem FF und Granatflamme, darüber einem Pompon und Fangschnüren geschmückt war. Die Grenadierkompanien (die ersten der Bataillone) hatten rote Pompons und Fangschnüre, zu Paraden auch desgleichen hohe Federbüsche, die Voltigeure (6. Kompanie) dieselben Stücke, aber grün, die Musketiere (2.-5. Kompanie) weiße Pompons und Fangschnüre, keine Federbüsche. Außerdem waren die Grenadier= und Voltigeurkompanien durch französische rote bezw. grüne Epauletts ausgezeichnet, und die 1. Kompanie des Grenadier=Gardebataillons trug die alten Bärenmützen des Leibregiments, hatte außerdem ebenso wie die beiden anderen silberne Litzen an Kragen und Aufschlägen. Die Offiziere trugen den Degen jetzt an einem weißen Bandolier behielten aber die goldenen Schärpen bei. Ihre Tschakos waren mit Silbertresse am oberen Rand, silbernen Schuppenketten und der noch heute gebräuchlichen goldenen Sonne mit silbernem Wappen verziert, hatten außerdem goldene Cordons und je nach dem Range goldene oder silberne

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Pompons und weiße oder schwarze Federbüsche. Bei der Artillerie wurden die Röcke dunkelblau mit schwarzen Aufschlägen, statt der paille Unterkleider bekamen sie die langen Tuchhosen der gesamten Truppen, die mit französischen Gewehren aus Lüttich und Bajonett in Lederscheide bewaffnet wurden.

Von den jungen Dienstpflichtigen des Landes war die Mehrzahl auf den Eisfeldern Rußlands geblieben. Und doch, als Herzog Friedrich Franz am 14. März 1813 seine Zeit ersah, um dem verhaßten Rheinbunde den Rücken zu kehren und sein Volk zum Kampf gegen den Unterdrücker aufzurufen, da strömten von allen seiten die Freiwilligen herbei, und das kleine Land brachte abermals eine Truppenzahl zusammen, die den Opfermut und den deutschen Sinn der Mecklenburger ins hellste Licht setzte. "Es gilt nichts geringeres als Deutschlands Befreiung für immer. Zu diesem großen heiligen Zweck muß alles, was deutsch sich nennt, mit voller und ausdauernder Anstrengung mitwirken . . . Zu dem Ende wollen Wir ein Corps regulärer Infanterie, von welchem Unsere Leibgarde den Stamm ausmachen soll, und ein Corps Jäger errichten und fordern hierdurch unsere getreuen Untertanen ohne allen Unterschied der Geburt und des Standes auf, sich zu diesem Zweck zu vereinigen, überzeugt, daß Wir nur dem allgemeinen Wunsch entgegenkommen, indem Wir die Gelegenheit darbieten, durch die Tat zu zeigen, daß in den Herzen der Mecklenburger reiner deutscher Sinn und Liebe für Fürst und Vaterland treu bewahrt geblieben sind . . ." - so sprach der hochsinnige Fürst zu seinem Volke, und er sollte sich in seiner Hoffnung nicht täuschen. Für das neuzubildende Infanterieregiment fanden sich in Rostock beim General v. Fallois als Regimentskommandeur bald 2/3 der erforderlichen Mannschaften zusammen. Der verhältnismäßig geringe Rest wurde durch Konskription aus denjenigen Ämtern aufgebracht, welche die wenigsten Freiwilligen gestellt hatten. Bei dem regulären Infanterie=Regiment erhielten auch die Freiwilligen die Uniform, Bewaffnung und Ausrüstung vom Regiment und bekamen die übliche Löhnung, übrigens wurde ihnen nach Beendigung des Krieges völlige Militärfreiheit und vorzugsweise Berücksichtigung bei Anstellungen versprochen. Die Grenadiergarde rückte bereits am 27. März ins Feld, um Tettenborn bei der Verteidigung Hamburgs zu unterstützen. Anfangs nur 280 Mann stark, wurde sie bald bis auf 400 vermehrt und später durch Errichtung einer vierten, Voltigeurkompanie, auf über 500 Mann gebracht. In Hamburg gab man ihr das Zeugnis hervorragender Tüchtig=

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keit und Mannszucht, und bereits Anfang Mai konnte sie in dem zweimaligen Treffen auf der Veddel zeigen, daß sie des Ranges einer Elitetruppe würdig war. Es charakterisiert die Ruhe und Besonnenheit unseres Volksstammes ausgezeichnet, wenn erzählt wird, daß ein Grenadier beim Gefecht mitten unter die feindliche, sehr ähnlich uniformierte Truppe gerät und plötzlich die fremde Sprache bemerkend ganz ruhig tut, wie wenn er dazu gehörte, bis ihm eine Gelegenheit wird, sich heimlich davonzumachen und glücklich nach Hamburg zurückzukommen - oder wenn beim Sturmangriff der Bataillonstambour einem nicht im Takt schlagenden Tambour zuruft: "Morgen nachexerzierend" Einige Tage nach dem zweiten Gefecht auf der Veddel trifft auch das neue mecklenburgische Infanterie=Regiment, 800 Mann stark und mit englischen Gewehren wohlbewaffnet, in Hamburg ein. Daß schließlich die Stadt doch wieder an die Franzosen verloren ging, war nicht die Schuld der tapferen Mecklenburger, sondern des Abfalls der Dänen von der Sache der Verbündeten.

In dem Aufruf vom 25. März, den ich erwähnte, war bereits die Aufstellung einer weiteren Truppe für Mecklenburg=Schwerin in Aussicht genommen, nachdem schon vorher der Herzog durch König Friedrich Wilhelm III. auf den Nutzen eines Freiwilligen=Korps aufmerksam gemacht war und sich zwei ehemalige Offiziere, der Graf von der Osten=Sacken und der Rittmeister von Müller von den früheren preußischen Usedom=Husaren, zur Gründung eines solchen Korps erboten hatten. Am 27. März erging deshalb der Aufruf zur Bildung eines freiwilligen Jägerkorps zu Fuß und zu Pferde an alle Einwohner des Landes, besonders aber an die Forstleute und gelernten Jäger, auf deren Schießsicherheit man besonderen Wert legte. Die gelernten Jäger sollten ihre Ausrüstung unentgeltlich erhalten, die übrigen sich selbst kleiden, ausrüsten und beritten machen. Es wurde ausdrücklich befohlen, daß gelernte Jäger, die eintreten wollten, sofort von ihren Brotherren freigegeben werden sollten, und ihnen sowohl wie den übrigen für die Zukunft, ähnlich wie den bei der Infanterie Eingetretenen, besondere Berücksichtigung zugesagt. Der Erfolg dieses Aufrufs war außerordentlich. Nicht weniger als 231 Jäger und Forstleute meldeten sich, die meisten sofort, manche auch später im Verlauf des Feldzuges. Dazu kamen weit über 100 junge Leute aus den gebildeten Ständen, Studenten, Kandidaten, junge Kaufleute, Advokaten und andere. Manche Väter sandten zwei oder gar drei Söhne zu der Truppe, es herrschte eine Opferwilligkeit, wie sie das Land nie gesehen. Wer nicht selbst mit=

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konnte, gab wenigstens sein Scherflein zur Ausrüstung der beiden Regimenter her, so daß binnen kurzem gegen 100 000 Taler - in Rostock allein 30 000 - zusammenkamen. Die Ausrüstung kostete für einen Fußjäger 42 Taler, für einen Reiter 69, aber ohne Waffen. Die Uniform zu bestimmen hatte sich der Herzog selbst vorbehalten. Sie entsprach nach den Vorschlägen der beiden Kommandeure im wesentlichen der Uniform der übrigen Freiwilligenformationen in Deutschland: Grüner Waffenrock in dem üblichen Schnitt mit hohem rotem Kragen, roten Aufschlägen und Schoßbesatz. Kragen und Aufschläge waren mit je zwei goldenen Gardelitzen besetzt, die Knöpfe gelb. Die Beinbekleidung war eine graue Hose, Schuhe und schwarze Gamaschen. Die Reiter hatten ledernen Reitbesatz und einen 2 Finger breiten roten Nahtstreifen. Der Tschako war dem der Infanterie gleich, trug aber die Sonne mit Wappen wie die Offiziere, dazu einen Pompon und darunter die am 25. März eingeführte Landeskokarde. Später kamen bei den Fußjägern noch hohe grüne Büsche von Hahnenfedern hinzu, bei den Reitern schwarze fallende Roßhaarbüsche. Außer Dienst trug der Jäger eine grüne Ärmelweste und eine Tuchmütze mit rotem Randstreifen, die schon an unsere heutigen Feldmützen erinnert, während bei der regulären Infanterie noch das französische bonnet de police üblich war.

Die Ausrüstung der Fußjäger war außer dem Tornister eine Patrontasche, groß und halbrund gebogen, die über die linke Schulter getragen wurde. Am schwarzen Bandolierriemen, der sich mit dem für den Hirschfänger kreuzte, waren Räumnadelketten und Pulverhorn aus Messing angebracht. Über beide Bandoliere schnallte man noch einen Leibriemen. Die Offiziere, die alle beritten waren, hatten auch Kavallerieausrüstung und zumeist den Schleppsäbel in Messingscheide, am Tschako goldene Cordons und ein Nationale mit silbernem Randstreifen. Die Jäger zu Pferde waren mit Säbeln am Unterschnallkoppel und Reiterpatrontaschen am schwarzen Bandolier ausgerüstet, trugen Karabiner mit Bajonett und hinter sich auf dem ungarischen Bocksattel einen Mantelsack.

Wenngleich den Wohlhabenden gestattet war, etwas reichere, gestickte Gardelitzen zu tragen, so wurde doch im ganzen sehr auf Einheitlichkeit gesehen. Auch die Jäger, die sich selbst equipierten, kauften meist ihre Ausrüstung bei der Truppe. Wohlhabende Bürger rüsteten oft zwei oder drei von ihnen aus, andere wieder stellten Pferde zur Verfügung, und was noch fehlte, wurde

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durch Umlagen von seiten des Engeren Ausschusses von Ritter= und Landschaft herbeigeschafft. Natürlich fehlten auch gelegentliche Mißbräuche und Profitlust nicht ganz. Ein kluger Handlungsjüngling erklärte sich in einem feurigen Schreiben an den Herzog bereit zum Eintritt, - wenn ihm dieser ein Handelsprivilegium erteilen wolle. Er erhielt aber die mit Recht wenig gnädige Antwort, daß mit dem Patriotismus nicht geschachert werden dürfe. Andere, die nur bescheiden um Offenhaltung ihrer bisherigen Stellungen baten, wurden dagegen freundlich zustimmend beschieden, und es gewährt einen besonderen Genuß, aus den unzähligen noch vorhandenen gütigen und immer ganz individuell behandelten Antworten des Herzogs Friedrich Franz dessen landesväterliche Fürsorge und zugleich die Freude an dem Opfermut seiner Landeskinder hervorleuchten zu sehen.

So kam binnen kurzem ein Regiment zu Fuß von 520 Mann außer Offizieren und Unteroffizieren zusammen, desgleichen ein Kavallerie=Regiment von 500 Mann, beide in je 4 Kompanien bezw. Eskadrons eingeteilt. An dem Sammelplatz in Güstrow entwickelte sich reges Leben und Treiben. Die Jäger exerzierten auf allen freien Plätzen der Stadt, die Handwerker arbeiteten Tag und Nacht an der Fertigstellung der Ausrüstung. Denn es fehlte in dem ausgesogenen, sowieso wenig industriereichen Lande fast an allem: Tuch zu Uniformen, Leder für Patronentaschen, Koppel, Sättel und Zäumung, Tschakos und Schuhen, vor allen Dingen aber - und das war am schwersten zu beschaffen - war großer Mangel an Waffen, besonders Büchsen für die Fußjäger. Vergeblich wandte sich Herzog Friedrich Franz in einem eigenen Schreiben an den Preußenkönig mit der Bitte um Waffen und zugleich um 20 gediente Kavallerie=Unteroffiziere. Die wollte Friedrich Wilhelm gerne senden, aber Waffenmaterial hatte er für seine eigene Armee kaum genügend. Schließlich gelang es nach langem Hin und Her, den noch fehlenden Bestand an Jägerbüchsen aus England zu erhalten, ebenso wie die gesamte Armatur der Kavallerie an Karabinern, Säbeln und Pistolen. Bei dem ausgezeichneten Geist, der in beiden Regimentern herrschte, ging die Ausbildung verhältnismäßig sehr rasch von statten, schon Ende Mai waren Schützen wie Reiter soweit durchgebildet, daß man den fortwährenden dringenden Wünschen des Oberkommandierenden der Elbarmee nachkommen und sie an die Front schicken konnte, wenngleich die zunächst immer noch sehr ungenügende Ausrüstung zur Zurückhaltung mahnte und durch die zu frühe Verlegung, besonders der Fußjäger, aus

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ihrer bisherigen Garnison in die Gegend von Dömitz und Grabow sich erneute Schwierigkeiten bei der Durchbildung der jungen Mannschaft ergaben. Aber die Kommandeure, unterstützt durch eine Anzahl ausgezeichneter Offiziere, die größtenteils gleichfalls als Freiwillige eingetreten waren, setzten durch, was sie wollten. Mit großer Sorgfalt wurde, wie auf die körperliche Tüchtigkeit, so auch auf den guten Ruf der Truppe gesehen, alle Elemente, die nicht hineinpaßten, wurden ausgemerzt, und mit welcher Schärfe, zeigt die noch heute erhaltene Bestandsliste des Jäger=Regiments zu Fuß. Von den 830 Köpfen, die das Regiment in den kurzen 5/4 Jahren seines Bestehens gehabt hat, sind 21 "ohne Abschied weggejagt", und von diesen 21 waren 6, bei denen Trunkenheit der einzige Grund dafür war, und nur zwei oder drei, denen ehrloses Benehmen nachgesagt werden mußte. Kein Wunder, daß eine Truppe, bei der solche Disziplin herrschte, überall gern gesehen war und daß sie sich trotz aller Ungunst der Verhältnisse, die besonders in ihrer Zugehörigkeit zu der schwedischen Armee begründet war, ein mit Recht sehr ehrenvolles Andenken in unserem Volk und in der Kriegsgeschichte des Völkerkampfes zu gewinnen und zu bewahren gewußt hat.

Die Mecklenburger Truppen von 1813, reguläre wie freiwillige, Fußvolk wie Reiter, können auch unserem Geschlechte zum Vorbild und zur Mahnung dienen, daß der Geist aufopferungsfreudiger Vaterlandsliebe, der sie beseelt hat, in unserem Volke erhalten bleibe und uns und unsere Nachfahren antreibe, ihnen nachzueifern, wenn einmal wieder, wie vor 100 Jahren, das alte Feldgeschrei erschallen sollte: Mit Gott für Fürst und Vaterland!

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