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I.

 

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert

und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung.

Von

Dr. Luise Krieg = Charlottenburg.

 

Vignette
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Literatur.

Akten:

Sch. = Großherzogliches Geheimes und Hauptarchiv Schwerin (M.).
L. = Stadtarchiv Lüneburg.
Lb. = Staatsarchiv Lübeck.

Schriften:

Fr. Ag. v. Rudloff: "Pragmatisches Handbuch der mecklenburgischen Geschichte", 2., 3. Teil, Wismar=Rostock, 1780, 1822.

Ch. F. von Lützow: "Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg", 2., 3. Teil, Berlin, G. Reimer, 1835.

Jacobi und Kraut: "Annalen der Braunschweig=Lüneburgischen Churlande", 1. Jahrgang, 1. Stück, Hannover, Pockwitz, 1787, S. 60-81; 2. Stück S. 12-35.

Fr. Stuhr: "Der Elbe=Ostsee=Kanal zwischen Dömitz und Wismar", Schwerin, Bärensprung, 1899. Meckl. Jahrb. 64.

Rehder: "Der Elbe=Trave=Kanal", Lübeck, Rahtgens, 1900.

B. Weißenborn: "Die Elbzölle und Elbstapelplätze im Mittelalter", Halle a. S., C. A. Kaemmerer u. Co., 1901.

Vignette

 

 

Die Schrift ist von der philosophischen Fakultät der Universität Bern am 5. November 1913 als Doktor=Dissertation angenommen worden.

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D as Mecklenburger Land ist eigenartig, nicht nur was seine Verfassung, sondern auch was seine Stellung zum Welthandel und =verkehr betrifft. Seine günstige Lage an der See, im Westen die bequeme Erreichbarkeit der großen Nordseehäfen und im Süden die Nähe Berlins weisen es aus den Durchgangsverkehr hin, um so mehr, als ihm eigene Industrie mangelt. Es berührt daher sehr merkwürdig, daß die direkten Eisenbahnlinien von Hamburg, Kiel und Lübeck nach Stettin, Danzig, Polen und Rußland nicht durch Mecklenburg, sondern über Berlin gehen, und daß die geplante Ostseeküstenbahn immer noch nicht zustande gekommen ist. Ein ähnliches Verhältnis tritt bei den Kanälen Norddeutschlands zutage. Durch den Kaiser=Wilhelm=Kanal ist das Schwergewicht nach Kiel und Hamburg verlegt. In dem Elbe=Trave=Kanal lebt die alte Stecknitzfahrt nach Lübeck wieder auf, der Berlin=Stettiner Kanal ist fertig im Bau, aber die Wasserverbindung Berlin-Rostock ist ein Projekt geblieben. Wie kommt es, daß Mecklenburg sich derart abschließt und einspinnen läßt? An der Ungunst der Verhältnisse liegt es nicht, wohl aber am Charakter der Bewohner. Das Volk ist bodenständig in allen seinen Schichten und getragen von einem starken Unabhängigkeitsgefühl. Es will sich aus eigener Kraft das schaffen, was es selbst braucht, nur das Staatsbahnen und kanalisierte Flüsse durchziehen in großer Menge das Land. Sie stellen gute Verbindungen innerhalb der beiden Großherzogtümer her und die Eisenbahnen ermöglichen es dem Mecklenburger, wenn auch mit Umsteigen, an die großen Verkehrsstraßen heranzukommen. Wie es heute ist, so war es immer: zahlreiche Land= und Wasserstraßen im Innern, - mit den bedeutenden Zentren des Auslandes schlechte Verbindung. Während es heute wenigstens eine große internationale Verkehrslinie gibt: Berlin-Rostock-Gjedser-Kopenhagen nach dem Norden, konnte im Mittelalter von einer solchen durch Mecklenburg führenden Weltstraße überall nicht die Rede sein. Das Lüneburger Salz, dieser wichtige Handelsartikel, wurde nach den baltischen Ländern hauptsächlich über Lübeck aus=

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geführt, das seit Ende des 14. Jahrhunderts durch die Stecknitzfahrt 1 ) in bequemer Wasserverbindung mit Lüneburg stand. Wismar unterhielt allerdings auch seit Alters Handelsbeziehungen zu Lüneburg, konnte darin mit Lübeck aber nicht konkurrieren.

Bald nach Fertigstellung der Stecknitzfahrt kamen die Lüneburger in starke wirtschaftliche Abhängigkeit von Lübeck. Das zeigte sich in empfindlicher Weise, sobald beide Städte Händel miteinander hatten. Dann belegten die Lübecker die Lüneburger Salzschiffe mit Arrest; fuhren auch selbst ihre eigenen Waren zum Verkauf die Elbe nach Oberdeutschland hinauf, was einen Eingriff in Lüneburger Stapelrechte bedeutete. Deshalb sah sich Lüneburg in dem Bestreben, sich von Lübeck unabhängig zu machen, zu Anfang des 15. Jahrhunderts noch nach einem zweiten Ausfuhrhafen für sein Salz um. Als solcher erschien das nahe bei Lübeck gelegene Wismar geeignet. Da man ein Konkurrenzunternehmen für die Stecknitzfahrt schaffen wollte, so konnte man nicht nur wie früher das Salz einfach per Fracht von der Elbe aus auf der Landstraße nach Wismar schicken, man mußte einen billigen Wasserweg herstellen. Dieser Versuch einer Kanalverbindung zwischen Lüneburg und Wismar ist die Schalfahrt.

Der Plan zur Schalfahrt wurde gerade zu der Zeit gefaßt, als für Wismar durch die Beilegung seiner eigenen und der Rostocker Unruhen 2 ) die Hände frei geworden waren zu friedlicher Betätigung und es sich mit der Hoffnung trug, seine frühere Stellung im Hansabunde wieder zu erringen. So kamen sich beide Städte, Lüneburg und Wismar, in ihren Wünschen entgegen. Die Einrichtung der Schalfahrt entsprang aus stadtpolitischen Interessen. Es fragt sich nun, wie sich die Territorialfürsten, die Mecklenburger Herzöge, dazu stellten.

Der Erste, an den die Lüneburger mit ihrer Bitte herantraten, war Herzog Johann. Seine Antwort finden wir in dem Privileg von 1412 3 ): Er gibt darin dem Rat von Lüneburg die Erlaubnis, sich eine Straße, die ihm bequem ist, von Boizenburg nach Wismar zu suchen. Auf dieser Straße wahrt er sich die Oberhoheit, indem er die Lüneburger Kaufleute in seinen Frieden


1) 1398.
2) 1410.
3) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L. Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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und in seine Hut nimmt, indem er verspricht, sie sogar im Kriegsfalle mit dem Lüneburger Fürsten zu beschützen und sich nicht etwa an ihrem Gute schadlos zu halten. Dafür sind ihnen aber befestigte Niederlagen, zu denen die umzäunten Stapel= und Hudenplätze leicht Veranlassung gaben, verboten. Das weitere ist von zollfiskalischem Interesse diktiert. Sie dürfen in seinem Lande, aus seinem Lande und durch sein Land fahren unter der Bedingung, daß sie den Zoll geben, den sie nach Recht geben sollen. Nämlich für jede Last Salz ist zu Boizenburg der Einfuhrzoll von 4 Schill. lüb. zu entrichten. Auf der Rückfahrt von Wismar, Lübeck, Mölln hingegen ist das Gut der Lüneburger in Boizenburg frei. Bei ihren Fahrten durch die Mecklenburger Herrschaften dürfen sie Waren einkaufen und aus dem Lande führen nach Lüneburg oder nach anderen Orten. Sie haben die Erlaubnis, Handel zu treiben, die Freiheit des Einkaufs und der Ausfuhr.

Nachdem der Herzog den Lüneburgern diese Gerechtsame für den Landhandel nach Wismar verliehen hat, geht er auch auf ihre Wünsche wegen der Anlage von Wasserstraßen ein. Sie dürfen Wasserwege graben und Schleusen bauen, und dazu mögen sie sich seiner Holzungen, die "gatlich" dazu sind, bedienen. Benutzen sie aber das Land oder Holz eines der Anlieger, so müssen sie es ihm bezahlen. Sie dürfen Niederlagen oder Huden bei den Schleusen machen, Brücken über die Flüsse schlagen und die Ufer so herrichten, daß sie die Schiffe auf beiden Seiten entlang ziehen können. Zu Erhaltung der Wasserbauten sollen sie auf Salz und andere Güter einen Zollt nehmen. Auch will er dafür sorgen, daß die Waren von Wismar und Boizenburg durch die Lüneburgische Zollstätte die Elbe abwärts geführt und nicht, wie es gern geschah, auf Umwegen der Zollabgabe entzogen wurden. Fände sich jemand, dem dies doch gelungen wäre, so sei er zu bestrafen. Nach dem Grundsatz, womit man sündigt, damit wird man bestraft, ist ihm genau soviel Gut zu nehmen, als er auf dem Umwege an Lüneburg vorbeigepascht hat.

Trotz dieser ziemlich allgemein gehaltenen Bestimmungen sah der Rat von Boizenburg, der bisher die diesbezüglichen Wasserwege beherrscht hatte, in dem Schiffahrtsprivileg der Lüneburger das Ende seiner eigenen Unabhängigkeit und Selbständigkeit, was ihn um so besorgter machte, als innerhalb seines Schiffswerks ein Streit ausgebrochen war, weil die Deutschen die Wenden unterdrücken wollten. Boizenburg suchte daher jede Beeinträchtigung der Freiheiten seiner Bürger durch Fremde

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zu hintertreiben, indem es sich seinerseits ein Privileg verschaffte und zwar von Herzog Albrecht 1422 4 ): Der Herzog schützt darin die Boizenburger gegen die Wenden, indem er fortan nur solche Leute in das Schiffamt aufnehmen ließ, die von Deutschen echt und recht geboren waren. Und er schützt sie gegen die Lüneburger, indem er nur den Schiffwerksgenossen und ihren Nachkommen erlaubte, zu flößen und zu fahren auf dem schwarzen Wasser und dem See zu Bandekow. Da aber die Schale in die Sude, die auf ihrem Unterlauf den See zu Bandekow und das schwarze Wasser bildet, fließt, so war damit den Lüneburgern die Anwendung ihres Privilegiums für die Schale vereitelt. Oder wollten die Boizenburger die Lüneburger Schalfahrt nur von sich abhängig machen durch den Zusatz: "niemand anders darf hier flößen und fahren, sundern der Rat und das Schiffamt will es ihm sundergen gönnen"?

Während die Urkunden der Herzöge Johann und Albrecht nur von Kanälen überhaupt sprachen, und die Schale und der Schalsee nur stillschweigend in Betracht gezogen waren, werden beide Gewässer in dem Vergleich von 1430 5 ) ausdrücklich genannt. Herzogin Katharine erlaubt darin den Lüneburgern, die Schale aufzuräumen und schiffbar zu machen, auch von dort eine Straße nach Wismar zu suchen. Auf die Beschwerde der Lüneburger, daß die Boizenburger ihnen die Schiffahrt und Flößerei auf dem schwarzen Wasser streitig machten, bestimmt sie, daß beide Teile das schwarze Wasser befahren mögen, nur der Oberlauf der Sude sei allein den Boizenburgern gestattet. Im weiteren Verlauf der Urkunde betont sie das Umladerecht der Boizenburger. Sollten die Lüneburger so große Elbschiffe haben, daß sie auf der Sude und Schale nicht fortkommen können, so müssen die Waren auf der Schütte zu Boizenburg in Boizenburger Schiffe umgeladen werden. Die kleinen Elbschiffe hingegen dürfen durchfahren. Das ganze Verhalten der Mecklenburger Regenten den Boizenburgern gegenüber zeigt, daß sie sehr wohl die Rechte und Vorteile ihrer Untertanen zu wahren wußten, obgleich sie andererseits die Lüneburger mit den weitgehendsten Privilegien ausstatteten.

Zur Zeit der Streitigkeiten zwischen Rat und Zünften in Lüneburg, während 80 Jahren, schweigen die Verhandlungen so


4) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
5) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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ziemlich, dann auf einmal lassen sich die Boizenburger ihr Schiffahrts= und Flößungsprivileg auf dem schwarzen Wasser und dem Bandekower See von den Herzögen Albrecht und Heinrich 1510 und von Herzog Heinrich 1532 6 ) von neuem bestätigen. Es war nicht nur die Eifersucht um ihr Vorrecht, sondern ganz einfach der Kampf ums Dasein, der die Boizenburger mit so häufigen Klagen zu den Herzögen trieb. Wenn die Zahl der Schiffamtsgenossen eine unbegrenzte war und noch Unberechtigte nebenher schifften und flößten, was leider nur zu oft geschah, so fand mancher arme Mann seine Nahrung nicht mehr und mußte auswandern. Daher schützt Herzog Heinrich 1540 7 ) am Tage Philipp! und Jakobi (1. Mai) die Innung durch folgende Bestimmungen: In dem Schiffamt sollen auf einmal nicht mehr denn 36 Schiffer sein, und ein jeder Schiffer auf der Elbe und dem schwarzen Wasser soll nicht mehr denn nur 1 Schiff haben, damit Holz und anderes zu flößen und zu führen. Ein jeder Schiffer soll jährlich auf dem Suckower Fohrde nicht mehr denn 600 Faden Holz flößen. Auch sollen die Boizenburger ohne der Herzöge Wissen und Willen niemand in das Schiffamt fordern oder annehmen.

Mit diesem Erlaß sind die für die "Einrichtung" der Schalfahrt resultatlosen Verhandlungen zu Ende, und die Lüneburger gehen nun, nach 140 Jahren, nach Klärung ihrer inneren Wirren, endlich wirklich ans Werk. Bürgermeister Witzendorf weiß sich am Dienstag nach Misericordias Domini (18. April) 1553 8 ) von Herzog Johann Albrecht noch einmal ein Privileg zu verschaffen, das zunächst nur eine Bestätigung des von 1412 enthält, dem aber dann folgt "ein sunderbarer Vertrag belangend die Erbauung und Einrichtung der Schiffahrt und Schleusen auf der Schale". Die Arbeit beginnt, wenn auch allmählich. Laut Urkunde vom 10. Juli 1561 9 ) hatten sie den Bau auf eigene Unkosten zu unternehmen und dazu das Holz, ausgenommen das, so der Herzog ihnen verehret hat, selbst zu liefern. Die Lüneburger sowohl als die Herzöge sollen auf der Schalfahrt ein Zollhaus und einen Zöllner haben. Der Schalzolll wird zur Erhaltung der Schleusen erhoben und, wenn die Einkünfte zu gering sein sollten, sind sie ermächtigt, den Zoll zu erhöhen. Der Mecklenburger Schalzoll konnte sozusagen als die Verzinsung des


6) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
7) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiff amt, Sch.
8) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L.
9) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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Privilegs betrachtet werden. Die Flüsse waren überhaupt fürstliche Regalien, und sicherlich haben die Herzöge sich ihre Privilegien von den Lüneburgern bezahlen lassen. Von Herzog Ulrich wissen Wir es nicht, aber von Herzog Johann Albrecht heißt es in einem Schreiben des Rates zu Lüneburg 10 ), daß er etliche 100 Taler dafür bekommen. Außerdem reservierte sich Johann Albrecht das Recht der Fischerei. Denn die Schale war außerordentlich ertragreich. Und ebenso schützte er seine Jagd. Denn alle, so auf Schiffen fahren und bei den Schleusen wohnen, sollen sich des Hauens, Schießens und Weidwerks ganz und gar enthalten und keine Hunde halten, weil die Fahrt durch die Wildbahn geht.

Was den Holzhandel betrifft, so steht er mit Eichen= und Buchenmastholz allein den Mecklenburgern zu, die Lüneburger dürfen nur Brennholz kaufen und Schiffen. Aber auch dieser beschränkte Handel flößte den Boizenburgern Besorgnis ein, wie aus der Schiffahrtshandlung von 1563 11 ) zu ersehen ist. Dadurch, daß die Lüneburger das Holz teurer bezahlen, kaufen sie die Boizenburger aus und bringen so den Hamburger Holzhandel an sich. Darum regelt Johann Albrecht die Einkaufsgerechtigkeit noch einmal. Es wird bestimmt: Beide Teile dürfen vom Adel Holz kaufen, aber jeder an seinem Orte. Ist dem einen Teile Schaden zugefügt worden, so hat man ihm Ersatz zu schaffen und den Übeltäter zu bestrafen. Der Strom ist zu schließen und die Schiffahrt zu verbieten, bis der Schaden wieder erstattet ist. Das Verhörs= und Strafrecht wird den Vögten des Herzogs übertragen und damit die Lüneburger Schalfahrt unter Mecklenburger Gerichtsbarkeit gestellt.

Im großen und ganzen war nun alles geordnet, so daß am 18. August 1564 12 ) die Lüneburger den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich ihren Dank abstatten und melden konnten, sie hätten die Schleusen und Schalfahrt dermaßen ins Werk gestellt, daß es binnen acht oder vierzehn Tagen geliefert werden könne. Es erübrigte nur noch, verschiedene Einzelheiten festzusetzen, wie die Höhe des Schleusenzolls, der auf dem von einem ehrbaren Rate zu Kölzin erkauften Hofe erhoben werden soll und von dem die Hälfte an die Herzöge, die andere Hälfte an den


10) Acta navigationis in numinibus: Schale, Sch.
11) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
12) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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Rat zu Lüneburg abgeht. Auch wünschen sie noch einmal eine Erörterung über den Punkt, ob der fremde Kaufmann die Schalfahrt auf und tal gebrauchen dürfe oder nicht.

Somit war die Schalfahrt um den 1. September 1564 vollendet, und es handelte sich nun darum, vom Schalsee aus die Fahrt nach Wismar herzustellen. Dazu brauchten die Lüneburger wieder die Hilfe der Herzöge. Aber ihr Gesandter klagt am 7. April 1565 13 ), er hätte Briefe überkommen, daß beide Fürsten von der Wismer in die Elbe eine neue Schiffahrt anrichten lassen, und er merkt, daß es ihnen um diese neue Schiffahrt mehr zu tun ist, als um die alte. Das Interesse wandte sich dem Kanal Wismar-Dömitz zu.

Während die Lüneburger doch noch auf die Vollendung ihres Werkes hofften, wurden sie wegen der Benutzung der Schalfahrt von mißgünstigen Nachbarn angefeindet. Am 23. Februar 1568 14 ) wünscht Herzog Franz von Lauenburg, daß die Lüneburger sich des Schiffens, Handels und Wandels auf dem Schalsee enthalten, weil sie seiner Hoheit auf dem See nicht Rechnung getragen und sich des Holzzolls wegen nicht mit ihm verglichen, und weil sie der Fischerei geschadet hätten. Johann Albrecht tritt Februar und März 1568 15 ) für sie ein und bestätigt noch einmal die früheren Verträge, aber mit dem Vorbehalt, daß die Privilegien der Stadt Lüneburg nicht nachteilig seien. Denn die Herzöge beschützten zwar die Lüneburger Kaufleute in Kriegs= und Friedenszeiten in Mecklenburg, wollten aber ihretwegen nicht in Fehde mit den Nachbarfürsten geraten. Die Verhandlungen gehen nach Art der damaligen Zeit hin und her. Herzog Franz nimmt Lüneburger Schiffe und Waren in Arrest. Der Rat behauptet, seine Vorfahren hätten die Privilegien gegeben, und er wäre nur nicht damit zufrieden, "seitdem sie ihn einer Schuld halben vor ausgeliehenes Geld hätten ansprechen lassen". Sie bitten nun wiederholt um Abschaffung des Arrests, weil es ein zu Recht verbotenes Vornehmen sei. Schließlich, 1570, wird der Streit beigelegt und die Schiffahrt auf dem See freigegeben.

In demselben Jahre verlangt Herzog Christoph von Mecklenburg 16 ) als Administrator des Stiftes Ratzeburg Abtrag von der Stadt Lüneburg wegen ihrer Schiffahrt auf der Schale, be=


13) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
14) Salinaria 83, L.
15) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
16) Salinaria 84, L.
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sonders beim Dorfe Bennin. Denn das Stift hätte nicht nur die Hoheit am Grund und Boden, sondern auch über den halben Strom des daran anstoßenden Wassers. Er läßt deshalb einen Baum über den Fluß schlagen und schickt zum Beweis für die Stiftsgerechtsame das documentum von 1245 an den Rat der Stadt. Herzog Ulrichs Vermittlung gelingt es, den Frieden herzustellen, und im April 1571 wird gegen Überreichung des Bewilligungsguldens der Bewilligungsbrief gegeben.

16 Jahre später trat man von Lübeck aus mit einem neuen Schiffahrtsplan an die Herzöge heran. Die Lübecker Reederei, das Bäcker= und Brauergewerbe blühte, aber den Schiffbauern fehlte es an Holz für ihre Schiffe, und die Brauer und Bäcker brauchten einen bequemen, billigen Zugang zu den Mühlen am Schalsee. Schon 1530 17 ) hatte man daran gedacht, wie man vom Ratzeburger See in die Elbe kommen könnte. Diesen Plan griff man auf und arbeitete ihn aus. Es existieren davon teils Karten, teils Beschreibungen. Anno 1587 den 21. Oktober 18 ) wurde auf Befehl eines ehrbaren Rates der Stadt Lübeck eine Kommission nach dem Schalsee verordnet, mit "was Fuge und Bequemlichkeit eine Schiffahrt aus dem Schalsee in den Ratzeburger See zu verfertigen wäre". "Die Ratmannen und Handwerksmeister haben nach fleißiger Besichtigung und Abmessung befunden, daß die Fahrt aus dem Schalsee auf das bequemste zu verfertigen und anzurichten wäre und ungefähr kostet, wie folgt 19 ):

"Erstlich liegt eine Mühle zu Dutzow an dem Schallsee, Lüder Lützowen gehörig; darum muß erstlich mit Lüder Lützowen gehandelt werden, wo sich dann der Lützower daselbst vernehmen lassen, mit ihm leichtlich darum zu handeln sein sollte. Diese Mühle liegt 1 1/2 Ellen höher als die Schallsee und müßte zunächst aus dem Schallsee bis an die Mühle durch eine Wiese 45 Rth. lang, 1 1/2 Rth. breit und 2 Ellen tief gegraben werden, wäre in alles 136 Rth., die Ruthe zu graben wird geachtet auf 6 ß = 50 M 10 ß.

2. Von obgedachter Mühlen längs de Beke in den goldener See ist ein Morast 252 Rth. lang, mit 1 1/2 Rth. Breite und 3 Ellen Tiefe, ist alles zusammen = 1134 Rth. Die Ruthe zu graben wird geachtet = 6 ß = 425 M 4 ß.


17) Lauenburgica XII, Lb.
18) Lauenburgica XII, Lb.
19) Wörtlich, bis auf Änderung der niederdeutschen Worte in hochdeutsche und auf die Hinweglassung immer wiederkehrender Wendungen.
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3. Danach aus dem goldener See durch den Papendik in den Mostiner See durch ein Morast, gehört Otto und Lüder Lützow und Hans Rantzowen zu, ist 360 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. breit und 4 Ellen tief gegraben werden = ist zusammen 2160 Rth., die Rth. zu graben = 6 ß = zusammen 810 M . Es muß vor dem Mostiner See aber über den Weg eine Brücke gemacht werden, wird geachtet auf 20 M .

4. Danach aus dem Mostiner See, so Hans Rantzowen gehört, in den Lüttken See, dazwischen ein Moor 105 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. breit und 4 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen = 630 Rth., die Ruthe zu graben geachtet auf 6 ß = 123 M 12 ß [falsch, muß sein = 236 M 4 ß].

5. Danach aus dem Lüttken See an den Mostiner Acker in ein Moor, lang 56 Rth., muß 1 1/2 Rth. weit und 4 Ellen tief ausgegeben werden = zusammen 336 Rth. Die Ruthe zu graben auf 6 ß geachtet = 126 M .

6. Danach durch den Mostiner Acker bis an das Grammer Moor, so Hans Rantzowen gehörig = 75 Rth. lang, 3 Rth. weit und 8 Ellen tief, ist zusammen = 1800 Rth.. die Ruthe wird geachtet auf 8 ß Gräberlohn = 900 M . Und muß vor dem Grammer Moor über den Weg eine kleine Brücke gemacht werden, wird geachtet auf 30 M . Danach zwei Kisten, jede von 7 Ellen Falls, werden beide geachtet, daß sie kosten werden ungefähr 4000 M . Vorgeschriebene vier Seen mit dem kleinen Papendik müssen sämtlich 1 1/2 Ellen ablaufen, alsdann kommen sie dem Schallsee gleich. Darum muß mit den Lützowen und Hans Rantzowen gehandelt werden.

7. Danach durch das Grammsche Moor bis an den Grammer See sind 120 Rth. lang, 1 1/2 Rth. weit und 4 Ellen tief, die ausgegraben werden, ist zusammen 720 Rth. Die Ruthe wird geachtet auf 6 ß = 270 M . Und liegt der Grammer See 9 Ellen sider als der Schallsee. Hier endet sich der Lützowen und Hans Rantzowen Gut.

8. Danach aus dem Grammer See in den Lankower See, dem Domkapitel zu Ratzeborch gehörig, durch ein Moor, das Baalefordt genannt, 120 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. weit und 2 Ellen tief aufgegraben werden, ist zusammen 360 Rth., die Ruthe zu graben geachtet auf 6 ß = 135 M . Und muß kurz über den Baalower Fordt eine Brücke gemacht werden, wird geachtet auf 30 M .

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9. Aus dem Lankower See in den Mächower See, dazwischen eine Beke, ist lang 60 Rth., muß 1 1/2 Rth. weit und 3 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen 270 Rth., die Ruthe zu graben = 6 ß = zusammen 101 M 4 ß. Und muß der Lankower See eine Elle ablaufen, und daselbst ist über das Berch eine Brücke zu machen = 30 M .

10. Danach aus dem Mächower See durch das Papenholz ein Morast bis an den Berg beim Nienhuse = 560 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. weit und 3 Ellen tief gegraben werden, ist zusammen 2520 Rth. Die Ruthe zu graben = 6 ß = zusammen 945 M . Daselbst ist vor dem Papenholze eine Brücke zu machen über den Weg = 30 M .

11. Danach ein Berg gegen dem Nienhuse liegend, ist lang 24 Rth., muß 3 Rth. weit und 17 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen 1224 Rth. Die Ruthe zu graben wird geachtet auf 12 ß = zusammen 918 M .

12. Danach achter dem Berge eine Kiste, wird geachtet ungefähr 2000 M .

13. Danach durch eine Wiese ist 140 Rth. lang, liegt 2 Ellen sider als vorgeschriebenes Moor, muß 1 1/2 Rth. breit und 3 Ellen tief ausgegraben werden = zusammen 630 Rth. Die Ruthe zu graben wird geachtet auf 6 ß, zusammen 236 M 4 ß.

14. Danach von einem Damme, so benedden der Wiese liegt, in den Ratzeburger See, ist 300 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. breit und 3 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen 1350 Rth., die Ruthe zu graben geachtet auf 12 ß, dieweil es lauter Steingrund ist, = zusammen 1012 M 8 . Zwischen diesem Damme und dem Ratzeburger See müssen 6 Kisten gelegt werden, geachtet auf 12000 M . Und dann vor dem Ratzeburger See muß eine Brücke über den Weg = 30 M .

Danach folget der Ratzeburger See und liegt nach dieser Besichtigung und Affschrodung der Schallsee höher als der Ratzeburger See = 60 Ellen, und sollte diese Fahrt, wie vorgemelt anzurichten, an Holz und Arbeitslohn, zu graben und zu zimmern, wenn man des Herzogen und der vom Adel "Wollen hett", ungefähr kosten 24223 M 10 ß, wovon ungefähr 18736 M 2 ß auf das Ausgraben gehen." -

Die Terrainschwierigreiten lagen darin, daß der Boden fast durchweg morastig war. Darum hielt die Kommission es auch für nötig, dem Graben durch die Moore eine Tiefe von 4 Ellen = 2,40 m zu geben. Durch das Grammer Moor mußte sogar

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8 Ellen tief = 4,80 m gegangen werden. Zwischen dem Mechower und dem Ratzeburger See ändert sich der Boden, er wird hart und hügelig. Es muß durch eine Bodenwelle ein Durchstich von 17 Ellen = 10,20 m Tiefe gemacht werden, und weiterhin geht es durch Steingrund mit 3 Ellen = 1,80 m Tiefe, bei dem der Arbeitslohn auf das Doppelte erhöht wurde. Der Graben sollte demnach mit seiner durchschnittlichen Tiefe von 3 Ellen = 1,80m für damalige Verhältnisse ein recht tiefer werden, hatte doch der gleichzeitige Dömitzer Kanal eine Tiefe, schwankend zwischen 1,20 m und 1,70 m und der Delvenaugraben eine solche von nur 0,85 m. Die durchschnittliche Breite betrug 1 1/2 Rth. = 7,20 m, ungefähr dieselbe wie beim Delvenaugraben, während der Dömitzer Kanal ein beträchtliches breiter war, etwa 9,20 m bis 13,80 m. Die Länge der durchgrabenen Landstrecke sollte 2217 Rth. = 10641,60 m betragen. Der Weg des Dömitzer Kanals wurde auf 62 Morgen = 17 856 m 20 ) berechnet. Eine weitere Schwierigkeit bot die verschiedene Höhenlage der Seen. Die kleineren, wie der goldene, der Mostiner, der Luttken See und Papendik lagen 1-3 m höher als der Schalsee, der Lankower und Mechower See dagegen 3 und 4 m tiefer, und bei dem Ratzeburger See machte der Tiefenunterschied sogar 60 Ellen, also ungefähr 36 m aus. Folglich mußte der Lauf des Kanals reguliert werden, was zu Besorgnissen Veranlassung gab. "Und obwohl der Schallsee 60 Ellen höher als der Ratzeburger See, und man sich befürchten möchte, daß in Kriegsläuften oder sonsten die Kiste zerbrechen und das Wasser also häufig nachstürzen möchte, ist doch verhoffentlich keine Gefahr deßfalls zu vermuten, und wenn gleich in solchen Zeiten die Kisten zerbrechen und dem Wasser zu laufen Raum gegeben werde, könnte doch auf solchen Fall das Wasser aus dem Schallsee nicht über 2 Ellen nachfallen, auch wegen Widrichkeit des Weges so eilig nicht nachfolgen, welcher alles allhier durch unsere Frei=Schutte wohl ohne Schaden wieder abtragen könne."

Zu diesem Ratzeburger Kanal wurden sehr sorgfältige Abrisse gezeichnet, die schon mehr kleinen Bildern glichen, und die sich noch bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Sie sind lang und schmal, auf starkes Papier gezeichnet und bunt ausgemalt. Das längste Exemplar - wohl mehrere Meter lang - ist das zu Lübeck, aber das Iustigste befindet sich in Schwerin 21 ), lustig,


20) Fr. Stuhr, "Der Elbe=Ostsee=Kanal zwischen Dömitz und Wismar", Schwerin, Bärensprung, 1899, S. 19. Meckl. Jahrb. 64, 209.
21) Sch., Abriß num. 26.
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weil es mit naiven Erklärungen versehen ist. Man sehe sich nur den kleinen Platz am Schalsee an mit den Baumstümpfen und Holzstapeln mit der Unterschrift: "Hir hawen die lunenborger". Solche Karten wurden an die in Betracht kommenden Regierungen verschickt. Denn es hieß nun, Interesse für den Plan zu erregen. Heinrich Husanus erfuhr 1587 22 ) unter der Hand, daß der Herzog von Lauenburg wohl geneigt sei zur bewußten Durchgrabung, aber Lüder Lützow habe einen Streit mit ihm, und darum läge die Sache wieder darnieder. Auch sei der Herzog von Mecklenburg besonders zu gewinnen.

Selbstverständlich sind die Lüneburger dagegen, daß die Lübecker ihnen hier ins Gehege kamen. Es werden daher Circumcisionis Domini (1. Jan.) 1588 23 ) Gesandte für Herzog Ulrich und seinen Neffen Johann instruiert. Die Herzöge sollen veranlaßt werden, Franz von Lauenburg dahin zu bestimmen, daß er die Erlaubnis verweigert und den Lübeckern befiehlt, ihre "vorhabende Durchgrabung wiederumb abzuschaffen und in vorigen Stand zu bringen, so sich befinden würde, daß sie mit Unfüge und zu ihrer fürstlichen Gnaden oder dero Untertanen und die in ihrer fürstlichen Gnaden diesfalls Verspruch und Schutz stehenden Schaden und Nachteil gegeben haben würden." Doch auch in Lübeck gab es Leute, die gegen den neuen Kanal waren. Es wurde sogar - für uns von unbekannter Hand - ein Schriftstück 24 ) verfaßt, das alle Dubia wegen der neuen Fahrt in die Elbe enthielt. Solcher Bedenken sind folgende:

1. Das Werk wird zuvörderst ein großes kosten, wie man vormeint, über 150 000 Rthlr. - Diese Summe ist im Vergleich zu der obigen Berechnung doch wohl sehr hoch gegriffen, selbst dann, wenn recht schwierige Arbeiten an der Wakenitz zwischen Ratzeburger See und Trave nötig gewesen wären, wovon aber in dem amtlichen Gutachten nicht die Rede ist. Zu bemerken ist, daß die Gesamtkosten des Dömitzer Kanals auf höchstens 90 000 M   25 ) berechnet wurden.

2. Die jährlichen Zinsen betragen zu 5 % = 7500 Rthlr. Die jährlichen Unterhaltungskosten werden auf 2500 Rthlr. veranschlagt. - Auch dieser Ausgabeposten ist sehr reichlich bemessen. Man bedenke nur, daß man es in damaliger Zeit mit den Repa=


22) Salinaria 83, L.
23) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
24) Lauenburgica Vol. XII, Lb.
25) Stuhr a. a. O. S. 42. Meckl. Jahrb. 64, 232.
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raturen nicht so ängstlich hatte, daß die Besoldungen nicht sehr hoch waren, und daß die Unterhaltungskosten der Schalfahrt, bei der es sich allerdings nur um einen regulierten Flußlauf handelte, auf rund 1000 M jährlich angegeben wurden.

3. Wie solches Geld aufzubringen, ist noch ungewiß.

4. Die Vorväter haben die Stecknitz benutzt. Im ganzen ist sie ihnen nützlich gewesen, warum nun, wo der Handel darnieder liegt, eine Änderung machend - Die neue Fahrt sollte die Stecknitzfahrt durchaus nicht etwa ablösen, davon ist in den Berichten keine Rede; beide Fahrten sollten nebeneinander bestehen, die alte zum Zwecke des Salztransportes, die neue aus den oben angegebenen Gründen.

5. Es fragt sich, ob es praktikabel, 7 teure Schleusen einzureißen und dafür das hohe Land 20 oder 30 Fuß tief durchzugraben. - Es handelt sich bei diesem Einwand nicht um die Fortführung der Fahrt aus dem Ratzeburger See durch die Wakenitz nach Lübeck, sondern um einen neu anzulegenden Graben aus dem Ratzeburger See nach der Stecknitz, so daß die Schalfahrt schließlich in der Stecknitzfahrt geendet hätte.

6. Der Bau dauert drei Jahre, das wird ein großer Schaden sein für die Zufuhr des Salzes. - Mit dieser Entgegnung hat der Schreiber die Fahrt nach dem unter Punkt 5 erwähnten Plan im Auge.

7. Ob die Ratzeburger Fahrt mehr gebraucht werden wird, ist fraglich, weil der Handel nach der Ostsee jetzt schlecht ist. - Dagegen ist zu sagen, daß die Lübecker dort in erster Linie nicht Handel treiben wollten, sondern sie wollten sich mit Holz versehen und ihr Getreide in den Mühlen am See mahlen lassen.

8. Den Fremden ist keine Durchfahrt gestattet, und Lübeck selbst handelt nicht mit ausländischen Waren. Also würde die Fahrt auf den eigenen Handel beschränkt bleiben.

9. Die Stecknitz wird kaum noch benutzt. - Punkt 6 und 9 widersprechen einander.

10. Der ausländische Handel geht von Nowgorod nach Hamburg, Holland und England durch den Sund und nicht über Lübeck an die Nordsee und ins Innere des Landes.

11. Die Elbe hinauf ist wenig Handel zu treiben, weil die Elbzölle hin und wieder sehr hoch sind.

12. Die Fahrt auf der Elbe ist den Lübecker Leuten unbekannt. Die Lauenburger und Magdeburger werden sie als Neu=

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ankommende auf der Elbe disputieren und bei ihren Fürsten und Herren ausbringen. Ohnedies ist um die Elbe von Magdeburg herum wenig anderes zu holen als Mühlensteine, die zu laden den kleinen Lübecker Schiffen nur unbequem ist. Mit Roggen und Gerste ist es von Magdeburg an versucht worden, aber mit wenig Nutzen. Es lohnt sich nicht, da das Getreide auch noch oft umgeladen werden muß wegen zu geringen Wassers. - Ein Beweis, wie durch die vielen Privilegien, Zoll= und Umladegerechtigkeiten der Handel erschwert wurde, so daß gerade das Getreide, heute neben Zucker der Hauptausfuhrartikel Magdeburgs, zum Versand zu teuer wurde.

13. Bei guten Zeiten hat man das Getreide aus dem Strich von Magdeburg nicht nötig, weil man es von der Ostsee wohlfeiler haben könnte. Die Hamburger holen es sich durch den Sund, und Lübeck erhandelt es sich dann lieber von den Hamburgern. - Man versprach sich eben mehr von einem Handel die Elbe abwärts als hinauf.

Punkt 16 macht auf folgendes aufmerksam: Wenn die Holländer eine neue Fahrt anrichten, dann sind sie darauf bedacht, daß dieserzeit von 4 oder 5 Jahren die Kosten wiederum einkommen. Aber hier können die Waren nicht mit einer neuen Lizent belegt werden, und wenn gleich 1/2 % sollte darauf gelegt werden, würden 2 Mill. Rthlr. Waren dazu gehören, wenn die Interessen nur abgetragen werden sollten. Zu diesem Werk, an dem 3 Jahre gearbeitet werden soll, gehört ein großes Kapital, welches, da es nicht vorhanden und auch nicht zu erborgen ist, von den Bürgern erpreßt werden müßte. Zudem könnte man die Stecknitzfahrt während dieser drei Jahre nicht gebrauchen, was für manchen Bürger einen schmerzlichen Ausfall an Verdienst bedeuten würde.

17. Die Stecknitzschiffe fahren ledig hinauf. Denn sie sind besonders für den Salztransport eingerichtet, und Lübecker Waren müßten auf die Elbe gebracht werden, wozu die Stecknitzprähme zu leicht sind. - Wiederum konnten größere Schiffe von mehreren Fuß Tiefe auf der Stecknitz kaum passieren, da der Graben sehr flach war.

Aus diesen Zweifeln spricht kleinliche Geldsorge, Mangel an Wagemut und an Initiative. Da der Lübecker Rat mit seinem Schiffahrtsplan in seiner nächsten Umgebung so wenig Gegenliebe fand, so wandte er sich später an Magdeburg. Denn dorthin sollte die Ratzeburger Schalfahrt führen, war doch seit 1574 die

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Elbe für die Schiffahrt freigegeben. Magdeburg ging 1604 26 ) auf die Vorschläge der Lübecker ein und übernahm sogar 1605 die Vermittlung bei dem Herzoge von Sachsen. Herzog Franz knüpfte seine Zusage an die der Mecklenburger und diese wieder an die Erfüllung ihrer Zollforderungen. Die Lübecker legten 1609 noch einen zweiten Schiffahrtsplan vor. Auch dieser Graben mußte in der Hauptsache durch Moore gehen, die aber viel tiefer waren als die zwischen Schal= und Mechower See. Denn man hätte - nach den Angaben - zwischen 8 und 13 Ellen = 4,80 m und 7,80 m tief graben müssen. Das "Graue" und das "Rumpell"=Moor werden als besonders tief erwähnt. Die Verbindung sollte vom Schalsee aus durch den Pfuhl=, Piper= und Salemersee nach dem äußersten Südende des Ratzeburger Sees erfolgen. Wenn sich die Beteiligten auch noch nicht für einen der beiden Pläne entschieden hatten, so waren sie sich doch darin einig, daß diese Schiffahrt überhaupt zustande kommen sollte. Die Vorarbeiten hätten also beginnen können, als Magdeburg plötzlich zurücktrat, weil Lübeck einige Zuschüsse an Geld forderte, die Magdeburg nicht zahlen wollte, und damit fiel das ganze Projekt ins Wasser. Wäre dieser Kanal gebaut worden, so hätte man in der Praxis beinahe das erreicht, was man 200 Jahre früher gerade verhindern wollte. Statt einer Verteilung des Lüneburger Ostseehandels auf Lübeck und Wismar wäre eine starke Konzentration aus Lübeck eingetreten durch die nunmehr verdoppelte und außerordentlich erleichterte Verbindung, wenn auch die Lüneburger den Lübeckern gegebenenfalls die Schale und damit die Elbe sperren konnten. Es kam weder zu diesem Graben noch zu der Fortsetzung der Schalfahrt nach Wismar. Für den Bau eines Schiffahrtsweges nach Wismar vom Schalsee aus waren die Herzöge nicht zu gewinnen, sie interessierten sich mehr für ihren eigenen Kanal nach Dömitz, und beide, sie sowohl als der Rat von Wismar, scheuten die doppelten Kosten. Der Rat von Lüneburg aber wollte die Durchgrabung nicht auf eigene Rechnung unternehmen, weil es sich hier auf dieser Strecke um den Bau eines Kanals handelte, was natürlich viel teurer war als die einfache Säuberung der Schale und die Anlage von Schleusen. Es fehlte eben in der damaligen Zeit an Großzügigkeit in der Finanzpolitik. Es wurde von der geplanten großen Anlage nur die Schalfahrt fertiggestellt, und die Herzöge privi=


26) Generalia: Zollfreiheiten Lübecks in Mecklenburg. Vol. I Fasc. 1, Lb.
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legierten sie immer von neuem, so Adolph Friedrich 27 ) 1612 und Hans Albrecht 1614. sie hat bestanden bis Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts.

über die Schalfahrt orientieren wir uns am besten durch die: "Vnderrichtunghe van der schale" im liber memorialis 28 ) von 1409-1614: "De Schale lopt tho Blücher / eyne myle weghes bauenn Boytzenborch / Jn eyn water / heyt de Zuder / dar lycht eyne Mole erstlych vpp der Schale.

Eyne myle weghes bauen Blucher / lycht eyn dorp ghenomet Zernstorp / dat hordt eynem ghenant Jürgen mies dar lopt de Schale achter dem dorpe henvp na Bennyn / dat dorp hort deme Bysschoppe van Ratzeborch.

Eyne myle vertan lycht eyn dorp / dat hett Pamperyn / hort tho deme Closter Zerntyn / lopt de Schale ock hender her.

Eyne halue mile noch furder / lycht eyn dorp ghenant Koltzyn / demesuluen Closter tohorych / lycht ock eyne Mole / deme ghemelten Closter ghehorende.

Eyne halue myle lycht noch eyne Mole / ghenant de schale mole / lycht vor deme Schaleße / hort ock tho Zerntyn / to handes gheydt de Schallße an."

Der liber gibt nun einen Hinweis, wie man etwa mit Schwerin in Verbindung treten könnte, womit ja dann die Wasserstraße nach Wismar erreicht wäre. "Den schalße entlanck eyne halue myle weghes / gheydt eyn meer Jn eynen ordt her oth na deme Bussower see / by eynem ferndeyll weghes Jn den Bussower see / gehort deme Capittell tho Ratzeborch / vth dem Bussouwer zee gheydt eyn fleyt na deme nygenkercker zee / dar lycht eyne mole vpp / dat is woll vyff ferndeyl weghes van Zerntyn / fur der is dar neyn fleydt noch see vpp dre myle na Sweryn / de dar wyll offte kan batlych szynn / wente dar is berch vpp vnnd nedder ....."

Soweit die alten Nachrichten. Von der Mündung der Schale in die Sude ging die Fahrt auf diesem Flusse weiter. Die Sude teilt sich bald in mehrere Arme, die sich dann wieder vereinigen. Der breiteste und schiffbarste ist der vielumstrittene Bandekower See mit dem Orte gleichen Namens. Nach der alten Karte 29 ) führt er auch noch den Namen Schwarzes Wasser, die neueren Karten jedoch - und darin stimmen die alten Urkunden mit


27) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
28) L.
29) Sch.
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ihnen überein - bezeichnen das Mündungsgebiet der Sude zwischen Bandekower See und Elbe als Schwarzes Wasser. Der Mündung gegenüber liegt Brackede und nördlich davon, an der Elbe Boizenburg.

Das ist in Kürze der Lauf des Flusses, für den sich die Lüneburger zur Anrichtung einer Schiffahrt 1553 privilegieren ließen. Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre machten sie endlich von dieser Erlaubnis Gebrauch. Nachdem die Schale gereinigt und aufgeräumt worden war, begannen nun die eigentlichen Kanalarbeiten. Sie konnten sich auf eine Begradigung des Flusses hie und da beschränken. Um die Schiffahrt auf der ganzen Flußstrecke möglich zu machen und sonst auch zu erleichtern, wurden 15 Schleusen angelegt, und zwar Kisten=, Stau= und Freischleusen. Die Kistenschleusen, wie wir sie hier, bei der Stecknitzfahrt oder auch dem Dömitzer Kanal kennen lernen, sind mit die ältesten, bekannten Kammerschleusen in Deutschland. Sie haben Kesselform, und ihre Wände bestehen aus Busch= und Pfahlwerk, das über dem Wasserspiegel mit Steinen beschwert ist. An den beiden am weitesten voneinander entfernten Stellen des Kessels befinden sich die hölzernen Schleusentore. Diese Kistenschleusen bieten Raum zur Aufnahme von zehn Schiffen. Mit einer Flut konnten auf der Schale fünf Schiffe heraustreiben, und acht Fluten konnten an einem Tage gesammelt werden. Um jedoch den Mühlen das Wasser nicht zu entziehen, sollte nur alle zwei Tage geschleust werden. Während die Kistenschleusen Schiffahrtsschleusen waren, steigern die Stauschleusen den Wasserstand bis zu einer gewissen Höhe, damit das Wasser die erforderliche Kraft zum Treiben von Mühlen habe. Weit einfacher sind die Freischleusen. Sie sind derartig konstruiert, daß bei einem bestimmten Tiefen= oder Höhenstande des Wassers die Tore sich von selbst schließen oder öffnen. Im Laufe der Schale sind nur vier Staustufen, nämlich bei der Schalmühle, bei Kölzin, hinter Kogel und bei Blücher. Beginnt man nun die Fahrt auf dem ungefähr zwei Meilen langen Schalsee, so kommt man im Süden an den Schalfluß und fährt unter der Zarrentiner Brücke durch bis an die Schalmühle. Hier befinden sich die oberste Kistenschleuse und die Stauschleuse ob dem Hofe, welche die Schalmühle treibt. Bei Öffnung der Kistenschleuse werden die Schiffe von der hinausdrängenden Flutwelle vorwärts getrieben nach der zweiten Stauschleuse zu, nach Kölzin. sie hat eine ganz besondere Bedeutung, weil hier sämtliche Schiffe anlegen mußten, und erst, nachdem sie abgefertigt waren, durften sie die Fahrt

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fortsetzen. Dazu kam, daß bei dem etwas saumseligen Betrieb der Zöllner sich die Schiffe häufig in größerer Menge ansammelten. Es mußte darum für die nötige Stauung gesorgt werden. Sie wurde auf dem Hofe zu Kölzin durch eine Kisten= und eine Freischleuse bewirkt. Auf der nun folgenden Strecke ist der Flußlauf ganz besonders vielfach gewunden, so daß er durch mehrere Schleusen geregelt werden muß. Wir haben hinter dem Hofe Kölzin die sogenannte Kortlandes Schleuse, die nächstfolgende ist die Berckenschleuse, bei Kogel gelegen; und die dritte dazugehörige Schleuse ist die auf dem langen Rade, auch Kruschenschleuse geheißen. Die Namen der Schleusen sind entweder nach dem Ort, dem Schleusenmeister, dem Mühlenbesitzer oder dem Zöllner gewählt. Es beginnt die dritte Staustufe mit der Gabrielsschleuse, es folgen die Hoge und die Danielsschleuse. Die Fahrt geht nun auf dem natürlichen Flußlaufe weiter, an Wittkow, Bennin, Bengerstorf und Zahrensdorf vorbei nach Hühnerbusch, wo die Boizenburger eine Schleuse unterhalten, bis nach Blücher. Hier ist wieder eine größere Anlage, ähnlich wie bei der Schalmühle und zu Kölzin. Auf dem Blücherzollhofe befindet sich eine große Kisten= und eine Freischleuse und weiter herab die Stauschleuse für die Mühle. Hiernächst ist noch eine Schleuse bei dem Dorfe Gülze, die Gülzerschleuse genannt. Unterhalb Blücher, wenn man niederfährt zur linken Hand, "kommt die Sude in die Schale," wie es in der alten Handschrift 30 ) heißt.

Da der Bandekower See und das Schwarze Wasser in den Privilegien der Boizenburger und der Lüneburger eine so große Rolle spielen, und da sie so oft die Veranlassung zum Streit waren, so seien die dort in Betracht kommenden Schleusen hier noch kurz erwähnt. Auf der Sude bei Bandekow sind die beiden Bandekower Schleusen. Von da kommt man auf den Bandekower See und von dannen auf das Schwarze Wasser. Zum Schlusse sei noch Wappau genannt, von wo das Holz nach Lüneburg abgeholt wird.

Die Schleusen waren damals noch primitiv. Durch das Loslassen der Stauwelle wurden die Ufer bei dem Mangel an Buhnen und Bollwerken häufig überschwemmt und den armen Leuten Schaden zugefügt an Wiesen und Weiden. Das ist der Grund, weshalb die Bauern und Anlieger meist gegen den Schleusenbau waren. Zur Zeit der Ernte mußte daher jedesmal


30) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt bei 4, L.
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besonders darum gebeten werden, daß die Schleusen stark gestaut würden, damit die Landleute mit ihren Wagen durch die Furt fahren könnten, falls sich an dem betreffenden Orte keine Brücken befanden. Als die Lüneburger 1567 31 ) eine dritte Schleuse auf der Sude bei Bandekow erbauen wollten, mußten sie erst lange Verhandlungen pflegen, bis sie endlich die Erlaubnis erhielten. Denn Johann Albrecht wollte nicht, daß seinen Landleuten daraus Schwierigkeiten bei ihren Feldarbeiten erwüchsen, und ihre Bitte wurde ihnen auch nur unter der Bedingung gewährt, daß sie zwischen den Schleusen "den Strom aufräumen und reinigen" ließen, damit er in seinem natürlichen Bette Platz habe, und damit das Land vor Überschwemmungen bewahrt bleibe.

Der Bandekower See litt besonders stark an Untiefen. Über die Ursache der Flußversandung war man sich damals noch nicht recht klar. So werden in einem Bericht von 1581 32 ) zwei sich widerstreitende Ansichten über die Versandung im Bandekower See mitgeteilt. Die einen geben den Schleusen schuld, daß sie den Sand aufhäuften, die andern finden, daß gerade die Schleusen den Sand vom Bandekower See fort nach der Elbe zu treiben.

Einen großen Reiz der mecklenburgischen Flüsse bilden die zahlreichen Mühlen, die als Öl=, als Walk=, als Getreidemühlen die Ufer schmücken. Auch an der Schale finden wir einige. Die bekanntesten sind die Blüchermühle, die Walkmühle bei Kölzin, die Schildmühle am Mühlengraben östlich der Schale und die Schalmühle selbst am Ausfluß aus dem See. Obgleich in den Verträgen ausdrücklich betont war, daß nur das Recht zu Wasserbauten und zum Schiffen abgetreten werde, nicht aber mecklenburgischer Grund und Boden, so suchten die Lüneburger selbstverständlich sehr bald Anlegestellen zu erwerben. Denn das Schiffen ging damals langsam vor sich, besonders, da nur alle zwei Tage geschleust werden sollte und es in der Praxis unregelmäßig, ganz nach dem Belieben der Zöllner und Schleusenmeister geschah, und außerdem wollte man auch unterwegs Handel treiben.

Die erste Veranlassung zum Ankauf gab ihnen der Zoll, den sie zu Kölzin erheben mußten. Deswegen brauchten sie ein Zollhaus, wozu die Walkmühle vortrefflich paßte, besonders auch, weil dort bereits eine Schleuse war. Die Herzöge, die in fortwährender Verlegenheit um bares Geld waren, ergriffen gern


31) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L.
32) Salinaria 305, L.
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jede Gelegenheit, um sich solches zu verschaffen. Infolgedessen wurde 1561 33 ) abgemacht: "Die Walckmühle belangend, haben die von Lüneburg sich mit uns verglichen und uns dafür 200 Gld. in Münze vergnuget, dagegen wir ihnen berührte Walckmühle mit ihrem Gebäu und Aalkisten zugestellet, auch den Müller ohne ihr Zutun befriediget, also daß sie die Mühlen zu einer Schleusen und das Haus zu einer Wohnung und Zollhaus ohne jedermanns Verhinderung geruhiglichen gebrauchen sollen und mögen."

Viel wichtiger noch als die Walkmühle war die Erwerbung der Schalmühle 1592 von Herzog Johann. Einmal war es ihre den Fluß beherrschende Lage an seinem Austritt aus dem See und zum andern die reichen dazugehörigen Ländereien, die ihren Besitz an sich so wertvoll machten. Der Herzog verkaufte sie auf 16 Jahre 34 ) "zusamt der dabei gelegenen Oelmühlen, allermaßen aber die in ihrem Umkreis, Ackern, Grenzen und Gegenden auf der Schale belegenen, mit aller Gerechtigkeit pertinentiae zugehörigen Fischereien und Aalfang, zusamt aus dem See fließendem Bache von oben an bis hintenwärts auf die Pamperinische Schleuse, also daß darin, wie denn auch dafür sonst niemand, denn allein gemelter Rat zu fischen oder einige Aalkörbe zu legen, befugt sein, Macht und Gewalt haben, sondern ihnen ganz und gar frei und unstreitig die vorgeschriebenen Jahre unbekümmert und unbeschweret sein und gelassen werden soll, ebenso wie ihren Vorfahren und Bernhard Winterfeld, um 6000 volle und Wohlgeltende Rthlr." Herzog Johann bekam die Summe sofort ausgezahlt, und er wandte sie, wie man liest, im Amte Strelitz an. Außerdem machte er sich aus, daß während der 16 Jahre das Korn, so er auf seinem Hause zu Zarrentin habe, unentgeltlich in der Schalmühle gemahlen werde. Dafür durften sie auch die Mühle auf seine Kosten reparieren lassen. 1594 war die Pacht mit den Winterfelds abgelaufen, von da ab bis 1610 ging die Mühle vorläufig in die Hände des Rats zu Lüneburg über. Nach Erlöschen der Vereinbarung können die Lüneburger dem Herzog die Mühle wieder verkaufen, aber sie sind dazu nur dann verpflichtet, wenn er die Baukosten tatsächlich bezahlt hat. Sollte die Mühle durch irgend ein Unglück ihnen nicht eingeräumt werden können, so sollen sie den Elbzoll zu Dömitz erhalten, so lange, bis sie ihr Kapital und die Zinsen heraushaben. Denn sie haben die 6000 Rthlr. schon 1592 bar vorausbezahlt.


33) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
34) Gerechtsame der Stadt L. m sp. Schalfahrt 1, L.
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Die Schalmühle befand sich in schlechtem Zustand. Der Neubau, der notwendig unternommen werden mußte, dauerte von 1594-1596, für eine Mühlenanlage eine ziemlich lange Zeit. Aber der Winter, die Ernte im Sommer, Ostern und Pfingsten sind keine Arbeitszeit für Bauhandwerker.

Wir sind über den Bau ganz genau unterrichtet durch: "die Rechnungen von Erbauung der Schalmölen" 35 ), die von einem Remmert von Ridtberch ausgegeben sind, durch Beschreibungen und zahlreiche Zeichnungen sowohl des Gebäudes als auch der Mühlenkonstruktion. Zunächst handelt es sich um den Bau des Mühlenhauses, der Ende Mai 1594 in Angriff genommen wird. Da bittet der Rat um 300 Faden Bauholz vom Boissower Holze. Es wird geliefert als Holz zu Dielen, als Bauholz, als Armholz und für Schutzbretter, alles in allem für 84 M 3 ß 9 Währung . Dazu werden auch gleich Schmiedewaren besorgt, als da sind: alle Arten von Nägeln, Haken, Wellbändern, Zapfen, Haspeln, Krampen an die Kisten, Kettenseile und eiserne Barren, für einen Betrag von 65 M 14 ß 8 Währung . Im Hochsommer 1595 und im Frühjahr 1596 werden dann die Decken, Türen und Latten angefertigt, mit den Schneidelöhnen stellen sich diese Zimmerarbeiten auf 101 M 0 ß 3 Währung . Die Mühle wird nun aufgebaut und das Mühlenwerk hergestellt. Im Jahre 1594 werden vom Juni ab, wenn auch nicht hintereinander weg, so doch im ganzen 16 Wochen gearbeitet, und zwar von den betreffenden Meistern. Die Zahl ihrer Knechte ist verschieden, es sind deren bis zu sieben verzeichnet. Die Arbeiter sind uns genau bekannt, sogar mit Namen. Da ist zunächst Hans Gastenkamp, der Schleusenmeister, Meister Hinrich Schulte und Berndt Schirewater, der Zimmermacher, und Christoffer Ringemoidt, der Maurermeister. Sie sind alle Lüneburger Handwerksmeister, die mit ihren Knechten und "Plegern", wie die Handlanger heißen, jedesmal zur Arbeit an der Mühle herüber gewandert kommen. Der Arbeitslohn für den Meister beträgt 8 ß täglich, die Löhne für die Knechte schwanken zwischen 5 und 7 ß täglich. Nur ganz selten wurden 3 ß gegeben, im Durchschnitt ist als der niedrigste Tagelohn 5 ß anzusehen. Interessant ist dabei, daß Ringemoidt seine Frau 14 Tage lang als Pleger beschäftigt und daß ihr die Arbeit mit nur 4 ß täglich bezahlt wird! Für das Rammen holen sich die Arbeiter einige Schifferknechte, die wie heute, so auch damals schon für ihre Aushülfedienste mit Freibier und


35) Salinaria 73, L.
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Trinkgeld gelohnt werden. Mit ihrer Hülfe wird das Grundwerk gelegt, und dazu werden für die Teile im Wasser vier Tonnen Teer verbraucht. Hans Gastenkamp arbeitet an der Walke, der Ölmühle und der so wichtigen Aalkiste. Im Hochsommer 1596 kommen noch einmal sämtliche Handwerker nach der Mühle, um die letzte Hand an die Fertigstellung des Baues zu legen. Die alte Stube wird gedeckt und "gewipt", es wird ein Kachelofen gesetzt, und der Glaser hängt die 20 Fenster mit eisernen Haken ein. Es wird ein Mühlstein herbeigeschafft, was aus dem dafür verzeichneten Trinkgelde zu ersehen ist, und es wird eine Scheune für Zarrentin angelegt. Damit wäre der ganze Bau fertiggestellt, alles auf Kosten des Herzogs. Das Material und die Arbeitslöhne machen 1594 = 452 M 1 ß 11 Währung aus und 1595/96 = 441 M 8 ß 1 Währung . Die letzten Löhne und Lieferungen stellten sich auf 288 M 11 ß 9 Währung = ist Summa:

1182 M 5 ß 9 Währung . Davon gehen 100 Tlr. = 206 M 4 ß (2 Währung ) ab, die vom Bürgermeister dazugezahlt Werden = 976 M 1 ß 9 Währung . Also hatte der Herzog für den Neubau ungefähr 1000 M zu zahlen.

Zu dieser außerordentlich vorteilhaften Erwerbung brachten es die Lüneburger aber erst 1594. Zu Beginn der Schalfahrt suchten sie sich den notwendigen Besitz zu verschaffen, nämlich Plätze, auf denen sie das gekaufte Holz, ehe es zum Verschiffen kam, aufstapeln konnten. Darum baten sie 1564 36 ), Holzhuden und Niederlagen machen zu dürfen mit kleiner Wohnung für die Schleusenwärter, und Johann Albrecht befahl seinen Beamten, ihnen die Plätze auszusuchen. Wie sich damals alles verzögerte, so auch dies. Deshalb wurden sie noch einmal dringender vorstellig, die Plätze bald zu bestimmen, weil die Schleusentore vor Eis geschützt und hochgezogen werden müssen.

Wie sehr man darauf aus war, die Hudenplätze zu Ansiedlungen zu benutzen, geht aus der immer wiederkehrenden Bitte der Hudenleute, sich etwas Vieh halten zu dürfen, hervor. Diese Bitte wird immer wieder abgeschlagen, und das Verbot ebenso oft heimlich übertreten. Als daher 1564 37 ) die Herzöge Wilhelm und Heinrich von Braunschweig in ihrem Amte Bleckede am Schwarzen Wasser in der Teldau einen Holzplatz verkaufen, machen sie sich ausdrücklich aus, daß der Platz nur für das Holz da ist, und daß niemand darauf gesetzt wird, der Vieh, Gänse,


36) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4. L.
37) Salinaria 301, L.
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Enten oder Hühner hält. Sie verkauften ihn für viertehalbhundert Taler mit einem jährlichen Erbzins von 30 M lübisch, zahlbar zwischen Michaelis (29. September) und Martini (11. November). Im Jahre 1574 38 ) verschaffte sich der Lüneburger Rat noch einen Holzplatz an der Wappau, und so war er auf der ganzen Strecke vom Schalsee bis zur Mündung in die Elbe mit Niederlagen versehen.

Selbstverständlich wollten die Boizenburger den Lüneburgern nicht nachstehen. Auch sie bewarben sich um Stapelplätze. Ihre Eingaben waren von Erfolg gekrönt, z. B. 1587 39 ), wenn es heißt: Die Boizenburger sollen zu Aufsetzung ihres von oben gebrachten Holzes eine Hude auf der Heide unter der Schalmühle haben und behalten. Um den Lüneburgern auch auf der unteren Sude nicht nachzustehen und um sich vor Diebereien zu sichern, bat das Schiffamt 1599 40 ) um Anweisung einer Stelle am Bandekower See zur Erbauung eines Katens. Herzog Ulrich gab die Erlaubnis für den Fall daß sie den Schuppen auf eigne Kosten erbauten. Diese Holzhuden mußten gewöhnlich nach Anweisung angelegt werden. Eine solche gibt die Bestimmung von 1567 41 ) für die Hude bei der Blücherschiffschleuse. "Sie muß mit notwendigen Dämmen und Zäunen umgeben sein. Der Zaun soll auch mit Rat des Amtmannes allhier soweit vom Wasser weggesetzt werden, daß ein geraumer Mühlenweg, zum wenigsten zu zweien Wagen des Orts bleiben möge."

Überhaupt waren sowohl die Herzöge als auch die Bewohner der Ortschaften an der Schale und Sude eifrig darauf bedacht, daß durch die Schiffahrt und die Schleusenanlagen nicht etwa die Verbindung zwischen Ost und West unterbrochen werde. Im Laufe der Jahre entstanden eine Menge Brücken, so bei Zarrentin, bei Kogel, bei Bennin, bei Bengerstorf, bei Zahrensdorf, bei Blücher, bei Gülze und über die Sude bei Bandekow. Diese sind die größeren Brücken, durch welche die direkten Landstraßen vom Osten des Herzogtums her nach der Elbe und dem Süden zu weiter geführt werden. Außerdem werden immer wieder Brücken an jeder Dorfstelle gefordert, ganz besonders dringend für die Sude. Als Grund geben 1567 42 ) Herzog Ulrich und die Leute


38) Salinaria 301, L.
39) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L.
40) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
41) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
42) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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von Gülze und Bandekow an, daß die Furt durch die dritte zu erbauende Schleuse zu tief werden würde, und es darum vonnöten sei, daß man jeder Dorfstelle, Bandekow und Gülze, eine Brücke des Orts über das Wasser, die Sude=Schale genannt, erbaue. Sonst müsse zur Zeit der Ernte die Schleuse so gestaut werden, daß die Überfuhr nicht gehindert erde.

Dieser eine Fall spricht für die andern. Durch die Schleusenanlagen waren die Landleute der Furten nicht mehr sicher, und um sich Umwege zu ersparen, verlangten sie Brücken. Hin und wieder waren auch die bestehenden Brücken den Verhältnissen nicht entsprechend, was besonders bei der Gülzer Brücke zutreffend war. 43 ) Der wandernde Mann und die Fuhrleute beschwerten sich darüber, daß, wenn sie sich mit Getreide und Korn nach Lüneburg begeben wollten, sie dann Hindernisse hätten an der Gülzer Brücke vor der Teldau. Besonders, wenn großes Wasser wäre, sei die Brücke schon mehrmals abgeworfen worden, so daß sie den Heerweg gehen mußten, was ihnen große Unkosten verursacht hätte. Was die großen Wasser anlangt, so war gerade diese Gegend, Gülze, Bandekow und weiter nach Süden zu in die Teldau hinein eine von Unwettern häufig heimgesuchte. Die Elbe brach des öfteren aus ihren Ufern und einmal so verheerend, daß Herzog Ulrich 44 ) an die Anlage eines Abzugskanals nach dem Schwarzen Wasser zu dachte und Vermessungsbeamte in die Teldau schickte.

Über die Art der Brücken sind wir wenig orientiert. Wahrscheinlich sind vielfach Ketten= oder Zugbrücken in Anwendung gekommen. Wir entnehmen das aus einer Bemerkung in Salinaria 301, 45 ) in welcher der Rat von Lüneburg sich einverstanden erklärt, den Mecklenburgern auf ihr vielfaches Bitten die Ketten= oder Zugbrücke zu Gülze zu gewähren. Sie sowohl als auch die unaufziehbaren Brücken sind von Holz, niedrig und kaum gebogen, kaum gewölbt. Die fürstlichen Herrschaften ihrerseits setzten es durch, daß Fähren gehalten wurden, eine solche war zum Beispiel im Schwarzen Wasser bei Wappau für die Herzogin von Mecklenburg. 46 ) In der Nachricht darüber heißt es, es solle ein Prahm verfertiget werden, damit man einen Wagen mit zwei oder drei Pferden überholen könne.


43) Salinaria 307, L.
44) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
45) L.
46) Salinaria 308, L.
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Sollte hingegen der Verkehr auf dem Flusse gesperrt werden, sei es, daß man Diebereien verhindern, sei es, daß man die Schiffsfahrt untersagen wollte, so legte man einen Baum quer über den Fluß, wie dies zu Wappau geschah Wegen der Holzdiebe oder zu Bennin auf Befehl Herzog Christophs.

Der Rat zu Lüneburg mußte die Brücken erbauen und erhalten auf seine Kosten für und für. Sehr bald stellte sich jedoch für die Lüneburger heraus, daß es außerordentlich unbequem war, fortwährend Arbeiter zu den Reparaturen an die Schale zu schicken. Sie übertrugen deshalb ihre Verpflichtung auf das Amt zu Boizenburg, indem sie sich durch bestimmte jährliche Geldzahlungen ablösten. Die Gelegenheit dazu fand sich bei den Besprechungen wegen der Unterhaltung der drei Brücken zu Blücher, Zahrensdorf und Bennin und wegen Erbauung der neuen Brücke in Gülze und Bandekow. 47 )

"Weil die Lüneburger schuldig sind, sie zu unterhalten, und weil sie des Orts kein Holz und keine Dienste haben, haben sie versprochen zu einer jeden jährlich 10 Gulden den Amtmännern zu Boizenburg auf Martini zu erlegen und zu bezahlen. Da es aber noch nicht nötig, zwei Brücken in Gülzow und Bandekow vermöge des 1567 aufgestellten Vertrages anzurichten und doch daselbst den armen Leuten, wenn die Schleusen eröffnet und aufgezogen, beschwerlich fürfallet, ihr Vieh und Kähne durch die gewöhnlichen Fohrde zu bringen, also ist von den Lüneburgern eingewilliget, daß sie die Brücke, soweit der rechte Strom und Schiffen gehen, zwischen obgemelte Dörfer Gülzow und Bandekow, da es ihnen am gelegensten sein wird, auf ihre Unkosten wollen erbauen."

Herzog Ulrich stand ihnen wie immer mit Hülfeleistungen bei. Er schenkte ihnen zu dem Behufe zehn Stück Hölzer und gab den Befehl, die Bauern sollten an beiden obberührten Dörfern an den Ufern des Ortes, da die Brücken gelegt werden, bis an den Strom zu bollwerken schuldig sein und sich dann zugleich derselbigen Brücken ihrer Gelegenheit und Notdurft nach bei Winters= und Sommerszeit neben den gewöhnlichen Furten gebrauchen. Sollte eine Brücke zu Bandekow sich doch noch als nötig erweisen, so müssen die Lüneburger die zehn Gulden jährlich einzahlen.

Auf der Schale verkehrten nur kleine Lastschiffe, Prahme, Ewer und "Steckelschiffe". Von den Prahmen erfahren wir aus


47) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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einer Nachricht des Jahres 1669: 48 ) "Es dienet zu berichten, daß der Rat vor vielen Jahren einige Schiffe, Prahmen genannt, gleich den Boizenburgern zu Anbringung des Holzes auf der Schale in der Fahrt gehabt, welche aber, nachdem die Flößung aufgekommen, nicht mehr gebraucht worden, und daher meistens verdorben und liegen im Grunde im Wasser." Der betriebsame Berichterstatter gibt weiter ihre Wiederverwendung an: "Es seind aber von etlichen der unterste Boden noch gut und könnte ein oder anderes noch wohl wieder in stand gebracht und, wann über kurz oder lang Sülfmeister einige Partien Holz Jenseits der Schalsee erhandelten, solches damit angebracht werden, damit ihre Gerechtigkeit, den Schalsee zu befahren, von den Boizenburgern nicht disputieret werden könnte."

Die Prahme waren flache, schmale Kähne zum Befördern schwerer Lasten. Sie hatten eine Größe von ungefähr 19 m Länge, 3,24 m Breite, 0,86 m Bordhöhe und 0,41 bis 0,43 m Tiefgang. Sie konnten etwa 12,5 Tonnen laden. Es hing gänzlich von dem Willen des Landesherrn ab, mit welcher Art von Kähnen man fahren durfte. So erlaubte Herzog Heinrich 49 ) den Boizenburgern nicht mit eigenen Booten, sondern nur mit Boizenburger Prahmen über das Schwarze Wasser zu fahren.

Neben den Prahmen waren auf der Schale auch die Ewer gestattet. Diese waren zweimastige Segelboote, die besonders an der Küste, aber auch, wie hier, auf den Binnengewässern ihre Verwendung fanden.

Eine dritte Art, die "Steckelschiffe", lernen wir nur aus der Zolltaxe 50 ) kennen, nach der sie auf und tal 5 ß kosteten, während die Lübecker und Boizenburger Prahme 10 ß zahlen mußten. Sie wurden mit langen Stangen - wie es heute noch im Spreewald allgemein üblich ist - fortbewegt.

So klein diese Fahrzeuge an sich schon waren, so waren sie doch immer noch viel zu groß, als daß sie ohne Schleusenstauung die Fahrt hätten machen können. Trotz der zahlreichen Wasserbauten gab es doch noch etliche seichte Stellen, die nur umgangen werden konnten. Es blieb nichts anderes übrig, als die Waren umzuladen. Dies wurde z. B. bei Bandekow nötig. "Weil die Bandekower Schleuse vermöge 1581 aufgerichteten Vertrages 51 )


48) Salinaria 74 b, L.
49) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
50) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
51) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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ohne äußerste Not nicht kann noch mag gestauet werden und also das Wasser des Orts so klein und gering ist, daß sie mit vollen, geladenen Schiffen nicht durchfahren können, so pflegen sie allda die Schiffe zu leichten und das Holz zum Teil auszuladen und auf dem Ufer der Schale [= Sude, Unterlauf] aufzusetzen und hernach zu holen." Diese Leichtungs= und Umladestellen wuchsen sich sehr bald zu Stapelplätzen aus, da das Holz oft längere Zeit lagern mußte, Weil es nicht sofort abgeholt wurde oder abgeholt werden konnte. So natürlich auch dieser Vorgang erscheint, so wenig war er doch nach dem Sinne der Mecklenburger und ihrer Herzöge. Sie wollten die Stapelplätze nur bei den Zollstellen gestatten, weil sie dann unter ihrer amtlichen Aufsicht standen, was zur Vermeidung der so häufigen Unterschleife sehr erwünscht war.

Die Kähne waren persönliches Eigentum und wurden als solches besonders vom Gesetz geschützt. Es durfte niemand des andern Schiffe ohne des Schiffherrn Wissen und Willen antasten und gebrauchen bei willkürlicher Strafe, jedoch so eine solche Wassersnot sich beweislich zutrüge, daß jemand sich der Hinwegtreibung seines Holzes zu befürchten hätte, so sollte ihm unbenommen sein, des andern Schiffe zu gebrauchen. Wenn etwa in solcher Not und Gebrauch des andern Schiff beschädigt würde, sollte er den Schaden bessern, würde aber hinwider gehandelt und der Amtmann des Orts dessen berichtet, so sollte er Strafe zahlen.

War die Art der Schiffe genau vorgeschrieben, so mußte sich auch jeder, der schiffen wollte, erst privilegieren lassen. Wie es in der Bestimmung heißt: "Auf der Schale und dem Schalsee sollen keine Schiffe, denn die darauf privilegiert sein, als nämlich von Bürgern zu Lüneburg und Boizenburger Schiffamtsbrüdern gehalten und geführt werden bei Verlust der Schiffe und des Holzes, aber auch niemand denn ein Lüneburger oder Boizenburger Bürger den Holzkauf auf der Schale treiben soll."

Im folgenden Jahrhundert erzählt uns einer der Zöllner zu Kölzin, daß der Kaufleute Schiffe über zehn Jahre auf dem Schalsee nicht gebräuchlich, weil die Schiffahrt auf dem Schalsee später abnahm und zeitweise sogar ganz aufhörte. Damals mußten sich die Kaufleute zum Wiederbeginn der Schiffahrt neue Kähne bauen lassen. Nur zwei der alten, auf dem Grunde des Sees gefundenen Schiffe konnten neu vorgerichtet werden. Sie wurden denn auch sofort angekauft.

Mit den oben erwähnten Schiffen fuhr man nun seit Fertigstellung der Schalfahrt die Strecke Schalsee-Zarrentin bis

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zur Elbe nach Boizenburg. Denn zu einer Schiffahrt war die Schale hergerichtet worden, das wird bei jeder Gelegenheit ausdrücklich betont. Zu diesem Zwecke hatte man sich die Privilegien verschafft und nicht zur Flößung, die schon immer im Gange gewesen war. Da die Lüneburger nicht dabei bleiben, sondern durchaus eine Schiffahrt einrichten wollten, so mußten sie sich wohl für den Handel und vor allem für den Salzvertrieb große Vorteile versprechen. Sie wollten für ihre Salzausfuhr neue Wege öffnen. Nun stand der Lüneburger Salzhandel gerade in der Mitte des 16. Jahrhunderts unter einem ganz besonders ungünstigen Zeichen.

Um diese Zeit nämlich kam in Deutschland überall die Einfuhr des Seesalzes von der Küste des Atlantischen Ozeans auf. Das fremde Salz wurde bei uns an den verschiedensten Orten versotten und erhielt den Namen Bai= oder Boysalz nach der westfranzösischen Bai Bourgneuf, von der aus es schon seit dem Ende des 14. Jahrhunderts nach Danzig gebracht wurde. Als aber von 1546 ab das Baisalz durch holländische Schiffe nach Stettin und anderen deutschen Hafenplätzen geführt wurde, gaben diese den Zwischenhandel mit dem einheimischen Salze nach dem Norden zumeist auf, was für Lüneburg einen argen Ausfall bedeutete.

Wenn auch in Mecklenburg zunächst der Handel mit dem fremden Salze verboten ward, in der Stadt Wismar fand das Baisalz schließlich doch Eingang, und damit war die Hoffnung der Lüneburger, daß ihr Salz auf dieser Schiffahrt, will sagen der Schalfahrt, einen guten "schlet" haben sollte, zunichte gemacht. Sie klagen, das Salz habe keinen Abgang mehr, es sei auch noch kein Salz geführt worden, als was gerade zur Lieferung der Schiffahrt, d. h. für den Inlandshandel, gebraucht wurde.

Einen gewissen Einblick in die Salzlieferungen nach Mecklenburg gewinnen wir durch die Rechnungen des Herzogs Ulrich 52 ). Er bestellt bei dem Rat der Stadt, was er für seine Hofhaltung und seine Ämter gebraucht. Es sind daher große Posten, die er sich kommen läßt. Gewöhnlich 30 Last, manchmal auch nur 15 Last. Rechnet man die Last zu 33 hl, so wären 30 Last = 990 hl; oder die Last zu 3000 kg gerechnet, dann stellte sich der Posten auf 90 000 kg oder 180 000 Pfund. Die Belege sind leider zu lückenhaft, als daß man mit Bestimmtheit


52) Salinaria 119, L.
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sagen könnte, in welchem Zeitraum er seine Bestellung wiederholt. Es scheint, alle zwei Jahre. Als guter Hauswirt sieht er zu, daß er seine Ware billig erhält, er läßt handeln und den Preis für sich drücken. Fast bei jedem Auftrag macht er sich vorher aus, daß er das Salz gegen "gebührliche" und "billige" Zahlung geliefert bekomme. Da er sich weitläufige Verhandlungen nicht verdrießen läßt, gelingt es ihm auch meist, obgleich der Rat zu Lüneburg ebenso das seine versucht, wie aus der Beschwerde des Bartold Hardecke, des Küchenmeisters zu Witten= bürg, hervorgeht, der 1573 Klage führt, daß die Tonne Salz 6 ß teurer fei als zuvor und energisch Abstellung für den Herzog verlangt oder eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung, damit er seinem gnädigen pursten und Herrn eine beweisliche Meldung machen könne.

Herzog Ulrich will nicht nur billig, sondern auch gut einkaufen. Er macht daher seine Bestellungen im Winter, zwischen Januar und März, zu der Zeit, wenn das neue Salz eben gesotten aus der Sülze kommt. Selbstverständlich verlangt er, daß ihm von diesem frischen Salze geschickt werde, während die Lüneburger natürlich lieber ihre alten Vorräte erst ausverkauften, was sie ihm 1575 ganz offen mitteilen: Sie werden ihm von dem neuen Salze schicken, "obgleich wir zu dieser Zeit des Jahres nicht gern schon das neue Salz abgeben."

Als weitere Vergünstigung erbittet sich Ulrich jedesmal von neuem, daß seine Boizenburger Amtleute persönlich aus der Sülze in der Stadt das Salz einkaufen dürfen und daß dieses dann möglichst billig nach Mecklenburg verfrachtet werde; sei es, daß der Rat den Boizenburgern gestattete, das Salz selbst aus der Stadt hinauszuführen, sei es, daß die Lüneburger Fahrgelegenheiten bewilligen mußten, und wenn es auch nur die z. B. 1575 unentgeltlich gewährte Erlaubnis war, das Salz aus der Elbe die Lüneburger Strecke von Lauenburg bis gen Boizenburg verschiffen zu dürfen.

Dadurch, daß die Amtleute häufig den Einkauf selbst besorgten, geschah es, daß die Mecklenburger zwar ihren Salzbedarf billig und gut decken konnten, daß aber der Rat außer dem baren Geldgewinn einen besonderen Vorteil von diesem Kaufe nicht mehr hatte. Die Lüneburger forderten darum 1576 von Herzog Ulrich, in künftiger Zeit möge er dafür sorgen, daß das Salz hinfürder zu Wagen und gegen Zufuhr Korns und anderer Ware ihrem althergebrachten und wohlhergebrachten Gebrauche nach abgeholt und zu weiterer Neuerung dadurch bei

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ihren Bürgern keine Ursache gegeben werden möge. Von diesem alten Brauche spricht schon Herzog Heinrich von Mecklenburg=Schwerin in einer Urkunde vom April 1526, in der es heißt, daß die Mecklenburger Roggen und anderes ihrer Hantierung nach Lüneburg führen und dafür Salz wegnehmen. Die Lüneburger wünschten eben Handel mit Aus= und Einfuhr und machten deswegen den Herzögen bei der Abgabe des Salzes hin und wieder Schwierigkeiten. Trotzdem hielten diese für ihr Land an dem einheimischen Salze fest. Herzog Ulrich erklärte sogar dem Rate von Lüneburg 1576 53 ), er suspendiere von diesem bis auf nächstes Pfingsten das Verbot der Schiffahrt auf der Schale, weil er für seine Hofhaltung und seine Ämter vom Salz auf der Sülze in der Stadt kaufen wollte. Er suchte nun um die Erlaubnis nach, es auch "gutwillig" und "ohne Limitation" herausführen zu dürfen.

Tatsächlich also deckten die Mecklenburger ihren Salzbedarf weiter von Lüneburg her, doch konnte dieses Ergebnis der Schalfahrt weder den Rat noch die Sülfmeister zufriedenstellen. Sie hatten auf den Wismarer Zwischenhandel gerechnet oder noch besser auf den eignen Seehandel über Wismar, den ihnen das notwendige Nahrungsmittel, das Salz, verschaffen sollte. Aber die Küste und ihre Städte: Danzig, Stettin, Hamburg, Lübeck, Wismar wurde ihnen durch das Baisalz allmählich verschlossen, und so blieben sie auf den Binnenhandel beschränkt, der aber als reiner Ausfuhrhandel nicht genug Gewinn brachte.

Freilich hatten sie sowohl als auch die Herzöge gehofft, daß die Schalfahrt zum Handel noch mit anderen Waren Veranlassung geben würde, wie man dies aus der Zollrolle Johann Albrechts von 1564 54 ) ersieht. Es ist eine lange Liste von Waren, die der Herzog aufsetzte. Aus ihr entnehmen wir, daß er durch die Schalfahrt einen regen Ein= und Ausfuhrverkehr mit allerlei Erzeugnissen erwartete. Er glaubte, die Lüneburger würden Fettwaren, Fleisch, gesalzene Heringe, Gewürze, Metallwaren, Mühlsteine und Leinwand zum Verkaufe bringen und den Mecklenburgern dafür ihr Leder, ihre Wolfs= und Fuchsbälge, ihre Gerste, ihren Hafer, ihren Roggen und ihren Weizen abnehmen. Beide Teile sahen sich darin schwer getäuscht. Die Macht der ganz veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse war stärker als sie.


53) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
54) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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Aus mancherlei Gründen kam dieser Handel nicht recht in Fluß. Einmal hatte der europäische Handel überhaupt sich verschoben. Statt nach dem Norden und Osten ging der Zug jetzt nach dem Westen. Die Ostsee hatte bereits ihre große Bedeutung als Handelsmeer eingebüßt. Handel und Verkehr hatten neue Wege gefunden, und die alte Blüte ließ sich nicht wieder zurückzaubern.

Aber auch der inländische Handel stand unter einem Drucke. Die Eifersucht der Boizenburger wollte den Lüneburgern nur den Einkauf, soweit er zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse diente, gestatten, untersagte ihnen jedoch den Innenhandel auf das energischste. Sie hielten darauf, daß die Lüneburger keine Heringe, Butter, Käse und dergleichen ins Land und kein Korn, keine Gerste oder anderes aus dem Lande zu Markte führten. Bürgermeister und Ratmannen der Stadt Lüneburg verwahrten sich 1564 55 ) gegen solches Vorgehen. Sie seien verklagt worden, im Amte Wittenburg zu Kölzin einen Stapel für Salz und andere Waren zu haben den Boizenburgern zum Schaden. Und kurz und bündig lautete ihre Antwort, es sei ihnen nicht in den Sinn gestiegen, ihnen zu schaden; weswegen aber sei sonst die Wasserfahrt gemacht, als um Handel zu treiben? Trotzdem blieb es im großen und ganzen dabei, daß die Lüneburger ihre Salzschiffe auf der Rückfahrt mit Waren, die zum Gebrauche im Haushalt der betreffenden Schiffsherren oder Schiffer dienen sollten, befrachteten. Nur ein Handel konnte mit Eifer betrieben werden, und zwar der mit Holz.

Wenn sich auch die Handelsverbindungen, die man von der Schalfahrt erhofft hatte, nicht bilden wollten, so entwickelte sich dafür der Holzhandel, der schon vorher im Gange gewesen war, zu erneuter Blüte. An den Ufern der Schale und ganz besonders um den Schalsee herum befanden sich ausgedehnte Forsten. Da waren der Tessiner Wald, der bei Techin, bei Testorf, der Bernstorfer Forst, die Holzungen der Herren von Lützow bei Dutzow, dann im Nordwesten des Sees die sächsischen Waldungen, wie der mehrfach erwähnte "schöne" Wald.

Der Wald war ebenso wie der Fluß fürstliches Regal. Deshalb mußte jeder Untertan, der Holzhandel treiben wollte, sich dafür privilegieren lassen, um wieviel mehr die Lüneburger. Die nachgesuchte Erlaubnis wurde ihnen bewilligt, aber nur für den Handel mit Brennholz. Obgleich diese Beschränkung mit


55) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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klaren Worten ausdrücklich festgesetzt worden war, ließen sie sich doch fortwährend hinreißen, auch besseres Holz zum Verkauf zu entfernen. Daher wurden ihnen ihre Privilegien im Laufe der Jahre mehr als Mahnung gegen Übergriffe immer wieder erneuert. So im Jahre 1575, wenn es heißt 56 ): "Ein jeder Lüneburger Bürger oder Einwohner, der mit Holzkauf handelt, bei Strafe von 300 Thlr. auch Verlust des Holzes und dessen Wertes soll sich alles Eichen= und Buchenholzes, so auf den Stämmen steht, als auch dessen, so frisch und gesund von denen vom Adel, Bürgern oder Bauern heimlich oder öffentlich niedergehauen wird, enthalten und ohne des Herzogs Bewilligung nicht kaufen; aber alt Lagerholz, droege, stehende Stämme und was der Wind an Eichen und Buchen niederschlägt, sowohl als frisch stehende Birken durch gemelte Schalenfahrt gegen Entrichtung gebührlicher Zölle zubringen und auszuschiffen frei und offen stehen." Die Herzöge wollten durch diese Bestimmung weniger ihren Nutzwald als ihr Wild und ihre Jagd schützen. Der Hochwald, die Eichen und Buchen mit ihren nahrhaften Früchten, sollte für die Tiere des Waldes vor der Verwüstung durch die Holzhauer behütet werden. Hagebuchen aber, Eschen, Ellern, Birken und anderes Holz, so keine Mast trägt, sollte ihnen ohne der Fürsten Verhinderung zu kaufen freistehen.

Ein anderes sehr wichtiges Recht, das sie auch erhielten, bald auf kurze Zeit, bald nur für bestimmte Orte, ein Recht, das ihnen immer wieder bestritten wurde und das sie sich stets wieder von neuem erkämpften, war das des Verkaufs oder, wie es damals hieß, des Fürkaufs. Sie erhielten es beispielsweise 1585 57 ) von Franz von Lauenburg für den Techiner Forst. Von den Mecklenburger Herzögen hatten sie sich schon früher die Erlaubnis erwirkt, vor den Toren von Boizenburg Holz zu kaufen, Weil es längst alter Brauch gewesen sei. Es lag ihnen natürlich sehr viel an dieser Gerechtsame. Denn sie durften bei den Förstern und Holzsetzern im Walde ja eigentlich nur Bestellungen machen, da sie dort vom Stamme kaufen mußten, und das gehauene Holz am Platze ihnen verboten war. Das Recht des Fürkaufs wurde ihnen bestritten, weil sie auf diese Weise die Preise machten und den Boizenburgern den Handel aus der Hand nahmen; hatten sie doch schon, wie bereits oben erwähnt wurde, den Holzhandel nach Hamburg dadurch an sich gezogen.


56) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
57) Salinaria 300, L.
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Der Preis wurde nach Faden berechnet und war verschieden hoch. 1565 konnte man am Schalsee den Faden Holz am Platz noch für 8 ß erwerben. Gewiß ein niedriger Preis, selbst wenn man den Waldreichtum der Gegend in Betracht zieht. Denn die Lüneburger hatten Mangel an Holz. Die allgemeine Preissteigerung machte sich jedoch auch bei diesem Handelszweige bemerklich. 1588 58 ), also ungefähr 20 Jahre später, kosteten 1000 Faden Buchenholz 1000 M lübisch, und 1591 verkaufte Jochim Newhauß, Ratsverwandter zu Wittenburg, dem Rate zu Lüneburg 1200 Faden für 2400 Rthlr., also den Faden für 2 Rthlr. Aber das war eitel gutes und, wie es heißt, "klüftiges Buchenholz", das auf dem Stamm gegen bar Geld verkauft wurde. Wenn auch damals die Preise durchaus nicht fest waren, und sich bei den verschiedenen Münzsorten immer Differenzen ergaben, so zeigen doch diese drei Beispiele an, daß innerhalb von 26 Jahren ein Steigen des Preises von 8 ß = 1/2 M bis zu 2 Rthlr. = 4 M in der Tat möglich war. Oft wurde dann mit dem Hauen arg gezögert, so daß der Lüneburger Rat das Holz in manchem Fall selbst schlagen ließ und sich für das Haugeld in Holz bezahlt machte, damit er ohne Schaden davonkam.

Die kleinen Lieferungen betrugen mindestens 20-100 Faden, im Durchschnitt wurden 300-1000 Faden abgenommen, und die ganz großen Bestellungen beliefen sich auf 1500-3000 Faden. Dieses Holz wurde dann aus den Forsten an den Schalsee oder die Schale gebracht und von hier aus nach Lüneburg oder Hamburg verschifft. Da die Zahl der Kähne und später auch die Menge des zu flößenden Holzes eine beschränkte war, so mußte es am Ufer aufgestapelt und vor Dieben bewacht und vor Angebern beschützt werden. Letztere klagten gerne, es sei mehr Holz, als erlaubt oder bezahlt wäre, aus dem Walde geholt worden, was ja auch tatsächlich nur zu oft geschah. Darum wurden besondere Beamte angestellt, die den Holzkauf und Verkauf zu leiten und zu regeln hatten. Diese besonders dazu bestallten waren die sogenannten Holzsetzer 59 ). Häufig versahen allerdings die Förster und Forstbediensteten dieses Amt neben ihrem eignen. Aus dem Eid des Holzsetzers zu Kölzin entnehmen wir die Art seiner Tätigkeit 60 ). Er hatte das Holz unterschiedlich nach seiner Art zu setzen. Er hatte das Eichen und ander


58) Salinaria 300, L.
59) Holzsetzer schichtet = setzt das Holz nach Maß und in bestimmter Menge am Platze auf.
60) Salinaria 75 a, L.
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weich, auch gar zu olmich Holz zu großen Knubben und zu kleinen Knüppeln von dem Buchenfadenholz abzutun, auch desselben Buchenholz nichts in Faden setzen zu lassen, es habe denn seine rechte Länge von beiden Teilen, Lüneburg und Boizenburg, richtig erkannt, nämlich 2 Schuh. Was kürzer gehauen war, hatte er auszuschätzen und absonderlich auszusetzen. In der Höhe war das Stadische Maß zu messen.

Das Maß des Holzes gab zu manchem Streit Veranlassung. Es wurde allgemein das Kampmaß gefordert. Dieses sollte 2 Schuh = 0,58-0,60 m Länge haben. Als größere Einheit galt das Stader Fadenmaß zu 6 Schuh.

Leider können wir uns keinen genauen Überblick über die von den Lüneburgern entnommene Menge Holzes verschaffen. Die Zollrollen sind entweder überhaupt nicht oder nur sehr unvollständig vorhanden. Dazu kommt, daß nicht alles Holz, das die Lüneburger fortführten, in ihre Stadt ging. Denn so manches Hundert Faden wurde unterwegs verhandelt. Da das Mecklenburger Holz von den Sülfmeistern zum Heizen der Sülzen gekauft wurde, so hoffte man, in den Sootmeister= und Kämmereirechnungen Aufzeichnungen zu finden. Aber dort ist nur ganz selten angegeben, woher das gekaufte Holz stammt, und nur wenige Nummern geben das Schalgebiet an. Die "Sotmesterie Regnung" 61 ) gibt für die Jahre 1583-1585 Lieferungen von Boizenburg an Bau= und eichenem Dielenholze an, die einem Hans Augustin bezahlt werden, alles in allem rund 1300 M. Die Kämmereirechnungen 62 ) verzeichnen für 1585 6 Faden Birkenholz für 13 M 13 ß 0 Währung und ferner 104 Faden Birkenholz für 211 M 8 ß 0 Währung zum Bau des Rathauses, beide Posten vom Schalsee. Es folgen dann für die Jahre 1592 bis 1594 die Vermerke "etliche Faden Schalfahrtholz genommen", aber alle diese Belege geben uns keinen Aufschluß darüber, wieviel Holz in einem bestimmten Zeitraum überhaupt nach Lüneburg und wieviel davon als Brennholz in die Sülze geschickt wurde unter Benutzung der Schale.

Ehe die Schale eine Handelsstraße wurde, war sie schon in ausgiebiger Weise zur Flößerei benutzt worden. Nach Errichtung der Wasserbauten sollten nun die Güter per Schiff in das Land und das Holz ebenso aus dem Lande befördert werden. Aber bald stellte sich heraus, daß die Schiffahrt mit Holz selbst auf


61) De Annis 1582-85, L.
62) Kr. 1585, 1592, 1593, 1594, L.
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den flachen Prahmen und "Steckelschiffen" herzlich unbequem war. Man suchte deshalb um die Erlaubnis, das Holz wieder wie früher flößen zu dürfen, nach und erhielt sie auch. Da aber die Schale zur Schiffahrt und gleichzeitigen Flößung zu schmal war, wie es in dem Vergleich von 1587 63 ) heißt: "Zum vierten seint die Flößung und Schiffahrt nicht compatibilia, die miteinander zugleich könnten gebraucht werden, sondern das eine verhindert das andere, aber eine Schiffahrt kann neben der andern woll geschehen", so wurde der Verkehr auf dem Flusse genau nach der Zeit geregelt. Vom Jahre 1567 64 ) haben wir bereits eine Bestimmung, daß denen von Boizenburg zwischen Ostern und Pfingsten vier Wochen und drei Wochen vom S. Michaelistage zu flößen nachgelassen sei, was dann in dem gleichen Zeitraume auch den Lüneburgern gestattet wurde.

Die Schiffer sind noch heute ein unzuverlässiges Völkchen. Auf dem Wasser fühlen sie sich nicht nur sicher, sondern auch dem Gesetze überlegen. Auch damals waren sie auf ihren Vorteil bedacht. Sie dehnten daher die Flößungszeit nach Möglichkeit aus, auch wurde bei weitem mehr Holz gefällt, als eigentlich erlaubt war. Daher die zahlreichen gegenseitigen Klagen, daß die Schiffleute zu Boizenburg oder die zu Lüneburg sich der Flößung nicht begeben wollen. Herzog Ulrich schob die zutage tretenden Unzuträglichkeiten und den entstandenen Schaden auf die Schiffahrt und kassierte diese 1576 65 ) wegen des großen Schadens an Holz durch die Schiffleute. Da aber nachgewiesen wurde, daß der Wald mehr durch die Flößung als durch die Schiffahrt verwüstet werde, daß der Schaden an den Wasserwerken und die Ungerechtigkeiten in den Zöllen durch die Flößung verursacht seien, wurde das Schiffahrtsverbot wieder aufgehoben. Statt dessen wurde die Flößung untersagt, jedoch 1583 66 ) wieder angefangen. Sie ist seitdem noch öfters verboten, aber stets wieder gestattet worden. Um nun den dabei vorkommenden Unregelmäßigkeiten zu begegnen, wurden 1587 67 ) genaue Bestimmungen für den Flößungsverkehr getroffen.

Es lautet da unter Punkt 2: "Soviel aber die Flößung des Holzes von oben herab auf Kölzin zu betreffen tut, soll hinfüro jedes Teil die Lüneburger sowohl als die Boizenburger


63) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
64) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
65) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
66) Salinaria 309, L.
67) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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nicht mehr als 2000 Faden Holz flößen, zu welcher Durchflößung die Lüneburger den Boizenburgern die Schleusen öffnen und solches Holz sowohl als ihre Schiffe frei und ohne Entgelt, inmaßen bis dahero geschehen, durchpassieren lassen werden."

Für solches Entgegenkommen mußten sich die Boizenburger dem Rat erkenntlich erzeigen, und darum fährt Punkt 3 fort:

"Dagegen aber sollen die Boizenburger ihrer eignen Bewilligung nach den dritten Teil an ihnen zukommenden 2000 Faden des von oben herabgeflößten Holzes, oder da sie auch dessen weniger als 2000 Faden das Jahr über flößen würden, auf vorgehendes Anbieten den Lüneburgern zu Kauf geben, dergestalt, daß sie mehrerwähnten Lüneburgern solchen dritten Teil an dem Bandekower See liefern und dagegen ihnen die Zahlung geschoben soll in dem Wert und Preis, wie zu solcher Zeit das Holz zu Hamburg gilt, doch daß davon abgezogen werde soviel, als auf der Fracht vom Bandekower See an bis gen Hamburg aufgehen möchte, da sich aber ein Rat zu Lüneburg innerhalb 14 Tagen nach geschehenem solchen Anbieten nicht erklären würde, daß sie dergestalt das Holz bezahlen wollten, soll es denen von Boizenburg freistehen, ihres Gefallens dasselbe hernacher ferner zu verkaufen, wohin sie wollen."

Über die Flößungszeit wird bestimmt: "Wie dann auch sonsten das Flößen der 2000 Faden Holz vom Schalsee herab von beiden Teilen zu keiner andern Zeit im Jahr geschehen soll als von dem 1. Juli an bis auf den Tag Bartholomäi (24. Aug.), innerhalb welcher Zeit einer und der ander Teil sich danach zu achten, daß er seine 2000 Faden den vorigen Vergleichungen nach schichtweise herabbringen, damit sonst und zu andern Zeiten des Jahres die Schiffahrt durch das Flößen nicht verhindert werde."

Wenn nun die übrige Zeit des Jahres das Flößen verboten war, so konnte sich gegebenenfalls ein empfindlicher Holzmangel einstellen, wie man dies gerade vorher im Schalgebiet erlebt hatte. Es wurde deshalb weiter gestattet: "6. Denen von Boizenburg aber soll gleichwoll in vorfallendem Feuerschaden unbenommen sein, zu Wiedererbauung der verbrannten Gebäue auch Bauholz herabzuflößen, dessen sie sich sonsten, weil die Schleusen durch dasselbe Flößen verderbt werden, enthalten sollen. Wurde aber durch solches Flößen des Bauholzes in vorgedachtem Fall den Schleusen einiger Schaden zugefüget, soll derselbe von den Boizenburgern wieder erstattet werden."

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Da im großen und ganzen das Schiffamt durch die Lüneburger Schalfahrt doch in seiner Freiheit beschränkt worden war, so werden ihm die in den 1563 und 1567 aufgerichteten Verträgen mit dem ehrsamen und weisen Rat der Stadt Lüneburg ausdrücklich betonten Vorrechte ein für allemal bewilligt. Es handelt sich hier um die Sude. Es soll danach denen von Boizenburg der Vorkauf und das Flößen auf der Suden von oben herab bis in den Bandekower See allein freistehen, und es soll sich keiner aus Lüneburg desselbigen Vorkaufs und Flößens unternehmen noch gebrauchen, die von Lüneburg sollen und wollen auch ihre allda bereithabenden Verkäufer abfordern und abschaffen; würden derselbigen einige hernach darüber betroffen oder derselbigen Holz oder andere Waren angetroffen, so sollen sie in gebührliche Strafe genommen werden, da sie zu des gnädigen Fürsten und Herrn und seiner armen Leute Schaden sind.

Doch es scheint, als ob sich diese Gesetze tatsächlich nicht innehalten ließen. Denn immer wieder suchen beide Teile, der Lüneburger Rat sowohl als auch das Boizenburger Schiffamt, um Verlängerung der Flößungszeit nach, sei es wegen des üblichen Grundes, daß sie das Holz in der festgesetzten Frist nicht an Ort und Stelle bekommen könnten, sei es wegen außerordentlicher Vorkommnisse, wie es 1583 das Auftreten der Pest war, derentwegen man die Arbeit gerade im Sommer hatte aussetzen müssen.

Wie schon gesagt, durften die Boizenburger ihre 2000 Faden frei und unentgeltlich die Schale herabflößen. Man gestand ihnen damit eine Vergünstigung zu. Denn die Lüneburger öffneten sonst ihre Schleusen nur nach Erlegung der Zollgebühren. Der Zoll war königliches Regal, das an sich zu bringen, die Landesfürsten verstanden hatten. Auch die Mecklenburger Herzöge waren Herren ihrer Zölle und belehnten nun ihrerseits mit ihnen Adel und Städte. Da die Schalfahrt nicht nur zum allgemeinen Besten eingerichtet worden war, sondern da beide Teile, Rat und Herzöge, ihren eigenen Vorteil suchten, und der Rat zum mindesten die laufenden Unkosten heraushaben wollte, so wurde ein Schalzoll eingerichtet. Bereits 1430 68 ) ist vermöge fürstlich mecklenburgischer Privilegien einem ehrenfesten Rat der Stadt Lüneburg vergönnt worden, an der untersten Schleuse des Schalstroms ein Zollhaus zu bauen und nebst dem Fürsten einen Zöllner dreinzusetzen, der beiden Teilen Eid und Treue leiste


68) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 5, L.
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und auch von beiden Teilen gelohnt werden soll. Diese Bestimmung wird mit anderen 1561 69 ) von Johann Albrecht erneuert:

"Für das ander, daß auf unserm Grund und Boden ein Zollhaus gebauet werde, allda der Zoll, so uns und unseren Erben und Nachkommen allein zustehen soll, entrichtet wird. Und so künftig Kaufmannsware den Wasserweg geführet würde, auf dieselbe soll uns einen gleichmäßigen billigen Zoll zu setzen, hinwieder unbenommen sein und uns, unsern Erben und Nachkommen derselbe Zollen auch allein zukommen und gegeben werden. . . [Zum 4.] soll ein anderer Zoll zu Erbauung der Schleusen in unserem Gebiete im Dorfe Kölzin angelegt werden, derwegen und wie hoch derselbe sein soll, wollen wir uns mit einem ehrbaren Rat ..... nach erbauten Schleusen vergleichen, und was dar also verglichen, davon soll jährlich uns die Hälfte und die andere Hälfte der Stadt Lüneburg in dem Zollhause eingesammelt werden." Selbstverständlich mußte in der Praxis die doppelte Einziehung des Zolls zu Schwierigkeiten führen, wenn die Art des Betriebes vorher nicht ganz genau festgesetzt und geregelt wurde. Darum kommen nach Fertigstellung der Wasserbauten 1564 70 ) die immer dringender werdenden Fragen des Rates, wie es mit dem Zöllner und mit Ansetzung des Schleusenzolls gehalten werden solle. Nach längeren Verhandlungen erklärt Johann Albrecht, daß die Lüneburger Zollstätte zu Kölzin sein soll, dafür bestätigt er den vom Rate vorgeschlagenen Zöllner und steht von seinem Kandidaten ab.

Es wird auch um die Besoldung verhandelt und das Gehalt festgesetzt. Der Rat stellt den Beamten auf 100 M jährlich, so daß auf den Anteil des Herzogs die Hälfte, also 50 M, fallen und bedauert, daß er ihn nicht hätte auf geringeres bringen können. Aber was die Lüneburger ihm sonst zu verwalten geben, damit soll der Herzog nicht beschweret werden. Johann Albrecht geht auf die Bedingung ein. Aber schon 20 71 ) Jahre später, während der Zeit der Teurung, bat der Zöllner Jürgen Hornemann um Erhöhung seiner Besoldung von 50 M lüb. herzoglichen Teils. Und 1586 forderte der Zöllner Peter Dankwart außer seiner Besoldung noch 50 M zur Erhaltung eines Jungen oder eines Pferdes.

Bei Antritt seines Amtes mußte der Zöllner einen langen Eid ablegen, des Inhalts, daß er allen seinen Verpflichtungen


69) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
70) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
71) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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treu nachkommen wollte. Der Eid wurde den Herzögen und dem Rat gleicherweise geleistet. Diese Eide sind in großer Anzahl vorhanden, und daher können wir die lange Reihe der Zöllner fast ohne Unterbrechung feststellen. Manch einer hat es durch seine Streitigkeiten zur Lokalberühmtheit gebracht, wie Johann zur Mylen, nur einer ist durch seine Genialität auch über die Grenzen Mecklenburgs hinaus bekannt geworden, der Inspektor der Zölle Helmar Gerkens 72 ), beide lebten jedoch im 17. Jahrhundert.

Über die Zolleinnahme wird 1567 73 ) festgesetzt: Es soll zur Einnahme solches Zolls auf hochgedachten Fürsten eignem Grund und Boden ein Zollhaus gebaut werden, allda der Zoll, so ihrer fürstlichen Gnaden und derselben Erben und Nachkommen allein zustehet, entrichtet wird, das gemeine Zollhaus aber, allda die von Lüneburg den halben Zoll zu Unterhaltung der Schleusen für und für einnehmen sollen, soll bei der Blüchermühlen, da es die von Lüneburg itzo erbauen lassen, bleiben, und der Zöllner daselbst hochgedachtem Fürsten und denen von Lüneburg zugleich mit Pflicht und Eiden bewandt gemacht werden.

Das Hauptzollamt wurde demnach für die Schale zu Kölzin eingerichtet, wo der Zöllner sich beiden Teilen verpflichten mußte. Dasselbe geschah zu Blücher, während in Vietow nur ein mecklenburgischer Landzoll war.

Die Zölle lernen wir als eigentliche Zölle und als Gebühren kennen. Die eigentlichen Zölle waren rein fiskalische Abgaben, denen keinerlei Gegenleistung von Seiten des Staates oder der betreffenden Obrigkeit entsprach, während die Gebühren für die Benutzung oder Inanspruchnahme staatlicher Einrichtungen gegeben wurden. Der Transitzoll wurde beim Betreten eines bestimmten Bezirks an einer bestimmten Stelle erhoben gegen die Erlaubnis, in den betreffenden Distrikt kommen oder ihn passieren zu dürfen. Er mußte von Fahrzeugen, Pferden, Vieh und Waren bezahlt werden und wurde auf Landstraßen als Land= und auf Wasserstraßen als Wasserzoll eingefordert. Neben dem Transitzoll bestand der Marktzoll, der die Freiheit des Kaufes und Tausches auf den Märkten verlieh. Für die geleisteten Gebühren hingegen wurden Wege, Dämme, Brücken, Schleusen,


72) Preuß, Helmar Gerkens. Ein Beitrag zur deutschen Zollgeschichte, in Festgabe für Hermann Grauert, Freiburg i. Br. 1910.
73) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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Kanäle unterhalten, Verkaufsstände auf den Marktplätzen vermietet und Schutz und Geleit durch bewaffnete Macht auf einer bestimmten Strecke gewährt.

Wie überhaupt, so haben wir auch bei der Schalfahrt zwischen Land= und Wasserzoll zu unterscheiden. Der Landzoll konnte hier natürlich nur für Mecklenburg in Betracht kommen. Er wurde in Vietow erhoben. Der Herzog hielt hier seinen eigenen Zöllner, der den strengen Befehl hatte, keine Schiffe mit Holz oder Waren durchpassieren zu lassen, sie hätten denn den Zollzettel oder das Zollzeichen von Kölzin 74 ). Schwieriger lagen die Verhältnisse auf der Schale schon bei dem Wasserzoll. Er wurde für das passieren bestimmter, abgegrenzter Flußstrecken entrichtet, hier in Kölzin und in Blücher, und konnte als solcher auch nur der mecklenburgischen Herrschaft gezahlt werden. Ebenso kam die ausdrücklich unter dem Namen Geleitsgeld von der Sude und Schale 75 ) bezeichnete Gebühr allein den Herzögen zu. Sie konnte mit einer jährlich abzuliefernden, genau festgesetzten Summe abgemacht werden. Diese Abgabe war der alte Schutzzoll, den die Herzöge sich seit alter Zeit zahlen ließen und den sie auch beibehielten, als sie das Geleit nicht mehr gewährten, weil es längst außer Brauch gekommen war. Wir sehen hieraus, daß die Begriffe von Gebühren und einfachen Zöllen damals durchaus nicht klar geschieden waren, sondern die Hauptsache war, alte Einnahmequellen nicht fallen zu lassen und zu bewirken, daß neue Gerechtsame so teuer als möglich in barem Gelde abgekauft wurden, gleichgültig, ob die Abmachung dem Sinne entsprach oder nicht. Ein weiteres Beispiel hierfür bietet die Einrichtung des Schleusenzolls auf der Schale. Denn er sollte zur Erhaltung der Schleusen gegeben werden, war demnach unter die Gebühren zu rechnen und mußte also auf die Gefäße erhoben werden. Und wir lesen da auch der Gesandten von Lüneburg untertäniges Bitten und Erklärung 76 ), daß der Schleusenzoll nicht von den Gütern, sondern von den Schiffen genommen werden soll. Auch der Holzzoll möchte nicht auf Fadenholz oder anderes Maß geführt werden 77 ), sondern auf Schiffe möchte er gesetzt sein. Ein jedes Steckelschiff auf und tal soll 5 ß und ein Lüneburger oder Boizenburger Schiff soll 10 ß zahlen. Doch Herzog Johann Albrecht geht auf diese Bitte nicht


74) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
75) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
76) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
77) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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ein. Er fordert den Schleusenzoll nach Waren und Faden und nicht nach Schiffen, aber er überläßt es dem Rat, die betreffenden Waren und die Höhe des für sie zu entrichtenden Zolls anzugeben. Er wünscht den Zoll auf die Waren und zwar nach ihrer Menge, nach Last, Tonnen, Drömbt, Wispel, Packen, Rollen, Faden usw. Danach wäre dieser Zoll nicht als Schleusenzoll, sondern als Transitzoll zu betrachten, für welche Annahme einige Bemerkungen aus dem Memorial des Zöllners zu Kölzin von 1588 sprechen 78 ), obgleich sie aus etwas späterer Zeit stammen. Er notiert: "zum ersten zu gedenken, daß die Kaufleute mit ihren Schiffen das Böttiger Staffholz aus dem "schönen" Walde bis gen Zarrentin schiffen und fortan bis gen Göttin, so im Lande zu Sachsen liegt, eine Meile Weges von der Boeke [Büchen] mit Wagen führen lassen, und gehet also das Holz fortan die Stecknitz hinunter. Davon entgehet meinem gnädigen Fürsten und Herrn der Zoll. Zum andern fahren die Kaufleute das Eichenstaffholz über den See und fortan nach Lübeck. Davon entgehet meinem gnädigen Fürsten und Herrn auch der Zoll." Der Zöllner beklagt sich, daß für die Waren, die auf anderen, als den vorgeschriebenen Wegen ausgeführt werden, kein Zoll bezahlt wird. Er empfindet die angegebenen Tatsachen allerdings als Zollumgehung, aber als eine, die zu bestrafen er kein Recht hat, was eine Folge der bestehenden Unklarheit war. Man hätte sich wohl dahin einigen können, daß der Herzog den Zoll und der Lüneburger Rat die Schleusengebühr einforderte, statt halbpart zu machen, aus Angst, daß einer mehr Vorteile haben könnte als der andere.

Die Art der Zolleinnahme wurde durch mehrere Verträge festgesetzt. Johann Albrecht bekam die eine Hälfte des Zolls, die andere der Rat von Lüneburg, freilich mit den beiden schon anfangs erwähnten Ausnahmen, die Güter der Lüneburger und das Holz der Mecklenburger betreffend. Mit Herzog Ulrich sollte Johann Albrecht sich selbst auseinandersetzen. Seine Forderungen wurden im Laufe der Verhandlungen zurückgewiesen. Der Abschied zwischen dem Herzog und dem Rat lautet 79 ): "So befinden auch seine fürstlichen Gnaden, daß die Güter und Waren, so dem Rat, Oberen und Älteren und andern Bürgern zu Lüneburg zuständig, den Wasserweg des Schalenflusses ganz zollfrei sein sollen, allein das Holz, obbemelten zuständig, ausge=


78) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
79) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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nommen, hiervon dann allein seiner fürstlichen Gnaden der gebührliche Zoll folgen muß, und vorsiehet seine fürstliche Gnaden sich auch gänzlich zu denen von Lüneburg, dieweil ihnen diese Schiffahrt und Wasserwege zum allerzuträglichsten und förderlichsten ihren besten Nutzen und Frommen zu schaffen, die von Lüneburg werden solche Punkte zu Erhaltung gleichen, und weil es auch andergestalt seiner fürstlichen Gnaden ungelegen, gänzlichen abschaffen und von ihren Gütern, so verschiffet werden, in seiner fürstlichen Gnaden Zollhaus seiner fürstlichen Gnaden allein zuständig, den Zoll ganz, an dem Ort aber, da seine fürstliche Gnaden den halben Zoll hat, die Hälfte ungehindert folgen lassen, dieweil allbereit die von Lüneburg etzlich nicht wenig Holz geschiffet und verflößet, darum seiner fürstlichen Gnaden Zoll gebühret seiner fürstlichen Gnaden Anteil nach." Wie verabredet, erhielt der Herzog den ganzen Zoll von Vietow und den halben von Kölzin und Blücher. Der Landzoll und das Schleusengeld sollten wohl von einem Zöllner eingenommen werden, jedoch mußte er sich verpflichten, das Schleusengeld in einen besonderen Stock zu legen.

Hatte man sich darüber geeinigt, so stellte man nun die Höhe des zu fordernden Zolls fest. Zunächst handelt es sich da um das Haupteinfuhrmittel, das Salz und das =ausfuhrmittel, das Holz 80 ). "Was aber den Schleusenzoll zu Kölzin anlangend ist, wie hoch derselbe auf Salz und Holz zu setzen, begehren seine fürstliche Gnaden der Gesandten Bedenken und Vorschläge." Von dem Salz aus seiner fürstlichen Gnaden Landzoll zu Vietow soll von jeder Tonne 8 Währung gegeben werden. Doch die Gesandten bitten, das Salz anlangend sei es unmöglich, daß auf die Tonne könnten 8 Währung Zoll bewilligt werden. Weil das Salz so schlecht gehe, möchte er es in Ruhe stellen. 8 Währung Zoll für das Salz sei auch darum schon zuviel, weil Herzog Ulrich ebensoviel verlangen könnte, so würde jede Last Salz auf diesem Zoll aus 2 M lüb. kommen, und das vertrüge diese Ware nicht. Johann Albrecht wundert sich über ihre Weigerung, den Salzzoll in dieser Höhe zu bezahlen. Er kommt ihnen zwar entgegen, findet aber, daß es nicht zuviel sei, wenn sie von jeder Tonne 6 Währung auf beiden Zöllen, Kölzin und Vietow, entrichteten. 1565 bitten die Lüneburger noch einmal wegen der 6 Währung auf das Salz. Sie berufen sich auf ihre alten Privilegien, widrigenfalls würde der Salzhandel gänzlich hinfällig werden. Schließlich gibt Johann Albrecht nach.


80) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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Er wird von jeder Tonne Salz auf seinem Landzoll zu Vietow 2 Währung Zoll nehmen.

Die Bestimmungen über den Holzzoll waren schneller vereinbart, vielleicht, weil hier der Spielraum ein größerer war und die Möglichkeit zu mancherlei Abwandlungen ließ, wie sich unten bei den Streitigkeiten, die später ausbrachen, zeigen wird. Wegen des Holzzolls wird demnach 1561 festgesetzt 81 ): Von jedem Stader Faden Holz sind 8 Währung zu zahlen, von einem Stück Holz oder Rammen 20 Schuh oder darunter lang = 6 Währung , von einem Stück Holz oder Rammen über 20 Schuh lang = 1 ß, von einer Stiege Bretter = 1 ß, von einem Hundert Tannenholz = 2 ß. Dieser Holzzollvertrag wird 1567 82 ) dahin bestätigt, daß man bestimmt: Die Zölle an den Schleusen betreffend sollen hinfort an die von Lüneburg von 100 Staff Holz = 2 ß lübisch, von jedem Fuder Fadenholz oder Bäume 20 Schuh lang = 1 ß lüb., von einer Stiege Bretter = 1 ß lüb. usw. gezahlt werden. In den achtziger Jahren ändern sich alle Preise. Darum erklärt Herzog Ulrich 83 ): Das Brennholz 3 Schuh lang die Schale herab soll nicht höher verzollt werden als das kurze Holz. 3 Faden Schalseer Holz muß für 4 Faden hinfüro zu Kölzin und Blücher verzollt werden. Diese Erhöhung des Holzzolls auf das Schalseer Fadenholz wird 1587 vom Herzog vorgeschlagen, und 1588 kommt die Antwort des Rates, daß er bei dem alten Vergleiche bleiben Wolle. Doch das Gutachten des Zöllners zu Kölzin warnt den Herzog und hebt noch einmal unter Punkt 3 hervor: "Zum 3. ist der Zoll zu Kölzin und Blücher derhalben so hoch angesetzt, daß die Länge an dem Fadenholz jederzeit nach der Campmaß, wie dieselbe hierbei vorerwähnet, ausweiset, soll gegeben werden. Und ist auch aus vorerwähntem Extract, so aus Herzog Johann Albrechts Kanzlei gegeben worden, zu ersehen, daß auf einen jeden Stader Faden, welcher 3 Fuß Länge hält, der Zoll von 8 Währung angesetzet." Und Bernt Winterfeld legt klar, daß der Zoll zu Kölzin und Blücher so, wie er tatsächlich gehandhabt werde, großen Schaden und Nachteil bringe bis zum 3. Währung , fast bis zum 3. Gld. Denn das alte Campmaß, wonach das Holz auf der Schale gebraucht worden, habe nicht mehr als 2 gute Schuh an sich gehabt. Nun werde das Maß einen Schuh länger gehauen. Überhaupt richteten sich die Schiffer und Floßknechte nicht nach den Zollvorschriften. So sollte z. B. nach dem Ver=


81) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
82) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
83) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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gleich von 1570 83a ) alles Holz aus der Sude und Schale an den ordentlichen Zollhäusern auf der Schale und Elbe angegeben, beschrieben und verzollet werden. Wie oft wurde das absichtlich unterlassen trotz der Androhung: wo einer darwider handelt, so soll er des Holzes neben gebührlichen Strafen verlustig sein. Da man aber den Zoll nicht immer umgehen oder von der Taxe abhandeln konnte, so versuchte man auf die vorgeschriebenen Maße mehr Schuh zu rechnen und auf diese Weise eine niedrigere Zollabgabe zu erzielen. Deshalb wurden auch die Zöllner auf der Wappau und bei Blücher darauf vereidet, kein anderes Maß als das Stader Maß für das Ausmessen des Holzes gelten zu lassen.

Jedenfalls machte der Zoll sowohl in Lüneburg als auch in Mecklenburg ziemlich viel zu schaffen. Dazu kam, daß Herzog Johann Albrecht außer auf das Salz noch auf andere Waren einen Zoll zu nehmen wünschte. Nach dem 1561 aufgerichteten Vertrage waren die Lüneburger jedoch nicht verpflichtet, auf seine Absichten einzugehen. Sie erinnern ihn deshalb an ihre damals festgesetzten Freiheiten 84 ): "Dieweil die alten Privilegien vermögen, daß die Güter und Waren, die den Räten und Bürgern zu Lüneburg zuständig, auf der Schale, ausgeschlossen das Salz, zollfrei sein sollen, so hat doch ein ehrbarer Rat ihrer fürstlichen Gnaden aus sunderlichem, untertänigem Willen nachgegeben, daß ihrer fürstlichen Gnaden von allerlei Holz der bewilligte Zoll gereicht und gegeben werden soll, dagegen aber haben Eure fürstliche Gnaden den Rat und Bürgern in anderen Kaufmannswaren der Zollfreiheiten vermöge der alten Privilegien genießen zu lassen, gnädiglich versprochen und zugesagt, wie Euer fürstliche Gnaden gegebene Obligation, unter diesen hierbei erwähnten Clausuln gezeichnet, klärlich mit sich bringt." Sie bitten den Fürsten dringend, die anderen Waren nicht mit Zoll zu belegen, und ganz besonders wollen sie wegen der Butter mit ihm verhandeln. Sie berufen sich dabei auf die älteren Privilegien und auch auf seine 1561 aufgerichteten neuen Obligationen, nach denen die Butter Freiheit genießen sollte, und bitten, er möchte sie nun dabei belassen. Trotzdem schickt er ihnen im August 1564 eine lange Taxe und Zollsetzung auf die Güter, so auf der Schale geführt werden, zu. Ob das ausführliche, alphabetisch geordnete Warenregister dem tatsächlichen Handels=


83a) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
84) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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verkehr entsprach, ist zweifelhaft. Das Register ist nur auf die Schale übertragen nach Johann Albrechts eigenhändiger Überschrift 85 ): "Weil man zu Wittenburg in der Eil sich nicht genugsam entsinnen können, was für Güter künftiglich die Schalen auf= und niedergeführt werden möchten, da wir aufs förderlichst andere Rollen vor uns nehmen, daraus der Waren Namen ziehen und einen Zoll darauf setzen wollten und alsdann euch dieselben zuschicken." Die Taxe gibt uns jedoch einige Aufschlüsse über die Höhe der beabsichtigten Zölle. Er setzt danach für 1 Tonne Heringe = 6 Währung , 1 Tonne Aal oder Dorsch je = 8 Währung , für 1 Tonne Butter, Fett, Fleisch oder Talg = 2 ß, für 1 Tonne Öl oder schwarze Seife = 1 ß, für 1 Drömpt Gerste Roggen oder Weizen = 1 ß, für 1 Last Mehl 6 ß, für 1 Tonne Honig = 2 ß, für 100 Pfund Zwetschen = 2 ß, für 1 Wolfsbalg = 2 ß und für 1 Centner Metall = 2-3 ß. Diese Liste ist zum Schluß mit dem Vermerk versehen: "Vorbehaltlich da künftig unter unserm Landzoll zu Vietow ein hoher und großer Zoll gesetzet und geleget wurde als hierin begriffen, daß uns unsere beiden Zölle gleichesfalls zu verhöhen freistehen und unbenommen sein soll." Die Lüneburger vergleichen den Tarif mit dem Elbzollregister und finden in vielen Örtern eine "discrepation", wahrscheinlich zu ihren Ungunsten. Leider ist die Elbzollrolle jetzt zum Vergleich nicht mehr zur Hand. Jedenfalls beschlossen sie, sich dem Herzog nicht so ohne weiteres zu fügen. Da treten 1565 die mecklenburgischen Städte gegen die Zollfreiheit der fremden Warengüter auf 86 ). Boizenburg, Wittenburg und Zarrentin klagen, daß Lüneburg alles an sich brächte, und wollen sich auf dem nächsten Landtage ernstlich darüber beschweren. Auch bei den Herzögen selbst laufen Berichte ein über die verschiedensten Übelstände, die sich durch den Handel mit fremden Waren und die unsichere Handhabung der Zölle ergeben hatten. So wurden die Wasserzölle vielfach vermieden, indem man die Landstraße benutzte, wie Johann Wesserke an Herzog Heinrich schreibt 87 ): "Wo das viele Wagenfahren außerhalb ihrer fürstlichen Gnaden Lande vor Blücher und Gülzow mit allerlei Korn wider ihrer fürstlichen Gnaden Dekret und Verbot auch sonst mit Hering, Honig, Salz und anderer Kaufmannsware hin und wieder, davon ihre fürstliche Gnaden keinen Zoll bekommt und wodurch ihre Flur und Heerstraße ganz wüste


85) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
86) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
87) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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wird." Schließlich war die Verwirrung so groß, daß bei allen Teilen der Wunsch nach einer gemeinsamen Beratung über den Zoll auf die fremden Waren laut wurde. Die Gesandten mußten mehrmals hin und her gehen, bis sie schließlich das endgültige Ergebnis ihrer diesbezüglichen Zusammenkünfte aufzeichnen konnten. So bestimmt denn Punkt 4 der Verhandlungen von 1567 folgendes 88 ): "Weil auch der von Boitzenburg auf der Suden geflößet Holz durch die mittelste und letzte oder dritte Schleuse, die itzo bei Bandekow gebauet werden soll, durchgeflößet werden muß, soll ihnen solch Flößen durch dieselbe mittelste und dritte Schleuse und ferner bis auf das Schwarze Wasser ohne Schleusengeld und Zoll fürbehalten, und die von Lüneburg obgemelte dritte und letzte Schleuse mit dieser condition auf diesmal zu erbauen und künftiglich zu unterhalten aus Gnaden und günstigem Willen hiermit erlaubt sein." War das für die Boizenburger sehr günstig, so wurde weiterhin mit dem Herzog vereinbart, daß künftighin die Kaufmannsware den Wasserweg der Lüneburger geführt werde. "Auf dieselbe soll hochgedachtem Fürsten oder ihrer fürstlichen Gnaden Erben und Nachkommen einen billigen gleichmäßigen Zoll zu setzen, hiermit unbenommen sein und ihrer fürstlichen Gnaden und derselben Erben und Nachkommen derselbige Zoll auch allein zukommen und gegeben werden."

Die Herzöge hatten also ihre Wünsche durchgesetzt, sich als die Herren der Zölle behauptet, nun werden sie großmütig und gewähren wieder Freiheiten, zunächst ihren eigenen Landeskindern, dann auch den Lüneburgern. Nach Punkt 12 sollen die Boizenburger, "wann sie auf der Schalen schiffen wollen, mit dem halben Schleusenzoll für und für verschont bleiben, angemerkt, daß sie solcher Schiffahrt halben sunderlich von ihrer fürstlichen Gnaden den alten gewöhnlichen Zoll von der Schale und das Geleitgeld von der Sude nach wie vor jährlich für und für geben und entrichten sollen und wollen." Die Lüneburger betreffend will Johann Albrecht 89 ) den halben Schleusenzoll zu Kölzin auf Kaufmannswaren, so den Bürgern zu Lüneburg zuständig, hiermit gnädiglich fallen lassen, doch vorbehaltlich den Zoll, so seiner fürstlichen Gnaden daselbst von Salz und Holz von männiglich, auch den Lüneburgern, soll entrichtet werden. Den ganzen Landzoll aber zu Vietow will seine fürstliche Gnaden


88) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
89) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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von allen Gütern von den Lüneburgern und den andern zuständigen haben.

Dafür, daß die Herzöge den fremden Kaufleuten in Mecklenburg Handelsvorteile gewährten, wünschten sie ihren Untertanen in den anderen Staaten auch Gerechtsame zu verschaffen. So mancher Brief ist aus diesem Grunde aus ihrer Kanzlei hervorgegangen, Für uns kommt besonders das Befreiungsgesuch Herzog Ulrichs für seine Bürger an den Rat zu Lübeck in Betracht 90 ). Er fordert, daß die Boizenburger, wenn sie von Lübeck Waren wegführen, nicht mit Zoll beschweret werden, wie geschehen, besonders da die Lübecker in Boizenburg keinen Zoll zu bezahlen brauchen.

Man sieht, an Gesetzen für den Zoll und seine Einrichtung fehlt es nicht. Darum ist es doppelt merkwürdig, daß wir aus jener Zeit so wenige Zollrollen haben. Aus den weiteren Erlassen der Herzöge wird klar, daß der außerordentlich mangelhafte Ordnungssinn der Zöllner daran schuld ist. An Aufsicht und Befehlen von beiden Teilen, von seiten der Herzöge sowohl als von seiten des Rates hat es nicht gefehlt. Schon 1564 91 ) bat der Bürgermeister Hans Witzendorf von Lüneburg um Abräumung des Holzes an der Schale und um Vergleichung des Zolls an der Schale. Von 1570 ab bemüht sich Herzog Ulrich, Ordnung in die Rollenführung zu bringen. Er befiehlt 92 ): Es sollen auch die Rechnungen geschehen vom Zoll und Register, und auch das Übermaß soll mitgerechnet und bezahlt werden. Bestimmter wird der Herzog 1582 93 ), da gibt er das Rechnungsjahr an. Der Zöllner hat auf Trinitatis sein Amtsregister zu schließen und den Schalzoll jährlich zu berechnen. Und auf die gute, klare, zugelegte Rechnung begehren seine fürstliche Gnaden auch gebührliche Bezahlung. Diese neue Einrichtung wird auch dem Rat zu Lüneburg mitgeteilt. Es weht überhaupt im Jahre 1581/82 ein schärferer Wind. Denn die Befehle werden nicht nur gegeben, sondern auch ausgeführt. Derselbe Zöllner, der damals sein Amt so gut verwaltete, hält überhaupt auf Ordnung. Er läßt z. B. den Rat wissen, daß ihre fürstliche Gnaden derselben Erbieten nach das Holz, so auf dem Ufer der Schale in seiner fürstlichen Gnaden Land, Stadt und der Schiffahrt hinderlich ist, räumen


90) Lauenburgica Vol. XII, Lb.
91) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
92) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
93) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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lassen wollen. 1586 94 ) wird das Kassenjahr wieder geändert. Der Zöllner wird von nun an jährlich ad Trium Regum (Jan. 6) Rechnung ablegen.

Genaue Zollrollen sind aus der ersten Zeit der Schalfahrt nur wenige vorhanden, nur die von 1581 und 1582 und von 1602-1605 ein Extract. Besonders die zuerst genannte Rolle 95 ) von 1581/2 gibt ganz interessante Einblicke. Es handelt sich um den Blücherschen Schal= und Schleusenzoll, der von 1581 von Trinitatis bis auf Nativitatis Christi von dem Zöllner Christoffer Hüttich daselbst aufgezeichnet und von dem ehrenfesten Hauptmann Kleinow für richtig befunden worden ist. Im Jahre 1581 ist vom 25. Mai bis 14. Dezember geschleust worden, und zwar sind an 20 Tagen 161 Schiffe durchgegangen, also im Durchschnitt am Tage 8 Schiffe, für 1582 geht die Rolle nur bis ins Frühjahr. Es wird vom 9. März bis 22. Mai an 15 Tagen geschifft und geflößt. Es gehen 113 Schiffe durch, also am Tage im Durchschnitt 7-8 Schiffe. Das macht auf ein Schleusenjahr von Trinitatis 1581 bis Trinitatis 1582 = 274 Schiffe an 35 Tagen. In der ersten Hälfte dieses Jahres werden nach Berechnung des Zöllners von Blücher = 2917 1/2 Faden Sülfmeisterholz verschifft für 243 M 2 ß 0 Währung . Dazu kommen 7600 Söstich [Schock] Tonnenholz für 19 M 2 ß 0 Währung Zoll. Demnach beträgt der gesamte Schal= und Schleusenzoll = 262 M 4 ß 0 Währung . Davon gehen ab für Papier = 5 M , bleiben = 257 M 4 ß 0 Währung . Der Rat erhält davon 1/4 = 64 M 5 ß 0 Währung . Herzog Ulrichs Anteil sind 3/4 = 192 M 15 ß 0 Währung , denn der Herzog bekommt den einen Zoll ganz und von dem andern die Hälfte, also von dem Gesamtbeträge 3/4.

Der Boizenburger Schleusenzoll brachte für 151 Faden à 4 Währung = 3 M 2 ß 4 Währung . Davon erhält jeder Teil die Hälfte = 1 M 9 ß 2 Währung . Also macht die Gesamteinnahme für Herzog Ulrich = 194 M 8 ß 2 Währung , für den Rat = 65 M 14 ß 2 Währung .

1582 sind es 2138 Faden Holz, die für 178 M 2 ß 8 Währung geschleust werden, ferner 1900 Söstich Tonnenholz zu 4 M 12 ß 0 Währung , 61 Stück Bauholz zu 7 M 10 ß 0 Währung , gibt zusammen = 190 M 8 ß 8 Währung . Herzog Ulrich erhält davon 3/4 = 142 M 14 ß 6 Währung .

Der Boizenburger Schal= und Schleusenzoll für 614 Faden à 4 Währung =13 M 1 ß 8 Währung . Davon erhalten Herzog und Rat


94) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
95) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 5, L.
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zu gleichen Teilen, also jeder 6 M 8 ß 4 Währung . Folglich bekommt Herzog Ulrich = 149 M 6 ß 4 Währung . Folglich erhält Herzog Ulrich in dem Schleusenjahr 1581/2 von dem Blücherzoll alles in allem = 343 M 15 ß 0 Währung und der Rat ebenso = 120 M 0 ß 8 Währung .

Die Rolle von 1602-1605 96 ) gibt uns "einen Extract und Verzeichnus des Schale Zollen zu Coltzin und Vitkow, wie hoch jeder Summa des Rest per se sich belaufen und erstrecken tut."

"1. Summa eine Rechnung von Anno 1602 wurde geschlossen auf Exaudi (5. Juni) Anno 1603 tut die ganze Zoll das Jahr austragen und restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn 290 fl 6 ß 6 Währung .

2. Summa eine Rechnung von Anno 1603 wurde geschlossen auf Exaudi Anno 1604 tut die ganze Zoll und restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn = 273 fl 21 ß 9 M .

3. Summa eine Rechnung von Anno 1604 wurde geschlossen auf Exaudi Anno 1605 tut die ganze Zoll auf dies Jahr und restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn = 370 fl 15 ß 3 M . Summa Summarum die Einnahme tut = 934 fl 19 ß 6 Währung . Hierauf folget, was meinem gnädigen Fürsten und Herrn in diesen nachfolgenden Jahren auf Einnahme und empfangene Summen ich wiederum entrichtet und abgetragen, ist dieses wie folgt:

Summa das Jahr von Anno 1602 bis Anno 1603 wegen des Amtes Wittenburg Ausfuhr vor 300 Faden Bassower Holz jeglicher Faden 11 ß tut 137 fl 12 ß 0 M . - Eine Quittung auf 100 Währung , welche der Herr Rentmeister vermöge seiner mir gegebenen Quittung empfangen, tut 66 fl 16 ß 0 Währung . - Des Dieners zu Kölzin jährliche Besoldung tut 33 fl 8 ß.

Summa Anno 1603 bis Anno 1604 wegen des Amtes Wittenburg Ausfuhr der 300 Faden Bassower Holz tut 137 fl 12 ß. - Item laut einer Quittung, so von meinem gnädigen Fürsten und Herrn einem ehrbaren Rate zu Lüneburg auf Antoni 1604 betaget 100 Währung tun 66 fl 16 ß. - Item des Dieners zu Kölzin jährliche Besoldung tut 33 fl 8 ß.

Summa Anno 1604 bis Anno 1605 wegen des Amtes Wittenburg Ausfuhr der 300 Faden Bassower Holz tut 137 fl 12 ß. - Item des Dieners zu Kölzin jährliche Besoldung tut 33 fl 8 ß.

Summa die Ausgabe tut 645 fl 20 ß 0 Währung .


96) Elde=Müritz=Schaal=Sude=Stechnitz=Zoll, Sch.
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Eines gegen das andere abzuziehen restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn von diesen dreien Zollrechnungen 288 fl 23 ß 6 Währung . Hierzu Zoll des ehrenfesten ehrbaren Hieronymus Witzendorf, Verwalter der Schalfahrt, wegen der gemeinen Sülfmeister Erlegen, so ich auf mein vielfältiges Erfordern und Begehren nicht habe erlangen können = 252 fl 15 ß 4 Währung .

Noch stehen meinem gnädigen Fürsten und Herrn von meiner neulichst übergebenen Rechnung auch noch nach = 45 fl 2 ß 3 Währung , wie solches des Herrn Rentmeister Quittung, hierbei verwahret, tut ausweisen."

Gibt uns die erste Rolle den Boizenburger Schleusen= und den Blücherschen Schleusen= und Holzzoll an, so verzeichnet die zweite Rolle neben dem Kölzinschen Schleusen= und Holzzoll noch den Vietower Landzoll. Der herzogliche Reingewinn beträgt für das Jahr 1581/2 rund 343 M 15 ß, für die Jahre 1602-1605 = 496 fl 12 ß 7 Währung oder in M umgerechnet = 745 M 2 ß 101/2 Währung . Die abgezogenen Spesen sind bei beiden Zollstätten nicht sehr bedeutend. In Blücher werden nur 5 M für Papier, dessen Verbrauch sich auf 14 Jahre verteilt, berechnet, während die Ausgaben in Kölzin sich allerdings erheblich höher stellen;

hier werden die Besoldung des Zolldieners mit 50 M und ein Rechnungsposten, der nicht näher spezialisiert ist, mit 67 M 15 ß 4 Währung als Unkosten angegeben.

Man könnte nun allenfalls von dem Reingewinn den Durchschnitt ziehen und sagen, bei der ersten Rolle beträgt er für 1 Jahr rund 173 M , vorausgesetzt, daß man die beiden Schleusenperioden betonen will, für das volle Jahr ist die Summe schon oben erwähnt. Bei der zweiten Rolle beläuft er sich, in M ausgedrückt, auf 248 M 6 ß 3 Währung . Im Grunde aber ist solche Berechnung ein Unding. Denn beide Rollen liegen zeitlich 20 Jahre auseinander, und beide bieten zu wenig Stoff, da sie zusammen nur einen Zeitraum von 4 Jahren umfassen. In dieser kurzen Spanne Zeit schwanken die Einnahmen ganz bedeutend. Die beiden Schleusenperioden differieren Herbst 1581 und Frühjahr 1582 um rund 40 M, 1603 und 1604 zeigen einen Unterschied von rund 25 M , 1603 und 1605 von ungefähr 120 M . Beide Rollen haben nur insofern einen Wert, als sie zeigen, mit was für Summen hier bei den Zollstätten überhaupt zu rechnen war, und ob der Hauptzoll zu Vietow und Kölzin mehr Gewinn abwarf als der zu Blücher, was man in relativem Sinne behaupten kann, da von diesen beiden Zollstätten die wichtigsten Ausgaben gedeckt wurden.

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Wie wir über die Einnahmen von der Schalfahrt in dieser Zeit nur sehr ungenügende Nachrichten besitzen, so auch über die Ausgaben. Was der Bau gekostet hat, erfahren wir nur gelegentlich der Streitigkeiten zwischen dem Rat einesteils und den Herzögen und dem Schiffamt andernteils, bei denen dann hie und da hervorgehoben wird, daß die Lüneburger auf der Schale Rechte zu behaupten und zu fordern hätten, weil ihre Väter sich das Werk etliche 1000 Tlr. hätten kosten lassen 97 ).

Wie teuer die Unterhaltung der Schalfahrt war, ist bei der wenig genauen Rechnungsführung nicht bestimmt zu sagen. Wir besitzen nur einen 98 ): "Unvorgreiflichen Überschlag, was die Schalfahrt im Fürstentum Mecklenburg nach gegenwärtigem Zustand auf ein Jahr zu unterhalten kostet". Er ist von unbekannter Hand, auch ohne Datumsangabe, jedenfalls aber aus den 90er Jahren oder dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Als laufende Ausgaben werden bezeichnet:

"Die Besoldung:

dem Schreiber zu Kölzin Jochim Monkh zum salarie 133 M 5 ß 4 Währung
dem Zöllner zu Blücher 39 " 5 " 4 "
dem Zöllner zur Wappau 22 " 10 " 8 "
3en Schleusenmeistern 60 " 0 " 0 "
den Holzsägern zu Kölzin 2 " 0 " 0 "
dem Müller zu Blücher 6 " 10 8 "
2 Tonnen Salz den Schleusenmeistern 8 " 0 " 0 "
1 Tonne Salz dem Zöllner zu Blücher 4 " 0 " 0 "
Unterhaltung der Fahrt an Kisten, Schleusen, Umläufen und anderen Gebäuden, dieselben können auf 1 Jahr abgerechnet werden mit 600 " 0 " 0 "
Reisekosten, Botenlohn und gemeine Ausgaben tun auf 1 Jahr ad minimum 100 " 0 " 0 "

Summa aller Schalfahrtkosten auf 1 Jahr 976 M 0 ß 0 Währung

Also betrugen die jährlichen Unkosten rund 1000 M , die jedoch zum größeren Teil die Stadt Lüneburg zu tragen hatte. Nach dem ungefähren Überschlag des Einkommens an der Hand der beiden erwähnten Zollrollen kann man dann wohl be=


97) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
98) Salinaria 69, L.
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haupten, daß auf der Schalfahrt Einnahmen und Ausgaben sich so ziemlich die Wage hielten, ja, daß in guten Jahren ein kleiner Überschuß an Zoll erzielt werden konnte.

Die Unkosten wurden mit den Zollerträgen verrechnet und mit den 1400 M Zinsen der fürstlichen Häuser zu Schwerin und Güstrow, die sie dem Rat zu Lüneburg für ein entliehenes Kapital von 28 000 M jährlich zu zahlen schuldig waren. Dazu kommt, daß die mecklenburgischen und lüneburgischen Zöllner gegenseitig im Auszahlen saumselig waren, oder daß manch einer seinen Betrag schuldig blieb, wie wir das aus der Zollrolle von 1605 ersehen. Was Wunder, wenn wir heute eine Rechnung hier, die andere dort aufgezeichnet finden, aber ein einheitliches, zusammenhängendes Ausgaberegister vermissen, und der größte Teil überhaupt nie fixiert wurde, für die Ämter wurde die Buchführung wohl durchgesetzt, aber bei den Kanälen war die Kontrolle für die damalige Zeit zu schwierig.

Sie war hier schon darum schwierig, weil an der Schalfahrt mehrere Herren beteiligt waren, die zwar alle drei, die Herzöge sowohl als die Boizenburger und die Lüneburger eifrig darauf bedacht waren, von ihren Machtbefugnissen und Privilegien nichts aufzugeben, die es aber verabsäumt hatten, ihre Interessen gegenseitig in Einklang zu bringen. So zeigten sich bei der Ausübung der Gerechtsame fortwährend neue Unklarheiten, welche die verschiedensten Deutungen zuließen. Jede Partei suchte sie zu ihren Gunsten auszulegen, was natürlich den Unwillen der anderen hervorrief.

Zunächst hatte man in den Zollrollen nur die allgemeinen Bezeichnungen für Münzen, Maße und Gewichte gebraucht, ohne daran zu denken, daß jeder Staat die Menge der betreffenden Größe selbst bestimmte. So wurde fast allgemein nach M , ß und Währung gerechnet, seltener nach fl. Schon die Mark hatte in den einzelnen Staaten einen verschiedenen Silbergehalt, aber sie wurde wenigstens zu 16 ß angenommen, während beim Gulden auch die Teilung eine verschiedene war. Sein Wert schwankte zwischen 1,70 M und 2,40 M . Etwas ganz Besonderes aber gestatteten sich die Mecklenburger, indem sie den fl = 24 ß, also 1 1/2 M , ansetzten, wie die Zollrolle von 1602-1605 zeigte, Ähnlich stand es mit den Maßen. Es war üblich, den Wispel Getreide zu 24 Scheffel anzunehmen, die Boizenburger verzollten jedoch den Wispel nach Rostocker Maß, das nur 18 Scheffel enthielt.

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Bei dem Holzmessen kam das Campmaß in Anwendung, das nach späterer Vorschrift 3 Schuh lang sein sollte, aber gern auf 2 Schuh herabgedrückt oder auf mehrere Schuh verlängert wurde.

Bei solchen Verschiedenheiten war es nicht zu verwundern, daß jeder an seinen eigenen Vorteil dachte, und daß die Schiffer ihren Maßen etwas zusetzten, während die Zöllner sie zu verringern trachteten. Ebenso selbstverständlich aber war es, daß der Benachteiligte sich beklagte. Die Streitigkeiten sind schier endlos. Die Zöllner beklagen sich bei dem Herzog, daß ihm so und soviel an Zoll entgehe, dadurch, daß die Lüneburger die Faden höher machten, und daß die Holzhauer und Verkäufer die Maße um ihres Nutzens willen änderten, obgleich doch das Campmaß das rechte Maß sei. Gegen diesen Unfug wurde 1587 99 ) eingeschritten, indem man bestimmte: Das Campmaß hat und behält, wie bisher gebräuchlich gewesen, drei Schuh Länge ein jedes Stück, ferner soll zu Kölzin ein eisernes Maß von 3 Schuh aufgehangen werden, nach dem solche Holzhauungen in Zukunft zu richten sind.

Kamen die Boizenburger mit ihrem Holz nach Hamburg, so mußten sie es ertragen, daß die Brauer ihnen ihr Fadenholz obendrein mit "spitzigen Worten" 3, 4 ja 5 Holz über das angeschlagene Maß setzten, wodurch sie einen großen Schaden erlitten. Trotzdem unterwarfen auch sie sich nicht gern festen Vorschriften, gab es doch Leute, die 1598 versuchten, wieder eine Änderung bezüglich des Campmaßes einzuführen durch die Behauptung, das Normalmaß zu Kölzin hätte nur 2 Schuh, die aber in der Relation von 1598 100 ) zurückgewiesen wurde. Winterfeld erklärt darin, er habe in den verflossenen 11 Jahren nur ein Campmaß zu 3 Schuh gesehen und das Maß zu Kölzin zu 2 Schuh sei ihm neu, aber vielleicht sei es für eine bestimmte Person gemacht, nach der man sich freilich nicht richten könne. Von nun an bleibt es bei den gesetzlichen 3 Schuh.

Schwieriger war es, den gegenseitigen Schikanen der Schiffer und Zöllner zu begegnen. Hielten die Lüneburger die Verträge nicht und holten sich viel Eichen= und Buchenholz aus Mecklenburg, so rächten sich die Zöllner dafür, indem sie alles vorübergeführte Holz, auch das gehauene Faden=Staffholz, gleich als sei es Mastholz, aufhielten. Die einen suchten, soviel es immer möglich war, dem Zoll zu entziehen, die ändern strebten danach, alles


99) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
100) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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mit Zoll zu belegen. Tatsächlich führten die Lüneburger viel verbotenes Holz die Schale herab. Die Folge davon war, daß die Zöllner dieses Holz willkürlich verzollten, woraus sich Unregelmäßigkeiten ergaben, über die sich die Lüneburger schließlich doch beschwerten, wie über die falschen Zolleinschätzungen des Jürgen Hornemann. Überhaupt bekamen die Zöllner durch die Unterschleife der Lüneburger das Gefühl, diese in der Hand zu haben und verlangten daraufhin allerlei Abgaben, die sie nur für ihre eigene Tasche erwarben. So nahm 1594 der Zöllner bei der Blüchermühle den Vorüberschiffenden und =flößenden ganz unrechtmäßigerweise einen Rosenobel ab. Schließlich, bei genauer Betrachtung, waren beide Teile einander wohl wert.

Durch die Schalfahrt hatten die Lüneburger auch einige Marktgerechtsame an sich gebracht, die ihnen baldigst von den Mecklenburgern wieder genommen werden sollten. Rat, Bürgermeister und die ganze Gemeinde Boizenburg wandten sich an Herzog Ulrich mit der Bitte um Abhilfe 101 ). Die Lüneburger hätten aus den herzoglichen Ämtern Waren zum Verkauf erworben, "welche Ware denn also, als Roggen, Gerste, Hafer und anderes Korn mitsamt dem jungen Vieh, Lämmer, Gänse, Hühner, Eier, welche jeher uns allhier auf das Markt ist zu Kaufe gebracht worden, uns zum merklichen Schaden und Fürfang uns von ihnen könnte entkaufet und aus den Händen gebracht werden. Auch das Schiderholz, welches allhier auf das Markt zu Kaufe gebracht wird, dabei man backet, braut, uns könnte von ihnen verrücket werden, auch das Korn, so aus Euer fürstlichen Gnaden Städten als zu Bützow, Güstrow, Brandenburg und anderen mehr uns bis anhero zu Kaufe ist zugeführt worden, so es von denen von Lüneburg entkaufet würde, würde es uns nicht allein zum großen Nachteil gereichen, besunderen Euer fürstliche Gnaden müßte auch die Mauten und Tzise, welche wir untertäniglich Euer fürstliche Gnaden zu geben verpflichtet sein, auch derselbigen entraten und missen .... wir doch an keinen andern Orteren Korn wissen zu bekommen, denn allein aus diesen Orten, darinnen uns die von Lüneburg zum Fürfang mitsamt ihren Fürkäufern gegen und wider Euer fürstliche Gnaden Polizei=Landes=Ordnung zu sein gedenken, wie auch zum Teil von ihnen ins Werk gestellet ist, und wenn wir armen Leute den geringen Acker, so wir noch haben, nicht enhetten, müssen wir Kornes halber große Not leiden, wie vorudt genoch geschehen, denn schier nicht ein


101) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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Schiff Roggen dieses Jahr aus demselbigen Orte allhier zu Markte gekommen ist."

Eine sehr wichtige präge war auch die, von wem man berechtigt sei, Holz zu kaufen, ob von den Bauern und Bürgern oder vom Adel, welch letzterer natürlich als der Herr der großen Waldungen das beste Holz hatte. Darum wurde es als Vorzug angesehen, von ihm kaufen zu dürfen. Die Boizenburger geben nach und bewilligen, daß die von Lüneburg zwischen Blücher, Bennin, Camin kein Fuder Holz, das von Bauern verkauft wird, kaufen lassen. Dafür soll beiden Teilen zwischen den genannten Orten und fürder hinauf von denen vom Adel zu kaufen freistehen. Wiederum sollen die vom Adel das den Lüneburgern oder Boizenburgern verkaufte Holz, an welche Orte es diesen in besagter Gegend geliebet, an das Wasser führen, von wo aus jeder Teil sein Holz ohne Verhinderung des ändern an seinen Ort, nach Boizenburg oder Lüneburg bringen mag. "Ohne Verhinderung des ändern" mußte besonders hinzugefügt werden. Denn die Boizenburger suchten auf jede Weise zu verhindern, daß die Lüneburger ihr Holz elbabwärts zum Verkauf brachten. Ihre Eifersucht sollte durch das Bekenntnis der Lüneburger beschwichtigt werden 102 ): "So sollen auch die von Boitzenburg nicht gedenken, daß die von Lüneburg ihnen an ihrem Handel, so sie mit Holzkauf nach Hamburg bishero gehabt und noch gebrauchen, verhindern wollen, denn allein dasselbige Holz, welches sie durch oder aus dem Fürstentum zu Mecklenburg oder anderswo bringen lassen, nach Lüneburg schiffen oder schiffen wollen." Trotzdem hatten sich die Lüneburger immer wieder zu beklagen, daß ihnen der Holzkauf erschwert würde, was besonders in den achtziger Jahren unangenehme Folgen für sie hatte 103 ). "Es ist itziger Zeit die Steckenfahrt, dahero wir sonsten auch eine ziemliche Notdurft Holzes zu empfangen pflegen, bei dieser großen Teurung und Hungersnot dermaßen mit Korn fürbelegt, daß wir dieses Jahr nicht einen Stock Holz darauf han gen Lüneburg bringen können." Sie knüpfen an diesen Bericht die Befürchtung, daß bei dem Holzmangel ihre Sülze bald kalt liegen werde. Einen gelinden Druck vermochten sie auf die Boizenburger durch Schließung der Schleusen auszuüben, weswegen dann das Schiffamt seinerseits Klage führte. Die Sache wurde dahin entschieden, daß die Lüneburger die


102) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
103) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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Schleuse öffnen und das Holz baldmöglichst hindurchlassen mußten, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die Boizenburger ihnen den 3. Teil des Holzes zum Kaufe anboten und zukommen ließen. Auf diese Weise half man dem Holzmangel und der Teurung in Lüneburg ab.

Eine neue Quelle des Streites war der Holzpreis. Man schuf für die Festsetzung des Holzpreises eine Autorität durch die sogenannte Gallikonferenz 104 ), die alljährlich am Montag nach Galli (Galli = 16. Okt.) zusammentreten sollte. Sie wurde von beiden Städten durch je zwei Ratsverwandte beschickt, die sich über einen einhelligen, gleichmäßigen Preis für das Holz bei der Schale und bei Blücher, es sei lang oder kurz, verglichen. Dieser bekanntgegebene Preis war das ganze Jahr über innezuhalten und wenn der eine den andern darüber im Kaufe übersetzte, so sollte er des Holzes verlustig sein. Für die Praxis hatte diese Konferenz kaum eine Bedeutung, weder hatte sie einen Einfluß auf die Preise, noch beseitigte sie das gegenseitige Übervorteilen. Sie war nur eine Instanz mehr, an die man sich gegebenenfalls wenden konnte. Auch wurden von der Preisfrage in der Hauptsache die einzelnen Händler betroffen, während der Rat und das Schiffswerk in ihrer Gesamtheit beide ihre Vorrechte hatten und sie in Kraft zu setzen verstanden.

Anders war es bei dem Streit um Schiffahrt und Flößung. Hier standen die Behörden als solche einander gegenüber. Der Lüneburger Rat trat für die Schiffahrt ein, Boizenburg machte das Flößungsrecht geltend und wollte sich, wenn es gerade Vorteil brachte, auch der Schiffahrt bedienen. Keiner mochte sich dem andern fügen. Die Lüneburger beriefen sich darauf daß sie auf ihre Unkosten nicht nur die Schleusen erbaut, sondern sie auch stets repariert hatten, obgleich die Schleusen durch die Flößung stark litten, die doch hauptsächlich von den Boizenburger Schiffamtsgenossen betrieben würde. Außerdem wünschten die Boizenburger eine so große Menge Holzes zu flößen, daß es unmöglich wäre, es in 2 Monaten herabzubringen. Darüber lägen ihre Schiffe still, und wenn sie nach der Flößung ihre Schiffahrt beginnen wollten und das Wasser zu dem Behuf stauen müßten, so kämen sie eben in die Zeit der Mähung des Grases und Korns, was den Landleuten wieder nicht recht wäre, und so machten sie sich denen auch verhaßt. Sie seien aber auf die Schiffahrt angewiesen, weil sie das Brennholz für die Sülze


104) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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brauchten. Sie appellierten im weiteren Verlaufe der Verhandlungen an das Gerechtigkeitsgefühl und den Gemeinsinn der Boizenburger, die doch sicherlich nicht die deutschen Gaue von der Weichsel bis zur Weser des Lüneburger Salzes berauben wollten, aber die Salzfuhren nach Osten und Westen würden bald aufhören, wenn die Sülze nicht in kürzerer Frist Holz zugeführt bekäme. Auch wäre die Schiffahrt laut ausgerichteter Verträge der Lüneburger gutes Recht, und es sei den Boizenburgern unbenommen, ihr Holz auch per Schiff herabzuholen, für sie nur ein Vorteil, da sie es aus der Elbe ja doch auf die Schiffe setzen müßten, um es nach Hamburg zu bringen. Die Flößung hingegen sei ein unbefugter und schon oft verbotener "actus", zudem störe sie die Schiffahrt, um derentwillen die Schleusen doch gebaut worden wären. Sollten die Boizenburger jedoch des Handels wegen eine Verschiffung des einmal gehauenen Holzes durchaus verweigern, so seien die Lüneburger zu allem Überflusse erbötig, ihnen ihr Holz mit barem Geld sofort zu bezahlen und abzunehmen, und sie fügen zum Schluß an ihre Eingabe die Bitte 105 ): "So bitten wir darauf in aller Untertänigkeit, es wolle mehrfach gedachter unser gnädiger Fürst und Herr, Herr Ulrich Herzog zu Mecklenburg usw. um 4 oder 5 Boitzenburger Schiffamtsbrüder willen, die anders nichts als ihren Privatvorteil diesfalls suchen und unter dem Namen des Schiffamts das Spiel fast allein in ihren Händen haben und ihres Gefallens karten, uns an unserer wohlhergebrachten Schiffahrt, darauf wir soviele 1000 Taler Unkosten gewendet, nicht hindern, noch den gemeinen Nutzen durch solche Hinderung verlegen lassen, sondern die Boitzenburger Schiffamtsbrüder dahin weisen, daß sie ihr Holz zu Schiffe heraber bringen oder aber von uns bar Geld dafür nehmen." - Herzog Ulrich kam beiden Teilen entgegen, indem er die Flößungs= und Kauffrage in der schon mehrfach erwähnten Weise regelte.

Zu den Streitigkeiten der Lüneburger und Boizenburger untereinander kamen die mit den Anwohnern, denen jeder durch die Schiffahrt oder Flößung verursachte Schaden an Wiesen, Weiden, Fischerei und Aalfang zu ersetzen war. Besonders der Adel, der am Schalsee Besitzungen hatte, beklagte sich, daß seine Aalkörbe und Fischkästen zerstört würden und verlangte deshalb Kassierung der Schiffahrt und Einreißen der Schleusen. Zeitweilig versuchte sogar der Hauptmann von Plessen 106 ), den


105) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
106) Salinaria 74, L.
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Schalsee am Ausfluß der Schale durch Wehre für die Schiffahrt zu sperren. Doch ist dies nur eine heitere Episode im Kampf der Lüneburger und Boizenburger um die Schalfahrt.

Die streitenden Parteien zum Frieden zu bringen, wandte man die verschiedenartigsten Mittel an. Man glaubte, daß außer der Aufrichtung von Verträgen, die stets Monate für sich in Anspruch nahm, die sofortige Schließung einer oder der anderen Schleuse oder sogar der ganzen Fahrt, die zeitweilige Suspendierung der Flößerei, das Anhalten und Arrestieren der Schiffe und Flöße, kurz mit einem Worte die Lahmlegung von Handel und Verkehr auf der Schale dazu sehr zweckfördernd sei. Der am meisten Benachteiligte bot dann gewöhnlich die Hand zum Frieden.

Oft machten der Lüneburger Rat und das Boizenburger Schiffwerk ihre Zwistigkeiten unter sich aus, zumal, wenn es sich um Dinge handelte, die sie in der Gesamtheit betrafen; kamen aber Vergehungen einzelner Untertanen in Frage, so hatten die Amtleute der mecklenburgischen Herzöge das Verhör anzustellen und die Strafe zu verhängen. Meist bestanden sie auf einem Schadenersatz, dessen Höhe von der Gallikonferenz bestimmt werden sollte, die überhaupt alle Taxationsgeschäfte zu besorgen hatte. Wenn der Streit jedoch um die Gerechtsame ging und jeder bei seiner Willensmeinung beharrte, dann wandten sich beide Parteien an die Herzöge mit der Bitte um Entscheidung. Es wurden Gesandtschaften geschickt, Bittgesuche überreicht, gemeinsame Verhörstage angesetzt wie 1574 107 ), die so und so oft verschoben wurden, bis dann endlich ein Vergleich zustande kam, deren wir eine Anzahl besitzen, so aus den Jahren 1561, 1563, 1567, 1570, 1581, 1587, in denen die wichtigeren Schiffahrtshandlungen festgesetzt wurden. Im Grunde waren es immer wieder dieselben prägen, um die man sich stritt, und manches Mal wurden die Herzöge der Zwistigkeiten müde und suchten die Entscheidungen von sich abzuwälzen, wie Herzog Ulrich, der 1591 den Lüneburgern auf ihre Klage über das Flößen auf der Sude einen Prozeß am Hofgericht anheimstellte.

Aus den vorhandenen Protokollen könnte man fast den Eindruck gewinnen, als habe man sich über die Schalfahrt nur vom grünen Tisch aus juristisch beraten, und als sei die praktische Verwaltung und Kontrolle so ziemlich außer acht gelassen worden. Und doch sollte alljährlich eine Kommission die Strecke Wappau


107) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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-Blücher-Zarrentin abfahren, die Wasserbauten und Gebäude besichtigen und über den derzeitigen Stand der Fahrt, über etwaige Änderungen und Reparaturen ihr Gutachten abgeben. Leider sind nicht so sehr viele dieser Berichte vorhanden. Das wenige erreichbare Material zeigt uns jedoch zur Genüge, daß der Kommission mecklenburgischerseits mit der größten Abneigung begegnet wurde. Die Anlieger der Schale wurden nicht müde nachzuweisen, wie ihre Waldungen durch den Holzhandel und den Schleusenbau verwüstet seien, wie die Salz= und Holzschiffer die Zölle zu umgehen suchten, kurz, wie die Fahrt dem Lande Mecklenburg nur zum Schaden gereiche und den Lüneburgern allein von Nutzen sei. Darum stellte die Kommission Anfang der 70er Jahre fest 108 ): 1. daß die Lüneburger meist sächsisches und nicht mecklenburgisches Holz vom Schalsee herab brächten; 2. daß die Schleusen zum großen Teil aus sächsischem Holze erbaut wären; 3. daß beide Herzöge von jedem Faden = 8 Währung Schalzoll und 4 Währung Schleusenzoll - macht für jeden Herzog = 1 ß - bekämen (was allerdings vertragsmäßig bestimmt war, die Frage war nur, ob es tatsächlich immer geschah); 4. daß auf den Schiffen der Lüneburger meist mecklenburgisches Volk gebraucht würde, ebenso zu Holzhauern und Holzsetzern. Dadurch verdiente ein großer Teil mecklenburgischer Untertanen alljährlich viel Geld.

Wenn dieser Bericht auch den Tatsachen entsprach, so beruhigte sich doch die mecklenburgische Bauernschaft nicht dabei, sondern wurde immer wieder bei dem Rat und bei der Kommission vorstellig, bis sie schließlich 1580 eine Bittschrift um Abstellung der Fahrt an den Lüneburger Senat richtete. Es erfolgte eine Generaluntersuchung, nach der die Lüneburger sich denn folgendermaßen äußerten 109 ): "5. Januar 1581. Bericht der mecklenburgischen Fahrt und der Boitzenburger und Bauerschaft übergebenen Supplication halben. Erstlich, daß dem Land zu Mecklenburg der Fahrt und gebauten Schleusen halben kein Schade, besonders vielmehr Nutz und Frommen widerfahren werde in dem Befund, daß die vom Adel und ändern ein stattliches Geld ihres Holzes halben, da sie folgends den Grund zu Acker und Wiesen gebrauchen können, aus Lüneburg bekommen und daß die Inwohner an der Schale und darumhero der Arbeit an und bei den Schleusen, auch die Holzhauens halben und so sich auf den Schiffen gebrauchen lassen, ihre tägliche Nahrung


108) Salinaria 309, L.
109) Salinaria 305, L.
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und Vordienst können haben, also, daß zu Blücher und mehr Orten Leute befunden, so vormals das liebe Brot nicht haben oder vordienen können, itziger Zeit in ziemlichem Vorrat und guter Nahrung und Vordienst sitzen. Zum ändern, daß von wegen der Bandekower Schleuse und vorherigem Stauen derselben das Sandt sich in den Bandekower See geleget und Sandens dem Strome allerhand brächte, wird sich viel anders befinden, in Betrachtung, daß die Elbe etzliche Jahre so groß gewesen, daß an vielen Orten durchgebrochen und aufgelaufen und do große Dratheit und Kleinheit der Wasser, dergleichen bei Menschengedenken schwerlich befunden, vergangenes 80. Jahr ausgeweiset, was für Sand hin und wieder auf und an der Elbe und in ändern Strömen sich geleget, und die Kleinheit des Seehes nicht der Schleusen halben, besonderer Kleinheit halben der Elbe und anderen infließenden Strömen verursacht und herkommt und viel eher und mehr vermutlich, wann die Elbe im Wasser und die Bandekower Schleuse gestauet, das Sandt sich niederwärtslegen und nach der Hand in die Elbe kommen und treiben sollte. 3. Daß die Bauerschaft große Nahrung ihrer Fischereien halben gehabt, die ihnen durch die Schleusen und die Schiffahrt verderbt sein sollten, wird sich contrarium befinden, denn es haben die Leute, so an und bei den Schleusen gewohnet, nach Bauung der Schleusen ungleich mehr und besser Fischfang gehabt, denn zuvor, so mögen auch nit viele befunden werden, die ihrer Fischereien halben große Nahrung haben und treiben und dieselben nach Lübeck, Hamburg und Lüneburg oder ändern benachbarten Städten bringen und verkaufen, auch der Fischfang sich nach dem Wind, Wasser und Strömen und nicht nach den Schleusen oder Schiffahrt regulieret. 4. Daß aus vorgewandtem und anderem in den supplicationen angezogenen, verminderten Ursachen die Bandekower Schleuse abgetan oder umgerissen werden sollte, wird sich befinden, daß ihr, der Boitzenburger Fürwenden nicht erheblich, noch ihnen die Schleuse schädlich, besonders da dieselbe nicht sollte gebraucht werden und den Boitzenburgern ihres Flößens halber und daß sie in Holzkauf die Leute ihres Gefallens bedrängen möchten, eingeräumet wird, dem Städtlein und Inwohnern desselben, auch umbliegenden Dörfern zu nicht geringem Schaden und Nachteil samt den Ingesessenen im Lande würde gereichen und wider aufgerichtete Verträge zu dieser guten Stadt Nachteil vorgenommen wurde, damit die Schiffahrt in esse erhalten und der Boitzenburger und Bauerschaft ungereimte Fürgeben abgeschafft werden können." So

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lautete die Ansicht der Lüneburger, die sie über den Vorteil der Mecklenburger von der Schalfahrt hatten.

Wie langwierig war die Einrichtung dieser Fahrt vor sich gegangen, weit schwieriger aber schien ihre Erhaltung und Verwaltung zu sein! Was Wunder, wenn man sich von seiten der Lüneburger Schalfahrtbeamten überlegten 110 ), welcher Gestalt eine richtige Ordnung bei der Schalfahrt wieder einzurichten sei, wenn man sich vorher ganz genau die punkte aufschrieb, die man bei der Besichtigung zur Sprache bringen wollte und wenn man sich bei den fortwährenden Angriffen auch bedachte, ob die Schleusen ferner zu erhalten seien oder nicht.

Am ausführlichsten sind die Berichte der Besichtigungen von 1580 111 ) und 1586 112 ). Nach dem Gutachten von 1580 sind die Wasserbauten bis auf ein paar Bretter in gutem Stand. Nur bei der Blücherschleuse ist allerlei auszubessern und ein neuer Damm mit neuen Hecken anzulegen. Ganz anders zeigt sich die Fahrt bei der Besichtigung Von 1586. Kaum eine Schleuse, kaum eine Mühle war unbeschädigt, überall Verfall und Unordnung. Nachdem erst kurz vorher 1581 und 1582 eine sorgsamere Verwaltung eingesetzt hatte, waren sogleich die alten Mißstände in verstärktem Maße wieder eingerissen, als 1583 zur Zeit der Pest die Gegend verödete und die Fahrt unbenutzt und unbeaufsichtigt dalag. Dann war gleich nach dem Aufhören der Epidemie die Flößung mit allerlei Zugeständnissen und Freiheiten wieder eingeführt worden, damit die verschiedenen Handwerke die Arbeitsversäumnis möglichst schnell einholten. So kam es, daß 1586 bei der Besichtigung im Mai an den Schleusen, fast möchte man sagen, nichts niet= noch nagelfest war, und daß man das Holz an den Schleusen zerstoßen und vermodert fand. Es machte sich die Bestellung von Hunderten von Pfählen, Brettern, fielen und von Tragseilen und Bändern an die Schleusen nötig. Alles Material wurde ohne die Baukosten auf rund 730 M veranschlagt. Daß die Fahrt auch sonst nicht recht im Schwange war, zeigen die zum Schluß von der Kommission notierten Beobachtungen: "Noch ist befunden worden, daß von den 22 Schiffen, so gemeinen Sülfmeistern zustehen, nitt mehr als 6 Schiffe in der Fahrt sein, so gebraucht werden und wird itzo eins wieder gebessert, von den andern 15 Schiffen sein fast etzliche garnicht zu bessern, etzliche aber noch wohl wieder


110) Salinaria 300, L.
111) Salinaria 305, L.
112) Salinaria 74b, L.
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zu bauen, wo der Augenschein geben wird, wenn man sie aus dem Wasser bringt, denn sie alle hin und wieder im Wasser liegen. Der Brücken Gelegenheit ist befunden worden, daß die Kogelsche und die Brücke ans dem Hofe zu Kölzin zu bauen vonnöten sein wird. An den Schleusenhäusern ist befunden worden, daß das Haus auf der Wappau, ganz besonders aber das zu Blücher so baufällig ist, daß es mit Flicken mit gleichen Unkosten verbunden ist, als wenn ein neues Haus gebaut wird." Endlich wird noch so mancher Kachel= und Backofen genannt, der neu= oder wenigstens umgesetzt werden muß.

Freilich nahmen diese Reparaturen längere Zeit in Anspruch. Aber durch die auftauchenden Lübecker Pläne der Ratzeburger Fahrt wegen, durch die zahlreichen Konferenzen zwischen den Herzögen, dem Rat von Lüneburg und dem Schiffwerk zu Boizenburg, die zu der umfangreichen Schiffahrtshandlung vom Hochsommer 1587 führten, kam neues Leben, neue Betriebsamkeit in den Handel und Verkehr auf der Schale, und als dann noch die Schalmühle angekauft und wieder aufgebaut worden war, da befand sich, wie man wohl mit Recht behaupten kann, die Schalfahrt in gutem Zustand und aus der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit.

Das Werk war von der Stadt Lüneburg angeregt und eingerichtet worden. Was hatten die Lüneburger nun tatsächlich dadurch erreicht? Wir hören, daß sie ihr Salz auf bequemere und billigere Weise in das Innere von Mecklenburg führen konnten, als das auf der Landstraße der Fall gewesen war. Ihre Rückfracht war zollfrei, so weit sie als reines Privatgut der Lüneburger Bürger angesehen werden konnte, denn Abgaben wurden nur vom Handelsgut erhoben. Sie waren in den Stand gesetzt, ihre Sülze mit dem so nötigen Brennholz zu versorgen, indem ihnen Holzkauf und Holzhandel gestattet war. Bei sämtlichen Wasserbauten, insofern diese die Schiffahrt betrafen, beschäftigten sie ihre eignen und nicht mecklenburgische Handwerker. Den Brückenbau freilich, von dem in der Hauptsache die Anwohner einen Nutzen zogen, hatten sie durch Geld abgelöst. Der Rat der Stadt hatte sich wertvollen Grundbesitz angekauft, man denke nur an die Mühlen und an das Boissower Holz, in dem ihnen die Mecklenburger sogar verpflichtet waren, gewisse unentgeltliche Dienste zu leisten.

Diesen Vorteilen steht nun das gegenüber, was nicht erreicht worden war. Zunächst hatten sie sich durch diese Fahrt den Weg zum Meer nicht eröffnet, wie sie doch beabsichtigt hatten. Ihren

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bei den Mühlen angesessenen Beamten war alle Fischerei und aller Privathandel untersagt, also jeder Sondervorteil, den diese von ihrem Aufenthalt an der Schale haben konnten. Wegen der zahlreichen Zoll= und Handelsschwierigkeiten vermieden die Lüneburger selbst öfters die Fahrt. Zudem verursachte sie dem Rat recht erhebliche Unkosten. Die Zolleinnahme deckte durchaus nicht alle die aufzuwendenden Unterhaltungskosten der Bauten oder in sehr günstigen Jahren doch nur gerade, und an eine Verzinsung des Kapitals für die erste Anlage war gar nicht zu denken. Dazu kam, daß durch die Länge der Zeit - 150 bis 200 Jahre -, in der das Projekt geschwebt hatte, die Handels= und Verkehrsverhältnisse sich derartig verschoben hatten, daß die Fahrt gar nicht das gewähren konnte, was die Lüneburger sich von ihr versprachen. Und die Ansicht, daß ein kanalisierter Fluß als reine Verkehrsstraße für jedermann an und für sich in wirtschaftlicher und sanitärer Beziehung von Bedeutung ist, kannte man damals noch nicht. Wägt man also die genannten Vorteile und Nachteile miteinander ab, so kann man sehr im Zweifel sein, ob sie einander auch nur die Wage hielten, und nicht etwa die Nachteile schwerer wogen. Es drängt sich die Frage auf, war die Fahrt so, wie sie schließlich ins Leben trat, überhaupt noch zweckentsprechend?

Fast jeder Besichtigungsbericht endet oder beginnt mit der Mahnung, sich doch ernstlich zu überlegen, ob man die Fahrt der vielen Unkosten und des vielen Ärgers wegen nicht lieber eingehen lassen wolle. Und doch stimmen die Lüneburger immer wieder für die Erhaltung, und das nicht aus Starrköpfigkeit, um das einmal mit großen Opfern erworbene Vorrecht hartnäckig zu behaupten, selbst dann, wenn es keinen Nutzen brachte. Warum also dann? In den zahlreichen Berichten, Protokollen und Nachrichten wird kein Grund weiter angegeben, als daß man das schon hineingesteckte Geld nicht einfach verloren geben konnte. Das ist natürlich kein stichhaltiger Grund, um immer weiter nutzlos Geld auszugeben. Einmal jedoch äußert sich die Kommission genauer über diesen so wichtigen Punkt. Danach hielten 113 ) die Deputierten es nicht für "diensamb" die Schalfahrt eingehen zu lassen, weil sie ein heilsames Mittel sei, das Holz als ein unentbehrliches, zu Fortsetzung und Beförderung des commercii salis gehöriges requisitum aus einem benachbarten holzreichen Fürstentum beizubringen, den Preis des Holzes in Gleichgewicht zu halten und den Boitzenburgischen


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und andern Kaufleuten die schädliche Vorkäuferei und das monopolium niederzulegen, in der Erwägung, wenn die Sülfmeister in Lüneburg mit beiden nicht mehr übereinkommen könnten und ihnen das Holz über die Gebühr wohl gesteigert würde, daß sie alsdann selbst, vermöge ihrer habenden Freiheit zur Flößung schreiten und sich versorgen könnten." Hier ist es klar ausgesprochen, daß die Schalfahrt aus handelspolitischen Gründen unterhalten wurde. Denn es handelt sich viel weniger um die Beförderung des Holzes, das man sich auch durch die Stecknitzfahrt verschaffen konnte, als um den Einfluß auf den Holzpreis. Die Schalfahrt war nur Mittel zum Zweck. Der Gewinn, den die Lüneburger aus ihrer dadurch erlangten Stellung auf dem mecklenburgischen Holzmarkte zogen, war größer als die Unkosten der Fahrt. Das überschauten die Väter der Stadt. Während die Zolleinnahme von der Fahrt in den Säckel des Rates floß, nahmen an dem Profit der niedrigeren Holzpreise oder des größeren Umsatzes sämtliche holzkaufenden Bürger teil. Insofern hatte die Schalfahrt für Lüneburg allerdings volkswirtschaftliche Bedeutung, wenn auch nur für das verhältnismäßig kleine Volk einer einzigen Stadt.

In Mecklenburg war in dieser Beziehung ebenfalls ein neuer Frühling angebrochen. Die Herzöge, vor allen Dingen Herzog Ulrich, kümmerten sich selbst um alle Zweige der Verwaltung bis ins einzelne. Das zeigt auch die Art und Weise, wie sie die Schalfahrt für ihr Land nutzbar machten. So nahmen sie laut Verträgen an dem Schalzoll teil, der doch nur zur Deckung der Unkosten erhoben werden sollte. Nachweislich aber hatten die Lüneburger die ganze Fahrt auf ihre Unkosten angelegt, und das wenige Holz, das die Herzöge umsonst beigesteuert hatten, wurde ausdrücklich immer als Geschenk bezeichnet; also war der Schleusenzoll auf der Schale eine rein fiskalische Einnahme, um so mehr als die Erlaubnis zur Anlage von den Lüneburgern mehrfach durch größere Summen bezahlt worden war. Ebenso war es mit dem Schutzzoll auf der Schale und Sude, der in Bausch und Bogen alljährlich abgetragen wurde und für den keine Gegenleistung mehr stattfand. Eine andere sehr günstige Folge der Schalfahrt war die stärkere Benutzung der Straße nach Wittenburg, wodurch sich auch die Einnahmen vom Landzoll, den beide Herzöge erhoben, vermehrten. Das Zollamt zu Vietow war zugleich die Kontrollstätte für den Schal= und Schleusenzoll, eine obere Behörde. Durch die Fahrt kam das mecklenburgische Holz in großer Menge in den

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Handel. Bei dem Fällen der Bäume, bei dem Verschiffen und Flößen wurden zahlreiche Mecklenburger beschäftigt und fanden ihr gutes Brot und ihr Auskommen. Außerdem besaß Mecklenburg nun in der Schale einen auf fremde Kosten kanalisierten Fluß, der mit Brücken überspannt war. Um Übergriffen der Lüneburger vorzubeugen, wurden die Boizenburger noch speziell mit dem Recht privilegiert, an der Sude allein Kauf und Vorkauf treiben zu dürfen. Soweit wäre der Nutzen der Fahrt für die Mecklenburger entschieden größer gewesen als für die Lüneburger, wenn nicht mit dem Recht der Schiffahrt und des Handels auf der Schale noch eine zweite Macht belehnt gewesen wäre, das Boizenburger Schiffsamt, so daß sich in der täglichen Praxis nicht Landesherr und Rat von Lüneburg gegenüberstanden, sondern zwei Städte, die eifersüchtig aufeinander waren, und über denen beiden sich der Landesherr als Inhaber des Flußregals erhob. Die wirtschaftlichen Konflikte der beiden Städte wurden, wie damals alle derartigen Kämpfe, in der Form von Rechtsstreitigkeiten geführt, und die Herzöge hatten die Entscheidung zu treffen. In dem Bestreben, möglichst gerecht zu sein, setzte Johann Albrecht die wirtschaftlichen Interessen Boizenburgs hinten an und gestattete Lüneburgern und Boizenburgern zu gleicher Anzahl in der Gallikonferenz den Holzpreis zu bestimmen. Damit ließ er eine fremde Macht über seinen Holzhandel gebieten, durch die Festlegung des Preises lähmte er die Freiheit des Ein= und Verkaufs und machte größere Gewinne unmöglich. Wohlverstanden, hauptsächlich in der Theorie, denn in der Praxis kümmerte man sich herzlich wenig um die Beschlüsse der Gallikonferenz, man machte seine Preise unter der Hand, und führte das zu Reibereien zwischen beiden Städten, wie oft geschah, so kam gerade dadurch wieder eine gewisse Beweglichkeit in den Betrieb. Daß aber die Herzöge hier ein derartig geringes Verständnis für den Handel zeigen konnten, erklärt sich aus dem Umstand, daß man damals eben erst mit der planmäßigen Aufforstung begann. In der Forstordnung Johann Albrechts ist ziemlich wenig über diesen Punkt gesagt, und doch war es ein Fortschritt, daß der Paragraph über die Neupflanzungen in den Holzordnungen der deutschen Territorien damals überhaupt erschien. Die Mecklenburger wußten die Lüneburger als ständige Holzabnehmer gar nicht zu schätzen, im Gegenteil, sie befürchteten Verwüstung und Verödung der Waldungen und eintretenden Holzmangel, eben weil sie nur spärlich für Nachwuchs sorgten und nur das Fällen und Ver=

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kaufen vor Augen hatten. Da die Herzöge keinen so großen Wert auf den Holzhandel an der Schale legten, so konnten sie auch die zeitweise gänzliche und teilweise Sperrung des Flusses als Strafe für Unfügsame verhängen. Der Fluß war Regal und stand ihnen ja jederzeit offen, aber den Privilegierten legten sie damit jede Betätigung auf der Schale lahm. Ebenso erschwerte Johann Albrecht den Verkehr durch die Zolleinziehung auf Waren statt auf Gefäße, wodurch die Schiffahrt hätte einfacher und schneller von statten gehen können. Man sieht, die Handels= und Verkehrsinteressen waren den Landesfürsten noch nicht die Hauptsache, sondern in erster Linie galt die Frage, ob ihrer fürstlichen Gnaden durch diese oder jene Einrichtung auch nichts an Einkünften entzogen würde. Es fragt sich nur, ob dasselbe fiskalische Streben zu gleicher Zeit volkswirtschaftlich sein kann, oder wie weit es von solchen Rücksichten begleitet wird. Wir sahen, daß die Herzöge auf die Bitten der Schalfahrer manchen Wasserzoll nachließen, um den Verkehr ins Land zu ziehen und nach dem Grundsatz der damaligen Zeit, bar Geld muß im Lande bleiben, wurde den Lüneburgern auf die Klage der Boizenburger hin der Handel mit anderen Waren als Salz im Inneren Mecklenburgs einfach untersagt.

Zwar hatte man damals keine rechte Idee von der Allgemeinheit der Wasserstraßen - man denke nur an die langwierigen Verhandlungen wegen der Freigebung der Elbe -, aber Herzog Johann Albrecht belehnte mit der Schale zwei Mächte, eine einheimische und eine fremde und verlieh damit Gerechtsame in seinem Lande an auswärtige Kaufleute. Man kann also nicht sagen, daß die Schalfahrt eine Einrichtung zum allgemeinen Besten war, immerhin aber eine solche für die ganze Landschaft, und wer sie sonst noch benutzen wollte, mußte mit Boizenburger oder Lüneburger Schiffern einen Vertrag abschließen und ihnen seine Güter übergeben. Die Boizenburger als die mächtigsten Anwohner gelten hier als die Repräsentanten des mecklenburgischen Volkes.

Man hat wohl hin und her gestritten, ob die Schalfahrt eine wirtschaftsgeschichtliche, ja, ob sie überhaupt eine Bedeutung habe. Jedenfalls ist sie einer von den verschiedenen Versuchen, Ost= und Nordsee mittelst des Stromgebietes der Elbe miteinander zu verbinden; ein Versuch, der zu neuen Plänen anregte, mögen sie nun Projekte geblieben oder zur Ausführung gekommen sein. Und wenn die Art der Verwaltung in fiskalischem Sinne geschah, so darf nicht übersehen werden, daß die deutschen

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Fürsten im 16. Jahrhundert das volkswirtschaftliche Erbe der Städte eben erst angetreten hatten. Indem sie das Territorium als ihr persönliches Eigentum, gleichsam als eine große Gutswirtschaft auffaßten, für die sie auf das Beste zu sorgen hatten, stellten sie das eigene Glück und das ihrer Untertanen in einen engen Zusammenhang. Nicht wie Friedrich der Große hielten sie sich für die ersten Diener ihres Staates, sondern, sich selbst unbewußt, waren sie Verkörperungen des l'état c'est moi im besten Sinne des Wortes. Aus dieser Gesinnung heraus muß man auch die Stellungnahme der Herzöge zur Schalfahrt beurteilen. Obgleich die Herzöge sich der Vollendung der Schalfahrt widersetzten, obgleich sie auf halbem Wege stehen blieben, so hat die Fahrt doch eine praktische Bedeutung. Denn durch ihr freilich unbeabsichtigtes Endziel, den Schalsee, führte sie die Schiffer mitten hinein in den Waldreichtum Mecklenburgs und Sachsens, und damit ist auch gleich ein anderes gesagt, sie war nicht nur fahrbar, sondern sie wurde auch befahren. Und das erhebt die Schalfahrt meines Erachtens über den Dömitzer Kanal, der zwar auf viel "breiterer, pekuniärer" Grundlage begonnen wurde und den Vorzug hatte, daß Wismar sich tatsächlich an seinem Bau beteiligte, der auch zeitweise und teilweise fahrbar wurde, der aber nie, zu keiner Zeit, rege benutzt worden ist. Daß seine Bedeutung heute im Gegensatz zur Schalfahrt so nachdrücklich betont wird, beruht wohl darauf, daß wir uns über seine Anlage durch das außerordentlich reiche Aktenmaterial eine viel eingehendere Kenntnis verschaffen können und hat seinen Grund zum andern darin, daß durch das Aufblühen Berlins für uns heute ein Kanal von Wismar nach Dömitz natürlich eine viel größere Bedeutung haben würde als ein solcher von Wismar über Kölzin - Blücher-Wappau nach Boizenburg. Aber in der Geschichte kann der Wert vergangener Werke doch nur mit dem Maße der Vergangenheit gemessen werden. Ideell stand der Dömitzer Kanal selbstverständlich für Mecklenburg viel höher, weil er ein ureigenes Werk der Mecklenburger war, während die Schalfahrt ihnen sozusagen von Fremden eingerichtet worden war; aber vom praktischen Standpunkt aus geurteilt, nimmt die Schalfahrt unstreitig den ersten Platz ein.

Sie ist ein Werk deutscher Tüchtigkeit und deutschen Fleißes, ein Werk deutscher Kleinkunst, aber kein großartiges Kulturdenkmal, wie etwa die Wasserleitungen und Brücken der Römer, deren gigantische Überreste jetzt unsere Bewunderung erregen. Was an der Schale war, das ist gewesen, vorbei und vergangen.

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Die Weiden am Bache, die Wiesen und Büsche, die Eichen und Buchen am See, sie erzählen uns nichts von vergangenen Tagen der Geschäftigkeit und Rührigkeit. Sollen wir bedauern, daß hier nur ein Traum von Macht und Reichtum geträumt wurde? Der große Strom des Lebens geht vorbei, hier ist Ruhe und Frieden. Ein leises Regen in Busch und Wald, ein emsiges Weben im Röhricht am See - ein Stückchen ursprünglicher reiner Natur, das zeigt uns der Schalsee heute.

 

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