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I.

Beiträge

zur Erziehungs- und Jugendgeschichte des
Großherzogs Friedrich Franz I.

von

Dr. Carl Schröder.


Vignette
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A ls am 30. Mai 1756 Herzog Christian Ludwig II. gestorben war, stand das Haus der Herzoge von Mecklenburg=Schwerin auf vier Augen: der nun regierende Herzog Friedrich war kinderlos und sein einziger Bruder Prinz Ludwig, seit mehr als Jahresfrist vermählt mit der Prinzessin Charlotte Sophie von Sachsen=Coburg=Saalfeld, war bis dahin ohne Nachkommen. Indessen war die Prinzessin gesegneten Leibes: auf Verordnung vom 28. Oktober 1756 wurde von den Kanzeln des Landes "dem grundgütigen Gott deshalb demüthigst Lob und Dank gesaget: Und derselbe ferner inbrünstig angeflehet, er wolle nach seiner Gnade, Ihro Durchl. väterlich beschirmen, vor allen Unfällen gnädiglich bewahren, zu rechter Zeit glücklich entbinden, und also Dieselbe, auch unsere gesammte gnädigste Herrschaft sammt dem ganzen Lande mit einer gesunden Geburth erfreuen, solche auch durch das Bad der Wiedergeburth in Christo heiligen, die Durchlauchtigste Fürstin bey Gesundheit und allem Fürstl. Hochergehen, viele Jahre erhalten, und unsern Durchlauchtigsten Landes=Herrn, sammt dem ganzen Herzoglichen Mecklenburgischen Hause, mit vielen Segen überschütten". Am 10. Dezember wurde die Danksagung für die "heute frühe" erfolgte Entbindung der Prinzessin "von einem gesunden und wohlgestalten Prinzen", der Schon am folgenden Tage getauft ward, und am 22. Januar 1757 die Danksagung für den "morgen" stattfindenden Kirchgang ("Hervorgang") der hohen Wöchnerin anbefohlen.


Vorbemerkung. Den Stoff zu nachfolgender Skizze lieferten mir hauptsächlich die in vorliegendem Falle sehr unvollständigen Acta educationis principum. sodann die Acta matrimonialia im Grotz= herzoglichen Geheimen und Haupt=Archiv. Für die leider nur spärlichen Nachrichten über den Aufenthalt des Prinzen Friedrich Franz in der Schweiz bin ich den Herren Archivaren Notz in Lausanne und Roch in Genf zu Dank verbunden. Trotz der Lückenhaftigkeit des Materials und der damit zusammenhängenden Mängel vorliegender Arbeit glaubte ich doch sie nicht zurückhalten zu sollen, da die Literatur über den Großherzog Friedrich Franz I. vor seiner Thronbesteigung überaus dürftig ist.

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Die Geburt dieses Prinzen wurde im ganzen Lande mit hellem Jubel begrüßt: beruhte doch lange Zeit - da auch von dem strelitzischen präsumtiven Thronfolger, dem Prinzen Karl, bis 1779 nur Töchter am Leben waren - auf ihm die ganze Hoffnung des mecklenburgischen Stammes. Der allgemeinen Freude liehen Johann Friedrich Löwen in einem von Johann Wilhelm Hertel vertonten "Sing=Gedicht", die Colonie françoise établie à Butzaw in einer "Allégorie" und Daniel Christoph Neumann in Jena - wohl ein dort studierender Mecklenburger - in einer "Ode" auf die "hohe Geburt" begeisterte Worte. Den "beglückten Hervorgang" der Prinzessin feierten in Rostock der Professor Aepinus, dieser nicht nur mit einer Rede, zu der er den "Magnificus Dominus Rector, und die gesammten Einwohner dieser Stadt, die die glücklichen Begebenheiten der Mecklenburgischen Lande zum Vorwurf ihres Danks und ihrer Wünsche machen" ergebenst einlud, sondern auch gleichzeitig mit einer Cantate, zu der der preußische Hof=Compositeur Agricola die Musik lieferte und die "an dem frohen Tage Desselben von dem musikalischen Collegio" ausgeführt ward, sowie ein gewisser V. A. mit einem an demselben Tage im großen akademischen Hörsaal zu Gehör gebrachten "Sing=Gedicht", dessen Komponisten wir nicht kennen.

Die Sorge für die Erziehung des Prinzen Friedrich Franz übernahm, wie die Akten ergeben, über den Kopf der Eltern hinweg ganz wesentlich Herzog Friedrich. Unterm 26. Juni 1762 wurde dem Prinzen ein "Hof=Meister" bestellt in der Person des schwedischen Kammerherrn Carl Christian v. Usedom in Stockholm, dem Besitzer des Gutes Udars aus Rügen. Die Berufung diefes Mannes, der bis zum Jahre 1771 in seiner Stellung blieb, hatte der damals in diplomatischen Geschäften in Stockholm auwesende Baron v. Lützow vermittelt.

Erster Informator des Prinzen war der 1735 zu Guntersblum in der Rheinpfalz geborene Kandidat der Theologie Christian Ludwig Klotz, der am 8. Oktober 1760 angestellt wurde mit einem Jahresgehalt von 150 Talern, freiem Quartier im Schloß und freier Tafel am Pagentisch, aber nur bis Ende des Jahres 1764 in Tätigkeit war: angeblich Weil er sich mit Usedom nicht vertragen konnte, schied er aus serner Stellung aus. Unterm 3. Dezember 1764 wurde das Hofmarschallamt angewissen, "dem gewesenen Informator Klotzius seine Gage bis den letzten Tag seiner gethanen Information auszahlen zu lassen und zwar nicht an ihm selbst, sondern an denen Creditores,

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und was den übrig an ihn zu verabsenden". Klotz wurde dann Pastor in Brüel; dort ist er, der 1807 Präpositus und nicht lange danach Kirchenrat wurde, 1813 gestorben. Neben ihm waren als Lehrer des Prinzen in einzelnen Fächern tätig seit dem 1. November 1763 der Sprachmeister Schmidt, seit dem 16. November desselben Jahres der Tanzmeister Dortu; ersterer erhielt 10, letzterer 15 Taler monatlich.

Wer Klotz’s Nachfolger wurde, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Im Frühjahr 1766 aber werden zwei Informatoren, Schildt und Ludewig (auch Ludwig geschrieben), genannt, die beide den Prinzen ins Ausland begleiten sollten, denn Herzog Friedrich hielt es für angebracht, die Ausbildung seines Neffen sich fern von Mecklenburg vollziehen zu lassen. So hatte es seinerzeit auch Herzog Friedrichs Vater Christian Ludwig mit seinem Sohne im Sinne gehabt, doch war es unter den damaligen Umständen nicht gelungen, die dazu notigen Mittel zu beschaffen. Die Vom 10. Juni 1766 datierte "Instruction, wonach Unser Hof=Meister von Usedom während seines Aufenthalts mit Unsers geliebtesten Neveu des Prinzen Friederich Franz zu Mecklenburg Liebd. in fremden Ländern sich zu richten hat", lautet folgendermaßen:

Bey der Überzeugung, die Wir haben, daß die Erziehung Unsers geliebtesten Neveu des Prinzen Friederich Frantz zu Mecklenburg Liebden nach Unserm Wunsch und zum allgemeinen sowohl als zu Seinem eigenen Wohl am besten, bey einer Entfernung von hier, an auswärtigen Orten gerathen könne, sind Wir der Entschließung geworden, Denselben hinführo in fremden Ländern und zwar zuförderst zu Lausanne in der Schweiz erziehen zu laßen, und da Wir bisher mit besonderer gnädigsten Zufriedenheit und aller guten Hoffnung für die Zukunft das ganze Benehmen Unsers Hof=Meisters von Usedom bey der Education des Prinzen rühmlich gefunden haben; so vertrauen Wir demselben die weitere Ausführung dieser Erziehung und die PerSon Unsers Neveu Liebd., mithin Unsere und Unsers Herzoglichen Hauses vorzüglichste Hoffnung, hiedurch gnädigst an, in der gewißen Zuversicht, er werde sich dabey jederzeit dergestalt betragen, als vor Gott, Uns und Unserm Herzoglichen Hause und Lande er es in gutem Gewißen dereinst zu verantworten sich getrauet.

Überhaupt hat demnach der Hofmeister von Usedom alle Sorgfalt und Treue dahin pflichtmäßig anzuwenden, daß der

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Prinz vor allen Dingen zu einem wahren und rechtschaffenen Christen, soweit solches in menschlicher Hand stehet, nach den Grundsätzen Unserer Evangelischen Religion, dabey aber auch zu einem vernünftigen, Einsichtsvollen, Gott und Menschen gefälligen nützlichen Fürsten gebildet werde. Die Wahl der hiezu dienlichen Mittel überlaßen Wir seiner besten Einsicht und gewißenhaften Prüfung, in der Hoffnung, daß selbige alle Mahl auf diejenigen fallen werde, die das Kennzeichen der Religion, der Liebe und der Sanftmuth an sich tragen; gleich wie ihm auch das Recht der Bestrafung, in allen Fällen, wo diese nothwendig ist, um so mehr unbenommen bleibet, als Wir versichert sind, er werde davon keinen andern als einen mit der Religion, Vernunft und Liebe bestehenden Gebrauch machen. Insbesondere aber wird ihm zur Special-Instruction hiemit gnädigst vorgeschrieben, daß

      I. Bey allen Unterweisungen des Prinzen, die wahre Beßerung des Herzens das vornehmste Augenmerk seyn, mit derselben die Aufklärung Seines Verstandes und die Zunahme der Fürstanständigen Sitten stets verbunden, mithin des Prinzen Fleiß und Geschmack vorzüglich auf diejenigen Wissenschaften gelenket werden soll, wobey dieser Endzweck am besten zu erreichen stehet. Wie denn überhaupt alles, was Deßelben Person und Erziehung betrifft, folglich auch die Wahl Seiner Gesellschaften und Seines Umganges hiernach einzurichten ist.

      II. Die Zahl der täglich den Studien gewidmeten Stunden, worunter aber diejenige Zeit, welche die zur Leibes=Bewegung dienenden Exercitia erfordern, nicht mit zu rechnen ist, soll niemals über sechs gehen. Die Wahl und Vertheilung der darinn zu treibenden Wißenschaften überlaßen Wir zwar der Willkühr und Einsicht des Hof=Meisters von Usedom. Jedoch hat Uns derselbe den Plan und die Stunden=Eintheilung für jedes fogende halbe Jahr zur rechten Zeit ad ratificandum anzuzeigen, auch mit Ablauf eines jeden halben Jahrs Uns einen umständlichen gewißenhaften Bericht von dem Fleiß und den Progressen des Prinzen, wie auch von Desselben moralischen Verfaßung, Fähigkeit, Genie und Character unterthänigst abzustatten. Dabey ist der Prinz selbst, so bald Er im Schreiben geübter seyn wird, dahin anzuhalten, daß Er von Zeit zu Zeit an Uns und Seine Herzogliche Angehörige in Teutscher und Französischer Sprache ohngeholfen schreybe.

      III. Da der Hof=Meister von Usedom, zum Zweck der genauesten Aussicht auf den Prinzen, von allem was mit Dem=

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selben vorgehet, ohne Ausnahme, unterrichtet seyn muß: so wollen und befehlen Wir gnädigst ernstlich, daß

     1. alle zu der Suite des Prinzen gehörige Personen dem Hof=Meister alles, was ihm von dem Prinzen zu wißen nur irgend nöthig und nützlich seyn kan, auf sein Befragen entdecken und auch unbefragt anzeigen, hingegen

     2. sich nicht unterstehen sollen, mit dem Prinzen je in heimliche Unterredungen zu Beurtheiluug des Verhaltens des Hof=Meisters oder in irgend ein Geschäft, welches nicht in deßen Gegenwart und mit seinem Wißen vorgenommen werden könnte, sich einzulaßen, gleichwie sie auch

     3. nicht gestatten sollen, daß dergleichen von anderen geschehe, ohne solches dem Hof=Meister so bald möglich anzuzeigen.

     4. Die Briefe des Prinzen sollen dem Hof=Meister nie geheim gehalten, sondern vor der Abgebung allemahl demselben zum Erbrechen und Durchsehen von dem Empfänger eingereichet werden.

     5. Ohne des Hof=Meisters Wißen sind von dem Prinzen keine Briefe zu schreiben noch zu verschicken: Und soll niemand von der Suite sich unterstehen, zu einem Brief=Wechsel des Prinzen behülflich zu seyn, davon jener nicht unterrichtet ist. Doch sind hierunter die Briefe, welche der Prinz an Uns schreiben wird, nicht mit begriffen, sondern diese soll der Prinz abzusenden befugt seyn, ohne daß er sie dem Hof=Meister vorher zu lesen geben dürfe; welcher solches auch nicht verlangen soll, so bald er siehet, daß der ihm versiegelt vorzuzeigende Brief an Uns gehet.

      IV. Alle zur Suite des Prinzen gehörige Personen sollen von dem Hof=Meister von Usedom als ihrem alleinigen Chef und Vorgesetzten abhangen, mithin seinen Befehlen und Anordnungen, so lange diese, wie Wir zuversichtlich voraussetzen, nicht gegen die Religion streiten und mit ihren Pflichten gegen Uns bestehen, die genaueste Folge leisten. Sie haben daher die Befehle des Prinzen, so bald sie nur irgend zweydeutig oder bedenklich sind, nicht eher zu vollziehen, bis sie sich nach des Hof=Meisters Genehmigung derselben erkundiget haben. Und gleichwie Wir ihnen keine Befehle zufertigen oder irgend eine Veränderung mit ihnen vornehmen werden, ohne daß der Hof=Meister davon unterrichtet sey, so sollen sie auch in allen den Dingen, welche ihr Amt oder ihre Subordination betreffen, sich an niemand anders, als an Uns wenden, zu welchem Ende

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ihnen sammt und sonders unverwehret seyn soll, solcherhalben an Uns ihre unterthänigste schriftliche Vorstellungen unmittelbar oder auch allenfalls mit Begleitung ihres Gesuchs durch den Bericht des Hof=Meisters gelangen zu laßen. Damit übrigens der Hof=Meister auf die Suite des Prinzen desto beßer Acht haben könne, sollen alle dazu gehörige Personen, daferne es immer möglich, mit ihm in einem Hause logiret werden.

      V. Hingegen hat der Hof=Meister von Usedom als Vorgesetzter der ganzen Suite des Prinzen mit aller Aufmerksamkeit dahin zu sehen, daß eine jede von den dazu gehörigen Personen ihre Schuldigkeit genau beobachten, als wozu ihm alle Autorität und Macht hiedurch eingeräumet und verliehen seyn soll. Ins besondere verstatten Wir ihm zu solchem Zweck Kraft dieses in Gnaden, daß er

     1. alle zur Suite des Prinzen von hieraus mitgegebene Personen, nach vergeblich wiederhohlten ernstlichen Ermahnungen zur Beobachtung ihrer Obliegenheiten, von ihren Diensten suspendiren und ihnen allen Zugang zu dem Prinzen so lange untersagen könne, bis die Ursache davon, auf deßelben unverzüglich zu erstattenden Bericht, von uns untersuchet und darüber Unsere besondere Verordnung eingegangen seyn wird; und daß er

     2. alle auswärtig zum Unterricht oder zum Dienst des Prinzen etwa noch erforderliche Personen nach Beschaffenheit der Umstände und ihres Betragens annehmen oder abschaffen dürfe.

      VI. Gleichwie Wir Uns aber dabey zu dem Hof=Meister von Usedom in Gnaden versehen, er werde allen zur Suite des Prinzen gehörigen Personen bey rühmlicher Beobachtung ihrer Schuldigkeit, freundlich und liebreich begegnen und nach seinem Vermögen für ihr Bestes gerne mit sorgen: so hat er ihnen auch nicht nur alles, was nach Unserm Willen und Verordnungen ihnen am Gehalt und sonsten gebühret, iederzeit richtig und unverkürzt reichen zu laßen, sondern auch, bei öfterer Veränderung des Aufenthaltes sowohl des Informatoris und des Kammer=Dieners Kost=Gelder als die Zulagen für die Laquaies nach der Theurung eines jeden Orts, proportionirlich zu erhöhen. Jedoch sollen diese Kost=Gelder und Zulagen, so lange der Aufenthalt des Prinzen in Lausanne, folglich an einem Orte, seyn wird, feste stehen und ohne Unsere Special-Ratification nicht erhöhet werden.

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      VII. Außer dem Uns nach n. II mit jedem halben Jahre zu erstattenden Haupt=Bericht, soll Uns der Hof=Meister von Usedom alle Monath einmahl von dem Befinden und Betragen des Prinzen, dem Verhalten der Suite und von anderen nöthig erachtenden Umständen unterthänigste Anzeige machen, auch in der Zwischen=Zeit den Herzoglichen Eltern des Prinzen von Deßelben Befinden, so oft es nur wegen seiner sonstigen Beschäftigungen geschehen kann, von allen submissest Nachricht geben; wobey er sich zum Abschreiben allenfalls der Beyhülfe der Informatoren, als welche dazu angewiesen werden, zu bedienen hat. Sollten ihn indeßeu unüberwindliche Hinderniße gänzlich vom Schreiben abhalten, so soll in dieser Obliegenheit der erste Informator, und in deßen Ermangelung der zweyte, des Hof=Meisters Stelle vertreten.

Wenn auch der Prinz, welches Gott verhüten wolle! von schweren und gefährlichen Krankheiten sollte angefallen werden, so muß von den zu adhibirenden Medicis ein Diarium und von dem Hof=Meister das andere gehalten, und beide, von ihren Verfaßern unterschrieben, Uns durch seinen unterthänigsten Bericht zugeschicket werden. Es ist ihm dabey unbenommen, nach Befinden bey seinem Diario gleichwie in anderen nöthig erachtenden Fällen, die Informatoren zu Hülfe zu nehmen, ihres Zeugnißes sich zu bedienen, und es von ihnen mit unterschreiben zu laßen.

Da übrigens die Entfernung und gewiße andere Umstände zuweilen Materien zum Brief=Wechsel veranlaßen, die einer besonderen Geheimhaltung bedürfen, so hat der Hof=Meister sich alsdann eines Chiffre zu bedienen, welcher ihm zu diesem Ende zugestellet werden soll.

Gleichwie Wir daneben, sowohl um den Prinzen von allem Hochmuth zu entfernen, als auch aus anderen Ursachen, dem Hof=Meister von Usedom die Erlaubniß geben, die Benennung des Prinzen in allen den Fällen, wo er es nöthig und zuträglich findet, zu verändern, und Denselben z. E. einen Grafen oder Herrn von Schwerin oder Herrn von Grabow nennen zu laßen, so hat Uns er eine solche etwa zuträglich erachtende Veränderung sofort anzuzeigen, damit auch von hier aus die gewählte veränderte Benennung des Prinzen beobachtet werden könne.

      VIII. Der erste Informator soll verbunden seyn, die Stelle des Hof=Meisters von Usedom nach seiner Vorschrift so oft zu vertreten, als dieser es verlanget. Und damit solches in allen

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Fällen ohne Verletzung des Anstandes geschehen, auch nur=gedachter Informator an der Tafel des Prinzen beständig speisen könne, haben Wir den letzigen ersten Informatorem Christian Gottlob Schildt unter heutigem dato zu Unsern Hof= Rath in Gnaden ernannt und bestellet. Würde auch dieser erste Informator Unser Hof=Rath Schildt die Stelle des Hof=Meisters zu vertreten, durch Krankheit oder andere Umstände verhindert: so ist der andere Informator, Ludwig, schuldig, an seine Stelle zu treten, welches jedoch nur innerhalb Hauses und ausser Gesellschaft von Fremden Statt finden soll.

      IX. Die Einrichtung, Special-Anordnung und ganze Führung der Oeconomie des Prinzen wird dem Hof=Meister von Usedom lediglich überlaßen, so daß er selbige nach seiner besten Einsicht den Umständen gemäß zu bestimmen und zu verändern befugt seyn soll. Jedoch hat er alle Zeit mit einer anständigen Sparsamkeit sich dahin äusserst zu bestreben, daß er diese Oeconomie dem hiebey gehefteten und soviel immer möglich in der Ausgabe nie zu überschreitenden Etat conformire, welchen Uns er, nach vorher aus Lausanne eingezogenen nöthigen Nachrichten unterthänigst vorgeleget hat; es wäre denn, daß nach Beschaffenheit der Umstände, convenablere und vortheilhaftere Einrichtungen ohne Überschreitung des bestimmten Aufwandes gemacht werden könnten, welche alsdenn willkührliche Einrichtungen so wie die Veränderungen der Livrée und die n. VI bemerkte Erhöhungen der Zulagen und Kost=Gelder ihm billig unbenommen bleiben; und daß ohne Unsere Special-Verordnung, weder die Anzahl der dem Prinzen von hieraus mitgegebenen Personen noch das jeder von ihnen gnädigst versicherte Gehalt, von dem Hof=Meister verändert werden kan. In außerordentlichen Fällen, die einen im Etat nicht schon begriffenen grösseren Aufwand erfordern, hat der Hof=Meister, daferne sie vorauszusehen sind, in Zeiten Unsere Verhaltungs=Befehle einzuhohlen. Kommen jene aber ganz unerwartet, so verstatten Wir ihm hiedurch gnädigst, den unumgänglich alsdenn erforderlichen Aufwand zu machen und darüber sofort an Uns unterthänigst zu berichten; da dann diese Ausgabe von Uns gnädigst ratificiret werden und in Rechnung passiren soll.

      X. Zur Bestreitung der Etat-mäßigen Kosten, von welchen Unsers Herrn Bruders des Prinzen Ludewigs zu Mecklenburg Lbd. Behuf der zur Tafel und Chatoulle des Prinzen darinn

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ausgeworfenen zusammen 3336 Rthlr. Mecklenburgscher Valeur betragenden beiden Pöste, die schon hiebevor Ihro Prinzen jährlich gereichete 3233 Rthlr. fernerhin und zwar in Mecklenb. Valeur in Quartal-Ratis zu zahlen auf Sich genommen, Wir aber das übrige zu übernehmen, Uns erkläret haben, soll ein Banquier zu Lausanne oder da, wo der Prinz sich sonst in der Folge aufhalten wird, durch einen offenen Wechsel angewiesen werden, die jährlichen Etat-mäßigen Gelder ohne weitere Anfrage dem Hof=Meister von Usedom in Quartal-Ratis, ohne Anrechnung einiger Courtage, Provision, Agio oder sonstiger Abzüge auszuzahlen, auch in ausserordentlichen Vorfällen bey einer sub n. VIII erwähnten dringenden Nothwendigkeit, extra-ordinaire Vorschüsse bis auf 500 Rthlr. über das im Etat bestimmte Quantum zu thun. Dagegen soll dem Banquier, zu Erstattung solcher Avances, aus den von Uns dazu bestimmten Fonds ohnfehlbar alle Quartal, nebst den etwanigen Extra-Vorschüßen, der vierte Theil der Etat-mäßigen Gelder promt und richtig von hieraus übermachet und solches Geld ohne Verminderung der Zahl des bestimmten Quanti in Schwerem Courant trassiret werden; gleichwie auch alle darinn mitbegriffene Gages der zur Suite des Prinzen gehörigen Personen, ohne Verminderung des ihnen bisher bestimmt gewesenen Quanti, in schwerem Courant, so lange ihre Abwesenheit von hier dauern wird, ausgezahlet und jedesmahl zugleich mit den übrigen Etat-mäßigen Geldern promt und richtig übermachet werden sollen.

      XI. Die Rechnung von aller Einnahme und Ausgabe bey dem Etat des Prinzen soll, unter Aufsicht des Hof=Meisters von Usedom der eine Informator führen, auch die Caße in Händen haben, mithin für dieselbe respondiren. Wie aber die Anordnung des Hof=Meisters den Berechner allein zu Ausgaben berechtigen kann, so sollen nur diejenigen Rechnungen und Qvitungen, die von dem Hof=Meister unterschrieben sind, für gültige Beläge erkannt werden. Beym Schluße eines jeden Monaths müßen von dem Berechner der Caße die Rechnungen geschloßen, von dem Hof=Meister revidiret und, wenn sie richtig befunden sind, unterschrieben werden. Mit Bezug auf diese Monaths=Rechnungen ist sodann am Ende eines halben Jahrs ein General-Extract von Einnahme und Ausgabe, welchem die Monaths=Rechnungen als Beläge beygefüget werden, zu formiren, die der Hof=Meister, nach vorgängiger Revision und Unterschrift, nebst dem n. II erwähnten Hauptbericht an Uns

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einzusenden, und dagegen jedesmahl, nach befundener Richtigkeit der Rechnung, eine schriftliche von aller ferneren Verantwortung für Uns und Unsere Successores dieserhalben ihn völlig entbindende Qvitung und Decharge unter Unserm Handzeichen zu gewärtigen hat.

      XII. Da die Kosten der Reisen sich nicht genau vorher bestimmen, noch die dabey öfters vorkommende unerwartete Zufälle voraussehen laßen, so soll Unser Hof=Meister von Usedom dazu jedesmahl mit einem hinlänglichen Wechsel und dem, seiner Ermeßen nach erforderlichen baaren Gelde versehen werden. Auch über diese respective mitbekommene und unterwegens etwa ausgenommene Gelder hat der eine Informator die Rechnung zu führen, welche darauf, von dem Hof=Meister revidiret und unterschrieben, mit in die an Uns einzuschickende halb=jährige Haupt=Rechnung zu ziehen ist, und mit derselben durch Unsere Decharge quitiret werden soll.

      XIII. Die Unkosten der ersten Einrichtung anfänglich zu Lausanne und demnächst an einem jeden Ort, wo der Prinz in der Fremde sich aufhalten wird, sollen, in so ferne sie nicht eigentlich in der Etat-mäßigen Summe des Aufwandes mit begriffen und nach Erforderung der Umstäude dennoch unumgänglich nothwendig sind, besonders, gleich den Reise=Kosten, berechnet werden, und, nachdem sie in die Hauptrechnung gezogen worden, zur Decharge am Ende des halben Jahrs jedesmahl an Uns gelangen. Zu möglichster Vermeidung einer den Etat übersteigenden baaren Ausgabe in diesem Punct haben Wir indeßen die Verfügung gemacht, daß die nothwendigste Einrichtung an Tafel=Wäsche von hieraus in natura mitgegeben werden soll.

      XIV. Wenn der Prinz Seinen fürs erste in Lausanne zu nehmenden Aufenthalt, für welchen der hie beygeheftete Etat besonders formiret ist, demnächst verändern wird, wollen Wir die Bestimmung des Aufwandes für Denselben jedesmahl nach der Beschaffenheit und Theurung des Orts proportioniren. Zu welchem Zweck Uns sodann von dem Hof=Meister von Usedom vorher ein umständlicher Bericht von den, bey Beobachtung aller möglichsten anständigen Sparsamkeit daselbst nothwendigen Kosten zu erstatten ist.

      XV. Allen zu der Suite des Prinzen gehörigen Personen haben Wir, so lange der Prinz sich in der Fremde aufhalten wird, überall freye Reise, auch freyen Transport ihrer mitzu=

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nehmenden nöthigen Sachen in Gnaden bewilliget. Der Hof=Meister von Usedom soll dabey, nebst den beiden Informatoribus, in allem defrayiret werden, und für zwey eigene Livree-Bedienten die nach n. VI bestimmte Zulage, in baarem Gelde erhalten. Es sollen auch die Briefe aller zur Suite gehöriger Personen, besonders zwischen Lausanne und Hamburg unter dem Couvert eines Kaufmanns dergestalt Post=frey gehen, daß der Kaufmann die Porto-Rechnung, auf Anweisung des Hof=Meisters von Usedom alle Qvartale oder halbe Jahre gegen Qvitung ex cassa bezahlet erhalten soll.

      XVl. Allen zur Suite des Prinzen gehörigen Personen sollen ihre Pflichten nach Inhalt dieser Instruction bekannt gemacht und eingeschärfet, auch von dem, was in derselben ein=jeden von ihnen besonders angehet, zu ihrer Nachachtung Extracte, dem ersten Informatori Hof=Rath Schildt aber eine vollständige Copey der ganzen Instruction, zugestellet werden.

      XVII. Wir erlauben übrigens dem Hof=Meister von Usedom hiedurch in Gnaden, gegen Unsere, außer dieser Instruction, ihm zu ertheilende Verhaltungs=Befehle, so oft er es nöthig findet und gültige Bewegungs=Gründe dazu zu haben glaubet, geziemende unterthänigste Gegen=Vorstellungen zu thun, und soll er in solchem Falle jene Verhaltungs=Befehle zu befolgen, nicht eher verbunden seyn, bis sie durch Unsere auf seine Gegen=Vorstellungen erlaßene Resolution bestättiget werden.

Gleichwie Wir nun das gnädigste Zutrauen zu dem Hof=Meister von Usedom haben, er werde überall, nicht allein diese Unsere lnstruction, sondern auch überhaupt alle ihm obliegende Pflichten, mit aller Sorgfalt und Treue schuldigst beobachten, so versichern Wir demselben hiedurch in Gnaden Unsere besondere Protection gegen alle etwanige falsche Nachreden. Und daferne bey Uns er, es sey von wem es wolle, irgend eines Vergehens beschuldiget werden sollte, wollen Wir ihn ungehört mit Ungnade nicht belegen, sondern ihm zur Verantwortung Raum und Gehör geben, und, bey befindender seiner Unschuld, zu Bestrafung und künftiger Verhütung solcher Angaben ernstliche Verfügungen machen. Wir wollen auch überhaupt denselben seines Amtes halber, gegen jedermann nachdrücklich schützen und dabey gnädigst dafür sorgen, daß die von Uns ihm untern 26sten Junii 1762 ertheilte und für Uns und Unsere Herzogliche Nachfolger an der Regierung Kraft dieses aufs neue bestättigte Bestallung zu allen Zeiten pünctlich erfüllet werde.

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Der Instruction ist beigefügt der von Usedom auf Grund sorgfältiger Erkundigungen ausgearbeitete, sehr ins einzelne gehende "Entwurf zu einem Etat des Durchl. Prinzen Friedrich Franz während Ihres Aufenthalts in Lausanne". Usedom berechnet die jährlichen Kosten einschließlich seines eigenen Gehalts (1000 Rthlr.) sowie der Gehalte des Hofrats Schildt (300 Rthlr.), des Informators Ludewig (200 Rthlr. und 288 Rthlr. Kostgeld), des Kammerdieners Wendt (150 Rthlr. und 154 Rthlr. Kostgeld) und der beiden Lakaien Nagel und Morberg (je 80 Rthlr.) auf 8202 Rthlr., welche Summe aber noch um eine Kleinigkeit auf 8233 Rthlr. erhöht wurde. Wegen Beschaffung dieser Gelder erging am 26. Juli 1766 ein Herzogliches Reskript an die Kammer: " . . . Wir laßen Euch hiedurch in Gnaden unverhalten seyn, daß Wir der Entschließung geworden sind, Unsers geliebtesten Neveu des Prinzen Friederich Franz zu Mecklenburg Liebd. vor der Hand in fremden Ländern und zwar zuvorderst in Lausanne erziehen zu laßen, und daß Derselbe in Zeit von wenigen Wochen die Reise nach Lausanne antreten solle. Wann nun dem Prinzen zu seiner dasigen Subsistence und Erziehung von Uns fünf tausend Rthler Mecklenb. Valeur ausgeworfen, von Unsers Herrn Bruders des Prinzen Ludewig zu Mecklenburg Liebd. aber die fernere Zahlung der gedachten Ihro Prinzen schon hiebevor jährlich gereicheten 3233 Rthler und zwar in gleicher Wehrung versichert worden, so committiren Wir Euch hiedurch im gnädigsten Befehl, es mit Unserm Hof=Agenten der Gestalt zu reguliren, daß derselbe gegen eine ihm von Unserer Renterey ein= für allemahl zu ertheilende Assignation jährlich aus Unserem Amte Buckow drey tausend, und aus unserem Amte Redentin zwey tausend, gegen eine gleiche von Unsers Herrn Bruders des Prinzen Ludewig Liebd. ihm zu ertheilende Anweisung aber vor Ihro aus Unserem Amte Dobbran gezahlet werdenden Apanagial-Geldern jährlich 3233 Rthler, alles in Mecklenb. Valeur oder R 2 / 3 teln mit einem gewißen Agio, in Quartal=Ratis erhebe, dagegen und gegen Empfang der gewöhnlichen Wechsel=Kosten aber dem Hof=Meister von Usedom oder demjenigen, welcher zur Führung der Rechnung wird ernannt werden, die für des Prinzen Friederich Franz Liebd. bestimmeten Gelder, mittelst eines demselben fördersamst zuzustellenden Wechsels oder Credit-Briefes, ein für allemahl quartaliter den vierten Theil jener, zusammen 8233 Rthler Mecklenburgischer Valeur oder Hamburger Courant betragenden Summe franco in Lausanne zu erheben,

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anweise, und beydes so wohl mit Erhebung dieser Gelder hieselbst, als mit der Zahlung in Lausanne in Termino Michaelis a: c: den Anfang mache . . . .  So viel übrigens der ante Terminum Michaelis zur Reise und sonst für des Prinzen Friederich Franz Liebd. erforderlichen Gelder anlanget, habet Ihr zu solchem Behuf circa 1500 Rthler von den etwa über= schüßigen Post= Zoll und Laudemial-Gefällen oder von anderen etwa eingegangenen überschüßen fordersamst an den gedachten Hof=Meister von Usedom gegen Qvitung zu zahlen, äußersten Falls aber, wenn so viel nicht vorräthig seyn sollte, auf die zuerst eingehenden Laudemial-Gelder Von dem Hof=Agenten oder einem andern vorschießen zu laßen . . . ." Infolge dieses Reskriptes wurden zu der Kammersitzung am 8. August der Rent=meister Thiessing und der Hofagent Nathan Aaron zu einer Besprechung geladen. Thiessing gab an, es seien bei der Renterei nur 500 Taler Depositengelder von der Dargunschen Forst vorrätig. Aaron erklärte sich bereite die Subsistenzgelder gegen eine Provision von 1 % zu zahlen, erbot sich auch, die fehlenden 1000 Taler Reisegelder vorzuschießen, vorausgesetzt, daß sie samt den Zinsen spätestens bis zum kommenden Martini zurück= gezahlt würden. Von diesem Anerbieten wurde aber kein Gebrauch gemacht, weil alsbald eine ausreichende Summe an Laudemialgeldern einging, Übrigens erwiesen sich die für Reise= und Einrichtungskosten ausgesetzten 1500 Taler als unzulänglich und im März 1767 wurde die Kammer angewiesen, noch 550 Taler nachzuzahlen. Bald daraus wurde die Kammer davon in Kenntnis gesetzt, daß von den 8233 Talern Subsistenzgeldern hinfort der Herzog 7000 zahlen werde und Prinz Ludwig nur 1233 Taler beizusteuern brauche.

Noch vor Michaelis fand die Übersiedlung des Prinzen nach Lausaune statt; 1 ) er reiste dorthin unter dem Namen eines Grafen von Schwerin. Wo er in Lausanne wohnte, läßt sich nicht mehr


1) Der Prinz muß damals seinen Weg über Bützow genommen haben, denn Tychsen sagt in seiner "Feierlichen Rede am ersten Junii 1775 als am Tage der Hohen Vermählung des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Herrn Friederich Franz . . . mit der Durchlauchtigsten Fürstin und Frau Frau Louisa . . . . . im Nahmen der Herzoglich Mecklenburgischen Friederichs=Universität zu Bützom gehalten" S. 16: "Hiebey erinnere ich mich mit nicht geringen Vergnügen, daß als ich vor neun Jahren Rektor dieser Akademie war, und Sie, Durchlauchtigster Prinz, durch hiesige Stadt nach der Fremde reiseten, ich im Nahmen der hiesigen Universität, Ihnen eine glückliche Reise und Rückkunft und alles sonstige Hochergehen mit gerührtem Herzen Wünschte."
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feststellen, überhaupt haben wir über sein dortiges Leben und seine Studien leider nur sehr dürftige Nachrichten: die Berichte, die der Hofmeister über sein Ergehen und seine Fortschritte monatlich zu liefern hatte, scheinen eben so wenig mehr vorhanden zu sein wie die Briefe des Prinzen an den Herzog und an seine Eltern. Erhalten ist aber wenigstens ein von Usedom eingereichter "Entwurf, wie man die Lern=Stunden des Durchl. Prinzen Friedrich Franz von Mecklenburg = Schwerin von Michaelis 1767 bis Ostern 1768 einzutheilen gedenket":

Stundenplan

Des Prinzen Zeichenmeister war anfänglich Deblarhamberg, epäter Prud’homme, sein Tanzmeister Desjardins, sein Klavierlehrer Grondeler, im Französischen unterwies ihn Durand; jeder dieser Herren erhielt monatlich einen Louisd’or. Daß der Prinz auch Reitunterricht genoß, ergibt der Posten "Manege" im Etat. Eine lutherische Kirche gab es damals in Lausanne nicht; aus diesem Grunde hatte Usedom in den Etat 200 Taler eingesetzt "zu den Reisen nach Geneve, wann etwa Serenissimus Sich nicht noch entschließen sollten dem Durchl. Prinzen einen Reise=Prediger mitzugeben". Das hatte der Herzog nicht für nötig gehalten und der Prinz wird den lutherischen Gottesdienst in Genf besucht haben, wenn nicht der Genfer Pastor Beumelburg nach Lausanne kam, um dort - was nach Ausweis der Rechnungen mindestens einmal im Monat geschah - in der Wohnung des Prinzen eine auch von den ortsanwesenden Lutheranern stark besuchte Predigt zu halten, übrigens hatte der Rat von Lausaune, der in seiner

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Sitzung vom 14. Oktober 1766 beschloß, den Prinzen durch zwei seiner Mitglieder begrüßen zu lassen, gleichzeitig die Herren von der Noble chambre Oeconomique beauftragt, de faire le choix d’une place dans l’Église de St. François destinée pour S. A. le Prince de Mecklembourg pendant le séjour qu’il fera dans cette ville.

Nicht lange nach seiner Ankunft wurde der Prinz Mitglied eines vornehmen Clubs, des Cercle de la Rue de Bourg. Auf der Liste der Teilnehmer an einem Subskriptionsball im Jahre 1768 steht sein Name neben dem des Prinzen Ludwig Eugen von Württemberg, Für häufigen Verkehr in Familien sprechen die vielen Rechnungsvermerke über Trinkgelder "da der Prinz außer dem Hause speisete"; leider sind die Namen der Einladenden nicht genannt. Daß er u. a. im Hause des Herrn Salomon de Charrière de Sévery, der seinerzeit Prinzen= gouverneur am landgräflich hessen=casselschen Hofe gewesen war, aus= und einging, ersehen wir aus einem Briefe, den der inzwischen vermählte Prinz am 23. Juli 1782 aus Ludwigslust an diesen Herrn richtete und in dem er seinen und seiner Gemahlin Besuch in Lausanue für den Oktober ankündigt. In diesem Briefe 2 ) heißt es u. a.: Étant persuadé de l’amtié que Vous avez toujours eu pour moi, je peux espé;rer que Vous me prendrez sous Votre protection afin que j’aye le bonheur de me retrouver dans mes anciennes si bonnes et si aimables sociétés. Surtout y compris le Cercle, où j’espère pourtant d’oser y entrer sous Vos auspices comme je me fais gloire d’être encore un ancien membre de cette société. Je Vous prie, Monsieur, de faire mille compliments de ma part à Mr. Votre beau-père, à Mad me Votre charmante épouse, de même à Mr. de Mézery. Dites-lui que je pétille de plaisir de le revoir comme mon ancien bon voisin, et que j’espérais qu’il permettroit que je profite cette fois-ci plus de ses chevaux.

Im Jahre 1768 wurde beim Prinzen die "Inoculation der Blattern" vorgenommen und zwar durch den berühmten Arzt Simon André Tissot 3 ) in Lausanue. Tissot erhielt dafür 50 Louisd’or und eine goldene Tabatiere im Werte von 1057 Livres, der assistierende Chirurg le Vade 12 Louisd’or.


2) Mir gütigst mitgeteilt von einem Nackommen des Adressaten, Herrn William de Charriè de Sévery in Valency bei Lausanne.
3) Sein 1771 von Prud’homme gemaltes Bildnis bewahrt das Großherzogliche Museum zu Schwerin (Nr. 847)
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Im Oktober desselben Jahres aber verließ der Prinz Lausanne und übersiedelte nach Genf, zum großen Leidwesen nicht nur der Armen, für die er allzeit eine offene Hand hatte, sondern auch großer anderweitiger Kreise in Lausanne: das beweist ein ihm bei diesem Anlaß gewidmetes langes Gedicht, unterzeichnet von Sechs Leuten "im Nahmen aller übrigen Evangelischen Augspurgischen Confessions=Verwandten zu Lausanne" und betitelt "Die Folge der Ehrfurcht und Dankbarkeit bey der unvermutheten Abreife des liebenswürdigsten und durchlauchtigen Prinzen Friederich Franz künftig regierenden Herrn zu Mecklenburg=Swerin", aus dem einige Strophen hier mitgeteilt sein mögen:

Prinz! wie? Du willst Dich uns entziehn!
Und diese werthe Stadt verlassen?
Ists möglich, willst Du von uns fliehn,
Wer kann den schnellen Schluß wohl fassen?
Wer hat Dir was zu Leyd gethan,
Wer ists, der Dich nicht dulden kann?
Was ist es dann, das Dich betrübte?
Wo ist die Frau? Wo ist der Mann?
Baron, Graf, Bürger, Unterthan,
Wo ist ein Kind, das Dich nicht liebte?

Der Landmann eilet in die Stadt,
Läßt Äcker, Hof und Wiesen stehen,
Blos, wie er es versichert hat,
Den Prinz von Mecklenburg zu sehen.
Der Seigneur verläßt das Schloß,
Und eilt auf einem raschen Roß
Den zarten Friedrich zu verehren.
Die Damen locket das Geschrey
Auf manche Meile weit herbey,
Um Dich zu sehen und zu hören.

Der Greis vergißt die Mattigkeit,
Die ihn sonst kaum läßt kriechend gehen,
Und eilt mit vieler Munterkeit
Vor Dir geschwinde aufzustehen.
Der Pöbel drückt sich an die Wand
Und zeigt voll Freude mit der Hand:
Er sucht Dich weichend zu verehren.
Der jungen Schönen bunte Schaar
Eilt schnell aus Fenster, Paar bey Paar,
Wenn sie des Prinzen Pferde hören.

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Kurz! alles, alles liebet Dich,
Und alles wünscht Dir zu gefallen,
Das zärtste Kind bemühet sich
Vom Prinz von Mecklenburg zu lallen.
Und dennoch willst Du uns entfliehn
Und Dich so plözlich uns entziehn?
O Prinz! wie sollen wir diß fassen!
Ists möglich, kannst Du eine Stadt,
Die Dich so sehr geliebet hat,
So ruhig und so schnell verlassen!

Altar und Tempel flieht mit Dir
Vom Häuflein unserer Gemeine,
Und die nennt sich besonders hier
In eigenem Verstand die Deine.
Erbauung, Trost, Schuz, Unterricht,
Vergnügen, Zuspruch, Recht und Licht,
Wird plözlich uns mit Dir entrissen.
Nun wird der eine dahinaus,
Der andre in ein fremdes Hauß
Zur Gnadentafel wandern müssen! . . .

Kurz! Jedermann bedauerts jezt,
Man klagt in Häusern und auf Straßen,
Daß Du so schnell Dir vorgesezt
Nun diese Gegend zu verlassen;
Doch folgt Dir auch bey jedem Schritt
Ein Segenswunsch voll Ehrfurcht mit
Von allen denen, die Dich kennen,
Sie mögen sich gleich Lutheran,
Gleich Römisch und Calvinian,
Ja wie sie immer wollen, nennen. . . .

Ja zeuch nur, zarter Friederich!
Du zeuchst uns doch nicht aus Gedanken,
Die Liebe dieses Orths für Dich
Weiß niemahls was von Ziel und Schranken.
Du, unsrer Kirche Schmuck und Zier,
Dein Josua und Gott mit Dir,
Und Glück und Wonne stets zur Seiten;
Die sollen Dich auf Deiner Bahn
Bis dort nach Nordens Canaan
Mit großer Kraft und Weisheit leiten! . . .

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Schildt, "ein Mann von seltnem Werth und Gaben", wie das erwähnte Gedicht von ihm rühmt, begleitete den Prinzen nicht nach Genf, sondern kehrte nach Mecklenburg zurück. Von Frankfurt aus teilte er am 26. November 1768 dem Herzog mit, daß er befehlsmäßig sich auf den Weg zur Rückreise gemacht habe, zusammen mit dem ehemaligen Bedienten Usedoms und in Gesellschaft des Kammerherrn v. Levetzow, der aber unterwegs erkrankt sei und nun in Frankfurt festliege. Schildt glaubt ihn nicht verlassen zu dürfen und hofft und bittet, daß der Herzog "in Betracht dieser Bewegungs=Gründe sein späteres Aussen=bleiben nicht in Ungnaden bemerken werde". Den Grund von Schildts Rücktritt kennen wir nicht; Unzufriedenheit des Herzogs mit seinen Diensten war es gewiß nicht, denn es ist einmal in einem Kabinettsschreiben von "Serenissimi höchster Neigung", ihn anderweitig zu versorgen, die Rede. In der Tat erging schon vor Schildts Rückkehr, am 28. Oktober 1768, ein Reskript an die Kammer: "Wir finden den Informatorem bey des Prinzen Friederich Franz Liebd. Hof=Rath Schildt aus seiner bisher bekleideten Stelle entbehrlich, und sind daher in Gnaden geneigt, ihn auf eine andere convenable Art zu placiren. Bey der Ungewißheit aber, worinn Wir Uns befinden, wozu derselbe eigentlich am brauchbarsten seyn mögte, befehlen Wir euch gnädigst, ihn, zum Versuch, vor der Hand als zweyten Beamten in Güstrow anweisen, ihm sein vorhin genoßenes Salarium von dreyhundert Rthlr. fernerhin in Quartal-Ratis zahlen  . . . zu laßen." Diese Stellung in Güstrow entsprach aber Schildts Neigungen nicht; am 26. Januar 1769 bat er den Herzog, von seiner Anstellung dort abzusehen und ihm vielmehr den erledigten Posten eines Acciserats in Rostock nebst der unbesetzten Professur der ökonomischen Wissenschaften in Bützow zu übertragen. Dem aber wurde nicht stattgegeben, vielmehr unterm 1. Februar die Kammer angewiesen, Schildt vor der Hand und bis auf weitere Verordnung unter seinem bisherigen Charakter zu allen Sekretariatsgeschäften bei der Kammer zu gebrauchen. Am 14. März 1769 wurde er, dessen Gehalt am 1. Februar auf 400 Taler erhöht worden war, als Kammersekretär vereidigt;in dieser Stellung ist er am 19. März 1802 gestorben.

Des zweiten Informators Karl Ludewig geschieht in den Erziehungsakten weiterhin keine Erwähnung. Doch erscheint er im ersten Staatkalender von 1776 als Kabinettssekretär. Im Jahre 1780 wurde er pensioniert und zog nach Rostock.

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Daß er dort in sehr kümmerlichen Verhältnissen lebte, lehrt uns ein vom 6. April 1789 datierter Befehl des Herzogs Friedrich Franz an die Kammer: "Da Wir Uns bewogen finden, Unserem ehemaligen Informator und nachherigen Secretair Ludewig, seiner Uns bekannt gewordenen äußerst traurigen Umstände halber, seine bisherige Pension mit Ein Hundert ReichsThalern N 2 / 3 zu erhöhen, welche ihm pro rata vom jetzigen Ostern inclusive bezahlet werden sollen, so usw." In Ludewigs Dankschreiben vom 16. April heißt es: "Ew. Herzogl. Durchl. haben mir zu meiner bisherigen Pension eine Zulage von jährlichen 100 Thalern zu einer Zeit gnädigst accordiret, da die Noth aufs höchste gekommen und ich recht im Begrif war, zu Grunde zu gehen." Ludewig starb zu Rostock am 18. Mai 1797, mit Hinterlassung einiger Schulden; von seinen Gläubigern in Rostock waren sechs so naiv, unterm 24. Juni ein gemeinsames Bittschreiben an den Herzog zu richten, er wolle die ihnen von Ludewig schuldig gebliebenen Summen - es handelte sich insgesamt um 48 Rthlr. 1 Schilling - "aus Höchst Dero Chatoulle berichtigen lassen". Der Herzog sandte die Bittschrift seinen Räten zur weiteren Behandlung; diese meinten, den Bittstellern zu willfahren "dürfte bedenklich seyn, da man nicht wissen kann, ob nicht noch mehrere beträchtliche Schulden vorhanden sind", und so ging habita deliberatione das Gesuch ad acta. -

Zu der Zeit, da Prinz Friedrich Franz nach Genf übersiedelte, war diese Stadt wieder einmal der Schauplatz einer jener die Geschichte Genfs im 18. Jahrhundert füllenden demokratischen Bewegungen, jener schließlich erfolgreichen Kämpfe der nicht bevorrechteten Klassen der Bourgeois und der Natifs gegen die starr aristokratische Herrschaft der allein regiments=fähigen Citoyens, die den Kleinen Rat und das Collegium der Zweihundert besetzten. Kurz vor der Ankunft des Prinzen hatten die Bourgeois es durchgesetzt, die Hälfte der Mitglieder der Zweihundert stellen zu dürfen. Nun aber regten sich auch die zahlreichen und Wohlhabenden Natifs, die in Genf geborenen Nachkommen der nicht eingebürgerten Einwohner, mit dem Verlangen nach Besserstellung - sie die bis zum Jahre 1738 nicht nur von allen Staatsstellen, sondern auch von den höheren Berufsarten ausgeschlossen waren und auch seitdem noch außerhalb der Bürgerschaft standen. Sie fanden rührige Anwälte, die in Wort und Schrift ihre Ansprüche verteidigten und die weitestgehenden Forderungen nach Teilnahme am Stadtregiment

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erhoben; ihre durch Zuzug von auswärts beständig wachsende Partei nahm schließlich eine drohende Haltung ein, veranstaltete bewaffnete Umzüge und plante für den 15. Februar 1770 einen Aufstand, den zu verhindern dem wachsamen Rat nur durch die schärfsten Mittel und nicht ohne Blutvergießen gelang. Alle diese Unruhen spielten sich während der Zeit ab, da der Prinz in Genf weilte; ob aus eigenem politischem Interesse oder durch andere dazu angeleitet, bleibt dahingestellt, jedenfalls suchte er sich über die Verhältnisse zu unterrichten und erwarb eine beträchtliche Zahl einschlägiger Flugschriften, die heute die Regierungsbibliothek aufbewahrt.

Der Prinz bewohnte zunächst ein dem Noble Pierre Jaquet, Seigneur, ancien Conseiller d’Etat, gehöriges kleines Haus an der zur Altstadt, auf dem linken Ufer der Rhone, dem Mittelpunkte des Lebens, gehörenden rue de la Corraterie; der Mietzins betrug 150 Louisd’or jährlich. Der Mietsvertrag war auf ein Jahr abgeschlossen, scheint aber dann um ein weiteres Jahr verlängert worden zu sein. Am 1. Oktober 1770 aber erfolgte der Umzug in das seither abgebrochene und durch einen Neubau ersetzte Haus des Noble Isaac Louis Thellusson, Citoien et Conseiller au Conseil des Deux Cent, in der engen rue des Belles Filles (heute rue Étienue Dumont genannt), nahe der promenade de St. Antoine; diese Wohnung wurde auf zwei Jahre gemietet für 175 Louisd’or jährlich. Der Haushalt des Prinzen war in Genf etwas reichlicher zugeschnitten als in Lausanne. Usedom glaubte in einem Bericht an den Herzog vom Dezember 1768 die Notwendigkeit einer glänzenderen Einrichtung betonen zu sollen und fand dafür die Zustimmung des Herzogs, der zwar in eine Erhöhung des Etats nicht willigen wollte, aber doch einen Genfer Bankier anweisen ließ, nach Bedarf bis zu 2000 LivreS vorzuschießen.

Schon bald nach seiner Ankunft stattete der Prinz dem ersten Syndikus der Republik, dem Noble Michel Lullin de Chateauvieux, einen Besuch ab. Daraufhin beschloß der Rat, den Prinzen durch eine Deputation, bestehend aus einem Syndikus und zwei Mitgliedern des Rats, begrüßen zu lassen, und diese Herren berichteten am 24. Oktober, qu’ils ont fait compliment au Prince de Mecklembourg-Swerin, qui a témaoigné son extrême sensihilité à l’attention du Conseil et qu’il les accompagna jusques à la porte sur la Cour. Überhaupt ließ es der Rat an Zuvorkommenheit nicht mangeln.

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Die Wachen wurden angewiesen, dem Prinzen militärische Ehren zu erweisen, und es wurde beschlossen qu’on mettra un tapis et un carreau (ein viereckiges Sitzkissen) a la place qu’il oc-cupera au Temple de St. Pierre, der Kathedrale. Als 1769 der Prinz den Wunsch geäußert hatte d’aller aux Promotions 4 les Nobles Bouet et de la Rive ont été commis pour le conduire au Temple de St. Pierre et le reconduire chez lui. Im Januar 1769 teilte der Premier Syndic Jean Louis Saladin dem Rate mit, daß Usedom bei ihm gewesen sei pour se plaindre des ordres que des huissiers avoient donnés aux domestiques de Son AItesse de mener les chevaux de Sa dite Altesse au pas dans la Ville et du bruit que font les enfans sous le Parapet à la place de la Corraterie: sofort wurde der Noble Philibert Gramer, Seigneur Conseiller, beauftragt, sich zum Prinzen zu begeben, und berichtete dann dem Rat, daß il avoit été chez le Prince et lui avoit témoigné soit à son Gouverneur le désir qu’a le Conseil de rendre le séjour de notre Ville agréable au Prince en tout ce qui peut dépendre de lui, qu’il n’y a eut aucune affectation dans ce que quelques huisiers ont pu dire aux domestiques de Son Altesse, que ces huissiers sont chargés de veiller à l’exécution d’une publication faite pour prévenir les accidens que peuvent causer les cochers en conduisant les voitures dans la Ville avec trop de précipitation, qu’on leur avoit ordonné de parler avec plus de circonspection et de ménagement et qu’à l’égard des enfans qui ont coutume de s’assembler pour se divertir sur la Corraterie, on feroit veiller à ce qu’ils ne jettent aucune pierre et ne commettent aucun désordre, que le Prince et son Gouverneur avoient parus sensibles à cette attention du Conseil et l’avoient prié de l’en remercier.

Die Stelle eines ersten Informators blieb nach Schildts Abgang einige Monate hindurch unbesetzt, erst am 18. Mai 1769 wurde der Magister Glöckler engagiert, der bis dahin Stipendiarius des herzoglichen Consistoriums in Stuttgart war und


4) Die am Ende jedes Schuljahres (Mitte Juni) stattfindenden Promdions, d. h. die mit Verteilung von Preisen verbundenen Versetzungen der Schüler des Collège de Genève fanden seit Calvins Zeit in der Kirche St. Pierre statt; sie hatten sich im Laufe der Jahre nicht nur zu einem Fest für die Schüler und deren Angehörige, sondern zu einer wahren Nationalfeier gestaltet. S. darüber die Histoire du Collège de Genève (Genève 1896) cbapitre XXIII: Promotions p. 197 ss.
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vom Consistorium zur Übernahme der Informatorstelle auf einige Jahre beurlaubt wurde. Ob der Studienplan des Prinzen in Genf wesentliche Änderungen erfuhr, ist zweifelhaft; von Privatlehrern werden in den Rechnungen genannt der Schreiblehrer Durussel, der Klavierlehrer Scherer, der Zeichenlehrer Vanière, ein Tanzmeister und ein Sprachlehrer werden nicht mehr erwähnt, dafür aber ein Fechtmeister Ponçon. Unterbrochen scheinen die Lehrstunden nur gewesen zu sein durch eine einmal beiläufig erwähnte Reise des Prinzen nach Mecklenburg im Dezember 1770 - wohl zur Feier des Weihnachtsfestes-, über die genauere Angaben fehlen.

Daß der Prinz auch in Genf in der Gesellschaft verkehrte, noch mehr als in Lausanne, verraten uns wieder die vielen Rechnungsvermerke über Trinkgelder "da der Prinz außer Hause speisete". Aus gelegentlichen Erwähnungen ersehen wir, daß er eingeführt war in die Häuser Genfer Patrizier und vornehmer Mitglieder der Fremdenkolonie, aber er war auch, wie wir sehen werden, häufiger Gast im Hause des reformierten Predigers Diodati. Den ersten Anlaß zum Verkehr mit ihm könnte der Umstand gegeben haben, daß Diodati einen Teil des Thellussonschen Hauses bewohnte, als es für den Prinzen gemietet wurde.

Zu den vornehmen Fremden, mit denen der Prinz Beziehungen unterhielt, gehörte der seit Jahren in Genf verweilende Lord Stanhope, und in Verbindung mit diesem erscheint sein Name auch einmal in der Öffentlichkeit. Stanhope war Mitglied der hochangesehenen Bogenschützengilde, der Compagnie du Noble Exercice de l’Arc und hatte, als nach längerer, durch die politischen Unruhen veranlaßter Unterbrechung die Gilde im Juni 1771 ihre Übungen wieder aufnahm, durch einen Meisterschuß sich das Recht auf die Würde des Commandeurs erworben. Diese Würde aber durfte nach dem Gesetz nur ein Bürger von Genf bekleiden; um dem Lord die Möglichkeit der Annahme zu gewähren, ließ ihm der Rat feierlichst den Bürgerbrief überreichen und der so Geehrte, um sich erkenntlich zu zeigen, veranstaltete eine Reihe glänzender Festlichkeiten, die am 28. Juni mit einem Prunkmahl im Hotel de Ville eröffnet wurden. 5 ) In feierlichem Zuge begaben sich


5) S. darüber N. Chenevière, "Relation des réjouissances faites à Genève à l’occasion de Mylord Charles Stanhope, Vicomte de Mahon, Commandeur du Noble Exercice de l’Arc", 1771; s. besonders S. 19 und 42.
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die geladenen Gäste von Stanhopes Wohnung durch die Stadt zum Hotel de Ville: "Tel étoit l’ordre de la marche: Mylord Commandeur paroissoit d’abord entre Mr le Seigneur Commis et un autre Membre du Petit Conseil; le Prince de Mecklembourg-Swérin venoit ensuite, puis Mylord Stanhope (der Vater des Gastgebers), le Chambellan gouverneur du Prince, l’ancien Commandeur et les Rois des trois autres Exercices, tous entre des Membres du Magnifique Conseil ou de la Justice; divers Lords et autres personnes de distinction suivoient deux à deux etc." An der Ehrentafel saß auch der Prinz Friedrich Franz; der "Ordre dans lequel les santés furent portées au repas du 28 Juin 1771" verzeichnet an dritter Stelle "celle de son Altesse Sérénissime le Prince de Mecklembourg-Schwérin qui nous honore de sa présence," ausgebracht "par Mylord Commandeur".

Wenige Wochen nach diesem Fest verließ der Prinz Genf. Es ist sicherlich nicht richtig, daß Herzog Friedrich damals schon die Ausbildung seines Neffen für beendet angesehen habe, wie gewöhnlich angegeben wird; das ergibt sich schon daraus, daß, wie wir sahen, die Wohnung für den Prinzen bis zum 1. Oktober 1772 gemietet war. Der Grund für die Rückberufung des Prinzen lag vielmehr darin, daß sowohl der Herzog als auch Prinz Ludwig mit Usedoms Führung in jener Zeit sehr unzufrieden waren - worauf wir zurückkommen werden - und in den Verhältnissen, in die er sich begeben hatte, eine direkte Gefahr für den Prinzen sahen.

Schon am 15. Juli wurde das Regierungs=Collegium davon in Kenntnis gesetzt: "Serenissimus haben dem Cammer=Herrn von Usedom schreiben lassen, daß derselbe mit dem Durchl. Printzen zurück kommen solte." Diesem Befehl, der ihn nach Lage der Dinge heftig erschüttern mußte, konnte Usedom nicht Folge leisten; er erkrankte, ein Kabinettsschreiben vom 15. August teilte dem Regierungs=Collegium mit: "Da der Cammer=Herr von Usedom so sehr krank geworden, daß er auch sogar seiner Sinne nicht allemahl mächtig seyn soll; So tragen S mus Bedenken ihm die Rück = Reise mit dem Durchl. Printzen hierher machen zu laßen. HöchstDieselben wollen demnach den Major von Restorff dahin absenden und den Durchl. Printzen auf solcher Reise durch ihn begleiten laßen." Am 28. August reiste Restorff mit dem Prinzen von Genf ab und traf am 24. September mit ihm in Ludwigslust ein. Zu diesem

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Tage widmete ein Anonymus der Mutter des Prinzen ein Gedicht, in dem es heißt:

Wie war Dir, da Er wieder kam
Und Deinen Segen von Dir nahm?
Es wallte Dir Sein Herz entgegen,
Es sagte Dir Sein Herz, es walle Deinentwegen.

Da goß in Deine frohe Brust
Der Schöpfer nahmenlose Luft;
Die stumme Rede=Kunft der Zähren -
Wer könnte ihr Gefühl, und ihre Kraft erklähren?


Der berüchtigte Ferdinand Ambrosius Fidler aber, damals Hülfsprediger in Ludwigslust, wagte zur Begrüßung des Heimgekehrten von der Kanzel herab zu sagen: "Der junge gnädige Herr sei nun zwar aus Genf zurückgekommen, habe aber vom Christen nichts mitgebracht als den Rock; es stehe indessen zu hoffen, daß es dem ehrwürdigen Amtsbruder, dem Herrn Hof=Prediger, gelingen werde, einen Menschen und Christen aus ihm zu bilden." 6 )


Der in Genf zurückbleibende Usedom fühlte sich durch die Abberufung des Prinzen und das ganze Vorgehen des Herzogs beleidigt und reichte eine - nicht zu den Akten liegende - Beschwerdeschrift ein. Darauf erging an ihn unterm 21. Oktober ein Schreiben des Herzogs, in dem ihm eröffnet wurde, "daß Wir während des letzten halben Jahrs, in welchem dem Vernehmen nach die Liebe zu einer Diodatischen Tochter euch vorzüglich beschäftiget und eure dortige Lebens=Art größten Theils bestimmet hat, von eurem Benehmen in Absicht auf die euch anvertrauete Erziehung Unsers Neveu des Prinzen Friederich Franz Lbd. nicht allerdings vergnügt gewesen sind. So wie es Unsere Gewohnheit überhaupt nicht ist, Unserer vorherigen Zufriedenheit mit dem Betragen Unserer Bedienten um einer nachherigen temporairen Unzufriedenheit willen gänzlich zu vergessen, noch jemanden gerne auf eine ungnädige Art zu dimittiren, so sind Wir auch, da Wir den Prinzen von dort zurückberufen, euch hingegen, bey euren ohnehin angezeigten sehr schwachen Gesundheitsumständen, an dem Orte eurer jetzigen genauesten Verbindung zu bleiben erlaubet haben, von der geringsten Absicht, mit einiger Härte gegen euch zu


6) S. Boll, Geschichte Mecklenburgs II S. 435.
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verfahren, oder euch nur einmahl zur Untersuchung und Verantwortung [: welche sonst eure persönliche Anherokunft nothwendig würde erfordert haben :] ziehen zu lassen so entfernet gewesen, daß Uns nichts unerwarteter hätte seyn können, als dieserhalb eine Beschwerde von euch entgegen zu nehmen, die ihr, bey reiferer Überlegung selbst für voreilig werdet erkennen müssen. Unsere Entschließung, die Wir euch hiedurch gnädigst nicht verhalten, gehet bloß dahin, euch, bewandten . . . Umständen nach, zu dem Ende, damit ihr sowohl eurer Gesundheit pflegen, als auch die dort getroffene eheliche Verbindung . . . nach Gefallen vollziehen könnet, nach vorgängiger in Unseren Diensten durchgängig gewöhnlicher halbjährlichen Kündigung, der bisher bey des Prinzen Liebd. verwalteten Charge in Gnaden zu entlaßen. Wir sehen die Kündigung als euch in Termino Michaelis dieses Jahrs geschehen an, und werden euch nicht nur euer Bestallungsmäßiges Gehalt bis Ostern künftigen Jahrs zahlen laßen, sondern Wir erinnern Uns auch in Gnaden der euch in eurer Bestallung wegen eurer Lebenswierigen Pension ertheileten Versicherung, und werden Uns ohne Rücksicht auf die in solcher Bestallung zwar hinzugefügte ausdrückliche Clausul, dieserhalb gegen Ostern des künftigen Jahrs weiter solchergestalt erklären, als ihr es mit Recht und Billigkeit zu begehren vermöget. Inmittelst habt ihr, wie Wir hiedurch zur Bedingung machen, vor allen Dingen die noch rückständigen Rechnungen einzusenden, und, nach beschehener Revision, eine General-Decharge zu gewarten; dann auch die gewöhnliche Ablieferung der ganzen in euren Händen befindlichen Correspondence, so daß ihr davon weder Originalien noch Concepte und Copeyen zurück behalten zu haben, auf euren Official-Eid versichern könnet, gegen ein euch zu ertheilendes gänzliches Liberatorium zu beschaffen: und endlich wollen Wir, da Wir Unsern Theils die Versicherung, euch weiter keinerley Misvergnügen empfinden zu laßen, hiedurch wiederholen, Uns auch dessen, daß ihr eures Theils gleichfalls alles Misvergnügen gegen diejenigen, die Uns von euch und euren dortigen Umständen Nachrichten ertheilet haben, von nun an gänzlich fahren lasset, in Gnaden . . . zu euch versehen."

Schon vor Erlaß dieses Kündigungsschreibens hatte der Herzog von zwei vornehmen Bewohnern Genfs, dem erwähnten Lord Stanhope und einem ancien sindic de la République de Genève namens Grenus, der angab, mit dem Prinzen in

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der ganzen Zeit von dessen Aufenthalt in Genf in Beziehung gestanden zu haben, Briefe erhalten, die sich Usedoms warm annahmen und besonders versicherten, daß an der Familie Diodati kein Makel hafte. Der Herzog hatte diesen Fürsprechern sehr höflich geantwortet, im übrigen die Frage nach der Schuld oder Unschuld Usedoms unerörtert gelassen. Sogar der Rat der Stadt Genf mischte stch in die Sache und trat für Diodati ein. Am 5. Oktober schrieben les Sindics et Conseil de Genève an den Herzog:

Très Haut et Sérénisseme Prince! La préférence flatteuse que V. A. S. avoit donnée à notre Ville en la choisissant pour perfectionner l’éducation du Prince son neveu et notre respect pour l’Auguste Nom qu’il porte, étoient de bien grands motifs pour nous y intéresser: Ses qualités personnelles ajoutoient encore à ces sentimens, et c’étoit avec la plus véritable satisfaction que nous étions les témoins des progrès sensibles de sa santé, de son esprit, et de sa raison sous un Gouverneur dont les soins, la tendresse, et la vigilance ont été remarquées généralement.

Nous espérons que V. A. S. a déjà pu s’en convaincre par ses yeux et nous ne douterions pas qu’Elle ne fut satisfaite à tous égards du séjour que le Prince de Mecklembourg a fait dans notre Ville si Mr. Diodati, Ministre de Notre Église et l’un de nos Citoïens, n’étoit venu nous exposer qu’il avoit lieu de croire que Mr. d’Usedom avoit encouru la disgrace de V. A S. pour avoir fait vivre pendant quelque temps le Prince dans la Maison de Campagne qu’il habite avec sa famille.

Mr. Diodati en même temps qu’il est venu nous en témoigner son étonnement et sa douleur, nous a priés de chercher à détruire l’effet des rapports calomnieux que des gens mal intentionnés ont fait, sans doute, à V. A. S. pour surprendre sa religion et allarmer sa tendresse pour un Prince qui la mérite à tant de titres.

Notre estime pour Mr. Diodati et votre amour pour la justice nous imposent également le devoir de vous faire entendre la vérité.

Nous ignorons ce qu’on peut avoir rapporté à V. A. S. au sujet de Mr. Diodati, mais ce que nous pouvons lui assurer après les informations les plus exactes, c’est, qu’étant issu d’une famille très noble et très ancienne qui

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tenoit un rang très considérable à Lucques d’où elle tire son origine et qui a figuré dans l’Ordre de Malthe et à la cour Impériale, il a toujours soutenu son nom avec honneur.

Cette famille retirée dans notre Ville par amour pour notre religion, s’est toujours distinguée dans l’État et dans l’Église, et Mr. Diodati a embrassé l’état du Ministère, qui est fort honoré parmi nous, uniquement pour le même motif. Il s’y est fait connoitre très avantageusement par son zêle, sa piété et ses talens, et en servant l’Église sans aucune récompense il a montré un désintéressement que sa fortune qui est très considérable lui permet, et qui est d’ailleurs dans son caractère.

Nous devons encore informer V. A. S. qu’il a épousé une de nos citoïennes issue d’une des familles les plus considérables de ce païs, et recommandable par ses vertus et par son attachement à ses devoirs. Nous savons anssi qu’ils se conduisent l’un à l’autre dans leur maison comme de bons pères de famille, cherchant à inspirer à leurs enfans le gout de la vertu par leurs leçons et par leur exemple.

C’est sans doute la connoissance qu’avoit Mr. d’Usedom du mérite de Mr. et de Mad me Diodati qui l’a engagé à mener le Prince de Mecklembourg dans leur maison et nous pouvons assurer V. A. S. que si la vigilance que nous avons toujours connue à Mr. d’Usedom se fut dementie en cette occasion, on que séduit par de fausses aparences il eût fait vivre le Prince dans une maison indigne de Iui, ce que nous devons à V. A. S. nous eut engagés à l’en avertir et à ne rien négliger pour qu’on ne put manquer sous nos yeux à un Prince qui a l’honneur de Iui appartenir.

Si apès tous les détails que nous venons de présenter à V. A. S. et qui ne peuvent laisser aucun nuage dans son esprit au sujet de Mr. Diodati, Elle désiroit quelque éclaircissement sur les faits qu’on peut avoir controuvés ou altérés, nous sommes prêts à les Lui donner avec autant d’empressement que d’exactitude.

     Nous avons l’honneur . . 

Als Herzog Friedrich diesen Brief erhielt, hatte er gerade ein vom 21. Oktober datiertes Dankschreiben an die Syndici und den Rat der Stadt Genf abfertigen lassen wollen, lautend:

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" . . . Unsere Freundschaft auch wohlaffectionirten Willen zuvor. Edle und Hochweise . besonders liebe Herren! Den Herren erstatten Wir für alle Unserem Neveu, des Prinzen Friederich Franz zu Mecklenburg Liebden, während Ihro Aufenthalts in dortiger Stadt erzeigte Uns von dem Prinzen bey seiner Ankunft hieselbst mit der größten Erkenntlichkeit ungemein gerühmte Gutheit, 7 ) hiedurch den verbindlichsten Dank. Wir versichern dabey, daß Wir Uns nichts sehnlicher wünschen, als die Gelegenheit den Herren die freundschaftliche Werthachtung und den wohlaffectionirten Willen werkthätig bezeugen zu können, womit Wir Denenselben stets beygethan verbleiben." Dieses Schreiben ließ der Herzog von Bestand und fügte nur noch sie Nachschrift hinzu: Je viens de recevoir dans ce moment, Messieurs, Votre lettre du 5 me de ce mois et je Vous remercie des éclaircissemens que Vous avez bien voulu me donner. Bien éloigné de taxer qui que ce soit de Vos citoïens, je suis bien obligé entre autres à Mr. Diodati de la facilité avec laquelle il a reçu chez soi le Prince mon Neveu. Je Vous prie, Messieurs, d’en assurer Mr. Diodati, et d’être entièrement persuadés des sentimens d’estime que je Vous conserve pour jamais.


7) Friedrich Franz I. hat für seine Genfer Jahre allezeit eine angenehme und dankbare Erinnerung bewahrt. So gab er denn auch gerne seine Einwilligung, als der Erbprinz Friedrich Ludwig beschloß, seinen Sohn Paul Friedrich in Genf erziehen zu lassen; dort verweilte dieser, allerdings mit Unterbrechungen, vom Dezember 1814 bis in den Herbst 1818. Im Herbst 1815 beantragte Friedrich Franz, der am 14. Juni d. J. die großherzogliche Würde angenommen hatte, seine Aufnahme als Bürger der Stadt Genf. Die Registres du Conseil de Genève verzeichnen unterm 28. Oktober 1815: S. A. R. le Grand-duc de Mecklembourg-Schwerin demande la Bourgeoisie de Genève. Noble Saladin lit une lettre de M. le oaron de Bülow, chambellan de S. A. R. le prince de Mecklembourg-Schwerin et gouverneur du prince Paul de Mecklembourg actuellement à Genève, datée du 27 octobre. M. de Bülow transmet une lettre de S. A. R. le prince regnant, grand-duc de Mecklembourg, à lui adressèe, dans laquelle il lui témoigne le plaisir que lui fit sa lettre du mois de mars, où il lui mandait que le Gouvernement de Genève avait marqué beauncoup de satisfaction des preuves d’attacnement que le prince donnait à la République. Le prince ajoute: "Je ne vous ai pas demandé depuis lors de faire des démarches pour obtenir la Bourgeosie de Genève, parce que j’avais des craintes sur l’indépendence de cette République"  .  .  . Unterm 30. Oktober : Octroi de la Bourgeoisie demandée, und unterm 13. November: Députation au prince Paul de Mecklembourg pour lui remettre la lettre de Bourgeoisie pour le Gand-duc de Mecklembourg. (  ...  )
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Auch die Intervention des Rats beeinflußte die Entscheidung des Herzogs nicht.

Usedom seinerseits wollte die Kündigung nicht ohne eiteres hinnehmen, beantragte vielmehr eine Untersuchung und stellte eine ausführliche Rechtfertigungsschrift in Aussicht. Gleichzeitig muß er wohl an ihm bekannten Fürstenhöfen Stimmung für sich zu machen versucht haben, denn im November verwandte sich für ihn beim Herzog der Landgraf von Hessen=Homburg und im Dezember der Prinz Karl von Mecklenburg = Strelitz, letzterer "in der vorgefaßten Meynung von der gänzlichen Unschuld des von Usedom". Nach Empfang des Schreibens des Landgrafen hatte der Herzog dem Regierungs=Collegium befohlen, sich zur Sache zu äußern, und das Collegium hatte ihn gebeten, die Antwort so lange auszusetzen, bis Usedoms Erklärung auf das jüngste herzogliche Reskript eingegangen sei: "Denn entweder der von Usedom


(  ...  )

Darauf richtete der Großherzog an Messieurs les Syndics et le Conseil d’État de la République et Canton de Genève folgendes Dankschreiben:

Messieurs!

Vous n’auriez pu me donner de Vos sentimens une marque plus agréable et plus flatteuse en même tems, que celle que je reçois par l’honneur que Vous m’accordez en me nommant moi et ma famille bourgeois de la République de Genève. Je l’accepte avec une vive reconnoissance, et me félicite d’apartenir désormais plus directement à un État où j’ai passe si heureusement les premières années de ma jeunesse.

Agréez, Messieurs, tous mes voeux pour le bonheur et la félicité de Votre République.

L’honneur que Vous venez de m’accorder doit Vous en garantir, si déjà la reconnoissance et l’attachement que je porte à Genève ne Vous en étoient de sûrs garants.

Je m’empresse de consigner ici les expressions de toute ma gratitude pour les bontés que Vous témoignez au Prince Paul mon petit-fils et de Vous en demander la continuation.

Je désire qu’il puisse toujours mériter Vos suffrages et qu’il mette à profit les vertus et ce véritable amour de la patrie, dont il puise les exemples chez Vous.

Je Vous prie, Messieurs, de recevoir les assurances de ma haute estime et de la considération très distinguée, avec lesquels je suis,

Messieurs
à Ludwigslust Votre très affectionné
le 23 Décembre 1815. Frédéric François Grand Duc deMecklenburg.
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nimmt die gnädigste Herzogliche Declaration mit unterthänigstem Dank an: und so stehet dann Herrn Landgrafen desselben eigene vollkommene Zufriedenheit nur in Antwort zu eröffnen: oder er provociret nach wie vor auf eine legale Untersuchung: und so dürfte nichts anderes übrig seyn, als ihn vor eine Commission anhero zu citiren." Das angekündigte Schreiben UsedomSstraf in der Tat im Dezember ein. Es liegt nicht zu den Akten und wir kennen seinen Wortlaut nicht, wohl aber erfahren wir, daß es den Herzog nicht zu einer Sinnesänderung bewog. Vielmehr antwortete Herzog Friedrich am 23. Dezember:

"Wir haben gelesen und wohl erwogen, was ihr auf Unser Rescript vom 21. October in eurer Vorstellung vom 27. v. M. unterthänigst erwidert habt. Unsere Gesinnungen in dieser Angelegenheit sind noch dieselben, die Wir euch in gedachtem Rescript geäussert haben. Entfernt von Vorwürfen und Anschuldigungen gegen euch, wollen Wir in Gnaden alles in Vergessenheit stellen, was uns mit eurem Official-Benehmen in dem letzten Jahr aus dem guten Grunde unzufrieden gelassen hat, weil Wir das wahre in der sorgfältigsten Erziehung gegründete Wohl Unsers Neveu des Prinzen Friederich Frantz Lbd. allen anderen NebenBetrachtungen vorziehen. Ihr aber habt bey dieser Unserer Versicherung weiterer zu Unsrer Verunglimpfung aller Orten ausgestreuten Beschwerden über Unsre angeblich gegen euch bewiesene Härte und über den Mangel einer legalen Untersuchung, die bey dem besten Ausgange für euch dennoch gewis nicht ganz ohne Nachtheil gewesen seyn mögte, von nun an euch gänzlich zu enthalten. Daß ihr Monathe lang den Prinzen von Geneve entfernet und zum einzigen Umgange mit der Diodatischen Familie auf dem Lande eingeschränkt habt, ohne Uns in euren sonst der kleinsten NebenDinge erwähnenden Berichten diese eigenmächtig vorgenommene Veränderung obliegentlich anzuzeigen, daß ihr, bey der vorhin in euren Berichten mehrmalen geäusserten Überzeugung von der herrschenden Neigung des Prinzen zum andern Geschlecht, welche alle nur mögliche Beseitigung der eine solche praematurirte Neigung nur irgend begünstigenden Umstände euch zur Pflicht machte, ihm nicht nur ein öffentlicher Vorgänger in der Liebe gegen die eine von den Töchtern des Herrn Diodati geworden seyd, sondern

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zu einer andern Diodatischen Tochter, 8 ) so wenig Uns davon Anzeige gemacht, als auf die möglichste Entfernung des Prinzen von solchen Gegenständen mit Ernst Bedacht genommen habt, daß ihr der bey eurem Engagement euch zur besonderen Obliegenheit gemachten besonderen persönlichen Aussicht euch durch fleißige Besuche bey der Diodatischen Familie [: welcher Wir hiebey gar nichts zur Last legen :] zu offt, und, geständlich, selbst bey Vorkommenheiten entzogen habt, da mehre außerordentliche Extravagances des Prinzen eure Gegenwart und Vorstellungen am meisten erforderten; daß ihr, ohne einige Rücksicht auf die etwanigen Folgen für den Prinzen den fast alleinigen Umgang eines Mannes gewählet habt, der, ob er gleich als ein reformirter Prediger die Pflicht übernommen, diese Religion als die wahre zu lehren, doch dabey, wie ihr mit diesen dürren Worten schreibet, so wenig ein Calvinist als ein Lutheraner seyn will, das verwirft, was, seiner Meinung nach, Calvin irrig gelehret hat, und hingegen das annimmt, was Luther ihm richtig gelehret zu haben scheinet. Diese und andere dergleichen in euren eigenen Berichten sich findende Umstände sind wohl nicht von der Beschaffenheit, daß Wir darüber eine befriedigende weitere Rechtfertigung Von euch erwarten könnten, oder ihr Unsere Approbation darüber zu hoffen hättet. Übersehen wollen Wir indessen das alles in Gnaden, wie auch Unser voriges Rescript schon versichert, ohne euch deshalb ein weiteres Misvergnügen empfinden zu laßen. Und es ist nicht Unsere Schuld, wenn die euch, bey dieser Lage der Sache, nachsichtsvoll ertheilete Erlaubniß, um eures Gesundheits=Zustandes und eurer dortigen Ehe=B


8) Der Noble et Spectable Antoine Josué Diodati (geb. 1728, gest. 1790) war seit 1750 verheiratet mit Marie Aymée (auch Marie Antoinette genannt), einer Tochter des Noble Isaac Rilliet und der Marie Aimée Lullin. Dieser Ehe entsprossen drei Töchter: Françoise (geb. 1753, unvermählt gest. 1840), Jeanne Marianne (geb. 1755, vermählt 1778 mit Jacaues Massé, Richter an der Cour suprême, gest. 1836), und Kolombine (geb. um 1756, vermählt 1775 mit Jacques André Baraban, gest. 1776). Der Graf Jean Diodati, 1782-1792 Herzoglich Mecklenburgischer Minister=Resident in Paris, gest. 1807, der letzte Sproß des gräflichen Zweiges der Familie Diodati, vermachte sein sehr ansehnliches Vermögen den Kindern des mit ihm entfernt verwandten Antoine Josue Diodati.
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Leuten gegebene üble Wendung irgend eine nachtheilige Folge für euch solte gehabt haben." Zum Schluß erklärt der Herzog, daß er bei der Kündigung auf Ostern 1772 beharre, und wiederholt die Versicherung, daß Usedom bis dahin sein volles Gehalt und volle Defrayieruug behalten, von da ab eine Pension von 1000 Rthlr. N 2 / 3 in Quartalraten beziehen solle, sowie den Befehl, alle Korrespondenzen auszuliefern. "In Ansehung dieser getreulich auszuliefernden Correspondence können und werden Wir wegen derjenigen, die seit des Prinzen Abreise geführet worden, keine Ausnahme einräumen."

Dieses Reskript muß auf Usedom einen gewaltigen Eindruck gemacht haben, denn er, der sich bisher in der Rolle des zu Unrecht Beklagten gefallen hatte, schrieb von Genf aus am 11. Februar 1772 an den Herzog einen de= und wehmütigen Brief: "Nun hat endlich die Verblendung ein völliges Ende und ich kann mich folglich nicht länger enthalten, Ww. Herzogl. Durchl. in Demuth zu bekennen, daß die in HöchstDero letztem gnädigen Rescript mir gemachte Reproche, in dem letzten Jahre nicht das wahre in der sorgfältigsten Erziehung gegründete Wohl des Durchl ten Prinzen allen andern Neben = Betrachtungen vorgezogen zu haben, mich in ihrer völligen Stärke trifft. Wie sehr bedaure ich es, Gnädigster Herzog, dieses nicht eher eingestanden zu haben! Immer durch unrichtige Gründe unterstüzt, durch falschen Schein geblendet, wagte ich es sogar in meinem lezten unterthänigem Berichte auf eine Commission zu dringen, vor welcher ich doch nie mit gutem Gewissen würde erscheinen können, wenn ich gleich vor einem weltlichem Gerichte weit mehr zu meiner Rechtfertigung würde vorbringen können, als man vielleicht glauben mag. Was würde mich aber dieses helffen, wenn das Urtheil meines Gewissens mich nicht zugleich freyspräche! Ach, Gnädigster Herzog, ich habe mich sehr in der Irre herumtreiben lassen, ich habe gesündiget, und so wol Ew. Herzogl. Durchl., als Gottes Zorn verdienet. Werden auch Ew. Herzogl. Durchl. sich noch entschliessen können mir alle meine Fehltritte zu verzeihen? Ich darf es hoffen, weil auch Ihnen Barmherzigkeit wiederfahren ist. Möchte ich doch hiemit alles das auch wieder gut machen können, was ich durch meine Unklugheit und Halsstarrigkeit versehen. Das stehet aber nicht in meiner Gewalt, doch darf ich es noch von der unendlichen Güte Desjenigen hoffen, der allein die üblen Folgen der menschlichen Thorheiten abzuwenden vermögend und in Gnaden bereit ist. Ich weiß nicht, Gnädigster Herzog, was die Folge meines

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lezten vermessenen Schreibens mag gewesen seyn, doch sey dem wie ihm wolle, so stelle ich hiemit mein Schicksahl ganz von neuem in Ew. Herzogl. Durchl. Hände. Nur die Antwort, die ich auf dieses mein unterthänigstes Bekenntniß und demühtige Abbitte durch Ew. Herzogl. Durchl. Gnade zu erhalten hoffe, werde ich also mit HöchstDero gnädigsten Erlaubniß als entscheidend ansehen. Mittlerweile werde ich am nächstkünftigen Dienstage die Schriften, die Ew. Herzogl. Durchl. zurückfordern zu lassen für nöhtig erachtet haben, mit der Landkutsche absenden."

Herzog Friedrich empfand eine lebhafte Genugtuung über dieses Schreiben und mochte es sich nicht versagen, je eine Abschrift desselben an den Landgrafen von Hessen=Homburg und an den Prinzen Karl von Mecklenburg = Strelitz zu senden. Unter dem 29. Juli 1772 wurde dann die Dimissionsurkunde für Usedom ausgefertigt: "Da Wir mit besonderer gnädigster Zufriedenheit aus eurem Schreiben vom 11. Febr. dieses Jahres ersehen, wasmaaßen ihr nunmehro Uns und euch Gerechtigkeit wiederfahren laßet; so wiederholen Wir Unsere hievorige gnädigste Versicherung, daß alles Uns in Ansehung eures lezten Betragens unangenehm gewesene in Vergeßenheit gestellet seyn solle. Um allen Anlaß zu einer widrigen Erinnerung aus dem Wege zu räumen, erwarten Wir annoch von euch die Zurücksendung der mit Unsers Herrn Bruders Prinzen Ludewig Zu Mecklenburg Liebden und gesamten hohen Angehörigen Unsers Hauses geführten Correspondenz; Und versehen Uns in gleicher gnädigster Absicht zu euch in Gnaden, daß ihr des Aufenthalts in der Nähe und noch mehr an den Orten selbst, wo Unser Hof, oder ein Theil deßelben sich befindet, euch von selbst enthalten werdet. In dieser zuversichtlichen gnädigsten Voraussetzung übermitteln wir euch sowohl euer Dimißions=Patent, als auch ein Liberatorium generale und die Abschrift Unserer zur Zahlung der Pension erlaßenen Verordnung in Gnaden, womit wir euch gewogen bleiben."

Dieses Patent wurde nach Genf gesandt in der Annahme, daß Usedom noch dort anwesend sei. Indessen erfuhr der Herzog, daß Usedom inzwischen abgereist sei, und befürchtete, er werde seinen Weg nach Mecklenburg genommen haben. Damit nun ein dem Herzog unerwünschtes Zusammentreffen mit Usedom vermieden werde, ergingen strenge Befehle an die Hofdienerschaft sowohl in Ludwigslust als auch in Schwerin, ihn,

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wenn er eintreffen sollte, in keinem Falle in das Schloß zu lassen. Indessen hat Usedom den Boden Mecklenburgs nicht wieder betreten, sondern er ließ sich in seiner pommerschen Heimat nieder. Seinem Verlöbnis mit Fräulein Diodati ist, wie erwähnt, die Eheschließung nicht gefolgt; er heiratete später die geschiedene Elenonore v. Platen, geb. v. Platen, eine Tochter des Gottlieb Ernst v. Platen auf Velgast; die Ehe blieb kinderlos. Gestorben ist Usedom in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1821 im 83. Lebensjahr, wie der Schwestersohn des Verstorbenen, der Regierungsrat M. v. Boltenstern, dem Großherzog Friedrich Franz meldete; in seinem Kondolenzschreiben versicherte der Großherzog: "Sein Andenken wird mir unvergeßlich seyn wie auch meine Dankbarkeit für alles Gute was er mir in meiner Jugend erwiesen ihm bis ins Grab folgen."

Die Stelle eines Hofmeisters des Prinzen wieder zu besetzen hielt Herzog Friedrich nicht für erforderlich; er wollte, was für die Erziehung und Ausbildung seines Neffen noch zu tun war, selbst überwachen und sich dabei nur der Unterstützung Glöcklers bedienen, auf den er große Stücke hielt und in dem wir vielleicht denjenigen sehen dürfen, der die Berichte über Usedoms Verfehlungen nach Ludwigslust gelangen ließ. Um so unerwünschter war es ihm daher, daß Glöckler im März 1773 seinen Abschied erbat, da er in seine Heimat zurückzukehren beabsichtige. Doch wollte er, wie er auch aussprach, Glöcklers Glück nicht im Wege stehen, gewährte ihm seine Bitte und befahl, daß die Entlassungsurkunde "etwas mehr extendiret und darin die Zufriedenheit über seine Geschicklichkeit, unermüdeten Fleiß und Treue bezeuget werde". Doch muß Glöckler, wenngleich seiner Stellung als Informator enthoben, doch mit irgendwelchen Funktionen am Hofe festgehalten worden sein; im Frühjahr 1775 erhielt er die Berufung zum Pastor in Boizenburg und bat im April um ein Abschiedsgeschenk von 300 Louisd’or. Der Herzog verlangte vom Geheimenrats=Kollegium ein schriftliches Gutachten darüber und die Geheimräte gaben die Erklärung ab, "daß ihnen nie eine so sonderbare und unbescheidene Forderung vorgekommen sei". Glöckler aber wiederholte seine Bitte beim Herzog im Mai und behauptete, inzwischen in Schwerin mit den Ministern darüber gesprochen zu haben, worauf ein Pro Memoria nach Schwerin erging, Serenissimus erwarte die Anzeige, "was Ew. Excellence mit demselben eigentlich verabredet hätten". Die Geheimen Räte antworteten am 7. Juni: "Was Unterzeichnete mit dem Magister Glöckler,

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wie solcher sich daraus in dem ihnen gnädigst communicirten und hiebey zurückkommenden Pro Memoria berufen hat, gesprochen, bestehet darin, daß sie ihm, da er bald von einem Abschieds=Geschenk und von dem ihm angeblich gnädigst zugedachten Praedicat eines Kirchen=Raths, bald aber hingegen von seiner vermeynten Forderung sprach, mit aller möglichsten Aufrichtigkeit geantwortet haben: "wasmaaßen ein Abschieds=Geschenk zwar eine bloße Gnaden=Sache wäre, die sie niemahls zu mißgönnen noch zu wiederrathen pflegeten, und daß wenn dieserhalb oder wegen des ihm, seiner Anzeige nach, gnädigst zugedachten Praedicats, der höchste Befehl zur Besorgung einer Expedition an sie gelangen solle, sie an dessen ungesäumter tiefschuldigster Befolgung nicht ermangeln würden. Aber daß seine wer weiß auf wie viele hundert Rthlr. formirete vermeynte Forderung die einzige in ihrer Art wäre, die ihnen je vorgekommen, und daß sie ihm wohlmeynend riethen, derselben weiter gar nicht zu gedenken." Damahls schien er dieses gar nicht annehmen, sondern seine vermeynte Forderung durchaus geltend machen zu wollen. Jetzo aber sehen Unterschriebene doch aus dem hieneben zurück erfolgenden Supplicato, daß er darin der Forderung eben nicht, sondern nur bloß eines Abschieds=Geschenkes erwähnet." Es werden dann zwischen dem Herzog und Glöckler noch weitere Verhandlungen stattgefunden haben und Glöckler hat vermutlich seine Ansprüche auf Tatsachen, die wir nicht kennen, hinreichend fest gestützt, - genug, am 1. September erging ad Regimen ein Pro Memoria: "Serenissimus verhalten Ew. Excellence auf das P. M. vom 7. Junij a. c. die von dem Magistro Glöckler gemachte Forderung für gehabte außerordentliche Arbeiten betreffend, gnädigst nicht: Daß derselbe zu verschiedenen mahlen recht dringend um die Auszahlung seiner vermeintlichen Forderung von 300 Stück Louisd’or angefraget und dabey versichert hat, daß ihm die Bezahlung der gehabten außerordentlichen Arbeiten von dem vormaligen Hof=Meister von Usedom wäre versprochen worden. HöchstDieselben glauben daher, daß von der Auszahlung dieser Forderung wohl schwerlich, und ohne viele Weitläuftigkeiten nicht abzukommen sey. Da nun beregter Magister Glöckler die vorgedachte Forderung bis zu 1_m Rthlr. heruntergelaßen und die Boitzenburgische Vocation nicht ehender annehmen, noch von hier abreisen will, bevor ihm sothane Summe, unter

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dem Namen eines AbschiedsGeschenkes, ausgezahlet worden, so wünschen S mus , daß derselbe, je eher, je lieber abgefunden werden mögte und erwarten deshalb Ew. Excellence Erachten, aus welchem Fond mehrgedachte Forderung zu zahlen sey." Die Geheimen Räte wußten keinen anderen Rat, als daß dem Magister Glöckler eine herzogliche zinsbare Obligation gegeben werde und er sich am Empfang der Zinsen genügen lasse. Glöckler scheint aber des Kapitals dringend bedürftig gewesen zu sein, und wirklich wurden ihm "bey seiner jetzigen Entlassung von Unserem Hofe" 200 Louisd’or gezahlt. Außerdem erhielt er den Titel Kirchenrat, wurde bald darauf Präpositus der Boizenburger Synode und wirkte als solcher bis 1778, wurde dann als Fidlers Nachfolger Superintendent in Doberan, starb aber dort schon 1779.

Glöcklers Nachfolger als Informator wurde 1773 Johann August Stöckhardt. Während seiner Dienstdauer wurde am 15. Mai 1774, dem Sonntage Exaudi, der Prinz durch den Hofprediger Konsistorialrat Martini konfirmiert und zwar in schlichter Weise, ohne Entfaltung höfischen Prunkes. Ein Kabinettsschreiben vom 11. Mai an den Geheimrats=Präsidenten Grafen v. Bassewitz setzte diesen davon in Kenntnis: "Am zunächst bevorstehenden Sontag werden der Printz Friedericn Frantz Durchl. confirmiret werden. Serenissimus haben mit den übrigen Durchl. Herschaften dieserhalb abgeredet, daß an solchem Tage kein Ceremoniel beobachtet, noch weniger dazu Fremde eingeladen werden solten. Da aber dem ohngeachtet einem jeden die Erlaubniß frey bleibet, obberegter Confirmation des Printzen Friedericn Frantz Durchl. nach eigenem Gefallen bey zu wohnen: So haben HöchstDieselben Ew. Excellence diesen Umstand hiedurch in Gnaden eröffenen wollen. Auch haben Serenissimus gnädigst gestattet, daß dem am Freytag morgen um 9 Uhr schon sich anfangenden Examen des Printzen Friederich Frantz Durchl. Einjeder willkührlich beywohnen könne."

Der Prinz stand nun im 18. Lebensjahre, aber er scheint sich bis dahin sehr wenig in der Öffentlichkeit bewegt zu haben, sein Name wird nirgends genannt. Erst im Herbst dieses Jahres sehen wir ihn in einer wichtigen Funktion bei der am 11. Oktober mit all dem Pomp, über den der mecklenburgische Hof verfügt, per procuraturam vonzogenen Vermählung seiner Schwester, der Prinzeß Sophie Friderike, mit dem Erbprinzen

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Friedrich von Dänemark, 9 ) und zwar als Procurator, als Stellvertreter des Bräutigams. Als solchem überreichte ihm am Trauungstage der dänische Gesandte, Staatsminister v. Schack=Rathlow, "in Serenissimi Regnantis Zimmer die hohe Vollmacht des Herrn Bräutigams Königl. Hoheit"; bei dem Zuge zum Dom saß er in einem "Staatswagen mit 8 Pferden und wurde geführt von des regierenden Herrn Herzogs Durchlaucht". Im Dom "begleiteten der Durchlauchtigste Herzog, durch eine doppelte Reihe der Noblesse, unter Vortretung der Marschälle mit den Stäben, den Durchlauchtigsten Herrn Procuratorem, Prinzen Friederich Franz, so wie die Durchlauchtigste Herzoginn der Prinzeßinn Braut Königliche Hoheit". Nachdem dann alles seine Plätze eingenommen hatte, "ward von dem Hofprediger, Consistorial=Rath Martini . . . eine kurze Trau=Rede gehalten, und nachdem dabey durch den zur Verlesung des hohen Procuratorii bestimmten Geheimen=Cammer=Rath und Cammer=Herrn von Kamptz die Vollmacht öffentlich verlesen war, die Einsegnung beschaffet". Bei dem dann folgenden Galadiner saß natürlich der Prinz neben seiner Schwester in der Mitte der Tafel.

Bald darauf, im November, trat der Prinz eine Reise Zunächst nach Darmstadt und Karlsruhe an - eine Reise, die den Abschluß längerer, seine Vermählung bezweckender Verhandlungen zu bilden bestimmt war. Schon am 10. Januar 1774 richteten die Geheimen Räte ein diesen Gegenstand betreffendes Promemoria an den Herzog:

"Ihro Herzogl. Durchl. ist vielleicht nicht unbemerkt geblieben, daß in einigen öffentlichen Zeitungs=Blättern der jüngsten Prinzeßinn von Hessen=Darmstadt Durchl. vor einiger Zeit für den Durchlauchtigsten Prinzen zu Sachsen=Meynungen, nun aber in den jüngsten Zeitungen für des Herzogs von Sachsen=Weimar Durchl. zur künftigen Gemahlinn habe bestimmet werden wollen. Ersteres schien bey den bekannten sehr mäßigen Umständen des Herzogl. Hauses Sachsen=Meynungen, eben nicht glaublich. Letzteres mögte sich zwar eher glauben, jedoch vielleicht auch aus der Ursache bezweiffeln laßen, weil des Herzogs zu Sachsen=Weimar Durchl. erst wenig über


9) S. die "Vollständige Beschreibung aller bei der hohen Vermählung des Durchlauchtigsten Erbprinzen Herrn Friederichs zu Dännemark K. H. mit der Durchlauchtigsten Prinzeßin und Frau Frau Sophia Friederica K. H. vorgefallenen Feyerlichkeiten" (Schwerin 1774).
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16 Jahre alt und jünger, als die Durchlauchtigste Prinzeßinn Louise zu Darmstadt sind.

Fast stehet aus dieser Variation der Zeitungsschreiber zu schließen, daß beide Nachrichten wenigstens noch keine völlige Gewißheit für sich haben: und dadurch ist bey den Unterzeichneten der ganz ohnzielsetzliche treu=devoteste Gedanke veranlaßet worden: Ob es nicht zu wünschen seyn mögte, daß Höchstgedachte Durchlauchtigste Prinzeßinn, nach Verlauf einiger Jahre, des Prinzen Friederich Franz zu Mecklenburg Durchl. zu Theil würden?

Diese Durchlauchtigste Prinzeßinn sind noch etwas weniges jünger als der Durchlauchtigste Prinz 10 ) und, nach der Unterzeichneten geringen Einsicht, könnte sich ein Prinz von Mecklenburg schwerlich beßer verbinden, als wenn des Rußischen Kaysers und des Königs in Preußen Mayst. Mayst. seine beiden Schwäger wären. 11 ) Alsdenn dürfte man, unter dem einigen Beding eines eigenen wirthschaftlichen und klüglichen Benehmens, sowohl wegen der vier detinirten Aemter als wegen anderer Vortheile, und, mit göttlicher Hülfe, vielleicht wegen dereinstiger Gelangung zur Chur=Würde, für das Herzogliche Haus, fast unbesorgt seyn.

Des Prinzen Friederich Franz Durchl. haben der Durchlauchtigsten Frau Landgräfin bey Ihrer Durchreise durch die hiesige Herzogl. Lande 12 ) sehr wohl gefallen. Woferne noch res integra ist, bekommen des Prinzen Durchl. gewiß vor allen Rivals den Vorzug: und ob noch res integra sey? Das stünde durch einen einzigen Privat=Brief gleich zu erfahren, wenn Ihro Herzogl. Durchl. dazu gnädigsten Befehl zu ertheilen geruheten."

Herzog Friedrich pflichtete der Meinung seiner Räte vollkommen bei und beauftragte am 12. Januar den Geheimen Rats=Präsidenten, "die Nachricht, ob noch res integra sey, so


10) Prinzeß Luise war am 20. Januar 1757 geboren.
11) Von den Schwestern der Prinzessin war die eine, Friederike Luise, seit 1769 mit dem Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm II. von Preußen vermählt, eine andere, Wilhelmine, seit 1773 Gemahlin des Großfürsten, späteren Kaisers Paul von Rußland.
12) Als die Landgräfin Karoline mit ihren Töchtern Amalie, Wilhelmine und Luise 1773 nach Petersburg ging, um sie der Kaiserin Katharina vorzustellen, nahm sie ihren Weg von Berlin über Ludwigslust nach Travemünde, wo sie sich am 8. Juni einschiffte.
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bald als möglich einzuziehen". Darauf hin richtete der Graf Bassewitz unterm 17. Januar ein Vertrauliches Schreiben an den mecklenburgischen Reichskammergerichtsprokurator, den Geh. Justizrat Joachim Heinrich v. Schröder in Wetzlar, in dem er ausführte: "Dieselben wißen, auf wie schwachen Füßen unser Herzogliches Haus stehet. Des Prinzen Friederich Franz Durchl. sind der einzige, von dem wir, nächst Gott, die Fortpflanzung deßelben zu hoffen haben. Sie gehen ins 18 te Jahr und müßen, nach meinem treu=devotesten Wunsch, in Zeiten auf Ihres Berufes Erfüllung denken. Unter allen Prinzeßinnen, auf welche HöchstDieselben Ihr Augenmerk richten könnten, verdienet, meines geringen Erachtens, die jüngste Durchlauchtigste Prinzeßinn zu Hessen=Darmstadt den Vorzug. Der Durchlauchtigste Prinz haben Gelegenheit gehabt, hochgedachte Durchlauchtigste Prinzeßinn . . . persönlich kennen zu lernen und waren schon damals von Höchstderselben äußerst eingenommen; So wie ich hingegen auch zu vernehmen Gelegenheit gehabt habe, daß die Durchlauchtigste Frau Landgräfin von der Person unseres Durchlauchtigsten Prinzen sehr gnädig und günstig geurtheilet haben sollen." Indessen gehe das Gerücht um, die Prinzessin sei bereits versagt; Schröder möge sich daher "auf das baldigste und genauere erkundigen: Ob meine Furcht oder Hofnung gegründeter sey?" Am 29. Januar erwiderte Schröder: "Wegen der Prinzessin Louise Durchl. soll binnen 8 Tagen die zuverlässigste Nachricht erfolgen, indem ich die besten Canäle zu Darmstadt habe" und meldete am 5. Februar: "Mit Zuverlaß kan ich nunmehro berichten, daß die Durchl. Printzessin Louise von Darmstadt noch nicht versaget ist. Es haben verschiedene Höfe Ihrenthalben bereits sondiren lassen; aber zur Antwort erhalten, daß die Printzessin noch bisher zu einer Vermählung sich nicht entschliessen wolle, sondern den ledigen Stand zu praeferiren scheine. Eine gleiche Antwort hat der Herr Geheime=Raths=Praesident von Moser erst vor 14 Tagen dem Minister eines Königlichen Hofes schriftlich ertheilet. Bey der Reise nach Petersburg ist von Ihr die Declaration geschehen, daß Sie nimmer daselbst bleiben, und sich verkaufen lassen würde. Man hält sich inzwischen versichert, daß die Abneigung zum Ehe=Stand bald überwunden seyn werde, wann nur jemand kommt, dessen Persohn und Umgang ihr gefällt . . . ."

Inzwischen hatte Herzog Friedrich mit der Prinzessin Charlotte "wegen etwaniger künftiger Vermählung des Printzen Friederich Frantz Durchl. mit der jüngsten Printzessin von

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Darmstadt gelegentlich gesprochen" und dabei vernommen, "daß die beregte Printzessin von äußerst capricieusen Humeur seyn sollen, welches sich bey dem Humeur des Printzen Friederich Frantz Durchl. nicht nur nicht paßen, sondern auch für Höchst=Dieselbe das größeste Unglück seyn mögte". Deshalb befahl der Herzog am 1. Februar, daß die unterm 12. Januar "bewilligte anzustellende Erkundigung nur bloß dahin gerichtet seyn mögte, wie weit die aus den öffentlichen Leitungen bekandt gewordene Verbindung gegründet sey, ohne daß sich das mindeste weiter daraus folgern laße.

Dann verging ein halbes Jahr ohne daß der Angelegenheit wieder Erwähnung geschähe. 13 ) Erst am 4. November gelangte ein Promemoria an die Geheimen Räte: "Serenissimus halten es für nothwendig auf die Vermählung des Printzen Friederich Frantz Durchl. nunmehro in etwas mehr, als bis anhero geschehen ist, bedacht zu seyn, und zu dem Ende HöchstIhnen mit einigen convenablen Gegen=Ständen wozu aber eine anzustellende kurtze Excursion erforderlich seyn würde, bekandt zu machen. Serenissimus erwarten dahero Ew. Exellence Erachten bald möglichst darüber in Gnaden 1) An welchen Höffen sich des Prinzen Ffriederich Frantz Durchl. wohl zu wenden hätten? 2) Wie bald die Reise anzustellen sey? damit Ihnen Niemand zuvor käme, und 3) Ob die jüngste Printzeßin von Hessen=Darmstadt Durchl. bereits engagiret sey, oder nicht?"

Citissime erfolgte die vom 5. datierte Antwort:

     "Ihro Herzogl. Durchl. gnädigsten Befehl vom gestrigen dato haben die Unterzeichneten heute Abends gegen 7 Uhr ehrerbietigst entgegen genommen: Und wie Unterschriebene devotest sich nicht entbrechen können, über die darinn geäußerte Höchste Herzogliche Entschließung, auf die Vermählung des Prinzen Friederich Frantz Durchl. nunmehro in etwas mehr, als bis anhero geschehen, bedacht zu seyn, ihre herzliche Freude hiedurch treu=devotest zu bezeugen, so erwiedern sie auf die ihnen zum unterthänigsten Erachten huldreichest vorgelegte Fragen ehrerbietigst: Wasmaaßen


13) Zu dem folgenden vgl. H. Heidenheimer, "Die Verlobung und Vermählung der Prinzessin Louise von Hessen=Darmstadt mit dem Herzoge Karl August von Sachsen=Weimar", im Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde. N. F. 1. Bd. (Darmstadt 1894) S.453 ff. Ferner: El. v. Bojanowski, "Louise Großherzogin von Sachsen=Weimar und ihre Beziehungen zu den Zeitgenossen" (Stuttgart u. Berlin 1903) S. 46 ff.
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     ad 1) außer Darmstadt, woselbst die jüngste Prinzessinn des regierenden Herrn LandGrafen und eine Prinzessinn des Prinzen Georg Durchl. zur Wahl stehen, sie nur die Prinzessinn des in Mecklenburg so bekannten Prinzen Eugene von Würtemberg, 14 ) eine bald 15jährige Prinzeßinn von Hildburghausen und allenfalls zwey Prinzeßinnen von Sachsen=Meinungen nahmhaft zu machen wissen, von welchen letzteren jedoch die eine schon zwey= und zwanzigjährig, mithin fast zu alt, und die andere erst zwölf=jährig, also noch zu jung ist.

     ad 2) können die Unterschriebenen, aus der von Ihro Herzogl. Durchl. selbst angeführten sehr gegründeten Ursache nicht anders in Unterthänigkeit anrathen, als daß die von des Prinzen Durchl. in solcher Absicht anzustellende Reise je eher je lieber geschehen möge.

     3) In Ansehung der gnädigst vorgelegten Frage: ob der jüngsten Prinzessin von Hessen=Darmstadt Durchl. bereits engagiret sind oder nicht? beziehen Unterzeichnete sich auf die hiebey liegenden der Prinzessin Cnarlotte Durchl. schon mitgetheileten Extracte einiger Briefe des Geheimen Justitz=Raths von Schröder."

Von diesen Briefen lautet der eine vom 23. September:

     "Geruhen Ew. Exlentz sich zu erinnern, daß ich mich einstens nach der Durchl. Prinzessin von Hessen-Darmstadt habe erkundigen müssen, und daß HöchstDieselbe derzeit durchaus nicht heyrathen wollten.

Gestern aber hat der Herr Geh. Rahts=Praesident von Moser mir per D num Subdelegatum Darmstadinum im Vertrauen zu verstehen geben lassen, daß besagte Durchl. Prinzessin jetzt, nach dem Ableben der in Gott ruhenden Frau Mutter, 15 ) anders gesonnen sey, und gerne von Darmstadt entfernet seyn wollte; jedoch in Hinsicht auf eine Mariage geeilet werden müste, falls etwa mein Durchlauchtigster Candidat nicht anders wohin sein Augenmerk gerichtet hätte.

Ew. Excellence dieses ohne Verzug zu melden, erachte ich mich nach meinen Pflichten, und nach meinem patriotismo, verbunden, und ich glaube, daß die jetzige Wirthschaft des regierenden Herrn LandGrafens nicht wenig dazu beyträgt, daß die Durchl. Prinzessin auf andere Gedanken gekommen ist."


14) Der Prinz (später Herzog) Friedrich Eugen von Württemberg, einer der Feldherren Friedrichs d. Gr., befehligte während des Siebenjährigen Krieges zeitweilig die preußischen Truppen in Mecklenburg.
15) Die Landgräfin Caroline war am 30. März 1774 gestorben.
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Unterm 4. Oktober meldet dann Schröder den Empfang eines Briefes von Moser, der "alle mögliche Beeilung wünsche, damit nicht ein tertius interveniens ihme und uns einen Qveer=Strich mache", und am 14. Oktober schreibt er: "Die Durchl. Prinzessin quaest. soll von überaus schönen Hertzen und Gemüht seyn . . . Hingegen soll des Printzens Georg Durchlauchtigste Tochter eine blendende Schönheit seyn, und von dem in Petersburg sich aufhaltenden Herrn Erb=Printzen von Darmstadt sehr verehret werden. Fällt die Wahl unsres Durchl. Candidaten auf jene: so ist es möglich, daß wir durch diese Mariage, und durch Vorsprache von Rusland, unsere Preussischen Aemter vielleicht wieder bekommen, welche uns sonsten wohl schwerlich wieder restituiret werden dürften."

Am 9. November wurde den Geheimen Räten mitgeteilt, daß der Prinz seine Reise "nach Darmstadt etc., wenn sonst keine Behinderungen eintreten, auf den nechsten Montag vestgesetzet" habe. Wie sich der Prinz aus dieser trotz der gebotenen Eilfertigkeit doch sehr sorgsam vorbereiteten Reise "nach der dabey obwaltenden Absicht zu benehmen haben mögten", darüber unterbreiteten die Geheimen Räte dem Herzoge ein vom 11. November datiertes "ohnmaaßgebliches Erachten". Diesem zufolge sollte die Reise, um Celle, Hannover und Braunschweig zu vermeiden, "am füglichsten mit Beobachtung des genauesten Incognito", über Magdeburg, Halberstadt, Duderstadt, Cassel, Marburg, Gießen und Butzbach nach Frankfurt gehen. Spätestens nach Frankfurt habe Schröder zuverlässige Nachricht über den Stand der Dinge in Darmstadt gelangen zu lassen. Sei wider Erwarten die Prinzeß LouiSe schon versagt, so möge der Prinz zurzeit gar nicht nach Darmstadt, sondern unmittelbar zum Besuch der herzoglich sächsischen Höfe gehen und allenfalls auf der Rückreise nach Mecklenburg, wenn die Verlobung der Prinzessin deklariert sei, die Homburgscheu Herrschaften und den Darmstädter Hof besuchen, um die Tochter des Prinzen George dort zu sehen. Sei hingegen in Darmstadt die Prinzeß Louise noch unversprochen, so möge die Reise dahin unverzüglich fortgesetzt werden, "und wenn dann der Durchl. Prinz, nach einigem Umgang, Neigung zu der Prinzeßinn Louise fänden, auch davon, daß Selbige Ihnen nicht abgeneigt wären, vermuthen könten: so deconvriren HöchstDieselben Sich deshalb gegen den Geheimen Raths=Präsidenten von Moser, oder, Wem sonst in Darmstadt, nach dem Erachten des Geheimen Justitz=Raths von Schröder, dieses mit Zuver=

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läßigkeit geschehen kann, gäben Ihre Intention vertraulich zu erkennen, und ersuchten um eine gleich vertrauliche Eröfnung, ob derselbe glaube, daß Sie die Hand der Prinzeßinn wohl zu hoffen hätten? Fügeten aber auch hinzu, daß Sie, vor weiteren förmlichen Anträgen, Ihrer Durchl. Eltern Consens, an welchem Sie jedoch nicht zweifelten, erbitten würden, und bäten nur, daß während der hiezu erforderlichen mäßigen Zeit, kein anderes Engagement genommen werden mögte. In diesem Falle ertheileten der Durchl. Prinz Ihro Hochfürstl. Eltern und Sr. regierenden Herzogl. Durchl. sogleich aus Darmstadt von Ihro Höchsten Neigung zu dem Ende Nachricht, damit von hieraus diese Vermählungssache, mit der dabey glaublich wohl nöthigen Beschleunigung weiter eingeleitet werden könnte und sodenn gingen HöchstDieselben, wenn Sie Sich nach höchstem Gefallen einige Tage in Darmstadt aufgehalten, von da zum Besuch des Homburgschen, auch der übrigen verwandten Höfe weiter. Gefielen HöchstDenenselben aber die Durchl. Prinzeßinn Louise nicht, oder Sie erführen, daß HochDiese keine Neigung zu Ihnen hätten: So hielten HöchstDieselben Sich an diesem Hofe gar nicht auf, sondern verminderten dadurch, daß Sie nur gleichsam durchpaßireten, den Schein einer fehlgeschlagenen Bewerbung nach äußerster Möglichkeit . . ."

Am folgenden Tage, dem 12. November, legten die Geheimen Räte dem Herzog ein eben eingegangenes, nicht zu den Akten liegendes Schreiben Schröders vor und bezeugten "zugleich submissest ihre Freude über die darin enthaltene Nachricht, daß allso bisher noch nichts versäumet und der Weg zu der Durchlauchtigsten Prinzeßinn Louise zu Darmstadt, auf welche halb Europa das Augenmerck mit vorzüglicher Aufmerksamkeit richtet, dem Durchlauchtigsten Prinzen noch eben so gut offen ist, als der zu den anderen protestantischen Prinzeßinnen .  .  . Sie müßen den vorhin von ihnen namhaft gemachten protestantischen Prinzeßinnen noch die von Sachsen=Gotha hinzufügen, aber auch dabey bemerken, daß derselben Frau Mutter eine Gräfinn von Reuss sey."

Am 14. November machte sich der Prinz auf den Weg. Die noch erhaltenen Reiserechnungen ermöglichen uns, ihn von Ort zu Ort zu verfolgen, dagegen versagen nun die "Acta die Reise des Prinzen Friederich Franz Durchl. an auswärtige

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Höfe betreffend" mehr und mehr. Wir erfahren, daß 1776 der Herzog deren Einsendung nach Ludwigslust befahl, und ein Registraturvermerk belehrt uns, daß nur ein Teil der Nummern ad acta bleiben solle: vielleicht sind die jetzt fehlenden vernichtet worden. Immerhin läßt uns das noch vorhandene Aktenmaterial wenigstens alles Wesentliche erkennen.

Im Gefolge des Prinzen, der als Graf von Schwerin reiste, befanden sich der Rittmeister und Kammerherr v. Krackewitz und der Sekretär Stöckhardt; die Dienerschaft bildeten ein Kammerdiener und zwei Lakaien. Zur Beförderung dienten ein Sechsspänniger und ein vierspänniger Wagen, doch mußte wegen der sehr schlechten Wege häufig Vorspann, bis zu zwölf Pferden, genommen werden. Mit den schlechten Wegen hängt es wohl auch zusammen, daß fast täglich sich kleinere oder größere Reparaturen der Wagen vernotwendigten.

Die Reise ging über Grabow, Osterburg, Stendal, Magdeburg, Halberstadt, Seesen, Northeim, Göttingen, Cassel, Marburg, Gießen und Friedberg nach Frankfurt, wo der Prinz am 25. November, erheblich später als angenommen war, eintraf und im Römischen Kaiser abstieg. Unterwegs, in Gießen, hatte Krackewitz eine Anzahl von Briefen Schröders mit Nachrichten und Direktiven erhalten. Schröder hatte ursprünglich selbst nach Gießen kommen und den Prinzen nach Frankfurt begleiten wollen, um dort bei der Besprechung zugegen zu sein, die verabredetermaßen Moser mit dem Prinzen haben sollte. Aber in eben diesen Tagen hatte er den mecklenburgischen Dienst mit dem hannoverschen vertauscht, gedachte demnächst nach Celle zu übersiedeln und fand, daß ihm "in seiner jetzigen interimistischen Station die Hände gebunden" seien. Bis dahin hatte er indessen eine überaus rege Tätigkeit im Interesse der Vermählungsangelegenheit entfaltet und in fast täglichem Briefwechsel mit dem Grafen Bassewitz wie mit Moser gestanden, auf den er sein ganzes Vertrauen setzte und mit dem einzig und allein in Darmstadt zu verhandeln er nicht müde wurde anzuraten: "Der Herr von Moser ist mir in dieser Sache der zuverlässigste Mann, und ich weiß es überzeugend, daß er die Prinzessin uns am liebsten gönnet" - so hatte er in dieser Zeit nach Schwerin geschrieben und bald darauf nochmals versichert, Moser "schützet uns gegen alle Intriguen derjenigen, welche gerne schon längst die Durchlauchtigste Louise verkaufet hätten". Inwieweit Moser dieses Vertrauen verdiente, sei

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dahingestellt: nur wenige Wochen später hatte er in Mainz eine Unterredung mit des Prinzen Nebenbuhler, dem Herzog Karl August von Weimar, "die diesen mit neuen Hoffnungen für das glückliche Gelingen seiner Werbung erfüllte", 16 ) und richtete an Schröder jenen merkwürdigen Brief, von dem noch weiter die Rede sein wird. Damals aber schien er die mecklenburgischen Interessen ernstlich vertreten zu wollen. Am 14. November hatte er an Schröder geschrieben: "Die Prinzeßin Louise Durchl. sind nicht hier anwesend, sondern mit Ihrer Prinzeßin Schwester, der jetzigen Frau Erbprinzeßin von Baden Durchl. schon im July nach Carlsruh abgegangen, woselbst Sie Sich noch aufhalten. Sie seynd noch unversprochen, ohngeachtet noch neuerlich von Seiten eines andern FürstI. Hauses solche Schritte geschehen, welche eine ganz nahe Erklärung zu erfordern schienen. Die Prinzeßin ist aber durch die liebreiche und gewogentliche Gesinnung Ihro Herzogl. DurchL, durch die ganze Freundschaftsvolle Art und ausgezeichnete Rechtschaffenheit, womit von Seiten Dero hohen Hofes in dieser ganzen Sache gedacht und gehandelt worden, nach Ihrem edlen vortrefflichen Herzen dergestalt lebhaft gerührt, daß ich Ew. Excellenz zu Dero Beruhigung im engsten Vertrauen die eigene Worte der Princessin in einem erst gestern von Ihr erhaltenen Schreiben melden kann: J’ai prié . . . de ne plus me parler de . . . y aiant renoncé tout à fait, la façon honnête, dont on agit à M[eclembourg] m’a véritablement touché. Je serois une ingrate et indigne créature, de les tromper. Ew. Excellence urtheilen aus dieser cordaten Eröfnung Von selbst, mit welch zubereiteten Herzen des Prinzen Durchl. Ihre Bekanntschaft zu dem vorhabenden wichtigen Zweck erneuern werden." Dieses Schreiben hatte Schröder natürlich alsbald nach Schwerin gesandt, und vielleicht hatte der Prinz inzwischen schon Kenntnis von seinem Inhalt erhalten.

Unmittelbar nach seiner Ankunft in Frankfurt sandte Krackewitz eine Estafette nach Darmstadt und ließ Moser um eine Unterredung ersuchen. Schon in der Frühe des folgenden Tages erschien Moser beim Prinzen, bei dem er auch mittags und abends speiste. "Dieser Tag ward mit Beratschlagung zugebracht", meldete Krackewitz nach Schwerin, "die Bereitwilligkeit, aber auch die Aufrichtigkeit bey der vorhabenden


16) v. Bojanowski a. a. O. S. 56. Vgl. auch Mosers Briefe an Dalberg bei Heidenheimer a. a. O.
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Sache zu dihnen habe ich wahr genom[men], und da wier mit so vieler Aufrichtigkeit behandelt wurden, so werden wier es strickte auch alles befolgen." An Schröder schrieb der Prinz, daß er mit seinen Dispositionen ungemein zufrieden sei.

Den 27. November widmete der Prinz, mit Lohnlakai und Mietskutsche, der Besichtigung der Stadt. Am 28. fuhr er nach Darmstadt und nahm dort einen Wagen nach "einer Campagne bey Darmstadt" - Vielleicht handelte es sich um eine weitere Behandlung mit Moser. Tags darauf setzte der Prinz die Reise fort und traf am 30. November nachmittags um 3 Uhr in Karlsruhe ein. Ein Brief von Krackewitz an den Grafen Bassewitz berichtet uns darüber. Der Markgraf war vom Kommen des Prinzen vorher in Kenntnis gesetzt und hatte ihm seinen Oberstallmeister v. Edelsheim entgegengesandt, in dessen Hause der Prinz Wohnung nahm. Nach einer ,,herrlichen Bewirthung" bei Edelsheim ging der Prinz noch abends zu Hofe und wurde dort "sehr gratios" aufgenommen, wurde erst zur Erbprinzessin geführt, in deren Zimmer auch die Prinzeß Louise anwesend war, und dann in feierlicher Audienz als Graf Schwerin vom Markgrafen empfangen. Er blieb in Karlsruhe zwei Tage, sprach auf der Rückreise abermals auf der "Campagne bey Darmstadt" vor und war am 6. Dezember wieder im Römischen Kaiser in Frankfurt.

Nun galt es, über die Karlsruher Tage nach Hause zu berichten. Der Prinz schrieb an seine Eltern, an den Herzog, an die Herzogin Louise, an den Grafen Bassewitz und sandte diese Briefe, nebst einem Berichte von Krackewitz, an Schröder mit dem Ersuchen, sie durch Estafette weiter zu befördern. Schröder fügte der Sendung einige Zeilen an den Grafen Bassewitz bei: "Unser Durchlauchtigster Printz haben die Gnade gehabt, mir per Estafette zu schreiben, daß die bewußte höchste Prinzeß Ihnen so wohl gefallen habe, daß HöchstDieselben Sich keine andere wünschen, und dieses letztere ist gedoppelt unterstrichen . . . Der Printz pressiret sehr, und es ist auch, wie ich unerthänigst anrahte, nicht eine Stunde zu versäumen, damit keine Cabale gegen uns geschmiedet werde . . Auf Befehl Sr. Durchl. soll ich noch heute dem Herrn Geheimen Raths=Praesidenten von Moser den verbindlichsten Dank abstatten."

Der Brief des Prinzen an den Grafen Bassewitz vom 7. Dezember lautet:

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". . . Ich binn gestern von Carlsruh wieder hier eingetroffen und mit sehr vergnügtem Hertzen. Die Printzes hat mein ganzes Hertz, denn sie hat sich so ehrlich und unvergleich[lich] gegen mir bewiesen, daß ich undanckbahr handeln würde, gegen Ihre Begegnungen unempfindlich zu seyn. Ich will Ihnen davon kürzlich einen Trait erzehlen. Sie wissen vermuthlich wie ehr man auf Weimarscher seite darauf aus die Prinzes zu haben, allein Sie hat sich so lange bis ich gekommen binn nicht decidiren wollen und auch würcklich nicht decidirt, biß daß Sie mich gesehen hatte. Dieses ist den geschehen und zwar so glücklich, mein lieber Herr G. R. P. von Moser hatte alles so veranstaltet daß ich täglich von Glocke 4 bis 7 Uhr bey der Erbprinzes die Prinzes Louise sprechen konnte, woselbst sie denn mein Hertz immer mehr hinriß. Besonders kam wehrent daß ich da gewesen binn ein Brief aus Weimar worinnen man sehr starck anfoderte, allein sie hat zur Antwort gegeben, sie könnte und möchte sich nicht decidiren, weil so zu sagen ein Prinz vor der Thür wäre den Sie erst sehen wollte. Dieß hat mir so an ihr attachiret daß ich es nicht genug sagen kann. Dieß attachement ist auch so weit gegangen daß ich Ihr es selber geäußert habe und gesagt, ich wünschte nichts mehr als zu wissen was Sie von mir dachte, worauf Sie mir den sehr aufrichtig antwortete, sie hätte nichts gegen meine Persohn, und wäre sehr zufrieden, könnte sich aber nicht decidiren, weil Sie noch Anverwanten hätte. Ich sagte Ihr denn desgleichen, daß ich in demselben Fall wäre, und ich weiter nichts gewünscht hätte als die Äußerungen über meine Persohn. Alle diese Begegnungen haben den mein Hertz so hingerissen, daß ich auch besonders am Herzoge und meinen übrigen gnädigen Anverwanten geschrieben habe und um Ihren Consens angehalten und beym Herzoge besonders gebeten, man möchte so bald wie möglich sich decidiren, und sodenn die Unterhandlungen mit dem Darmstädter Hof sogleich anfangen. Dieses bitte ich mir auch von Ihnen, mein lieber Herr Graf, auch recht zur Freundschaft aus, die Sachen, im Fall daß diese Heirath aprobirt würde, so viel als nur immer [möglich] zu beschleunigen, weil man sonsten wegen Weimar zu befürchten hätte, um die Gedult und die attention, die die PrinzeS gegen uns bezeugt, [nicht] zu lange auf die Probe [zu] stellen. Ich weiß, mein liebster Herr Graf, Sie wollen mein Bestes, Sie wollen das Glück meiner Famille und des ganzen Landes, beweisen Sie es bey dieser Gelegenheit, ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als Sie werden

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das Glück Deßjenigen gemacht haben, der sich stets eine Freude daraus macht zu seyn,

Meines lieben Herrn Grafen

                    getreuer Freund und Diener

                         Friedrich Franz.

P. S. Ich will auch keine andere Prinzes sehen, weil ich gewiß mich an keiner attachiren werde, als an dieser von Darmstadt (nehmlich die Prinzes Louise), also bitte ich auch, daß Sie beym Herzoge diese meine in der Politic gegründete Äußerung unterstützen werden."

Am 8. Dezember verließ der Prinz Frankfurt und ging über Aschaffenburg nach Würzburg, wo am 11. ein Ruhetag gemacht wurde, dann nach Schweinfurt und langte am 13. in Römhild an. Hier, in dem Schlosse Glücksburg, dem Witwensitze seiner Großmutter, der Herzogin Anna Sophie, sollte er den weiteren Gang der Dinge abwarten.

Schröders Briefsendung gelangte überraschend schnell nach Schwerin. Schon am 12. konnte Graf Bassewitz sie dem Herzog übermitteln, und dieser ließ am 13. erwidern, "daß nunmehro wohl keine Zeit zu verliehren seyn mögte, den dringenden Wünschen des Prinzen Friederich Frantz Durchl. gemäß zu verfahren, hinfolglich eine förmliche Anwerbung um der Printzeßin Louise zu Darmstadt Durchl. so bald als thunlich in Gottes Nahmen zu wagen, um so mehr als Serenissimus regnans Höchst=Selbst diese Verbindung, in aller Absicht, für die vortheilhafteste halten, und das Benehmen der Printzeßin Louise Durchl. der Beschreibung nach sehr artig finden. Ew. Excellence mögten demnach mit des Printzen Ludewig und der Printzeßin Charlotte Durchl. Durchl. wegen der erforderlichen von Höchst Ihnen zu ertheilenden Einwilligung Sich besprechen und demnach das Weitere bald möglichst verfügen."

Gleich nach Empfang dieses Schreibens, in der Mittagsstunde des 14. Dezember, begaben sich der Graf Bassewitz und der Geheimrat J. P. Schmidt aufs Schloß zum Prinzen Ludwig und der Prinzeß Charlotte und berichteten noch an demselben Tage: "Diese haben Ihre höchste Einwilligung . . . nicht nur den Unterschriebenen heute mündlich zu erklären geruhet, sondern auch, gleich der Durchlauchtigsten Herzoginn, ihnen die Antworts=Schreiben an des Prinzen Friederich Frantz Durchl.

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Zur Beförderung zugestellet: Unterzeichnete erwarten also nunmehro nur noch diejenige Antwort, welche Ihro Herzogl. Durchl. ohne Zweifel eigenhändig an den Durchlauchtigsten Prinzen Friederich Frantz zu Schreiben geneiget seyn werden. So viel die Anwerbung betrifft, mögte der Ordnung zwar nicht ungemäß gewesen seyn, daß mit Ihro Herzogl. Durchl. zugleich auch des Prinzen Friederich Frantz Durchl. geschrieben hatten: Bey der jetzigen Entfernung aber dürfte damit zu viele Zeit verloren gehen. Ihro Herzogl. Durchl. ist gnädigst erinnerlich, daß die Anwerbung um der Prinzeßin Sopnie Friederique Durchl. auch zuerst von des Königs von Dännemark Majst. alleine geschoben sey. Geruhen demnach HöchstDieselben den anliegenden Entwurf gnädigst zu genehmigen und baldmöglichst zu originalisiren; so wird solches, nach der Unterzeichneten geringem Erachten, zur Zeit genügen, und so wollen sie durch die bisher in der Sache gebrauchten Correspondenten die Einleitung schon solchergestalt machen, daß dieses Schreiben an des Herrn LandGrafen Durchl. eher nicht abgegeben werde, als bis man Ihro willfähriger Erklärung zuvor versichert ist. An des Prinzen Friederich Frantz Durchl. werden die Unterschriebenen sodenn eine Copey dieses abgelaßenen Herzogl. Schreibens befördern, und alles bis Wetzlar par Estafette gehen laßen, von da es mit der ordinairen Post, oder mittelst der Darmstaedtschen Husaren ohne Eclat in einem Tage nach Darmstadt, sowie auch nach Römhildt per Postam in ganz kurzer Zeit gelangen kann . . ."

Schröder gelangte in der Tat alsbald in den Besitz des Anwerbungsschreibens mit den erforderlichen Anweisungen, aber er hielt es für geraten, es nicht weiter zu befördern, denn inzwischen drohten die Dinge in Karlsruhe eine unerwünschte Wendung zu nehmen. Schröder hatte, wie er am 13. Dezember nach Schwerin schrieb, seit längerer Zeit keine Nachrichten von Moser erhalten; nun wurde er am 17. durch einen von Moser am 15. in Darmstadt aufgegebenen Brief überrascht, in dem es hieß:

"Des liebenswürdigen Prinzen Friederich Franz Durchl. laßen mir Gerechtigkeit widerfahren, daß das bekannte Intereße Ihres Herzens mein eigenes Anliegen gemacht und daß ich, eingenommen von dem offenen, keiner Verstellung fähigen, redlichen Character dieses jungen Fürsten, eine glückliche Harmonie beeder hohen Personen aufrichtig gewünscht habe. Da aber

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diese Wünsche der eigenen Prüfung, Einsicht und Überzeugung der Durchlauchtigsten Prinzeßin schlechterdings subordinirt und mir die Umstände unverborgen waren, welche der Prinzeßin selbst eine reife und bedächtliche Überlegung des entscheidenden Schrittes anempfohlen, so habe ich auch des Prinzen Durchl. in den ersten Minuten der Unterredung unverborgen, daß Sie an des Herrn Erbprinzen von Sachsen=Weimar Durchl. noch einen Competenten hätten, daß die Prinzeßin auf zwo große Höfe dabey Rücksichten nehmen müsten, daß Sie von dem freundschafts= und vertrauensvollen Betragen Seiner Durchlauchtigsten Familie lebhaft gerührt seyen, daß es aber nun auf Ihre eigene hohe Person allein ankomme: Ob Sie Sich gleich determiniren, oder auch des Prinzen v. W[eimar] Durchl. gleichfalls zu sehen Sich bewegen finden würden.

Der Prinz kamen, nach einem sehr kurzen Aufenthalt in Carlsruh zurück, vergnügt, zufrieden, und bey Sich Selbst determiniret, keine andere Prinzeßin zu sehen, über den Gesundheits=Punct der Prinzeßin beruhigt und mit dem Vorsatz sogleich eine Estaffete an des Herrn Herzogs Hochfürstl. Durchl. und Ihre Durchlauchtigste Eltern zur Erhaltung des Consenses abgehen zu laßen, und solchen in Röhmhild abzuwarten.

Ich würde ungerecht und gegen das, was mir mein Herz vor den Prinzen sagte gehandelt haben, wenn ich eine so reine und so gerechte Freude hätte stöhren und mir selbst Zweifel machen wollen, um das Vergnügen [zu] haben, solche bestreiten zu können. Ich konnte und muste daher glauben, daß die Prinzeßin Durchl. über den Umstand wegen W[eimar] ganz hinausgegangen, und daß es mit einem Wort zwischen den beeden hohen Haupt=Personen richtig seye.

Ich hatte, wie ich eidlich erhärten kann, in 5 ganzen Tagen kein Wort noch Sylbe von Carlsruh vernommen und als des Prinzen Durchl. hier zurück paßierten, wuste ich nichts, als was ich von dem Prinzen selbst vernommen.

Urtheilen Ew. Excellenz selbst, wie groß meine Befremdung und Verlegenheit gewesen seyn müße, da ich des zweyten Tags zufällig die Nachricht von der gleichmäßigen Heraus=Reise des Herrn Erb=Prinzen von S[achsen]=W[eimar] erhielte, ohne irgend eine Ursache errathen zu können, wie sich dieses alles untereinander creuze und wie dieses Gerücht mit der Rede und Vorsätzen des Prinzen zu vereinbaren seye.

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Ich schriebe unverzüglich an die dermalen in Carlsruh befindlich Frau Gen. Bar. v. Pretlack, welche das vollkommene Vertrauen der Höchstseeligen Frau Land=Gräfin beseßen, und das gleichmäßige der Fürstl. Familie besitzt. 17 )

Ich erhielte daraus anliegende Antwort, welche freylich die Sache in einem ganz anderen Lichte darstelte und zu erkennen gab, daß des Prinzen Durchl. Ihre eigene Affection zugleich auf die entscheidende Gesinnung der Prinzeßin ausgedeutet habe.

Die Prinzeßin, deren Seele viel zu rein, erhaben und Wahrheitsliebend ist, um einer Duplicitaet fähig zu seyn und das redliche, freundschaftliche Betragen des Durchlauchtigsten Mecklenburgischen Hofs mit Unerkänntlichkeit zu belohnen, haben mir nachhero selbst zu versichern und vor Gott zu betheuern geruhet, daß die Sache so und nicht anders vorgegangen, daß des Prinzen Durchl. Sich bey den beschehenen Äußerungen nicht nur beruhigt, sondern Selbst bezeugt hätten, wie Sie Ihres Orts die Sache ebenwohl auch erst auf die Benehmung mit Ihren hohen Verwandten aussetzen müsten.

Ich habe sogleich des Prinzen Durchl. Copiam Schreibens der Frau Gen. von Pretlack nach Römhild nachgeschickt, und nehme die Freiheit Ihnen unterthänigst vorzustellen: Ob nicht mit den weiteren Schritten und Anfragen bey der Durchlauchtigsten Familie so lange Anstand gegeben werden wolle, bis die Prinzeßin Durchl. Ihren entscheidenden Entschluß zu faßen sich im Stand befinden würden.


17) Die Generalin Freifrau v. Pretlack, jahrelang Oberhofmeisterin und Vertraute der Landgräfin Caroline und nach deren Tode mit der Sorge für das Wohl der Tochter ihrer Herrin betraut, war die Seele der Partei in der Umgebung der Prinzeß Louise, die, gleich viel aus welchen Gründen, die Vermählung der Prinzeß nach Weimar wünschte. Seit geraumer Zeit war sie in dieser Angelegenheit in Verbindung mit dem weimarschen Unterhändler, dem Reichsfreiherrn Karl Theodor v. Dalberg, kurmainzischem Statthalter in Erfurt, Gesandten seines Kurfürsten am weimarschen Hofe und Ratgeber der Herzogin Anna Amalia, der alles daran setzte, dem auch Von ihm geschätzten Sohne seiner Freundin die Hand der Prinzessin zu verschaffen. Es war wahrlich nicht ohne Grund, wenn Karl August am 19. Dezember an seine Mutter schrieb: "Frau Baron v. Pretlack und die Baronin v. Edelsheim sind diejenigen, denen ich mein größtes Glück verdanke, und es würde meinerseits wenig dankbar sein, wenn ich ihnen nicht die schönsten Geschenke machte." (Vgl. F. Bornhak, "Anna Amalia Herzogin von Sachsen=Weimar=Eisenach". Berlin 1892. S. 96.) Nach dem Prinzen Friedrich Franz war auch Karl August Gast des Edelsheimschen Hauses gewesen.
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So schmeichelhaft die Affectionsvolle Gesinnung des Prinzen ist, und mit so wahrer Empfindung solche bey einem so edel gesinnten Herzen, als das der Durchl. Prinzeßin ist, bemerkt werden wird, so ermeßen doch Ew. Excellenz erleuchtet von selbst, daß von Einholung des väterlichen Consens ehender, als bis beede hohe Personen Eins sind, nicht die Rede seyn kann und ich dahero vor die Beruhigung beeder hoher Personen und vor die Anständigkeit der ganzen Sache sehnlich gewünscht hätte, daß des Prinzen Durchl. mit dieser Anfrage noch so lange zugewartet hätte, bis Ihnen versprochenermaaßen die Entschließung der Prinzeßin nach Röhmhild überschrieben worden.

Da aber leider die Sache so ist, wie sie ist, so bleibt mir nichts übrig als Ew. Excellenz aus das allerangelegenste zu bitten, Dero Hof von dem wahren Zusammenhang der Lage getreulich zu unterrichten.

Des Herrn Erb=Prinzen von S[achsen]-W[eimar] Durchl. sind von Caßel aus über Mainz würcklich nach Carlsruh abgegangen, ohne Darmstadt zu berühren; so daß bey diesen Umständen die Entschließung der Prinzeßin sich nun so gar lange nicht verzögern wird. Die nahe Theilnehmung zwo großer Höfe an dem Schicksal der Prinzeßin und die ehrerbietige Rücksicht, welche Sie aus Selbige nehmen müßen, hat ganz und gar unmöglich gemacht, diesen von Weimar angetragenen Besuch abzulehnen.

Wir wollen nicht aufhören zu wünschen, daß der Ausgang so seyn möge, wie er vor das zeitliche und ewige Glück beeder hoher Personen von der Göttlichen Vorsehung am zuträglichsten ersehen und geordnet wird."

Der angelegte, schon am 9. Dezember geschriebene Brief der Frau v. Pretlack lautet:

"Den 30. kam der Prinz von M[ecklenburg]. Ich habe Ihm ehe Er die Princeß gesehen, gleich mit ganz deutlichen Worten gesagt, daß Seine Sache (: wie Er mir zu glauben schien :) noch gar nicht gewiß seye und anjetzo nicht entschieden werden könnte, weilen die Prinzeß fest entschloßen seye den P[rinzen] v. W[eimar] auch zu sehen, daß ich alles mögliche anwenden würde, Sie in der Meynung zu bestätigen. Ich müste Ihm also ganz offenherzig bekennen, daß ich in diesem Augenblick gar nicht vor Ihm sondern nach meinem Gewißen handeln würde und der Prinzeß alles, was ich gegen Ihm fände, suchen

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würde für die Augen zu legen. Ich bäte Ihm also sehr behutsam zu Werke zu gehen, und Sich nicht zu compromittiren. Dieses habe Ihm täglich 2mal wiederholet, auch den Herrn von Edelsheim gebeten, Ihn solches zu sagen, welcher gleichfalls mit dem Herrn v. Krrackvitz darüber gesprochen, indem außer dem ersten Abend solcher niemalen zu mir gekommen und ich also keine Gelegenheit gehabt es Ihm zu sagen. Was die Prinzeßinn Selbst dem Prinzen gesagt, kommt hiemit vollkommen überein. Der Prinz hat mich hierinn so wohl verstanden, daß er dem Herrn v. Edelsheim und mir ja andern, das ihm gesagte mit Benennung des Pr[inzen] v. W[eimar] wiederholete und mehrmalen gesagt, daß Er den Ausschlag der Prinzeßinn in Röhmhild erwarten wollte. Den Sonntag habe den Prinz noch sehr angelegen, die andern Prinzeßinnen, so man Ihm in Vorschlag gebracht auch zu sehen, indem Er sich auf die Prinzeß nicht verlaßen könnte. Dieses ist ein wahrer recit meiner Handlungen. Wie ich anders gegen den P[rinz] v. M[ecklenburg] hätte handeln sollen, weis ich nicht. Ihm anjetzo gänzlich alle Hofnung zu nehmen, kan ich nicht, weiln die Prinzeß sich gar nicht entschloßen und nicht entschließen will, bis Sie W[eimar] gesehen. Noch muß ich hinzusetzen, daß da der P[rinz] v. M[ecklenburg] einige Worte gesagt, als ob Er glaube, daß die Prinzeß Sich vielleicht wegen Ihrer Gesundheit nicht entscheiden wolle, ich Ihm solches wiederleget, 18 ) und Ihm sehr versichert, daß dieses nicht die Ursache seye, und ich Ihm inständig bäte, die Sache nicht auf diese Art, sondern nach dem so ich Ihm deutlich gesagt, Ihro Durchl. dem Herzog zu schreiben. Finden es Ew. Hochwohlgeboren nöthig, so thun Sie mir eine Freundschaft, wenn Sie einen Auszug von diesem Brief an den P[rinz] v. M[ecklenburg] schicken."

Mosers Brief nebst der Beilage sandte Schröder, "um unsern Durchlauchtigsten Printzen Fr. Fr. nicht zu exponiren", unverzüglich durch Estafette nach Schwerin, "damit alle weitere


18) Erheblich anders als diese Darstellung lautet die, die der Prinz selbst in einem Briefe an Moser vom 16. Dezember gibt: "Daß ich mir nach der Gesundheit erkundigt, ist mir nicht zu verdenken gewesen, in dem mich die Frau Generalin von Bretlach die ersten Tage sehr bange gemacht hatte . . . . . . Doch ich war schon auf meiner retour darüber beruhigt, weil meine eigne Augen mich davon am besten überzeugt hatten." In einem Bericht an den Herzog vom 22. Dezember bestätigt Krackewitz, die Frau v. Pretlack habe aus freien Stücken, um den Prinzen abzuschrecken, diesem erzählt, die Prinzessin sei von schwacher Gesundheit und leide an Blutspeien
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Vorkehrungen wenigstens so lange suspendiret bleiben, bis wir wissen, wie des Erb=Printzen von Sacnsen=Weimar Durchl. der Prinzeß Louise gefallen habe. Recht angelegentlichst aber bitte ich um gracieuse Remittirung der angeschlossenen Originalien." Am 21. Dezember traf die Sendung in Schwerin ein und wurde citissime dem Herzoge übersandt. Die Geheimen Räte bemerkten dabei: das Mosersche Schreiben harmoniere so schlecht zu dem früher "von diesem Ministre communicirten angeblichen Extract aus einem eigenhändigen Briefe der Durchlauchtigsten Prinzessinn, 19 ) daß Unterschriebene ihr Urtheil über solche erst gemachten fast zu großen Avances und die jetzige ganz andere Aufklärung zu äußern, nur Bedenken tragen". Glücklicherweise habe Graf Bassewitz bei Übersendung des herzoglichen Anwerbungsschreibens in Ur= und Abschrift an Moser sich ausdrücklich ausbedungen, derselbe solle es nur dann dem Landgrafen überreichen, "wenn er sich einer günftigen Antwort versichert hielte". Sollte also das Anwerbungsschreiben wirklich schon in Mosers Händen sein und nicht etwa Schröder "bey den so veränderten Nachrichten vermuthlich noch Anstand nehmen, dasselbe nach Darmstadt abzuschicken", so werde doch ohne Zweifel Moser "im Fall der nicht eintreffenden ausdrücklichen Bedingung das Herzogl. Schreiben originaliter und unerbrochen remittiren". Indessen möge der Herzog genehmigen, daß Schröder par Estaffette aufgegeben werde, Moser "an jene ausdrückliche Bedingung noch zum Überfluß zu erinnern, und im Fall einer von der Durchl. Prinzeßinn getroffenen andern Wahl das Herzogl. Schreiben zurück zu erbitten".

Umgehend erfolgte ein Pro Memoria: der Herzog sei mit allem einverstanden und werde der Estafette einen Brief an den Prinzen mitgeben, was aber erst folgenden Tages geschehen könne. "Die Sache selbst betreffend" - heißt es weiter - "so scheinet Serenissimus die jetzige ganz unerwartete und ungünstige, den ersten Nachrichten ganz entgegenstehende Wendung eine natürliche Folge aus den erhitzten Gesinnungen der hiesiger Seits zu wenig geschmeichelten und daher für Mecklenburg weniger als für Weimar eingenommenen Frau Generalin Frei=Frau von Pretlack zu seyn. Ew. Excellence Erachten erwarten demnach Serenissimus darüber, ob es nicht vielleicht gerathen seyn mögte, durch Hinhaltung eines angemeßenen, nach erfolgtem günstigem Ausgang aber erst zu hebenden Ge=


19) S. oben S. 47.
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schenckes der beregten Frau Generalin Frei=Frau von Pretlack auf beßeren Gesinnungen zu leiten."

Am 23. Dezember unterbreiteten demgemäß die Geheimen Räte dem Herzoge den Entwurf eines Schreibens an Schröder und bemerkten dabei: "Was derselbe, da er so nahe bey Carlsruhe und Darmstadt ist, in der Welt nur möglich findet, das wird er, wie die Unterzeichneten ihm sicherlich zutrauen, zuverläßig thun. Einen näheren Weg an die Frau von Pretlack wißen sie nicht und so muß man das weitere wohl der göttlichen Direction überlaßen. Bey der Ungewißheit und Unruhe aber, worin der Durchlauchtigste Prinz Sich jetzo natürlicher Weise befinden werden, mögten Unterzeichnete wohl unterthänigst wünschen, daß HöchstSelbige, während der ganz kurzen Zeit, binnen welcher sich die Sache wahrscheinlich aufklären muß, Sich mit Briefen nach Carlsruh und Darmstadt nicht zu exponiren sondern still in Römhildt zu bleiben, von dortaus allenfalls eine Beschreibung der Coburgschen Prinzeßinn anhero zu machen und nur in dem Fall wenn die Entschließung der Prinzeßinn Louise Durchl. widrig ausfiele und die Coburgsche Durchlauchtigste Prinzeßinn Ihro selber nicht convenirte, die Durchlauchtigste Prinzeßinnen aus den Häusern Sachsen=Meynungen und Sachsen=Gotha zu besuchen geruhen mögten. Unterschriebene geben submißest anheim: Ob Ihro Herzogl. Durchl. dieses allenfalls dem Durchlauchtigsten Prinzen HöchstSelbst unmittelbar an Hand zu legen geruhen wollen, wiederholen aber auch die Bemerkung, daß die Frau Mutter der Sachsen=Gothaischen Prinzeßinnen nur eine gebohrne Gräfin von Reuss sey." Unterm 27. fügten dann die Geheimen Räte "noch einige geringe Anmerkungen" hinzu: "Die Durchl. Prinzeßinn Von Sachsen=Coburg, auf welche der Prinzeßinn Charlotte Durchl. Selbft nicht eben zu reflectiren scheinen, gehet schon ins zwey= und zwanzigste Jahr, und mögte daher für des Prinzen Friederich Franz Durchl. beynahe zu alt seyn. Ein gleiches findet sich bey der [älteren der] beiden Durchl. Prinzeßinnen von Sachsen=Meynungen, die gar schon ins drey= und zwanzigste Jahr gehet: So wie hingegen die jüngere dortige Prinzeßinn erst im 13 ten Jahr und allso noch gar zu jung ist. Außer der siebenzehnjährigen Durchl. Prinzeßinn Louise von Darmstadt und außer der ins sechszehende Jahr gehenden Prinzeßinn zu Würtenberg Durchl. mögte also in Ansehung des Alters eine Durchl. Prinzeßinn von Sachsen= Hildburghausen zur Zeit Attention verdienen, die im künf=

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tigen Februar jedoch erst fünfzehn Jahr alt wird. Zu wünschen stehet es nur, daß der Durchl. Prinz noch in Römhildt befindlich, und nicht vielleicht in der Ihrem Alter gewöhnlichen Geschwindigkeit schon von dort vor Einlangung der jüngsten widrigen Nachrichten weggereiset, mithin auf dem Rückwege hieher befindlich seyn mögen. Sollte dieses, nach den zuletzt von Ihroselben eingegangenen Briefen, besorglich seyn, so wäre, nach der Unterschriebenen ganz unzielsetzlichen Ermeßen es vielleicht nothwendig, Ihnen nach Leipzig entgegen zu schreiben."

Der Entwurf des Schreibens an Schröder fand laut Pro Memoria vom 23. den ungeteilten Beifall des Herzogs, ebenso auch "der übrige Vorschlag, wovon Höchst=Sie in dem hieneben kommenden Schreiben an des Prinzen Friederich Frantz Durchl. Gebrauch gemacht haben". Das vom 24. Dezember datierte Schreiben lautet:

"Ew. Hochwohlgeboren ermeßen, ohne daß ich es erst weitläuftig versichern darf, vermuthlich von selbst, wie unerwartet und höchst unangenehm diejenige Nachricht hieselbst gewesen, welche ich aus Dero vorgestern par Estaffette hier eingegangenen geehrten Schreiben vom 17 ten dieses, oder vielmehr aus deßen Anschluß, zu ersehen und höchsten Orts unterthänigst vorzutragen gehabt.

Nach dem Inhalt von Dero jüngsten vom 8 ten hujus, verbis ’der Prinz pressiret sehr, und es ist auch, wie ich unterthänigst anrathe, nicht eine Stunde zu versäumen, damit keine Cabale gegen uns geschmiedet werde,’ hatten Serenissimus regnans das Anwerbungs=Schreiben an des regierenden Herrn Landgrafen von Darmstadt Durchl. schon sub dato 14 ten dieses erlaßen, welches ich ur= und abschriftlich dem Herrn Geheimen Raths=Praesidenten v. Moser zugefertiget, und an EW. Hoch= wohlgeboren jüngsthin par Estafette zu addressiren die Ehre gehabt habe.

Wünschen mögte ich nunmehro, daß Dieselben, wegen der inmittelst so sehr veränderten Umstände und Nachrichten, wie ich fast vermuthe, solches Schreiben noch zurückgehalten hätten. Sollten Ew. Hochwohlgeboren solches vielleicht schon abgeschicket haben: So nehme ich mir die Ehre hiedurch zu eröfnen, daß ich gedachten Herrn Geheimen Raths=Praesidenten um baldige Einreichung des Herzogl. Original=Schreibens ausdrücklich nur unter dem Beding gebeten habe: ’Wenn Er, nach seiner genauesten Kenntniß der dortigen Umstände und nach seinem großen Einfluß in die Gesinnungen des

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Herrn Landgrafen seines gnädigsten Herrn und der Prinzeßin Louise Durchl. Durchl. Sich einer günstigen Antwort versichert hielte’ und so bleibet mir nichts anders übrig, als Ew. Hochwohlgeboren hiedurch gehorsamst zu ersuchen, daß Dieselben Ihn, solcher von mir ausdrücklich hinzugefügten Bedingung zum Überfluß schleunigst zu erinnern und, auf den Fall einer wieder Verhoffen getroffenen anderen Wahl, das Herzogl. Original= Schreiben cum copia zurück zu erbitten, geneigen wollen.

Allem wahrscheinlichen Ansehen nach hat der Geheime Raths=Praesident von Moser, so wie Er gegen Ew. Hochwohlgeboren die Frau v. Pretlack nie genannt, sondern nur seine von der Durchlauchtigsten Prinzeßin unmittelbar erhaltenen Nachrichten und Erklärungen gepriesen hat, auch unserm Durchlauchtigsten Prinzen und dem Herrn v. Krackwitz die Nothwendigkeit gar nicht eröfnet, jene Dame zu gewinnen, welche nun daher für den Weimarschen Hof, der sich in Ansehung ihrer ohnfehlbar beßer genommen hat, gänzlich eingenommen, und wider unsern Durchlauchtigsten Prinzen merklich aufgebracht ist. Der Feder stehet das Mittel, welches zur Redressirung dieses Fehlers vielleicht das einzige seyn mögte, nicht füglich anzuvertrauen: Sonst würden Serenissimus noster, in dem Fall, wenn die Sache in den Händen dieser Dame stünde, und sie selbige nach dießeitiger Absicht lenkte, Sich gewiß gerne erkenntlicher beweisen, als es der Weimarsche Hof vielleicht nimmer seyn wird.

Unbegreiflich ist und bleibet es mir indeßen, was man, bey dieser uns jetzo von dem Herrn Geheimen Raths=Praesidenten v. Moser selbft eröfneten mislichen Lage der Sache, von seiner vorhin gerühmten unmittelbaren Correspondence mit der Durchlauchtigsten Prinzeßin und von dem mitgetheilten Extract Ihres französischen, unserm Durchlauchtigsten Prinzen in Frankfurt so gar originaliter producirten Briefes gedenken soll? Halten Ew. Hochwohlgeboren mir das Geständniß zu gute, daß ich bey dem jetzigen höchst unerwarteten Auftritt recht froh gewesen bin, Dero voriges Verlangen durch Remittirung des ersten v. Moserschen Briefes, der einen Extract von gedachtem französischem Schreiben der Durch= lauchtigsten Prinzeßin enthält, bisher noch nicht erfüllet zu haben. Je incompatibler die beiden anhero übersandten Briefe dieses Ministers bey nahe scheinen, desto angenehmer war es mir, mit dem letzteren zugleich noch das erstere in origine vorlegen zu

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können. Aus gleicher Ursache behalte ich also, mit Ew. Hochwohlgeboren verhofffenden gütigen Wohlvernehmen, auch dieses Mahl beide noch zurück, und ersuche schließlich nur noch angelegentlichst, dahin bestens sorgen [zu wollen] daß unser Durchlauchtigster Prinz, durante crisi durch eigenhändige Briefe nach Darmstadt und Carlsruh nicht weiter exponiret, wohl aber allenfalls, wenn Ew. Hochwohlgeboren es thunlich finden, mündlich und mediate eifrigst für HöchstDieselben gearbeitet werde.

Die Sache falle sodenn nach dem Schluß der Vorsehung aus wie sie wolle: So ist Serenissimo nostro die Beschleunigung der finalen Gewißheit alle mal eine Estaffette werth; Und noch nothwendiger wird es dem Durchlauchtigsten Prinzen seyn, Ihr Schicksal zu dem Ende baldmöglichst zu erfahren, damit Sie Sich in Ihrer weiteren Reise darnach richten können."

Während dieser Zeit hatte der Prinz erwartungsvoll in Römhild gesessen. Dort erhielt er das erwähnte Mosersche Schreiben und sandte sofort eine Estafette an Schröder, worüber dieser am 20. Dezember nach Schwerin berichtete: "Am 18. hujus bekam ich aus Romhildt eine . . . Estafette, bey welcher unser Durchl. Printz mir zu erkennen geben, daß HöchstDieSelben nichts von dem wissen, was die Frau Generalin v. Bretlack gesaget haben will . . . . Ich halte mich völlig überzeugt, daß die gute Frau das, was sie jetzt vorgiebt, keines Weges zu unserm Durchl. Printzen gesagt hat, sondern daß sie von dem Weimarschen Hofe und der dazu gehörigen Connexion gewonnen worden, und kein Bedenken jetzt trägt, dem Prinzen die vermeintlich geführten Reden aufzubürden, und den Herrn Geh. Rahts=Praesidenten von Moser zu plantiren. Letzterer ist dieserhalb sehr misvergnügt, und wird mir mit dem ehesten, und so bald möglich, nähere decisive Nachricht geben . . . . Nach meinem Ermessen bleibt unserm Durchl. Printzen jetzt keine sonderliche Hofnung mehr übrig, falls der Herr von Moser die Intriguen einer Frau nicht zu hintertreiben weiß." Das Schreiben des Grafen Bassewitz vom 24. beantwortete er am 31. dahin: ". . . Unser Durchl. Printz haben von denen widrigen Vorgängen jederzeit tempestive Nachricht bekommen, und ich vermuhte, daß HöchstDieselben die Reise ehestens weiter fortsetzen werden. . . Von der Existenrz einer Generalin Bretlach ist mir nie etwas bekannt gewesen, ausser daß sie in dem am 17 ten huius von mir praesentirten Moserschen Schreiben zum ersten Mahl aufgeführet worden ist."

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Inzwischen hatte der Prinz natürlich auch an Herzog Friedrich berichtet. Dieser Brief, am 22. Dezember in Römhild geschrieben, lautet:

"Mein lieber und gnädiger Herr Oncle,

Die vorigen Briefe habe ich immer mit sehr vielem Vergnügen geschrieben, allein ich müste keiner Empfindung mehr zu fassen fähig seyn, wenn ich diesen Brief so vergnügt schriebe als die übrigen, indem ich am 15. dieses Monaths einen Brief von den Herrn Geheimenraths Presidenten von Moser erhielt, worinn er mich schreibt, daß die Prinzes würde sich nicht eher decidiren bis das (wie mir schon bekant wäre, daß Sie es mir in Darmstadt und Carlsruh gesagt hätten) die Prinzes den Prinzen von Weimar erst gesehen hätte. Ich muß gestehen, daß mir dieß Benehmen sehr bestürtzt hat, noch mehr aber, da der Herr G.R.P. mir bittet, den Antrag nicht an meine gnädige Anverwanten zu thun, und um Consens und weiters Beschleunigung zu bitten, da ich ihm doch selber meine Bereitwilligkeit so an den Tag legte es zu thun. Allein die ganze Sache scheint mir eine Cabale gegen uns zu seyn. Sie werden aus den Briefen, mein lieber und gnädiger Herr Oncle, schon mein und meines Reisegefährten Verhalten beurtheilen können, ich muß nur die Haupt Persohn, und die Ursachen warum ich mit der selben bekannt geworden binn, meinem gnädigen Herrn Oncle käntlich machen. Die Haupt Persohn die diese Cabale gegen uns schmiedet ist die Frau Generalin von Bretlag. Die Ursachen warum ich mit ihr bekannt geworden binn, sind diese. Nach der lnstruction war ich an den Herrn von Moser gewiesen, dem einzig und allein eine Eröfnung von der Sache zu thun, dieses habe ich befolgt. Dieser aber wieß mich um meiner Sachen gewiß zu seyn an diese liebe Frau Generalin, die nichts wehniger mir jetzt liebenswürdig ist, weil Sie das ganze Vertrauen der Prinzes besitzt. Diese Generalin aber schien sich freilich meiner anzunehmen, allein der Beweiß sind die Lügen die Sie debitirt mir gesagt zu haben, nehmlich auch, daß die Prinzes den Prinzen von Weimar erst sehen will ehe sie sich determinirt. Hätte ich dieses gewußt, wie hätte ich den können schon um Consens anhalten, den ich war ja alsdenn sehr stark im Zweifel, ob die Wahl auf mir fallen würde und alsdenn hätte ich so zu sagen mit meinen gnädigen Anverwanten gespielt, und meine gnädige Anverwanten unnöthige Sorgen und Mühe gemacht, und meiner anklebenden Gewohnheit, flüchtig zu handeln gemäß gehandelt.

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Diesen [Vorwurf] wünsche ich aber bey dieser Gelegenheit nicht zu verdienen, weil ich mich keines Fehlers bis dato bewust binn, weil ich mich sehr wohl erinnere, wie sehr Sie die Gnade gehabt haben mir die letzten Tage für meine Flüchtigkeit zu warnen, und ich mich dazumahl auheischig machte bey dieser Gelegenheit einen Beweiß zu geben, daß ich diesen Fehler bezwingen kann. Ich muß daher gestehen, daß das Benehmen dieser Frau mich sehr wundert, wie Sie es denn auch aus meinem Briefe an den Herrn v. Moser sehen werden, der mit allen übrigen Ihnen zugesand wird um daraus mein als auch des Herrn von Krackwitz Verhalten beurtheilen zu können.

Wenn ich nicht wüste daß Gott alles lenket und regieret, so müste ich jetzt sagen daß mein Glück mir so zu sagen unter den Händen weggenommen wird. Denn das Zutrauen und das wahre und ungeheuchelte attachement was ich gegen der Prinzes habe, wird mir bey dieser Begebenheit so schmerzhaft wie möglich wenn ich sehen muß, daß Sie nicht an allem diesen Schuld ist, sondern daß so ein Weib die Ursach ist, daß das wahrscheinliche Glücke eines Menschen, einer ganzen famille und eines ganzen Landes verscherzt wird. Dieses macht mich freilich traurig, allein ich stelle es Gott anheim der es schon so lenken wird daß es zu meinem wahren Besten gereichen wird.

Ich muß nun noch dieß bey dem würdigen Verhalten der Frau Generalin von Bretlag hinzufügen, daß Ihr ganzes Benehmen mir immer mehr beweiset, daß Sie von Weimar schon bestochen worden ist. Da ich nun mein Geld zur Reise und nicht zum bestechen bekommen habe, und ich überdem nicht gerne eine gekaufte Frau haben möchte, So glaube ich wohl schwehrlich, daß ich in dieser mir so interessanten Sache glücklichen Vortgang mir zu versprechen habe. In dieser Woche denke ich noch von dem Herrn G.R.P. von Moser decidive Nachricht zu kriegen und sollte diese, wie ich vermute nicht vortheilhaft seyn, so werde ich mir der gegebenen Erlaubniß zu Nutze machen, nach die übrigen Höfe zu gehen, und mein Glück fernerhin zu suchen, und als denn in mein Vaterland in Ruhe und Frieden zurückkehren.

Ich empfehle mich zu beständigen Gnaden und verharre in tiefster Unterthänigkeit,

Meines gnädigen Herrn Oncls

                         ganz unterthänigst gehorsamster und

                              getreuer Neveu und Diener

                                   Friedrich Franz."

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Gleichzeitig mit vorstehendem Schreiben des Prinzen übersandte Krackewitz dem Herzoge die gesamte zwischen Römhild, Darmstadt und Wetzlar in der Vermählungsangelegenheit geführte Korrespondenz, die fachlich nichts enthält, was uns nicht schon bekannt wäre. In eben diesen Tagen aber entschied sich das Schicksal des Prinzen: am 19. Dezember erbat Karl August von der Herzogin Anna Amalia den Konsens zu seiner Verlobung mit der Prinzessin Louise, die am 23. die Einwilligung ihres Vaters nachsuchte. 20 ) Die Kunde davon übersandte Schröder alsbald nach Schwerin, wo sie am 2. Januar 1775 eintraf und citissime dem Herzog übermittelt wurde. Das Untertänigste Promemoria der Geheimen Räte meldete zugleich, daß Schröder das herzogliche Schreiben an Moser nebst dem Anwerbungsschreiben unerbrochen zurückgesandt habe und fährt dann fort: "An sich stehet dawider mit Unpartheiligkeit wohl nichts zu sagen, sondern es ist vielmehr, auch ohne die der Frau Generalin von Pretlack von dem Herzoglich Weimarschen Hofe vielleicht wohl gemachte Convenience, sehr natürlich, daß ein regierender Herzog von Sachsen Weimar und Eisenach den Vorzug hat erhalten müßen, so bald er mit einem appanagirten Prinzen zugleich zur Wahl stand, der noch vier Augen vor sich hat, ehe er zur Regierung gelanget. Wäre es nicht sehr vergeblich, von Dingen, die einmal nicht mehr zu redressiren sind, nachhin noch auszugrübeln, wie und wann solche vielleicht anders hätten ausfallen können; so vermögen Unterschriebene sich des Gedankens nicht zu enthalten, daß des Prinzen Friederich Franz Durchl. nur früher müßten gekommen seyn, da, nach aller Wahrscheinlichkeit, der jetzo erst 17jährige Durchlauchtigste Herzog von Sachsen Weimar sich noch nicht gemeldet gehabt. So wie indessen Ihro Herzogliche Durchlaucht den Unterzeichneten dieserhalb nichts zur Last zu legen gewiß gerechtgnädigst geruhen werden, da sie ihre Besorgniß, daß ein anderer Hof zuvorkommen mögte, schon seit dem 10 ten Januar v. J. Schriftlich treu=devotest geäußert: So wißen dagegen auch Unterschriebene ihres geringen Theils gar wohl, wie es faft eine moralische Unmöglichkeit gewesen, daß die Reise und Anwerbung des Durchlauchtigsten Prinzen füglich hätte geschehen können, ehe HöchstDieselben noch confirmiret und ehe demnächst die Vermählungs=Feyerlichkeiten der jetzigen Erb=Prinzeßinn von Dännemark Königl. Hoheit zurückgeleget waren. Jetzt da nur


20) S. Heidenheimer a. a. O. S. 459.
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von einer anderen, Gott gebe, zum Wohl und Glück des Herzoglichen Hauses gereichenden Wahl die Rede mehr seyn kann, wiederhohlen Unterzeichnete die in ihrem jüngsten U. P. M. über alle jetzo im Reiche vorhandene Prinzeßinnen Lutherischer Religion gemachte submisseste Äußerung, und halten nach ihrer geringen Einsicht dafür, daß unter selbigen Ihro Herzogliche Durchlaucht dem Durchlauchtigsten Prinzen nun noch mit mehrer Gleichgültigkeit als vorhin, die freyeste [Wahl] füglich laßen können, höchstens aber Demselben dabey nur diese zweyerlei Väterlich zu empfehlen geruhen mögten: 1) Daß, womöglich, keine Gräfinn in die Herzogliche Ahnen=Tafel komme, 2) Daß in der Regul die Gemahlinn nicht älter als der Gemahl seyn sollte, und endlich 3) Daß des Prinzen Durchl. Sich an dem Hofe, wo Ihroselben eine Prinzeßinn gefallen mögte, nicht sogleich persönlich darüber äußern."

Die Meinung, "daß wir unser jetziges Schicksahl nicht würden erlebet haben, wenn man bey Hofe etwas geschwinder und zeitiger zur Sache gethan hätte", äußerte auch Schröder in einem Briefe an den Grafen Bassewitz vom 14. Januar. Er schreibt dann weiter: "Der Herr Geh. R. Praes. v. Moser ist vor Verdruß 14 Tage bettlägerig gewesen. Er hat mir durch den jetzigen Cassellanum ad statum legendi drey originale Briefe der Prinzeß Louise zeigen lassen, deren Inhalt so beschaffen ist, daß man die nachher ganz unerwartet gefasste widrige Resolution nimmer hätte vermuthen sollen. Besagter Herr Geh. R. Praes. und ich sind unter uns dahin einig geworden, daß wir alle zwischen uns verhandelte, hieher einschlagende Briefe gegen einander auswechseln wollen, um das Andenken davon zu tilgen." Dem wurde in Schwerin stattgegeben: im Mai wurden Mosers Briefe ihm zurückgegeben, doch hielt Graf Bassewitz es für rätlich, vorher vidimierte Abschriften derselben anfertigen zu lassen. -

Früher als nach Schwerin gelangte die "unvortheilhafte Nachricht" nach Römhild; sie traf, wie wir sahen, den Prinzen nicht unvorbereitet. Alsbald stattete er den benachbarten Höfen in Meiningen, in Hildburghausen und in Coburg die verabredeten Besuche ab, um die ihm genannten Prinzessinnen zu sehen, "aber an keinem Hofe" - so berichtete Krackewitz am 2. Januar 1775 an den Grafen Bassewitz - "scheinen der Prinz etwas gefunden zu haben, wodurch der gemachte Verlust zu ersetzen wäre. Übermorgen wollen wir den letzten Hof besuchen,

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und nicht nach Gotha sondern gerade nach Roda gehen, weil die 2 Prinzessin sich daselbst aufhalten." 21 )

Diese Fahrt war nicht unbeschwerlich: es galt den tiefverschneiten Thüringerwald und dessen Vorberge zu überschreiten. Als erstes Nachtquartier war Ilmenau in Aussicht genommen, aber diesen Ort zu erreichen war "wegen des tiefen Schnees und der großen Bouge" trotz eines Vorspannes von 4 Ochsen unmöglich, der Prinz mußte in dem Dörfchen Frauenwald nächtigen. Am folgenden Tage wurden mehrmals Bauern gedungen, die Wagen durchzuschaufeln, die aber schließlich verlassen und durch Schlitten ersetzt werden mußten, während Ochsen die leeren Wagen weiter schleppten; doch gelangte man glücklich bis Saalfeld. Der schlimmste Tag war der 6. Januar: zwischen Neustadt und Roda vernotwendigte es sich zuerst, durch Bauern "die hohlen Wege ausbauen zu lassen"; dann, eine halbe Stunde vor Roda, versank der eine Wagen und es mußten große Aufwendungen gemacht und Trinkgelder gespendet werden "für Wagen, Ketten, Fackeln, um den versunkenen Wagen aus dem Waßer wieder herauszubringen",   "an 2 Bauern den Triebsand von den Rädern des versunkenen Wagens abzumachen," "an 6 Bauern die beyden Wagen durch die Bouge hindurch zu bringen und die Fackeln zu tragen",   "an 1 Postillon, der fast eine Stunde in dem Waßer gestanden, um den versunkenen Wagen wieder herauszubringen", "an die beiden andern Postillons wegen der sehr schlechten Wege und gehabten Mühe wegen des versunkenen Wagens" usw. Für diese Unbequemlichkeiten entschädigte dann ein zweitägiger folgenreicher Aufenthalt in Roda: hier im Schlosse fand der Prinz die Lebensgefährtin, die in Karlsruhe zu erringen ihm nicht geglückt war.

Über die Tage in Roda meldete Krackewitz dem Herzoge: "Am 6. gegen Abend kamen wir . . . in Roda an. Den 7. liesen wir uns bey der OberHofMeisterin v. Kospoth melden, und bahten zugleich um Erlaubniß Denen Durchlauchtigsten Prinzessin Cour zu machen, die wir auch erhielten. Mittags


21) Diese beiden Prinzessinnen, Auguste (geb. 30. November 1752) und Louise (geb. 6. März 1756), hatten ihren Vater, den Prinzen Johann August, schon 1767 ihre Mutter Louise, des Grafen Heinrich I. von Reuß=Schleiz Tochter, 1773 verloren, Die Prinzessin Auguste vermählte sich 1780 mit dem verwitweten Erbprinzen Friedrich Karl von Schwarzburg=Rudolfstadt.
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glock 12 wurden wir durch eine fürstliche Equipage abgeholet, und blieben diesen ganzen Tag so wohl als auch den folgenden auf dem Schlosse. . . . Beyde Prinzessin in Roda waren sehr gnädig. Die jüngste ist sehr hübsch, und wenn ich meine Bemerkungen äusern darf, schön in aller Betrachtung. . . . Diese Prinzeß scheinet mir Darmstadt wieder vergessend zu machen."

Am 9. Januar wurde Roda verlassen und bis Jena gefahren, am 10. nächtigte der Prinz in Naumburg, am 11. kam er in Leipzig an, wo er im Hôtel de Bavière abstieg und zwei Tage verweilte. Am Nachmittage des 15. wurde Dresden erreicht - dort logierte der Prinz im Hôtel de Pologne -, während eines dreitägigen Aufenthalts daselbst ein Ausflug nach dem Königstein gemacht. Die nächsten Nachtquartiere waren Großenhain, Wittenberg, Zerbst, Burg. Am 23. mußte "wegen des vielen Eifes ein Detour gemacht" und statt in Havelberg, wie geplant war, vielmehr bei dem Dorfschulzen in Schwitzdorf zur Nacht geblieben werden. Am 24. kam der Prinz bis Perleberg und am 25. traf er wieder in Ludwigslust ein. In der Reisekasse waren an dem Tage noch 15 Louisd’or; die erhielt Stöckhardt "zur Ergötzlichkeit", während Krackewitz ein Geschenk von 300 Talern bekam.

Schon in Leipzig hatte der Prinz über seines Besuch in Roda an den Herzog geschrieben. "Vorgestern als am 11 ten " - heißt es in diesem Briefe - "sind wir von Roda hier eingetroffen. Meine Absicht Warum ich ausgereifet binn scheint wiederum erfüllt zu seyn. Ich habe nun doch in kurzer Zeit drey zweckmäßige Prinzessinnen gesehen, allein ich kann und ich gestehe es auch würklich keine hat mein Hertz mit wahrem attachement gerürt, als die letzte, nehmlich die Prinzes Louise von Sachsen=Gotha . . . Die Art und Weise wie ich darzu gekommen binn Sie zu sehen, werde ich hofentlich in 16 oder 17 Tagen mündlich sagen können. Daher werde ich mich nur jetzt auf der Beschreibung der Prinzes einlassen. Sie ist ungefehr so groß wie meine Schwester, aber weit stärker, und die Gesundheit selbsten. Ihr Verstand, Ihr Caracter und Ihr ganzes Wesen nehmen gleich alle Hertzen vor ihr ein. Sie ist aufgeräumt, und gewiß so ein nobles und gütiges Wesen als eine Frau die Ihren Mann glücklich machen soll nur haben kann. Sollte ich mir nach den gehabten grossen Verlust eine zu haben wünschen so wäre es diese. Denn ich weiß ich habe mich in meiner Wahl nicht übereilt, sondern mein Reisegefährte wird mir das Zeuchniß

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geben können, daß Ihre Schönheit mich nicht verblendet hat, auf Ihrem Hertzen und Ihrer Gedenkungs=Art Acht zu geben. Ich verlasse mich daher auf meines gnädigen Herrn Oncls und meiner gnädigsten Anverwanten Gnade, daß Sie darinn meinen Wünschen willfaren mögen. Ich glaube es wird keinen gereuen, denn wer Sie ein mahl kennt der muß Sie lieb haben. Sie ist So gnädig und gefällig gegen mir gewesen, daß ich es nicht genug beschreiben kann. . . . Sie können daher, mein gnädiger Herr Oncle, wohl denken wie zufrieden ich jetzt wieder binn, ich freue mich daher schon recht sehr zum voraus meine Aufwartung wieder machen zu können, denn am Ende sehnt man sich doch wieder zur Ruhe, besonders wenn man seine Wünsche sehnlichst wünscht erfüllt zu sehen. Denn mein ganzes Hertz wünscht Sie zu haben, und wünscht nur das Glück einer Famille und des ganzen Landes, welches nach aller Wahrscheinlichkeit gewiß wird erreichet werden, wenn die mir so recht herzlich liebe Prinzes mir zuteil würde. . ."

Auf dieses Bekenntnis hin beauftragte der Herzog, im Einverständnis mit den Eltern des Prinzen, den Grafen Bassewitz, die nötigen Schritte zur Anwerbung in Gotha zu tun. Da aber der Prinz bei seiner Rückkehr mitteilte, seine Großmutter in Römhild, mit der er offenbar in Briefwechsel gestanden hatte, wolle Erkundigungen einziehen, "wie eine etwanige Anwerbung um die Printzeßin Louise von Sachsen Gotha werde aufgenommen werden", wurde GraS Bassewitz angewiesen, das Anwerbungsschreiben nicht eher abgehen zu lassen als bis ein Brief der verwitweten Herzogin von Coburg eingegangen sei.

Am 20. Februar fragte Stöckhardt beim Herzoge an, wie lange er noch dem Prinzen Wissenschaften vorzutragen haben werde. "Mein bisheriger mündlicher und schriftlicher Vortrag" - so führte er aus - "ist größtentheils nur eine Vorbereitung auf die Hauptwißenschaften gewesen, als wohin ich vorzüglich das Teutsche Staatsrecht, die Cammeral=Wißenschaften, die Statistik und eine christliche Politik rechne. Von diesen 4 Wißenschaften wünschte ich dem Durchlauchtigsten Prinzen wenigstens die ersten Grundzüge mündlich und schriftlich zu entwerfen; ingleichen die lateinischen und juristischen Ausdrücke in dem Landesvergleiche, wie auch die vornehmsten Grund=Regeln zu erklären, die bey Lesung der Acten und allerhand schriftlicher Aufsätze zu beobachten sind. Geruhen nun Ew. Herzogliche Durchlaucht gnädigst mir bekannt zu machen, wie lange ich un=

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gefär noch das Glück habe dem Durchlauchtigsten Prinzen Unterricht zu geben, so könnte ich den Vortrag so einrichten, daß alle nur gedachte Wißenschaften noch durchgegangen würden. . . . Unterdeßen werde ich fortfahren mit den lateinischen Briefen über die Logic, und sie nach und nach zur ferneren gnädigsten Beurtheilung zu Füßen legen . . . ."

Welche Antwort Stöckhardt auf seine Anfrage erhielt, wissen wir nicht; vermutlich hat man ihn dahin bedeutet, daß während der schwebenden Vermählungsverhandlungen von teutschem Staatsrecht, christlicher Politik und lateinischen Briefen über die Logik nicht wohl die Rede sein könne. Das könnte man daraus schließen, daß am 20. Februar ein Pro memoria ad regimen erging, Serenissimus seien der Entschließung geworden, den Informator Stöckhardt zum Sekretär des Prinzen zu ernennen, "jedoch unter dem Bedinge, daß er bey des vorgedachten Printzen Durchl. so lange verbleiben und HöchstIhro CaßenBerechnung führen müste bis sich zu seiner anderweiten Versorgung eine Gelegenheit finden würde". Die Geneigtheit, ihm diese anders weitige Versorgung zu verschaffen, hat Herzog Friedrich wiederholt bekundet. Am 5. Juni 1777 "gewärtigten Serenissimus eine gutachtliche Anzeige: Ob der Secretair Stockhardt wohl als Regierungs= und Canzley=Fiscal zu gebrauchen und anzustellen seyn mögte?" Aber Regimen erwiderte, "daß eines Theils keine Stelle eines Regierungs= oder Canzley=Fiscals vacant sey, und daß andern Theils dieser gute Mann, als ein Fremdling in der Mecklenburgischen Rechtsgelehrsamkeit und Praxi, wohl so wenig die letztere, als noch viel weniger die erstere mit Nutzen zu verwalten im Stande seyn dürfte." Am 21. Juli desselben Jahres übersandte der Herzog Regimini das Gesuch Stöckhardts um die durch den Tod des Akziserats Eschenbach erledigte Stelle zum Erachten: auch das verbaten die Geheimen Räte. Endlich befahl der Herzog im November 1778, daß Stöckhardt die erbetene Anwartschaft auf die Postdirektorstelle in Güstrow gegeben werde, und in der Tat erscheint er, der am 19. Februar 1779 auf seine Bitte den Charakter als Hofrat bekommen hatte, von 1780 bis 1806 in Güstrow als Postdirektor, um dann aus dem Staatskalender zu verschwinden. -

Das sehnlich erwartete Schreiben der verwitweten Herzogin von Coburg traf endlich am 26. Februar in Ludwigslust ein. Die Herzogin hatte ihre Erkundigungen an der zuverlässigsten Stelle am Gothaer Hofe eingezogen, bei der Oberhofmeisterin v. Buchwald, die seit Jahrzehnten dort eine Vertrauensstellung

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einnahm, bei der ganzen fürstlichen Familie und am Hofe unter dem Namen "la Maman" bekannt. 22 ) Diese stellte einen günstigen Erfolg in bestimmte Aussicht und so erging denn durch ihre Vermittlung - entgegen der Ansicht der Geheimen Räte, die die Überreichung durch einen Spezialgesandten für angemessener gehalten hatten - das vom 28. Februar datierte offizielle Anwerbungsschreiben gleichzeitig an den regierenden Herzog Ernst und an den Vormund der Prinzessin, den Prinzen Moritz, den jüngeren Bruder ihres Vaters. Am 6. März teilte Herzog Ernst der Prinzeß Louise den Inhalt des "nur eben eingelangten" Schreibens des Herzogs Friedrich mit, dabei bemerkend, daß er "Dero Herrn Vormunds des Prinzen Moriz Lbden. ebenfalsigen Beyfalls bereits vorläufig versichert" sei, und am 7. gab die Prinzessin ihr Jawort, wie Herzog Ernst am 8. nach Ludwigslust meldete.

Als Beweggrund für ein möglichst abgekürztes Verfahren hatte das Anwerbungsschreiben "die gar zu lebhafte Ungeduld des Prinzenn samt der gleichmäßigen großen Begierde des ganzen Herzoglichenn Hauses, die so glückliche Verbindung je eher je lieber geschloßen zu sehen" bezeichnet. So drang denn nun auch der Prinz auf tunlichst baldige Vermählung und er fand dafür lebhafte Unterstützung bei Herzog Friedrich, dem gleichfalls ein langes Hinausschieben der Hochzeit vom Übel zu sein schien und der dem Herzog von Gotha den Wunsch aussprach, "daß das Beylager, zu dessen Vollziehung der Prinz, jedoch nur auf zwey bis drey Tage, nach Gotha kommen würde, ohngefehr schon um Ostern 23 ) mögte seyn können". Dem wurde aber von gothaischer Seite widersprochen; Herzog Ernst äußerte die Besorgnis, "daß der von Ew. Liebden bemerkte Termin der Prinzeßin Liebden allzukurz angesetzt scheinen werde; jedoch hoffen Wir, daß der Vollzug zwischen Ostern und Pfingsten noch allemahl möglich zu machen seyn wird." Daraufhin überließ Herzog Friedrich die Bestimmung des Tages des Beilagers dem Herzog Ernst, der zunächst allgemeiner die Woche nach Cantate und weiterhin genauer den 19. Mai vorschlug, womit sich Herzog Friedrich einverstanden erklärte.

Auf diese Abmachung hin machte sich der Prinz, der unter dem Namen eines Grafen von Grabow reiste, am 8. Mai von Ludwigslust aus auf den Weg nach Gotha. Seine Suite bestand aus dem Kammerherrn v. Bülow, dem Kammerjunker von


22) Vgl. Beck in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd.3 S.494.
23) Ostern fiel 1775 auf den 16. April.
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Rantzau, dem Sekretär Stöckhardt, dem Kammerdiener Wendt, einem Läufer und zwei Lakaien. Herzog Friedrich hatte es nötig gefunden, daß der Prinz auf der Hinreise bei seiner Großmutter in Römhild vorspreche; die Prinzessin Charlotte wünschte, daß bei dieser Gelegenheit auch ihrer mit dem Markgrafen Alexander von Brandenburg=Ansbach=Baireuth vermählten jüngeren Schwester Karoline in Ansbach ein Besuch abgestattet werde - ein Gedanke, der dem Herzog sehr gefiel, den er aber aufgab, als man dagegen geltend machte, daß dieser Abstecher zu viel Zeit erfordern werde. Jedenfalls aber sollte Leipzig berührt und dort ein Teil der Geschenke gekauft werden, deren man für Gotha bedurfte. Am 18. Mai sollte der Prinz in Gotha eintreffen; am 17. oder in der Frühe des 18. Mai sollte - so sagt das "Pro Memoria was überhaupt auf der Reise des Prinzen nach Gotha und von da zurück wie auch bei Ihro dortiger Vermählung und Anwesenheit zu beobachten seyn mögte" - der Kammerjunker v. Rantzau vorweg nach Gotha fahren, sich dort melden und so stellen, als wolle er in der Stadt ein Quartier für den Prinzen suchen, sich aber allenfalls auf erhaltenen Befehl die Anweisung der Zimmer bei Hofe gefallen lassen.

Das Reiseprogramm aber erfuhr einige Änderungen. Zunächst wünschte Herzog Ernst, daß der Aufenthalt des Prinzen in Gotha nicht auf die ursprünglich bestimmten zwei bis drei Tage beschränkt werde, und Herzog Friedrich beeilte sich, das zuzugestehen. Sodann wurde die Komödie des Quartiersuchens hinfällig durch den feierlichen Empfang, den Herzog Ernst dem Prinzen schon an der Grenze seines Landes bereitete. Eine Störung der Reise bewirkte endlich der unliebsame Umstand, daß am 12. Mai zu LangensaIza die Tante des Herzogs Ernst, die Herzogin Friederike von Weißenfels, eine geborene Prinzessin von Gotha, Witwe Johann Adolfs II., des letzten Herzogs von Sachsen=Weißenfels, starb, und Herzog Ernst mit der schleunigsten Meldung dieses Todesfalles die dringende Bitte verband, die Hochzeit um 10 bis 12 Tage zu verschieben. Damit mußte sich Herzog Friedrich natürlich einverstanden erklären; er stellte dem Herzog Ernst anheim, den Vermählungstag "nach den eingetretenen Umständen" zu bestimmen, gab aber der Hoffnung Ausdruck, ,,es werde die Erfüllung seiner Wünsche, die Prinzessin Louise kennen zu lernen, nicht gar zu weit hinaus=gesetzet werden". Er erfuhr dann alsbald, daß Herzog Ernst die Vermählung auf den 1. Juni anberaumt habe.

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Die Nachricht von dem Ableben der Herzogin Friederike erhielt der Prinz in Leipzig, wo er am Abend des 10. Mai angelangt und im Hôtel de Bavière abgestiegen war. Dorthin wurde alsbald der Oberbereiter Eggers mit der Trauerkleidung für den Prinzen und die Kavaliere gesandt. Der Kammerherr v. Bülow, der den Empfang der Trauerbotschaft nach LudwigsIust gemeldet und um weitere Verhaltungsmaßregeln gebeten hatte, wurde angewiesen, so lange in Leipzig zu bleiben, bis es Zeit sei, nach Gotha aufzubrechen. Dieser unerwartete Aufenthalt war übrigens ganz nützlich, denn die gesandte Trauerkleidung erwies sich als unzureichend und konnte in Leipzig, wo es auch sonst noch allerlei zu kaufen gab, 24 ) ergänzt werden. Am 22. abends erfolgte die Weiterreise und am Mittwoch, den 24. Mai, abends halb 7 Uhr, traf der Rrinz in Gotha ein. 25 ) Schon auf der Grenze bei Gamstedt war er von dem Forstmeister v. Leutsch mit seinen Oberförstern und allen Forstbedienten des Gothaer Forstamtes empfangen worden; diese ritten dem Wagen bis zum Schlosse Friedenstein vor. Dort, an der Collegientreppe, begrüßten ihn Herzog Ernst, die Prinzen August und Moritz, die Minister und sämtliche Kavaliere und geleiteten ihn erst in seine Gemächer, dann nach einigem Aufenthalt in die Zimmer der Herzogin Charlotte, wo auch die Prinzessinnen Auguste und Louise - letztere weilte auf Friedenstein seit dem 4. April - anwesend waren. Nach der Begrüßung begab man sich zum Spiel und schließlich zur Tafel im Spiegel=saal. Zur Aufwartung beim Prinzen wurden befohlen der Kammerjunker v. Thümmel und der Page v. Plessen.

Am 25. wurde die formelle Verlobung mit Galadiner und Cour gefeiert, am 29. war ein Hofball und am Donnerstag, den 1. Juni, 26 ) fand die Vermählung statt. Die "Nachricht von dem Ceremoniel und andern Solennitäten" bei dieser Gelegenheit im Fourierbuch besagt darüber:

"Am VermählungsTage war Mittags ordinaire Tafel und Kleidung. Die Durchlauchtigsten Herrschaften . . . speiseten


24) Der Prinz kaufte u. a. für 3 Rtlr. 8 Gr. Landkarten, einen Trauring für 2 Rtlr. 12 Gr., und für 4 Rtlr. 12 Gr. "1 weiß Portrait des Seel. Hrn. Professor Gellert en biscuit mit Gold" nebst Futteral.
25) Die nachfolgenden Angaben entnehme ich dem auf der Herzoglichen Bibliothek in Gotha aufbewahrten und mir gütigst zur Verfügung gestellten "Fourier=Buch vom Quartal Trinitatis 1775".
26) Dieses Daturn bezeugt das Fourierbuch. Es ist also ein Irrtum, wenn Wigger in Bd. 50 der Jahrbücher S. 306 angibt "am 31. Mai (nicht am 1. Juni)".
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en retraite im AudienzGemach des 1 sten Appartements an einem Täfelchen. . . . Die übrigen Dames und Cavaliers speiseten im Spiegel=Saal an einer HofMarschallsTafel von 23 Couverts.

Nachmittags um 5 Uhr erschien der gantze Hof, Ministres, Darnes und Cavaliers, auch sämtliche Dames und Fräuleins aus der Stadt und die adelichen Officiers in Galla bey Hof.

Die Durchl. Herrschaften versammleten Sich im 2 ten Appartement der Durchl. Herzogin, wohin Sich die Fürstl. Braut gleich inwendig aus Dero anstoßenden Zimmer begeben hatte, worauf der Herr OberMarschall von Studnitz und der Herr HofMarschall von Franckenberg mit Marschall=Stäben Serenissimo meldeten, daß zur Trauung alles bereit wäre, und HöchstDieselben verfügten Sich unter Begleitung der Durchl. Prinzen und unter Vortretung des ganzen Hofes und den Marschällen mit Stäben, in die Zimmer des Durchl. Bräutigams, und holten solchen auf gleiche Art in das zur Trauung praeparirte AudienzGemach. . . .

Das AudienzGemach war folgender Gestalt arrangiret:

In der Mitte gegen den Fenstern zu war ein carmoisin samtner, mit goldenen Tressen bordirter Teppich, auf welchem der AltarTisch, von gleichen Samt und auch mit Gold bordiret, vor diesen aber die TrauungsBank, von reichen Stoff mit goldenen Franzen stund.

Auf jeder Seite die Länge gegen die Thür zu, stunden 4 Stühle. Die zur Rechten vor die Durchl. Braut, die Durchlauchtigste Herzogin, desgl. vor die Durchl. Prinzeßin Louise, und die Durchl. Prinzeßin Auguste von Roda. Die zur Linken aber vor den Durchl. Bräutigam, den Durchlauchtigsten Herzog, den Durchl. Prinz August und den Durchl. Prinz Moritz.

Hinter den Stühlen der Durchl. Dames hatten sich die Frau OberhofMeisterin Exc., die fremden Dames, die Darnes der erstern 3 Classen und die HofDames, und hinter den Durchlauchtigsten Herren die fremden Cavaliers, die Ministres und die übrigen der erstern 3 Classen rangiret.

Die übrige Noblesse blieb im Vorgemach bey eröffneter Thür des TrauungsGemachs.

Dem Altar oder Geistlichen gegen über im TrauungsGemach, gegen die Thür zu, stunden die obbemeldeten Marschälle mit ihren MarschallsStäben.

Nachdem nun alles jezt gedachter masen rangiret war, stund die Durchl. Braut Von Ihrer und der Durchl. Bräutigam

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von Seiner Seite auf, und stelleten sich vor die zur Trauung destinirte Kniebank.

Hierauf verrichtete der Herr GeneralSuperintendent Stölzel die Trauung, ohne eine besondere Rede.

Gleich nach vollendeter Trauung wurde von einem Hof=Trompeter das Signal zur lntrade denen Trompeters und Paukern gegeben, welche sich alsbald in 2 Chören auf den hierzu im Schloßhof errichteten, und mit rothen Tuch behängten, Trompeter Balcons, die HofTrompeters auf dem einen und die GardeTrompeters auf dem andern, so lange hören liesen, bis die Salven aus den schweren Canonen, welche alsobald auf dem SchloßWall 3mal rings herum, zusammen in 63 Schüssen gelöset wurden, vorüber waren.

AIs vor der Trauung Serenissimus obbeschriebenermaßen um den Fürstl. Bräutigam abzuhohlen sich in deßen Zimmer erhuben; desgl. als Sie den Durchlauchtigsten Bräutigam her=über zur Trauung führeten, nicht weniger während der Trauung paradirte die LeibGarde zu Pferde, im äußern Vorgemach, unter Commando ihres Majors, Herrn Cammerherrn von Keßel und noch 2 Officiers.

Nach der Trauung und angenommenen Glückwünschen, wurde in diesem Appartement, bis Durchlauchtigste Herrschafften Sich zur Tafel erhoben, gespielet.

Um 8 Uhr wurde von denen Paukern auf den Trompeter= Balcons zum erstenmal zur Tafel geschlagen, um halb 9 Uhr das 2 te mal, und um 9 Uhr von beyden Trompeter Chören gewöhnlich ausgeschlagen und geblasen.

Hierauf trug die Garde den ersten Gang des Eßens unter Anführung eines Wachtmeisters. Wie sie auch den 2 ten Gang aus der Küche und das Confet, beydemal, unter Anführung eines Officiers an die Tafel trug.

Nach erfolgter völliger Servirung der Tafel, welche mit neuen SilberService . . . serviret, wurde solches vom Herrn OberMarschall der Durchl. Herrschafft gemeldet. Dieselben erhoben Sich . . . unter Vortretung des ganzen Hofes und der Marschälle mit Stäben, wobey die LeibGarde wieder auf die Art, wie oben gemeldet worden, paradirte zur Tafel. . . .

Als die Durchl. Herrschafften in den Saal waren, wurde den Cavaliers und Officiers, welche, bis an die Tafel, geleuchtet hatten, die Leuchter von hierzubestellten Pagen abgenommen, und hierauf rangirten sich diese Cavaliers und Officiers hinter die Stühle der Fürstl. Personen. . . . Nachdem solches geschehen,

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presentirten die zum WaßerServiren bestellten Cavaliers den Durchl. Herrschaften die Servietten zum Waschen auf Credenz=Tellern. . . . Wärend der WaßerServirung stunden die beyden Marschälle mit den Stäben der Durchlauchtigsten Herrschafft gegen über und zwischen denselben der Page zum Bethen, der, so bald die WaßerServirung geschehen war, solches verrichtete. Hierauf rückten die obbenanten HofCavaliers und die Ofticiers, welche geleuchtet, auch Handschuh und Hüthe abgenommen hatten, den Durchl. Herrschafften die Stühle, und nachdem sich Selbige gesetzt, auch alle übrigen, welche an diese Tafel gezogen wurden, Platz genommen hatten, stellten sich die Marschälle mit ihren Stäben, die Darnes, so die Schleppe getragen, die Servirenden Cavaliers und der ganze Hof hinter die Herrschafft und blieben stehen, bis Sich selbige das Trinken geben laßen. . . .

Sobald die Durchlauchtigsten Herrschafften Sich das Trinken hatten geben laßen, giengen die Marschälle mit dem ganzen Hof, ingleichen die Cavaliers so Servirt hatten, ab, und verfügten sich mit den übrigen Dames aus der Stadt an ihre Tafeln.

Da keine Gesundheiten aus grosen Gläsern ausgebracht, folglich keine Canonen weiter gelöset wurden, so hat die Capelle bey Tafel aufgewartet."

An der herzoglichen Tafel speisten 24, an der Obermarschallstafel 22, an der Hofmarschallstafel 24, an der Reisemarschallstafel 25 und an einer "Bey=Tafel" 17 Personen. "Bey 2 ten Gang des Eßens an der Herzogl. Tafel kamen die beyden Marschälle mit ihren Stäben und die Cavaliers welche das Trinken Servirt wieder hinter die Herrschafft, und sobald Serviret war, verfügten sich dieselben wieder an ihre Tafeln, und bey Servirung des Confet kamen solche mit den ganzen Hofe, und den 2 HofDames so die Schleppe zu tragen hatten, wieder und hielten sich hinter der Herrschafft, bis solche auf stunden. Sogleich nach dem Aufsteigen und sobald sich die Marschälle mit dem Pagen zum Bethen auf ihren Platz gestellet hatten, geschah die WaßerServirung zum Waschen, wie vor der Tafel, und nach diesen wurden denen Herrschafften die Handschuh und Hüthe von denen Cavaliers, so ihnen die Stühle abgerückt hatten, wieder gegeben und wie solches geschehen verrichtete der Page das Gebeth.

Hierauf verfügten sich die Herrschafften unter Vortretung des ganzen Hofes auf dieselbe Art, wie sie zur Tafel gegangen waren, in das BrautGemach, so auf der SteinCallerie, neben

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den Zimmern des Durchl. Bräutigams, war, und die Leibgarde zu Pferde paradirte nun im Vorgemach der Churfürstl. Zimmer bis auf die SteinGallerie beym Durchgehen wieder auf gleiche Weise wie vor der Tafel, und hiermit endigte sich die öffentliche Solennitat dieses feyerlichen Tages.

Der Durchl. Prinz hat bey Dero Ankunfft 2 Gardes du Corps zur Wache vor Dero Zimmer bekommen, am Trauungs= Tage aber ist ein Unterofficier mit 6 Mann zur EhrenWache gestellet worden, und hat beym Aus= und Eingehen vor die Durchl. Neuvermählten die Honneurs gemacht; und diese Wache isl bis zur Abreise des Durchlauchtigsten Prinzen stehen blieben.

Tages darauf, als Freytag den 2 ten Jun. war wiederum Calla, jedoch ohne Servirung und ohne Solennitaeten. . . . Abends war Bal paré im Tafelgemach. . . Der Fürstl. Bräutigam eröffnete mit der Fürstl. Braut den Bal, denen hierauf die übrigen Durchlauchtigsten Herrschafften nebst Dames und Cavaliers folgten. Um 10 Uhr erhoben sich die Durchlauchtigsten Herrschafften in den SpiegelSaal zu Tafel. . . . Nach der Tafel wurde nicht weiter getanzt, sondern die Durchlauchtigsten Neuvermählten und sämmtliche Herzogliche Herrschafft retirirten sich.

Nota: Serenissimus haben diese beyden Tage über dem Durchlauchtigsten Brautpaar den Vortritt gelaßen.

Sonnabends den 3 ten Junii war der Hof wieder in ordin. Kleidung und es wurde auch wieder wie ord. gespeißet; welches auch also geblieben bis der Durchl. Mecklenb. Prinz mit Dero Durchl. Frau Gemahlin abgereiset.

Sontags den 4 ten Jun. als den 1 sten PfingstFeyertag ist in der Herzogl. SchloßKirche, in der Stadtkirche, und nach höchster Verordnung auch in Altenburg in der Herzogl. Schloßkirche und in den Stadtkirchen, nicht weniger in Roda als dem WohnungsOrt der Durchl. Prinzeßin das Te Deum laud. mit Trompeten und Pauken dieser hohen Vermählung wegen gesungen und ein apartes Dankgebet nach der Predigt gehalten worden.

Sontags Abends nach dem Souper verfügten Sich sämmtliche Durchl. Herrschafften in die Zimmer der Durchl. Neuvermählten, woselbst Dieselben von einander Abschied genommen haben.

Worauf, gegen 12 Uhr, der Aufbruch zur Abreise geschah. Serenissimus begleiteten die Durchl. Prinzeßin mit Dero Herrn

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Gemahl, in Begleitung Prinz Augusts Durchl. und Sr. Durchl. Prinz Moritz unter Vortretung des ganzen Hofes bis an den Wagen unten an der CollegienTreppe; und hierauf reiseten Dieselben ab.

Der OberForstMeister Herr CammerJunker von Leitsch ritte denselben mit den OberFörstern und Forstbedienten des hiesigen Forstamts bis auf die Höhe bey Wiegleben wieder vor, woselbst selbige von dem Durchl. Prinzen beuhrlaubet worden sind." -

In Mecklenburg war der 1. Juni von der Universität Bützow festlich begangen worden. Man hatte eine musikalische Feier veranstaltet, Martini hatte eine Einladungsschrift verfaßt, Tychsen die schon oben erwähnte Rede gehalten. Die zu dem allen erforderlichen Kosten hatte der Herzog auf Bitten der Universität bewilligt. In Schwerin hatte der Buchhändler Joh. Nikolaus Karl Buchenröder "Mecklenburgs Vorzüge in einer parallelischen Vorstellung von Mecklenburg und Gotha in ihren Durchlauchtigsten Fürsten" gepriesen, die "beyden Geistlichen Hirten bey der Catholischen Schwerinischen Gemeinde" Hermann Joseph Frings und Aegid Dechêne hatten ein Hirtengedicht überreicht, und ein ungenannter "unterthänigster Knecht aus Güstrow" hatte eine Ode gespendet - eine überraschende litterarische Enthaltsamkeit im Vergleich mit der oratorischen und poetischen Hochflut, die bei der Vermählung der Schwester des Prinzen über Mecklenburg hereingebrochen war.

Den Tag der Vermählung durch etwas Außerordentliches zu feiern, hatten "die Alter=Leute und sämtliche Mitgenoßen der Älteren Schützenzunft" lebhaft gewünscht. Die Schützenzünfte hatten unter Herzog Friedrich keine guten Tage. Er gestattete ihnen zwar das Scheibenschießen, aber eine seiner ersten Regierungshandlungen war gewesen, daß er in den Städten des Fürstentums Schwerin die Abhaltung der Schützenfeste mit ihrem feierlichen Aus= und Einmarsch und den an sie sich anschließenden Volksbelustigungen verbot, weil sie zu mannigfachen Ausschweifungen Veranlassung gäben. 27 ) Gleichwohl hatte er - auf wessen Befürwortung hin erhellt nicht - am Vermählungstage der Prinzessin Sophie Friederike der Schweriner Schützenzunft einen Aufmarsch mit wehenden Fahnen gestattet und dadurch ihren alten Wunsch neu belebt, es möge


27) Vgl. Fromm, Chronik der Haupt= und Residenzstadt Schwerin S. 288 f.
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der ehrwürdige Königschuß wieder alljährlich gestattet werden. Diesem Wunsche lieh ein dem Prinzen Friedrich Franz damals "von der alten und jüngeren Schützenzunft in tiefster Ehrfurcht gewidmetes", für die damaligen Schweriner Verhältnisse opulent ausgestattetes Gedicht beredten Ausdruck:

Sieh, Prinz! Wie heut im wimmelnden Gedränge
Vom ew’gen Christian Ludewig
Die Fahne ftiegt;- fühl das Gefühl der Menge,
Dein Herz vermag es, Friederich!
An Deiner Schwester hohem Blumen=Feste
Floß Friedrichs Gnad auf uns herab;
Und jeder Bürger ruft: Er sey der beste
Fürst, den des Himmels Huld uns gab.
Sieh, wie sie fliegt! - ein Zeichen Seiner Gnade,
Womit Dein Oncle diesen Tag
So hold bemerkt; - den festlichsten der Tage
Den noch der Enkel feyern mag.
Prinz! laß uns jährlich diesen Tag zu feyern
Uns Deine Gnade angedeyn:
Sprich Du für uns, und laß, wenn wir ihn feyern
Uns dabey unsrer Fahnen freu’n.
Sehn wir Dich dann (das hoffen wir nicht wenig)
In unsrem Zirkel huldvoll stehn,
Und siehest Du der Zünfte frohen König
In seiner güldnen Kette gehn;
Dann jauchzet Dir der Bürger froh entgegen,
Dir, seinem theuren Friederich!
Wirst Blumen Dir auf Deinen heil’gen Wegen
Und jeden Segens=Wunsch auf Dich.
Und ruft: Heil Ihm, dem Prinzen! Ihm gehöret
Der Bürger Herz - die erste Pflicht.
Er sprach für uns - und, Bürger! Was gewähret
Fürst Friedrich seinem Liebling nicht.

Daß der Prinz sich wirklich bei seinem Oheim zum Dolmetscher der Wünsche der alten und jüngeren Schützenzunft gemacht habe, muß bezweifelt werden, denn als sie jetzt wissen ließ, sie wolle am Einzugstage des Prinzen ihr erstes diesjähriges Scheibenschießen abhalten und die Erlaubnis "zu einem feierlichen Ausmarsch nach dem Schützenhofe nicht nur für diesen festlichen Tag, sondern zum immerwährenden frohen Andenken desselben auch den jährlichen Tag ihres sog. Königsschusses mit freiem Ausmarsch" erbat, da erhielt sie einen glatten Abschlag.

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Doch nun nahmen sich die Geheimen Räte ihrer an. Sie wurden beim Herzog vorstellig: das Scheibenschießen der Schützenzunft, von der Prinz Friedrich Franz selber Mitglied sei, finde jedes Jahr statt, zum Teil in Gegenwart der Schweriner fürstlichen Herrschaften; der Unterschied von dem petitum bestehe also nur in der Berahmung dieses jährlichen Scheibenschießens auf den Vermählungstag und in dem feierlichen militärischen Ausmarsch, der ein wahres Volksfest und ein sehr unschuldiges Soldatenspiel sei. In der Tat gelang es ihnen, den Herzog wenigstens teilweise umzustimmen: es wurde der Schützenzunft zugestanden, ihr beabsichtigtes Scheibenschießen anzustellen "und sodann für dieses Mahl nach miltairischer Art feyerlich auszumarschiren. Euer Suchen wegen des sog. jährlichen Königs= Schusses aber hat nicht Statt." Auch solle bei Gelegenheit des Festes "so wenig das Würfel= als irgend ein anderes Spiel" gestattet sein.

Für den festlichen Empfang des jungen fürstlichen Paares hatte man sich in Schwerin schon lange - da als Tag der Ankunft ursprüglich der 27. Mai angenommen war - vorbereitet. Der feierliche Einzug sollte sich möglichst in denselben Formen vollziehen wie seinerzeit der des Prinzen Ludwig und seiner Gemahlin im Jahre 1755; deshalb wurde der schon ergangene Befehl an den Superintendenten und Konsistorialrat Menckel, daß während des Einzuges mit allen Glocken geläutet werden solle, zurückgenommen, da sich herausstellte, daß damals das Geläute unterblieben war. Im übrigen hatte der Generalmajor v. Both den Befehl erhalten, die Wache am Mühlentor zu verstärken und die durch Mannschaften aus Bützow und Boizenburg verstärkte Garnison auf der Reitbahn paradieren zu lassen. Der Oberstleutnant v. Schuckmann sollte am Tage der Ankunft und dem nächstfolgenden Tage jedesmal einen Ritt= meister und einen Leutnant mit zugehöriger Mannschaft zur Wache kommandieren. An Bürgermeister, Rat und Gericht der Alt= und Neustadt erging die Ordre, die Bürgerschaft solle sich im Gewehr befinden und den Weg vom Schmiedetor an über den Markt, die Königs= und Schloßstraße bis zur Brücke bei dem Hause des Postverwalters Prosch an beiden Seiten besetzen - ein Befehl, der Bürgermeister und Rat zwar hoch erfreute, gleichzeitig aber zu der Bitte nötigte, der Bürgerschaft die nötigen Kurz=Gewehre, Flinten, Degen usw., an denen es mangele, leihweise aus dem Zeughause zu überlassen. Der Rat seinerseits erbat und erhielt die Erlaubnis, eine Ehrenpforte

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auf dem Markt zu errichten; er plante auch eine allgemeine Illumination der Stadt, die aber abgelehnt wurde. 28 ) Der Kaufmannschaft wurde gestattet, "das neu=vermählte Fürstliche Ehe=Paar durch ein aus ihren Mitteln zu errichtendes Corps von 24 Mann zu Pferde, in rothen Röcken mit Paille=Unterkleidern und besetzten Hüten feyerlich einzuholen", nur sollte sie nicht, wie sie gedacht hatte, mit in den Schloßhof hinein, sondern, vor der Hufareneskorte, nur bis an die Schloßhauptwache mitreiten dürfen. -


28) Das darauf Bezug habende U. P. M. der Geheimen Räte vom 10. Mai, citissime nach Ludmigslust gesandt, ist interessant genug um mitgeteilt zu werden, "Gestern gegen Abend meldete sich bey den Unterzeichneten der Bürgermeister Brandt hieselbst und zeigete an, wie der hiesige Magistrat anfänglich darauf verfallen wäre, bey der bevorstehenden Ankunft des neuen Fürstlichen Ehepaars eine Illumination ansagen zu lassen; Nachdem er aber die große Anmuth in Betrachtung gezogen, in welcher der geringere Theil der hiesigen Einwohner bekanntlich lebete; So fände er eine allgemeine Ansage gewißermaaßen bedenklich und höchstens mehr nicht möglich, als daß man denen, die eine Illumination veranstalten wollten, solche freystellen und sodann von Stadt wegen ins besondere das Rath=Haus erleuchten mögte; Um jedoch höchster Genehmigung nicht zu verfehlen, wollte Magistratus dieserhalb zuvor unterthänigst angefraget haben und bäte wegen kürze der Zeit um schleunigste Resolution. Unterzeichnete haben ihm darauf geantwortet, daß sie von diesem Antrag heute unterthänigst zu berichten und dem Magistrat die Höchste Herzogliche Entschließung demnächst zu eröffnen nicht unterlaßen würden. Bisher hat man bey allen so wohl unter voriger als lediger Regierung vorgemesenen Feyerlichkeiten sich hieselbst auf eine Illumination niemals eingelaßen, eines Theils um der Besorgniß willen, daß nach Beschaffenheit der hiesigen Menge von schlechten allesamt in Holz gebaueten Häuser, wenn die Bewohner herausliefen um die übrige Stadt zu beseben, gar zu leicht ein recht großes Unglück daraus entstehen könnte und andern Theils, weil in Vergleichung mit den Städten Rostock, Wismar und Güstrow, welche sich wegen der großen massiven Giebel=Häuser beßer dazu schicken, aus einer Illumination in Schwerin, wo die wenigen guten Häuser mit so vielen schlechten, von einer Etage untermenget sind, etwas rechtes doch nicht heraus kommen könnte, und weil man daher jedesmal für beßer gehalten hat, damit gar nicht anzufangen, als etwas schlechtes zu machen, das sich für Sternberg oder eine andere kleine Land=Stadt beßer als für die Herzogliche Residenz=Stadt Schwerin schicken und die etwa anwesenden Freunden nur zu Critiques veranlaßen dürfte. Da zu diesen allgemeinen Ursachen, warum bey allen vorigen hiesigen Feyerlichkeiten von einer Illumination dieser Stadt wohlbedächtlich beständig ist abstrahiret worden (: außer daß man im Monat October v. J. während des damaligen hiesigen Jahrmarkts, einst die Häuser am Markte der hiesigen Alt=Stadt auf eine so erbärmliche Art vermeintlich erleuchtete, daß man sich für die anwesenden fremden Kaufleute schämen mußte :), jetzt noch folgende besondere Bedenklichkeiten hinzukommen: 1) daß der Magistrat selbst eine (  ...  )
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Die Reise der Neuvermählten von Gotha nach Schwerin ging über LangensaIza, Mühlhausen, Göttingen, Northeim, Seesen, Braunschweig, Gifhorn - dort zerbrach einer der Wagen, so daß eine Kammerjungfer, der Kammerdiener Wendt und der Sekretär Stöckhardt zurückbleiben mußten - und Ülzen nach Dömitz. An der Landesgrenze, in der Fähre bei Dömitz, wurde die Prinzessin durch einen Abgesandten des Herzogs, den Oberkammerjunker v. Klein, empfangen und bewillkommt, mit einer kleinen Husareneskorte unter dem Kommando des Rittmeisters Köpke nach Neustadt geleitet und dort bewirtet. In Neustadt wurde das Nachtquartier genommen. Am folgenden Tage, dem 10. Juni, einem Sonnabend, machte sich das junge fürstliche Paar auf den Weg nach Schwerin, "in etwas besseren als den Reiseequipagen von Neustadt abgeholt" und bis zum Ortkrug von derselben Mannschaft wie Tags zuvor, von da ab von einer ganzen Escadron Husaren escortiert. Gegen Abend wurde Schwerin erreicht, "da dann der Zug durch die Vorstadt, Schmiede=Thor über den Markt durch die an beiden Seiten der Gaßen paradirende Bürgerschafft nach dem Schloße gehet" - so heißt es im "Plan wie die Feyerlichkeiten des Einzugs bei der HeimFührung der Künftigen Gemalin des Durchl.


(  ...  ) allgemeine Ansage, wegen der vielen blutarmen Einwohner, die gleichwol nach hiesiger Art eigene kleine Häuser bewohnen und die Miethe guten Theils zusammen betteln, für bedenklich erkläret, 2) daß von denen Honoratioribus und Wohlhabenden, die allenfalls hin und wieder ein Haus illuminiren könnten, bis auf zwey oder drey nach, die schon etwas dazu vorräthig haben sollen, kein Mensch bisher davon ein Wort gewußt und also niemand die geringste Anstalt dazu gemacht hat, 3) daß jetzo die Zeit von etwa 14 Tagen allen Leuten, und selbst Ihro Herzogl. Durchl. in Ansehung der vielen und großen Herzoglichen Häuser und Gebäude, noch mehr aber den gesamten Herzoglichen Bedienten, die sich doch mit etwas unanständigem nicht gerne lächerlich machen mögten, zu einer anständigen Veranstaltung viel zu kurz fallen würde, nicht zu geschweigen 4) daß die jetzige Jahres=Zeit, wo die Tage so lang sind, eine Illumination nur sehr späte gestatten würde; So vermuthen Unterschriebene fast, Ihro Herzogl. Durchl. mögten Sich auf diesen verspäteten Antrag des hiesigen Magistrats vielleicht ohngefähr so zu erklären gnädigst geruhen, wie die öffentlichen Zeitungen im Monat October v. J. von dem Königl. Dänischen Hofe enthielten, welcher der Stadt Copenhagen bey Gelegenheit der damaligen Ankunft der Erb=Prinzeßinn königl. Hoheit, hatte anzeigen laßen: ’wie es Ihro Königl. Maystt. angenehmer seyn würde, das Geld was eine Illumination kostete, an die Armen vertheilet zu sehen.’ Indeßen verstellen Unterzeichnete hierunter alles zur Herzoglichen höchsterleuchtetsten Einsicht und bitten nur um baldmöglichste gnädigste Eröffnung der höchstgefälligen Herzoglichen Entschließung . . "
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Prinzen Friederich Frantz eingerichtet werden sollen" und höchstwahrscheinlich auch wirklich eingerichtet worden sind. Bei der Ankunft sollte die Prinzessin unten an der Schloßtreppe von den Marschällen mit den Stäben, auch einigen Kavalieren und den Damen - ob die Damen bei dieser Gelegenheit en robes rondes oder en rohes de cour erscheinen sollten, war Gegenstand langer und ernsthafter Erwägungen gewesen, die mit dem Siege der robes rondes geendet hatten - empfangen und dann durch ihren Gemahl bis oben auf die Treppe geführt, dort vom Herzog und den übrigen fürstlichen Personen begrüßt und in die Zimmer der Herzogin geführt werden. "Nach einer Unterredung von höchstens einer kleinen Stunde und nachdem der NeuVermählten Prinzeßin Durchl. die Cavaliers durch den Herrn CammerJuncker von Rantzow, die Dames aber durch die Frau von Bucnwaldt vorgestellet worden, wird zur Tafel gegangen, und diese wie sonsten gewöhnlich in der Durchl. Herzogin Vorzimmer gehalten. . . Das Durchl. Ehepaar nimmt die ersteren Stellen bey der Tafel ein. Und werden nachher nach Ihren Zimmern gebracht." Diese Zimmer für den Prinzen und seine Gemahlin ausfindig zu machen und einzurichten, war nicht ganz leicht gewesen. Verschiedene dort wohnende Personen hatten ausquartiert und anderweitig untergebracht werden müssen. Auch die Prinzessin Ulrike war gebeten worden, ihre Zimmer zu räumen und andere zu beziehen, hatte sich aber geweigert es zu tun.

"Am Sonntage versammelen sich sämtliche Cavaliers in dem Vorzimmer der Durchl. Herzogin gegen die Zeit des Gottes=Dienstes, wohin auch das junge Durchl. Ehepaar durch einen großen Theil des Hofes geholet wird, gehen von da unter Vortretung der Marschälle nach der Schloßkirche. Serenissimus führen die NeuVermählte Prinzeßin, der Durchl. Prinz Friederich Frantz die Durchl. Herzogin, der Durchl. Prinz Ludewig Ihre Frau Gemahlin und die beiden Prinzeßinnen [Ulrike und Amalie] werden von Ihren Cavaliers geführet. Nach gehaltener Danck=Predigt" des Hofpredigers und Konsistorialrats Martini "wird das Te Deum laudamus durch die Herzogl. Capelle angestimt und dabey die Canonen dreymal um das Schloß gelöset."

"Nach der Predigt warten die Durchl. Herrschafften in den Zimmern der Durchl. Herzogin bis die Galla=Tafel in dem weissen Saal Serviret worden, dahin begeben Sie sich dann unter Vortretung der Marschälle mit den Stäben, das Durchl.

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junge Ehepaar wird durch Cammer=Herrn so wie auch Serenissimus und Serenissima Serviret, der Durchl. Prinz Ludwig wird durch einen Herzogl. CammerJuncker, die andern Herrschafften durch Ihre eigene Cavaliers bedienet. . . . An der Tafel wird ein Cammer=Juncker stehend vorlegen und der HofJuncker von Lowzow die Speisen herum tragen. Übrigens aber es in allen so gehalten werden, wie bey dergleichen Galla=Tafeln gebräuchlich ist."

"Nach der Tafel wird in den so genanten Franzoischen Zimmern der Coffe getruncken und die Durchl. Herrschafften retiriren sich."

"Gegen halb 6 Uhr finden sämtliche Stadt=Dames sich in den Zimmern der DurchL Herzogin en Robes de Cour ein, und machen von da nach einigem Verweilen der Durchl. Prinzeßin in den Franzoischen Zimmern die Aufwartung."

"Nachher wird in dem weissen Saal ein Concert aufgeführt und Abends in dem Vorzimmer der Durchl. Herzogin an einer figurirten Tafel in bunter Reihe gespeiset."

"Nach aufgehobener Tafel werden die junge Herrschaft nach Ihren Zimmern begleitet und dann wird alles Ceremoniel geendiget sein."

Vielleicht hat einen Bestandteil des erwähnten Konzerts die Kantate gebildet, die, von einem Ungenannten gedichtet und von dem herzoglichen Kapellmeister Westenholz in Musik gesetzt, "bey der hohen Ankunft des zu Gotha vermählten Hohen Brautpaars zu Schwerin ausgeführt worden". Den Einzugstag feierten außerdem mit Gedichten 24 namentlich "benannte Kaufleute der Herzogl. Residenzstadt Schwerin", "die Schützenzunft der Neustadt Schwerin" und endlich "die älteste und grosse Schwerinsche Schützenzunft", deren poetische Gabe mit den erhabenen Versen schloß:

Und seht! sie öffnen sich - der fernen Zukunft Thore
Mit Aussicht, die kein Barde singen mag; -
So reizend strahlt der Glanz der glühenden Aurore
Verkündigend den schönsten Tag.
Wir sehen sie entzückt, - und überströmt von Gnade
Faß’t dieses Lied hier unser Herz nicht mehr -
Prinz! - dies Gefühl fing’ Dir im Ton der Iliade,
In höherem Ton einst ein Homer! -


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II.

Die Schweriner Goldschmiede

bis zum Jahre 1830.



von

Geh. Archivrat Dr. H. Grotefend = Schwerin



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Ü ber die Goldschmiede Schwerins im Mittelalter, wenn es solche überhaupt gegeben hat, ist nichts bekannt. Auch ein Erzeugnis der Goldschmiedekunst, das sich mit Sicherheit als Schweriner Arbeit ansprechen ließe, ist aus älterer Zeit nicht erhalten.

Eines der ältesten schriftlichen Zeugnisse über einen Schweriner Goldschmied ist ein undatiertes Schreiben an Herzog Heinrich V. (1503-1552), das im Schweriner Hauptarchiv unter den Akten über die Goldschmiede zu Schwerin aufbewahrt wird. Unterzeichnet ist es "Cristoff Sch., Goldschmid". Der Schreiber nennt den Herzog "Gnediger her gefater", steht aIso in sehr vertrautem Verhältnis zu ihm. Dem entspricht auch der Inhalt des Schreibens, eine Fürbitte für "Kersten Goldschmid", der vom Herzog verhört zu werden wünscht, da "er maynt, im geschech eyn wenig zu kurcz vor dem rat zu Schwerin seyns weybs halben".

Wie der Schreiber hieß, lehrt uns ein zweites Schreiben. Darin lädt "Christoffer Schneider, Goltschmidt zu Swerin", am 6. Januar 1535 Herzog Heinrich nebst seinen Söhnen (Magnus und Philipp) zu der auf den 24. Januar festgesetzten Hochzeit seiner Tochter Anna mit Wulff Müller ein. Herzog Albrecht VII. habe ihm und seiner Tochter zugesagt, mit seiner Gemahlin (Anna v. Brandenburg) an der Hochzeit teilzunehmen. Zugleich bittet er, da er vor drei Jahren [wohl im Juli 1531 beim großen Stadtbrande] gänzlich abgebrannt sei, um eine Beisteuer an Naturalien.

Ein weiterer Brief Christoph Schneiders und seiner Gattin Yeske sowie der Tochter mit ihrem Manne vom 20. November 1535 meldet Herzog Heinrich die Ankunft einer kleinen Tochter bei Müllers und lädt den Herzog sowie Herzog Philipp zur Taufe ein. Der Brief läßt sowohl auf ein längeres Vertrautsein des Schreibers mit dem Herzoge schließen, wie auch eine große Lust zum Spaßmachen bei dem Schreiber voraussetzen.

Das Schreiben ist seiner Eigenart wegen es wert, als Anlage veröffentlicht zu werden.

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Aus einer Quittung, am 1. September 1539 zu Zarrentin ausgestellt, lernen wir nun, daß es zwei Goldschmiede Christoffer Schneider gegeben hat, Vater und Sohn, die beide viele Jahre hindurch für Herzog Heinrich und seine Kinder gearbeitet haben. 1 ) "Chrystoffer Schneyder, golthsmeyth und burger zu Sweryn", quittiert hier für seinen seligen Vater und sich selbst über alle seine Forderungen und die seines seligen Vaters gegen den Herzog und seine Kinder bis auf den heutigen Tag. Diese Quittung von 1539 zeigt ebenso wie die Schreiben von 1535 ein Siegel mit einer Hausmarke und C. S. darüber, mit dem einzigen Unterschied, daß das ältere Siegel die Hausmarke in einem Schilde zeigt. Der undatierte Brief - nach der Schrift entschieden älter - hat leider sein Siegel verloren.

Augenscheinlich sind die drei älteren Stücke dem Vater, die Quittung allein dem Sohne zuzuschreiben. Dieser kommt, sowie auch seine Mutter als Witwe, noch 1542 in den Rechnungsbüchern Herzog Heinrichs vor, er selber auch später noch, bis 1550. Wie lange noch nachher, das läßt sich wegen der Lückenhaftigkeit der Rentereiregister der Zeit nicht sagen. Mit der genannten oberen Grenze von 1550 läßt sich eine undatierte Notiz des Kanzlers Caspar von Schöneich aber völlig vereinbaren, die jedenfalls vor Oktober 1547 geschrieben sein muß, zu welcher Zeit Schöneich verstarb. Hiernach hatte Christoffer Goldschmied den Herzog gebeten, ihm auf sein Haus 100 Gulden zu leihen. Schöneich machte nun geltend, daß er dem seligen Vater des Christoffer 100 Gulden zur Erbauung des Hauses geliehen habe und dem Sohne gleichfalls 20 Gulden, und daß er damit die ersten Anrechte auf Bezahlung beim Verkaufe - nach unserem Sprachgebrauch also - die erste Hypothek erworben habe. Vater wie Sohn wußten also gleich gut ihre Beziehungen zum Herzoge auch auf dessen nähere Umgebung zu ihrem Vorteil auszudehnen.

Diese fünf Dokumente stehen aber als eigene schriftliche Zeugnisse über Goldschmiede zu Schwerin in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts einzig da. Einzelne Erwähnungen geleisteter Zahlungen an Schweriner Goldschmiede finden sich zwar in den fürstlichen Rechnungsbüchern der Zeit, sie geben aber nur nackte Zahlen und Namen her, ohne weiteres über die Personen zu verraten. Ja, wir können in einzelnen Fällen


1) So enthält die Rechnung Herzog Heinrichs für 1527 allein für 33 Gulden 18 Schill. Zahlungen an Kristoffel Schneider, Goldschmied.
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nicht einmal mit Sicherheit behaupten, daß die empfangenden Personen in Schwerin wohnhaft waren. Außer Christoph Goldschmied, der sich bis etwa 1550 findet, und der jedenfalls mit dem jüngeren Christoph Schneider identisch, ist ein Herman Rike mit Sicherheit für Schwerin in Anspruch zu nehmen. Er erscheint schon 1542 und noch 1557. Im Jahre 1547 hat sich ein Baltzer Goldschmied in Schwerin nieder= gelassen, dem zur "Anhebung des Handwerks" eine Beihülfe geleistet wird und der dann einige Jahre mit fester Besoldung aufgeführt wird. Ob ein 1542 erscheinender Marx Goldschmied in Schwerin wohnt, ist ungewiß, noch zweifelhafter ist es bei einem öfter erscheinenden Jürgen, bei dem man eher annehmen sollte, daß er mit Jürgen Staub (auch Stöver), Goldschmied in Güstrow, identisch wäre. Das eine geht aber aus den Rechnungsbüchern hervor: die Schweriner, und auch Jürgen, bekamen bloß die geringeren Arbeiten übertragen, alles Bedeutendere mußte Matz Unger in Güstrow anfertigen, dem Crull im Jahrbuch 63 einen eigenen Artikel gewidmet hat. Und dieser Zustand dauert noch tief in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein.

In diese zweite Hälfte des Jahrhunderts fällt nun ein für die Schweriner Goldschmiedezunft wichtiges Ereignis, der Erlaß einer Goldschmiederolle für Schwerin am 3. Oktober 1573. Am 19. September 1573 bitten "Alle Goldschmiede zu Schwerin" beide Herzöge, Johann Albrecht und Ulrich, um Erlaß einer Rolle, wodurch ihr Handwerk geschlossen würde, und nach der nicht mehr als fünf Meister zugelassen werden sollten. Sie sagen u. a., sie möchten ,,Amts=Ordnung und Gewonheit auch desselben Gerechtigkeit, wie jetzo in e. f. g. Stadt Güstrow und anderswo gebräuchlich", unter sich aufrichten, und das durchkorrigierte Konzept der Schweriner Rolle im Hauptarchive trägt auch die Notiz: "Diese Innung hat M. Tilemannus [Stella] zu Güstrow bei s. s. G. bittlich erhalten und ist Hermanni Handschrift, aus der Güstrowischen Handwerksinnung abcopirt." Dieses Konzept zeigt das Datum vom 18. Juli 1573, das durch strichen und durch den 3. Oktober ersetzt ist. Wir dürfen also daraus schließen, daß für Güstrow am 18. Juli des Jahres eine ähnliche Amtsrolle erlassen war, worauf die Schweriner Meister in ihrer Eingabe vom 15. September hinzielten. Crull ist sie bei seinem Aufsatze über die Güstrower Goldschmiede (Jahrb. 63) nicht bekannt gewesen. Während die Güstrower Fassung (d. h. die hier vorliegende durchkorrigierte Abschrift)

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vier Meister als Höchstzahl festsetzte, wurde diese Zahl in der Schweriner Rolle, dem dortigen augenblicklichen Zustande gemäß, in fünf verbessert.

Als diese fünf Meister im Jahre 1573 nennt eine der Abschriften im Hauptarchiv:

Jacob Menckin, Nikolaus Constin,
Henrich Fagt, Henrich EIers.
Andreas Smidt,  

Statt des letzteren nennt eine andere Abschrift Thomas Kröger, ein Zwiespalt, den aufzuklären uns unmöglich ist.

Bestätigt wurde diese Rolle, deren erwähntes durchkorrigiertes Konzept auf beide Herzöge, Johann Albrecht und Ulrich, zugeschnitten war, anscheinend nur von Herzog Johann Albrecht, dessen Namen allein, und den Ausstellungsort Schwerin die sämtlichen (4) Abschriften der Rolle im Archiv aufweisen.

Am 12. Februar 1576 war Herzog Johann Albrecht gestorben und Herzog Ulrich, sein Bruder, hatte namens der unmündigen Söhne die Regentschaft über den Schweriner Landesteil angetreten. Da war es nicht verwunderlich, daß Herzog Ulrich bereits am 17. September 1576 - entgegen dem Privileg seines Bruders von 1573 - einen fürstlichen Freigold= Schmied in Schwerin ansetzt, Caspar Wahlbömen, und am 24. September 1576 an das Handwerk die Forderung stellt, daß der Schweriner Bürger Jochim Reimer, eines Schweriner Bürgers Sohn (eine durchstrichene Stelle des Konzeptes sagt sogar "eines Schwerinschen und Eures, des Goldschmiede=Handwerks gewesenen Meisters Sohn") als Meister in die Zunft aufgenommen werden sollte. Mit welchem Erfolge, ist nicht bekannt. Reimer war wohl verwandt mit dem Münchener Hofgoldschmied Hans Reimer, der auch aus Schwerin stammte und von 1555 bis 1597 in München wirkte.

Am 12. September 1585 trat Herzog Johann selber die Regierung an, und bereits am 12. Juni 1586 beschweren sich die "Amtsbrüder des geschlossenen Goldschmiedehandwerkes zu Schwerin" über den Abbruch ihres Privilegiums durch Einschleichung von Winkelgoldschmieden und Einsetzung eines Freigoldschmiedes. Herzog Johann befiehlt dem Rate von Schwerin auf die Winkelgoldschmiede "Inquisition" anzustellen. Über den Freigoldschmied schweigt sich der Herzog aus. Ja, ums Jahr 1591 (im Jahre 1604 war es vor ungefähr 13 Jahren) ernannte Herzog Johann selber einen Freigoldschmied, Severin Chri=

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stian genannt, der aber 1600 sich nach Schönberg wandte, wo er noch 1604 tätig war. Damals, unter dem Datum des 18. Februar 1604, setzte Herzog Carl als Vormund seines Großneffen Adolf Friedrich einen von der Herzoginwitwe Sophie empfohlenen Christian Emerich aus Dresden zum Freigoldschmied in Schwerin ein, was Herzog Adolf Friedrich nach seinem Regierungsantritt unter dem 3. März 1613 auch bestätigte. In dieser Bestätigung erscheint zuerst die Bestimmung, daß der Goldschmied zur "Ausschlagung des Stadtwappens, seines Budenzeichens und der Jahreszahl auf seine Arbeit" verpflichtet sein solle. Die letztere Bestimmung ist aber niemals befolgt, trotzdem sie sich auch in späterer Zeit noch findet. 1614 kommt Christian Emerich noch vor. Nachher nicht mehr.

In den Jahren 1604 und 1605 erscheinen in einem Glockenregister des Doms zwei Goldschmiede, die Kinder beerdigen lassen, ein Abraham und ein Markus Eeckholt. Am 21. Dezember 1619 ernannte Herzog Adolf Friedrich Luther Knuzen zu seinem Hofgoldschmied mit der gleichen Bestimmung bezüglich der Zeichnung der Arbeiten.

Aus der unmittelbaren Folgezeit ist nur wenig bekannt. Im Jahre 1623 beschwert sich der zur Zunft gehörige Goldschmied Abraham Schulze darüber, daß das Goldschmiedeamt seinem Sohne - dem späteren Hofgoldschmied Andreas Schulze - den Lehrbrief verweigerte, so daß sein Sohn an seiner Wanderschaft gehindert werde. Der Herzog erläßt das gewünschte Schreiben an die Zunft, der Erfolg ist nicht aktenmäßig. Später, seit 1632, erscheint Andreas Schulze, als fürstlicher Silberknecht, und heiratet am 6. April 1635 als solcher eine Margarete Rönkendorf.

Der Krieg, der auch die Herzöge zeitweilig ihres Landes beraubte, hat wohl auf die Goldschmiedekunst mit am lähmendsten gewirrt, da sie ja vornehmlich nur in Zeiten wirtschaftlichen Wohlstandes gedeihen kann. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß 1633, als die Fürsten wieder in das Land kamen, die Schweriner Goldschmiede sich nach einer größeren Abschließung ihrer Zunft sehnten. Der Herzog bestätigt unter dem 23. November 1633 ihre frühere Rolle ihrem Wunsche gemäß mit der Maßgabe, daß fortan nur drei Goldschmiede zu Schwerin sein sollten, wobei er sich allerdings vorbehielt, einen Freigoldschmied einzusetzen.

Dieser scheint in dem Hofgoldarbeiter Jacob Gouda - anscheinend einem Holländer - gefunden werden zu müssen,

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der 1637 in einer Klagesache gegen Pfuscher erscheint, mit ihm zugleich der Goldschmiedeältermann Jochim Kellermann. 2 ) Sowohl der Geselle Goudas, Christian Rönkendorf, der die längere Abwesenheit Goudas zu eigener Geschäftstätigkeit mißbraucht hat, ist der Angefochtene, als auch Andreas Schulze, der Silberknecht, der der Begünstigung von Pfuschern bezichtigt wird, darunter auch sein Bruder und Schwager, eben der Rönkendorf, befindlich seien. Der Bruder des Andreas Schulze ist wohl Jochim Schulze, der in den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts abwechselnd mit Andreas im Domkirchenbuch mit Kindern vertreten ist, aber als Goldschmied weiter nicht bezeugt ist.

Die Ankläger müssen aber nicht obgesiegt haben. Herzog Adolf Friedrich ernennt vielmehr am 7. Juni 1638 seinen Silberknecht Andreas Schulze zum Hofgoldschmied. 1644 am 2. August wird Johann Osnabrügk zum Hofgoldschmied ernannt und hatte diese für ihn mit 48 Rlr. jährlich dotierte Stelle bis mindestens Ostern 1657 inne. Er blieb aber noch länger in Schwerin wohnen. Noch im Jahre 1661 erscheint Johann Osenbrügge im Domkirchenbuch als Taufzeuge, ja, er heiratete im Jahre 1660 noch einmal, ohne daß Nachkommen aus dieser Ehe verzeichnet sind. Osenbrügge stammte aus Prag, wo sein Vater Andreas O. weil. Röm. Kais. Majestät Kammergoldschmied gewesen war. Zu Trinitatis 1657 tritt Peter von Lohe, bis dahin Bürger und Goldschmied zu Hamburg, in die Stelle eines Hofgoldschmieds ein, der außer freier Station für sich und seine Frau jährlich 130 Rtlr. Gehalt bezog. Es war die erste derartige Ernennung durch den neuen Herzog Christian, mit dessen Thronbesteigung eine neue, bessere Ära für die Goldschmiedekunst heraufgestiegen zu sein schien.

Zwar war die Stadt Schwerin 1651 fast ganz durch Brand zerstört, die Einwohner größtenteils verarmt und selbst die Privilegien der Goldschmiede vom Feuer verzehrt und dadurch in Frage gestellt. Die Bestimmung aber, daß nur drei Amtsgoldschmiede bestehen sollten, hatte sich wach erhalten.

Über Peter von Lohe enthält das Domkirchenbuch verschiedene Angaben, u. a. daß er 1678 zur zweiten Ehe schritt, während fünf Jahre später seine Tochter sich vermählt. 1686 ist das letzte Vorkommen des Peter von Lohe.


2) Kellermanns Frau stirbt 1654. 1656 heiratet er zum zweiten Male. Seine Hausfrau erscheint noch am 13. November 1661 als Taufzeugin, also lebte auch er damals noch.
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1673 am 3. Februar erwirbt Jürgen Schmidt aus Lübeck nach Ausweis des Schweriner Bürgerbuchs das Bürgerrecht im Alter von 24 Jahren. Über seine Zugehörigkeit zum Amte wissen wir aber nichts.

Im Juli 1673 bewerben sich die beiden Amtsmeister Peter von Lohe und Andreas Schulze um die Neuverleihung einer Amtsrolle, die auch am 4. September 1674 erteilt wird. 3 ) Wiederum wird auf Bitte der beiden Meister festgesetzt, daß nicht mehr als drei Meister zugleich in der Zunft sein sollen. Ob aber dieser Andreas Schulze, der noch 1679 eine Tochter taufen läßt, bei der Peter von Lohe als Taufzeuge fungiert, derselbe ist, der bereits 1632 genannt wird, ist zum mindesten zweifelhaft. Er wird in der Eingabe hinter Peter von Lohe genannt, der als Hofgoldschmied 19 Jahre später ernannt wurde, als jener. Vielleicht handelt es sich um Vater und Sohn. Der Sohn Andreas Schulze ist dann wohl derjenige, von dem die A. S. gezeichnete Retgendorfer Oblatenschachtel (Schlie, Denkmäler II, 652) herrührt, die damit das älteste nachweisbare Stück 4 ) eines Schweriner Goldschmieds wäre.

Ob Jürgen Schmidt, der am 3. Februar 1673 Bürger gewordene, der dritte Meister im Sinne der Zunftrolle von 1674 war, läßt sich, wie gesagt, nicht entscheiden. Jedenfalls war es nicht der am 25. August 1673 das Bürgerrecht erwerbende, 26 Jahre alte Gabriel Martens aus Reval, 5 ) der am 26. August 1673 eine Schweriner Bürgerstochter Katherine Wehrtmans heiratete. 1675 hatten die Altermänner Peter von Lohe und Andreas Schulze Martens vor dem Niedergerichte verklagt und waren mit ihm übereingekommen, daß Sie ihn gegen Zahlung von 12 Rtlr. zu Weihnachten 1675 in das Amt aufnehmen wollten. Allein Martens zahlte trotz seiner Zusage nicht, und das Amt wendet sich im August 1676 an die Justizkanzlei, deren Bestrebungen vorläufig aber auch umsonst gewesen zu sein scheinen, da im Jahre 1677 abermals eine Klage des Amts bei der Kanzlei einläuft. Es wird nun dem Gabriel Martens eine einmonatliche Frist zur Befriedigung des klagenden Amts gesetzt, doch scheint sich die Sache noch lange hingezogen zu haben, denn im ältesten Goldschmiedebuche steht eine Notiz:


3) Abschriften im Archiv und Original im Besitz der Goldschmiede.
4) über das von Schlie (II, 309) dem noch älteren Jacob Menkin zugewiesene Stück siehe später bei Joachim Martens.
5) So nach seiner Angabe vor dem Niedergerichte. Das Bürgerbuch nennt Riga als Herkunftsort.
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"Anno 1687 den 20 May hat sich Gabriel Martens mit dem Amte vertragen, sein Meisterstück aufgewiesen, welches tüchtig erkannt ist."

Schon vorher hatten trotz ihrer Behauptung, daß die von Martens ausgebildeten Lehrjungen - und er sollte damals deren zwei haben - keine ehrlichen Gesellen werden könnten, die Amtsmeister eine Ausnahme gestattet. Das Amtsbuch hat vom 29. Sept. 1676 die Einschreibung des Lehrjungen von Martens Jochim Friedrich Kachel, und ebenso seine Ausschreibung im Jahre 1681 mit der Bemerkung "und hat darauf seinen Lehrbrief bekommen". Sie sahen ihn also trotz der gegenteiligen Behauptung in ihrer Eingabe für ehrlich an.

Dieses älteste Amtsbuch - gegenwärtig in Verwahrung des Herrn Hofjuwelier Rose - ist eine Folge des Wiedererwachens der Zunftsache im Jahre 1673. Aus diesem Jahre stammt seine älteste Eintragung, die den Eintritt des (zweiten) Jochim Schulze in die Lehre bei Peter von Lohe bezeugt. 1678 wird er Gesell und am 18. Juni 1686 hat er sein Meisterstück gemacht. Schon vorher, am 18. Nov. 1684, hatte er sich mit seines Lehrmeisters Peter von Lohe Tochter vermählt, nachdem er 8 Tage zuvor das Bürgerrecht erworben hatte. Daß er aus Schwerin stammt, wird dabei angegeben, und wir dürfen vermuten, daß er der schon erwähnten Goldschmiedefamilie entstammte, um so mehr, als er nur das Mindestmaß von Lehrjahren, fünf, durchmachen mußte. Doch erscheinen im Domkirchenbuche in der fraglichen Zeit drei Kinder namens Jochim Schulze, so daß seine Abkunft nicht mit Sicherheit zu behaupten ist, zumal da die Altersangabe im Bürgerbuche, 28 Jahre, mit keiner dieser Kindertaufen übereinkommt.

Wir besitzen heute Kenntnis von fünf Schweriner Goldschmiedearbeiten, die mit I. S. gezeichnet Sind. Bei den beiden älteren von 1690 (Oblatendose in Warsow. Schlie III, 17) und 1691 (Kelch in Pampow. Schlie II, 677) sind die Buchstaben ineinandergeschlungen Inschrift , bei den drei späteren sind sie in Cursive nebeneinander gestellt Inschrift (Schlie III, 421, Kelch in Sülten, und 424, Oblatendose in Holzendorf, beide von 1696; III, 444, Kelch in Warin, von 1700). Sie werden wohl alle fünf diesem jüngeren Jochim Schulze zuzuschreiben sein. Auch der Kelch von Kirchstück, der 1714 an die Kirche gegeben wird, ist trotz der für Jochim Schulze etwas späten Jahreszahl und trotz Schlies Lesung (III, 635) Inschrift dem Jochim Schulze beizulegen. Ein Meister, dem die Initialen G S zukämen, ist unter den Schweriner Goldschmieden

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nicht bekannt. Jochim Schultze war allerdings schon am 10. Aug. 1713 tot, seine Witwe lebte aber 1714 noch.

Ein jüngerer Schulze, Benjamin, ein Sohn des Andreas, nach dem Domkirchenbuche am 13. Nov. 1661 getauft, wurde im Jahre 1687 vom Schweriner Amte als Meister aufgenommen, aber "weil er sich in Parchim setzen will, so ist er mit dem Meisterstücke verschonet worden". Über seine Lehrzeit sagt das Amtsbuch, dem wir diese Nachricht verdanken, nichts.

Gabriel Martens, der nach einer Notiz im Amtsbuch 1703 gestorben sein muß, hat uns noch verschiedene Werke seiner Hand hinterlassen, Patene und Kelch in Görslow, undatiert (Schlie II, 661), einen Kelch in Gammelin von 1676 (Schlie III, 12), eine Patene in Picher von 1682 (Schlie III, 31), eine Oblatenschachtel zu Goldebee von 1689 (Schlie II, 254), eine gleiche zu Dreilützow von 1697 (Schlie III, 81) und eine erst nach seinem Tode im Jahre 1708 gestiftete Oblatenschachtel in Heiligenhagen (Schlie III, 546), die von seinem später zu erwähnenden Sohne gekauft sein wird.

Der nächstälteste Meister ist Friedrich Gundlach, eines Glasmachers Sohn von der Krembzer Glashütte, der von 1685 bis 1690 bei Gabriel Martens gelernt hatte und am 6. Nov. 1701 das Meisterrecht erwarb. Bereits 1696 am 21. Febr. war der damals 26 Jahre alte Schweriner Bürger geworden.

Über die ihm etwa zuzuschreibenden Stücke soll später gesprochen werden.

Am gleichen Tage, wie Gundlach, am 6. Nov. 1701, nahm das Amt auch Martin Berend Hersen als Amtsmeister auf, der nicht hier gelernt hatte. Im Bürgerbuche, wo er erst 1704 am 12. Februar verzeichnet wird, ist er als 40jährig eingetragen, aus Sachsen=Lauenburg herstammend. Er ist unseres Wissens der Stammvater der noch jetzt in Mecklenburg bestehenden Familie seines Namens.

Hinter Hersen ist eine große Pause in der Meistergewinnung. Erst 1713, am l. Okt., gewinnt Jochim Martens, mit vollem Namen Matthias Joachim Martens, ein Sohn des Gabriel, getauft am 15. Dez. 1675, das Meisterrecht. Er hatte bei seinem Vater von 1691 bis 1695 gelernt, und bald nachdem er Geselle geworden war, am 4. Juni 1696 Elisabeth Dorothea Krüger geheiratet. Es steht zu vermuten, daß er in seines Vaters Geschäft tätig war, und wohl auch es für seine Mutter verwaltete, denn anders können wir es uns nicht deuten, daß schon aus dem Jahre 1708 zu Roggendorf eine Patene mit

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seinen Anfangsbuchstaben IM erhalten ist (Schlie II, 519). Diesem Stück schließen sich als weitere an zwei Leuchter in Dobbertin von 1714 (Schlie IV, 368) und ein Kelch in Diedrichshagen von 1721 (Schlie II, 415). Auch die mit IM gezeichnete Patene in Gressow (Schlie II, 309), die Schlie dem um 1573 wirkenden Jakob Menkin zuschreiben will, müssen wir für Jochim Martens in Anspruch nehmen, denn ihr Stifter Engelke von Plessen auf Barnekow besaß dieses von 1693 an bis zu seinem Tode 1729.

Gleichaltrig mit Jochim Martens war Johann Friedrich Seywaldt, den Herzog Friedrich Wilhelm am 4. Mai 1695 zu seinem Hofgoldschmied ernannte, und dem er eine jährliche Zahlung von 25 Gulden bewilligte, also nach damaliger Rechnung, bei der der Gulden 24 Schilling ausmachte, 12 1/2 Rtlr. Mehr noch galt aber die dem Titeltragenden mit diesem Titel verliehene "Exemtion von allen bürgerlichen oneribus". Dieses Verhältnis änderte sich im Jahre 1704 wesentlich zu Seywaldt’s Gunsten, da ihm von da ab jährlich 400 Rtlr., ein Fuder Kohlen (Holzkohlen zum Schmelzofen) und ein Baum zur Feuerung bewilligt wurden. Diese neue Bestallung sollte 4 Jahre dauern.

Auch die Herzogin=Mutter, die Witwe Herzog Friedrichs zu Grabow, wollte einen eigenen Goldschmied einsetzen, und zwar war ihre Wahl auf den Goldarbeiter Nikolaus Grantzow gefallen. Doch war es diesem nur möglich, im Herbst 1702 bis zum Ende des Jahres die Erlaubnis zur Ausübung seines Handwerks in Schwerin vom Herzog zu erlangen.

Seywaldt hatte mehr Glück als Grantzow. 1708 wurde zwar sein Kontrakt von 1704, wie es scheint, nicht erneuert, aber er wurde nach wie vor als Hofjuwelier beschäftigt und kommt als solcher auch 1715 darum ein, daß ihm alle Arbeiten der hiesigen Goldschmiede zum Wardieren vorgelegt werden sollten. Ein Beschluß darauf hat sich nicht in den Akten finden lassen. Ein Wardierungszeichen hat sich aber bislang auf Schweriner Arbeiten aus dieser Zeit nicht gefunden.

Von Werken Seywaldt’s hat sich anscheinend nur eines, ein Kelch zu Gr.=Salitz (Schlie II, 512) mit dem Zeichen IFS erhalten, dessen Anfertigungsjahr nicht feststeht, denn Seywaldt sowohl, wie auch alle anderen Goldschmiede befolgten, wie schon gesagt, niemals die ihnen auferlegte Verpflichtung, die Jahreszahl der Anfertigung auf ihre Arbeiten zu setzen.

Im Jahre 1715 am 29. Januar hatte der damals 30 Jahre alte Johann Putzke (auch Putzky genannt) aus Königsberg

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in Preußen das Schweriner Bürgerrecht gewonnen, am 28. Oktober 1717 wurde ihm das Meisterrecht verliehen. Doch konnte er auf keinen grünen Zweig gelangen. Im Jahre 1718 kam er daher darum ein, in Rostock, wo sich damals Karl Leopolds Hof aufhielt, als Hofgoldschmied eingesetzt zu werden, eine Bitte, die keinen Erfolg gehabt haben wird, denn Putzke unterschreibt noch 1720 und 1724 die Festsetzungen des Silberpreises im Schweriner Amtsbuche. Von Putzky hat sich nur ein Stück, ein Kelch in Werle (Schlie III, 209) erhalten (Stempel I. P ).

Der 1694 bei Jochim Schultze in die Lehre getretene Hans Erdmann Schwieger, ein Schweriner, scheint es nie zum Amtsmeister gebracht zu haben. Nach achtjähriger Lehrzeit wurde er am 17. April 1702 losgesprochen, und am 5. Nov. 1709 erwarb er, damals 29jährig, das Schweriner Bürgerrecht. Als Meister ist er aber nicht in das Amtsbuch eingetragen, er verblieb wohl im Geschäfte seines Lehrmeisters.

Johann Ludwig Konow (in Akten seltener auch Conow geschrieben), aus Hamburg gebürtig, war am 21. Mai 1717, 34 Jahre alt, in Schwerin als Bürger aufgenommen worden, und hatte am 10. Juni 1717 eine Witwe, Frau Anna Heine, geheiratet. Am gleichen Tage mit Johann Putzke, am 28. Oktober 1717, wurde ihm vom Amte das Meisterrecht verliehen. Am 7. August 1718 wurde ihm ein Sohn August Ludwig geboren, doch konnte dieser sich nicht lange seines Vaters erfreuen, denn schon am 9. Oktober 1722 schritt die Witwe Konow zur dritten Ehe mit dem Goldschmied Friedrich Gronow. Es kann uns daher kaum wundern, daß von Joh. Ludw. Konow, dessen Stempel ILK war, nur ein Stück, eine Oblatenschachtel in Mölln, nachzuweisen ist (Schlie V, 276).

Friedrich Gronow, der Konow’s Witwe geheiratet hatte, stammte aus Gnoien; er wurde erst kurz vor seiner Eheschließung, am 14. Sept. 1722, im Alter von 29 Jahren, Bürger und gewann das Meisterrecht am 17. Januar 1723. Er starb erst 1750, und wurde am 31. August beerdigt. Von ihm sind uns zahlreiche Arbeiten hinterlassen.

Wir haben oben gesagt, daß auch von Friedrich Gundlach, einem gleichfalls mit den Anfangsbuchstaben FG behafteten Meister, uns mehrere Arbeiten hinterblieben sind. Wir möchten nämlich die von Schlie angegebenen Werke mit diesen Anfangsbuchstaben zwischen den beiden Meistern derart teilen, daß wir

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Gundlach als dem älteren die Werke nur mit den Buchstaben F G in einer einfachen länglichen Umrahmung (zum Teil mit abgesetzten Ecken 6 ) oder in einem Kreise zuweisen, während wir als charakteristisch für den jüngeren, Gronow, den Zusatz eines Beizeichens zu den beiden Buchstaben und eine künstlichere Umrahmung ansehen möchten. Diese Beizeichen werden von Schlie verschieden angegeben: als Herz, Kleeblatt, Stern, v=ähnliche Blume, Kreuz, Dreiblatt, ebenso wird auch die Umrahmung von Schlie verschieden wiedergegeben. Die Zuverlässigkeit der Wiedergabe ist aber nicht sehr groß, da es Schlie nicht auf zeichnerische Genauigkeit dabei ankam. Werke der ersten Art, mit F G ohne Beizeichen, also Friedrich Gundlach zugehörig, sind Kelch, Patene und Oblatenschachtel in Zickhusen ohne Jahr, mit Stralendorfscher Helmzier geschmückt (Schlie II, 641); Patene in Döbbersen ohne Jahr (III, 72); Kelch und Patene zu Neustadt von 1723 (III, 285); Kelch und Patene zu Gammelin von 1728 (III, 12); und - mit einer Kreisumrahmung der Buchstaben - eine Oblatenschachtel in Conow mit der Inschrift: Gertrut Seehase, sel. Fabers Witwe. (Schlie III, 170.) Die Lebenszeit dieser Frau wird sich aus dem Conower Kirchenbuch unschwer feststellen lassen.

Friedrich Gronow dagegen gehören zu: der Kelch der Schelfkirche von 1733 (II, 583); der Kelch von Wessin von 1739 (III, 362); Kelch in Warsow von 1740 (Schlie III, 17), wo wahrscheinlich die Figur unter den Buchstaben F G übersehen ist; Kelch und Patene aus Kraak zu Pampow von 1743 (II, 677); Oblatenschachtel zu Plate ohne Jahr (II, 663); Patene zu Dütschow von 1745 (III, 306, fälschlich von Schlie B G gelesen); Patene zu Lübtheen von 1750 (III, 147, auch B G gelesen); Oblatenschachtel von 1757 zu Groß=Trebbow (II, 637). Daß diese letztere auch Gronow zuzuweisen ist, trotzdem er schon 6 Jahre vor dem Schenkungsjahr verstorben war, läßt sich daraus schießen, daß von dem gleichen Geber eine Patene geschenkt wurde, die den Stiefsohn Gronows August Ludwig Konow zum Verfertiger hatte (Schlie 11, 637). Kelch und Patene von Klink (Schlie V, 390) von ca. 1736-40 müssen wir auch wohl Gronow zuweisen. Schlies Angabe über das Meisterzeichen läßt da völlig im Stiche, er sagt nur, die Stücke entstammten dem Schweriner Meister F G .


6) Schlies Angaben der Stempelzeichen und ihrer Umrahmungen mögen nicht immer genau sein, da sie nicht nach den Stücken selber, sondern nach seinen - oft vielleicht flüchtigen - Aufzeichnungen an Ort und Stelle in sein Manuskript gelangten.
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Kurze Zeit nur nach Gronow erwarb Joachim Müller das Meisterrecht, nämlich am 21. Febr. 1724. Bei seiner Bürgerrechtsgewiunnng am 5. Juli 1712 wird als Herkunftsort Wismar, als Alter 34 Jahre angegeben. Als sein Werk sind drei mit Inschrift ( J. M in Cursivschrift) gezeichnete Stücke anzusprechen, eine Patene ohne Jahr in Alt=Gaarz (Schlie III, 512), ein Kelch in Jvenack von 1726 (Schlie V, 182) und ein vor seiner offiziellen Anerkennung als Schweriner Meister 1713 gefertigter Kelch in Wittenförden, ohne Stadtzeichen (Schlie II, 683).

Mit Müller war die Anzahl der Schweriner Goldschmiede, die 1720 schon 4 betrug (Hersen, Martens, Putzke und Konow), wieder auf 5 gestiegen: Hersen, Martens, Putzke, Gronow und Müller unterzeichnen die Festsetzung des Silberpreises im Amtsbuche am 27. Aug. 1724.

Von Müllers Kindern war Jakob Franz auch Goldschmied. 1732 bei dem Vater als Lehrling eingetreten, brachte er es erst 1739 zum Gesellen. Von seinem weiteren Verbleib ist nichts bekannt. 7 )

Das Meisterbuch zeigt nun eine Pause bis 1738. Am 22. Juni dieses Jahres erlangte Johann Caspar August (von) Zweydorff das Meisterrecht. Er war schon seit dem 15. Aug. 1736 Bürger und stand bei seiner Meistergewinnung bereits im Alter von 29 Jahren. Gebürtig war er aus Braunschweig. Er hatte sich im Zwiespalt der Herrschenden, ob Carl Leopold oder Christian Ludwig, dem ersteren zugewendet. In zweimaligen Eingaben wendete er sich an den Herzog um Verleihung des Prädikats Hofgoldschmied mit der ausgesprochenen Absicht, sich dadurch den städtischen Lasten zu entziehen, aber beide Male vergebens. Werke von ihm haben sich anscheinend nicht erhalten. Er scheint sich überhaupt mehr dem Kaufmannsgeschäft hingegeben zu haben. Er wird in Akten meist als Kauf= und Handelsmann bezeichnet, nur einmal als Goldschmied und Kaufmann. Seine Witwe heiratete nach seinem 1750 (begr. 29. Mai) erfolgenden Tode den Kaufmann Sembcke.

Rasch folgte ihm als Meister Hans Joachim Drümmer, der am 21. Sept. 1739 ins Amt aufgenommen wurde. Er war geborener Schweriner, trat 1728 bei Friedrich Gronow in die


7) Nicht alle im Bürgerbuch aufgeführten Goldschmiede haben (wie wir schon bei Jürgen Schmidt sahen) hier das Meisterrecht erworben. So der schon erwähnte Schwieger, und 1726 Sept. 7 wurde der Goldschmied Johann Jakob Tümmel aus Osnabrück, 25 Jahre alt, Bürger. Über beide ist im Meisterbuche nichts zu finden.
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Lehre, die er 1734 als Geselle verließ. Sein Tod fällt in das Jahr 1767. Von kirchlichen Arbeiten dieses Meisters sind nur drei sicher nachweisbar: Kelch und Patene in Lansen von 1747 (Schlie V, 377), und Kelch in Meetzen von 1750 (Schlie 11, 488). Zwei Standleuchter in Döbbersen, nach Schlies Angabe vom Schweriner Goldschmied Drümmer gefertigt und 1753 gestiftet, 1806 geraubt und 1807 wiedererlangt, werden auch ihm zuzuschreiben sein, wenn auch Schlie (III, 73) nicht das Zeichen Inschrift angibt. Denn die Söhne Drümmers, Johann Friedrich und Christian Ludwig, traten erst in den Jahren 1759 und 1762 als Lehrlinge bei ihrem Vater ein. Eine auffallende Arbeit Drümmers befindet sich jetzt im Museum, wohin sie aus dem Palais J. K. H. der Großherzogin Alexandrine gelangt ist, ein silbergetriebenes Reliefbrustbild des Herzogs Christian Ludwig II. in reichem getriebenem Rokokorahmen. Datiert ist es 1757 und trägt den Stempel I. D. Es ist insofern auch auffallend, als es der Zeit nach von dem älteren Drümmer herrührt, dagegen scheint es nach einer Quittung des jüngeren Drümmer vom 22. Juni 1777 über 70 Rtlr. N. 2 / 3 erst damals in den Besitz des damaligen Prinzen Friedrich Franz übergegangen zu sein. Denn von zwei derartigen Porträts, von Vater und Sohn gefertigt, hat man nie etwas gehört.

Im Jahre 1746, am 30. April, erwarb wieder ein Meisterssohn die Meisterschaft, August Ludwig Konow, der 1732 bereits bei seinem Stiefvater, Gronow, in die Lehre getreten war, und nach 6 Jahren zum Gesellen erklärt wurde. Zahlreiche Arbeiten sind von diesem Meister erhalten, der schon 1744, Febr. 28, zum Hofjuwelier Herzog Christian Ludwigs ernannt war. Von datierten Sachen ist vor allem der Rostocker Schifferpokal vom Jahre l748 zu nennen (Schlie I, 278). Es folgen sodann eine Oblatenschachtel zu Kirchstück von 1750 (Schlie II, 635), eine gleiche zu Plau von 1751 (Schlie IV, 595), zwei Kelche von 1751, zu Friedrichshagen (Schlie 11, 419) und zu Cramon (Schne II, 648), ein Schöpflöffel zu Bülow von 1754 (Schlie V, 70), eine Patene zu Groß=Trebbow von 1757 (Schlie II, 637), eine Weinkanne zu Lübow von 1758 (Schlie II, 274) und endlich Kelch und Patene zu Lübow von 1759 (Schlie II 273). Diesen schließen sich einige undatierte Arbeiten an, zuerst Kelch und Patene zu Demen (Schlie III, 347). Das Monogramm des Kelches, nach Schlie aus gekröntem F und L gebildet, ist zweifellos auf die Herzogin Luise Friederike zu deuten, nicht, wie Schlie zweifelnd danebenstellt, etwa auf den Erbprinzen

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Friedrich Ludwig, denn als dieser mit 7 Jahren Erbprinz wurde (1785), war Konow bereits verstorben. Konow war aber am 15. Nov. 1758 von der Herzogin Luise Friederike "wegen seiner besonderen Geschicklichkeit in Juwelen=Verfassung" zu ihrem Hofjuwelier ernannt worden. Die Beziehung zu ihr steht also quellenmäßig fest. Alle diese genannten Arbeiten sind mit Konows Anfangsbuchstaben A L K gezeichnet. Nun erscheinen bei Schlie noch mehrere Erzeugnisse, die ohne Zweifel auch diesem Meister zuzuweisen sind: Kelch, Kanne und Patene aus der reformierten Kirche zu Bützow, mit A L M gezeichnet (nach Schlie IV, 71) und ein Kelch aus Lübz, der nach Schlie (IV, 533) die Buchstaben A D K tragen soll. Ich möchte hier Lesefehler SchIie’s vermuten.

Konow, der noch im Jahre 1771 seiner schwachen Augen wegen, die ihm die Ausübung seines Gewerbes erschwerten, um die Verleihung des Provisorats der Schelfkirche beim Herzog Friedrich vergeblich eingekommen war, starb schon vor 1779, da damals sein Haus in der Königstraße in andere Hände überging, vermutlich sogar vor 1776, da damals Helm Hofjuwelier wurde. Am 27. Dez. 1780 wurde seine Witwe von der Neustadt aus beerdigt. Konows Tod ist in den Schweriner Kirchenbüchern nicht zu finden, er starb wohl auswärts.

Bald nach Konow, am 7. Mai 1746, erwarb Joachim Christian Rüdemann aus Gadebusch das Meisterrecht. Von ihm ist nur ein Stück erhalten, eine Patene zu Witzin aus dem Jahre 1765, gezeichnet I C R (Schlie IV, 162). Er wurde am 29. Dez. 1779 beerdigt.

Das war der Stand der Schweriner Meister, als Herzog Christian Ludwig im Jahre 1748 am 17. Sept. das von seinem gleichnamigen Oheim im Jahre 1674 verliehene Privilegium erneuerte. 8 ) Verschiedene Veränderungen hatte es erfahren, die wichtigste war, daß aus dem 3. Artikel der numerus clausus, oder wie das Privilegium sagt: numerus certus, verschwunden war. Schon lange hatte die 1674 festgesetzte Zahl von 3 Goldschmieden nicht mehr der Wirklichkeit entsprochen. Der Zug der Zeit war energisch gegen die geschlossenen Handwerke gerichtet. Schon in der folgenden Bestätigung Herzog Friedrichs vom 26. Juni 1764 und ebenso in ihrer Nachfolgerin, der Bestätigung des Herzogs Friedrich Franz I. vom 31. Okt. 1786, wird das Goldschmiedeamt als landesverfassungsmäßig ungeschlossen bezeichnet, denn während noch die Polizeiordnung von 1562 und


8) Original im Besitze der Goldschmiede.
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ihre Verbesserung von 1572 die Goldschmiede neben den Bäckern von den offenen Handwerken ausnahm, war inzwischen durch herzogliche Verordnung vom 24. Dez. 1755 (wiedereingeschärft am 26. Juli 1765) die kaiserliche Patentverordnung vom 16. Aug. 1731 eingeführt, in der das Schließen der Handwerke als Mißbrauch abgeschafft wurde. Schon in der Bestätigung des Herzogs von 1748 hatte die Bestimmung der Kaiserlichen Patentverordnung ihre Wirkung, wenn auch stillschweigend, geäußert.

Die Freiheit der Zahl der Goldschmiede zeigte sich bald in der Niederlassung neuer Meister. 1751 gewinnen zwei Gesellen das Meisterrecht. Am 25. Sept. Adolf Friedrich Fusch, auch Fosch, ja sogar in Goldschmiedeakten meist Voß genannt, aus Strelitz, der am gleichen Tage Bürger der Altstadt wurde. Am 26. Okt. Martin Gabriel Mumm aus Wismar, der ebenfalls gleichzeitig Bürger der Altstadt wurde. Von ersterem haben sich gar keine Arbeiten erhalten, wir wissen überhaupt von ihm nicht viel. 1783 erklären die Älterleute der Goldschmiede Finck und Timm, Voß läge schon viele Jahre lang zu Bette und könne sich mit weltlichen Dingen überhaupt nicht befassen. 9 )

Mumms Gedächtnis hat sich durch mehrere Arbeiten wach erhalten. Bei Schlie (II, 652) ist ein großer Kelch von ihm abgebildet aus dem Jahre 1764, der zu Retgendorf bewahrt wird, auf anderer Stelle (II, 583) wird von Schlie eine silberne Taufschale in Form einer Suppenterrine angeführt, der Schweriner Nikolaikirche gehörig, die Mumms Meisterzeichen M U M trägt. Auch der bei Schlie (II, 574) erwähnte Schöpflöffel des Schweriner Domes vom Jahre 1777 mit dem Zeichen W I L W ist wohl Mumms Erzeugnis. Schlie las das Meisterzeichen verkehrt, auf dem Kopf stehend. Auch die Patene und die Oblatendose zu Boizenburg, die Schlie (III, 120) mit dem Schweriner Meisterzeichen M. M anführt, können nur von Martin Gabriel Mumm herstammen. 10 ) Das Großherzogliche Museum hat in der


9) Akten: Goldschmiedeamt gegen den Magistrat wegen Beiordnung eines Patrones (im Besitze der Goldschmiede).
10) Von den bei Schlie (II, 583) aufgeführten Silbergeräten der Nikolaikirche zu Schwerin mit undeutlichen Meisterzeichen kann mit einiger Wahrscheinlichkeit Mumm die unter Nr. 8 verzeichnete Deckelkanne von 1766 zugewiesen werden. Vielleicht auch das unter Nr. 3 angeführte Krankenkommunionsgerät. Dagegen wird der Kelch von 1733 (Nr. 2) wohl eine Arbeit Friedrich Gundlachs sein. Nur nochmalige genaue Prüfung wird das entscheiden können, jetzt, nachdem wir die Zeichen der Schweriner Meister übersichtlich kennen gelernt haben.
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jüngsten Zeit einen Kelch seiner Arbeit, auch M U M gezeichnet, aus Privatbesitz erworben. Mumm war ein unruhiger Geist, dem es in seinen älteren Jahren noch die Alchymie angetan hatte. 1776 bat er um die offene Kastellanstelle in Rostock, da er mit Dr. Hartwig in .Rostock Chemie treiben wolle, womit er in letzter Zeit sich sehr beschäftigt hätte. Der Herzog schlägt aber die Bitte ab mit der wohlgemeinten Mahnung, er solle keine Kosten darauf verwenden. Indessen bedeutete diese Abweisung keineswegs eine herzogliche Ungnade. Mumm wurde vielmehr am 14. Nov. 1778 nach bestandener mehrtägiger Prüfung in Theorie und Praxis zum Herzoglichen Münzwardein ernannt, und am 23. Dez. des Jahres als solcher vereidigt. Er behielt trotzdem seine Zugehörigkeit zum Goldschmiedeamte bei, und legte erst am 18. Okt. 1783 das inzwischen auf ihn gekommene Amt eines Ältermannes nieder. Im Jahre 1793 wurde er mit Beibehaltung seiner Gage und seines Holzdeputats aus seinem Amte in Gnaden entlassen und zog nach Neubrandenburg, wo er 1799 starb.

In das Jahr 1752 fällt die Privilegienerteilung als Freigoldschmied an den Goldarbeiter Seyfried, von dem wir weiteres nicht wissen. Im Jahre 1753 gewinnen dann wieder zwei bei der Zunft das Meisterrecht, am 28. Sept. Bernhard Hartwig Finck, aus Schwerin, und am 12. Okt. Joachim Friedrich Timm, auch aus Schwerin. Während der letztere, der am 14. Juli 1798 im 74. Jahre starb, keine Spuren seiner Wirksamkeit hinterlassen hat, haben wir von Finck, der erst am 11. Mai 1805 im 81. Jahre verstarb, mehrere Arbeiten. Im Lande hat sich nur eine silberne Oblatendose aus dem Jahre 1755 in Sülstorf erhalten, deren Meisterstempel B B H F lautet. Hinzu kommt ein in neuester Zeit aus Privatbesitz in das Großh. Museum übergegangener Zuckerstreuer, dessen Stempel aber nur B H F ist. Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe werden zwei 19 cm große Leuchter aufbewahrt, die ebenfalls den Stempel B H F aufweisen, wenn auch den ersten Buchstaben nicht ganz klar, so daß möglicherweise auch B B H F dastehen könnte. Ich habe nicht selber die Stempelung gesehen, so daß ich bestimmtes nicht äußern kann. Worauf das doppelte B beruhte, kann ich nicht sagen.

Wegen der mit F I N C K gezeichneten Arbeiten könnte man ja im Zweifel sein, was man Bernhard Hartwig und was man seinem Sohne Joachim Friedrich Gotthard Finck zuschreiben soll, der, seit dem 16. Oktober 1790 Meister, am 26. April 1822

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im 60. Jahre starb. Diese Arbeiten reichen von 1780 bis 1817. Ist ersteres Jahr für den erst 1762 geborenen Sohn zu früh, so fällt letzteres Jahr 12 Jahre nach dem Tode des Vaters. Ich beschränke mich hier darauf, sie alle anzuführen, voran eine undatierte Patene aus Moifall, die Schlie (IV, 116) mit dem Stempel F U N C K versehen sein läßt. Doch entschieden ein Lesefehler! Die übrigen Arbeiten F I N C K ’s sind: Kelch in Neuenkirchen bei Bützow von 1780 (Schlie IV, 102); Kelch und Patene in Karow von 1783 (Schlie IV, 603); Kelch und Patene in Vietlübbe bei Gadebusch von 1787 (Schlie II, 493), Oblatenschachtel in Wittenförden von 1787 (Schlie II, 683); Schützenpokal in Wittenburg von 1792 (Schlie III, 63); Patene und Oblatenschachtel in Diedrichshagen von 1798 (Schlie 11, 414); Kelch, Patene und Oblatenschachtel in Mühleneichsen von 1798 (Schlie 11, 504); Kelch und Patene in Gr.=SaIitz von 1817 (Schlie II, 516). Letztere Jahreszahl ist für den 1805 verstorbenen Vater ja zu spät, aber es handelt sich bei der Jahresangabe doch immer nur um das Jahr der Schenkung an die Kirche, nicht um das Jahr der Anfertigung. Ein Zweifel bleibt aber doch immerhin bestehen, was dem Vater zuzuteilen ist, und was dem Sohne.

Nach 10jähriger Pause erst tritt ein neuer Meister in die Schweriner Zunft wieder ein, Lorenz Christian Madaus , aus Parchim gebürtig, der am 28. Mai 1763 das Meisterrecht gewinnt. Er war 1747 schon bei Konow als Lehrling eingetreten, aber 1752 aus der Lehre gelaufen. 1758 trat er dann wieder ein, wurde 1759 Geselle und, wie gesagt, 1763 Meister. Schon 1769 zog er nach Grabow. Seine Witwe heiratete 1781 den G. H. Weiß, der 11 Jahre lang bei ihrem Manne gearbeitet hatte. 1782 wurde Weiß der Titel eines Hofgoldschmiedes verliehen. Wir kennen nur eine Patene aus der Schweriner Zeit von Madaus, mit dem vollen Namen gestempelt und der Feingehaltszahl 12 versehen, im Besitze der Nikolaikirche zu Schwerin (Schlie II, 583). Weiß hinterließ uns einen Kelch zu Muchow mit dem Stempel W E I S mit nur einem S , so wie auch Mumm nur M U M mit einem M stempelte.

Auf Madaus folgen zwei Meister, die am selben Tage, dem 27. Juni 1769, in die Zunft als Meister aufgenommen wurden: Johann Friedrich Drümmer aus Schwerin und Johann Christian Hinrich Helm aus Neubrandenburg († 1822). Drümmer, bei seinem Vater HauS Joachim Dr. als Lehrling ausgebildet, wurde 1762 Gesell, hat also seine 7jährige

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Wanderzeit getreulich ausgehalten. Schon 1770 wurde er Hofgoldschmied, und wenn er auch als solcher nicht ausschließlich für den Hof arbeitete, so hat nach den erhaltenen Rechnungen und Quittungen Drümmer zahlreiche Arbeiten für die herzogliche Silberkammer geliefert. Auch Kirchengeräte sind von ihm erhalten. So im Besitze der Bützower reformierten Gemeinde eine Kanne, eine Patene und ein Kelchlöffel (Schlie IV, 71); sowie ein Kelch (in klassizierendem Stil) in der Kirche zu Plate (Schlie 11, 663). Weiter habe ich die Zeichen I F D im Schlie’schen Werke nicht gefunden.

Von Helm, der 1776 Apr. 10 zum Hofjuwelier ernannt wurde, hat sich anscheinend nichts erhalten.

Nach fast 13jähriger Pause melden sich wieder zwei Goldschmiede bei der Schweriner Zunft als Meister. Am 26. Januar 1782 gewinnt Arnold Hinrich Kohl aus Hamburg das Meisterrecht, und am 7. Oktober 1782 wird Johann Andreas Creutzmann aus Schwerin als Meister eingeschrieben. Creutzmann stirbt 1814, Kohl erst 1818. Von Kohl finden sich mit dem Stempel A H K verschiedene kirchliche Geräte. So undatiert ein Schöpflöffel der Nikolaikirche zu Rostock (Schlie I, 169) ohne Stadtzeichen; ein Taufbecken in Zarrentin von 1797 (Schlie III, 106) und ein Kelch in Reuenkirchen bei Wittenburg von 1810 (Schlie III, 67). Bei den beiden letzten Stücken schreibt Schlie fälschlich Kahl, und dieser falsche Name ist auch in das Namensverzeichnis im 5. Bande übergegangen.

Von Creutzmann ist uns nichts überkommen, ebensowenig von seinem Nachfolger in der Meisterreihe Carl Friedrich Klokow aus Schwerin, der am 8. Sept. 1785 das Meisterrecht gewann, aber am 28. April 1790 bereits im Alter von 54! Jahren starb.

Der nächste Meister nach Klorow war der schon erwähnte Joachim Friedrich Gotthard Finck (1790-1822), ihm folgte nach drei Jahren 1793 ein Katholik Anton Valentin Maria Igel aus Hamburg, der bei Timm gelernt hatte und 1780 Gesell geworden war. Er starb schon 1805, Nov. 12, im 48. Jahre. Nur eine Patene und eine Oblatenschachtel von 1801 in Camin bei Wittenburg, mit vollem Namen gestempelt, sind uns von diesem Meister erhalten (Schlie III, 96).

Von den beiden Nachfolgern Igel’s: Johann Ludwig Mahncke 11 ) (Meister 1796 Mai 6, † 1825) und August Fried=


11) über seinen Vornamen schwebt ein gewisser Unstern. Getauft wurde er in der Hofgemeinde als Carl Ludwig. Als Lehrling wurde er (  ...  )
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rich Conradi (Meister 1798 Aug. 6) ist wenig auf uns gekommen. Von dem letzten wenigstens nicht aus seiner Schweriner Tätigkeit. Er zog nämlich bald nach Stralsund, und als er 1822 nach Mecklenburg zurückkehrte, nach Sternberg. Aus dieser Sternberger Zeit stammt dann wohl der bei Schlie (IV, 166) angeführte Kelch aus Ruchow. Von Mahncke kann der bei Schlie (II, 415) angeführte Krankenkelch von Diedrichshagen von 1830 mit LM herstammen. Wenn er auch schon 1825 starb, so führte seine Witwe noch eine Reihe von Jahren das Geschäft weiter.

Friedrich Ludwig Franz Fick, der dann in der Meisterreihe folgt (Meister 1799 Jan. l) ist ein mit Kirchengeräten häufig vertretener Meister. Außer den undatierten Sachen: Crucifixus in der katholischen Kirche zu Ludwigslust (Schlie III, 265), Krankenabendmahlsgerät zu Boizenburg (Schlie III, 120) und Schöpflöffel in St. Nikolai zu Schwerin (Schlie II, 583) finden wir in dem Schlie’schen Werke verzeichnet: Von 1801 einen Kelch im Dome zu Schwerin (II, 577); von 1807 einen Kelch mit Oblatendose zu Badow (III, 72); von 1814 Kelch und Patene zu Parum bei Wittenburg (III, 78); von 1815 Kelch zu Perlin (III, 76); von 1817 Kelch und Patene zu Zarrentin (III, 106); von 1824 Kelch und Patene zu Bernitt (IV, 112). Zwanzig Jahre hat Fick dieses letzte Werk noch überlebt, er starb erst 1844 am 18. Februar, 67 Jahre alt.

Fick war der letzte Meister, der vor 1800 das Meisterrecht gewann. Es folgen nun:
1803 Juli 8 Christian Georg Wilhelm Thiel, entwich 1807 nach Tönning in Holstein.
1804 Juni 29 Christian Hermann Jantzen aus Schwerin, † vor 1826.
1807 Aug. 28 Joh. Mathias Christoph Sager aus Schwerin (Schlie III, 67 12 ), † 1839. 1809 Juli 10 Joh. Carl David Schönfeldt aus Schwerin (Schlie II, 379), † als Hofgoldschmied 1865, 83 Jahre alt.


(  ...  ) ein= und ausgeschrieben als Johann Rudolpf! Als Meister wurde er eingetragen in das Amtsbuch mit Johann Christopher, er unterschrieb sich stets J. L. oder L., bei seinem Todeseintrag wurde er wieder Johann Rudolph genannt.
12) Wenn hier nicht der Neffe August Heinrich Franz Sager, Meister seit 1832 Nov. 16, gemeint ist, der 1853 starb.
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1810 Nov. 6 Carl Heinrich Jäger aus Güstrow, 1814 Hofjuwelier, † 1819.
1812 Nov. 12 Joh. Heinrich Cornelius Carenz aus Schwerin, † 1814.
1814 Juli 15 Karl Ferdinand Eugen Below aus Knorrendorf, † 1817.
1814 Juli 15 Christoph Gottlob Friedrich Hamdorff aus Güstrow, zieht 1827 fort.
1814 Juli 15 Martin Wilhelm Jahr aus Güstrow, † nach 1837.
1817 Juli 18 Ernst Friedrich Christian Franck aus Schwerin, † 1869.
1819 Juli 2 Arnold Johann Friedrich Steiner, läßt 1831 seine Frau im Stich.
1821 Juli 13 Carl Schultz, der schon drei Jahre in Schwerin gewohnt hatte, † 1857.
1825 Juli 29 Friedrich Philipp Gieseler aus Schwerin, † 1848.
1825 Juli 29 Georg Christian Heinrich Zipplitt aus Schwerin. Von Schlie (II, 648) fälschlich als Zepplin gelesen. 859 Hofgoldschmied. † 1867.
1827 Nov. 12 Johann Christoph Georg Martens aus Schwerin, † 1833.

Nehmen wir nun zu diesen Amtsmeistern noch hinzu die beiden in den Jahren 1827 und 1829 vom Großherzoge privilegierten Johann Christian Christopher Jahr junior 13 ) († 1840) und Ulrich Carl Friedrich Lexow († 1853), so haben wir alle Goldschmiede Schwerins bis 1830 zusammen. Bei den jüngeren Goldschmieden nach 1830 mangelt zurzeit noch das kunsthistorische wie das historische Interesse. Über sie mag eine spätere Zeit einmal berichten.



13) Vergeblich sperrten sich die Amtsmeister gegen diese Privilegierung und baten um Schließung ihres Amtes, die aber durch Verfügung vom 20. März 1827, wiederholt am 22. Juni 1827, rundweg abgeschlagen wurde. (Originale im Besitze der Goldschmiede.)
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Anlage.

Durchleychtiger hochgeborner first, gnediger her, meynen armen underdenigen dienst mitt allem das ich und alle die meynen vermugen, sey e.f.g. mit aller underdenigkaytt beraytt, gnediger her. Gnediger her, meyn und meyn weyb und meyn dochterman Wolff Miller und meyner dochter, unsser arem underdenig bett ist an e.f.g., gnediger her, Gott der almechtig hatt meyner dochter ayn jynge dochter geben, Gott hab lob und danck. Gnediger her, so weren wir allen in willen mit Gottes hilff, das wir nach ordnung der hayligen kristlichen kirchen wolten das kind doffen lassen am suntag nach santt katerina tag, nest kunftig. So ist unsser aller arm underdenig bett an e.f.g., gnediger her wollt unser arem leytt nit verschmachen und wolt e.f.g. unss dem kind zů dem Cristendom helffen, Gnediger her, wa wir allen das um e.f.g. mit aller underdenigkaytt das kinen verdenen, so sol e.f.g. uns alczeytt willig mit aller underdenigkaytt willig unb gehorsam erfinden, als e.f.g. arm underdenig arm leytt.

Des hatt nu seyn weg, gnediger her, ich hab warlich meyn ratthaubtt ser zerprochen ob dissem obgeschribnen brieff, das ich in also gůtt angefangen hab und AYN gůtt mitel und noch fil ayn bessers end folenpracht hab, so ist auch nu unsser aller underdenig gebet an e.f.g., wel zů unss kumen und wel auch m(ein) g(nedigen) h(ern) h(erzog) Filips, e.f.g. hern sun mit pringen; da wirtt es gar dapffer und redlich mit essen unb trincken, renen unb stechen zů gen, und e.f.g. sol mit pringen, wen e.f.g. haben wil, die sollen unss alle gotwilkumen seyn. Der remisch kaysser wirt auff dis mal nit kinen kumen und auch her remisch kunig nit, dan es hatt grosse ursach, die ursach wayss e.f.g. selbs wol, die darf ich e.f.g. nitt zů schreyben.

Auch, gnediger her und first, unsser; aller underdenig bett ist an e.f.g., wel unss ayn antwurt wissen lassen, ob e.f.g. kumen wel, damit das wir unss darnach weste zů richten, das wir mechten gegen e.f.g. er aynlegen und kayn uner mit allem, das in unsserm vermigen ist, mit gůtem trank, meyn, bier, und mit essen, wilpret, oxen, schauff, schweyn, henen, hener mit irem geschlecht, ayn korb

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fol ayr, mer genss, enten, finckenvegel, kiechlen, stroyblen, epffel=schniczlen, koll und speck, das het ich schier vergessen, und ayn warmen batstuben darneben dar in baden werden hu(ren) und bu(ben), und ayn geschlecht hab ich dazů geladen, die haynrey, so hat man allen die statt zu Schwerin verbotten, man kan nit mer in der ganczen stat iber 300 oder 400 mer iber kumen, ist ess nit ayn arme sach. Darmit, gnediger her und first, seyt Got befolchen.

Datum Schwerin am sunabent vor sant katerinatag im 1555 jar.

Eeur firstlich gnaden
underdenig dener
Cristoff Schneyder in der haym
Neske Schneyderin in der haym
Wolff Miller
Wolffin Millerin

Got geb dem dichten und der vernunft die yu aznem sollichen verstendigen brieff geheren, es wer nit wunder das ayner nimer niechter wer. Am freytag ist dockter Syman mit 20 000 pferd zů Schwerin ayngeriten am morgen um 4 ur, da lag ich noch auff dem bett, da hatt er die gantze Stat ayngenamen, eur gnad mag sy darnach zů richten.

(Aufschrift): Dem durchleychtigen hochgebornen firsten und hern, hern Haynrich, herczog zů Meckelburg, first zů Wenden, grauff zů Schwerin, Roststeck und Steyrgarten der lande ayn her, meynem gnedigen hern underdenig und dienstlich geschrieben.

(Eingangsvermerk, vom Herzog eigenhändig geschrieben): Uff sonnabent na katterine zu dem Albershagen bekomen, anno 35.

Albershagen ist wohl Allershagen bei Doberan. Wer Dr. Syman ist, und was die 20 000 Pferde bedeuten, ist völlig unklar.



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Verzeichnis der Goldschmiede.

Abraham, 89.
Baltzer, 87.
Below, Karl F. E., 105.
Carenz, Heinr. Corn., 105.
Christian, Severin 89.
Conow s. Konow.
Conradi, Aug. Friedr., 104.
Constin, Nik., 88.
Creutzmann, Joh. Andr, 103.
Drümmer, Christ. Ludw., 98.
   -, Hans Joach., 97.
   -, Joh. Friedr., 102.
Eeckbolt, Markus, 89.
Elers, Henrich, 88.
Emerich, Christian, 89.
Fagt, Henrich, 88.
Fick, Friedr., 104.
Finck, Bernh. Hartw., 101.
   -, Joach. Friedr. Gotth., 101. 103.
Fosch s. Fusch.
Franck, Ernst, 105.
Fusch (Fosch). Adolf Friedr., 100.
Gieseler, Friedr., 105.
Gouda, Jacob, 89.
Grantzow, Nik., 94.
Gronow, Friedr., 95.
Gundlach, Friedr., 93. 95. 100.
Hamdorff, Chrph. G. Fr., 105.
Helm, Joh. Chr. Hinr., 102.
Hersen, Mart. Berend, 93.
Jäger, Carl, 104.
Jahr, J. C. C., 105.
   -, Mart. Wilh., 105.
Jantzen, Chr. Herm., 104.
Igel, Ant. Val. Maria, 103.
Jürgen, 87.
Kachel, Joach. Friedr., 92.
Kahl s. Kohl.
Kellermann, Joach., 90.
Kersten, 85.
Klokow, Carl Friedr., 103.
Knuzen, Luther, 89.
Kohl, Arnold Hinrich, 103.
Konow, August Ludw., 98.
   -, Joh. Ludw., 95.
Kröger, Thom., 88.
Lexow, Ulr. C. F., 105.

Lohe, Peter von, 90.
Madaus, Lor. Christ., 102.
Mahncke, Joh. Ludw., 103.
Martens, Christoph, 105.
   -, Gabriel, 91. 93.
   -, Joachim, 93.
Marx, 87.
Menckin, Jacob, 88.
Müller, Jacob Franz, 97.
   -, Joachim, 97.
Mumm,
Mart. Gabr., 100.
Osnabrügk, Joh., 90.
Putzke (Putzky), Joh., 94.
Reimer, Joach., 88.
Rike, Herm., 87.
Rönkendorf, Christian, 90.
Rüdemann, Joach. Christ., 99.
Sager, August, 104.
   -, Christoph. 104.
Schmidt, Andreas, 88.
   -, Jürgen, 91.
Schneider, Christoph I, 85. 107.
    -, Christoph II, 86.
Schönfeldt, Carl, 104.
Schultz, Carl, 105.
Schulze, Abraham, 89.
   -, Andreas I, 89.
   -, Andreas II, 91.
   -, Benjamin, 93.
   -, Joachim I, 90.
   -, Joachim II, 92.
Schwieger, Hans Erdm., 95.
Seyfried, 101.
Seywaldt, Job. Friedr., 94.
Smidt, Andr., 88.
Staub, Jürgen, 87.
Steiner, Arnold, 105.
Stöver, Jürgen, 87.
Thiel, Chr. Georg Wilh., 104.
Timm, Joach. Friedr., 101.
Tümmel, Joh. Jacob, 97.
Unger, Matz, 87.
Voß, Adolf Friedr., 100.
Wahlbömen, Caspar, 88.
Weiß, G. H., 102.
Zepplin s. Zipplitt.
Zipplitt, Heinr., 105.
Zweydorff, J. C. A. von, 97.

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III.

Die Schweriner Zinngießer

bis 1800.



von

Geh. Archivrat Dr. H. Grotefend = Schwerin



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W ilhelm Stieda hat im 53. Bande dieser Jahrbücher als Einleitung zu seiner Arbeit über das Amt der Zinngießer zu Rostock sich über die Entwicklung dieses Gewerbebetriebes so eingehend geäußert, daß ich hierüber völlig hinweggehen kann. Auch die Zugehörigkeit der Zinngießer der einzelnen Städte Mecklenburgs zu den Ämtern der größeren Städte ist dort (S. 151) erwähnt. Von Schwerin heißt es: "So werden die Schweriner Zinngießer ursprünglich nach Wismar, später nach Lübeck gewiesen, und noch im Jahre 1814 regelte eine herzogliche Verordnung die Zugehörigkeit der kleineren Landstädte zu den Zinngießerämtern in Güstrow, Schwerin usw."

Aber im 16. und auch noch im 17. Jahrhundert war Schwerin selber noch eine kleine Stadt, zählte sie doch 1694 in der Alt= und Vorstadt nur 166 Bürger, und selbst noch 1764 kaum 3300 Einwohner. Die großen Brände von 1531 und 1558 hatten zudem mit dem Wohlstande der Bürger sehr aufgeräumt. Kaum hatten sie sich wirtschaftlich erholt, so brachen die schweren Drangsale des 30jährigen Krieges über die Stadt herein, und was damals überblieb an irdischem Gut, das zehrte zum großen Teil der verheerende Brand von 1651 auf.

So kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn wir erst spät von Zinngießern in Schwerin hören, und wenn die ältesten uns erhaltenen Nachrichten von Krieg und Kriegsgefahr sprechen. Am 6. März 1628 hat Berend Timmermann, Zinngießer, der Stadt Schwerin gegen einen Schuldschein 50 Mark lübisch geliehen zu "Abwendung dieser Stadt höchster Gefahr, angedrohter gewaltsamlicher Einquartierung und Ausplünderung". In einem später wegen der Rückforderung dieses Darlehns sich erhebenden Streite lernen wir, daß es sich um eine größere Summe an Kriegs=Kontribution handelte, die durch freiwillige Darlehen der wohlhabenden Bürger zusammengebracht wurde. Hierzu hatte Timmermann 50 Mark beigetragen, und ebensoviel ein Markus Polemann, wie wir später

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sehen werden, ebenfalls ein Zinngießer. 1638 waren Berend Timmermann und seine Frau "Alters wegen" gestorben. Ihre Söhne Berend und Gerdt Timmermann klagten am 27. Dezember dieses Jahres, sie hätten der Kriegesnot wegen vor etwa Jahresfrist ihr Zinn, verarbeitet wie in Platten, nach Wismar flüchten müssen, in der Hoffnung, es von da nach Lübeck zum Verkauf zu bringen. Sie bitten um herzogliche Fürsprache nach Wismar, da man dort Schwierigkeiten mache, es ihnen auszuliefern. Auf Grund des Stapelrechtes wolle man sie zwingen dort - mit großem Schaden - das Zinn zu verkaufen. Sie seien beide noch junge Gesellen, die ihrer Zunftprivilegien verlustig gingen, wenn sie nicht bald könnten ihr Handwerk in Schwerin anrichten. Berend Timmermann der jüngere hat denn auch diese Niederlassung als Zinngießermeister bald ins Werk gesetzt. Am 28. Januar 1640 wird er als Bürger in Schwerin aufgenommen. Gerdt hat das Handwerk aufgegeben, er tritt uns 1654 als Brauer entgegen, als er die auf ihn vererbte Schuldforderung des Vaters von 1628 gegen die Stadt mit Erfolg geltend machte. Im April 1668 war der jüngere Berend Timmermann auch bereits verstorben. Es erscheinen bei einer Klage wegen ehrenrühriger Reden gegen ihren verstorbenen Vater Berend und Zacharias Gebrüder, die Timmermannen, seligen Berend Timmermanns nachgelassene Erben. Zacharias tritt uns in späteren Akten als Zinngießer in Glückstadt in Holstein entgegen, ebenso begegnet uns ein dritter Bruder Andreas als Bürger und Gewürzkrämer in Lübeck. Berend Timmermann der dritte aber läßt sich 22. Juni 1670 als Bürger in Schwerin nieder. Er erscheint im Jahre 1678 als "Gevollmächtigter" der Schweriner Zinngießer in Lübeck (Jahrb. LIII, S. 176). 1687 ist er Ältermann der Zunft. Er wohnt auf der Neustadt "bei der Grove", also nahe der Altstadt, in der jetzt Fischerstraße genannten Straße, parallel dem Stadtgraben der Altstadt. Wirtschaftlich scheint es ihm nicht zum allerbesten gegangen zu sein. Er erscheint - schon wenigstens seit 1682 - neben seinem Zinngießerhandwerk als Hake, also als Krämer, und bezieht in beiden Eigenschaften die verschiedenen Märkte der Umgegend, so weit sie ihm die Zunftbestimmungen gestalteten (Jahrb. LIII, 137 f.). Trotzdem war er schon 1687 in großer Geldklemme, und bereits im Folgejahre brach der förmliche Konkurs aus, der den Gläubigern eine große Enttäuschung bereitete, besonders, da das Hauptwertobjekt der Masse, das Wohnhaus, im Jahre 1691

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bei einem großen Brande auf der Schelfe zu Asche wurde. Berend und seine zweite Frau, Ilsa Margarete Schumacher, die er erst am 30. August 1687 geheiratet hatte, gingen, den Akten nach, als arme Leute aus dem Verfahren hervor. Da sie keine Kinder hatten, wie in den Akten ausdrücklich hervorgehoben wird, traf sie das Unglück nicht so schwer. Ihr werden wir später noch einmal begegnen.

Was sind nun für Werke von diesen 3 Berend Timmermann erhalten? Schlie's Denkmälerwerk, die Hauptquelle für die uns erhaltenen Zinngießerarbeiten, gibt eine Anzahl an. Dem ältesten Berend T. wäre nur eins zuzuweisen, die bei Zapel gefundene Schale (III, 369). Schlie gibt als Meisterzeichen ein liegendes Dreieck, durch dessen Grundlinie ein Vertikalstrich geht, darum die Buchstaben DTM . Statt des D ist sicher ein B zu lesen. Als Stadtzeichen dient ein gleichschenkliges Kreuz, das Stadtzeichen Schwerins, wie wir sehen werden, in dessen unteren Winkeln je ein kleines Kreuz angebracht ist. Da kein Jahr der Anfertigung dieser Schale zu ermitteln ist, sind wir berechtigt, sie dem ältesten Berend T. zuzuweisen, da die den beiden Nachkommen zugehörigen Werke abweichende Zeichen tragen. Dem mittleren Berend T. (1640-1668) gehören an zwei Leuchter in Lübtheen von 1642 (III, 147). Sie zeigen die Stempel in hochstehenden Ovalen, das Stadtzeichen mit einem Perlenstabe als Einfassung, in den unteren Winkeln des Kreuzes die Zahlen 4-0 aufweisend. Das Meisterzeichen zeigt die Buchstaben BTM neben bezw. über einer Hausmarke Inschrift . Die zeitlich darauf folgende Arbeit ist ein Leuchter zu Kraak aus dem Jahre 1643. Er zeigt dieselben Zeichen, das BTM , die Hausmarke und die Zahlen 4-0 neben dem Kreuz, aber beide Stempel sind in kreisrunder Form. Zeitlich folgt diesem Leuchter dann der jetzt im Schweriner Museum befindliche Willkomm der Schweriner Hutmacher von 1653 (II, 628, auch abgebildet). Schlie's Wiedergabe der Stempel ist mangelhaft, er gibt nur die Hausmarke und die Buchstaben B-M , ohne das T über der Hausmarke zu berücksichtigen. Die Zahlen neben dem Kreuz scheinen auch verputzt zu sein. Schlie gibt Inschrift wieder, das jedenfalls die 40 darstellen soll. Die letzte bekannte Arbeit dieses mittleren Berend T. ist ein Leuchter in Kraak von 1655 (III, 25). Hausmarke und Buchstaben sind wie bei den Leuchtern von 1643, aber die Zahlen 4-0 neben dem Kreuze fehlen. Die Zeit der Schenkung nötigt uns aber zur Zuweisung des Leuchters zu den Arbeiten des mittleren Berend T.

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Von dem jüngsten Berend T. sind uns 2 Arbeiten erhalten; zuerst ein Leuchter in Kladow, wie Schlie sagt: oben mit kelchartigem Umfang, aus dem Jahre 1673. In der Wiedergabe des Meisterzeichens hat Schlie insofern geirrt, als er das oben stehende T der Buchstaben BTM für ein Kreuz ansah, das er mit der bekannten Hausmarke in Verbindung brachte. Rechts und links vom Fuße der Hausmarke stehen die Zahlen 7-0, das Jahr der Meistergewinnung 1670 andeutend. Das Stadtzeichen ist ein einfaches gleichschenkliges Kreuz, das an den Spitzen sich leicht verdickt. Die zweite Arbeit Timmermanns ist ein Kelch zu Picher von 1683. Das Stadtzeichen ein Kreuz (freistehend), das Meisterzeichen hat keine Zahlen, sondern nur die Hausmarke und die Buchstaben. Schlie las fälschlich statt des B ein R und ließ das T ebenso wie bei dem Kladower Leuchter auf der oberen Linie der Hausmarke aufsitzen.

Die Akten über den Konkurs des jüngsten Berend T. enthalten einige Abdrücke seines Petschafts. Der Schild hat ein Schildeshaupt, in dem zwischen je einem Sterne eine Henkelkanne steht, in dem unteren Felde ist eine Hausmarke, aber etwas abweichend von dem bei Schlie und umstehend wiedergegebenen Meisterzeichen. Der Helm trägt als Zier eine Kanne, daneben stehen die Buchstaben B-T .

Wir haben bei Berend Timmermann dem Ältern bereits erwähnt, daß 1628 mit ihm auch ein Marcus Polemann der Stadt Schwerin mit 50 Mark lübisch zu Hilfe kam. Wir wissen weiter nichts von ihm, auch nicht, ob er mit dem Marx Polemann identisch ist, der am 27. August 1605 seine Frau begraben ließ (Glockenregister im Archiv), oder ob dieser etwa sein Vater war; wir müssen ihn aber für den Vater des Marcus Polemann halten, der am 12. Oktober 1649 Bürger wurde, und der 1678, wo der jüngste Berend Timmermann als Gevollmächtigter erscheint, als Ältermann der Schweriner Zunft auftrat (Jahrb. LIII, 176). 1687, als Berend T. Ältermann ist, hatte er wohl schon das Zeitliche gesegnet. Werke von ihm sind nicht bekannt.

Der mittlere Timmermann und der jüngere Polemann führen nun in den Akten des Archivs einen erbitterten Nahrungskampf gegen Hans Oldenburg. Dieser, gelernter Zinngießer und 1651 Musketier in Dömitz, dann Zinngießer in Dannenberg, war in die Heimat nach Schwerin zurückgekehrt und wohnte 1654 auf der Schelfe (der Neustadt Schwerin), wo er

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schon seit wenigstens 1653 sein Handwerk unter fürstlichem Schutze ausübte, während er zugleich - wenn auch erst etwas später - in der Altstadt Schwerin das Amt eines Domküsters innehatte. Die Beschwerde der Amtsmeister gipfelte darin, daß Oldenburg "einen eigenen Stempel" gebrauche, "welchen er wider alle ehrliche Handwerker=Gewohnheit abwechselt, denn er bald Euer Fürstl. Durchlaucht Zeichen und Wappen (als caput Bucephali), bald eines hiesigen Raths Zeichen (als signum crucis) nebenst seinem Namen auf sein Machwerk schlägt." Der abgezeichnete Werkstempel zeigt H O B um eine Hausmarke Inschrift gruppiert. Haus Oldenburg behauptete, es habe vor Zeiten auf der Schelfe ein fürstlicherseits privilegierter Freikannengießer gewohnt, Heinrich Sültemann, der "schon vor Jahren diesen Ort verlassen". Auch machte er geltend, daß kurz vor 1650 erst ein Adam Moller gestorben sei, der lange Jahre hindurch Zinnlöffel und dergleichen angefertigt habe. Es gelang ihm, ein fürstliches Privileg als Freimeister vom 9. Oktober 1654 zu erwirken. Aber 1667 und 1668 entbrennt der Streit aufs neue. Da erklärt Oldenburg, daß er den Büffelskopf nicht mehr gebrauche, läge daran, daß er seine Wohnung von der Schelfe nach der Stadt verlegt habe. Oldenburg wird zwar bei seinem Privileg belassen, ihm aber aufgegeben, fortan auf alle Arbeiten die Jahreszahl mitzustempeln. Weiteres über Oldenburg ist nicht bekannt. Arbeiten haben sich nicht erhalten.

Inzwischen hatten sich die Schweriner Zunftmeister um einen vermehrt: Rupert Simerling, in Abkürzung des Vornamens meist Röpke Simerling, ja auch Zimmerling genannt. Er stammte aus Bremen und gewann am 9. November 1655 als Zinngießergesell das Bürgerrecht, worauf er am 27. November 1655 Anna Maria Timmermann, wohl eine Tochter des ältesten Berend T. heiratete. 1 ) 1678 tritt er uns als Gevollmächtigter der Schweriner Zunft entgegen (Jahrb. LIII, 176). Seine letzte sicher zu datierende Arbeit ist von 1681.

Schlie gibt zwei Zeichen von ihm wieder, das ältere eine Zusammenschiebung der Buchstaben S L , das jüngere, seit 1672 gebraucht, die Hinzufügung des R oder wenigstens des unteren


1) Daß das Heiraten von Meisterswitwen und Meisterstöchtern, das wir öfter beobachten können, auf Zunftbestimmungen beruht, ist schon im Jahrb. LIII, S. 138, 147 und 161 gezeigt. S. 177 sagt es § 2 in Nr. 9 mit klaren Worten: "Er soll aber nach altem löblichen Gebrauch, so anno 1500 geschlossen, eine Witwe oder Meisterstochter freien, damit nicht die Witwen und Amtskinder verstoßen werden."
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Schwanzes dieses Buchstabens verkehrt an der Vorderseite. Dann erscheint 1687 das ältere Zeichen einmal wieder. Wenn ich eine Erklärung dieses Wechsels versuchen darf, so ist es die, daß bis zur Geburt des Sohnes Friedrich Lorenz, von dem noch die Rede sein wird, dem Meister das SL (Simerling) genügte, daß er dann der Genauigkeit wegen den Vornamen R(upert) hinzusetzte, während die Witwe, die nach dem Tode das Geschäft fortsetzte, wieder auf das einfache SL zurückgriff. Dann wäre er vor 1687 gestorben, wogegen nichts spricht.

Das ältere Zeichen S L ineinandergeschoben erscheint zuerst 1657 an der im Museum zu Schwerin aufbewahrten Kanne der Schweriner Hutmacherzunft (II, 628, auch abgebildet). Schlie las S I , aber entschieden irrig. Die Zeichen stehen hier in einem verzierten Doppelkreise.

Anders bei der zeitlich darauf folgenden Arbeit, einem Kelch in Neustadt von 1658 (III, 285). Hier erscheint das Kreuz des Stadtzeichens in der Art der Weihekreuze stark geschweift. Das S L ist ganz zweifellos. Nach langer Pause erscheint die nächste Arbeit erst aus dem Jahre 1672. Hier ist der Schwanz des R bereits vorn an den S =Bogen herangetreten, so daß nunmehr das Monogramm ganz deutlich als R S L zu lesen ist. Es sind zwei Leuchter in Goldenstädt, der eine von 1672, der andere von 1677 (II, 671), die dieses Monogramm aufweisen, und ebenso ein Leuchter in dem benachbarten Sülte ohne Jahresangabe (II, 672), sowie ein Kelch zu Wamckow ohne Jahr (IV, 181). Als letztes Werk schließt sich diesem noch an ein Kelch zu Parum bei Wittenburg aus dem Jahre 1681 (III, 78), an dem allerdings Schlie das Monogramm A S L las. Bei dem Sülter Leuchter hatte er das Monogramm L S R aufgelöst.

Zum Schluß ist noch der Kraaker Leuchter von 1687 mit dem Monogramm S L anzuführen. Zum Unterschied von den älteren Arbeiten Simerlings, die Meisterzeichen und Stadtzeichen im Kreise wiedergeben, stehen beide in einem hochstehenden Oval mit einem Rande von Punkten umgeben. Ich möchte, wie schon gesagt, das Zeichen der Witwe Anna Maria Simerling, geb. Timmermann, darin erblicken, die zugunsten ihres heranwachsenden Sohnes Friedrich Lorenz Simerling, geb. 31. Juli 1672, das Geschäft des verstorbenen Mannes weiterführte. 2 )


2) ) Das gestattete schon die Rostocker Zinngießerrolle von 1482 bei dem Vorhandensein eines Sohnes. Vgl. Jahrb. LIII, S. 165, § 8.
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Im Jahre 1697 erscheint die Witwe noch als erste bei einer Bittschrift der Schweriner Amtsmeister. Am 29. August 1699 wurde ihr Sohn Friedrich Lorenz Simerling Bürger, am 19. September 1699 verheiratete er sich mit Margarete Elisabeth Schultz, die noch 1741 in der Königstraße als Witwe wohnte.

Die diesem Simerling zuzuweisenden Arbeiten teilen sich in 3 Gruppen, wenn man den Schlie'schen Angaben genügend trauen kann. Die größte Gruppe zeigt die Stempel im Kreise, den Meisterstempel mit den Buchstaben F L S über, und den Zahlen 99 unter einem in der Mitte stehenden Stern. Den Stern gibt Schlie meist als SechsstrahIig, doch auch als fünfstrahlig wieder, er hat offenbar bei der Besichtigung diesem Umstande keine Wichtigkeit beigemessen.

Dieser Gruppe sind nun zuzuzählen: Leuchter von Sülte (II, 672); von Sukow (III, 339); von Goldenstädt (von 1705; II, 671); 3 Leuchter von Ruest (von 1702, 1703 und 1725; IV, 378); 2 Leuchter von Marsow (wo Schlie 1663 las; III, 93); 2 Leuchter von Hohen=Viecheln (gestiftet 1841, also wohl alt gekauft, von Schlie als C.L.S. gelesen; II, 294); ein Krankenkelch von Demen (III, 347). Eine zweite Gruppe hat die Zeichen wie die erste, aber rechts und links neben dem Stern finden sich Zutaten, einmal Punkte bei zwei Leuchtern in Kirch Jesar (in, 19), einmal Sterne bei zwei Leuchtern von Wessin (III, 362), einmal Blümchen bei zwei Leuchtern von Dabel (IV, 174). Leider sind alle diese 6 Stücke nicht zu datieren. Ob die Zutaten ähnlichen Ursachen ihr Dasein verdanken, wie die im Jahrbuch LIII, S. 162 geschilderten Stempelveränderungen Rostocker Zinngießer, also Rügen seitens der Zunft? Möglich wäre es ja auch, daß sie der Zeit entstammten, da die Witwe das Geschäft des Mannes weiterführte. Wie es sich endlich mit der nur aus einem Stück bestehenden dritten Gruppe verhält, ist ebenso unklar. Es ist das ein Leuchter aus Lübtheen vom Jahre 1703. Er zeigt (nach Schlie) hochstehende ovale Stempel, das Kreuz mit einem Perlenrande umgeben, unter den Buchstaben F L S und dem Sechsstrahligen Stern die Zahlen 96. Das letztere ist jedenfalls irrige Lesung (III, 147).

Das Aktenstück vom Jahre 1697, das Anna Maria Simerling als erste Meisterswitwe nannte, führte als dritten Amtsmeister Caspar Mewes auf. Er war nicht in Schwerin, sondern in Parchim ansässig, wo er 1696 und 1701 aktenmäßig zu belegen ist.

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Im gleichen Jahre mit dem jüngeren Simerling, einige Monate früher, hatte sich ein Paul Pletzky aus Oldenburg (wohl in Holstein) gebürtig, als Zinngießermeister in Schwerin niedergelassen, 27 Jahre alt. Am 28. April 1699 wurde er als Bürger aufgenommen und am 16. Mai 1699 heiratete er Ilse Margarete geborene Schumacher, die Witwe des jüngsten Berend Timmermann, die ihm zur Meisterschaft verhalf. Pletzkys Werkzeichen ist von Schlie (IV, 147) wiedergegeben. In der Mitte ist ein mit einer Hausmarke verbundenes großes P, neben dem rechts und links die Buchstaben P - I stehen, darunter die Zahl 1699. Es sind zwei Leuchter in der St. Jürgen=Kapelle zu Sternberg, beide aus dem Jahre von Pletzkys Meisterschaftsgewinnung, die dieses Zeichen tragen. Dieses sind anscheinend die einzigen Arbeiten Pletzkys, die sich erhalten haben, er ist schon früh - aber erst nach 1714 - von dem Zinngießerhandwerk zur Kaufmannschaft übergegangen und starb als Kaufmann im Jahre 1752. Sein Name hat sich noch lange in dem Namen eines alten Befestigungsturmes, des Plötzenturmes in der Engen Straße erhalten, der einst zu seinem Besitztume gehörte. (Vergl. Fromm, Chronik von Schwerin, S. 278, 281).

Pletzkys Niederlassung hatte in kurzer Frist eine weitere Meisterschaft zur Folge. Am 7. April 1705 wurde der 29 Jahre alte Joachim Lemff aus Lübeck Bürger und heiratete am 1. Mai 1705 die Schwester Pletzkys, Maria Magdalena Pletzky. Lemffs Werkzeichen, die kursiven Buchstaben J L über einem fliegenden Adler und der Jahreszahl 1705 findet sich bei Schlie II, 671 an einem Leuchter von 1715 zu Goldenstädt und III, 337 an einer Patene zur Krankenkommunion zu Pinnow. Wenn es richtig ist, daß - wie Schlie es angibt - das Stadtzeichen dieser Patene in den Kreuzeswinkeln die Jahreszahl 1765 enthält, ebenso wie der dazugehörige Kelch aus dem Jahre 1777, so kann das nur auf eine nochmalige Überarbeitung nach 1765, oder auf einen Erwerb nach dieser Zeit aus dritter - Zinngießers - Hand schließen lassen. Diese Angabe der Jahreszahl 1765 auf dem Stadtzeichen läßt voraussetzen, daß man damals Bestimmungen über den Feingehalt des Zinns traf, die den Zusatz dieses Stempels bei den der Neuordnung gemäßen Arbeiten verlangten.

Im Domkirchenbuch erscheint Lemff zuletzt im Jahre 1721. Im Jahre 1725 heiratete, wie wir sehen werden, seine Witwe wieder.

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In das Jahr 1721 fällt die nächste Meistergewinnung. Jacob Heinrich Schumacher, von der Schelfe gebürtig, gewann am l. Dezember 1721 das Bürgerrecht, nachdem er bereits am 20. November 1721 Katharine Elisabeth Klatt geheiratet hatte, die am 24. Februar 1750 starb. Er war bei der Bürgergewinnung 24 Jahre alt, es kann uns also nicht wunder nehmen, wenn das Häuserverzeichnis von 1768 ihn noch als "vor der Schelfe" (also auf Domkapitelgebiet) wohnend aufführt, und wenn wir aus dem Domkirchenbuch lernen, daß er am 17. Mai 1777, 79 1/2 Jahre alt, verstarb.

Schlie gibt einige Werke von ihm an, das älteste, gezeichnet mit I H S über einer Sechsblättrigen Rose, darunter 1721, die übrigen mit I H S und der Marke des englischen Zinns. Das älteste Werk Schumachers sind zwei Leuchter von 1736 in Tramm (Schlie III, 374). Die übrigen sind: zwei große Leuchter in Klink von 1739 (V, 390); 2 Leuchter in Melz von 1747 (V, 565): eine Kanne in Alt Karin von 1752 (III, 539) und Kelch und Patene in Demen von 1761 (III, 347). Daß Schlie bei diesen Stücken die Meisterbuchstaben mit J H S statt I H S , wie sonst, wiedergibt, ist wohl nur eine Ungenauigkeit. Drei Söhne Schumachers folgten ihm im Handwerk nach: Joachim Georg Heinrich Schumacher, getauft am 24. Oktober 1724, Conrad Baltasar Schumacher, getauft am 4. Juli 1734, und Christian Andreas Schumacher, geboren am 29. Mai 1744, der es aber nur zum Gesellen bringen konnte. Ersterer heiratete, noch als Gesell, 6. Mai 1765 zu Uelitz Dorothea Charlotte Elisabeth Clasen und wohnte mit ihr auf der Schelfe. Wie lange, das war nicht festzustellen. Conrad Baltasar war zweimal verheiratet (beide Male anscheinend auswärts getraut, da der Familienname der beiden Frauen, die Schwestern waren, Paplowitz, hier gänzlich unbekannt ist). Er wohnte in des Vaters Hause in der Altstadt, ließ aber 1768 am 13. August einen Sohn in der Schelfkirche taufen, da die Domprediger ihn wegen seiner zweiten Heirat vom Abendmahle zurückgewiesen hatten. 1774 war aber der Frieden mit der Domgeistlichkeit wiederhergestellt und Schumacher ließ wieder in der Altstadt taufen. Am 2. Mai 1779, nur zwei Jahre nach dem bejahrten Vater, wurde Conrad Baltasar Schumacher beerdigt. Seine Witwe, Sophia Hedwig, geb. Paplowitz, heiratete am 16. Juni 1780 Johann Christian Kiepke von hier, der, 1750 am 8. März in der Domkirche getauft, noch im Jahre 1819 in der 3. Wasserstraße

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(jetzt Lützowstraße) auf der Schelfe wohnt, wo er schon am 26. Mai 1780 das Bürgerrecht erworben hatte. Er hatte sich inzwischen, nachdem seine Frau 1784 im Februar gestorben war, am 3. August 1785 in zweiter Ehe mit der 1766 am 2. April im Dom getauften Christine Marie Sophie Ridder vermählt. Kiepke starb am 27. Oktober 1820. Die Witwe hat anscheinend nur kurze Zeit das Geschäft fortgeführt.

Weder von den beiden jüngeren Schumachers noch von Kiepke sind Werke nachzuweisen.

Der nächstfolgende Meister nach dem älteren Schumacher heiratete wieder eine Meisterswitwe. 1725 am 10. April wird Conrad Friedrich Beusmann, aus Verden an der Aller gebürtig, im 23. Lebensjahre Bürger und am 17. April 1725 heiratete er die sicher bedeutend ältere Witwe Joachim Lemffs, Maria Magdalena Pletzky. Sein Werkzeichen ist 17 C F B 25 oben im HaIbkreise verteilt und darunter ein Pelikan, der sich Brustfedern ausrupft. So ist es auf einem kleineren Zinnteller in Tramm (Schlie III, 374), und auf zwei Altarleuchtern in Toddin (III, 8). Die Marke des Englischen Zinns und die Buchstaben C F B und 1725 zeigen zwei Leuchter in Schlön von 1729 (V, 361). Beusmann wohnte am Markte bis etwa 1745. Er war zuletzt sehr verarmt und dem Schwager und Amtsgenossen Pletzky verschuldet, was noch seine Witwe, die erst 1757 starb, und seinen Sohn in Prozesse verwickelte. Bis zur selbständigen Niederlassung des Sohnes (1749) hatte die Witwe das Geschäft des Mannes weitergeführt, dann hatte der Sohn sie zu sich genommen.

Fünf Jahre nach Beusmaun ließ sich Christian Gottlieb Pohlmann als Meister nieder. Er war aus Wismar gebürtig und wurde am 15. April 1730 Bürger der Altstadt und heiratete am 14. November 1730 Anna Dorothea Viereck, die im Jahre 1749 wieder verstarb.

Am 20. April 1751 heiratete er zum zweiten Male, und zwar eine Witwe Marie Elisabeth Krasemann, geb. Geller. Es war die Witwe des Buchbinders Balthasar Daniel Krasemann, der im November 1748 gestorben war.

Pohlmanns Werkzeichen war ein Ritter mit gezücktem Schwerte, daneben die Jahreszahl 17-30, darüber im Halbkreise die Buchstaben C G P M . So findet es sich bei Schlie (II, 681) auf drei hohen Altarleuchtern in Stralendorf von 1756, und ebenso auf einem Altarleuchter in Sukow (bei Crivitz) von 1766, wo das Stadtzeichen wieder mit den Jahreszahlen 1765 in den

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Winkeln erscheint. Daß Schlie (II, 594) einen Zinnteller in der Schloßkirche mit den Buchstaben C G D N , der Jahreszahl 1730 und dem Ritter gezeichnet sein läßt, ist wohl auf eine flüchtige Lesung zurückzuführen.

Pohlmann, der 1741 zur Miete in einem Hause auf Kapitelsgebiet wohnte, besaß 1749 ein Haus in der Mühlenstraße (jetzt Schloßstraße), und 1763 ein Haus in der Schmiedestraße. Im Juli 1766 ist er gestorben. Seit 1773 erscheint eine Zinngießerwitwe Pohlmann unter den Bittstellerinnen bei Herzog Friedrich. 1778 wird ihr Aufenthalt in Krasemanns Hause auf dem kleinen Moor angegeben. Erst am 4. Januar 1779 wurde sie beerdigt. Ihr Sohn erster Ehe Joachim Friedrich Krasemann, getauft 17. April 1746, heiratete am 22. Oktober 1771 Magdalene Dorothea Becker und machte sich hier als Zinngießer ansässig. 1780 erhielt er das Hofprädikat. Nach dem Tode seiner Frau heiratete er am 20. Oktober 1783 eine Stralsunderin, Dorothea Steumann, die jedoch am 28. August 1791 wieder verstarb. Er selber starb am 9. November 1802.

Im Jahre 1781 hatte seine Heirat eine weitere nach sich gezogen. Joachim Friedrich Gottlieb Pohlmann, der schon 1780 im Oktober bei einem Sohne Krasemanns Taufzeuge gewesen war, heiratete (als Zinngießer in Wismar, woher er auch wohl stammte) am 20. Februar 1781 in der Domkirche eine Anna Magdalene Dorothea Becker, Tochter des Tischlers Christoph Becker, jedenfalls eine Verwandte (Nichte) der beinahe gleichnamigen Frau Krasemanns. Schon 1786 muß Pohlmann von Wismar nach Schwerin übergesiedelt sein. Doch hat er es nicht zu hohem Alter gebracht, bereits am 30. Mai 1791 erlag er im 37. Jahre der Auszehrung. Seine Witwe heiratete bereits am 29. November 1791 wieder den aus Mirow im Strelitzschen stammenden Zinngießer Johann Heinrich Christoph Drebing, der, zuerst in der Altstadt wohnend, dann 1804 auf die Schelfe (Spieltorstraße) übersiedelnd, der Stammvater der ausgebreiteten Zinngießer=Familie Drebing wurde, von der noch heute Nachkommen in Schwerin ansässig sind.

Im Jahre 1737 machte der Sohn des Joachim Lemff, namens Johann Friedrich Lemff (geboren 22. September 1711) sein Meisterstück. Sein Werkzeichen, I F L 1737 und dazwischen einen fliegenden Vogel (Taube) enthaltend, gibt das Jahr 1737 als Jahr der Meistergewinnung an. Bürger wurde Lemff erst am 13. Mai 1738, nachdem er bereits am 21. Februar 1738 Anna Christine Beusmann geheiratet hatte,

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wohl die Schwester seines Stiefvaters C. F. Beusmann. Werke von ihm sind bei Schlie II, 665 (3 Altarleuchter zu Consrade von 1744), III, 344 (zwei Leuchter zu Vorbeck von 1741) verzeichnet. An erstgenannter Stelle hat Schlie fälschlich L . F . L gelesen. Über seinen Namen konnte man in Schwerin nicht recht ins Klare kommen, trotzdem schon sein Vater hier ansässig gewesen war. Im Bürgerbuche war er ursprünglich als Lemme eingetragen, dieses ist aber in Lemcke verschlimmbessert und so blieb sein Name von Bestand. Während er im Domkirchenbuch bei seiner Trauung als Lemff verzeichnet war, starb er nach den Registern der gleichen Gemeinde als Zinngießer Lemcke und wurde als solcher am 27. Juni 1755 beerdigt. Zum Besitze eines eigenen Hauses hatte er es nicht gebracht.

Im Jahre 1744, am 20. Oktober, heiratete der Zinngießer Georg Andreas Schütt die Jungfrau Leonore Dorothea Kohlhase. Damit tritt uns der Zinngießer entgegen, dem der Leuchter von 1751 in Tramm zuzuschreiben ist, den Schlie III, 374 erwähnt. Das Wertzeichen ist ein Schütz mit den Buchstaben darüber: G A S . Am 24. Juni 1753 wurde dem Ehepaare ein Sohn, Georg Gottlieb Schutt, geboren, der im 24. Jahre, am 18. April 1777, sich mit Maria Dorothea Klocksien aus Lübeck vermählte und als Meister in Schwerin niederließ. Sein Werkzeichen findet sich bei Schlie III, 337 (Krankenkelch in Pinnow): Ein Anker, neben dem oben die die Jahreszahl 17-77, unter dem die Buchstaben G G S stehen. Schlie las G C S , doch einen so benannten Meister gab es nicht in Schwerin. Auch die zwei Kelche und das Taufbecken zu Pampow mit der Marke des Englischen Zinns und G S 1777 (Schlie II, 678) dürften von ihm herstammen. Der Klocksien folgte nach ihrem 1783 im Kindbett erfolgten Tode als zweite Frau Maria Magdalena Wolff, deren drei Kinder aber nicht am Leben blieben. Schütt wohnte noch 1791 in der Schmiedestraße.

Im Jahre 1749 erwarb der am 13. Juni 1726 getaufte älteste Sohn C. F. Beusmanns, Johann Carl Beusmann, das Bürgerrecht, wenigstens heiratete er am 25. November dieses Jahres Maria Elisabeth Schütz. Wie sein Vater führt auch er den Pelikan im Werkzeichen, darüber die Buchstaben und Zahlen 17 I C B 49 . So müssen wir den bei Schlie III, 369 vorkommenden Stempel zweier Leuchter in Ruthenbeck wohl lesen, nicht 40, wie Schlie es tat. Daß wir auch den bei Schlie III, 19 aufgeführten Leuchter von 1757 zu Kirch=

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Jesar mit der Englisch=Zinn=Marke und " C I B " ihm zuschreiben müssen, und wohl I C B vermuten, wird der auf dem Meisterzeichen vorkommende Pelikan genügend rechtfertigen. Der jüngere Beusmann wohnte 1768 und noch 1785 an der Ecke der Schusterstraße und Engen Straße. Er wurde am 12. Februar 1786 beerdigt. 1788 starb seine Witwe.

Am 17. Januar 1787 heiratete sein am 26. Februar 1754 geborener Sohn Joachim Heinrich Wilhelm Beusmann eine Gadebuscherin, Barbara Maria Elisabeth Holz. Von den mit ihr erzielten drei Söhnen Beusmanns wird 1819 noch Friedrich Johann Samuel Beusmann genannt, damals 30 Jahre und unvermählt bei der Mutter und dem Stiefvater lebend. Seit 1830 selbständig, hatte Friedrich Beusmaun bis zu seinem am 15. Juni 1843 erfolgenden Tode ein eigenes Geschäft in der Engen Straße. Seine Witwe führte es bis 1850 fort. Seit 1858 erscheint der Name H. C. F. Beusmann wieder unter den Schweriner Zinngießern bis zum Jahre 1878. Dem älteren Heinrich Beusmann († 1794) können die bei Schlie IV, 163 angegebenen Werke angehören, oder seinem Enkel, dem H. C. F. Beusmann. Die IV, 551 genannten Leuchter in Granzin von 1864 entstammen sicher dem Geschäfte des letztgenannten.

Heinrich Beusmann starb am 17. Juli 1794 und seine Witwe heiratete am 2. September 1795 Christian Friedrich Capheim aus Neubrandenburg, einen sechs Jahre jüngeren Mann, mit dem sie noch drei weitere Söhne hatte. 1819 lebte von diesen der älteste, Johann Heinrich Gottfried Capheim, geboren 17. Dezember 1795, im Vaterhause in der Schusterstraße, selbst seit kurzer Zeit mit einer Henriette Hasse aus Polzin in Pommern verheiratet. Der Vater Capheim war 1802 nach Krasemanns Tode zum Hofzinngießer ernannt. Der Sohn erbte dann auch dieses Hofprädikat. Der Name Capheim erscheint unter den Zinngießern in Schwerin bis zum Jahre 1848 einschließlich. Damals wird der jüngere Capheim gestorben sein. Seine Witwe erscheint noch im Jahre 1850 im Adreßbuch, 1852 aber schon nicht mehr. Werke eines der beiden Capheims sind nicht bekannt.

Auf den Johann Carl Beusmann, der 1749 sich hier niederließ, folgte 1750 Carl Friedrich Burmeister von hier, der am 23. November 1751 Hochzeit mit Regina Dorothea Kaven machte. Von seinen zahlreichen Söhnen scheint nur der dem

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Vater gleichnamige, am 6. Dezember 1767 geborene Carl Friedrich Burmeister am Leben geblieben zu sein. Ihn finden wir noch 1819 als unvermählt im elterlichen Hause in der Mühlenstraße (jetzigen Schloßstraße) mit einer Schwester zusammen als Zinngießer wohnhaft. Er starb nach dem Domkirchenbuch am 25. August 1835.

Dem älteren Carl Friedrich Burmeister gehört wohl der Stempel der drei Becher in Stralendorf an, den Schlie II, 681 wiedergibt mit C F B A    SVEN 1750 . Das war ja das Jahr seiner Niederlassung als Meister. Dem jüngeren Carl Friedrich Burmeister müssen dann wohl die Zeichen Inschrift 1815 bei Schlie III, 331 (Taufbecken in Crivitz) und Inschrift mit dem Kreuz und 1814 (Schlie III, 17, Leuchter in Warsow) zugeteilt werden. 3 )

Näher auf die Zinngießer des 19. Jahrhunderts einzugehen, als oben im Zusammenhange mit der älteren Zeit geschehen ist, scheint den erhaltenen Arbeiten gegenüber nicht erforderlich zu sein. Das Zinngießergewerbe des neunzehnten Jahrhunderts trug schon den Keim des Todes in sich, den die veränderten Kulturverhältnisse, vor allem die so ungemein gesteigerte Porzellan= und Fayence=Industrie ihm eingeimpft hatten. Klagt doch schon im Jahre 1820 ein Gnoiener Zinngießer: "Ich widmete mich im Jahre 1795 unglücklicher Weise meinem Gewerbe als Zinngießer. So blühend es in damaligen Zeiten war, so sehr kam es in Verfall durch Einführung der so allgemein beliebten Fayence; denn in keiner Haushaltung bedient man sich anjetzt der Zinnarbeiten, und die Arbeiten, die dem Landmanne noch unentbehrlich sind, kauft er gewöhnlich da, wo er seine Produkte hinbringt, und zwar aus hiesiger Gegend in Rostock. Wie unbedeutend der Absatz von Zinnwaren aber auch dort sein müsse, beweist dies hinreichend, daß seit vielen Jahren nur zwei Zinngießer sich dort befinden, die ebensowenig Gesellen als Lehrlinge halten."


3) Den Stempel mit dem Monogramm C T B (so Schlie III, 339) auf dem Sukower Leuchter von 1764 ihm zuzuschreiben, könnte das Stadtzeichen (gekröntes Kreuz) verleiten. Indessen ist auch der bei (Schlie II, 504 erwähnte Stempel auf Mühleneichsener Leuchtern mit dem gekrönten Kreuz und den Buchstaben I M K von 1755 in Schwerin nicht unterzubringen. Ein Stenogramm C F B mit der Zahl 1787 und dem Stadtstempel von Neustadt findet sich übrigens bei Schlie II, 669 (Leuchter in Mirow bei Schwerin).
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Wie fast überall, so hat auch in Schwerin das Zinngießergewerbe als Zunft die Mitte des 19. Jahrhunderts kaum überdauert. Im Jahre 1852 löste die Schweriner Zinngießerzunft als solche sich auf. Und wenn auch die Zinngießer sich mit verwandten Gewerbetreibenden: Gelbgießern, Gürtlern, Nadlern, Kupferschmieden zu einer Innung zusammentaten, den Verfall des Handwerks konnte das nicht aufhalten. Auch diese Innung von 1852 ist bereits dahin. Ihre Papiere werden bei der Mecklenburgischen Handwerkskammer aufbewahrt. Dagegen scheinen die Papiere der alten Zunft bei ihrer Auflösung verloren gegangen zu sein, so daß ich ausschließlich auf das Archiv und die vorhandenen Werke bei dieser Ausarbeitung angewiesen war.




Verzeichnis der besprochenen Zinngießer-Meisterstempel.
A S L
B M
B T M
C F B
C F B A
C G D N
C G P M
C I B
C L S
116.
113.
113. 114.
120. 124.
124.
121.
120.
123.
117.

D T M
F L S
G A S
G C S
G G S
G S
H O B
I C B
I F L
113.
117.
122.
122.
122.
122.
115.
122.
121.

I H S
I L
L F L
L R S
P P I
R S L
S I
S L
119.
118.
122.
116.
118.
115. 116.
116.
115. 116.




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Namen der Zinngießer.
Beusmann, Conrad Friedrich 120.
   -, Friedrich Johann Samuel 123.
   -, Heinrich Conrad Friedrich 123.
   -, Joachim Heinrich Wilhelm 123.
   -, Johann Carl 122.
Burmeister, Carl Friedrich I, 123.
   -, Karl Friedrich II, 124.
Capheim, Christian Friedrich, 123.
    -, Johann Heinrich Gottfried, 123.
Drebing, Johann Heinrich Christoph, 121.
Kiepke, Johann Christian, 119.
Krasemann, Joachim Friedrich, 121.
Lemff, Joachim, 118.
   -, Johann Friedrich (Lemcke), 121.
Mewes, Caspar, 117.
Moller, Adam, 115.
Oldenburg, Hans, 114.
Pletzky, Paul, 118.
Pohlmann, Christian Gottlieb, 120.
   -, Joachim Friedrich Gottlieb, 121.
Polemann, Markus I, 111, 114.
   -, Markus II, 114.
Schumacher, Christin Andreas, 119.
   -, Conrad Baltasar, 119.
   -, Jakob Heinrich, 119.
   -, Joachim Georg Heinrich, 119.
Schütt, Georg Andreas, 122.
   -, Georg Gottlieb, 122.
Simerling, Anna Maria, 116.
   -, Friedrich Lorenz, 117.
   -, Rupert (Röpke), 115.
Sültemann, Heinrich, 115.
Timmermann, Berend I , 111, 113.
   -, Berend II, 112, 113.
   -, Berend III, 112, 114.
   -, Gerdt, 112.
   -, Zacharias, 112.


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IV.

Die direkten Steuern
der Stadt Rostock im Mittelalter.


Von

Dr. Wilhelm Staude-Rostock.


Vignette
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Die Quellen der Untersuchung.

Die ersten vorliegenden Nachrichten über eine direkte Steuer in Rostock stammen aus den Jahrzehnten vor und nach 1300. Sie werden in einem vorbereitenden Abschnitt unserer Untersuchung ("Erstes Vorkommen einer direkten Steuer") verwertet und können nur dienen, das Vorhandensein einer ordentlichen direkten Steuer nachzuweisen. Eine solche wird darin erwähnt wie eine vollkommen selbstverständliche Sache; über die Art der direkten Steuer jedoch wird gar nichts Programmatisches ausgesagt. Es handelt sich um Stadtbucheinträge und Urkunden verschiedenen Inhalts, die - durchweg im Mecklenb. Urkundenbuch - gedruckt vorliegen.

Den Hauptabschnitten der Untersuchung liegen in erster Linie Quellen aus den Jahrzehnten vor und nach 1400 zugrunde, und zwar teils gedruckte (Meckl. Urk.=Buch, Hanserezesse, Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, Rostocker Programm), teils ungedruckte, die ausnahmslos im Rostocker Ratsarchiv aufbewahrt werden. Man kann unter ihnen folgende Gruppen unterscheiden:

I. Akten, d. h. amtliche Aufzeichnungen jeglicher Art, welche irgendwie die direkte Steuer (Schoß) betreffen, und zwar:

a) Schoßbücher (Papier, Oktav). Das Schoßbuch eines jeden Jahres gliedert sich in zwei Teile: 1. Eine vollständige Liste der steuerpflichtigen Personen und der von den einzelnen Personen gezahlten Steuerbeträge. 2. Ein Verzeichnis aller im Laufe der Steuererhebungszeit eingegangenen Summen. 1 )


1) Folgende Schoßbücher sind für die vorliegende Untersuchung benutzt worden: 1342/3: Noch Pergament. Meckl. Urk.=Buch Bd. 9, Nr. 6173. 1382/3: Vollständig gedruckt Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741. 1384/5: ungedruckt. Für die folgende Untersuchung genügen die Mitteilungen im Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Seite 500. 1385/6: Vollständig gedruckt Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741. (  ...  )
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b) Rollen (Pergament). Das sind Jahresrechnungen der einzelnen Ratsämter, enthaltend Einnahmen und Ausgaben. Im Unterschied von allen übrigen verzeichnen diejenigen Rollen, welche die direkte Steuer (Schoß) betreffen, im einzelnen lediglich die Ausgaben vom Schoß, während über die Einnahmen vom Schoß, wie eben erwähnt, ein eigenes Buch geführt wird. 2 )

c) Das Rechnungsbuch (Liber computationum. Ungedruckt. Rostocker Ratsarchiv). Das ist eine vorwiegend verwaItungsgeschichtliche Quelle und darum wichtig für den letzten Abschnitt ("Die Erhebung der Steuer"). Es zerfällt in mehrere Teile, von denen nur der zweite in Betracht kommt. Darin ist beinahe vier Jahrzehnte hindurch (1410/1 bis 1448/9), alljährlich um den 22. Februar herum, das Fazit (Plus oder Minus) eingetragen worden, mit dem die einzelnen Ratsämter ihre Jahresrechnung (Rolle) abgeschlossen haben; jedesmal folgt ein Vermerk, wie der Überschuß eines Ratsamtes anderweitig verwendet und wie der Fehlbetrag eines Ratsamtes gedeckt worden ist. 3 )


(  ...  ) 1387/8: Ungedruckt. Vgl. Anmerkung 100. 1388/9: Ungedruckt. Darin Schoß 1388/9 und pecunia marcalis 1389/90. Vgl. darüber unten Text zu den Anmerkungen 55 ff. Mitteilungen aus dem Schoßbuch im Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 12 142. 1389/90: Ungedruckt. Da einige Blätter, Anfang und Schluß des Buches, nicht vorhanden sind, so fehlt hier u. a. die Summe aller Einnahmen. Vgl. Anmerkungen 56 a und 57 a. 1404/5: Ungedruckt. Für die folgende Untersuchung genügen die Mitteilungen Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Seite 500. 1418/9: Ungedruckt. 1421/2: Ungedruckt. 1422/3: Ungedruckt. 1423/4: ungedruckt. Das Meckl. Urk.=Buch nennt die betreffenden Bücher "Schoßregister"; auch im Rostocker Ratsarchiv, wo sie aufbewahrt sind, werden sie so bezeichnet. Wenn dafür hier der Ausdruck "Schoßbücher" gebraucht wird, so entspricht das den vorliegenden Quellen, wo durchweg von dem schotbok (liber collecte) die Rede ist. Vgl. unten Anmerkung 92 und den Text zu den Anmerkungen 89 und 90.
2) Wenn die Jahresrechnungen hier als "Rollen" bezeichnet werden, so geschieht das wiederum auf Grund der Quellen. Vgl. unten Anmerkung 83 und den Text zu den Anmerkungen 89 und 90. Der Ausdruck "Schoßrolle" kommt allerdings nicht vor, während durchweg vom Schoßbuch gesprochen wird.
3) Es wird in der folgenden Untersuchung nicht jedesmal angegeben, daß das Rechnungsbuch eine ungedruckte Quelle ist und sich im Rostocker Ratsarchiv befindet, sondern einfach vermerkt: Rechnungsbuch Fol. x. Vgl. zu dem Rechnungsbuch übrigens die Bemerkungen Meckl. Urk.=Buch Bd. 13, Seite 8 f. der Einleitung.
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II. Ratsbeschlüsse. Es ist die Regel, daß allein der Rat über die direkte Steuer beschließt. So liegen denn verschiedene Ratsbeschlüsse, welche die Steuer betreffen, vor.

a) Der Ratsbeschluß von 1367. Juni 23. Darin ist nur von einem einzelnen Steuerobjekt (Leibgeding) die Rede. 4 )

b) Die Bürgersprache. In der Bürgersprache, deren ältester vorliegender Text noch gerade dem 15. Jahrhundert angehört, ist unter anderem die alljährlich (1. November) wiederholte Schoßverkündigung enthalten. Ihr jedesmaliger Inhalt (wir verkündigen euch soundsoviel Schoß) wird vielleicht in erster Linie durch die Gewohnheit langer Zeiten bestimmt und unterliegt daher Jahre hindurch keiner Veränderung. Jedenfalls ist es ungewiß, ob etwa von Zeit zu Zeit ein Ratsbeschluß die Gewohnheit durchbrochen hat; sicher ist nur, daß dies am Beginn des 15. Jahrhunderts ein Beschluß getan hat, der kein Ratsbeschluß ist. 5 )

c) Der Ratsbeschluß von etwa 1530. Er nimmt, soviel man sieht, auf alle Gegenstände Bezug, die von der Steuer getroffen werden. 6 )

III. Beschlüsse über die direkte Steuer während der Rostocker Verfassungskämpfe. Anfang 15. Jahrhunderts. 7 ) In der Zeit der Verfassungskämpfe beschließt der Rat nicht wie sonst eigenmächtig


4) Meckl. Urk.=Buch Bd. 16, Nr. 9647 (1367. Juni 22). Das Datum: a. d. M° CCC° LX° septimo, feria quarta infra octavam corporis Christi, gehört einer vorangehenden Aufzeichnung (gedruckt a. a. O. Nr. 9646) an. Der oben erwähnte Ratsbeschluß ist zwar ohne eignes Datum, doch jedenfalls zur selben Zeit wie jene aufgezeichnet worden, was man aus der Schrift ersieht. Karl Koppmann äußert sich über den Inhalt des Ratsbeschlusses in den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock Bd. 2, Heft 3, Seite 12. Ebenda Anm. 2 wird das Datum, welcher das Meckl. Urk.=Buch ihm gibt, als "willkürlich hinzugesetzt" beanstandet. Koppmann sagt dafür: um "1367".
5) Die Rostocker Bürgersprache ist gedruckt in den Beiträgen zur Gesch. d. St. Rostock Bd. 4, Heft 2; die Schoßverkündigung Seite 51 (§ 15) und Seite 56. Während die Herbstbürgersprache (1. Nov.) den Schoß verkündet, wird in einer zweiten Bürgersprache am 22. Februar alljährlich die Ratsveränderung mitgeteilt.
6) herausgegeben von K. Koppmann, Beiträge z. Gesch. d. St. Rostock Bd. 2, Heft 3, Seite 12, mit einleitenden Bemerkungen. Wir nennen diese Aufzeichnung der Einfachheit halber in der folgenden Untersuchung stets den Ratsbeschluß von 1530.
7) Vgl. zum folgenden Rud. Lange, Rostocker Verfassungskämpfe bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Programm des Gymnasiums und des Realgymnasiums zu Rostock. 1888.
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über die direkte Steuer, sondern wird wiederholt an Beschlüsse gebunden, die in anderer Weise zustande gekommen sind.

a) Der Vertrag von 1416. Dezember 11. Seine Vorgeschichte ist, kurz gesagt, folgende. In der Stadt war 1409 innerer Zwist ausgebrochen. Neben den Rat trat ein Bürgerausschuß; der alte Rat verlor seinen Einfluß, wurde schließlich abgesetzt und ein neuer Rat an seine Stelle gewählt (1410). Nach langanhaltendem Streite einigten sich die Parteien, der alte Rat und der neue Rat und die Bürgerschaft, und schlossen unter Mitwirkung der Ratssendeboten aus befreundeten Städten jenen Vertrag miteinander ab. Der alte Rat übernahm wieder die Verwaltung der Stadt.

In dem Vertrage des Jahres 1416 ist ein Paragraph 8 ), welcher ungefähr der Schoßverkündigung entspricht, so daß deren Inhalt (wir verkündigen euch so und soviel Schoß) in den Jahren nach 1416 vermutlich durch den Inhalt jenes Paragraphen bestimmt worden ist. Für die Schoßverkündigung ist also diesmal nicht die Gewohnheit ausschlaggebend. Hier wird, wie schon angedeutet, die Gewohnheit der letzten Jahrzehnte durchbrochen - nicht etwa durch einen Ratsbeschluß, wie wahrscheinlich zu anderer Zeit und unter geordneten Verhältnissen, sondern eben durch jenen Vertrag der streitenden Mächte in der Stadt, welchem der wiederkehrende alte Rat sich unterworfen hat.

b) Der Bürgerbrief von 1428. Februar 22. Die Kämpfe um die Verfassung hatten wieder begonnen. Der alte Rat wurde abgesetzt und der neue Rat aus einen Bürgerbrief verpflichtet, den ein Bürgerausschuß verfaßt hatte.

In dem Bürgerbrief ist wiederum ein Paragraph 9 ), der inhaltlich ungefähr der Schoßverkündigung entspricht. Indem der Rat den Bürgerbrief anerkennt, verpflichtet er sich, was die Schoßverkündigung anbetrifft, zu der alten Gewohnheit zurückzukehren. Der Inhalt der Schoßverkündigung wird also nochmals durch einen Beschluß bestimmt, der dem Rate von einer andern Macht in der Stadt auferlegt worden ist.

Seitdem wird, soviel wir wissen, die Gewohnheit nicht wieder durchbrochen.



8) Hanserezesse, herausgegeben von K. Koppmann, Bd. 6 (1889). Nr. 321. § 3.
9) Herausgegeben von R. Lange a. a. O. Seite 27 ff. § 30 kommt in Betracht.
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Erster Abschnitt.

Erstes Vorkommen einer direkten Steuer.



Die erste Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist es, in den ältesten Quellen (etwa 1250-1350) eine städtische direkte Steuer überall da, wo sie vorkommt, aufzuzeigen.

Um 1260 erfährt man zum ersten Male von einer collecta, d. i. einer direkten Steuer, die von der Stadt erhoben wird. 10 ) Der Rat hat Darlehen in großer Menge aufgenommen. Hier und da wird bei der Gelegenheit aufgezeichnet: Jemand prestitit . . marcas. Illas delet, bezw. demit pro duabus collectis, bezw. pro tribus collectis. Das bedeutet: DieseIben Personen, die einen Anspruch an die Stadt haben, sind ihr gegenüber verpflichtet, collecta zu geben. 11 ) Beides kann gegeneinander ausgeglichen werden. 11a ) Die collecta erscheint somit bereits um jene Zeit als eine regelmäßig erhobene direkte Steuer; denn sonst kann man sich kaum vorstellen, daß die Stadt ihren Gläubigern gleichsam verspricht, bei der nächsten, übernächsten usw. collecta, welche sie geben müssen, jeweils einen Teil der ihnen geschuldeten Summe abzurechnen.


10) Beiträge z. Gesch. d. St. Rostock Bd. 3, Heft 1, Seite 29 ff.
11) Vgl. a. a. O. Seite 39: 14 diebus ante purif[icacionem] fratres de Yb[e]nth[orpe] dederunt coll[ectam] Frid[erici] de Stadh[en]. Also: collectam dare.
11a) Vergleicht man den hier vorliegenden Tatbestand mit dem in mehreren jüngeren Urkunden gegebenen (vgl. unten den Text zu den Anmerkungen 17 ff.), so bedeutet collecta an den obigen Stellen den Schoß von dem Standpunkte der schoßpflichtigen Person aus. Dafür spricht die Geringfügigkeit der einzelnen Darlehnsbeträge. Eine genauere Untersuchung (etwa auf Grund der Schoßbücher und Rollen aus der Zeit um 1400) würde jedenfalls ergeben, daß größere Beträge vom Schoß als der Summe aller Steuereinnahmen der Stadt zurückerstattet, geringere Beträge jedoch gegen den Schoß einer einzelnen Person verrechnet werden.
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Die collecta tritt wieder in einer Urkunde von 1279 12 ) auf: Ein Ritter erwirbt ein Grundstück, das bisher einem Bürger gehört hat, und übernimmt, was ausdrücklich festgelegt wird, unter anderen Bürgerpflichten, wie z. B. der vigilia, die Pflicht, für das Grundstück collecta zu geben; er darf es auch keinesfalls an einen anderen als einen Bürger weiter verkaufen. Zweierlei geht daraus hervor, nämlich daß die Bürger der Stadt grundsätzlich steuerpflichtige Personen sind und daß Grund und Boden das vornehmste Steuerobjekt ist. Die Stadt nimmt daher Bedacht, daß das Grundstück eines Bürgers womöglich steuerpflichtiger Gegenstand bleibt, auch wenn es in das Eigentum eines Nichtbürgers, der an sich nicht steuerpflichtig ist, übergeht.

Wenn eben die direkte Steuer als collecta bezeichnet worden ist, so erscheint sie ein ander Mal, ebenfalls unter den Bürgerpflichten, mit dem Namen tallia (tallie) 13 14 ), und eine Urkunde von 1315 15 ) fügt das entsprechende deutsche Wort hinzu: tallie, que schot communiter nuncupantur, und eine andere von 1358 16 ) sagt: collecta, dicta wlgariter schod. Die direkte Steuer heißt demnach collecta, tallia oder Schoß.

Schon um 1260 ist der Schoß, wie oben dargelegt, eine regelmäßig erhobene direkte Steuer; darum hat er denn Jahrhunderte hindurch eine gewisse Bedeutung im städtischen Schuldenwesen. 1284 17 ) empfängt die Stadt ein Darlehn (400 Mark) von einem Juden, der ja wahrscheinlich kein Bürger und darum nicht schoßpftichtig ist; er soll in proxima collecta ein Viertel der Schuld, in secunda collecta ein weiteres Viertel erhalten et sic de aliis collectis, bis er alles zurückbekommen hat. Jedes Mal alco, wenn die Stadt im Verlauf der nächsten Jahre Schoß erhebt - das geschieht, wie es scheint, in regelmäßiger Wiederkehr -, zahlt sie davon eine gewisse Summe an ihren Gläubiger.


12) Meckl. Urk.=Buch Bd. 2, Nr. 1480: Reimboldus . . vendidit domino Redago rniliti heredidatem suam tali pacto, quod de ea vigilet et collectam faciat et in ea, quod sibi competit, edificet et in ea ad dies vite sue commoretur; et si eam vendere voluerit, nulli eam vendere potest preterquam uni civium.
13) Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Nr. 3184 (1307). Vgl. Anmerkung 24.
14) Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Nr. 3144 (1307). Vgl. Anmerkung 23.
15) Meckl. Urk.=Buch Bd. 6, Nr. 3743 (1315). Vgl. Anmerkung 25.
16) Meckl. Urk.=Buch Bd. 14, Nr. 8547. Vgl. Anmerkung 45, Text.
17) Meckl. Urk.=Buch Bd. 3, Nr. 1756.
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Andere Darlehen 18 ), welche die Stadt gegen 1300 aufnimmt, sollen in prima collecta, de prima collecta zurückerstattet werden; sie sind aIso in noch höherem Grade kurzfristig als jenes von 1284.

Während Schoß hier die direkte Steuer von dem Standpunkte der Stadt aus, d. h. die Summe aller eingegangenen Steuerbeträge, bedeutet, handelt es sich in anderen Fällen um den Schoß von dem Standpunkte einer pflichtigen Person aus, d. h. den Steuerbetrag, welchen eine einzelne Person an die Stadt geben muß.

Ein erstes Beispiel hierfür liegt aus dem Jahre 1305 19 ) vor. Abermals wird der Stadt ein Darlehn gewährt; sie spricht dafür ihrem Gläubiger für ein paar Jahre einige ihrer Einnahmen zu; und außerdem: quantum dare debet annuatim pro tallia, similiter deputabit de dicta summa CCCL marcarum, quousque totam recipiat. Um ihre Schuld zu mindern, schlägt die Stadt hier dies Verfahren ein: Die Summe Schoß, welche der Gläubiger ihr jährlich geben müßte, wird mehrere Jahre nacheinander abgerechnet von der ihm geschuldeten Summe, so daß seine Schoßpflicht eine Zeitlang ruht.

Ein anderer Gläubiger (1311) 20 ) soll zwei Jahre hindurch gewisse Einnahmen der Stadt beziehen. Reicht das nicht aus, so kann der Rest der Schuld entweder inzwischen von der Summe Schoß, welche der Gläubiger jährlich geben muß, abgerechnet oder etwa im dritten Jahre bar zurückgezahlt werden. In jenem Falle würde der Gläubiger - hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten dar - vielleicht einmal oder zweimal weniger Schoß, als er eigentlich müßte, oder auch gar keinen Schoß zu geben brauchen.

Mit dem angeführten Satze (1305): quantum dare debet annuatim pro tallia, ist zum ersten Male ausgesprochen, daß jedes Jahr Schoß erhoben wird, der Schoß also die ordentliche direkte Jahressteuer ist.

Schoßpflicht ist, wie bemerkt, allgemeine Bürgerpflicht. Freilich wird bisweilen ein Bürger vom Schoß, wie von den


18) Meckl. Urk.=Buch Bd. 3, Nr. 2122 (1291) und Nr. 2262 (1294).
19) Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Nr. 2986. Vgl. ferner ebenda Nr. 3334.
20) Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Nr. 3334 Anmerkung: Civitas dimisit N. N. . . redditus . ., et ista ad duos annos . . . Residuum, quod de tallia sibi deputatum non fuerit medio tempore, hoc tercio anno eidem dabitur in parato. Vgl. ferner ebenda Nr. 3374.
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übrigen Bürgerpflichten, ausdrücklich befreit; so ein Arzt (1284) 21 ), einer, der in einer Schlacht Schaden erlitten hat (1284) 22 ), oder endlich ein Anwalt, welchen der Rat angestellt hat (1307) 23 ); aber darum gilt doch der Grundsatz, daß jeder Bürger Schoßpflichtig ist.

Als Steuerobjekt erscheint hauptsächlich Grund und Boden. Will die Stadt, daß der Ertrag der Steuer möglichst nicht verringert werde, so trifft sie vor allen Dingen Maßnahmen, die es verhindern, daß bisher schoßpflichtiger Grund und Boden durch den Übergang in fremdes Eigentum der Steuerpflicht vollkommen entzogen wird. Wie 1279 ein Grundstück, das ein Ritter von einem Bürger erwirbt, steuerpflichtig bleibt, so 1307 24 ) ein anderes, welches Eigentum eines Klosters (Heilig=Kreuz zu Rostock) wird: Die Leute, welche das Kloster darauf ansetzt, müssen die Bürgerpflichten auf sich nehmen, also vor allen Dingen Schoß geben. Ein anderes Kloster hingegen, Doberan, wird, was seinen Hof Klein=Doberan in Rostock anbetrifft, von alten Bürgerpflichten, selbst vom Schoß, vollständig befreit; nur muß es dafür jedes Jahr eine Mark an die Stadt entrichten, was, soviel man sieht, bis ins 15. Jahrhundert eingehalten worden ist. 25 )



21) Meckl. Urk.=Buch Bd. 3, Nr. 1709: a collecta et vigiliis.
22) Meckl. Urk.=Buch Bd. 3, Nr. 1719: a vigiliis et a collecta.
23) Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Nr. 3144: a vigiliis, talliis et aliis civilibus.
24) Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Nr. 3184: in vigiliis, talia et aliis quibuscunque civilibus iura civitatis observent.
25) Vgl. hierzu zunächst folgende Aufzeichnung in einem alten Kämmereiregister um 1270 (Meckl. Urk.=Buch Bd. 2, Nr. 1175): Doberacenses 1 marcam pro collecta. Ferner eine Bestätigungsurkunde (1315) des Rates der Stadt Rostock für das Kloster Doberan, worin es heißet (a. a. O. Bd. 6, Nr. 3743): ad conventus forenses, burgiloquia vel quelibet nostre civitatis edicta nequaquam possint (d. i. die Mönche und alle Bewohner des Hofes) evocari, sed nec ad exstructionem poncium, aggerum, fossatorum, nec ad vigilias nocturaas seu custodias valvarum, portarum, fortaliciorum vel murorum aliquod subsidium, nec tallie, que schot communiter nuncupantur, ab eis valeant exposci seu extorqueri, sed quod pro hiis omnibus in vigilia beati Martini episcopi unam marcam usualis monete, sicud hactenus inconcusse servatum est, nobis erogabunt. Endlich noch a. a. O. Bd. 19, Nr. 11 247, Seite 466 (Kämmereirechnung 1379/80): De curia Dobranensi I mr. Dieselbe Eintragung findet man in den Kämmereirechnungen vom Beginn des 15. Jahrhunderts.
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Zweiter Abschnitt.

Die ordentlichen direkten Steuern.



1. Terminologische Untersuchung:
Schoß == Vorschoß + Pfennige von der Mark
                                       (schossen, verschossen).

Das Wort Schoß, das in den älteren Quellen (um 1300) die ordentliche direkte Steuer bezeichnet, kommt in den Quellen der Folgezeit vor. So heißt es in der Bürgersprache 26 ): Unde alse id ene olt wonheit is, dat men juw in dessen dach dat schot plecht to vorkundigen. Das Wort kann, wie sich bereits gezeigt hat, in einem doppelten Zusammenhange verwendet werden. Zunächst bedeutet es die direkte Steuer von dem Standpunkte der Stadt aus: die Quellen reden von dem Schoß der Stadt. Z. B. das älteste vorhandene Schoßbuch (1342), dessen Überschrift lautet 27 ): Anno domini millesimo CCC° XL° secundo . . incepta est hec collecta nove civitatis Rozstoch. Ein um mehrere Jahre jüngeres Schoßbuch (1382/3) beginnt mit den Worten 28 ): Exactio sive collecta civitatis Rozstokcensis; und nachher heißt es darin: sedentibus ad collectam . . dominis . . dominus . . percepit infrascripta. Zwei einander entsprechende Beispiele in lateinischer und niederdeutscher Sprache aus dem 15. Jahrhundert sind folgende. 1421/2 29 ): sedentibus dominis ad collectam civitatis . . camerarius de collecta civitatis percepit infrascripta. 1424/5 30 ): N. N. kemerer


26) Vgl. Anmerkung 5.
27) Meckl. Urk.=Buch Bd. 9, Nr. 6173.
28) Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 412 u. 496.
29) Schoßbuch 1421/2 Fol. 47 b. Vgl. Anmerkung 1 und Anmerkung 109, Text.
30) Rechnungsbuch Fol. 42 a. Vgl. Anmerkung 3, Text.
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heft rekenscop ghedan van der stat schote van mennigerhand upboringe. Somit ergibt sich, daß die Stadt Schoß einnimmt. 30a )

Sodann bezeichnet das Wort Schoß die direkte Steuer von dem Standpunkte des Steuerpflichtigen aus: in den Quellen wird von dem Schoß eines Bürgers gesprochen. Hat es 1311 einmal geheißen 31 ): Residuum, quod de tallia sibi deputatum non fuerit, so findet man entsprechende Beispiele in dem folgenden Zeitraum. Die Stadt verkauft 1365 32 ) an zwei Personen redditus eisdem de collecta eorum civitati danda annuatim defalcandos. Eine entsprechende niederdeutsche Stelle (1421/2) lautet 33 ): Witlik sy, dat Henneke Wulf heft openbare bekant, dat em van dessem iare afgeslagen synt X mr. Rozst. penninge van syme schote van C mr. unde XXX marcis: so blivet em de stat noch in C unde XX marcis plichtich unde schuldich. Und schließlich wird in dem Ratsbeschluß von 1530 34 ) gesagt: Witlick sy dat eynem jewelken borger . ., so wanneer he syn schot uthgifft. Kurz: Der Bürger gibt Schoß, gibt seinen Schoß.

Der Begriff Schoß von dem Standpunkte der einzelnen pflichtigen Person aus bedarf indes einer genaueren Bestimmung. Eine solche gibt ihm etwa jener Paragraph des Vertrages von 1416 35 ), Worin es heißt: dat eyn itslich borgher . . in deme ersten jare . . na wonliker tiid utgeven scolen twelf Schillinge to vorschote unde van der mark 2 penninge; und in den anderen jaren dar negest volgende schal men 12 Schillinge to vorschote geven unde van der mark anderhalven penning. Mau erhält damit die Gleichung: Schoß (von dem Standpunkte der pflichtigen Person aus) == Vorschoß + Pfennige von der Mark. 35a )


30a) Der Begriff Schoß von dem Standpunkte der Stadt aus wird in den Quellen nicht weiter zerlegt. Während Schoß für die einzelnen schoßpflichtigen Perfonen zweierlei bedeutet, nämlich Vorschoß und Pfennige von der Mark (vgl. den folgenden Text), wird von dem Standpunkte der Stadt aus vom Schoß schlechthin gesprochen. Auch wird in den städtischen Schoßbüchern nur gebucht, wieviel Schoß der Einzelne gibt, nicht etwa wieviel Vorschoß und wieviel Pfennige.
31) Vgl. Anmerkung 20.
32) Meckl. Urk=Buch Bd. 15, Nr. 9334.
33) Schoßbuch 1421/2 Fol. 53 a. Vgl. Anmerkung 1.
34) Vgl. Anmerkung 6.
35) Vgl. Anmerkung 8.
35a) In den Quellen findet man kein Hauptwort, das den zweiten (  ...  )
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Dies wird bestätigt durch die Bürgersprache, welche die Schoßverkündigung enthält 36 ): so kundigen wi jw to vorschote 8 ß unde van der mark 1  ; und durch folgendes Zeugnis (1428): Item alßo schal men schaten van der rnarck enen penninck und achte Schillinge tho vorschate 37 ).

So wird der Begriff Schoß von dem Standpunkte der pflichtigen Person aus in zwei untergeordnete Begriffe: "Vorschoß" und "Pfennige von der Mark" zerlegt, welche durch das gemeinsame Verbum "geben" verbunden werden.

Indessen noch zwei andere Verben finden sich wiederholt in den Quellen. Zunächst das Verbum "verschossen". Es hat verschiedene Hauptwörter als Objekte, nämlich entweder ein umfassendes: syn gued vorschaten 38 ) oder solche, die nur einzelne Teile des Gutes bezeichnen, wie etwa: Leibgeding verschossen 39 ). Sodann das Verbum "schossen". Es ist Seltener in den vorliegenden Quellen und kommt nur in der Verbindung: von der Mark soundsoviel Pfennige schossen 40 ), vor.

Die beiden Verben bedeuten ein und dasselbe. Wie eben erwähnt, gebrauchen die Quellen mehrfach die Redewendung: Leibgeding verschossen. 1367 wird nun gesagt 41 ): de ghene, de dat (lyfghedingh) mit der staad hebben, de scholen ene yewelke mark, also menneghe mark he des iares upboret, vorscheten also hoghe, alse sick dat des iares boret. Hierfür ist eine Parallelstelle vorhanden (1530): we lyeffgedinck hefft mit dem rade, de schal schaten van der marck eynen penninck 42 ). Wenn man beide Nachrichten nebeneinanderstellt, so ergibt sich wiederum eine Gleichung, nämlich: einen Gegenstand (hier: Leibrenteneinkommen) verschossen = von jeder Mark, die er wert ist, soundsoviel Pfennige schossen.


(  ...  ) untergeordneten Segriff bezeichnet, wie "Vorschoß" den ersten. Die folgende Untersuchung muß daher sagen: "Pfennige von der Mark" (vgl. allerdings den Schluß dieses Abschnittes).
36) Vergl. Anmerkung 26, Text.
37) Bürgerbrief von 1428. Vgl. Anmerkung 9.
38) Ratsbeschluß von 1530. Vgl. Anmerkung 6.
39) Ratsbeschluß von 1367 (vgl. Anmerkung 4) und RatsbeschIuß von 1530.
40) Bürgerbrief von 1428 (vgl. Anmerkung 37, Text) und RatsbeschIuß von 1530 (vgl. Anmerkung 42, Text).
41) Ratsbeschluß von 1367.
42) Ratsbeschluß von 1530.
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Verbindet man die zuletzt gefundene Gleichung mit jener ersten, so kann man sagen: wer Pfennige gibt oder schoßt, verschoßt gewisse Gegenstände. Der Schoß bedeutet demnach für eine pflichtige Person ein Doppeltes: 1. Sie muß Vorschoß geben. 2. Sie muß Pfennige geben (schossen), d. h. Gegenstände (dat gued) verschossen. Hierbei wird auf Gegenstände Bezug genommen, was beim Vorschoß, soviel man sieht, nicht geschieht.


2. Die Art der ordentlichen direkten Steuer.

Der Schoß zerteilt sich, wie eben auseinandergesetzt, in "Vorschoß" und "Pfennige von der Mark". Zwischen den beiden untergeordneten Begriffen ist ein Unterschied vorhanden, welcher an der Hand der Quellen soweit als möglich klargelegt werden muß, wenn man die Art der ordentlichen direkten Steuer, die Schoß genannt wird, bestimmen will. Das Wort Vorschoß kommt in den vorliegenden Quellen selten und 1416 zum ersten Male vor, und zwar findet es sich fast immer in der Verbindung: soundsoviel (in der Regel 8) schillinge to vorschote 43 ).


43) Das zugehörige Verbum ist, wie bereits angedeutet: geben. Einmal (1428) allerdings wird ein anderes Verbum angewendet; da heißt es nämlich: Item alßo schal men schaten van der marck enen penninck unde achte Schillinge tho vorschate. Dies ist die einzige vorliegende Nachricht, worin der begriff "Pfennige von der Mark" vor dem anderen Begriff "Vorschoß" steht; man darf daher vielleicht das Verbum "schaten" in allererster Linie auf "van der marck cnen penninck" beziehen und für "achte schillinge tho vorschate" eher das Verbum "geven" ergänzen.- Eine jüngere Nachricht (RatsbeschIuß von 1530) hingegen hat eine vollkommen andere Terminologie als alle älteren. Nachdem in der Einleitung des Ratsbeschlusses gesagt worden ist: Witlick sy dat eynem jewelken borger . . ., so wanneer he syn schot uthgifft, dat he syn gued . . . vorschate, heißt es in § 1: Tho dem ersten: ingedoempte, alse kannen und ketele, grapen, bedde, beddecleder, sine und siner husfruwen dagelikes cleder mit dem smide dar to behoerende und tafelsmide, dat eme dagelikes to siner tafelen denet, dat entfryet eyn islick mit dem vorschate. Vergleicht man dies mit den älteren Nachrichten, so ist zunächst folgendet Ausdruck ungewöhnlich: dat entfryet man mit dem vorschate. Sodann wird mit dem Vorschoß auf Gegenstände Bezug genommen, was ebenfalls in den älteren Beschlüssen nicht geschieht; hier erscheinen nämlich als Objektsteuer lediglich die Pfennige von der Mark, nicht der Vorschoß (vgl. die folgenden Bemerkungen im Text). Nun werden freilich in der Bürgersprache des 16. Jahrhunderts nach wie vor 8 Schillinge to vorschote verkündet. Trotzdem muß der Vorschoß inzwischen eine Veränderung erfahren haben. Denn die Schoßbücher verzeichnen dchon vor 1450 eine Menge geringerer Beträge (  ...  )
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Vorschoß wird gegeben von einer jeden schoßpflichtigen Person. Dies ist in den Beschlüssen über den Schoß ausgesprochen, nämlich in der Bürgersprache: so kundigen wi jw to vorschote 8 ß, sodann 1416: eyn itslich borgher soll in deme ersten jare . . utgeven . . twelf schillinge to vorschote . . und in den anderen jaren dar negest volgende schal men 12 Schillinge to vorschote geven; schließlich 1428: alßo schal men geben achte Schillinge tho vorschate, alse dat van oldinges weset [is], woraus sich zugleich ergibt, daß der 8=Schillinge=Vorschoß eine ziemlich eingebürgerte Gewohnheit ist. Schoßpflicht bedeutet demnach für jeden Bürger zunächst Vorschoßpflicht. Und wenn nun damit gesagt ist, daß niemand jährlich weniger als 8 Schillinge Schoß gibt, so enthalten die Listen in den ältesten Schoßbüchern tatsächlich keine geringeren Schoßbetrage. 44 ) Der Vorschoß erscheint demnach als eine PersonaIsteuer, die jede schoßpflichtige Person unterschiedslos in der gleichen Höhe trifft. Was die Pfennige von der Mark anbetrifft, so ist bereits dargelegt worden, daß sie immer auf bestimmte Gegenstände, bona == dat gued, Bezug nehmen. Jede schoßpflichtige Person muß ihr Gut verschossen, d. h. Pfennige geben nach Maßgabe


(  ...  ) als 8 Schillinge, so daß der Grundsatz der Zeit um 1400 nicht mehr gilt: Jeder gibt zunächst Vorschoß, d. h. mindestens 8 Schillinge Schoß. Ist aber der Vorschoß verändert worden, so bewirkt das im Vergleich mit der Zeit um 1400 einen grundsätzlichen Unterschied in der Art der direkten Steuer: der Schoß erscheint nicht mehr als eine Verbindung von Personalsteuer und Objektsteuer. Die vorliegende Untersuchung kann die eben angedeutete Tatsache nicht verfolgen, sondern muß sich, was die Art der direkten Steuer anbetrifft, auf den Schoß der Zeit um 1400 beschränken.
44) Als Beispiel wird hier gewählt die Liste der von den einzelnen Personen gezahlten Schoßbeträge in dem Schoßbuch 1388/9 (vgl. Anmerkung 1). Danach zahlen freilich 2 Personen nur je 6 Schillinge, eine Tatsache, die vorläufig unerklärt bleiben muß. Hingegen die übrigen 1787 Personen zahlen je 8 Schillinge und darüber. Und zwar davon 1050 Personen je 8 Schillinge bis 15 1/2 Schillinge, nämlich 27 Personen je 8 Schillinge (also, wie es scheint, lediglich Vorschoß), 293 Personen indes je 8 Schillinge + l, 2, 3, 4, 6, 8 oder 9 Pfennige; ferner 246 Personen je 9 Schillinge und darüber, endlich der Rest, d. i. 484 Personen, je 10 Schillinge bis 15 1/2 Schillinge. Sodann zahlen 378 Personen je 1 Mark und darüber, 173 PerSonen je 2 Mark und darüber, 77 Personen je 3 Mark und darüber, 34 Personen je 4 Mark und darüber, 27 Personen je 5 Mark und darüber, schließlich 48 Personen je 6 bis 14 Mark. - Es muß bemerkt werden, daß bei der Art des vorliegenden Materials (vgl. dazu noch Anmerkung 57) geringe Fehler und Ungenauigkeiten der statistischen Berechnungen sich nicht wohl vermeiden lassen.
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seines Wertes in Mark. Dies entnimmt man etwa aus folgenden Nachrichten. 1358: collecta, dicta . . schod, danda . . de bonis suis . 1393: tantum, quantum . . pro bonis suis de collecta tenetur. 45 ) Bürgersprache: so kundigen wi jw . . . van der mark 1  . 1416: eyn itslich borgher soll in deme ersten jare . . utgeven . . van der mark 2 penninge; und in den anderen jaren dar negest volgende schal men . . geven . . van der mark anderhalven penning. 1428: alße schal men schaten van der marck enen penninck. Schließlich 1530 (allerdings nur unter gewissen Einschränkungen hierher gehörig; vgl. Anmerkung 43): Witlick sy dat eynem jewelken borger . ., so wanneer he syn schot uthgifft, dat he syn gued . . vorschate. 45a ) Schoßpflicht bedeutet demnach für jeden Bürger zweitens die Pflicht, Pfennige nach Maßgabe seines Gutes zu geben. Jede schoßpflichtige person gibt jährlich als Schoß dem Werte ihres Gutes entsprechend eine mehr oder weniger größere Summe als 8 Schillinge. Die Pfennige von der Mark (in der Regel wird 1 Pfennig von der Mark erhoben) sind eine Objektsteuer, die jede schoßpflichtige Person nach Maßgabe ihres Gutes trifft. Stellt sich demnach der Schoß als eine Verbindung von Personalsteuer und Objektsteuer dar, so kann die Frage aufgeworfen werden, ob er mehr PersonaIsteuer oder Objektsteuer ist. Für einen großen Teil der schoßpflichtigen Personen bedeutet die PersonaIsteuer erheblich mehr als die Objektsteuer, nämlich für alle, die nur wenige "Pfennige von der Mark" geben. 45b ) Wenn z. B. jemand 8 Schillinge + 3 Pfennige zahlt,


45) Meckl. Urk.=Buch Bd. 14, Nr. 8547 und Bd. 22, Nr. 12 471.
45a) Überblickt man den ganzen Inhalt des Ratsbeschlusses von 1530 (vgl. oben Anmerkung 43 und unten den Text zu den Anmerkungen 59 und 60, sowie die betreffenden Stellen in dem Abschnitt "Leibrenten" unter a, b und c), so will es scheinen, als ob Schoßgeben darin bedeutet: sein Gut verschossen, und zwar, indem man Vorschoß und Pfennige von der Mark gibt. Um 1400 jedoch heißt Schoßgeben soviel wie 1. Vorschoß geben (ohne Rücksicht auf das Gut) und 2. Pfennige nach Maßgabe seines Gutes geben.
45b) Aus den statistischen Mitteilungen (Anmerkung 44) ergibt sich für das Jahr 1388/9, daß von 1787 schoßgebenden Personen mehr als die Hälfte, 1050 Personen, nur je 8 bis 15 1/2 Schillinge zahlen, aIso sämtlich mehr Vorschoß als Pfennige von der Mark; und von jenen 1050 Personen zahlen wiederum mehr als die Hälfte, 566 Personen, nur je 8 bis gegen 10 Schillinge, also sogar ganz erheblich mehr Vorschoß als Pfennige von der Mark.
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so hat für ihn der Vorschoß mehr Bedeutung als für eine Person, welche 8 Mark, d. i. 8 Schillinge + 7 1/2 Mark, bezahlt. Schoß ist also für geringe Steuerzahler hauptsächlich Vorschoß.

Das ist vielleicht ein Grund dafür, daß der Vorschoß einmal nicht in demselben Maße erhöht wird, wie die Objektsteuer. In der Regel wird als Schoß gefordert: 8 Schillinge Vorschoß + 1 Pfennig von der Mark. Am Beginn des 15. Jahrhunderts wird die Regel jedoch durchbrochen 46 ): man will eine Zeitlang 12 Schillinge + 1 1/2 Pfennige Von der Mark erheben, zuvor für ein Jahr sogar 12 Schillinge + 2 Pfennige. Die Objektsteuer wird hiermit verdoppelt, wie bereits 1389/90 47 ) wahrscheinlich 2 Pfennige von der Mark, damals allerdings als außerordentliche Steuer, erhoben worden sind. Indes die PersonaIsteuer wird nicht verdoppelt, wohl in der Erwägung, daß ein doppelter Vorschoß für einen großen Teil der Plichtigen eine übermäßige Belastung bedeuten würde, wie denn 1389/90 als außerordentliche Steuer lediglich Objektsteuer und gar keine PersonaIsteuer erhoben worden ist. Jedenfalls muß der Vorschoß für viele schoßpflichtigen Personen eine große Bedeutung haben.

Indessen die Objektsteuer bewirkt es, daß die einen wenig, nämlich etwa nur 8 Schillinge + 3 Pfennige, andere dagegen fast 12 bis 24mal so viel, nämlich 6, 8, 10 oder gar 12 Mark Schoß geben. Wenn man diese erheblichen Unterschiede der Steuerleistung betrachtet, so erscheint der Schoß schließlich doch mehr als Objektsteuer, und man könnte beinahe meinen, daß die schoßpflichtige Person nach Maßgabe ihres Gutes Schoß gibt, wenn nicht eben der Vorschoß für viele Personen von solcher Bedeutung wäre.

In den Quellen wird der Schoß allerdings manchmal als Objektsteuer schlechthin aufgefaßt, wenn es nämlich heißt 48 ): collecta, dicta wlgariter schod, danda nostre civitati de bonis suis (1358) oder tantum, quantum de iure pro bonis suis de collecta tenetur (1393). Und überdies bewirkt das Über=


46) Vgl. oben Text zu Anmerkung 35 ("dorch legeringe der stad schulden"). Unzutreffend ist es demnach, wenn Friedrich Techen, Die Bürgersprachen der Stadt Wismar (1906), Seite 80, Anmerkung 1, bemerkt, "daß der Schoßsatz . . in Rostock seit dem Ausgange des 14. Jahrhunderts unverändert 8 Schilling von 100  (d. i. 1 Pfennig von der Mark) betragen zu haben scheint."
47) Vgl. über die "pecunia marcalis" von 1389/90 die ausführlichen Bemerkungen in dem Abschnitt "Außerordentliche direkte Steuern", vor allem auch Anmerkung 56 b.
48) Vgl. oben Anmerkung 45.
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wiegen der Objektsteuer in dem Schoß eine Zweideutigkeit der Begriffe in den Quellen. Dem Begriffe Schoß sind untergeordnet: 1. Vorschoß, das bedeutet die Personalsteuer. 2. Schoß, ein Hauptwort, das in den vorliegenden Rostocker Quellen als Bezeichnung für die Objektsteuer uns freilich nicht begegnet 49 ), doch den beiden vorkommenden Verben "schossen, verschossen" eigentlich entspricht. So heißt es in einer Nachricht (1384) aus Güstrow: Vortmer alze umme dat schot (übergeordneter Begriff), dat scal en yeslik syn vorschot (1. untergeordneter Begriff) gheven . . .; men umme dat andere schot (2. untergeordneter Begriff), dat scal en yeslik van der mark dre penninghe geven. 50 )

Die Zweideutigkeit der Begriffe, die uns in den Quellen entgegentritt, kann auch in der vorliegenden Darstellung nicht vermieden werden. Spricht man von einer schoßpflichtigen Person, so ist "Schoß" hier im weiteren Sinne gemeint, nämlich als Personalsteuer (Vorschoß) + Objektsteuer (Pfennige von der Mark, schossen, verschossen). Ist dagegen von einem schoßpflichtigen Gegenstande die Rede, so wird "Schoß" im engeren Sinne gebraucht und bedeutet Objektsteuer (Pfennige von der Mark).



49) In gewisser Hinsicht gehört die Wendung: collecta = schod datur de bonis (1358) hierher. Dabei ist zu erwägen, daß collecta an jener (Stelle bedeuten soll: Vorschoß und Pfennige von der Mark, streng genommen indes ausschließlich Pfennige de bonis gegeben werden. Insofern könnte man aus der angeführten Stelle die Gleichung entnehmen: man gibt Pfennige = Schoß (collecta) nach Maßgabe seines Gutes.
50) Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 577.
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Dritter Abschnitt.

Außerordentliche direkte Steuern.


In den vorliegenden Quellen kommen außerordentliche direkte Steuern lediglich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vor. Einige Urkunden zeigen zunächst, daß sie um jene Zeit als möglich gedacht werden. Es sind von der Stadt ausgegebene Rentenbriefe, worin den Gläubigern Steuerfreiheit für ihre Renten zugesichert wird. So heißt es 1365 51 ): occasione huiusmodi reddituum predicti ad aliqua onera, tallias, exacciones et servicia nobis et nostre civitati facienda seu faciendas minime teneantur. Einer Urkunde von 1370 52 ) liegt zum ersten Mal, soviel man sieht, ein in den nächsten Jahrzehnten häufig benutztes Formular zugrunde: nec . . debent aliquas dare exactiones, tallias, angarias, contribuciones vel aliqua servicia facere nostre civitati vel onera supportare, quocunque nomine censeantur, quibuscunque necessitatibus nobis vel nostre civitati im minentibus occasione reddituum predictorum, a quibus ipsos presentibus exoneramus. Eine andere Rente, die in derselben Urkunde erwähnt wird, soll bezogen werden sine aliquibus impedimentis seu oneribus supportandis pro eis et collectis dandis. In einer Urkunde von 1393 53 ) kommt vor: nec nos neque in nostro consulatu successores . . aliquas exactiones, angarias vel contribuciones, quocumque nomine censeantur, quacumque eciam nobis aut nostre civitati vel terre imminente necessitate occasione dictorum reddituum petere debebimus seu ipsis imponere seu aliqualiter extorquere. Es scheint, als ob man


51) Meckl. Urk.=Buch Bd. 15, Nr. 9321.
52) Meckl. Urk.=Buch Bd. 16, Nr. 10017.
53) Meckl. Urk.=Buch Bd. 22, Nr. 12495.
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hier immer neben dem Schoß noch auf andere direkte Steuern Bedacht genommen hat, die durch irgend eine necessitas civitati vel terre imminens einmal geboten werden könnten.

Die älteste hierher gehörige Nachricht liegt in einer Liste von Schuldnern der Stadt vor 54 ), welche 1363, Februar 21, d. h. am Schluß des Rechnungsjahres 1362/3, ausgezeichnet worden ist: Item Engelbertus Cruse ex parte Wokerdes de Robele pro collecta 450 marcaruni anni preteriti tam de prima collecta quam de secunda ad stipendiarios. Demnach sind 1362/3 zwei direkte Steuern erhoben worden, die eine (prima collecta) ist der ordentliche Schoß des Jahres, die andere (secunda collecta) indes eine außerordentliche Steuer für einen besonderen Zweck. Beide sind durch die gemeinsame Bezeichnung (collecte), wie es scheint, als gleichartig aufgefaßt worden.

Die nächste außerordentliche Steuer ist, soviel man weiß, 1389/90 erhoben worden.

Jedes Jahr wird, wie bereits erwähnt (vgl. oben Anmerkung 1, Text), ein besonderes Schoßbuch geführt, das 1. eine Liste der schoßpflichtigen Personen und nebenher eine Liste der von den einzelnen Personen gezahlten Schoßbeträge und 2. ein Verzeichnis aller im Laufe der Erhebungszeit eingegangenen Summen enthält. Ein solches Schoßbuch ist aus dem Jahre 1388/9 vorhanden, nur mit dem Unterschied, daß man es 1389/90 wiederholt benutzt hat, um darin über eine in diesem Jahre erhobene Steuer (pecunia marcalis) Buch zu führen. Anders als die übrigen vorhandenen Schoßbücher enthält daher das von 1388/9 noch eine Liste der von den einzelnes Personen 1389/90 de pecunia marcali 55 ) gezahlten Beträge und ein Verzeichnis aller de pecunia marcali eingegangenen Summen.

Die pecunia marcalis von 1389/90 ist eine außerordentliche Steuer; denn sie wird neben dem Schoß des Jahres, über den ein eigenes Buch vorliegt (vgl. oben Anmerkung 1), erhoben, und zwar zu einem besonderen Zwecke. In der Überschrift jenes Verzeichnisses der 1389/90 de pecunia marcali eingegangenen Summen heißt es 56 ): Notum sit, quod sub anno domini


54) Meckl. Urk.=Buch Bd. 15, Nr. 9142.
55) Durch diesen Zusatz werden die 1389/90 eingetragenen Beträge in dem Buche durchweg unterschieden von den 1388/9 eingetragenen Schoßbeträgen.
56) Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 12 142, Seite 348.
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M° CCC° LXXX° IX°, sexta feria proxima post diem beatorum undecim milium virginum (22. Oktober 1389), sedentibus ad collectam. pecunie marcalis ad usum reyse versus Sweciam . . dominis . . consulibus, dominus N. N. percepit infrascripta. Der Krieg der Mecklenburger gegen die Königin Margarete Von Dänemark ist demnach 1389/90 eine "necessitas civitati et terre imminens" (vgl. oben Anmerkung 53, Text), die ein PIus an Einnahmen der Stadt und darum jene außerordentliche Steuer erfordert. 56a )

Die Bezeichnung als pecunia marcalis unterscheidet die außerordentliche Steuer ausdrücklich von dem ordentlichen Schoß, so daß sie wohl eine Steuer von anderer Art sein muß. Vergleicht man nun in den erwähnten Schoßbüchern 1388/9 und 1389/90 die von den einzelnen Personen de pecunia marcali gezahlten Beträge mit den von ihnen gezahlten Schoßbeträgen, so entsprechen einander jeweils 8 Schillinge + ax Pfennige beim Schoß und 2ax Pfennige bei der pecunia marcalis, wobei a die Anzahl Mark bedeutet, welche die einzelne Person verschoßt, und x die Anzahl Pfennige 56b ),welche man beim gewöhn=


56a) Wenn in einem Jahre zwei Steuern erhoben werden. so kann man die Frage aufwerfen, wie sie sich über das Jahr verteilen. Aus den betreffenden Schoßbüchern sind folgende Daten ermittelt worden:-1. Die außerordentliche Steuer von 1389/90. Sie wird eingezogen vom 22. Oktober 1389 an bis zum Anfang Februar, Indessen verteilen sich die Einnahmen nicht gleichmäßig über diesen Zeitraum. Bis Sonnabend, den 27. November 1389, ist nämlich bereits ein erheblicher Teil der Steuer eingenommen: 3228 m 5 Schilling , d. i. etwa 4 / 5 der Steuer (Summe aller Einnahmen 4004 m). Die Summe wird in das Buch eingetragen mit dem Vermerk; ante intimacionem communis collecte, d. h. bevor der ordentliche Schoß verkündet wird (vermutlich geschah dies ausnahmsweise am Sonntag, dem 28. November). Bevor dann die Erhebung des Schosses beginnt (14. Dezember), geht noch ein weiteres Zehntel der außerordentlichen Steuer ein (435 m 14 Schilling ; diese Summe ist in dem Buch nicht angegeben), der Rest jedoch erst allmählich bis zum Anfang Februar. - 2. Der ordentliche Schoß von 1389/90. Er wird, wie eben erwähnt, vielleicht am Sonntag, dem 28. November, verkündet und vom 14. Dezember an erhoben. Bis Weihnachten läuft nur ein geringer Teil des Schosses ein, nämlich etwa 1 / 5 oder noch weniger (447 1/2 m 6 Schilling 4  von über 2447 m 11  ), der weitaus größte Teil hingegen erst im Januar 1390. Demnach wird die außerordentliche Steuer großenteils im November 1389, der ordentliche Schoß großenteils im Januar 1390 eingezogen.
56b) Der Vorschoß beträgt 1388/9 und 1389/90, aIso vielleicht überhaupt gegen Ende des 14. Jahrhunderts, 8 Schillinge. Vgl. oben die statistischen Mitteilungen (Anmerkung 44). Weniger sicher ist es, wieviel (x) Pfennige die schoßpflichtige Person um jene Zeit von einer jeden Mark geben muß; man kann indes vermuten, daß x = 1 ist, also 1388/9 und (  ...  )
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lichen Schoß für eine jede Mark geben muß. Folgende Tabelle mag dies veranschaulichen. 57 )

Tabelle

* ) 1 Mark (m) = 16 Schillinge ( Schilling ). 1 Schilling ( Schilling ) = 12 Pfennige (  ).


(  ...  ) 1389/90 beim Schoß jedesmal ein Pfennig von der Mark, bei der außerordentlichen Steuer 1389/90 jedoch zwei Pfennige von der Mark erhoben werden, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Soviel man sieht, gehört im 15. Jahrhundert zu 8 Schillingen Vorschoß immer ein Pfennig von der Mark. 2. Der Bürgerbrief von 1428 bezeichnet 8 Schillinge Vorschoß und einen Pfennig von der Mark als althergebrachte Gewohnheit in der Seit vor 1416 (vgl. Text zu den Anmerkungen 8 und 9). Sind die 8 Schillinge Vorschoß 1388/9 und 1389/90 in Übung, so wird dasseIbe für die Pfennige von der Mark gelten.
57) Die beigegebene Tabelle beruht auf den erwähnten Schoßbüchern 1388/9 und 1389/90, wozu jedoch bemerkt werden muß, daß sie in hohem Grade vereinfacht, was in der Wirklichkeit viel regelloser ausieht. Gerade in dem Schoßbuch 1388/9 (Schoß 1388/9 und pecunia marcalis 1389/90) ist manchmal ein wirres Durcheinander eingetragener Namen und Steuerbeträge, so daß es beinahe unmöglich scheint, überall Ordnung und richtige Beziehung herzustellen. Und überdies will sich keineswegs alles, was man den Büchern entnehmen kann, in die obige Tabelle einfügen; gar vieles muß unerklärt bleiben. Indes im großen und ganzen entspricht die Tabelle den vorgefundenen Tatsachen. - Das Meckl. Urk.= Buch (Bd. 21, Nr. 12 142, Seite 348), welches nur wenige Beispiele aus dem Schoßbuch 1388/9 nebeneinanderstellt, meint, daß zwischen den einzelnen Schoßbeträgen 1388/9 und den einzelnen Beträgen de pecunia marcali 1389/90 kein festes Verhältnis bestehe.
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Tabelle

Einem Schoßbetrage zwischen 8 Schillingen und 1 Mark entspricht also ein geringerer Betrag de pecunia marcali, und zwar ein um so geringerer, je weniger der Schoß beträgt. Einem Schoßbetrage über 1 Mark entspricht jedoch ein größerer Betrag de pecunia marcali, und zwar ein um so größerer, je mehr der Schoß beträgt.

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Die pecunia marcalis von 1389/90 ist demnach eine Steuer von grundsätzlich anderer Art als der Schoß. 57a ) Ist der Schoß, wie hervorgehoben, eine Verbindung von Personalsteuer und Objektsteuer, so ist die außerordentliche Steuer lediglich Objekt= Steuer, d. h. sie trifft jede Person nur nach Maßgabe ihres pflichtigen Gutes. Die niedrigen Steuerzahler geben daher, wie eben festgestellt, bedeutend weniger pecunia marcalis als Schoß, obgleich beim Schoß ja nur x Pfennige, bei jener dagegen 2x Pfennige von der Mark gefordert werden: eine Tatsache, die wieder zeigt, daß die in dem Schoß enthaltenen 8 Schillinge Vorschoß gerade für solche Personen viel bedeuten. Wenn also die pecunia marcalis keinen Vorschoß einschließt, so darf man darin vielleicht eine Maßregel zugunsten der niedrigen Steuerzahler erblicken.

Über eine außerordentliche Steuer wird nochmals berichtet in einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1391/92 57b ): Notandum


57a) Man vergleiche die erheblich voneinander abweichenden Erträge der verschiedenartigen Steuern. Die Summe aller Einnahmen de pecunia marcali ist 4004 Mark, während die durchschnittliche Summe aller Einnahmen vom Schoß weniger als 3000 Mark ist, wie folgende Tabelle zeigt (vgl. Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 498).
Tabelle
57b) Diese und die nachher angeführte Aufzeichnung: Meckl. Urk.=Buch Bd. 22, Nr. 12320 = Hanserezesse, herausgegeben von K. Koppmann, Bd. 4, Nr. 13, Seite 10. Wenn das Meckl. Urk.=Buch vom dem "Register eines Schosses" spricht, so scheint es nach den obigen Bemerkungen jedenfalls nicht unbedenklich, pecunia einfach als Schoß wiederzugeben.
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est, quod anno domini 1391, sedentibus ad pecuniam sublevandam pro expedicione armigerorum, navium et sumptuum ad reysam contra regnum et reginam Dacie et suos coadjutores pro speranda redempcione captivitatis Alberti regis Swecie, sui filii Erici et aliorum dominorum, necnon militum et famulorum, detentorum cum eisdem in captivitate ibidem in regno, dominis Hinrico Witten proconsule et Petro de Vreden, domini Winoldus Baggelen, Mathias Haveman, Hermannus Wilde et Johannes Make perceperunt infrascripta. DieseIbe necessitas wie 1389/90 erfordert aIso nach wenigen Jahren eine zweite außerordentliche Steuer, die einfach als pecunia bezeichnet wird und daher wohl ebenfalls eine Steuer von anderer Art als der Schoß ist.

Eine andere, Auszeichnung über diese Steuer lautet: Summa universalis omnium premissorum expositorum 3718 1/2 marce et 3 solidi; et super hoc dicti domini remanent consulibus obligati 70 marcis minus 14 solidis. Wahrscheinlich ist demnach die Summe aller Einnahmen aus der in Frage stehenden Steuer 3787 Mark 13 Schillinge, während die Summe aller Einnahmen aus der pecunia marcalis (1389/90) 4004 Mark ist. Der Unterschied ist keineswegs so groß, wie der Unterschied zwischen jener Summe und der durchschnittlichen Summe aller Einnahmen vom Schoß (1380 bis 1390 durchweg weniger als 3000 Mark; vgl. Anmerkung 57 a). Wenn man daraus einen Schluß ziehen darf, so sind die beiden außerordentlichen Steuern, 1389/90 und 1391/92, von der gleichen Art.


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Vierter Abschnitt.

Die schoßpflichtigen Personen.


Über den Kreis der schoßpflichtigen Personen kann man den vorliegenden Quellen nicht viel entnehmen. Was über die direkte Steuer beschlossen wird, betrifft stets, wie es heißt, jeden Bürger und Einwohner. Der Bürger schlechthin ist aIso schoßpflichtig und soweit als möglich jeder Einwohner überhaupt.


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Fünfter Abschnitt.

Die schoßpflichtigen Gegenstände.


Jede schoßpflichtige Person muß hauptsächlich, wie dargelegt, ihr Gut (bona) verschossen, d. h. von jeder Mark, die es wert ist, in der Regel einen Pfennig geben. AIs bona, die verschoßt werden müssen, können folgende Gegenstände gelten. 58 )

1. unbewegliches Vermögen.

Über das unbewegliche Vermögen 58a ) heißt es in dem Ratsbeschluß Von 1530 59 ): Item liggende grunde, stande erven, eygendoem, renthe, so wat vyff marck gifft edder geld, dat schal me vor hundert marck vorschaten. Grund= und Hausbesitz jeglicher Art ist ein schoßpflichtiger Gegenstand, mag es sich nun um Eigentum oder um Rentenrecht, das als Reallast auf dem Grundstück eines Rentenschuldners ruht, handeln. Wer aus einem Grundstück Nutzen zieht, muß dafür schossen. Ist es sein


58) Hauptquelle für den Abschnitt "Die schoßpflichtigen Gegenstände" ist der Ratsbeschluß von 1530 (vgl. Anmerkung 6), eine jüngere Quelle, die indes für eine Darstellung der direkten Steuern im MittelaIter verwertet werden kann. Denn das unbewegliche Vermögen (§ 2) ist uns schon gegen 1300 als steuerpflichtiger Gegenstand entgegengetreten, und aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts liegt ein Ratsbeschluß vor, der inhaltlich mit dem § 4 des RatsbeschIusses von 1530 (Leibrenten) übereinstimmt: eine Tatsache, die den Schluß gestattet, daß in der städtischen Steuergesetzgebung eine Verhältnismäßig große Beständigkeit vorherrscht, So wird man vielleicht auch die Bestimmung über das bewegliche Vermögen (§ 3) in die Zeit um 1400 zurückverlegen dürfen. Nur der § 1 des Ratsbeschlusses gehört kaum dem 14. Jahrhundert an. Vgl. Anmerkung 43.
58a) Zum Begriff "unbewegliches Vermögen" vgl. R. Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts (1908), Seite 166 f.
59) § 2.
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Eigentum, so gibt er für einen jährlichen Nutzen von 5 Mark 59a ) 100 Pfennige, da für einen Nutzen von 5 Mark ein Kapital von 100 Mark gerechnet wird. Hat er ein Rentenrecht, so gibt er für ein jährliches Renteneinkommen von 5 Mark gleichfalls 100 Pfennige, da einem Renteneinkommen von 5 Mark durchschnittlich ein Kapital von 100 Mark entspricht.

2. Bewegliches Vermögen.

Als schoßpflichtiges bewegliches Vermögen werden in dem Ratsbeschluß von 1530 60 ) folgende Gegenstände erwähnt: Item bruwfate, k ue vene, pannen, schepe, grote ketele, korne, beer und ander grave inged oe mte, dat eynem isliken to siner kopenschop und handelinge denet, rede penninge, sulverwerck und ander bewechlike grave ware, dat schal eyn islich na sinem weerde vorschaten lyck sinen andern gudern; also: 1. das "grobe" Inventar 61 ), das dem kaufmännischen und gewerblichen Betriebe dient, nämlich a) Gerätschaften jeglicher Art, wie Braufässer, Kufen, Pfannen, schepe 62 ), große Kessel; b) lagernde Ware, wie Korn, Bier. 2. "Grobe Ware", wie bares Geld und Silberwerk. Dies alles sind schoßpflichtige Gegenstände, d. h. man muß dafür Pfennige geben nach Maßgabe ihres Wertes in Mark.


59a) Mag dies nun ein tatsächlicher Nutzen (so wat vyff marck gifft) oder ein blos gedachter Nutzen (so wat vyff marck geld) sein.
60) § 3.
61) Der Gegensatz von grave ingedömte ist das einfache ingedömpte in § 1 des Ratsbeschlusses von 1530. Vgl. oben Anmerkung 43.
62) Das Wort schepe ist von Koppmann (Beiträge z. Gesch. d. St. Rostock Bd. 2, Heft 3, Seite 10) und nach ihm von W. Stieda (Jahrbücher f. Nationalökonomie u. Statistik Bd. 72, 1899, Seite 18), die im übrigen den Inhalt des § 3 des Ratsbeschlusses genau wiedergeben, übergangen worden. Man kann erinnern an die Rolle über die Ausgaben vom Schoß 1387/8 (Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 11 840, Seite 84; vgl. dazu unten Anmerkung 105), wo es heißt: Item I marc. pro nova capsula, dicta schap, facta in theatro inferiori. Das Register a. a. O. gibt keine Erklärung des Wortes; man denkt dabei etwa an eine Truhe, einen Kasten oder einen Schrank. Vgl. Schiller=Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. 4 (1878), Seite 47: kisten und schape. Schepe ist vielleicht die Mehrzahl zu schap, wenn auch a. a. O. zu dem starken Neutrum schap (mhd. schaf) lediglich eine solche ohne Umlaut, nämlich schappe oder schape, angegeben wird. Mit dem Worte schaf, schap hängt ein anderes zusammen: scheffel, schepel. Vgl. Friedr. Kluge, Etymolog. Wörterbuch der deutschen Sprache, 7. Aufl. 1910, Seite 393 unter "Scheffel". Vielleicht daher der Umlaut. - Das Wort "der schape" (= Tiegel, Pfanne bei Schiller=Lübben a. a. O.) kommt nicht in Betracht, da es schwach ist. Mehrzahl: schapen.
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3. Leibrenten.

Jedes Renteneinkommen unterliegt der Schoßpflicht. Handelt es sich in dem erwähnten § 2 des Ratsbeschlusses von 1530 um Ewigrenteneinkommen 63 ), so wird in einem besonderen Paragraphen (§ 4) über Leibrenteneinkommen gesprochen, und überdies liegt noch ein Ratsbeschluß von 1367 64 ) vor, der lediglich das Leibrenteneinkommen als schoßpftichtigen Gegenstand betrifft.

Wenn jemand ein Rentenrecht genießt, so ist es ein Unterschied, ob er das jährliche Renteneinkommen oder das ent= sprechende Kapital verschossen muß. Beides wird im 14. Jahrhundert als möglich gedacht, was man einem von der Stadt ausgegebenen Rentenbrief (1377) entnehmen kann. Der Rat verkauft für ein Kapital von 600 Mark eine Ewigrente von 50 Mark, beides Mark lübischer Pfennige. Da heißt es: Ok scal dyt vorbenomede gheld unde rente in unser stad vry wezen . . van schote unde aller beswaringhe. Das bedeutet: Weder das rententragende Kapital noch das Renteneinkommen soll verschoßt werden müssen. 65 )

Wer ein jährliches Ewigrenteneinkommen von 5 Mark bezieht, gibt dafür, wie oben dargelegt, allemal 100 Pfennige, was dem vollen Kapitalwert der Rente entspricht. Bei einem Leibrenteneinkommen wird indessen unterschieden, ob es von auswärts oder innerhalb der Stadt oder von der Stadt selbst bezogen wird. a) Leibrente, die man von auswärts bezieht. Der Ratsbeschluß von 1367 beginnt hiermit: alle de ghene, de lyfghedingh buten der stad hebben, scholen dat wul vorscheten; und der jüngere Ratsbeschluß (§ 4) sagt: (we lyeffgedinck hefft) buten der stad, (de schal vorschaten) den gantzen summen. Der Ausdruck "den gantzen summen" ist entgegengesetzt dem vorangehenden "de helffte des hovetstoels" und bedeutet daher das ganze Kapital, wofür es 1367 heißt: wul vorscheten (Gegensatz: half vorscheten). Wer also Leibrente von auswärts bezieht, muß das volle rententragende Kapital verschossen; das will sagen: er muß für eine 10=prozentige Leibrente von 5 Mark jährlich 50 Pfennige geben.


63) Vgl. den Abschnitt "Unbewegliches Vermögen".
64) Vgl. Anmerkung 4 und den zugehörigen Text.
65) Meckl. Urk.=Buch Bd. 19, Nr. 11 070.
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b) Leibrente, die innerhalb der Stadt bezogen wird. Der Ratsbeschluß von 1367 spricht nur von solcher Leibrente, die innerhalb der Stadt von einer geistlichen Anstalt bezogen wird: de ghene, de dat bynnen der stad mid den ghodeshusen hebben, de scholen dat half vorscheten. In dem Ratsbeschluß von 1530 ist zunächst die umfassendere Bestimmung enthalten: we dat hefft binnen der stad, de schal vorschaten de helffte des hovetstoels; und sodann heißt es wie 1367: de dat hebben binnen der stad mit den gadeshusen, de scholen dat ock halff vorscheten. Wer demnach Leibrente innerhalb der Stadt bezieht, sei es nun von einer geistlichen Anstalt oder von anderswoher, aIso hauptsächlich von einem Bürger, muß das halbe Kapital verschossen, d. h. für eine 10=prozentige Leibrente von 5 Mark jährlich 25 Pfennige geben.

c) Leibrente, die man von der Stadt bezieht. Der Ratsbeschluß von 1367 beginnt den letzten Satz mit einem "Aber": Men de ghene, de dat mid der staad hebben, de scholen ene yewelke mark, also menneghe mark he des iares upboret, vorscheten also hoghe, alse sick dat des iares boret. Hier wird aIso nicht wie bisher das rententragende Kapital, sei es das ganze oder das halbe, verschoßt, sondern das Renteneinkommen. Man soll jährlich von jeder Mark Renteneinkommen soviel Pfennige geben, als in dem betreffenden Jahre gefordert werden, d. h. in der Regel einen Pfennig. Dasselbe ist in dem jüngeren Ratsbeschluß, wenn auch nicht ganz so deutlich, ausgesprochen: we lyeffgedinck hefft mit dem rade, de schal schaten van der marck (d. i. von der Mark Leibrenteneinkommen) eynen penninck. Damit ergibt sich: Wer von der Stadt eine 10=prozentige Leibrente von 5 Mark bezieht, muß dafür jedes Jahr 5 Pfennige geben. 66 )

So werden verschiedenartige Renten von dem Schoß unterschiedlich getroffen. Während man für 5 Mark Ewigrente


66) Hier wird von der Auffassung K. Koppmanns abgewichen; er erläutert nämlich a. a. O. (vgl. oben Anmerkung 6) Seite 10 den RatsbeschIuß von 1530 § 4 unter Hinweis auf den älteren von 1367 in folgender Weise: "Bei Leibrenten, die natürlich billiger als zu 5 Prozent (hier wird auf die Ewigrenten Bezug genommen) eingekauft werden, wird das dafür bezahlte Kapital in Anspruch genommen; bei den abseiten hiesiger Bürger oder Gotteshäuser verkauften Renten ist das halbe Kapital, bei den von der Stadt auszukehrenden und den von auswärts bezogenen Renten dagegen das ganze Kapital zu verschossen." hiernach wird immer das rententragende Kapital, sei es nun das ganze oder das halbe, niemals das Renteneinkommen verschoßt.
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100 Pfennige geben muß, braucht man für eine innerhalb der Stadt bezogene Leibrente von 5 Mark (durchschnittlich 10 %) nur 25 Pfennige zu geben. Damit wird auf den Wertunterschied zwischen Ewigrente und Leibrente Rücksicht genommen. Eine Leibrente ist nämlich, weil unkündbar und mit dem Tode des Berechtigten endend, weniger wertvoll als eine jederzeit wiederkäufliche oder doch ablösbare Ewigrente. Ferner muß Leibrente, die man von auswärts bezieht, doppelt so hoch verschoßt werden als Leibrente, die man innerhalb der Stadt bezieht: eine Maßregel, die es verhindern soll, daß gar zu viel Kapital an fremdem Orte leibrententragend angelegt wird. Schließlich wird Leibrente, die man von der Stadt bezieht, vor allen übrigen Renten bedeutend bevorzugt, indem nur das Renteneinkommen, nicht wie sonst das rententragende Kapital verschoßt werden muß. 67 )

4. Mündelgut.

Mündelgut gehört zu den Schoßpflichtigen Gegenständen. Wenn auch kein Rostocker Ratsbeschluß darüber vorliegt, so bestimmt doch das lübische Recht, das in Rostock gegolten hat, daß 68 ) en iewelic borghere van lubeke (in dem lubschen rechte) schal scheten vor sin ghut unde sines wives unde siner kindere unde vor ghut, dat he under sic hevet van vormuntschap weghene. So wird denn auch in die Rostocker Schoßbücher häufig eingetragen, daß jemand für sich und sodann für sein Mündel Schoß gibt. Z. B. 1382/3 69 ): Johannes Clynkendorp III 1/2 marc. et VI s. pro se et VIII s. et IIII  pro tutorio. Oder: Raven Pannirasor II marc. I s. pro se XXVIII s. pro tutorio. Dafür 1385/6: Raven Pannirasor XXXIII s. et tutor XIX s. et II  . Auch noch andere Ausdrücke kommen vor. Z. B. 1382/3: Jacobus Tonaghel XXV s. pro se et XXXI 1/2 pro filio Lippoldi et XIIII s. et II  pro privignis; dafür 1385/6: Jacobus Thonaghel XX s. et tutor XIII 1/2 s. et 1  . Durchweg wird demnach der Schoß, den man "für das Mündel" oder "als Vormund" gibt, in den Büchern ausdrücklich als solcher bezeichnet.


67) Nicht selten wird für ein Rentenrecht, das ein Bürger gegenüber der Stadt besitzt, gar kein Schoß erhoben; also die Stadt verkauft steuerfreie Renten. Vgl. oben Anmerkungen 51 ff. Das Meckl. Urk.=Buch teilt noch genügend andere Beispiele mit.
68) Hach, Das alte lübische Recht (1839), Seite 304.
69) Alle folgenden Beispiele im Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 412 ff.
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Jeder Vormund muß für sein Mündel Schoß, d. i. Pfennige nach Maßgabe des Mündelgutes, geben. Der Schoß ist hier lediglich Objektsteuer; denn für das Mündel wird nicht etwa auch Vorschoß gegeben. Diese Tatsache kann erläutert werden, indem man vergleicht, wieviel Schoß und wieviel pecunia marcalis 1388/9 und 1389/90 70 ) für die einzelnen Mündel gegeben worden ist. Folgende Tabelle 71 ) enthält darüber einige Mitteilungen.

Tabelle

70) Vgl. oben den Text zu den Anmerkungen 55 bis 57 a.
71) Alle hier zusarnmengestellten Beispiele sind den betreffenden Schoßbüchern (1388/9 und 1389/90) entnommen worden.
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Tabelle

Während also, wie oben dargelegt, eine schoßpflichtige Person für sich beim Schoß 8 Schillinge + ax Pfennige, bei der pecunia marcalis jedoch 2ax Pfennige gibt, werden für das Mündel beim Schoß jeweils bx Pfennige, bei der pecunia marcalis 2bx Pfennige gegeben, wobei b die Anzahl Mark bedeutet, welche das Gut des einzelnen Mündels wert ist, und x die Anzahl Pfennige, welche der Vormund beim gewöhnlichen Schoß für eine jede Mark Mündelgut geben muß. 72 ) Während jede schoßpflichtige Person Vorschoß und Pfennige von der Mark geben muß, brauchen für das Mündel lediglich Pfennige nach Maßgabe seines Gutes gegeben zu werden.



72) Vorausgesetzt ist dabei, daß man für das Mündel ebensoviel (x) Pfennige für jede Mark gibt, wie für sich selber. Über die Bedeutung von x (wahrscheinlich = 1) vgl. oben Anmerkung 56 b.
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Sechster Abschnitt.

Die Erhebung der Steuer.


Jedes der ständigen Ratsämter 73 ) wird alljährlich zwei Mitgliedern des sitzenden Rates 74 ) anvertraut. Es gibt folgende Ratsämter: die Kammer 75 ), das Weinamt 76 ), die Weddetafel 77 ), das Gericht (dat richte) 78 ), die Münze 79 ), und dementsprechend


73) Vgl. das Rechnungsbuch (dazu Anmerkung 3, Text): Am Ende iedes Jahres legen die officiales consulatus (1410/1: Fol. 20 b), die domini officiales civitatis de consilio (1411/2: Fol. 22 b), de ammethe ute deme rade (1416/7: Fol. 30 a) oder de ammethe bynnen rades (1417/8: Fol. 31 b) Rechnung ab. Also: de ammethe = offciales. Ein Amt legt Rechnung, d. h. die beiden Inhaber des Amtes legen Rechnung über ihr Amt. So heißet es im Rechnungsbuch: de wynheren hebben rekent van deme wyn ampte oder de kemerere .. van der stat kamer unde er ampt an rorende. - Wir sagen: ständige Ratsämter, weil bisweilen in das Rechnungsbuch die Rechnung eines Ratsamtes, das nicht jedes Jahr vorkommt, eingetragen worden ist.
74) Vgl. z. B. Swarentafel V (Ungedruckt: Rostocker Ratsarchiv. Dazu K. Koppmann, Beiträge z. Gesch. d. St. Rostock Bd. 3 (1903), Heft 4, Seite 72) Fol. 105 b (1432): eine gerichtliche Handlung findet statt: vor deme sittenden stole des rades, oder Fol. 131 b (1433): vor deme gantzen sitten stole des rades.
75) Vgl. z. B. Rechnungsbuch Fol. 34 b unten: Item hebben gerekent de kemerere her Hinr. Baggele unde her Jo. Odbrecht van der kamer unde er ampt an rorende van upboringe unde utgift (1419/20).
76) Rechnungsbuch Fol. 35 a: Item hebben rekent de wynheren her Hinr. van Demen unde her Johan Make van deme wyn ampte unde anderen stukken er ampt an rorend na utwisinge erer rollen (1419/20).
77) Rechnungsbuch: Die Weddeherren legen Rechnung 1411/2: de mensa vadii et eorum officio. 1413/4: de mensa vadii, de excessibus, pactibus villarum, de lignis et omnibus aliis eorum officium concernentibus. 1416/7: van der weddetafelen unde ereme ammethe.
78) Rechnungsbuch: Die Richteherren legen Rechnung 1412/3: de officio iudicii. 1419/20: van deme richte unde erem ampt. Oder Jahresrechnung (Rolle) der Richteherren 1432/3: "van allen articulen ere ampt anrorende". (ungedruckt. Rostocker Ratsarchiv.)
79) Vgl. die Jahresrechnungen (Rollen) der Münzherren (beide un= (  ...  )
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verschiedene Ratsherrenpaare, von denen jedes ein Amt innehat: Kämmerer, Weinherren, Weddeherren, Richteherren (Richtevögte) 80 ), Münzherren; auch Mühlenherren und Pfundzollherren 81 ). Jedes Amt hat seine eigenen Einnahmen und seine eigenen Ausgaben 82 ) und ist verpftichtet, am Ende des Amtsjahres der Gesamtheit des Rates Rechnung abzulegen. Das geschieht auf Grund einer Rolle 83 ), welche die Jahreseinnahmen und =Ausgaben des betreffenden Amtes enthält. Eines der Ratsämter ist auch die Schoßverwaltung. In das Rechnungsbuch ist, wie oben erwähnt 84 ), mehrere Jahrzehnte hindurch jährlich das Rechnungsergebnis der einzelnen Ratsämter eingetragen worden. Am Rande jeder Seite


(  ...  ) gedruckt. Rostocker Ratsarchiv): 1433/4: de muntheheren . . hebben rekenschop ghedan van allen articulen ere ampt anrorende. 1438/9: de muntheren . . hebben rekenschop gedan van allen stucken unde articulen dat munteampte anrorende.
80) Ein Beispiel: Rechnung (Rolle) der "richtevoghede her Andreas Cene her Johan Hegher" für das Jahr 1433/4 (Ungedruckt. Rostocker Ratsarchiv). Derselbe Ausdruck kommt in der Rechnung (Rolle) für das folgende Jahr 1434/5 vor; auch in der Swarentafel V (vgl. Anmerkung 74), z. B. Fol. 44 b (1430): in der jeghenwerdicheyt der rychtevoghede her Johan Burouwen her Tymmo van Gnoyen. Vgl. die Bemerkungen im Meckl. Urk.=Buch Bd. 5, Seite XV ff.: "iudices et advocati" (aus dem Liber proscriptorum, 14. Jahrhundert).
81) Mühlenherren findet man in dem Rechnungsbuch häufig, doch nicht so regelmäßig, wie die Kämmerer, Weinherren, Weddeherren, Richteherren, Münzherren, Schoß. Pfundzollherren kommen indes selten vor.
82) Vgl. etwa Rechnungsbuch Fol. 34 b: Witlik si, dat in den iaren unses heren M°CCCCXX, des negesten mandages na Invocavit (26. Februar), hebben gerekent de ammete bynnen rades van erer upboringe unde utgift van der stat van deme voregangen XIX iaren went up dessen dach.
83) Ein Beispiel: Rechnungsbuch Fol. 37 b: Item hebben rekent de heren kemerere Hermen Wegtval unde Hinr. van Demen na uthwisinge erer rollen (1421/2). Ein anderer Beispiel (Weinherren) oben Anmerkung 76.
84) Vgl. Anmerkung 3, Text. Da ixt bereits bemerkt worden, daß das Rechnungsbuch aus dem Inhalte der einzelnen Rollen (Jahresrechnungen der Ratsämter) lediglich das Rechnungsergebnis (Plus oder Minus) entnimmt. Die ständigen Formeln lauten: Item hebben rekent (rekenscop ghedan) de heren . . ., so dat se der stat in x mr. plichtich unde schuldich bliven, bezw. so dat en de stat in x mr. plichtich unde schuldich blivet. Im ersten Falle folgt: hir van hebben se (heft he) geven . . ., im zweiten Falle: dessen vorscr. summen hebben se untfangen van . . . (de heft he untfangen van . . ., de heft en betalet u. dgl.).
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des Buches sind Stichworte notiert; z. B. 1419/20 85 ): Camerarii, domini vinorum, domini vadiorum, domini iudices, domini monete, domini theolonii 86 ), schließlich collecta oder, wie es an anderen Stellen heißt, dat schot. Am Jahresschluß wird über die Schoßverwaltung Rechnung abgelegt, wie über jedes der übrigen Ratsämter, so daß sie ebenfalls als ein Ratsamt erscheint. 87 ) Indessen ein Unterschied ist vorhanden: während in den vorliegenden Quellen von Kämmerern, Weinherren, Weddeherren, Richteherren u. dgl. die Rede ist, wird darin niemals von Schoßherren 88 ) gesprochen, sondern immer einfach vom Schoß.


85) Rechnungsbuch Fol. 34 b ff.
86) Ebenda Fol. 34 a: dies Wort mit dem Zusatz libre.
87) Die Schoßverwaltung wird hier unter den Ratsämtern aufgeführt, indes, soviel man sieht, in den Quellen nirgends geradezu als ein Amt bezeichnet. Für ihren Amtscharakter kann man nicht ein ausdrückliches Zeugnis anführen, wie oben in den Anmerkungen 75 bis 79 für denjenigen der Kammer, des Weinamts, der Weddetafel, des Gerichts, der Münze; denn immer wieder heißt es: Item heft rekenscop ghedan her . . . . van der stat schote. Und doch hat die Schoßverwaltung ein Charakteristikum des Amtes, nämlich daß Rechnung van der stat schote gelegt wird, ebenso wie van der kamer, van deme wynampte, de officio iudicii usw.
88) Häufig wird von den Schoßherren gesprochen. So tut es K. Koppmann, Geschichte der Stadt Rostock. Erster Teil. 1887. Seite 18: "An der Spitze des Rathes standen 4 Bürgermeister. Die übrigen 20 RathsmitgIieder bekleideten . . . bestimmte Ämter, waren also Kämmereiherren, Weddeherren. Gerichtsherren, Schoßherren" usw. Die Schoßverwaltung gehört, wie oben festgestelIt, zu den Ratämtern; indes als Beamter, der den Schoß verwaltet, erscheint jährlich nur ein einziger Ratsherr, sofern als Merkmal der Beamteneigenschaft wie bei den übrigen Ratsämtern (de ammethe ute deme rade = officiales civitatis de consilio) die Pflicht, über das Amt Rechnung abzulegen, gelten kann. Jener Ratsherr, der den Schoß verwaltet, wird aber, soviel man sieht, um 1400 niemals als Schoßherr bezeichnet. - Das Meckl. Urk.=Buch spricht Bd. 20, Seite 500 mehrmals von Schoßherren und versteht darunter die sedentes ad collectam, d. h. einen Bürgermeister, vier Ratsherren und einen Kämmerer. Zwar wird dort bemerkt: "Die Erhebung des Schosses geschah durch den zu den Schoßherren abgeordneten Kämmerer". Indessen die begriffliche Zusammenfassung jener sechs Ratsmitglieder als Schoßherren läßt nicht genügend erkennen, daß der Kämmerer, als einziger unter ihnen, beim Schoß eine Aufgabe hat, die derjenigen der beiden Kämmerer bei der Kammer oder der beiden Weinherren bei dem Weinamte entspricht. Will man die sedentes ad collectam als Schoßherren bezeichnen, so sind sie das jedenfalls in ganz anderem Sinne, als etwa zwei Ratsmitglieder Weinherren oder zwei andere Weddeherren sind: nur ein einziger unter den sedentes, nämlich der Kämmerer, legt jährlich Rechnung über den Schoß, wie die beiden Weinherren über das Weinamt oder die beiden Weddeherren über die Weddetafel. Lieber vermeidet man über= (  ...  )
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Ist die Schoßverwaltung also ein Ratsamt, so erhebt sich nunmehr die Frage, wer der Inhaber dieses Amtes ist, oder mit anderen Worten, wer über die Einnahmen und Ausgaben dieses Amtes Rechnung ablegt. Denn wer ein Amt innehat, muß darüber Rechnung ablegen. An jener Stelle im Rechnungsbuch, wo am Rande vermerkt ist: Collecta, heißt es im Text 89 ): Item heft rekenscop gedan her Jo. Odbrecht kemerer van der stat schote na uthwisinge des schotbokes unde syner rollen, so dat he der stat in VI c mr. unde XXXI 1/2 mr. plichtich unde schuldich blivet (1419/20). Dementsprechend ist für das Jahr 1422/3 eingetragen worden 90 ); (Am Rande) Dat schot. (Im Text) Item heft her Hinr. Tolsyn rekenscop gedan van der stat schote van upboringe unde utgift na uthwisinge des schotbokes unde syner rollen. Der Ratsherr, welcher über die Einnahmen und Ausgaben vom Schoß Rechnung ablegt, wird hier das eine Mal ausdrücklich als Kämmerer bezeichnet, das andere Mal nur mit seinem Namen ohne einen entsprechenden Amtstitel erwähnt. Sowohl 1419/20, wie auch 1422/3 ist es indes einer der beiden Kämmerer. 91 ) Einer der beiden Kämmerer des Jahres verwaltet also zugleich den Schoß und ist der Inhaber eines Amtes, sofern die Schoßverwaltung als ein Ratsamt gelten kann.

Die Inhaber der übrigen Ratsämter legen auf Grund einer Rolle Rechnung ab. Der Kämmerer, der van der stat schote van upboringe unde utgift Rechnung legt, tut es na uthwisinge des schotbokes unde syner rollen, also auf Grund zweier Dokumente: 1. des Schoßbuches (liber collecte) 92 ), das


(  ...  ) haupt den Ausdruck "Schoßherren". - Wenn das Meckl. Urk.Buch a.a.O. "Listen der Schoßherren" aus Schoßbüchern vom Ende des 14. Jahrhunderts mitteilt, ohne anzugeben, wer von den sechs "Schoßherren" den Schoß einnimmt (das tut nämlich allein der Kämmerer), so reichen jene Listen für die vorliegende Untersuchung natürlich nicht aus.
89) Rechnungsbuch Fol. 35 b. Vgl. Anmerkung 85.
90) Ebenda Fol. 40 a.
91) Kämmerer sind 1419/20: Heinr. BaggeIe, Joh. Odbrecht; 1422/3: Heinr. ToIsin, Heinr. v. Demen (nach Ausweis des Rechnungsbuches).
92) Z. B. Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 412 (1385/6): Liber collecte civitatis Rozstokcensis de annis domini millesimo tricentesimo octuagesimo quinto. Oder die Aufschrift auf dem Schoßbuch von 1426/7 (Ungedruckt. Rostocker Ratsarchiv.): Liber collecte civitatis de anno XXVI. - Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 500 wird fälschlich von der "Schoßrolle von 1404" gesprochen. Es handelt sich vielmehr um ein Schoßbuch von 34 Blättern.
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die Einnahmen vom Schoß enthält 93 ), und 2. der Rolle, welche die Ausgaben vom Schoß und in der Regel das Rechnungsergebnis enthält.

Wenn nun der Kämmerer auf Grund des Schoßbuches und auf Grund seiner Rolle Rechnung über Einnahmen und Ausgaben vom Schoß ablegt, so bedeutet das: der Kämmerer nimmt den Schoß ein und gibt vom Schoß aus.

Eine Urkunde von 1393 94 ) kommt hierfür zunächst in Betracht: Der Rat verkauft redditus . . singulis annis in festo beati Nicolai episcopi et confessoris (6. Dezember) de camerario, qui collectam nomine civitatis colligit et percipit, expedite percipiendos. Der Kämmerer, welcher den Schoß einnimmt, wird, soviel man sieht, alljährlich vom Schoß 95 ) eine Rente auszahlen. Schon für das Ende des 14. Jahrhunderts gilt demnach der eben ausgesprochene Satz: der Kämmerer verwaltet den Schoß; das heißt: er nimmt den Schoß ein 96 ) und gibt vom Schoß aus.

Die Einnahmen vom Schoß werden, wie bemerkt, in das Schoßbuch eingetragen, dessen zweiter Teil die jeden Tag morgens und abends eingegangenen Summen nacheinander


93) Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 498 (1385/6), wo es abschließend heißt: Summa universalissima de tota collecta totius civitatis.
94) Meckl. Urk.=Buch Bd. 22, Nr. 12533.
95) Es ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, doch wohl so gemeint, daß derjenige Kämmerer, der den Schoß einnimmt, die Rente vom Schoß auszahlt, und nicht etwa aus der Kammer. Über die Kammer verfügt er ja nicht allein, sondern nur in Gemeinschaft mit dem Amtsgenossen. Die Kämmerer machen Ausgaben aus der Kammer. Ein Beispiel für viele: Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 11803 (1386. Sept. 29): Der Rat verkauft redditus, quos . . camerarii civitatis nostre . ., qui pro nunc sunt vel qui pro tempore fuerint, in quatuor terminis anni .... singulis annis de pixide et promptioribus bonis nostre civitatis ... persolvere . . debebunt. Dasselbe gilt für die Inhaber des Münzamtes. Vgl. Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 11 773 (1386), wo der Rat redditus . . in quatuor terminis anni a dominis monete civitatis percipiendos verkauft. - Folgender Unterschied ist noch bemerkenswert: Jene Rente vom Schoß wird jährlich am 6. Dezember, einem Tage während der Schoßerhebungszeit, gezahlt; die Renten aus der Kammer und dem Münzamte hingegen zu vier verschiedenen Zeitpunkten des Jahres (Weihnachten, Ostern, Johannis, Michaelis), wie sich denn die Einnahmen und Ausgaben der übrigen Ämter überhaupt mehr über das ganze Jahr zu verteilen scheinen als diejenigen vom Schoß.
96) Während es in den Schoßbüchern durchweg heißt: percepit infrascripta de colllecta (allerdings percipiet collectam), wird hier einmal die Wendung collectam percipit gebraucht.
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verzeichnet. Eines der ältesten vorliegenden Schoßbücher (1382/3) leitet seinen zweiten Teil mit den formelhaften Worten ein 97 ): Notum sit, quod sub anno domini M° CCC° LXXX° secundo, tercia feria proxima post festum omnium. sanctorum (4. November 1382), sedentibus ad collectam honorabilibus viris dominis Ludowico Crusen, proconsule, Johanne Calen, Johanne Lowen, Petro de Vreden, Enghelberto Kadzowe et Mathia Hoveman, consulibus, dominus Johannes Lowe percepit infrascripta. Die entsprechenden Stellen aus einigen Schoßbüchern der nächsten Zeit lauten: 1384/5 98 ): sub anno domini M° CCC° LXXXIIII°, feria tercia proxima ante festum beati Martini episcopi (8. November 1384), sedentibus ad collectam honorabilibus viris domino Johanne de Aa, proconsule, Johanne Lowen, Johanne Wulf, Johanne Maken, Tiderico Hologer necnon Hinrico Bukstock, consulibus, dominus Johannes Lowe percepit infrascripta. 1385/6 99 ): am Dienstag, dem 7. November 1385, sedentibus ad collectam . . dominis Ludowico Crusen, proconsule, Johanne Nachtraven, Nicolao Schutowen, Gherardo Grendzen, Wynoldo Bagghelen et Hinrico Witten, consulibus, dominus Gherardus Grendze percepit infrascripta. 1387/8 100 ) : sub anno domini M° CCC° LXXXVII°, sexta feria proxima ante festum beati Martini episcopi (8. November 1387), sedentibus ad collectam .. dominis Johanne de Aa proconsule, Johanne Lowen, Mathia Hoveman, Arnoldo Belster , Petro Vresen et Conrado Unrowen consulibus dominus Johannes Lowe percepit infrascripta. 1388/9 101 ): am Montag, dem 16. November 1388, sedentibus ad collectam . . dominis Ludewico Crusen, proconsule, Gherardo Grendzen, Michahele Rooden, Johanne Nyendorp, Johanne Horn et Hinrico Ooppelowe, consulibus, dominus Gherardus Grendze camerarius percepit infrascripta. Schließlich 1389/90 102 ): sub anno domini M° CCC° LXXXIX, feria


97) Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 496.
98) Meckl. Urk.=Buch a. a. O. Seite 500.
99) Meckl. Urk.=Buch a. a. O. Seite 496.
100) Ungedruckt. Vgl. oben Anmerkung 1. Das Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 500 gegen Ende teilt lediglich die Namen der "Schoßherren" mit; hierzu oben Anmerkung 88.
101) Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 12 142, Seite 347.
102) Ungedruckt. Vgl. oben Anmerkung 1. Die Namen der "Schoßherren" wiederum Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 500 gegen Ende.
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tercia proxima post festum beate Lucie virginis (14. Dezember 1389), sedentibus ad colectam . . dominis, videlicet Lodewico Crusen, proconsule, Winoldo Baggelen, Johanne Maken, Tider. Holloger, Hermanno Wilden et Hinr. Bucstok, Hermannus Wilde percepit infrascripta. Jedes Mal sitzen ein Bürgermeister und fünf Ratsherren am Schoß; doch nur einer unter ihnen nimmt den Schoß ein. Er ist stets zugleich Kämmerer 103 ), wenn er auch nur ein einziges Mal ausdrücklich als solcher bezeichnet wird.

Über die außerordentliche Steuer des Jahres 1389/90 ist ausgezeichnet worden 104 ): Am Freitag, dem 22. Oktober 1389, sedentibus ad collectam pecunie marcalis . . dominis Arnoldo Cropelin proconsule, Bernardo Copman, Petro de Vreden et Gherardo Grendzen, consulibus, dominus Gherardus Grendze percepit infrascripta. Der eine Kämmerer des Jahres, Gerhard Grenze, derseIbe, der 1388/9 den ordentlichen Schoß eingenommen hat, nimmt dies Mal die außerordentliche Steuer ein, während der andere, Hermann Wilde, den ordentlichen Schoß einnimmt.

Die Ausgaben vom Schoß werden auf der Rolle zusammengestellt. Zu dem erwähnten Schoßbuch von 1387/8 (Anmerkung 100) gehört eine Rolle, deren Überschrift lautet 105 ): Exposita domini Johannis Lowen de collecta civitatis per eum in


103) Vgl. Meckl. Urk.=Buch Bd. 13, Seite XIII (Verzeichnis der Kämmerer 1351 bis 1400): 1382/3: Bernhard Kopmann, Johann Löwe. - 1384/5: Johann Nachtrabe, Johann Löwe. - 1385/6: Johann Löwe, Gerhard Grenze. - 1387/8: Johann Löwe, Hermann Wilde. - 1388/9: Johann Löwe, Gerhard Grenze. - 1389/90: Gerhard Grenze, Hermann Wilde.
104) Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 12142, Seite 348. Vgl. zu der außerordentlichen Steuer von 1389/90 oben den Text zu den Anmerkungen 55 bis 57 a.
105) Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 11840. Hier unter dem unzutreffenden Datum 1387. Die Rolle verzeichnet tatsächlich die Ausgaben des Kämmerers Joh. Löwe vom Schoß 1387/8 und ist daher am 22. Februar 1388 dem Rate vorgelegt worden. Es heißt nämlich darin: 1. Item dominis camerariis videlicet dominis Johanni Lowen et Hermanno Wylden M marcas ad persolucionem vitalicii; und dies sind die Kämmerer von 1387/8 (vgl. oben Anmerkung 103). 2. Item dominis Gherardo Grendzen et Hermanno Wylden III° marc., quas campsores eis ad persolucionem vitalicii in anno preterito accommodaverunt, videlicet in festo natalis Christi anni LXX[X]VI ti , et XXIIII marc. pro redditibus earundem; und dies sind die Kämmerer von 1386/7 (vgl. Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 11794).
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anno domini M° CCC° LXXXVII percepta. Einer der Kämmerer des Jahres hat also die doppelte Aufgabe, den Schoß einzunehmen und vom Schoß auszugeben.

Wie gegen Ende des 14. Jahrhunderts, so in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts. Die Schoßbücher vermerken nunmehr auf einem der letzten Blätter, wie die Erhebung des Schosses im nächsten Jahre geordnet sein wird. So gibt das Schoßbuch 1404/5 an 106 ), daß anno domini M° CDV° ad collectam civitatis sedebunt domini Hinricus Katzowe, proconsul, Jo. Horn, camerarius, Marquardus Kropelyn, Tidericus Wulff, Hermannus Westval, Martinus Hoveman. - Schoßbuch 1418/9 107 ): anno domim M° CCCC XVIII sedentibus dominis ad collectam civitatis Hinrico Buk, proconsule, Hinrico Baggelen, Hinr. Tolsyn, Nicolaus Schulenberch, Johanne Odbrecht et Johanne Maken Hinricus Baggele camerarius percepit infrascripta: zum ersten Mal am Montag, dem 7. November 1418. Einige Blätter weiter wird gesagt 108 ), quod anno domini M° CCCC XIX, dominica ante omnium sanctorum (29. Oktober 1419), infrascripti domini sedebunt ad collectam civitatis, videlicet Vikko Tzene, proconsul, Jo. Odberti, Hinr. Heket, Hartwicus Totendorp, Johannes de Alen, Hermannus Westvali: Jo. Odberti camerarius percipiet collectam civitatis. - Schoßbuch 1421/2 109 ): anno domini M°CCCCXXI sedentibus dominis ad collectam civitatis Olrico Grullen, proconsule, Hinrico Grentzen, God. Langhe, Jo. de Aa, Lamberto Kropelyn dominus Hinricus de Demen camerarius de collecta civitatis percepit infrascripta (Montag, den 3. November 1421). Weiterhin heißt es 110 ): anno domini M° CCCC XXII, dominica proxima ante festum Symonis et Jude (25. Oktober 1422), infrascripti domini sedebunt ad collectam civitatis Hinricus Buk, Johannes Buttzow, Hinr. Baggele, Claus Schulenberch, Johannes Odbrecht: Hinr. Tolsyn camerarius percipiet collectam civitatis. - Schoßbuch 1422/3 111 ): anno dommi M° CCCC XXII seden-


106) Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 500.
107) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 14 b.
108) Fol. 18 b.
109) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 47 b.
110) Fol. 53 b.
111) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 15 b.
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tibus dominis ad collectani civitatis Hinrico Buk, proconsule, Johanne Buttzowen, Hinrico Baggelen, Nicolao Schulenberch, Johanne Odbrecht Hinricus Tolsyn camerarius percepit infrascripta (Dienstag, den 3. November 1422) de collecta civitatis. Weiterhin 112 ): dominica proxima ante festum omnium sanctorum (31. Oktober 1423) infrascripti domini sedebunt ad collectam civitatis dominus Vikko Tzene, proconsul, dominus Hinr. Heket, dominus Jo. Make, dominus Johannes de Alen, dominus Everardus Bukstok: dominus Johannes Odbrecht camerarius percipiet collectam civitatis. - Schoßbuch 1423/4 113 ): sedentibus dominis ad collectam civitatis Vikkone Tzenen, proconsule, Johanne Maken, Hinrico Heket, Johanne de Alen et Everardo Bukstok dominus Johannes Odbrecht camerarius de collecta civitatis percepit infrascripta (Montag, den 15. November 1423). Weiterhin 114 ): dominica proxima ante festum omnium sanctorum (29. Oktober 1424) infrascripti domini sedebunt ad collectam civitatis dominus "Hinricus Katzow, proconsul, dominus Albertus Klingenberch, dominus Hinricus Grentze, dominus Godeke Lange, dominus Johannes Buttzow: dominus Ludolphus Vrese camerarius percipiet collectam civitatis. Immer wieder nimmt einer der Kämmerer 115 ), der hier regelmäßig als solcher bezeichnet wird 116 ), den Schoß ein.


112) Fol. 20 b.
113) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 45 b.
114) Fol. 49 b.
115) Folgende Liste, die auf Grund des Rechnungsbuches zusammengestellt worden ist, enthält für jedes der angegebenen Jahre 1. die beiden Kämmerer und 2. den Verwalter des Schosses. Das Datum bedeutet den Tag, an dem die Ratsämter Rechnung abgelegt haben. 1417/8 (23. 2. 1418): 1. Herm. WestfaI. Joh. Odbrecht. 2. Herm. WestfaI. - 1418/9 (3. 3. 1419): 1. Hermann WestfaI. Heinr. Baggel. 2. Heinr. Baggel. - 1419/20 (26. 2. 1420): 1. Heinr. Baggel. Joh. Odbrecht. 2. Joh. Odbrecht. - 1420/1 (3.3.1421): 1. Herm. WestfaI. Joh. Odbrecht. 2. Herm. WestfaI.- 1421/2 (2. 3. 1422): 1. Herm. WestfaI. Heinr. v. Demen. 2. Heinr. v. Dernen. - 1422/3 (27. 2. 1423): 1. Heinr. ToIsin. Heinr. v. Demen. 2. Heinr. ToIsin. - 1423/4 (3. 3. 1424): 1. Heinr. ToIsin. Joh. Odbrecht. 2. Joh. Odbrecht. - 1424/5 (13. 3. 1425): 1. Heinr. BaggeI. Ludeke Frese. 2. Ludeke Frese. - 1425/6 (?): 1. Heinr. Baggel. Heinr. ToIsin. 2. Heinr. Baggel. - 1426/7 (?): 1. Ludeke Frese. Heinr. ToIsin. 2. Heinr. ToIsin.
116) Man vergleiche noch aus dem Rechnungsbuch Fol. 21 b (1410/1): Eodem anno et die (16. 2. 1411) computavit dominus Hermannus de Broke camerarius de collecta civitatis, ita quod omnibus perceptis et expositis similiter computatis, defal- (  ...  )
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Die Schoßrollen vom Beginne des 15. Jahrhunderts haben durchweg etwa folgende Überschrift: dominus N. N. camerarius de collecta civitatis exposuit = her N. N. kemerer heft utegheven van der stat schote und dgl. 117 )

Das Ergebnis ist dies. Der Schoß wird jährlich von einem einzigen Ratsherrn verwaltet, der regelmäßig zugleich einer der beiden Kämmerer ist. Er hat die Aufgabe, den Schoß einzunehmen und vom Schoß auszugeben, und ist wie jedes Ratsherrenpaar, das ein Amt innehat, verpflichtet, am Jahresschluß darüber Rechnung abzulegen, und zwar auf Grund des Schoßbuches und auf Grund seiner Rolle.

Wenn ein Ratsmitglied zugleich den Schoß verwaltet und Anteil an der Verwaltung der Kammer hat, so kann man fragen nach dem gegenseitigen Verhältnis der beiden Ämter,der SchoßverwaItung und der Kammer.

Jedes einzelne Amt hat, wie erwähnt, seine eigenen Einnahmen und seine eigenen Ausgaben. Unter den voneinander unabhängigen Kassen der verschiedenen Ämter ist indes ein gewisses Herüber und Hinüber vorhanden. Die Rolle der Weddeherren 1387/8 118 ) verzeichnet z. B. unter den Ausgaben der Weddetafel: dominis Johanni Lowen et Hermanno Wilden, camerariis, ad persolucionem vitalicii exposuimus II C marc. Ein Amt zahlt aIso während des Rechnungsjahres eine Summe an das andere, um ihm auszuhelfen. Genau so heißt es in der Rolle 119 ), welche die exposita domini Johannis Lowen de collecta für dasseIbe Jahr (1387/8) enthält: Item dominis camerariis videlicet dominis Johanni Lowen et Hermanno Wylden M marcas ad persolucionem vitalicii. Die Schoßverwaltung, d. i. der Kämmerer Joh. Löwe, gibt hier


(  ...  ) catis, que defalcanda, dictus dominus manet civitati. . . Indessen es kommt auch im 15. Jahrhundert wiederholt vor, daß der Verwalter des Schosses nicht als Kämmerer bezeichnet wird. Vgl. etwa oben Text zu Anmerkung 90 (im Gegensatz zu der bei Anmerkung 89 mitgeteilten Stelle) und unten Text zu Anmerkung 120 (wiederum im Gegensatz zu Anmerkung 122).
117) Die vorliegenden Rollen (1418/9, 1419/20, 1420/1, 1421/2, 1422/3, 1423/4, 1425/6, 1426/7. Ungedruckt. Rostocker Ratsarchiv.) nennen als Verwalter des Schosses für jedes Jahr denselben Ratsherrn (Kämmerer), der in dem entsprechenden Schoßbuch bezw. in dem Rechnungbuch (Anmerkung 115) angegeben wird.
118) Meckl. Urk.=Buch Bd. 21, Nr. 11 968, Seite 201.
119) Vgl. oben Anmerkung 105.
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eine Summe an die Kammer, d. i. die Kämmerer Joh. Löwe und Herm. Wilde; die beidenÄmoter stehen also einander wie alle übrigen unabhängig gegenüber.

Jedes einzelne Ratsamt legt am Jahresschluß dem Rate eine Rechnung vor, die mit einem PIus oder mit einem Minus abschließt, und der Rat stellt einen Ausgleich unter den Kassen der verschiedenen Ämter her, indem er ein Amt anweist, von seinem Überschuß einen Teil an das andere abzugeben. So muß auch die Schoßverwaltung hier und da eine Summe an die Kammer zahlen oder umgekehrt. Z. B. 1421/2 120 ): Item heft rekenscop gedan her Hinr. van Demen van der stat schote na uthwisinge syner rollen unde des schotbokes, so dat he der stat in. II 1/2 c mr. XIIII mr. IIIIs. plichtich unde sculdich blivet. Hir van heft he geven den Camerariis her Hermen Westvale unde her Hinr. van Demen XLVIII mr. et VIIs. Dementsprechend heißt es bei den Kämmerern 121 ): Item hebben rekent de heren kemerere Hermen Westval unde Hinr. van Demen na uthwisinge erer rollen, so dat en de stat in XLVIII mr. VIIs. unde II  plichtich unde sculdich blivet. De heft en her Hinr. van Demen betalet van der stat schote. Wie eben vom Überschuß der Schoßverwaltung an die Kammer, so wird ein ander Mal (1423/4) Vom Überschuß der Kammer an die SchoßverwaItung gegeben 122 ): Item her Johan Odbrecht kemerer heft rekenscop ghedan van der stat schote van mennigerhand upboringe unde uthgift, so dat em de stat in XVIII mr. plichtich unde schuldich blivet. De heft he untfangen van den kemereren. Bei den Kämmerern heißt es dafür 123 ): Item hebben rekenscop ghedan der stat kemerer her Hinr. Tolsyn unde her Johan Odbrecht van der stat camer unde er ampt an rorend, so dat se der stat . . . schuldich bliven. Hir van hebben [se] geven . . her Odbrechte . . . XVIII mr. van des schotes [wegen]. Die beiden in Frage stehenden Ämter, Schoßverwaltung und Kammer, schließen demnach ihre Rechnungen unabhängig von einander ab, und erst nachdem die abgeschlossenen Rechnungen dem Rate vorgelegen haben, wird PIus und Minus gegeneinander ausgeglichen.


120) Rechnungsbuch Fol. 38 b.
121) Ebenda Fol. 37 b.
122) Ebenda Fol. 42 a.
123) Ebenda Fol. 41 a.
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Der Schoß wird, wie hervorgehoben, von einem einzigen Ratsherrn verwaltet, der die Pflicht hat, am Jahresschluß darüber Rechnung zu legen. Doch bereits während der Kämmerer den Schoß einnimmt, wird er durch andere Mitglieder des Rats überwacht, die neben ih m am Schoß sitzen. Man beobachtet in den vorliegenden Schoßbüchern einen Unterschied, der nicht ohne Bedeutung ist. Im 14. Jahrhundert, sowie 1418/9 (vgl. oben die Anmerkungen 97-102 und 107-108) wird darin angegeben, daß ein Bürgermeister und fünf Ratsherren am Schoß sitzen, und unter den fünf Ratsherren befindet sich regelmäßig der Kämmerer. In den 20er Jahren des 15. Jahrhunderts (vgl. oben die Anmerkungen 109-114) wird jedoch der Kämmerer nicht unter den sedentes ad collectam erwähnt, sondern Iediglich als derjenige, der den Schoß einnimmt, so daß nur der Bürgermeister und vier Ratsherren unter die sedentes gerechnet werden. 123a ) Das bedeutet: Jedes Jahr sitzen im ganzen sechs Ratsmitglieder am Schoß. Einer unter ihnen hat indes eine Aufgabe für sich, welche die übrigen nicht haben: er nimmt den Schoß ein, während jene, ein Bürgermeister und vier Ratsherren, ihm zur Seite sitzen und eine Kontrolle über ihn ausüben.

Jene sechs Ratsmitglieder sind beisammen, solange Schoß erhoben wird, d. h. von Allerheiligen an bis in den Januar und bisweilen in den Februar hinein. Es stellt sich heraus, daß sie ein erstes Mal schon zusammenkommen, kurz bevor die Erhebung des Schosses beginnt. Man vergIeiche die Angaben in den Schoßbüchern des 15. Jahrhunderts: Sonntag, den 29. Oktober 1419, werden sechs Ratsmitglieder am Schoß sitzen; einer unter ihnen, der Kämmerer, wird den Schoß einnehmen (vgl. oben Anmerkung 108, Text). Sonntag, den 25. Orkober 1422, werden fünf Ratsmitglieder am Schoß sitzen; der Kämmerer wird den Schoß einnehmen (Anmerkung 110, Text); jedoch): Dienstag, den 3. November 1422, hat in Gegenwart von fünf Ratsmitgliedern der Kämmerer zum ersten Mal Schoß eingenommen (Anmerkung 111, Text). Ferner: Sonntag, den 31. Oktober 1423, werden fünf Ratsmitglieder am Schoß sitzen; der Kämmerer wird den Schoß einnehmen (Anmerkung 112, Text); je=


123a) Es sei bemerkt, daß in den Schoßbüchern 1431/2, 1432/3, 1433/4 (Ungedruckt. Ratsarchiv.) abermals 6 Ratsmitglieder als sedentes ad collectam erscheinen, nämlich ein Bürgermeister und fünf Ratsherren, unter den letzteren der Kämmerer.
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doch: Montag, den 15. November 1423, hat in Gegenwart von fünf Ratsmitgliedern der Kämmerer zum ersten Mal Schoß eingenommen (Anmerkung 113, Text). Endlich: Sonntag, den 29. Ortober 1424, werden fünf Ratsmitglieder am Schoß sitzen; der Kämmerer wird den Schoß einnehmen (Anmerkung 114, Text). Demnach scheinen jene sechs Ratsmitglieder bereits am Sonntag vor Allerheiligen eine Zusammenkunft zu halten, also vor der Schoßverkündigung in der Bürgersprache.

Neben dem Kämmerer und den fünf Ratsmitgliedern, die hauptfachlich eine Kontrolle ausüben, wenn jener den Schoß einnimmt, sind bei dem Schoß noch einige andere Ratsherren beschäftigt.

Jedes Schoßbuch zerfällt, wie erwähnt (vgl. oben die Anmerkungen 1 und 97, beide Mal den vorangehenden Text), in zwei Teile: 1. Eine vollständige Liste der Schoßpflichtigen Personen und der von den einzelnen Personen gezahlten Schoßbeträge. Die letzteren sind eingetragen worden, während der Kämmerer den Schoß eingenommen hat. 2. Ein fortlaufendes Verzeichnis der jeden Tag morgens und abends eingegangenen Summen. Dies ist gleichfalls entstanden, während der Kämmerer den Schoß eingenommen hat. So bleibt noch die Frage übrig, wann und in wessen Gegenwart die Liste der schoßpflichtigen Personen geschrieben worden ist. Um eine Antwort zu ermöglichen, müssen verschiedene hierfür in Betracht kommende Nachrichten zusammengestellt werden.

Die Überschrift des Schoßbuches 1382/3 lautet 124 ): Exactio sive collecta civitatis Rozstokcensis, signata et scripta super Antiqua et Media civitate presentibus honorabilibus viris dominis Wynoldo Bagghelen et Johanne Wulf, consulibus, et super Nova civitate presentibus dominis Enghelberto Katzowen et Mathia Hoveman, consulibus, in anno LXXX° secundo. Da der zweite Teil des Schoßbuches eine eigne Überschrift hat (vgl. oben Anmerkung 97, Text), so beziehen die angeführten Worte sich auf den ersten Teil des Buches, und zwar lediglich auf die darin enthaltene Liste der schoßpflichtigen Personen 125 ); denn die von den einzelnen Personen gezahlten Schoßbeträge sind, wie eben bemerkt, eingetragen, während der Käm=


124) Meckl. Urk.=Buch Bd. 20, Nr. 11 741, Seite 412.
125) Übereinstimmend deutet das Meckl. Urk.=Buch a. a. O. Seite 500 die Wendung collectam scibere: die SchoßpSlichtigen aufzeichnen.
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merer den Schoß in Gegenwart von fünf Ratsmitgliedern eingenommen hat. Die Liste der schoßpflichtigen Personen für das Jahr 1382/3 ist demnach 1382 aufgezeichnet worden unter Aufsicht zweier Ratsherrenpaare, von denen das eine die Liste der Alt= und Mittelstadt, das andere, welches übrigens 1382/3 zu den sedentes gehört (vgl. Anmerkung 97, Text) 125a ), die Liste der Neustadt besorgt.

Am Schluß deS Schoßbuches 1384/5 wird mit Bezug auf das nächste Jahr vermerkt 126 ): Dominus Jo. Wulf et Jo. Make faciunt scribere (sc. collectam) super antiqua et media civitate, et dominus Hermannus Wilde et dominus Petrus Vrese faciunt scribere super nova civitate. Keiner der hier erwähnten Ratsherren soll zugleich zu den sedentes des betreffenden Jahres gehören. Das Schoßbuch 1404/5 gibt an 127 ): a. d..M°CDV° ad collectam civitatis sedebunt domini Hinricus Katzowe, proconsul, Jo. Horn, camerarius, Marquardus Kropelyn, Tidericus Wulff, Hermannus Westval, Martinus Hovernan. Collectam civitatis


125a) Das Meckl. Urk.=Buch bemerkt a. a. O. Seite 500, daß "ein Bürgermeister und fünf Rathmannen, darunter einer der Kämmerer, über das Schoß gesetzt waren (sedent ad collectam), und daß zwei dieser Rathmannen auf der Alt= und Mittelstadt, zwei auf der Neustadt ... die Schoßpflichtigen aufzeichneten (faciunt scribere oder scribi)." Letzteres entspricht nicht durchweg den Tatsachen. Nur aus dem Schoßbuch 1404/5 liegt ein Beispiel (unten Text zu Anmerkung 127) dafür vor, daß die beiden Ratsherrenpaare, unter deren Aufsicht der Schoß geschrieben werden soll, auch am Schoß sitzen sollen. Die übrigen im Text zusammengestellten Nachrichten zeigen indes, daß dies keineswegs die Regel ist. Wenn auch bisweilen der eine oder der andere Ratsherr im selben Jahr beim Schreiben der Liste und beim Einnehmen des Schosses zugegen ist, so werden doch zweimal (Text zu den Anmerkungen 126 und 131) lauter verschiedene Ratxherren mit jenen beiden Aufgaben betraut. Die Nachrichten aus den Schoßbüchern 1382/3 und 1384/5 sind im Meckl. Urk.=Buch zwar mitgeteilt, doch für die vorliegende Frage nicht genügend berücksichtigt worden. Sie gehören hierher; denn die Wendung: collecta scripta (1382/3) ist, wie es scheint, gleichzusetzen der anderen häufiger vorkommenden: faciunt oder facient scribere, bezw. scribi collectam. Auf die zweite Nachricht (1384/5), die im Meckl. Urk.=Buch nicht beachtet worden ist, kommen wir nachher zurück (Anmerkung 126).
126) Meckl. Urk.=Buch a. a. O. Seite 500. Hier wird vermutet, daß die angeführte Aufzeichnung in dem Schoßbuch 1384/5 auf das Jahr 1386 Bezug nehmen könnte. Indessen es liegt kein Grund vor, sie nicht auf dasselbe, unmittelbar folgende Jahr (1385/6) zu beziehen, wie die andere dortige Aufzeichnung (Meckl. Urk.=Buch a. a. O. Seite 500), welche einer Stelle in dem Schoßbuch 1385/6 (oben Anmerkung 99, Text) inhaltlich genau entspricht.
127) Meckl. Urk.=Buch a. a. O. Vgl. oben Anmerkung 106, Text.
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super antiquam et mediam faciunt scribi domini Martinus Hoveman et Hermannus Westval, super novam civitatem domini Marquardus Kropelyn et Tidericus Wulff. Hier sind einmal die vier Ratsherren, die am Schoß sitzen sollen, dieselben wie diejenigen, in deren Gegenwart die Liste der schoßpflichtigen Personen geschrieben werden soll. In dem Schoßbuch 1418/19 heißt es 128 ): Item anno et die, quibus supra, d. i. am Sonntag, dem 29. Oktober 1419 (vgl. oben Anmerkung 108, Text), domini Johannes de Alen et Jo. de Aa facient scribi collectam supra antiquam et mediam civitates. Item domini Hinr. Heket et Godekinus Langhe facient scribi supra novam civitatem. Joh. v. Alen und Heinr. Heket werden zugleich am Schoß sitzen. Dementsprechend wird in dem Schoßbuch 1421/2 gesagt 129 ): Item anno et die, quibus supra, d. i. am 25. Oktober 1422 (vgl. oben Anmerkung 110, Text), infrascripti domini facient scribi collectam supra antiquam et mediam civitates Johannes de Alen et Everardus Bukstok. Et domini, videlicet Lambertus Kropelyn et Johannes Buttzow (dieser wird zugleich am Schoß sitzen), facient scribi supra novam civitatem. Schoßbuch 1422/3 130 ): Item anno et die, quibus supra, d. i. am 31. Oktober 1423 (vgl. oben Anmerkung 112, Text), infrascripti domini facient scribi collectam supra antiquam et mediam civitates, videlicet Jo. de Alen et Everardus Buxstok. Et domini Lambertus Kropelin et Johannes Buttzowe facient scribi supra novam civitatem. Die beiden ersten Ratsherren sollen zugleich am Schoß sitzen. Endlich Schoßbuch 1423/4 131 ): Item anno et die, quibus supra, d. i. am 29. Oktober 1424 (vgl. oben Anmerkung 114, Text), infrascripti domini facient scribi collectam supra antiquam et mediam civitates: Everhardus Bukst [ok] et dominus Bernardus Kruse. Item domini Juruis Vinke et Hinr. Slenter facient scribi supra novam civitatem. Keiner der vier Ratsherren soll zugleich am Schoß sitzen.

Die zuletzt erwähnten Schoßbücher setzen das Schreiben der Liste auf denselben Tag (Sonntag vor Allerheiligen) an, wie die erste Zusammenkunft der sechs am Schoß sitzenden Rats=


128) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 18 b.
129) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 53 b.
130) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 20 b.
131) Ungedruckt (vgl. Anmerkung 1) Fol. 49 b.
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mitglieder. Kurz bevor der Schoß verkündet und eingezogen wird, wird demnach die Liste der schoßpflichtigen Personen angefertigt, und zwar stets, wie erwähnt, in zwei Teilen, von denen der eine die AIt= und Mittelstadt, der andere die Neustadt urnfaßt. Zwei Schreiber sind damit beschäftigt, was man an jedem Schoßbuch erkennt, und jeder von ihnen arbeitet unter Aufsicht zweier Ratsherren, die häufig im übrigen an der Erhebung des Schoses keinen Anteil weiter haben.

So wirkt ein größerer Teil des Rates bei der Erhebung des Schosses zusammen. Der Kämmerer verwaltet den Schoß, d. h. er nimmt den Schoß ein und gibt vom Schoß aus, und ist verpflichtet, Rechnung darüber abzulegen. Indes eine Anzahl anderer Ratsmitglieder ist berufen, die Liste der schoßpflichtigen Personen zusammenzustellen, und wieder andere sitzen dem Kämmerer zur Seite, wenn er den Schoß einnimmt, und üben eine Kontrolle über ihn aus.

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V.

Die schwedische Verpfändung Wismars
an Mecklenburg-Schwerin 1803.


Von

Dr. Carl Schröder.



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E s ist in aller Erinnerung, daß am 20. Juni 1903 zwischen Mecklenburg=Schwerin und Schweden ein Staatsvertrag abgeschlossen wurde wegen des Erlöschens der aus der Malmöer Konvention vom 26. Juni 1803 herzuleitenden Rechte Schwedens auf die Rückerwerbung der Stadt und Herrschaft Wismar und der Ämter Poel und Neukloster, und daß am 19. August 1903 der Großherzog, umgeben von allen Prinzen seines Hauses, seinen Einzug in das nunmehr endgültig wieder mit Mecklenburg vereinigte Wismar hielt. Von dieser Malmöer Konvention und ihrer Vorgeschichte soll hier die Rede sein. 1 )

Im Westfälischen Frieden hatte der Deutsche Kaiser an Schweden abgetreten "als ewiges und unmittelbares Reichslehen Stadt und Hafen Wismar mit der Festung WaIfisch und den Ämtern Poel (mit Ausnahme der dem Heiligen=Geist=Spital zu Lübeck gehörenden Dörfer Seedorf, Weitendorf, Brandenhusen und Wangern) und Neukloster mit allen Rechten und Zubehörungen, mit denen sie die Herzoge von Mecklenburg bisher besaßen". Die Entschädigung für diesen Gebietsverlust bestand zunächst in der Zuweisung der Bistümer Schwerin und Ratzeburg, von denen Schwerin längst in mecklenburgischem Besitz war, und betreffs Ratzeburg lag die Sache nicht viel anders. Sodann wurden Mecklenburg zugesprochen die Johanniterkomtureien Mirow und Nemerow, in deren ungestörten Besitz es aber infolge der Schwierigkeiten, die der Johanniterorden und Brandenburg als Beschützer des Ordens machten, erst 1693 gelangte. Endlich waren dem Herzog Adolf Friedrich I. zwei


1) Meine Darstellung beruht im wesentlichen auf den die Erwerbung der Herrschaft Wismar betreffenden Kabinetts= und Ministerialakten, von denen die ersteren im Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchiv, die letzteren, weit umfänglicheren in der Registratur des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten aufbewahrt werden. Daneben ist die denselben Gegenstand nach schwedischen Quellen behandelnde Schrift von C. Fr. Lundin, Wismars pantsättande till Mecklenburg-Schwerin (Upsala 1892), in einer im Archiv angefertigten deutschen Übersetzung benutzt worden.
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von den sechs evangelischen Kanonikaten beim Domstift in Straßburg überwiesen, die, wenngleich erst nach langen unerquicklichen Streitigkeiten mit dem Straßburger Magistrat, 1666 von seinen Söhnen Karl und Gustav Rudolf eingenommen wurden. Allein nach der Besetzung Straßburgs 1681 entzog Frankreich den evangelischen Domherren sofort ihre Einkünfte, und dabei hatte es sein Bewenden trotz wiederholter Proteste der Herzoge von Mecklenburg, und obwohl den späteren Friedensschlüssen von Nimwegen, Rijswijk und Rastatt die Bestimmungen des Osnabrücker Traktats, soweit sie sich aus die Restitution der evangelischen Kanonikate bezogen, ausdrücklich zugrunde gelegt wurden und obwohl im Rastatter Frieden 1714 noch eine besondere Bestätigung der Restitutionsakte erfolgte. Als dann 1789 durch die Dekrete der französischen Nationalversammlung das Hochstift Straßburg eingezogen und jeder reichsständische Besitz im Elsaß durch die neue Verfassung dieser Provinz aufgehoben wurde, da hielt Friedrich Franz es für angezeigt, durch seinen Gesandten bei der Regensburger Reichsversammlung daraus hinzuweisen, "Se. Herzogl. Durchl. hielten sich für befugt, von Kaiserlicher Majestät und dem Reich eine anderweite Schadloshaltung für ihre bei dem Westfälischen Friedenschlusse aufgeopferten altfürstlichen Besitzungen nachzusuchen und zu gewärtigen". In der Tat erfolgte eine dahin zielende Beschwerde des kaiserlichen Gesandten in Paris, aber der bald darauf ausbrechende Krieg unterbrach vorläufig die Verhandlungen. Erst in den dem Frieden von Luneville 1801 nachfolgenden Entschädigungsverhandlungen, die durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 beendigt wurden, erhielt Mecklenburg-Schwerin als Ersatz für die beiden Straßburger Domherrnpfründen eine immerwährende Rente von 10 000 Gulden aus dem Rheinschiffahrtsoktroi.

Wismars Wichtigkeit für Schweden beruhte zur Zeit der Abtretung wesentlich darauf, daß es ein strategisches Glied bildete zwischen Schwedisch=Pommern und Bremen=Verden. Seit indessen Schweden 1719 Bremen=Verden hatte abtreten müssen, verlor Wismar wesentlich an Bedeutung; es war hinfort ein verlorener Posten, seine freiwillige oder erzwungene Aufgabe nur eine Frage der Zeit. Dies erkennend hatte Schweden schon, wenngleich vergeblich, mit Preußen wegen Verkaufs von Wismar verhandelt. In Mecklenburg andererseits hatte man den Verlust Wismars nie verschmerzt. Es zurückzuerwerben schien sich eine Gelegenheit zu bieten, als der König Gustav IV. Adolf

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von Schweden, obwohl seit dem 1. November 1795 verlobt mit Luise Charlotte, der ältesten Tochter des Herzogs Friedrich Franz, im Herbst 1796 in Petersburg um die Hand der Großfürstin Alexandra warb, sie auch erhielt und eine Zeitlang zwei Bräute hatte, dann das Verlöbnis mit der ersten aufhob, um vierzehn Tage später auch mit der zweiten zu brechen. 2 ) Damals hatte Friedrich Franz für das seiner Tochter widerfahrene Unrecht als Entschädigung die Zession der Herrschaft Wismar mit Poel und Neukloster verlangt und für diese Forderung die Vermittlung des verwandten dänischen Hofes nachgesucht, sich aber schließlich mit der Zahlung eines Kapitals von 100 000 Rthlr. 3 ) in jährlichen Raten von 6000 Rthlr. vom Trinitatistage 1798 an gerechnet begnügen müssen. Doch verlor er die Frage der Rückerwerbung Wismars nicht aus den Augen: den Kaiser Paul zu einer Intervention in diesem Sinne zu bewegen war einer der wichtigsten Artikel in der Instruktion, die dem Oberhofmeister August v. Lützow, als dieser 1797 in Leipzig mit dem russischen Diplomaten Baron Daniel Alopeus über die vom Kaiser Paul geplante Vermählung der Großfürstin Helene mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig verhandelte, sowie 1799, wo er den Erbprinzen bei dessen Brautwerbung nach Petersburg begleitete und mit den russischen Staatsmännern die Ehepakten zu vereinbaren hatte, mitgegeben wurde. 4 ) Schon in der ersten Konferenz, die Lützow in dieser Angelegenheit am 29. März mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dem Grafen Rostoptschin, und dem Vizekanzler, dem Grafen Kotschubey, hatte, überreichte er ihnen eine darauf bezügliche Note: 5 )

Le Duc mon maître m'a ordonné expressément de recommander le plus fortement possible La Maison Ducale et tous ses divers intérêts, quels qu'ils puissent être, à la haute protection de Sa Majesté Impériale, en La suppliant, de vouloir bien La soutenir en toute occasion dans la possession de Ses États Héréditaires dans les tenips présents, où les


2) S. v. Hirschfeld "Von einem deutschen Fürstenhofe" Bd. I S. 1 ff.
3) Diese 100000 Rthlr. waren angeblich die Summe, welche die schwedische Verfassung den Prinzessinnen des Königshauses als Mitgift zubilligte. S. v. Hirschfeld a. a. O. S. 61.
4) S. v. Hirschfeld a. a. O. S. 81. 86. 135.
5) Ich folge hier den bei den Ministerialakten liegenden Berichten Lützows "(Einleitung der Angelegenheit wegen Wismar, Poel und Neu Kloster, von der Ankunft in Rusland, biß zur Vermählung", datiert Gatschina den 12_1  November 1799.
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évènements ne sont plus à, caleuler, de La protéger efficacement contre toute demande indiscrète quelconque, en La convrant de Son égide protectrice, surtout aussi à L'aider un jour à recouvrir la possession de la ville de Wismar et des baillages de Poel et de Neu-Kloster, arrachés à Ses États par la violence pendant la guerre de trente ans (dût on aussi en payer l'équivalent à la Suède), ou bien de Lui accorder Sa haute intercession auprès de Sa Majesté Impériale Apostplique et Romaine et le St. Empire, pour recevoir le dédommagement, qui a été promis à différentes reprises à La Maison Ducale. Déjà Sa Majeste l'Empereur Pierre I. de glorieuse mémoire dans. les pactes dotaux faits avec le Duc Charles Léopold de Mecklembourg-Suérin, lors de Son mariage avec Madame la Grande-Duchesse Catherine, avait promis Sa graciense intervention. Il sera réservé au règne glorieux de Sa Majesté Impériale l'Empereur de faire ravoir à la Maison Ducale des possesions si légitimes arrachées aux domaines de Ses ancêtres.

Die russischen Minister erwiderten, daß der Herzog jederzeit auf den Schutz des Kaisers rechnen dürfe, im übrigen aber lehnten sie es ab, daß in der wismarschen Angelegenheit von russischer Seite ein Schritt geschehe. Bei dieser Abweisung aber beruhigte sich Lützow nicht; mit großer Zähigkeit suchte er bald auf diesem, bald auf jenem Wege seinem Ziele näher zu kommen und erhielt schließlich die feierliche Zusage: gleich nach der Vermählung werde der Kaiser in Stockholm den Verkauf von Wismar an Mecklenburg anregen Iassen "und zwar in der Art, daß es dem Kayser angenehm sein würde, wenn diese Negotiation zu Stande komme, da doch, wegen ihrer Abgelegenheit, diese kleine Provintz für Schweden von keinem Nutzen sey".

Inzwischen war Lützow in Petersburg mit dem schwedischen General Baron v. Toll, Generalgouverneur von Schonen, bekannt geworden, der in diplomatischen Geschäften - es handelte sich um einen Subsidienvertrag zwischen Schweden und Rußland - dort weilte: Auch ihm redete Lützow von dem Wunsche des Herzogs, wieder in den Besitz von Wismar zu kommen, und Toll, der die Wertlosigkeit dieses Besitzes für Schweden zugab und daher die Erfüllung der herzoglichen Wünsche für keineswegs aussichtslos erklärte, versprach, sich der Sache anzunehmen und sie gleich nach seiner Rückkehr dem Könige vorzutragen.

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Dem Könige konnte aus verschiedenen Gründen der mecklenburgische Plan nicht unwillkommen sein, doch sah er sich durch die innerpolitischen Verhältnisse Schwedens gehindert, der Angelegenheit sofort näher zu treten, und verschob stillschweigend, und sogar ohne die verheißene und wirklich erfolgte russische Fürsprache einer Antwort zu würdigen, ihre Erledigung auf eine günstigere Zeit. Da auch Toll nichts von sich hören ließ, wurde man in Mecklenburg besorgt, die Sache könne in Vergessenheit geraten, und Lützow erhielt den Auftrag, an Toll einen "Höflichkeitsbrief" zu schreiben, den er am 24. Februar 1800 absandte und auf den er eine vom 26. März aus Norrköping datierte womöglich noch höflichere, aber ebenso inhaltslose Antwort erhielt. Dann wieder monatelanges Schweigen der Schweden. Erst am 11. November - "nun da ich am wenigsten daran dachte", wie er dem Herzoge berichtete - erhielt Lützow ein Schreiben Tolls 6 ) (aus Christianstad vom 26. Oktober), in dem dieser unter Bezugnahme auf die Petersburger Besprechungen anfragte, ob der damals von ihnen beredete wichtige Gegenstand Lützow noch jetzt interessiere, und wenn ja, unter welchem Gesichtspunkt und auf welcher Grundlage ein näheres Eingehen darauf erwünscht sei; dann werde sich herausstellen, ob auf solcher Basis mit Aussicht auf Erfolg verhandelt werden könne. In seiner Antwort (Schwerin, 15. November 1800) erklärte Lützow die Zahlung einer Geldsumme als Entschädigung für das abzutretende Gebiet für den einzigen Weg zum gewünschten Ziel und erbot sich, mit Toll an einem von diesem zu bestimmenden Ort zusammenzutreffen, um die Forderung der schwedischen Regierung kennen zu lernen und die Art weiterer Verhandlungen zu bereden. Die Zusammenkunft könne aber nicht im Januar 1801 stattfinden, denn den Monat müsse Lützow auf seinem Posten in Berlin zubringen, wo die Erbprinzessin einen Teil des Karnevals zu verleben gedenke.

Toll antwortete am 23. Januar 1801 von Stockholm aus. Die Abtretung Wismars nebst Zubehör unter der Form eines


6) Die ganze Korrespondenz in der wismarschen Sache führte in Wahrheit der Kabinettssekretär des Königs, Baron v. Lagerbjelke, so daß Toll nur seinen Namen unterschrieb. So berichtet Lützow auf Grund der eigenen Aussagen Tolls und Lagerbjelkes unterm 22 Juni 1803 von Malmö aus an den Herzog, mit dem hinzufügen jedoch, daß Toll "doch sonst wohl immer durch seinen Einflus diese gantze Angelegenheit sehr poussirt hat". Umgekehrt wurde auch Lützow wenn auch nicht der Wortlaut, so doch der Inhalt seiner Briefe an Toll vorgeschrieben.
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Verkaufes hielt er für untunlich; er schlug statt dessen eine Verpfändung vor und bot, da eine Verpfändung für Schweden das Recht einer gelegentlichen Wiedereinlösung einschließe, eine gewisse Bürgschaft dafür, daß Mecklenburg keine Gefahr laufe, Wismar jemals wieder zu verlieren: man solle nämlich in bündigster Form einen Vertrag dahin abschließen, daß Schweden für den Fall einer Wiedereinlösung nicht nur die ganze Pfandsumme, sondern außerdem 3 °/o derselben mit Zinseszins zu zahlen und zudem alle Aufwendungen für das Pfandobjekt zu vergüten habe.

Der Modus der Verpfändung - vorausgesetzt, daß gegen eine eventuelle Wiedereinlösung hinlängliche Garantien geboten würden - erschien auch dem Herzog als der leichtere Weg zum Ziel, da gegen einen Verkauf sich in der Tat mancherlei einwenden ließe, Lützow, damals noch in Berlin, antwortete (24. Februar 1801) also in diesem Sinne und erneuerte seine Bitte um Angabe der geforderten Summe. Dem kam Toll schon am 10. März nach. Der König - schrieb er - fordere 2 Millionen Rthlr. Hamburger "Banco ou environ" - gewiß nicht zu viel angesichts des täglich sinkenden Geldwertes und steigenden Wertes des Grundbesitzes. Übrigens sei der König sehr einverstanden mit der Umwandlung eines Verkaufes in eine dauernde Hypothek. Es handle sich also jetzt nur noch darum, sich über die Höhe dieser Hypothek, über die Zahlungstermine und über die Maßregeln zu einigen, die getroffen werden müßten, um dem Erwerber der Hypothek deren ewigen Besitz zu sichern. Zu diesem Ende werde es nützlich und für die kontrahierenden Teile eine erhöhte Bürgschaft sein, wenn der Vertrag über dieses Geschäft in die vom deutschen Reichsrecht vorgeschriebene Form gekleidet werde. Ihn abzuschließen sei Toll vom König bevollmächtigt. Aber alle dabei in Betracht kommenden Fragen würden besser mündlich als schriftlich verhandelt und deshalb ersuche er Lützow, sich möglichst bald, zu einer Entrevue in Helsingborg einzufinden. Dieses Schreiben erhielt Lützow, damals noch in Berlin, am 22. März und sandte es, in der Überzeugung von der Wichtigkeit der Sache, durch Estafette dem Herzog, zugleich mit einer Antwort an Toll, im Original und in Abschrift, in der er bedauerte, den Tag seines Eintreffens in Helsingborg zurzeit noch nicht bestimmen zu können. Dieser Brief aber wurde nicht abgesandt. Der Geheime Rats=Präsident Graf Bassewitz wollte von 2 Millionen nichts wissen und befand sich darin in Übereinstimmung mit dem Herzoge, der ihm

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schrieb: "Ich binn föllig ihrer Meinung, daß auf diese forderung gar nicht hereinzugehen ist, je kürzer mann Abbricht je beßer ist es, und haben sie sehr recht geurtheilt, daß dadurch vieleicht eine andere und billigere Erklärung bewürkt wird." Demgemäß erhielt denn auch das wirkliche Antwortschreiben Lützows an Toll - "deßen Absendung keine große Eile hat", wie Graf Bassewitz seiner Anweisung hinzufügte - eine wesentlich andere Form, als die ihr Lützow anfänglich hatte geben wollen. Es würde für ihn das größte Glück gewesen sein - so schrieb Lützow aus Ludwigslust unterm 2. April - mit Toll gemeinsam dieses Werk zur Zufriedenheit beider Höfe zustande zu bringen, aber die alle Erwartungen übersteigende Höhe der schwedischen Forderung, wenn sie die Grundlage der Verhandlungen bilden solle, raube ihm jede Aussicht darauf. Er habe dem Herzoge die Sache vorgetragen, aber bei diesem keine andere Entschließung bewirken können, als daß die Hoffnung auf eine Vereinbarung aufgegeben werden müsse. Es scheine, daß der Herzog angesichts der in Vorschlag gebrachten Summe besorge, daß ein Angebot, welches er dem wahren Wert entsprechend erachte, nicht die Billigung des Königs finden werde, und daß er deshalb lieber Anstand nehme, ein solches Angebot zu machen. Toll möge doch erwägen, daß der Ertrag der Herrschaft Wismar nach Abzug aller Administrationskosten wohl kaum 20 000 Rthlr. erreiche, daß der Ertrag der Ämter durch Lizitation schon aufs Höchste gebracht sei und die Pachtkontrakte auf viele Jahre liefen, und dann werde er selbst die gestellte Forderung ganz unverhältnismäßig finden. So sehr daher Lützow bedaure, daß dieses Geschäft ihm keine Gelegenheit gebe, Toll in Helsingborg aufzuwarten, so werde er sie doch mit doppeltem Vergnügen benutzen, wenn eine anderweitige Äußerung dazu Veranlassung geben werde, welche die Hoffnung eines glücklichen Erfolges wieder belebe.

Man hatte schwedischerseits zweifellos gar nicht erwartet, daß die geforderte Summe ohne weiteres bewilligt werden würde; man hatte eben bei der schlechten Lage der schwedischen Finanzen seine Ansprüche von vornherein so hoch gestellt, daß selbst nach einer erheblichen Abdingung ein erklecklicher Betrag übrig bleibe. Tolls fast umgehend (am 13. April) erfolgende Antwort ließ denn auch deutlich erkennen, daß Schweden mit sich handeln lasse; sie betonte nochmals die Worte "ou environ". Im übrigen, meinte Toll, sei es wohl das beste, wenn der Herzog ein Gegengebot mache.

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Als dieser Brief Tolls in Ludwigslust eintraf, war Lützow auf dem Wege nach Petersburg, wohin ihn der Herzog aus Anlaß des Todes des Kaisers Paul (23. März) geschickt hatte. Doch war Veranstaltung getroffen, daß der Brief direkt in die Hände des Herzogs gelangte, der ihn mit der Bemerkung "Mir deucht, daß die Schweden sich sehr sehnen Wismar looß zu werden" dem Ministerium übersandte. Graf Bassewitz schickte ihn dann weiter an Lützow mit der Weisung, ihn dahin zu beantworten: Entfernt von seinem Hofe könne er sich zwar nicht offiziell äußern, glaube aber die Ansicht des Herzogs genügend zu kennen, um versichern zu können, der Herzog werde geneigt sein, eine Million Rthlr. Gold einschließlich der Unkosten zu zahlen; sollte dieser Vorschlag - der jedoch nicht bestimmt sei, die Aussichten auf ein glückliches Resultat zu mindern - angenommen werden, so wolle Lützow sich ungesäumt eine Vollmacht und Instruktionen verschaffen. In diesem Sinne schrieb denn auch Lützow am 14. Mai an Toll.

Der Herzog hatte recht gesehen: Schweden wünschte sich Wismars zu entäußern. Und da lag es ja am nächsten, es an Mecklenburg abzutreten. Wie aber, wenn Mecklenburg versagte, d. h. wenn es die Summe, die Schweden dringend bedurfte, nicht zahlen konnte oder nicht zahlen wollte? Für diesen Fall schien es dem Könige geraten, sich mehrere Möglichkeiten zur Erreichung seines Zieles zu schaffen, und so war er denn bereits im Mai 1801 mit Hessen=Cassel in Verhandlungen eingetreten. Davon setzte Alopeus unterm 1. Juni von Cassel aus den Herzog in Kenntnis. Er teilte ihm mit, daß der König von Schweden eine Million Rthlr. anzulegen suche und Wismar, Poel und Neukloster als Hypothek anbiete, daß aber der Landgraf dieses Anerbieten abgelehnt habe, vermutlich, weil ihm dieses Land zu entfernt liege, was für Mecklenburg ja nicht der Fall sei. Alopeus enthalte sich jeder Äußerung über das, was der Herzog unter diesen Umständen für angemessen halten werde, wolle aber bemerken, daß bei der bekannten Geldnot Schwedens man wahrscheinlich die geforderte Summe auf 800 000 Rthlr. reduzieren könne. Alopeus wisse nicht, ob der Herzog diese Summe zur Verfügung habe, glaube aber, falls der Herzog der Sache näher zu treten beabsichtige, sie beschaffen zu können, und erbitte für diesen Fall weitere Mitteilungen. In seiner Antwort - das zu den Akten liegende Konzept derselben trägt kein Datum - erklärte der Herzog, daß es in der Tat seit langer Zeit sein Wunsch sei,

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die Herrschaft Wismar zu erwerben, und daß er, wenn es gelänge, dafür eine Form zu finden, die ihm den ewigen Besitz sichere, gern 800000, ja mit Einschluß der Unkosten 1 Million Taler Gold zahlen werde. Übrigens seien in dieser Sache schon vor längerer Zeit Verhandlungen mit Schweden angeknüpft; sollten diese zum Ziele führen, so werde er Alopeus dankbar sein für eine Angabe des Weges, auf dem das erforderliche Kapital unter günstigen Bedingungen aufgetrieben werden könne. Gleichzeitig wurde aber auch Lützow angewiesen, in Petersburg in Verhandlungen darüber einzutreten, ob nicht ein Teil der Mitgift und andere Gelder der Erbprinzessin Helene Paulowna zu diesem Zweck verwendet werden könnten, - Verhandlungen übrigens, die er nach seiner Kenntnis der Verhältnisse von vornherein für ziemlich aussichtslos erklärte.

Es mochte wohl eine Folge der mit Hessen angeknüpften Negotiationen sein, daß Tolls Antwort auf Lützows Brief vom 14. Mai - von der er gebeten worden war, zur Zeitersparnis eine Kopie nach Schwerin an den Grafen Bassewitz zu senden - erst am 18. Juni erfolgte. Dieses Schreiben enthielt den auf allerlei Berechnungen gestützten Vorschlag, man möge einander auf halbem Wege entgegenkommen und sich auf 1 1/2 Millionen einigen. Dem gegenüber aber erklärte zunächst Graf Bassewitz unterm 10. Juli: alles was Toll vorgebracht habe, sei zwar durchaus richtig und sei schon zuvor in Mecklenburg reiflich erwogen, aber das Resultat dieser Erwägungen sei eben gewesen, daß Lützows Angebot von einer Million für Mecklenburg die unüberschreitbare Grenze bilde, daß mit dieser Summe aber auch wohl den Interessen beider Höfe genügend Rechnung getragen werde. Denselben Gedanken führte dann der noch immer in Petersburg weilende Lützow in seiner offiziellen Antwort vom 14. August weiter aus, gab aber der Hoffnung Ausdruck, es werde möglich sein, auf dieser Basis weiter zu verhandeln und zu einem allseitig befriedigenden Abschluß zu gelangen.

Inzwischen war die Geldnot Schwedens aufs höchste gestiegen. Zu ihrer Beseitigung wurden ernstliche Unterhandlungen angeknüpft und zwar gleichzeitig an zwei Stellen auf ganz verschiedenen Grundlagen: einerseits von dem Präsidenten des Staatskontors v. Lagerheim durch Vermittlung des hessischen Geheimen Rats=Präsidenten v. Waitz mit dem Gräflich Wittgensteinschen Credit=Cassen=Comptoir in Cassel, anderseits durch den

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Hofmarschall v. Platen mit dem in Neubrandenburg wohnhaften Advokaten Zimmermann. 7 )


7) Der immatrikulierte Kanzleiadvokat Dr. jur. Johann Karl David Zimmermann, ein - wie seine Briefe beweisen - eitler, aufgeblasener und zudringlicher Mensch, gehörte zu den damals in Mecklenburg nicht seltenen Advokaten, die mehr in einträglichen Geldgeschäften und lohnendem Güterhandel als in der rechtsanwaltlichen Tätigkeit die Quellen ihres Erwerbs suchten. Er rühmte sich, anscheinend nicht ohne Grund, einflußreicher Verbindungen in Schweden und wurde in der Tat im September 1801 durch den Titel eines schwedischen Kammerrats ausgezeichnet, Schon 1800 sehen wir ihn bemüht, der Krone Schweden Geld zu verschaffen, und die jetzt im Marburger Staatsarchiv aufbewahrten, leider sehr unvollständigen Kabinettsakten des Landgrafen Wilhelm IX. von Hessen=Cassel belehren uns, daß er den Versuch dazu in Cassel machte und zwar durch Vermittlung des Vizepräsidenten, bald darauf Präsidenten des dortigen Oberappellationsgerichts v. Jasmund, dessen Sohn Zimmermann mit der Führung eines Prozesses gegen seine Vettern wegen vorenthaltener Fideikommißgüter beauftragt hatte. Er fragte bei Jasmund an, ob sein Herr, der Landgraf, nicht geneigt sei, der Krone Schweden gegen die Garantie der Reichsstände und auf die Spezialhypothek der Stadt und Herrschaft Wismar nebst den Ämtern Poel und Neukloster die Summe von 5-800000 Talern Hamburger Banco oder Gold auf eine Reihe von Jahren zu leihen. Als Jasmund antwortete, der Landgraf habe dies Ansuchen deshalb von der Hand gewiesen, weil ihm vorstellig gemacht sei, daß diese Spezialhypothek vom König von Preußen in Anspruch genommen werde, wandte sich Zimermann am 28. Oktober 1800 direkt an den Landgrafen, setzte diesem auseinander, diese Spezialhypothek sei überhaupt mit keinen Ansprüchen, geschweige mit solchen des Königs von Preußen behaftet und erneuerte die Anfrage, ob nicht unter diesen Umständen der Landgraf sich doch noch zu dieser Anleihe oder einem Teil derselben verstehen wolle und unter welchen Bedingungen; es sei die höchste Sicherheit vorhanden, es sei sogar nicht unwahrscheinlich, daß Schweden sich dereinst zur wirklichen eigentümlichen Abtretung dieser Länder entschließen werde, weil sie mit dessen übrigen Provinzen in keiner Verbindung ständen und der Krone Schweden gewissermaßen beschwerlich seien.
Auf dieses Schreiben erhielt Zimmermann keine Antwort. Das hielt ihn aber nicht ab, nach Jahresfrist die wismarsche Angelegenheit, allerdings auf eine andere Grundlage gestellt, abermals zur Sprache zu bringen. In einem langen Schreiben vom 6. November 1801 an Jasmund teilte er diesem vertraulich mit, er habe seine jüngste Anwesenheit in Schweden dazu benutzt, "die hohe Behörde" zu sondieren, ob dieselbe nicht geneigt sei, die Herrschaft Wismar nebst Poel und Neukloster mit voller Landeshoheit und allen Regalien völlig zu veräußern, und habe im Vertrauen die zuverlässige Resolution erhalten, daß diese Veräußerung möglich sei und er sich derselben vergewissert halten könne, wenn er "erstens dafür, ohne daß eine weitere Behandlung um Minderung des Kaufpretii Statt finde, die Summe von 1 1/2 Millionen in N 2 / 3 =Stücken verschaffen werde, und zweitens die erforderlichen Unterhandlungen mit der größten Geheimhaltung, in möglichster Kürze und mit Beseitigung aller Aufsehen erregenden Verhandlungen und Maßregeln gepflogen und abgeschlossen würden". Unter diesen beiden grundsätzlichen und uner= (  ...  )
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Über die in Cassel geführten Verhandlungen berichtete Alopeus - aber ohne das Wittgensteinsche Bankinstitut zu nennen - am 15. Oktober an den Herzog: es werde in Cassel die Gewährung eines 5 prozentigen Darlehns von 2 Millionen Rthlr. Hamburger Banco auf 10 Jahre mit Bismar als Hypothek verhandelt; werde am Verfalltage das Kapital nebst Zinsen nicht zurückgezahlt, so solle das Pfandobjekt ohne weiteres in den Besitz des Gläubigers übergehen - woraus der Herzog am 27. Oktober kühl erwiderte: Wismar erst nach 10 Jahren erwerben zu können, habe für ihn nichts Verlockendes. Am 2. November schrieb dann Alopeus nochmals und zwar ausführlicher. Er machte diesmal das Wittgensteinsche Credit=Cassen=Comptoir namhaft als das Geldinstitut, mit dem Lagerheim verhandele,


(  ...  ) läßlichen Bedingungen hafte er dem Landgrafen für einen glücklichen Erfolg mit feinem ganzen Vermögen. Bei diesem Geschäft werde nichts gewagt, eine Verzinsung des Kaufpreises mit 3 % sei sicher, durch allerlei Verbesserungen ließen sich die Revenüen mit der Zeit gewiß; auf 4 % erhöhen.
Bei Jasmund fiel diese Anregung auf günstigen Boden. Mit einem fast befremdlichen Eifer machte er sich beim Landgrafen zum Anwalt der Pläne Zimermanns, die dieser nicht müde wurde, immer von neuem vorzutragen. Wolle der Landgraf - so schrieb er später an Jasmund - sich auf den Ankauf des ganzen schwedischen Besitzes nicht einlassen, so sei auch die Acquisition des Amtes Neukloster für sich allein möglich, werde aber weniger vorteilhaft sein, als wenn sie mit dem Ganzen zusammen geschehe. Unter 700000 Talern in N 2 / 3 dürfte das Amt Neukloster, abgesondert von Wismar und Poel, nicht zu haben sein; wenn der Sandgraf das Geschäft nicht machen wolle, so sei Zimmermann geneigt, es für sich zu kaufen, wenn der Sandgraf ihm auf die erste Hypothek 300000 Taler in N 2 / 3 vorschießen möge. Und zu Anfang des Januar 1803 ließ er sich vernehmen: Es sei ihm gesagt worden, daß der Landgraf einige Kommissarien ins Schwerinsche gesandt habe, um daselbst Güter zu kaufen; warum denn Jasmund die Gelegenheit nicht benutzt habe, seinen Herrn von neuem auf Wismar, Poel und Neukloster aufmerksam zu machen? Der Landgraf könne sein Geld nie vorteilhafter als hier anlegen. "Um diese meine Behauptung" - so schloß er - "durch eine eigene Gewähr gehörig sicher zu stellen, bin ich gerne bereit, eines der beiden quästionirten Ämter Poel und Neukloster, deren Auswahl ich Gr. Durchl. überlasse, zu dem gegenwärtigen Zinßverhältnisse von circa 3 pro 100 käuflich anzunehmen" - das alles doppelt unterstrichen. Er erbittet baldige Antwort, weil er, wenn der Landgraf sich weigere, einen anderei kompetenten anwerben werde. Aber das ganze Geschäft müsse, wenn es gelingen solle, geheim betrieben werden. Der Landgraf seinerseits hat sich gegen die Anträge , Zimmermanns lange ablehnend verhalten. Er beabsichtigte allerdings schon seit Jahren, Landgüter in Mecklenburg zu erwerben, hat sich anscheinend auch an Ort und Stelle danach umgesehen, wenigstens verzeichnen die Annalen des (  ...  )
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und berichtete: der Direktor dieser Bank habe ihm im Vertrauen mitgeteilt, daß der Landgraf geneigt sein würde, die 2 Millionen vorzuschießen, aber nur unter der Bedingung, "qu'un Prince d'Allemagne s'en constituât le débiteur", und habe nun gefragt, ob der Herzog geneigt sein würde, sich mit der nötigen Bürgschaft zu befassen und daraufhin die schwedischen Obligationen mit allen Rechten und Lasten zu übernehmen. Sollte der Herzog darauf nicht eingehen, so sei es nicht unwahrscheinlich, daß der König von Preußen das Geschäft mache. Natürlich sei an das Bankhaus eine Provision zu zahlen, deren genauen Betrag Alopeus nicht kenne; man habe ihm von 5000 Friedrichsd'or gesprochen, doch würde er bemüht sein, von dieser Summe etwas abzuhandeln. Wolle der Herzog der Sache nähertreten, so werde


(  ...  ) mecklenburgischen Staatskalenders von 1803 seine Anwesenheit in Mecklenburg als Gast des Grafen Plessen in Ivenack am 3. und 4. März 1802, aber an die Erwerbung Wismars dachte er anfänglich nicht. Erst allmählich und zögernd - zur Verzweiflung Zimmermanns, der durch Jasmund immer und immer wieder auf eine Entscheidung drängen ließ - befreundete er sich mit dem Gedanken an den Ankauf von Wismar, Poel und Neukloster. Selbst behalten wollte er zwar Wismar nicht, aber vielleicht konnte er, wenn er es besaß, ein Tauschgeschäft mit einem anderen Staate - er dachte vornehmlich an Preußen - machen. Er wünschte nämlich dringend, Paderborn und Gorvey zu erwerben und hoffte, Preußen zur Abtretung dieser beiden Stücke bewegen zu können, wenn er ihm dafür Wismar und die beiden Ämter überließe; Preußen seinerseits könne dann, wenn ihm am Besitz von Wismar nichts gelegen sei, es sicherlich an Mecklenburg gegen ein paar an die Mark anstoßende mecklenburgische Ämter vertauschen. In diesem Sinne besprach sich, wie wir anderweitig wissen, am 17. und 18. Januar 1803 zu Hildesheim der hessische Minister v. Veltheim mit dem preußischen Minister Grafen Schulenburg; in demselben Sinne schrieb der Sandgraf am 5. März an den preußischen Kabinettsminister Grafen Haugwitz und bat ihn "bey des Königs Majestät . . . oder wo es sonst noch nöthig seyn mögte, der Einleitung der deshalb erforderlichen Unterhandlungen Sich gefälligst zu unterziehen"; gleichzeitig forderte der Landgraf von seinem Geh. Staatsminister und Oberrentkammerpräsidenten v. Meyer ein die Acquisition von Wismar betreffendes Gutachten. Was Haugwitz geantwortet hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich; dem Grafen Schulenburg schien, wie Veltheim berichtete, der plan zu gefallen, "nur fürchtete er von Seiten der Mecklenburgischen Landschaft sehr große Schwierigkeiten". In Meyers sehr reserviert gehaltenem Gutachten vom 20. Mai heißt es: "Richtig ist, daß dieses so weit von hier entfernte Stückgen Land von hier aus nicht überseßen und administrirt werden kann. Man muß es also einem andern überlaßen, und das wäre Niemand anders als Mecklenburg oder Preußen. Mecklenburg kann an Kurheßen kein anderes Stück abtreten, weil Ihm keins von Seinen Besitzungen gelegen ist, und weil es ohne Einwilligung der Landstände nichts veräussern kann. Ob Preußen ein mit seinen Landen nicht zusammen hangendes Stück übernehmen und unter (  ...  )
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er am besten tun, sich in direkte Beziehungen zu dem preußischen Gesandten in Cassel, Grafen Wittgenstein, zu setzen, der eines der Hauptmitglieder der Direktion des Credit=Cassen=Comptoirs sei. Der Herzog aber erklärte, diese Bedingungen seien für den König von Schweden so drückend und so ungünstig für deutsche Fürsten, daß er das Geschäft ablehnen müsse. Und bei dieser Ablehnung blieb es, obwohl Waitz bei einer Unterredung mit Lützow in Berlin den Abschluß des Geschäftes warm empfahl und obwohl "der erste Cammerherr der regierenden Königin" v. Schilden in Berlin dem Herzoge mitteilte, daß Graf Wittgenstein durch ihn mildere Bedingungen anbiete. Graf Bassewitz


(  ...  ) welchen Bedingungen es Kurheßen wieder abnehmen will, das ist eine Frage, die man vorher erörtern, und mit Preußen besprechen laßen muß, wenn man sich nicht hernach unangenehme Ereignisse oder die nachtheiligste Bedingungen, um es nur wieder los zu werden, gefallen laßen soll. Ich bin daher der unterthänigsten und unmaßgeblichen Meinung, daß, ehe man sich auf einen Ankauf einlädt, man erst mit Preußen unterhandeln, wenigstens sondiren laßen muß, ob? und unter welchen Bedingungen man es gegen ein anderes Stück Sand wieder vertauschen kann?" Inzwischen aber war Zimmermann persönlich nach Cassel geeilt und drang in einem Promemoria für den nunmehrigen Kurfürsten vom 21. Mai auf baldige Entscheidung, "theils weil ich über die gegenwärtige Lage dieser Angelegenheit an die Hohe Behörde nach Stockholm berichten muß, tyeils aber auch, weil die Einrichtung meiner eigenen Geschäfte von dem Resultat der Allersgnädigsten Entschließung abhängig ist", Zimmermann nimmt an, daß der Kurfürst vor Abschluß des Geschäfts eine Lokalbesichtigung durch Sachverständige verfügen werde. Aber eine solche würde Aussehen erregen und eine fremde nachteilige Konkurrenz hervorrufen. Er schlägt also zwei Auswege vor: "Der erste würde sein, wenn der der Local Kommission zu erteilende Auftrag zugleich eventualiter mit auf die näheren Unterhandlungen und den würklichen Abschluß gerichtet würde, damit selbige nach dem Befund der Sache in continenti abzuschließen ermächtiget ist. Der zweite aber würde vielleicht sein, wenn vor der Local Besichtigung ein eventueller Kaufcontract, unter der SuspensivBedingung abgeschlossen würde, daß die Ländereien den vorausgesetzten Ertrag gewähren, In beiden Fällen wird aller fremden Concurrenz der Zugang abgeschnitten. Ich unterfange mich nicht zu errathen, zu welchem Zweck Ew.Churf. Durchl. die quästionirte Adguisition zu machen intendiren. Wolte selbige HöchstDenenselben aber über lang oder kurz nicht mehr conveniren: so ist selbige zu jeder Zeit wieder in Geld zu verwandeln. Die einzelnen Güther der beiden Ämter werden wegen ihrer besonderen Vorzüge noch viel mehr Kaufliebhaber finden, wie die LandGüther im benachbarten: und zur Stadt und dem Haven von Wismar gibt Mecklenburg einen eben so sichern, und fast nothwendigen Käufer ab, indem selbige gewiß den 4 Theil von Mecklenburgs Handlung beherrschen."Das leuchtete dem Kurfürsten ein und Zimmermann verließ Cassel mit der Ermächtigung, Wismar und die beiden Ämter für 1 1/2 Millionen Taler Hamburger Banco zu kaufen.
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fand, alle diese Vorschläge seien "blos auf Gewinn für den Landgrafen und dessen Bediente berechnet". Trotz dieser anderweitigen Verhandlungen, deren Erfolge ja auch noch keineswegs gesichert waren, hielt man es in Schweden für ratsam, auch mit Mecklenburg in Beziehungen zu bleiben. Deshalb sandte Toll unterm 26. November ein Schreiben an Lützow, in dem das Angebot eines hervorragenden deutschen Fürsten - Lützow zerbrach sich den Kopf darüber, welcher Fürst gemeint sein könne -, welches das vom Herzog Friedrich Franz gemachte um die Hälfte übersteige, erwähnt 8 ), zugleich aber ausgesprochen wurde, daß der König es vorziehe, mit Mecklenburg zum Abschluß zu kommen, falls dessen Angebot sich dem erwähnten anderen nähere. Lützows Antwort, datiert Schwerin 25. Dezember, lautete dahin, daß der Herzog, obwohl ihn der nun durch den Frieden von Luneville beendete Krieg eine ungeheure Summe gekostet habe und er infolge dessen genötigt sein würde, den Pfandschilling ganz aufzuleihen, doch vielleicht bewogen werden könnte, sein Angebot um 100 000 Taler in Gold zu erhöhen, vorausgesetzt, daß die Nebenkosten nicht allzu hoch sein würden. Dieser amtlichen Antwort fügte Lützow ein vertrauliches Schreiben bei, in dem er darlegte, daß die Beschaffung der erforderlichen Summe für den Herzog sehr schwierig sein werde, daß er das aufzuleihende Kapital mit 4-5 % verzinsen müsse, während die Einnahmen aus den zu erwerbenden Bezirken zurzeit kaum 2 % betrügen und trotz der zu erwartenden Steigerung des Grundwertes wohl niemals die Höhe der Zinsen erreichen, geschweige denn die Amortisierung des Kapitals ermöglichen würden. Es liege also aus der Hand, daß der Herzog in und mit dem letzten Angebot sein Möglichstes getan habe. Wenn der König sich durch den Inhalt dieses Schreibens in seiner Hoffnung auf einen für ihn vorteilhaften Ausgang der Behandlungen bestärkt sah. so mußten ihn alsbald die aus Deutschland einlaufenden Nachrichten mit schwerer Sorge erfüllen. Denn die dem Luneviller Frieden folgenden zahlreichen Besitzveränderungen in Deutschland bedrohten wieder einmal Mecklenburg, über das schon mehrmals mächtige Fürsten zu=


8) Sollte unter diesem deutschen Fürsten wirklich, woran kaum zu zweifeln ist, der Landgraf von Hessen=Cassel verstanden gewesen sein, so hätte Toll oder der ihm die Feder führende Lagerbjelke eine direkte Unwahrheit gesagt, denn der Landgraf hatte überhaupt nichts angeboten, sondern Schweden hatte eine Forderung gestellt, die zu bewilligen der Sandgraf damals, wie wir oben sahen, keineswegs zu bewilligen gesonnen war.
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gunsten Preußens verfügt hatten. 9 ) Bei den Verhandlungen, die dem Reichsdeputationshauptschluß vorangingen, hatte im Dezember 1801 Talleyrand vorgeschlagen, Preußen solle sich mit Mecklenburg entschädigen und den beiden Herzogen das Bistum Münster sowie Cleve und die Grafschaft.Mark als Abfindung gewähren. Eine ähnliche Erklärung gab um dieselbe Zeit der französische Gesandte Beurnonville in Berlin. Der Herzog Friedrich Franz fühlte sich ernstlich beunruhigt und wandte sich an den russischen sowie an den schwedischen Hof mit der Bitte um deren bona officia. 10 ) Indessen bedurfte es deren nicht. Schon der preußische Gesandte in Paris Lucchesini hatte Talleyrand gegenüber wenig Bereitwilligkeit dazu gezeigt und das preußische Ministerium war ebensowenig erfreut darüber; es schlug die Auskunft vor, in erster Linie den mecklenburgischen Herzogen die Sache offen mitzuteilen und nach deren Antwort weitere Entschließungen zu fassen. Die Antwort kam rasch und lautete entschieden ablehnend; in der Depesche des preußischen Ministeriums vom 11. Januar 1802 heißt es von der mecklenburgischen Antwort: Elle est absolument et décidément négative et les deux princes y déclarent unanimement, que dans aucun des cas possibles ils ne se résoudraient à l'abandon le leurs états. Damit war die Sache auch für Preußen erledigt. 11 ) In der Zwischenzeit aber hatte für Schweden die Gefahr des Scheiterns der Verhandlungen mit Mecklenburg bestanden. So lange man nicht wußte, ob Herzog Friedrich Franz seines eigenen Landes so sicher sei, daß er an die Erwerbung eines anderen denken könne, konnte man Lützows letzten Brief nicht bindend beantworten. Um aber nicht den Schein der Gleichgültigkeit zu erwecken in einer Angelegenheit, die in Wahrheit dem Könige von Schweden sehr am Herzen lag, erhielt Toll den Auftrag, auf Lützows Privatbrief mit einer inoffiziellen Zuschrift zu antworten. In diesem Schreiben vom 15. Februar 1802 spricht Toll zunächst von dem unerwarteten, dem Herzog gemachten Vorschlag; da man aber nun des Herzogs réponse noble et energique kenne, habe er neue Befehle des Königs erbeten, aber noch nicht erhalten. Die vom Herzog angebotene Erhöhung der Pfandsumme sei eine gute Vorbedeutung; beide Teile würden sich gewiß noch einigen, dazu


9) Vgl. Jahrb. d. Vereins f. meckl. Geschichte und Altertumskunde 65.,.Jahrg. S. 263 Anm.
10) Lundin S. 14.
11) Häusser, Deutsche Geschichte. 3. Aufl. II, 374.
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würde aber gehören, daß sie sich in ihren Angeboten einander näherten und einen mezzo-termine fänden. Am 12. März äußerte sich Toll offiziell: er fixierte die von Schweden geforderte Summe auf l 250 000 Rthlr. Hamburger Banco und schlug auf dieser Basis mündliche Unterhandlungen in Malmö vor. In der Erwartung, daß diese Unterhandlungen bald beginnen würden, arbeitete Lagerbjelke für Toll eine eingehende, vom König gebilligte Instruktion aus und bereitete sich vor, zur Unterstützung Tolls bei den Verhandlungen selbst nach Malmö zu gehen.

In Tolls Instruktion war als Grundlage des ganzen Rechtsgeschäfts nicht ein Kauf, sondern "einzig und allein wegen der öffentlichen Meinung" eine Verpfändung angenommen, aber mit allen Garantien, die dem Herzog den dauernden Besitz sichern sollten. Die Pfandsumme war auf die in dem Briefe Tolls an Lützow schon genannte Summe von l 250 000 Rthlr. festgesetzt, aber man versuchte, diese durch allerlei Nebenforderungen zu erhöhen. Dazu gehörte u. a., daß man den Herzog zum Verzicht auf den Rest der Satisfaktionsgelder für den Verlöbnisbruch zu bewegen versuchte, und sodann die Wiedergeltendmachung der Ansprüche auf den Warnemünder Zoll.

Dieser Warnemünder Zoll stammte aus dem Jahre 1632. 12 ) Am 29. Februar d. J. hatten die Herzoge Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II. zu Frankfurt a. M. mit König Gustav Adolf von Schweden einen Vertrag geschlossen, durch den dem Könige nicht allein zur Sicherung seines Rückzuges Wismar und Warnemünde "bis zum allgemeinen Friedensschluß" eingeräumt, sondern auch zur Bestreitung der ungeheuren Kosten, welche die "gewünschte Beendigung" des damaligen Krieges erforderte, verstattet wurde, zu Wismar und Warnemünde und in anderen mecklenburgischen Häfen und Strömen Zölle nach dem in Pommern üblichen Maßstabe anzulegen, von deren Ertrag sich die Herzoge 1 % vorbehielten. So gelangte Schweden, mit ausdrücklicher Rücksicht auf den damaligen Krieg und dessen Beendigung, in den Besitz von Warnemünde und dem dortigen Zoll bis zum bevorstehenden Frieden. Die Stadt Rostock war zwar durch uralte und von Zeit zu Zeit erneuerte Privilegien der Landesherren, insonderheit durch eine unbedingte Verzichtleistung der Herzoge Heinrich IV., Albrecht VI., Magnus II. und Balthasar


12) S. die von der mecklenburgischen Regierung herausgegebene "Geschichtliche Übersicht des bisherigen Hergangs in Ansehung des Warnemünder Zolles" (Schwerin 1787).
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vom 23. April 1476 gegen alle Zollabgaben im Lande, namentlich zu Warnemünde, gesichert, und sie erhob denn auch alsbald laute Klagen gegen die schwedische Zollerhebung in Warnemünde, allein die unvermeidlichen Bedürfnisse eines Krieges, wie der damalige war, aus den alle bewilligten Subsidien ausdrücklich beschränkt waren, rechtfertigten für dieses Mal eine vorübergehende Ausnahme von der Regel. Es möge noch darauf hingewiesen werden, daß nach allgemeinen Reichsgesetzen ohne Bewilligung des Kaisers und des Kurfürstenkollegiums keine neuen Zölle angelegt werden durften. Im Osnabrücker Frieden hatten Deutschland und Schweden ausdrücklich vereinbart, daß alle während des Krieges angelegten neuen Zölle gänzlich abzuschaffen und alle Häfen und Ströme in ihre vorige Freiheit, wie sie solche vor diesen Kriegsunruhen genossen hatten, auf das unverletzlichste wiederherzustellen seien. Zugleich hatten nun die ungeheuren Kriegskosten ein Ende und mit ihnen zugleich natürlich der Zweck und die Verwendung der zu Wismar und Warnemünde ausdrücklich dazu angewiesenen Zolleinnahmen gleich allen 1632 bewilligten mecklenburgischen Subsidien. Für die Zurückgabe der in diesem Kriege eingenommenen Orte sollte freilich Schweden Genugtuung erhalten, aber nicht von den einzelnen Staaten, sondern Kaiser und Reich übernahmen diese Schadloshaltung: sie zahlten a Schweben 5 Millionen Taler und befreiten dadurch auch Mecklenburg von weiterer Unterhaltung der zur Bestreitung der Kriegskosten angewiesenen Fonds. Daß daneben Kurbrandenburg seine Rechte auf Vorpommern und Rügen, sowie Mecklenburg Wismar usw. zur Genugtuung für Schweden abtraten, war eine Sache für sich, denn sie wurden anderweitig, wenn auch, wie wir sahen, ungenügend entschädigt, allein die künftigen Kosten der Unterhaltung der schwedischen Truppen in den, namentlich von Mecklenburg, abgetretenen Plätzen blieben ausdrücklich der Krone Schweden überlassen, die dafür auch alle bisher zu diesen Ländern gehörig gewesenen Regalien behielt. Diese wurden bei der Abtretung von Pommern namentlich aufgeführt, darunter auch die alten, d. h. die vom Kaiser früher verliehenen Zölle, bei den abgetretenen Teilen von Mecklenburg aber hieß es ganz allgemein "quibus ea Duces Megapolitani huc usque habuerunt". Zölle hatten bisher die Herzoge in diesen benannten Teilen ihres Landes nicht gehabt, es gab nur den 1632 den Schweden bis zum Frieden verstatteten; dieser aber ward von Kaiser und Reich ebensowenig für gesetzmäßig anerkannt wie die neuen Zölle oder Lizenzen in Pommern und beide blieben daher unerwähnt.

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Sollten daher die neuen Zölle in diesen Teilen von Pommern und Mecklenburg dennoch fortdauern, so bedurften sie einer eigenen reichsgesetzlichen Sanktion, und diese erhielten sie in dem berüchtigten Zusatz zu Art. X § 13: Ad haec concedit eidem moderna vectigalia . . . ad litora portusque Pomeraniae .et Megapoleos, jure perpetuo, sed ad eam taxae moderationem, ne commercia in iis locis intercidant, d. h. "mit Zurückführung auf eine dem Handel unschädliche gemäßigte Taxe, für beständig". So blieb der X. Artikel des Friedensinstruments 13 ) die Regel, diese Konzession hingegen ward Ausnahme.

Nun hätte man erwarten dürfen, daß mit dem Eintritt des von der Krone Schweden selbst 1632 bestimmten Zeitpunktes einer allgemeinen Beruhigung Warnemünde zurückgegeben und der einstweilige neue Zoll daselbst abgeschafft sein würde. Und wirklich ward auch in dem zweiten Friedens=Exekutions=Haupt=Rezetz zu Nürnberg vom 16. Juni 1650 der 23. Juni desselben Jahres als Zeitpunkt - der schwedischen Zurückgabe der "mecklenburgischen Plätze" ausdrücklich bestimmt. Allein die Schweden gaben Warnemünde nicht zurück und fuhren fort, den Zoll daselbst zu erheben, weil in der angeführten Konzession der neuen Zölle die Worte "ad litora portusque Pomeraniae et Megapoleos" standen! Und doch hatte der mecklenburgische Gesandte nicht allein den Friedensschluß nur mit der ausdrücklichen Verwahrung unterzeichnet: daß dieser § 13 nicht anders als von den locis speciatim concessis verstanden werden sollte, sondern auch die kaiserlichen Bevollmächtigten bei dem Friedensschluß sowohl als im Namen aller Reichsstände die kurmainzische Kanzlei hatten unterm 1. März 1649 zu Münster förmliche Zeugnisse darüber ausgestellt, daß nach ihrer vor und bei dem Friedensschluß allerseits öffentlich zu erkennen gegebenen Intention "der neuerliche Zoll zu Warnemünde unter vorliegender Konzession nicht begriffen sein sollte". Demgemäß versäumte auch der kaiserliche Hof, dem die Vollstreckung des Friedensschlusses übertragen war, nicht, sowohl durch Reskripte an den Friedens=Exekutions=Kongreß zu Nürnberg, als auch durch geschärfte Exekutorial=Aufträge an die ausschreibenden Fürsten des niedersächsischen Kreises auf der Ab=


13) Et quia publice interest, ut facta pace commercia vicissim reflorescant, ideo conventum est, ut, quae eorum praejudicio et contra utilitatem publicam hinc inde per imperium belli occasione noviter propria auctoritate contra jus, privilegia et sine consensu imperatoris atque electorum imperii invecta sunt, vectigalia et telonia . . . penitus tollantur etc.
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lieferung der Warnemünder Schanze und der "Abschaffung des dortigen Zolles" sehr ernsthaft zu bestehen. Diese ließen dringende Aufforderungen und Erinnerungen an die Königin Christine und den König Karl Gustav von Schweden ergehen. Nachdem die schwedische Komitialgesandtschaft selbst von einer längeren Vorenthaltung der Schanze zurückgekommen war, hatte die allgemeine Reichsversammlung 1654 durch ein Reichsgutachten den Zoll zu Warnemünde für reichsfriedensschlußwidrig erklärt und auf dessen Einziehung sowie auf Zurückgabe des Ortes selbst mit der Schanze angetragen und eine unmittelbare gütliche Unterhandlung des mecklenburgischen Hofes mit dem schwedischen widerraten. Trotz alledem ward von schwedischer Seite der Zoll nach wie vor erhoben, bis im schwedisch=polnischen Kriege am 8. März 1660 die kaiserlichen Truppen die Schanze zu Warnemünde eroberten und ihren rechtmäßigen Herren wieder anboten, worauf die Schanze geschleift und von der Stadt Rostock in Besitz genommen ward.

Der schwedisch=polnische Krieg wurde durch den Frieden von Oliva vom 3. Mai 1660 beendet. An dem Friedensschluß nahm zwar Mecklenburg keinen Anteil, aber es wurde doch einigermaßen dadurch berührt. Denn in § 2 dieses Friedens versprach der Kaiser der Krone Schweden die Rückgabe aller in dem Herzogtum Mecklenburg eroberten Plätze, insofern sie nämlich von seinen (d. h. den kaiserlichen) Truppen besetzt waren. Aber selbst wenn dieses Versprechen auf die Warnemünder Schanze hätte Anwendung finden können, was doch nach der Ablieferung und Demolierung schwerlich angenommen werden kann, so wurde doch in § 3 dafür gesorgt, daß "alles was in deutschen Reichsangelegenheiten streitig war" - wozu der Warnemünder Zoll in den Verhandlungen dieses Friedens ausdrücklich gerechnet wird - "nach dem deutschen Friedensschluß und den Reichsgesetzen, ohne Geräusch der Waffen, entweder gütlich beigelegt oder gerichtlich entschieden und von beiden Seiten in allen Stücken dem Osnabrückschen Friedensinstrument und den Reichskonstitutionen nachgelebt werden soll."

Wirklich getraute Schweden sich nicht, die Rückgabe von Warnemünde zu fordern oder die demolierte Schanze eigenmächtig wieder in Besitz zu nehmen. Allein, noch bevor der Friede gezeichnet war, erschienen vor dem Warnemünder Hafen schwedische Kriegsschiffe und forderten in der See den Zoll, den man sonst am Ufer erhoben hatte. Mit Bezug auf den "jüngsten Friedensschluß und andere Reichssatzungen" erteilte Kaiser Leo=

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pold den ausschreibenden fürstlichen Höfen des niedersächsischen Kreises zu Magdeburg und Braunschweig den erneuerten Auftrag, die Krone Schweden von dieser reichsgesetzwidrigen Zollforderung und allen hieraus zielenden Tathandlungen nachdrücklich abzumahnen. Darauf verließen die schwedischen Schiffe im November die Reede von Warnemünde, aber schon im Februar 1661 stellte sich abermals ein Orlogschiff ein und begann den Zoll zu erheben. Und trotz eines neuen kaiserlichen Erinnerungsschreibens erdreistete sich das schwedische Gouvernement in Wismar, mit Gewalt eine neue Zollschanze bei Warnemünde aufzuwerfen, zu besetzen und zu befestigen.

So versagten alle Mittel, die das Reichsrecht bot, gegenüber der Hartnäckigkeit eines mächtigen Reichsstandes. Etwaige weitere Schritte überließ der Kaiser dem 1663 eröffneten Reichstage zu Regensburg; dieser riet in einem Gutachten vom 8. Juni 1672 zu einem kommissarischen Versuch zur Güte, bestätigte aber wiederholt die bisher zum Vorteil Mecklenburgs ergangenen Beschlüsse und behielt diesen, falls bis dahin die Sache noch nicht ausgetragen sein sollte, die Aufnahme in den künftigen Reichstagsabschied ausdrücklich vor.

Der bald darauf (1675) ausbrechende schwedisch=brandenburgische Krieg machte die Befolgung des vom Reichstag erteilten Rates einstweilen unnötig. Die neue Warnemünder Schanze ward von den alliierten Truppen erobert und zerstört und der Rostocker Handel von den schwedischen Fesseln für einige Zeit befreit. In den Friedensverhandlungen von Nimwegen 1678/79 verwandten sich mehrere Mächte im Interesse des Hauses Mecklenburg dafür, die dauernde Abstellung des Warnemünder Zolles in die allgemeinen Friedensbedingungen aufzunehmen, allein das machte auf Schweden ebensowenig Eindruck wie die immer wiederholten Proteste der Stadt Rostock, die mehrfachen Beschwerden der Herzoge und ein am 23. Juni 1682 von dem Lüneburger Kreistage erlassenes neues dringliches Vorstellungsschreiben des niedersächsischen Kreis=Ausschreibe=Amts. Das einzige, wozu sich Schweden verstehen wollte und mehrmals erbot, war die gleiche Teilung der Zolleinkünfte zwischen Mecklenburg und Schweden, aber das verweigerten die Herzoge, die die völlige Abschaffung des Zolles verlangten.

Der Zoll war aber nicht das einzige Ungemach, welches Mecklenburg von Schweden zu erdulden hatte. Während der nordischen Kriege in der letzten Hälfte des 17. und den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts hatte die Lage der schwedischen

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Festung Wismar die mecklenburgischen Lande zum unglücklichen Mittelpunkt der Operationen der verschiedenen kriegführenden Heere gemacht. Der Ersatz, den Mecklenburg für alle dabei erlittenen Schäden und geleisteten Lieferungen, besonders von der Krone Schweden, gemäß dem Westfälischen Frieden 14 ) und verschiedenen bündigen Zusicherungen ihrer Generale zu beanspruchen hatte, war bereits zu solcher Höhe angewachsen, daß, als im Jahre 1711 der Stadt Wismar eine neue Belagerung drohte, Mecklenburg sich weigerte, die unbezahlte Schuld durch neue Lieferungen zu vergrößern. Aus purem Mitleid mit der Garnison, die dem sicheren Tode geweiht gewesen wäre, gab man schließlich nach und bequemte sich 1712 und 1713 zu neuen Geld= und Fouragelieferungen, die aber, mit Rücksicht auf Mecklenburgs Neutralität, nur gegen Anweisung sicherer Bezahlung gegeben werden konnten. Diese Bezahlung jedoch blieb aus. Dennoch begnügte man sich in Wismar nicht mit den ausgeschriebenen und gelieferten Bedürfnissen an Geld und Lebensmitteln, sondern freiwillige und kommandierte schwedische Parteigänger durchstreiften und verwüsteten fast täglich das Land, trieben rückständige Lieferungen mit Gewalt ein, erpreßten was sie verlangten, zerstörten was sie nicht mitnehmen konnten. Trotzdem stieg die Not in Wismar von Tage zu Tage. Man bedurfte dringend verstärkter Geldzuschüsse, und die glaubte man bei dem damaligen schlechten Zustande der schwedischen Finanzen nur von der mecklenburgischen Kammer erwarten zu dürfen. Nach langen Verhandlungen verpfändete Schweden gegen eine Anleihe von 23000 Talern dem Herzog Karl Leopold am 14. März 1714 den Warnemünder Zoll mit der Bedingung, daß der etwaige Überschuß seines Ertrages nach Abzug der Zinsen der Krone Schweden berechnet werden sollte. Der Zoll ward denn auch von Mecklenburg in Besitz genommen, von demselben Mecklenburg, das alle die Jahre hindurch ihn als eine rechtswidrige Einrichtung bekämpft hatte. Aber man glaubte nicht anders handeln zu können, wollte man nicht den Zoll gar in die Hände eines Dritten fallen lassen.

Aber diese Hilfe entsprach den Bedürfnissen der Unterhaltung der wismarschen Garnison und Festung nicht. Karl XII.


14) Art. XVII § 9: Quoties milites quavis occasione aut quocunque tempore per aliorum territoria aut fines aliquis ducere velit, transitus hujusmodi instituatur ejus, ad quem transeuntes milites pertinent, sumtu, atque adeo sine maleficio, damno et noxa eorum, quorum per territoria ducuntur.
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ersuchte den Herzog um Verstattung neuer Lieferungen aus Mecklenburg und erbot sich zur gewissenhaften Bezahlung alles schon genommenen und weiterhin zu liefernden. Karl Leopold aber trug Bedenken, ohne noch verstärkte Sicherheit darauf einzugehen, und so kam am 15. Juni desselben Jahres ein neuer, allerdings nicht vom König selbst, der fern von Schweden im Felde stand, sondern in seiner Vertretung von seiner Schwester Ulrike Eleonore vollzogener und von sämtlichen Ministern unterzeichneter Vertrag zustande, demzufolge die erste Geldanleihe für den Warnemünder Zoll auf das Doppelte, also 46 000 Taler erhöht, dafür aber der Zoll ohne Berechnung seines Ertrages, auf Gewinn und Verlust, dem Herzog für obige Summe und "für alles, was sonsten noch zum Nutzen der Stadt und Festung Wismar an Geld, Lebensmitteln und Korn aus den hiesigen Landen durch Ausschreiben und Executiones eingetrieben worden", zur Pfandnutzung (jure antichretico) von der schwedischen Regierung förmlich überlassen wurde; die Erstattung sollte nicht anders als gegen völlige Bezahlung des Kapitals und "alles übrigen, was bisher der mehrgedachten Festung aus den hiesigen Landen geliefert und verabfolget worden", nach einer vorläufigen billigen Liquidation erfolgen, doch "alles ohne Prajudiz und Nachteil des von dem einen oder andern Teil an diesem Zoll etwa habenden Rechtes und Anspruchs".

Daraufhin machte man sich in Mecklenburg daran, eine peinlich genaue und gewissenhafte Berechnung aller Lieferungen und Exaktionen für Stadt und Festung Wismar aufzustellen; die Gesamtsumme derselben betrug allein aus den Jahren 1711, 1712 und 1713 (ohne das bare Pfandkapital) 182721 Taler 4 Schillinge 10 Pfennige. Diese Rechnung ward, gehörig beglaubigt, am 15. Januar 1715 dem schwedischen Generalgouvernement in Stralsund eingereicht. Dieses hatte aber einige Zweifel dagegen und übertrug am 20. Februar dem wismarschen Vizegouverneur eine gemeinschaftliche Liquidierung mit mecklenburgischen Bevollmächtigten. Demgemäß traten die herzoglichen Kommissarien mit dem Vizegouverneur und dem Landrentmeister in Wismar zusammen, um für die mecklenburgischen Domänen und Städte - die Rechnungen der Ritterschaft kamen damals gar nicht mit zur Sprache - miteinander zu liquidieren. Die Art, mit der die schwedischen Bevollmächtigten hierbei verfuhren, übertraf die schlimmsten Erwartungen: die Preise der gelieferten oder erpreßten Bedürfnisse wurden willkürlich abgemindert, andere Forderungen gar nicht anerkannt, eidliche Atteste meck=

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lenburgischer Obrigkeiten und sonst unverdächtiger Zeugen für ungültig erklärt usw. - kurz, die von Mecklenburg liquidierte Summe wurde auf nicht ganz 50 000 Taler reduziert und damit das ganze Liquidationsgeschäft am 12. April sub spe rati beiderseitig beendigt. Aber die Ratifikation erfolgte nicht. Mecklenburg begnügte sich, der Bestimmung des Pfandkontraktes durch ungesäumte Aufstellung und Einreichung einer "billigen und verifizierten Rechnung" entsprochen zu haben, überließ die der Wiederbezahlung voraufgehen sollende "billige Liquidierung" der Zukunft und der Zoll ward bis zu Karl Leopolds Tode (1747) für mecklenburgische Rechnung ruhig fort erhoben. Nur die Stadt Rostock hatte gleich zu Anfang des herzoglichen Pfandbesitzes ihre Rechte gegen diesen Zoll durch Verwahrungen gesichert. Karl Leopolds Nachfolger, Christian Ludwig II. hob dann 1748 den Warnemünder Zoll ganz auf.

Aber Schweden beruhigte sich nicht. Zu wiederholten Malen stellte es Anträge auf Wiederherstellung und Zurückgabe des Zolles - Anträge, die von Mecklenburg beantwortet und zum Stillschweigen gebracht wurden. So geschah es 1749,1755,1768. Nach längerer Pause sandte dann im April 1787 König Gustav III. den Regierungsrat v. Carisien als Ministerresidenten an den mecklenburgischen Hof, um, wie das Beglaubigungsschreiben besagte, "die Angelegenheiten, die zwischen Schweden und Mecklenburg abzumachen sein können, an Ort und Stelle abzuschließen". Man nahm in Schwerin an, daß dieser Schritt dienen solle "zu einer gemeinschaftlichen Aufklärung und billigen Berichtigung nicht nur dessen, was die schwedische Krone von Mecklenburg zu prätendieren sich berechtigt hält, sondern auch der von Mecklenburg zumteil seit länger als einem Jahrhundert vergebens zur Befriedigung empfohlenen Forderungen und Beschwerden gegen Schwedens Könige und deren Staaten". In dieser Annahme aber hatte man sich gründlich getäuscht. Carisien überreichte am 11. Mai dem herzoglichen Ministerium eine hochfahrende Note des Inhalts: Der König, gesonnen, das der Krone Schweden durch den Westfälischen Frieden zuerkannte Recht am Warnemünder Zoll wieder mit der Krone zu vereinigen, habe nicht umhin gekonnt, zu bemerken, wie selbige Gerechtsame durch ungültige Schritte davon getrennt worden, indem der Warnemünder Zoll bekanntermaßen ohne Genehmigung König Karls XII. verpfändet und überlassen, auch der Pfandbrief nicht mit der Unterschrift des Königs versehen sei. Der König habe demnach alle Ursache, diese Verpfändung oder die zum Schaden

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des Reiches Schweden auf eine so unordentliche Art gemachte Schuld nicht anzuerkennen; da aber die Anleihe doch für die schwedische Armee verwandt worden sei, wolle der König aus Freundschaft für den Herzog und aus Billigkeitsrücksichten den ihm gehörigen Warnemünder Zoll nicht anders als gegen Bezahlung der Summe, die der Herzog zu fordern zu haben vermeine, zurückverlangen. Es handele dich demnach wohl nur darum, den Zeitpunkt der Abtretung des Zolles und der Auszahlung der Gelder zu bestimmen.

Die Antwort des mecklenburgischen Ministeriums vom 9. Mai war in höflichem Ton gehalten, lautete im übrigen aber sehr bestimmt. Sie betont zunächst die hinreichend oft dargetane Ungesetzlichkeit der Zollerhebung Schwedens an den mecklenburgischen Küsten und den bei jeder Gelegenheit erhobenen Widerspruch der Herzoge dagegen, sodann die berechtigten Entschädigungsforderungen Mecklenburgs für die ihm während der nordischen Kriegsunruhen von schwedischer Seite zugefügten Verluste, und stellt die Vorlage der Urkunden und Beläge für das eine wie für das andere in Aussicht. "Sobald also" - heißt es dann weiter - "von Wiederherstellung eines schwedischen Zolles zu Warnemünde die Rede sein solle, werde natürlicherweise nicht allein die begründete und oft genug ausgesprochene Nichtanerkennung der Existenz einer schwedischen Zollberechtigung in Mecklenburg, sondern auch die bare Befriedigung der nur einstweilen unterdrückten Indemnisationsberechnung gegen die Krone Schweden zur Sprache kommen. Wegen der Zollberechtigung aber, die nicht bloß Sache des Herzoglichen Hauses, sondern eine gemeinschaftliche Angelegenheit des ganzen Deutschen Reiches sei, werde vor weiterem mit dem Kaiser und den übrigen Reichsständen das nötige vereinbart werden müssen. Zugleich werde an der bei den Pfandverhandlungen des Jahres 1714 vorbehaltenen Liquidation, die sich einstweilen nur auf die Lieferungen des Domaniums und der Städte nach Wismar erstreckt habe, auch die Ritterschaft wegen ihrer Privatforderungen teilnehmen müssen, die auf die Kunde von den bevorstehenden Verhandlungen dem Ministerium bereits ein darauf bezügliches Promemoria eingereicht habe. Diese beiden Betrachtungen habe man dem Ministerresidenten schon darum nicht vorenthalten können, um vorläufig schon jetzt den Gang zu bezeichnen, den die Unterhandlungen wegen des Warnemünder Zolles nach dieser Sachlage würden zu nehmen haben. Ganz außer Zusammenhang mit der Zollangelegenheit stehe eine zweifache Schuldforderung des

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herzoglichen Hauses an die Krone Schweden, die zuletzt im Jahre 1777 von Mecklenburg angeregt, aber nicht zur Befriedigung gelangt und seither auf den Herzog Friedrich Franz vererbt sei. Übrigens fehle es auch sonst nicht an Klagen und Beschwerden aus älterer und neuerer Zeit gegen schwedische Untertanen, deren Abstellung durch die dortigen Behörden man bisher vergeblich angeregt habe, über die aber hoffentlich bei dieser Gelegenheit gleichfalls ein Einverständnis erreicht werden könne.

Die Verhandlungen begannen in der Tat. Sie wurden von schwedischer Seite anfänglich von Carisien, dann, nach dessen Abberufung, von dem an seine Stelle getretenen Regierungsrat und Ministerresidenten v. Horn zum Teil mündlich geführt. Aber sie rückten langsam von der Stelle. Daß Mecklenburg sie vorsätzlich verzögert und erschwert habe, wie ihm die Schweden vorwarfen, ist schwerlich richtig; man scheint im Gegenteil ihnen so weit entgegengekommen zu sein, daß man das Recht des Königs zur Reluition des Warnemünder Zolls nicht weiter in Zweifel zog. 15 ) Aber man bestand fest darauf, daß gleichzeitig endlich auch die oft genug erhobenen mecklenburgischen Forderungen aus den Jahren 1711-14 beglichen würden, in die man nun auch die Ritterschaft einschloß, zu deren Liquidierung man bereits Kommissarien ernannt hatte und deren Höhe mit Einschluß der Pfandsumme 228388 Rthlr. 20 Schillinge 20 Pfennige betrug. Doch ebenso hartnäckig beharrte Schweden bei seiner Weigerung, diese Forderungen anzuerkennen. Eine Note Horns vom 3. August betonte das in schroffster Weise; sie verstieg sich sogar zu einer direkten Drohung, indem sie erklärte, "daß, wenn man fortführe, die aus bloßer Großmut geschehenen Anerbietungen des Königs mit unstatthaften Ausflüchten und Schwierigkeiten zu erwidern, und durch eine so vorsätzliche Zögerung die Geduld Ihro Königlichen Majestät zu ermüden, es sich ereignen könnte, daß AllerhöchstDieselben von Ihrem Rechte Gebrauch machten und Ihr Eigentum ohne Bezahlung wiedernähmen." Schweden verlangte nunmehr eine kategorische Antwort; es komme nur darauf an, die Frage: ob man mecklenburgischerseits der Reluition des Warnemünder Zolles noch ferner die beregten oder sonst irgend einige Hindernisse in den Weg zu legen gemeint sei, mit Ja oder Nein zu beantworten. "Um inzwischen" - so schloß Horn seine Note - "dieserhalb alle weitere Erörterung, die nur zur Vermehrung des bisherigen Zeitverlustes gereichen würde, zu vermeiden, er=


15) S. die "Geschichtliche Übersicht", Beilagen S 18.
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bietet sich der Unterzeichnete überhaupt für die gesamte, auf die Verpfändung des Warnemünder Zolles eine Beziehung habende Forderung und also, mit Inbegriff der baren Anleihe, zu einer Summe von 70000 Rthlr. damaligen Wismarschen und Mecklenburgischen Valeurs, und erwartet mit Zuverlaß, daß, wo man überhaupt Herzogl. Mecklenburgischer seits eine Vereinbarung zu treffen gesonnen ist, dieser billige Vorschlag mit Bereitwilligkeit werde angenommen werden."

An dieser Bereitwilligkeit aber fehlte es der mecklenburgischen Regierung, sie brach die Verhandlungen ab. Doch erklärte die erwähnte, vom 16. August 1787 datierte Denkschrift, der Herzog behalte sich vor, für den Fall einer Fortsetzung der schwedischen Versuche zur Wiederherstellung des Warnemünder tolles nicht nur die Rechtsungültigkeit einer solchen Intention, sondern auch die Gründe der verschiedenen gerechten Forderungen seines Hauses an die Krone Schweden in einem ausführlicheren Lichte öffentlich der Welt vor Augen zu legen. Indessen erschien es dem Herzog geraten, bei Zeiten Vorkehrungen zu treffen, und so trug er schon jetzt dem Berliner und dem Petersburger Hofe die Sache vor und erhielt sowohl von König Friedrich Wilhelm II. als auch von der Kaiserin Katharina II. die beruhigendsten Zusicherungen.

Die Denkschrift von 1787 war bis dahin das letzte Wort zwischen Mecklenburg und Schweden in der Angelegenheit des Warnemünder Zolles gewesen. Wenn nun im Jahre 1802 Schweden die Frage noch einmal wieder anrührte, so konnte seine Absicht nicht die sein, den Herzog zur Herausgabe des Zolles zwingen zu wollen, denn man mußte sich sagen, daß man hier dem Widerspruch anderer Mächte, besonders Preußens und Rußlands, begegnen würde und daß es ja ein Widersinn sei, auf dem Zoll bestehen zu wollen in einem Augenblick, wo man im Begriff stand, sich einer weit wichtigeren Besitzung auf deutschem Boden zu entäußern. Man wird vielmehr annehmen dürfen, daß Schweden selbst den Wunsch hegte, die alte Streitfrage bei dieser Gelegenheit endgültig aus der Welt zu schaffen und sich ihrer nur bediente, um den Preis für Wismar möglichst in die Höhe zu treiben. Daß die Zollfrage geeignet sein könne, einen glücklichen Ausgang der Verhandlungen ernstlich zu gefährden, wie sich weiterhin herausstellte, hat man in Schweden schwerlich erwartet.

Auf Tolls Schreiben vom 12. März gab Lützow zunächst eine interimistische Antwort: er werde sich nach Möglichkeit beeilen, die Meinung des Herzogs über die schwedischen Forde=

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rungen einzuholen - so schrieb er am 29. März von Hannover aus. In seiner offiziellen Rückäußerung, datiert "Ludwigslust den l. Mai 1802", akzeptiert er zunächst die vorgeschlagene Summe von l 250 000 Talern, bezeichnet sie aber auch als die unüberschreitbare Grenze für den Herzog; zugleich betont er, daß wie alle bisherigen Augebote Mecklenburgs so auch' dieses von Talern in Gold zu verstehen sei, und spricht die Hoffnung aus, daß die Nebenkosten sich nicht hoch belaufen würden. Hinsichtlich dieses letzten Punktes glaubte Toll, der am 27. Mai von Helsingborg aus antwortete, Lützow beruhigen zu können; zu diesen Unkosten würde allerdings der Ankauf der dem Könige eigentümlich gehörenden Grundstücke in Wismar, z. B. des Gouvernementshauses u. a., gehören müssen. Im übrigen aber müsse er erklären, daß seine Regierung sich auf Taler Gold nicht einlassen könne, sondern unbedingt an Hamburger Banco, als der einzigen in Schweden anerkannten fremden Währung, festhalte, die ja zudem einen höheren Wert repräsentiere. Und dann könne er nicht umhin, Lützows Aufmerksamkeit auf einen anderen, beide Herrscher interessierenden, für Mecklenburg aber besonders wichtigen Gegenstand zu lenken, nämlich auf die Warnemünder Frage. Schwedens Recht auf den dortigen Zoll sei unanfechtbar, wenn es auch längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht sei. Nun fordere es der König zurück, sei aber bereit, gegen eine angemessene Entschädigung darauf zu verzichten; diese Angelegenheit würde am leichtesten zu einem befriedigenden Ende geführt werden können, wenn man sie Hand in Hand gehen ließe mit den Unterhandlungen über Wismar. Lützow möge daher die Befehle des Herzogs darüber einholen.

Diese Antwort Tolls erregte in Schwerin beim Ministerium, dem sie der Herzog ungesäumt zugehen ließ, einige Bestürzung, die sich in dem vom 29. datierten "Unterthänigsten Pro Memoria" widerspiegelt. "Die gnädigst übersandte Antwort des Barons von Toll an den Oberhofmeister von Lützow" - heißt es da - "entfernt die Hoffnung einer Vereinbarung über die Herrschaft Wismar gänzlich. Ihro Herzogliche Durchlaucht haben Sich bereits davon überzeugt, daß es dem Herzoglichen Hause unmöglich sey, die Schwedische Forderung von l 250 000 Rthlr. Banco oder l 759 375 Rthlr. Gold zu bewilligen, jetzt aber wird daneben nicht nur die Bezahlung der eigentümlichen Grundstücke in Wismar - die man nicht einmal kennet - verlangt, sondern es wird auch die Angelegenheit des Warnemünder Zolles mit der wegen Ueberlaßung der Herrschaft Wismar in Verbindung

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gesetzt, so daß man wünschen mögte, diese Negotiation nie angefangen zu haben. Da dießeits einmahl erklärt ist, daß das Anerbieten von 1250000 Rthlr. Gold das ultimatum sey, man aber Schwedischer Seits auf die gemachte Forderung besteht, die Angelegenheit wegen des Warnemünder Zolles sich aber zu dieser Negotiation nicht qualificiret: So scheint es den Unterzeichneten am geratensten, diese Unterhandlung, welche höchstwahrscheinlich doch nie zum Zweck führen wird, als abgebrochen zu betrachten und das Schreiben des Barons von Toll ganz unbeantwortet zu laßen. Solte man in Schweden, oder sollte der Baron v. Toll nicht eben für sich allein, die Absicht haben, diese Unterhandlung durch Häufung von Schwierigkeiten auf eine feine Art ganz abzubrechen, und dereinst eine Antwort verlangen: So wird ihm sodann noch immer von dem Oberhofmeister von Lützow geantwortet werden können, daß er mit weiterer Resolution nicht versehen sey. Allemahl mögte es indeßen ratsam seyn, dem Durchlauchtigsten Erbprintzen eine Abschrift des Tollschen Briefes durch Estaffette nach Memel zu übersenden, und dabey zu eröfnen, daß Höchstdieselben nach Beschaffenheit der Schwedischen Forderung . . . . und in Betracht der unerwartet mit dieser Negotiation in Verbindung gesetzten Gegenstände, Sich gemüßiget sähen, diese Unterhandlung auf sich beruhen zu laßen, zugleich aber auch dem Durchlauchtigsten Erbprinzen an Hand zu geben seyn, Sich bey des Kaisers von Rusland und Königs von Preußen Majestäten dahin zu verwenden, daß beide geruhen wolten, Sich des Herzoglichen Hauses kräftigst anzunehmen, wenn die Schwedischer Seits schon mehrmalen versuchte Ansprache an den Warnemünder Zoll künftig aufs neue in Anrege gebracht werden solte."

Dem Erachten des Ministeriums entsprechend schrieb der Herzog schon am folgenden Tage an den Erbprinzen Friedrich Ludwig, der damals auf dem Wege nach Memel war, wo er der Zusammenkunft zwischen Kaiser Alexander von Rußland und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen in Memel (10. bis 16. Juni) beigewohnt hat. 16 ) "Aus anliegende Stücke wirst Du ersehen," - schreibt Friedrich Franz - "was für eine unangenehme Wendung die Unterhandlungen wegen Wismar genommen haben, und wie unbillig Schwedischer Seits gegen mich verfahren wird, besonders in Absicht der Einmischung der Warnemünder Angelegenheit. Es ist möglich daß der König von


16) Vgl. Jahrbücher des Vereins für meckl. Gesch. und Altertumskunde 65. Jahrg. (1900) S: 130 ff.
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Schweden die Sache mit Warnemünde weiter treibt, um mich zu forciren Ihm Wismar zu seinen bestimmten Preiß anzunehmen, allein dieß ist eine unmöglichkeit, indem mein Both schon so hoch ist, daß ich kaum zwey procent davon habe, wenn ich es bekomme. Ich habe daher nach dem beyliegenden Erachten des Minist. die partie genommen gar nicht zu antworten, indem keine Antwort hinlänglich beweiset daß ich die Unterhandlungen abbreche. Ich gebe Dir daher den Officiellen Auftrag, so wohl Ihro M. dem K. v. Russland, als auch I. M. d. K. von Preussen meine dringendste Bitte vorzustellen, sich meiner in der Warnemünder Angelegenheit thätig anzunehmen, und zu unterstüzen, falls es dem König v. Schweden einfallen sollte, wiederum weiter in die Ansprüche an Warnemünde hineinzugehen, und mich so wohl Schriftlich als Thätlich unrechtthun zu wollen. Die Schweden scheinen sich immer gleich zu bleiben, und nur die Ungerechtigkeiten heufen zu wollen, die sie schon an mir ausgeübt haben, von denn gerechten und freundschaftlichen Gesinnungen beyder Majestäten binn ich zu dehr überzeugt, als daß ich daran zweifeln könnte, daß Sie mich nicht in voller Macht bey stehen werden. . . Thue Dein bestes, und gib mir so bald als irgend Möglich per estaffette nachricht, welche resolution Du auf meine Bitte erhalten hast."

Die Antwort Friedrich Ludwigs, datiert Memel d. 11. Juni, lautet: "Bei meiner Ankunft hieselbst am 8. Nachmittags erhielt ich die Estaffette mit Ihrem Gnädigen Briefe, für welchen ich Ihnen, bester Vater, meinen unterthänigsten Dank sage. Ich leugne nicht, daß die Ursache dieses Briefes mich äußerst befremdet hat, da sie so wenig mit dem übereinstimmt was ich bei meiner Abreise von Hause zu erwarten berechtigt war. Das Schwedische Betragen ist wahrhaft schändlich, und empört jedes Gefühl von Billigkeit und delicatesse. Ich freue mich sehr daß Sie für gut gefunden haben, das unhöfliche Schreiben des Barons v. Toll keiner Antwort zu würdigen. Irre ich mich nicht, so wird man am Ende uns noch gute Worte geben, den an jetzt abgeschnittenen Faden wieder anzuknüpfen. Ich habe Gelegenheit gehabt noch manches über die große Schwedische Geldnoth zu höhren, den unwiedersprechlichsten Beweis davon giebt übrigens das Betragen gegen uns, denn ich glaube gewiß, daß nur große Verlegenheit zu so einem Schritte führen kann. Ihren gnädigen Befehlen zufolge, habe ich sogleich die ganze Angelegenheit Sr. Majestät dem Könige von Preussen vorgestellt, und in Ihrem Nahmen denselben um seinen Beistand gebeten,

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wenn Schweden weitere Schritte in dieser Sache thun würde. Der König war gleichfalls sehr über dieses Betragen verwundert, und billigte vollkommen die von Ihnen genommene Parthie. Sr. Majestät tragen mir auf Ihnen viele Empfehlungen zu machen und Ihnen zu versichern daß im Fall weiterer Schritte von Schwedischer Seite, Sie mit Vergnügen alles dasjenige beitragen würden, was Ihnen die Umstände erlauben könnten, um diese unangenehme Angelegenheit beizulegen. Da ich dem Kaiser von Rußland eine ziemliche Strecke weit in Rußland entgegen gereiset bin, so habe ich sogleich Gelegenheit gefunden ihn von Ihrem Wunsche theuerster Vater zu unterhalten. Der Kaiser war ebenfalls äußerst mit dem Schwedischen Betragen unzufrieden, und der Meinung, daß Sie sehr wohl gethan hätten gar nicht darauf zu antworten. Er hat von mir einen kleinen Aufsatz verlanget, wovon ich persönlich die Abschrift unterthänigst einreichen werde, um demselben zu Folge seinen chargé d'affaires in Stockholm zu unterrichten, die nöthigen Maßregeln zu nehmen, im Fall man Schwedischer Seits weitere Schritte in dieser Sache thun würde. Uebrigens trägt mir der Kaiser viele Freundschafts=Versicherungen an Ihnen auf. Allem diesen zufolge, überlasse ich mich den besten Hoffnungen in dieser ganzen Angelegenheit, und bitte Sie unterthänigst sich hierüber ganz zu beruhigen, indem sicher anjetzt Schweden hinreichende BewegungsGründe haben wird uns in Ruhe zu lassen." Gleich nach seiner Rückkehr, unterm 25. Juni, teilte dann der Erbprinz dem Grafen Bassewitz mit: "In Berlin habe ich mit dem Minister Grafen von Haugwitz über die Schwedische Angelegenheit ausführlich gesprochen. Er war in allen Stükken unserer Meinung, und hat uns die thätigste Unterstützung versprochen. Er hat mich auch um die Abschrift des Tollischen Briefes gebeten. . . Die eine nach Memel überschickte Abschrift habe ich dem Grafen von Kotschubey überlassen."

Da also das Schreiben Tolls vom 27. Mai unbeantwortet blieb, wurde der König ungeduldig; er glaubte zu wissen, daß Lützow vom Herzog an verschiedene Höfe gesandt sei, um für den Notfall deren Unterstützung zu erbitten - was aber Lützow in Abrede nahm - und es verdroß ihn, daß der Herzog zu aller Welt von den Verhandlungen gesprochen hatte. So befahl er Toll, an Lützow zu schreiben (Kristianstad, 4. August): der König wünsche zu wissen, ob der Herzog auf die Fortsetzung der Verhandlungen Wert lege oder sich eines anderen besonnen habe; im übrigen habe er an der Sache, sie falle aus wie sie wolle, kein übermäßiges Interesse.

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Neben diesen diplomatischen Verhandlungen zwischen Toll und Lützow gingen indessen noch andere her, die demselben Ziele zustrebten, aber geheim betrieben wurden. Geführt wurden sie durch den schwedischen Kammerrat Schröder in Wismar und den mecklenburgischen Kammerdirektor Brüning. Am 8. August ließ Schröder den ihm befreundeten Brüning um eine unauffällige vertrauliche Besprechung an einem von Brüning zu bestimmenden Orte bitten, und am 16. August fand diese Unterredung in Hof Mecklenburg statt. Schröder, der im Laufe des Gesprächs auf Brünings direkte Frage hin gegen die Zusicherung strengster Diskretion zugestand, daß er in amtlichem Auftrage erschienen sei, daß sein Kommen als Beweis der Geneigtheit der Krone Schweden zur Fortsetzung der ins Stocken geratenen Unterhandlungen angesehen werden könne, und daß der König, Toll und der Obermarschall, frühere Tribunalspräsident in Wismar Baron v. Klinkowström, sonst aber niemand um die gegenwärtige Begegnung wisse - Schröder also begann damit, daß man in Schweden mit höchster Spannung die Antwort auf die letzte schwedische Forderung erwarte und sich Lützows Schweigen gar nicht erklären könne, worauf Brüning erwiderte, daß seines Wissens bei der enormen Höhe der Forderung man sich noch nicht zu einer Antwort habe entschließen können und wohl warten werde, bis Schweden seine Ansprüche ermäßige. Im übrigen sei er über die Einzelheiten der Verhandlungen mit Schweden nicht genau unterrichtet, habe aber für sich und zu eigener Information eine Anzahl von Punkten angemerkt, über die aufgeklärt zu werden ihm erwünscht sei. Schröders Antworten auf Brünings Fragen ergaben dann folgendes: Stadt und Herrschaft Wismar werden mit allen den Rechten, wie die Krone Schweden sie bisher besessen hat, dem herzoglichen Hause Mecklenburg überlassen, aber nur pfandweise. Auf wie viele Jahre, wird von Mecklenburg abhängen; schwedischerseits ist man geneigt, den Pfandkontrakt auf 100 Jahre abzuschließen, denn eine Reluition wird ja doch nie stattfinden. Die schwedischen Beamten werden von Mecklenburg übernommen, die Pachtkontrakte in den Ämtern müssen gehalten werden. In eine Überlassung der königlichen Gebäude in Wismar ohne besondere Vergütung wird Schweden wahrscheinlich willigen; übrigens kommen da nur das Tribunalsgebäude, das Magazin und Schröders Dienstwohnung in Betracht, da die beiden Hauptgebäude, nämlich das Zeughaus und das Provianthaus, schon vor einigen Jahren an die Stadt verkauft sind. Ob aber Schweden die Post=

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linie Hamburg-Stralsund abtreten wird, ist sehr fraglich. Daß man schwedischerseits den Warnemünder Zoll wieder zur Sprache gebracht hat, bedeutete nicht, daß die Ansprüche auf denselben nochmals erhoben werden sollten; vielmehr ist Schweden zum Verzicht bereit und wünscht nur, "diese Verzichtleistung zum Zweck der Erhaltung eines höheren quanti mit in Rechnung zu bringen". Außer der geforderten Summe von 1 1/2 Millionen in Hamburger Banco würden nur "die gewöhnlichen, bei solchen Conventionen üblichen Douceurs und eine Remuneration für den General v. Toll" zu zahlen sein. Auf den Rest der Satisfaktionsgelder muß natürlich Rücksicht genommen werden; Schweden "wird suchen, diese auf die eine oder die andere Art mit hinein zu handeln". Die Absicht bei der gegenwärtigen Unterhaltung geht dahin, daß vorläufig, ohne Verbindlichkeit für beide Höfe, ein Versuch gemacht werde, ob über die wesentlichen Punkte des Pfandkontraktes eine Vereinbarung zu erreichen möglich sei. Deshalb wird Brüning ersucht, "gleichsam als für sich" Schröder eine Art von schriftlicher Punktation zum Pfandkontrakt zuzustellen, die dann Schröder, nach eingeholter Instruktion, auch als für sich und ohne eines Auftrages zu erwähnen, beantworten wird und sodann wird zwischen ihnen beiden die Sache bis dahin behandelt, vorbereitet und abgemacht, daß schließlich die Konvention nur ministeriell förmlich abgeschlossen werden kann. Eine etwaige schriftliche Erklärung Brünings wird aber baldmöglichst erbeten. Sollte übrigens der Handel mit Mecklenburg nicht zustande kommen, so ist schon ein anderer Plan entworfen: "man will Wismar an England, das dazu Neigung hat, verkaufen; man hofft das Amt Poel bei der Stadt Lübeck anzubringen und das Amt Neukloster will man mit Beibehaltung der Landeshoheit parzellieren und an einzelne Personen verkaufen."

Den Inhalt dieser Unterredung brachte Brüning noch an demselben Tage in dialogischer Form zu Papier und übersandte die Niederschrift dem Ministerium, welches "zur Fortsetzung dieser Negotiation sehr geneigt" war und Brüning wissen ließ: "Dem Herzoglichen Ministerio würde es äußerst angenehm seyn, wenn die Negotiation wegen Acquisition der Herschaft Wismar, auf dem eingeleiteten Wege, durch ihn zu Stande gebracht werden könnte. Er werde zwar selbst einsehen, daß er während Serenissimi Abwesenheit mit bestimmter Instruction nicht versehen werden könnte, indessen verfehle das Ministerium nicht, ihm den bisherigen Stand der Sache dahin bekannt zu machen,

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daß Serenissimus für die eigenthümliche Abtretung der Herschaft Wismar, unter demnächst näher zu regulierenden Bedingungen, die Summe von 1 250 000 Rthlr. Gold hätten offerieren laßen. Sobald man dießeits davon überzeugt sey, das dies oblatum annehmlich befunden würde, würde das Ministerium mit Vergnügen die weitere Einleitung befördern und die wesentlichsten Bedingungen vorlegen, damit diese Angelegenheit zur wechselseitigen Zufriedenheit beider Hofe und derjenigen, welchen die Negotiation in Schweden übertragen werden würde, reguliret werden könnte." In diesem Sinne war denn auch Brünings Antwort an Schröder vom 24. August gehalten. -

Die Antwort aus Tolls Mahnschreiben vom 4. August ließ lange auf sich warten, allerdings nur infolge äußerlicher Ursachen. Lützow erhielt es am 22., und zwar in Pyrmont; er übersandte es alsbald dem Ministerium, konnte aber natürlich dessen Anweisung, wie und was er zu antworten habe, erst nach geraumer Zeit erlangen. Am 1. September wurde er dahin instruiert, "in freundschaftlichen Ausdrücken" an Toll zu schreiben: Er sei zwar zurzeit ohne bestimmte Instruktion, habe aber Grund zu glauben, daß angesichts der letzten schwedischen Forderung und namentlich der derselben angehängten Bedingung hinsichtlich des Warnemünder Zolles das herzogliche Haus die Hoffnung, die Behandlungen zu wechselseitiger Befriedigung beendigt zu sehen, aufgeben müsse. Er wage gar nicht, vom Herzoge Instruktionen zu erbitten, solange nicht die schwedische Forderung dem mecklenburgischen Angebot einigermaßen angenähert werde, und wenn es nicht Toll beliebe, seinen letzten neuen und unerwarteten Vorschlag zurückzuziehen. Gewiß werde der Herzog immer wünschen, Wismar mit Zubehör zu erwerben, aber auch diesen seinen Wunsch der Möglichkeit seiner Verwirklichung unterzuordnen wissen.

Dem bestimmten Ton dieses vom 7. September aus Ludwigslust datierten Briefes entsprach Tolls kategorische Antwort (Kristianstad, 28. September). Eine Modifikation der in Seinem Schreiben vom 7. Mai aufgestellten überaus bescheidenen Forderungen - so heißt es da - sei absolut unvereinbar mit dem Interesse Schwedens. Einen einmal gemachten Vorschlag zurückzunehmen, sei der König schlechterdings nicht in der Lage. Daß Lützow ihn neu und unerwartet nenne, sei erstaunlich, da die Sache oft genug Gegenstand von Verhandlungen zwischen Schweden und Mecklenburg gewesen sei. Wenn Schweden sie jetzt noch einmal zur Sprache gebracht habe, so sei das mit aller möglichen Mäßigung geschehen; habe man sich ja sogar dazu

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erboten, unter gewissen Bedingungen auf ein unbestreitbares Recht zu verzichten. Und da dieses Recht die Frucht eines freien Übereinkommens zwischen Schweden und Mecklenburg sei, so habe keine andere Macht, wie groß ihr Interesse für, den einen oder anderen Teil auch sei, etwas damit zu schaffen. Unter diesen Umständen erkläre er die Verhandlungen wegen Wismar für abgebrochen. "Es ist zu bedauern" - votierte nach Empfang dieses Briefes das Ministerium am 14. Oktober - "daß diese so weit gediehene Negotiation Schwedischer Seits abgebrochen ist, und nun zu besorgen, daß die Ansprüche wegen Warnemünde nunmehr in Anrege werden gebracht werden. Gleichwohl läßt der Inhalt des Schreibens keine Hofnung einer günstigen Negotiation für das Herzogliche Haus übrig und steht darauf nicht wohl eine Antwort zu erteilen ohne Serenissimo und der Sache selbst zu praejudiciren. Fast solte man auf den Gedanken geraten, daß die Bedingung wegen des Warnemünder Zolles ex post blos in der Absicht eingemischt sey, um die Unterhandlung abzubrechen. Es bleibt für jetzt wol nichts anders übrig, als die Sache einsweilen auf sich beruhen zu laßen, bis sich etwa eine andere Gelegenheit finden wird, die Unterhandlung wieder an zu knüpfen."

Gleichwohl dauerte der Briefwechsel zwischen Lützow und Toll noch einige Zeit fort. Lützow äußerte dem Ministerium den Wunsch, "nicht officiellement, sondern en particulier" Toll zu antworten, und legte den Entwurf eines Briefes an ihn vor, an dem über Graf Bassewitz starke Änderungen vornahm. Wenn Schweden - heißt es in diesem Brief vom 29. Oktober - die Verhandlungen für abgebrochen erkläre, so müsse natürlich auch sein Hof sie so ansehen. Doch wolle er persönlich und vertraulich noch eines bemerken. Der Herzog habe allezeit den wahren Wert des angebotenen Pfandes, so weit sich derselbe aus den festen Einnahmen ergebe, seinen Angeboten zu Grunde gelegt. Trotzdem möchte vielleicht der Herzog bewogen werden können, das letzte Angebot zu überschreiten, wenn Schweden seine neuerliche Forderung fallen lasse. Sei das nicht der Fall, so werde man genötigt sein, den Mächten, die sich für das herzogliche Haus interessierten, davon Kenntnis zu geben.

Noch bevor dieser Brief abgesandt wurde, hatte der König Nachrichten erhalten, die ihn gegen den Herzog verstimmten und nicht geeignet waren, seine Neigung zur Nachgiebigkeit, wenn sie überhaupt vorhanden war, zu steigern. Die schwedischen Gesandten Palin in Dresden und Graf Armfelt in Wien hatten

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in ihren Berichten eines Besuches des Herzogs Friedrich Franz in Dresden Erwähnung getan 17 ) und erzählt, daß bei einem Diner bei dem sächsischen Kabinettsminister v. Loß, zu dem der Herzog und u. a. auch der gerade in Dresden anwesende Armfelt geladen waren, es zu einer lebhaften Auseinandersetzung zwischen dem Herzog und Armfelt gekommen sei wegen einiger für den König Gustav Adolf verletzenden Äußerungen des Herzogs über des Königs Verlöbnisbruch; später aber habe der Herzog Armfelt vertraulich mitgeteilt, daß er im Begriff stehe, Wismar zu kaufen für 1 600 000 Reichstaler, die der Kaiser von Rußland ihm zu verschaffen versprochen habe, daß er aber vom Warnemünder Zoll nichts hören wolle; habe der König die Absicht, ihn dazu zu zwingen, so sei er ja der Stärkere, indessen habe er, der Herzog, seinerzeit einen Kurier zu seinem Sohne nach Memel geschickt, um dem damals dort anwesenden Kaiser von Rußland die Sache vorzutragen.

Von diesem Vorfall berichtete Lagerbjelke an Toll und übersandte ihm das Konzept zu einem Briefe an Lützow, der am 13. Dezember abgesandt wurde. In diesem Briefe, in dem der Abbruch der Verhandlungen als vollendete Tatsache behandelt wird, erklärt Toll, daß er nicht gewagt habe, den Inhalt von Lützows letztem vertraulichem Brief dem Könige zur Kenntnis zu bringen und spricht sein Erstaunen aus über die Sensation, die die Erwähnung des Warnemünder Zolls in Mecklenburg gemacht habe. Was die fremden Mächte anlange, die in der Sache interessiert sein sollten, so könne doch wohl nur einer, nämlich der deutsche Kaiser in Betracht kommen, vorausgesetzt, daß Mecklenburg den Rechtsweg beschreite, aber das Recht Schwedens sei doch zu klar, als daß man an einen Prozeß mit seinen endlosen Formalitäten wirklich denken könne.

Diesen Brief übersandte Lützow dem Ministerium mit der Anfrage, ob und wie derselbe beantwortet werden solle. Worauf Graf Bassewitz in dorso bemerkte: "Meo voto können so wohl der Referent als der B. v. Toll füglich ohne Antwort bleiben. Mündlich werde ich dann dem Referenten eröffnen, daß er eine Antwort nicht zu erwarten hätte."

Aber der Abbruch der Verhandlungen war nun ein scheinbarer. Zwar Toll und Lützow schieden für einige Zeit aus der


17) Der Herzog war am 16. August nach Breslau gereist, wo sein zweiter Sohn Gustav in Garnison stand, und kehrte über Dresden am 26. August zurück.
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Zahl der handelnden Personen aus, indessen blieben die inoffiziellen Unterhändler Schröder, hinter dem Klinckowström stand, und Brüning, der im Einverständnis mit dem Grafen Bassewitz handelte, an der Arbeit.

Am 12. Januar 1803 berichtete Brüning an Bassewitz, er habe am 12. Dezember 1802 in Wismar mit Schröder über die Fortsetzung der Unterhandlungen wegen Wismar gesprochen; Schröder habe sich erboten, Klinckowström darüber zu sondieren, und nachdem dies geschehen sei, so eben an Brüning folgende Zeilen, die Schröder aber in origine zurückerbitte, gerichtet: "Die Sache muß mit vieler Behutsamkeit und Delicatesse sondirt und behandelt werden. Hätten Sie mir suo tempore geglaubt und Ihr eigenes Interesse nicht verkannt, so wär's beßer gewesen. Sagen Sie mir positiv die Summe, so auf die Forderung geboten ist - und gesetzt die Möglichkeit einer Wiederanknüpfung, so knickern Sie nicht, sondern halten sich heilig davon überzeugt: aut nunc aut numquam." Brüning bat nun Bassewitz um baldige genaue Angabe der schwedischen Forderung und des mecklenburgischen Angebots und fügte hinzu: er hoffe auch noch durch seinen Schwager, den dänischen Konsul Wahrendorff in Stockholm, der mit Klinckowström sehr liiert sei, diesen ausfragen zu können. Graf Bassewitz antwortete sofort: das schwedische Ultimatum sei 1 250 000 Rthlr. Banco, das mecklenburgische Angebot 1 250 000 Rthlr. Gold; halte Brüning es für geraten, Schröder eine bestimmte Summe zu nennen, so möge er seine Antwort "essentialiter ohnzielsetzlich dahin faßen: daß er eine Erhöhung des dießeitigen oblati bis zu 1 500 000 Rthlr. Gold nicht bezweifle, wenn die näher zu regulierenden Bedingungen zur Zufriedenheit und Beruhigung des herzoglichen Hauses gereichten". Noch an demselben Tage schrieb Brüning in diesem Sinne an Schröder, erhielt aber zunächst nur dilatorische Antworten, was ihn indessen nicht abhielt, schon jetzt einen Entwurf eines Pfandkontraktes auszuarbeiten und dem Grafen Bassewitz zu überreichen.

Endlich ließen sich am 8. Februar Wahrendorff ganz kurz - Klinckowström hatte ihn einfach an Schröder verwiesen -, ausführlicher am 21. Februar, aber ohne Datum und Unterschrift und in geheimnisvollen Ausdrücken - z. B. wird der König als primum individuum bezeichnet, Klinckowström nur "unser Freund" genannt - Schröder vernehmen. Daraufhin meldete Brüning am 23. Februar dem Grafen Bassewitz: das Angebot von 1 1/2 Millionen Taler Gold werde in Schweden

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nicht angenommen; er schlug eine Erhöhung bis auf 1 200 000 Rthlr. Banco vor, von denen die noch in Wismar zu hebenden Satisfaktionsgelder abzurechnen seien. Damit war Bassewitz einverstanden und beauftragte Brüning damit, durch Schröder eine offizielle Erklärung darüber zu erwirken, "ob diese Offerte annehmlich befunden werde und was für Hauptbedingungen man bei der Verpfändung jenseits dem Herzog zuzugestehen gemeint sei".

Damit aber waren die geheimen Verhandlungen zu Ende, denn inzwischen hatten die Memeler Tage ihre Früchte getragen und die ganze Angelegenheit in das diplomatische Fahrwasser zurückgelenkt. Am 7. Februar machte Alopeus von Berlin aus die vertrauliche Mitteilung, daß in der Warnemünder Sache der preußische Gesandte in Stockholm Schritte getan habe: "Il a été nommément chargé de dire à Monsieur d'Ehrenheim, que la Russie et la Prusse ne permettront pas, que le Roi de Suède moleste le Duc de Mecklembourg-Suérm." Von der Antwort Schwedens werde es abhängen, ob nötigenfalls noch andere Maßregeln zu ergreifen seien.

Alopeus war gut unterrichtet gewesen. In der Tat vereinigten sich Preußen und Rußland zu gemeinsamen Schritten im Interesse Mecklenburgs, zunächst durch Vorstellungen ihrer Gesandten in Stockholm v. Tarrach und Baron Maximilian Alopeus, des älteren Bruders des uns schon bekannten Diplomaten. Am 3. Februar überreichte Tarrach eine geharnischte Note seiner Regierung, am 3. März Alopeus eine ähnlich lautende russische Note, und es entspann sich ein erregter Schriftwechsel zwischen den drei Höfen. Indessen beruhigten sich Preußen und Rußland schließlich, als König Gustav Adolf erklärte, er beabsichtige keineswegs den Herzog von Mecklenburg zu bedrängen und habe seine Ansprüche nicht erhoben, um sie jetzt durchzusetzen, sondern nur, um unter gewissen Bedingungen endgültig auf sie zu verzichten.

Das Vorgehen Preußens und Rußlands scheint aber doch starken Eindruck auf den König von Schweden gemacht zu haben, denn noch während dieses Notenwechsels hatte er einen Versuch gemacht, die zerrissenen Fäden der Unterhandlungen mit Mecklenburg wieder anzuknüpfen. Zu dem Ende sandte er seinen Adjutanten, den Oberstleutnant der Schwedischen Flotte v. Brelin mit einem königlichen Handschreiben und einer diplomatischen Deklaration an den Herzog. Am 9. März traf Brelin in Ludwigslust ein und ließ den Herzog um eine Privataudienz bitten,

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wovon der Herzog sofort den Grafen Bassewitz in Kenntnis setzte mit dem Beifügen: "Da ich Vermuthe, daß diese Absendung bezug auf Wismar hat, wünschte ich, daß Sie so wohl als Brandenstein morgen gegen Mittag hier seyn mögen, um sogleich feste entschließungen Auf das Anzubringende Gesuch zu faßen." Am 10. wurde Brelin vom Herzog empfangen, der das königliche Handschreiben entgegennahm und dem Gesandten einige Artigkeiten über den König sagte, ihn aber im übrigen, so oft auch Brelin einen Anlauf dazu nahm, nicht zu Worte kommen ließ, auch die Annahme der Note oder Deklaration verweigerte und in Bezug auf diese den Gesandten an die Minister verwies, mit denen Brelin dann am Nachmittage eine vorläufige Konferenz hatte.

Das vom 12. Februar datierte königliche Handschreiben lautete folgendermaßen: "Zu meinem Bedauern sehe ich mich in die Lage versetzt, Ew. Durchlaucht über einen Gegenstand zu schreiben, der füglich nicht mehr Veranlassung zu einem Schritte geben sollte. Mir ist berichtet worden, daß Ew. Durchlaucht vor einiger Zeit beim Beuche auswärtiger Höfe einige Familienereignisse erwähnt und sogar in größerem Kreise die Erinnerung an einen Vorgang aufgefrischt haben, den ich völlig vergessen hatte und den ich berechtigt war als abgetan anzusehen, weil ein förmliches übereinkommen die Erinnerung an die daraus entstandenen Zwistigkeiten zu tilgen bestimmt war. Da es mein aufrichtiger Wunsch ist, einer Störung der zwischen uns bestehenden freundschaftlichen Beziehungen vorzubeugen, empfinde ich die Notwendigkeit einer gütlichen Auseinandersetzung und sende zu diesem Zwecke meinen Adjutanten, den Herrn Oberstleutnant v. Brelin mit dem Befehl, dieses Schreiben Ew. Durchlaucht zu behändigen und Ihnen meine Ansichten sowohl über den erwähnten Gegenstand als auch über verschiedene politische und finanzielle Beziehungen, die zwischen uns stattgefunden haben, genauer darzulegen. Ich ersuche Sie, mein Herr Vetter, allem dem, was der Herr v. Brelin meinerseits Ew. Durchlaucht vortragen wird, Glauben beizumessen, und ich halte mich überzeugt, daß Sie baldigst ihm Ihre Antwort auf das Schreiben, dessen Überbringer er ist, anvertrauen werden."

Graf Bassewitz und Brandenstein erkannten in ihrer Unterhaltung mit Brelin trotz dessen anfänglich abweisender Reden bald, daß der König den ernstlichen Willen zur Beilegung der Differenzen habe, und da die größte Geneigtheit dazu auch auf mecklenburgischer Seite vorhanden war, so kam man schon in

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dieser Vorbesprechung so weit, daß Graf Bassewitz erklärte, er werde beim Herzog die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Lützow und Toll beantragen. Am 11. März überreichte dann Brelin dem Grafen Bassewitz die ursprünglich für den Herzog persönlich bestimmt gewesene Deklaration. 18 ) Diese begann damit, daß dem Herzoge Vorhaltungen gemacht wurden wegen der in Dresden geführten Reden; die fernere Zahlung der Satisfaktionsgelder müsse davon abhängig gemacht werden, ob der Herzog sein bei den Verhandlungen über den Verlöbnisbruch gegebenes Versprechen, daß das Vergangene völlig vergessen sein solle, erfüllen werde oder nicht. Übergehend zu den Negotiationen zwischen Lützow und Toll, behauptete die Deklaration, die Verhandlungen seien hauptsächlich daran gescheitert, daß verschiedene Einzelheiten derselben "une publicité absolument prématurée" erlangt hätten, an der man in Schweden unschuldig sei - womit dem Herzoge der versteckte Vorwurf der Indiskretion gemacht wurde. So seien falsche Gerüchte entstanden und damit ein gegenseitiges Mißtrauen unter den Kontrahenten. Die Erwähnung des Warnemünder Zolls sei in Mecklenburg ganz anders aufgefaßt worden, als sie gemeint gewesen sei. Freilich sei der König erstaunt gewesen, daß man auf einen Verzicht seinerseits habe hoffen oder die Gerechtigkeit seiner Forderungen habe bestreiten können, aber er habe die Sache schon für erledigt angesehen, sei indessen infolge der von Mecklenburg veranlaßten und auf die Auffassung der mecklenburgischen Regierung gestützten Intervention Preußens genötigt, wieder darauf zurückzukommen. Und nun müsse er dem Herzog rundweg erklären: daß er nie die Einmischung einer fremden Macht in eine Angelegenheit erwartet habe, die ausschließlich ihn und den Herzog angehe; daß er weder jetzt noch in Zukunft irgendwelchen Schiedsrichter anerkennen werde in Dingen, die die Rechte der schwedischen Krone berührten; daß er nur aus persönlicher Freundschaft für den König von Preußen diesem vertraulich den wahren Sachverhalt, betreffend die Beziehungen Schwedens zu Mecklenburg, mitgeteilt habe in der Hoffnung, der König werde selber die Ungenauigkeit der ihm gewordenen Mitteilungen erkennen; endlich: der König von Preußen stimme


18) "Le soussigné . . . empêché d'entamer différens détails relatifs à cette mission se trouve obligé d'avoir l'honneur de transmettre à Son Excellence Monsieur le Comte de Bassevitz . . . . l'exposé suivant en forme de Declaration" heißt es zum Eingang dieses aus Ludwigslust 11. März datierten Aktenstückes.
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sicherlich mit ihm überein, daß der Herzog seinem Ansehen und den Interessen seines Landes dienen würde, wenn er sowohl den legitimen Rechten als dem Billigkeitsgefühl des Königs Gerechtigkeit widerfahren ließe.

Schon am Abend des 10. war Brelin zur herzoglichen Tafel geladen. Dort brachte der Herzog selber die Rede auf die Dresdener Vorgänge und erklärte, daß der König offenbar durch ungenaue Berichte irregeführt worden sei. Bei der Mittagstafel am 11. nahm er Brelin beiseite und sagte ihm, er habe inzwischen die Deklaration gelesen und sei durch deren Inhalt lebhaft bewegt; er hege für den König die größte Hochachtung und Freundschaft und werde alles zu vermeiden suchen, was ihm mißfallen könne; er habe Lützow schon den Befehl gegeben, die Verhandlungen mit Toll wieder anzuknüpfen und zwar solle in diese Verhandlungen die Warnemünder Frage mit eingeschlossen sein. In diesem Sinne war denn auch Bassewitz' Antwortnote abgefaßt. Nach Brelins Bericht hatte übrigens der Herzog seiner Erklärung noch die vertrauliche Bemerkung hinzugefügt: er habe sehr gute und wohlgesinnte Minister, aber wenn die Sache gemacht werden könne sans tous leurs calculs et leurs accessoires, so würde sie besser gehen. 19 )

Am 12. wurde Brelin in Abschiedsaudienz empfangen. Der Herzog überreichte ihm nach dem Vorschlage des Grafen Bassewitz, "um durch die volle Zufriedenheit des Herrn v. Brelin den Weg zum glücklichen Ausgang einer angenehmeren Negotiation zu bahnen", als Abschiedsgeschenk einen Brillantring 20 ) und gab ihm ein Schreiben an den König mit, in dem der Herzog bat, seine Äußerungen mit seinem schwerverwundeten Vaterherzen entschuldigen zu wollen und die Hoffnung aussprach, daß die neubegonnenen Verhandlungen nunmehr promptement et à l'amiable zu Ende geführt werden würden. "Ich stehe ihnen dafür" - schrieb der Herzog am 13. an den Grafen Bassewitz - "daß der Adj. v. Brelin sehr zufrieden von hier reiset, und daß mit Gottes Hülfe und baarer Zahlung Alles gut gehen wird."

In Stockholm war man durch diesen Ausgang von Brelins Mission sehr befriedigt. Der Briefwechsel zwischen Lützow und Toll begann auch sofort wieder, aber es dauerte doch einige Zeit,


19) Lundin S. 34.
20) Dieser Ring, den ein Petersburger Juwelier auf 12-1300 Rubel taxiert hatte, gehörte bis dahin dem russischen Major v. Both. Lützow kaufte ihn auf Befehl des Herzogs dem Belitzer für 700 Taler Gold ab.
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bis eine feste Grundlage für die abschließenden Verhandlungen gefunden war, denn zunächst feilschte man noch hüben und drüben um die Höhe der Pfandsumme. Der Herzog bot 1100 000 Taler, diesmal in Hamburger Banco, erhöhte dann sein Angebot auf 1 200 000 Taler 21 ) - eine Summe, deren Zinsen die Einkünfte aus Wismar nicht unerheblich übersteigen würden, wie Toll dem König nachwies, aber dieser bestand auf 1 300 000 Talern; dafür wollte er in Form eines emphyteutischen Vertrages 22 ) dem Herzog abtreten Stadt und Herrschaft Wismar, die Insel Poel und das Amt Neukloster und zwar unter solchen Bedingungen, die den Herzogen von Mecklenburg=Schwerin deren dauernden Besitz gewährleisten würden, und für alle Zeiten auf die Rechte und Ansprüche Schwedens auf den Warnemünder Zoll verzichten. Diese seine Forderung kleidete der König sogar in die Form eines Ultimatums, Setzte sie aber gleichwohl bald daraus aus 1 250 000 Rthlr. herunter, von denen 400 000 bei Auswechselung der Ratifikationen, 200 000 drei Monate und weitere 200 000 sechs Monate darauf zu zahlen seien; der mit 5 % zu verzinsende Rest könne dann in bestimmten Terminen oder auch auf einmal bezahlt werden. Auf dieser Grundlage abzuschließen wurde Toll, dem Lagerbjelke als Gehilfe beigegeben werden sollte, beauftragt und er bat Lützow dringend, sich baldmöglichst in Malmö zur Eröffnung der mündlichen Verhandlungen einzufinden, selbst wenn der Herzog die zuletzt geforderte Summe nicht akzeptieren sollte. Lützows sehnlichst erwartete Zusage, datiert Ludwigslust 27. Mai, wurde von Toll durch einen Kurier an den König gesandt und befriedigte diesen um so mehr, da sie der Hoffnung Ausdruck gab, man werde sich wohl über alles einigen. Am 2. Juni meldete dann Lützow, daß er, begleitet von dem Kammerdirektor Brüning, Spätestens am 16. Juni in Malmö sein werde.

An demselben 2. Juni aber sandte Graf Bassewitz dem Herzog ein sehr bewegliches Schreiben über den Zustand der mecklenburgischen Finanzen. "Die Wismarsche Angelegenheit" - so schrieb er - "macht mir jetzt mehr Sorgen als jemals. Wäre sie nicht so weit vorgerückt - wäre Sie nicht das Ziel hundertjähriger wünsche, so mögte noch erst die Frage unter Ew.


21) "Das Opfer ist freilich groß", schrieb Graf Bassewitz am 20. April an den Herzog, "allein die Acquisition der Herschaft Wismar ist so wünschenswert, daß man diese Betrachtungen mit Gewalt unterdrücken und den jetzigen Zeitpunkt benutzen muß."
22) Emphyteuse ist ein vererbliches und veränderliches dingliches Recht, gerichtet aus Nutznießung eines fremden Grundstücks.
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Herzoglichen Durchlaucht Höchsteigenen Direction von dem Ministerio und versamleten CammerCollegio geprüft werden müßen, ob sie ohne Ruin des Herzoglichen Hauses jetzt auszufüren sey. Das Detail würde Ew. Herzoglichen Durchlaucht Geduld ermüden und HöchstSie bekümmern. So viel ist gewis, daß es unmöglich seyn wird, die ganze Summe baar auszubringen, wenn die Hannoverschen Lande durch Krieg leiden solten, und daß die Renterey unterliegt, wenn die ReluitionsCaffe vorteilhafte Bedingungen giebt. Es ist fast unglaublich, daß die Renterey in diesem Termin mehr als 100/m Rthlr. Schulden hat contrahiren müßen." In seiner Antwort ging der Herzog auf die Frage einer Verschiebung der Verhandlungen gar nicht ein und gab nur seiner Unzufriedenheit mit der Finanzverwaltung Ausdruck: "Ihr Brief den ich von ihnen erhielt war nicht tröstlich, ich an meinem Theil, da ich in allen Stücken hinter an stehe, werde gewiß Alles vermeiden, was Unnüze Ausgaben zuwege bringen kann. Allein es ist mir daher in der mir schon lange bekannten Lage, wo sie den stand der Sachen mir vorstellen, zu verdenken, wenn ich den Wunsch geäußert habe die Finanzen verbeßert zu sehen, dem ohnerachtet wird nichts dazu gethan. will Mann meine letzte Vorschläge auch unbeantwortet laßen, so könnte doch die Cammer gefragt werden, Ob sie keine Vorschläge zu machen wüste die Finanzen zu verbeßern. Ich kann weiter jezt nichts anders thun als ein wartender Zuschauer zu seyn, der Sieht, ob mann ihm helfen will, oder Ob er sich selber helfen Soll."

In den letzten Tagen des Mai war der Entwurf zu dem Pfandkontrakt ausgearbeitet worden und hatte man die Instruktion für die beiden Bevollmächtigten fertiggestellt. Sie sollten zunächst versuchen, an die Stelle der Verpfändung einen Kauf oder eine Zession zu setzen, aber schließlich in die Verpfändung willigen, wenn schwedischerseits staatsrechtliche oder politische Bedenken dagegen geltend gemacht würden. Die schwedische Forderung von 1 250000 Rthlr. Banco sollte womöglich auf das mecklenburgische letzte Angebot von 1 200 000 Rthlr. Banco herabgedrückt oder wenigstens so viel zu gewinnen versucht werden, daß davon die mit der Negotiation verbundenen Nebenkosten bestritten werden könnten; sollte indessen eine Herabminderung der Forderung Schlechterdings nicht zu erreichen sein, so sei der Herzog entschlossen, die 1 250 000 Rthlr. Banco zu zahlen. Die Höhe der Nebenkosten und des Geschenkes an Toll sollten die Bevollmächtigten erforschen und ein genaues Verzeichnis der von Mecklenburg zu übernehmenden königlichen Beamten, ihrer Gehalte

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und Emolumente erbitten. - Da die durch Mecklenburg von Hamburg bis Rostock gehende schwedische fahrende Post mecklenburgischerseits nie als permanente Anstalt anerkannt, sondern 1684 und 1685 nur bittweise gestattet und die Zurücknahme dieser einstweiligen Vergünstigung seitdem mehrmals, zuletzt 1787 gelegentlich der Warnemünder Zollverhandlungen, ausdrücklich vorbehalten sei, so dürfte bei der Verpfändung diese Konzession nicht nur nicht angerechnet werden, sondern es sollte vielmehr die völlige Einstellung der schwedischen Post verlangt werden. Dagegen würde Mecklenburg erbötig sein, für die Durchführung der schwedischen Korrespondenz von Hamburg bis Stralsund vermittelst der mecklenburgischen fahrenden Posten in derselben Weise zu sorgen, wie das bisher aus der reitenden Post bis Rostock und von da bis Behrenshagen aus der fahrenden Post geschehe, und würde auch, den schwedischerseits wiederholt geäußerten Wünschen entsprechend, die bisher nur bis Rostock gehende reitende Post für mecklenburgische Rechnung bis Behrenshagen fortfuhren. - Die Regulierung bequemer Zahlungstermine sollte den Bevollmächtigten überlassen bleiben, doch müsse die Überweisung der Stadt und Herrschaft Wismar schon bei der ersten Zahlung geschehen, von der der Rest der Satisfaktionsgelder in Abzug zu bringen sei. Ebenso sei es mit den Pachtvorschüssen der Pächter, Müller und Bauern zu halten, mithin von den darüber ausgestellten Vorschußquittungen Kenntnis zu nehmen. - Ausdrücklich ausbedungen sollte werden, daß bei der Ablieferung die Untertanen und Einwohner ihrer Huldigungspflichten, die von Mecklenburg zu übernehmenden Beamten nebst der Geistlichkeit ihrer Dienst= und Amtspflichten entbunden würden. - Aufgabe der Bevollmächtigten würde es sein, zu erforschen, welche Vorteile und Vorzüge die wismarschen Kaufleute und Schisser in den schwedischen Häfen bisher genossen hatten, und dann dafür zu sorgen, daß ihnen diese Vorzüge und Vorteile auch fernerhin erhalten blieben. Und sie sollten versuchen, gleiche Vorteile und Befugnisse auch den Rostockern und den übrigen mecklenburgischen Schiffern zu verschaffen. - Anlangend die Jurisdiktion in der Herrschaft Wismar sollte in dem Kontrakt statuiert werden, daß an die Stelle des schwedischen Hohen Tribunals künftig das Hof= und Landgericht in Güstrow in erster und zweiter Instanz zu treten habe, daß alle Berufungen an die schwedischen Gerichte wegfallen und "höchstens allenfalls die Aburtheilung der bei ihnen bereits pendenten Rechtssachen bis zur Erecution" ihnen verbleiben sollten. - Selbst für den Fall, daß

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nur ein Pfandkontrakt abgeschlossen würde, behielt sich der Herzog vor, während der Pfandschaft Titel und Wappen der Herrschaft Wismar anzunehmen, auch allenthalben das mecklenburgische Wappen an Stelle des schwedischen anbringen zu lassen. Dabei wurde allerdings die königliche Genehmigung ausdrücklich vorausgesetzt und den Bevollmächtigten überlassen, "diese Unsere Absicht gelegentlich zu äußern und zum Überfluß am schicklichen Orte in dem Contract auszudrücken". Sodann sollten sie darauf bestehen, daß sofort nach der Ratifikation des Vertrages die schwedische Besatzung abberufen und Wismar von mecklenburgischen Truppen besetzt werde, sowie daß es dem Herzog überlassen bleibe, die russische und preußische Garantie und die reichsoberhauptliche Bestätigung des Vergleiches nachzusuchen. "Was sonsten etwa noch" - so schließt die Instruktion - "zum Vortheil Unseres Hauses dem Instrument einzurücken seyn möchte, überlassen Wir der Klugheit und Dexterität Unserer Bevollmächtigten."

An die Reluitionskommission aber erging am 31. Mai der Befehl: "Die Unterhandlungen mit der Crone Schweden wegen Überlassung der Herrschaft Wismar sind nunmehr so weit gediehen, daß Wir hoffen können, diese für Unser Herzogliches Haus so wichtige Acquisition zu machen. Zwar lassen sich die dazu erforderlichen Summen so wenig als die ZahlungsTermine zur Zeit genau bestimmen, indessen dürfte erstere sich auf etwa 1 250 000 Rthlr. Hamburger Banco belaufen, wovon ein Theil vielleicht in kurzer Zeit zu bezahlen seyn möchte. Wir haben die Absicht, die zu acquirirende Herrschaft Wismar Unserer ReluitionsCommission beizulegen, die dazu erforderliche Summe auf den Credit Unerer ReluitionsCasse negociiren und die Aufkünfte dieser Herrschaft in dieselbe fließen zu lassen. Solcherhalb empfehlen Wir euch gnädigst, vorläufig mit Unserm Oberzahl Commissair Pauli das behufige wegen des Negoce zu reguliren, und ihn demnächst mit zweckmäßiger Instruction und Vollmacht zu versehen. Ihr werdet von selbst darauf Bedacht nehmen, das Negoce so einzurichten, daß es so wenig der Circulation des baaren Geldes im Lande, als dem Credit Unserer Renterei nachteilig werden könne." -

Am Abend des 14. Juni trafen Lützow und Brüning in Malmö ein. Es wurde in der Tat hohe Zeit, daß die Verhandlungen begannen, denn dasselbe Schiff, das die mecklenburgischen Bevollmächtigten von Stralsund nach Ystad brachte, beförderte auch das oben erwähnte Angebot des Unterhändlers Zimmermann

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von 1 1/2 Millionen Talern Banco. Nun aber hielt sich der König für gebunden und lehnte ein Eingehen auf die Vorschläge Zimmermanns, der übrigens auch gar keine schriftliche Vollmachten beibringen konnte, ab, nahm sich aber vor, das Anerbieten aufs beste zu benutzen, um die Streichung des Restes der Satisfaktionsgelder, der noch 64000 Taler Banco betrug, zu erreichen.

Noch am Abend nach der Ankunft der Mecklenburger fand eine vorläufige Besprechung zwischen ihnen und den schwedischen Bevollmächtigten statt über die Sprache, in der die Verhandlungen zu führen und der Traktat abzufassen Sei. Nach einigem Hin und Her einigte man sich dahin, daß der Traktat in französischer und deutscher Sprache ausgefertigt werden solle und daß für die Verhandlungen das Französische die Regel zu bilden habe, aber auch das - von Lagerbjelke nicht verstandene - Deutsche nicht ganz auszuschließen sei, falls Brüning das Französische nicht genügend beherrsche.

Am 16. Juni begannen die eigentlichen Verhandlungen, die bis zum 26. dauerten und bei denen man den Eindruck hat, daß die Schweden den Mecklenburgern überlegen waren. 23 ) Über die Resultate der beiden ersten Verhandlungstage - bei denen, da von schwedischer Seite kein Entwurf zu einem Pfandkontrakt vorlag, der mecklenburgische grundleglich gemacht


23) In seinem Bericht an den König vom 16. Juni charakterisiert Lagerbjelke die beiden Mecklenburger folgendermaßen: Mr. de Lützow est un homme d'environ cinquante ans, d'une belle tenue et d'une figure assez distinguée. Il paraît avoir des connaissances plus que communes, et l'acquis comme négotiateur, et surtout ce vernis du monde, qui souvent tient lieu de savoir et de talents. Ses sentiments politiques sont ceux d'un courtisan délié et ne paraissent par conséquent pas être très-prononcés: il menage toutes les Cours, il craint de déplaire à celle de Berlin et veut décidément plaire à celle de Pétersbourg, à laquelle il tient par les bienfaits de feu l'Empereur. Il est d'un commerce facile et ses moments de raideur dans les Conférences n'ont été que des moments de commande, pour opposer quelque chose aux bonnes raisons que la présence d'esprit de S. E. Mr. de Toll lui inspirait. - On dit communément que les grands seigneurs se ressemblent partout. Pour moi j'oserais croire ce dicton plus applicable aux personnages secondaires de la finance, qui ont. entr'eux beaucoup d'analogie relativement à la tournure, ou plutôt, an défaut de tournure. Mr. Bruning, dont ce portrait n'est ni fini ni flatté, n'a cependant point le ton bourru des économistes; est conciliant sur tons les points, et tenace sur les seules articles pécuniaires, pour la rédaction des quelles à sa manière il sacrifierait avec plaisir toutes les considérations politiques de ce monde. Lundin S. 44.
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wurde - berichteten Lützow und Brüning am 17. Juni sehr eingehend. "Wir haben ehegestern und gestern mit den Königl. Schwedischen Gevollmächtigten zwei Conferenzen gehabt, darin alle und jede Puncte des abzuschließenden PfandContracts discutirt und sind mit ihnen, freylich mit Zugestehung eines lästigen jedoch bald vorbeygehenden Puncts, über alles so weit fertig geworden, daß nunmehro nach Maßgabe unsers ihnen zugestellten Entwurfs und derer in den Conferenzen vereinbarten Abänderungen, desgleichen mit Hinzufügung der von ihnen verlangten Puncte - sie ein Contreprojet zum Pfandcontracte in französischer Sprache uns zustellen wollen, um unsere etwanigen Erinnerungen gegen die Faßung ihnen mitzuteilen und sodann in einer deshalb anzustellenden letzten Conferenz die Berification gemeinschaftlich vorzunehmen, damit hiernächst der rectificirte Entwurf gedoppelt abgeschrieben und vollzogen werden könne." "Wie und auf welche Art die HauptPuncte arrangiret worden", wird dann im Einzelnen dargelegt und sei hier in Kürze wiedergegeben. Als Höhe des Pfandschillings waren nach langem Handeln 1 250 000 Rthlr. Hamburger Banco zugestanden worden. In einer vertraulichen Besprechung zwischen Lützow und Toll hatte letzterer ein ihm zu gebendes Geschenk zwar nicht ganz abgelehnt, aber zugleich geäußert, daß deshalb von dem Pfandschilling nichts abgezogen werden könne; übrigens würden außer den bei solchen Gelegenheiten üblichen Cadeaux keine Nebenkosten entstehen. Von dem Pfandschilling sollen aber in Abrechnung gebracht werden die Vorschüsse der Pächter und der Rest der Satisfaktionsgelder, jedoch soll diese letztere Bestimmung "einer gewissen Delicatesse wegen" nicht in den Pfandkontrakt aufgenommen werden, sondern darüber ein geheimer Artikel konstruiert werden. Unmittelbar nach Auswechselung der Ratifikationen, die in Hamburg ungefähr Mitte August erfolgen soll, wird die erste Zahlung geleistet und sobald diese beschafft ist, die ganze Herrschaft Wismar dem Herzog übergeben, die schwedische Besatzung herausgezogen und die Stadt von mecklenburgischen Truppen besetzt. Alle und jede Einkünfte der Herrschaft Wismar soll der Herzog vom abgelaufenen Trinitatistermin an zu erheben haben. Statt der von Mecklenburg vorgeschlagenen fünf Zahlungstermine wollten die Schweden nur zwei, höchstens drei bewilligen, doch hat man sich auf vier geeinigt; es müssen demnach bezahlt werden bei der Auswechselung der Ratifikationen 350 000 Taler, ebensoviel am 17. Januar und im Trinitatistermin 1804 und der Rest mit 200 000

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Talern am 17. Januar 1805. Da die Herrschaft Wismar gleich übergeben wird, so haben die schwedischen Bevollmächtigten auch darauf bestanden, einmal daß auf jede in jedem Termine zu zahlende Summe der Herzog an den König eine eigene Verschreibung, mithin deren drei, ausstellt und ausliefert, diese aber einzeln nach jeder geschehenen Zahlung wieder zurückgegeben und von schwedischer Seite nicht zediert werden dürfen, und sodann daß der Kammerrat Schröder gleich nach der Übergabe vom Herzog den Befehl erhält, einen eidlich unterschriebenen Revers des Inhalts auszustellen, daß er bis zur Abtragung des Pfandschillings sämtliche Überschüsse nicht an den Herzog, sondern an den König auf Abschlag des Kapitals und der Zinsen zahlen wolle. Es soll aber - es ist dies der Punkt, den die mecklenburgischen Bevollmächtigten für lästig, aber nicht zu beseitigen bezeichneten, weil er ebenso wie die Höhe des Pfandschillings und die vier Zahlungstermine für die Schweden eine conditio sine qua non sei - nicht allein der Rückstand des Pfandschillings bis zum Abtrage, sondern auch die im ersten Termine zu bezahlende Summe, weil sie später als Trinitatis fällig wird, für den Zeitraum von Trinitatis bis zum ersten Zahlungstermin mit 5 % verzinst werden. Die Zahl der Pfandjahre ist auf 200 Jahre festgesetzt. Verzinst wird der Pfandschilling mit 5, nicht, wie Mecklenburg ursprünglich verlangt hatte, mit 6 %, von denen aber die Einkünfte der Herrschaft Wismar nur zu 2 % sollen angenommen und 3 % dem Pfandschilling zugerechnet werden. Alle königlichen Gebäude in Wismar gehen mit in die Verpfändung über; wegen der von Mecklenburg zu übernehmenden schwedischen Beamten bleibt es bei dem mecklenburgischen Vorschlage. Die Pachtkontrakte werden nur insoweit gehalten, als sie vom König unterschrieben oder agnosziert worden sind. Betreffs der Aufhebung der schwedischen Post waren die schwedischen Bevollmächtigten ohne Instruktion, über diesen Punkt soll ein Separatartikel konstruiert werden, den die Schweden sub spe rati unterschreiben wollen. Der König wird sofort an alle schwedischen Gerichte den Befehl erlassen, keine Streitsachen aus der Herrschaft Wismar mehr anzunehmen oder darin zu erkennen und die noch anhängigen Sachen mit den zugehörigen Akten an die mecklenburgischen Kommissarien abliefern lassen. Die Kaufleute und Schiffer in Wismar sollen bei dem Handel und der Schiffahrt auf Schweden alle die Begünstigungen behalten, die sie bis jetzt genießen, dagegen sollen auch die schwedischen Kaufleute und Schiffer im Besitz der Vorteile bleiben, die sie bisher in Wismar

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hatten; die Übertragung dieser Privilegien auch auf Rostock ist von den Schweden abgelehnt; Toll hatte dazu bemerkt, "die Rostocker hätten sich nicht so verdient um den Herzog gemacht, daß er noch auf ihr Interesse Bedacht nehmen könnte." Die Annahme des Titels und Wappens wird dem Herzoge nicht zugestanden, weil der König selbst niemals davon Gebrauch gemacht hat; gegen die Abnahme der schwedischen Wappen und ihre Ersetzung durch die mecklenburgischen werden keine Einwendungen erhoben. Der König entsagt feierlichst allen Ansprüchen an den Warnemünder Zoll. Der Herzog trägt während des Pfandbesitzes alle Reichslasten und verspricht, die Stadt Wismar bei ihren Privilegien zu lassen - zwei Punkte, die der mecklenburgische Entwurf des Pfandkontraktes nicht enthielt, die aber von den Bevollmächtigten unbedenklich zugestanden wurden.

Schließlich hatten die Schweden einige politische Vorbehalte zur Sprache gebracht, die in dem mecklenburgischen Entwurfe nicht vorgesehen waren. Diese Vorbehalte waren: Erstens sollte der Pfandinhaber seine Rechte niemals einer anderen Macht überlassen dürfen - dadurch wollte man verhindern, daß etwa Rußland dem schwedischen Karlskrona gegenüber festen Fuß fasse oder Preußen ein neues Arrondissement gewönne. Zweitens dürfe die Frage der Rekonvention nie wieder aufgeworfen werden - das hatte den Zweck, allen eventuellen Ersatzansprüchen vorzubeugen für den Fall, daß Wismar, was bei diesen unsicheren Zeitläuften nicht ausgeschlossen schien, von den Franzosen oder einer anderen Macht erobert würde. Zum Dritten dürfe Wismar niemals für irgend eine fremde Macht Kriegshafen werden - dazu hatte sich Schweden im Fredensborger Frieden vom 3. Juli 1720 Dänemark gegenüber verpflichtet und mochte das nun als Garantie für sich selbst fordern. Über diese Punkte zu verhandeln hielten sich die mecklenburgischen Bevollmächtigten nicht für autoristert, und so wurde die Diskussion darüber bis auf weiteres verschoben. Dagegen verlangten Lützow und Brüning, daß die Bestätigung des Pfandkontraktes beim Deutschen Kaiser nachgesucht werde; das aber lehnten die Schweden als mit der Würde ihres Königs unvereinbar ab und wollten nur zugestehen, daß der König sich im Kontrakt verbinden werde, davon dem Kaiser Anzeige zu machen, und daß es dem Herzog unbenommen sein solle, die reichsoberhauptliche Konfirmation nachzusuchen. Die von Mecklenburg gewünschte Garantie der Höfe von Berlin und Petersburg wiesen die Schweden weit von sich: der zu schließende Vertrag sei eine rein pekuniäre Angelegenheit, die

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nur die kontrahierenden Parteien und sonst niemanden etwas angehe; das äußerste, was sie zugestehen könnten, sei, daß, wenn der Herzog die Garantie bei beiden Höfen nachsuche und von Berlin wie von Petersburg, daß solches geschehen sei, dem schwedischen Hofe mitgeteilt worden, von Stockholm gewiß würde geantwortet werden, daß man sich der Übernahme der Garantie nicht widersetzen wolle.


Auf Grund dieses Berichtes wurde am 24. Juni den mecklenburgischen Bevollmächtigten "Serenissimi voller Beifall" ausgesprochen, zugleich aber auch die Hoffnung, daß "von einigen Bedingungen, die nicht unbedenklich sind, bei der weiteren Negotiation noch werde abgegangen werden"; "dadurch daß die Dauer des Pfandcontracts auf 200 Jahre gestelt ist" - bemerkte Graf Bassewitz - "wird die Besorgnis für Reluition entfernt und man sieht, daß die Absicht in Schweden dahin geht zu alieniren, so weit es die Verfassung erlaubt." An demselben Tage erging dann an die Reluitionskommission eine Zahlungsverordnung für die vier vereinbarten Termine mit dem Hinzufügen: "Vielleicht möchte der Agent Averhoff 24 ), wie ihr zu sondiren habet, die ganze erste Zahlung dadurch leisten, daß er eine dießeitige Versicherung annähme und dagegen seine von der Krone Schweden habenden Papiere anhero auslieferte, um solche in Bezahlung hinzugeben." Gleichzeitig wurde auch der von Schweden gewünschte Befehl an Schröder schriftlich formiert, um als "Clausel" noch dem Pfandvertrage einverleibt zu werden.


Man hatte in Mecklenburg darauf gerechnet, daß die Pachtvorschüsse und die Satisfaktionsgelder gleich bei der ersten Zahlung in Abzug gebracht werden könnten. Aber das lehnten - wie aus dem Bericht der Bevollmächtigten vom 18. Juni hervorgeht - die Schweden ab, "weil gerade auf 700 000 Rthlr. als den Betrag der ersten beyden ZahlungsTermine gerechnet wäre, die Sr. Majestät der König zu gewissen Zwecken gerade bestimmt hätten".


Am 19. waren die Verhandlungen beendet; es bedurfte nun nur noch einiger Tage, um den Traktat zu redigieren, die Reinschrift fertig zu stellen und zu unterzeichnen. Da aber drohte das ganze Werk zu scheitern, denn jetzt hielt der König den Augenblick zur Fruktifizierung des hessischen Antrages für gekommen und befahl Toll kurzab, die Streichung des Restes der Satisfak=


24) Der Inhaber des Bankhauses Averhoff & von Scheven in Hamburg.
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tionsgelder durchzusetzen. Toll, der den königlichen Befehl in der Frühe des 22. Juni erhielt, war peinlich überrascht. Er sandte einen Kurier an den König, beschwerte sich über den oder diejenigen, die durch Schaffung neuer Schwierigkeiten den nahen Abschluß der seit drei Jahren geführten Unterhandlungen gefährdeten, warnte nachdrücklich vor einer Fortsetzung der Verhandlungen mit Zimmermann, appellierte an des Königs rechtlichen Sinn und hohe Denkungsart - aber er gehorchte und bat Lützow und Brüning, sich zu einer besonderen Besprechung um 11 Uhr einzufinden. "Als wir ankamen" - so heißt es in dem noch am 22. abgesandten Brüningschen Bericht an den Herzog - "merkten wir gleich den Schwedischen Gevollmächtigten eine gewiße Verlegenheit an, ihre Gesichter waren blaß und wir hielten uns schon darauf gefaßt, daß etwas unangenehmes erfolgen würde. Kaum hatten wir uns gesetzt, so legte der General Toll einen Brief vor sich hin und fing damit an, wie ein äußerst unerwartheter Umstand eingetreten sey, der erst bey Seite geschaft werden müße, ehe man weiter Hand an die Arbeit legen könne. ,Ich habe,' fuhr er fort, ,heute Morgen einen Courier vom Könige erhalten, und dies ist das in schwedischer Sprache abgefaßte Schreiben des CanzleyPraesidenten von Ehrenheim, worin derselbe mir auf Befehl des Königs schreibt, daß der Herr Churfürst von Hessen 25 ) vermittelst eines in Stockholm durch einen Courier 26 ) angelangten Schreibens des Präsidenten von Jasmund in Cassel, für die Herrschaft Wismar 1 500 000 Rthlr. Hamburger banco gebothen hat. Sr. Majestaet der König wollen nun zwar nicht abbrechen, weil die Unterhandlungen mit Sr. Herzogl. Durchl. schon so weit gediehen sind, sie verlangen aber, daß die Forderung, welche Sr. Herzogt. Durchl. an uns haben, nicht solle in Abzug gebracht werden können, und ich muß auf Befehl Sr. Majestaet des Königs Ihre Erklärung darüber erwarthen.' Wir erklärten, daß wir darauf gar nicht instruiret wären, aber gleich eine Estafette an Ew. Herzogl. Durchl. absenden wollten, um uns Verhaltungs=Befehle einzuhohlen. Dies ward aber - als zu viele Zeit raubend und weil er, der Baron Lagerbjelke durchaus baldigst nach Stockholm zurückkehren müße, abgelehnt und von uns eine positive Erklärung


25) Am 1. Mai 1803 hatte der Landgraf Wilhelm IX. die Kurwürde angenommen.
26) Eine Randbemerkung von Lützows Hand besagt: "Ist nicht durch einen Courier, sondern durch einen Brief mit der Post der mit uns von Ystadt übergegangen ist angekommen."
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verlangt, weil sie nicht eher weiter Hand ans Werk legen könnten. Es ward uns darauf die dem Briefe angelegte - von dem Praesidenten von Jasmund mit eingesandt seyn sollende Punctation 27 ) mitgetheilet, worin die obgedachte offerte gemacht und die Zahlungstermine dergestalt bestimmt worden waren, daß gleich bey der Unterschrift des Contracts 150/m Rthlr. und in termino Michaelis als dem Termin der Uebergabe 350/m Rthlr. und der Rest in 4 bald nach einander folgenden Terminen in jeglichem mit 250/m Rthlr. bezahlt werden sollte. Wir erbathen uns in der ersten Bestürzung von dem Baron von Lagerbjelke eine französische Uebersetzung des Ehrenheimschen Briefes aus 28 ), und nachdem wir uns etwas erholet hatten, baten wir um die Erlaubniß uns allein besprechen zu können. Wir wollten zu dem Ende in ein Nebenzimmer gehen - allein wir mußten in dem ConferenzZimmer bleiben und die Königl. Schwedischen Gevollmächtigten entfernten aus Höflichkeit sich aus demselben, mit wiederholter Äußerung, daß dies ein ihnen ebenso wie uns unangenehmes Eräugniß sey, das eingetreten wäre. Nachdem wir uns unter einander besprochen


27) In einem seiner Berichte hat Lützow bestritten, daß diese Punktation wirklich von Jasmund, dessen Handschrift ihm bekannt sei, herrühre.
28) Diese très à la hâte et au milieu de la conférence gefertigte Übersetzung lautet: "C'est par un ordre exprès du Roi, que j'ai l'honneur d'envoyer ci-joint à V. E. des Documens authentiques, arrivées avec le courrier d'aujourd'hui. V. E. en verra que dans le même tems que le Duc de Mecklenbourg traite sur l'acquisition de Wismar en payant 1 250 000 Écus de Banque de Hambourg, l'Électeur de Hesse-Cassel en offre net 1 500 000 Écus même monnaie. Le Roi est d'un côté trop loyal pour former une prétention quant à la somme hypothécaire au-delà de ce, qu'Il a stipulé officiellement, mais il a d'autre part trop á observer quant aux intérêts de Son Royaume et même quant à l'opinion publique, pour ne point chercher un équivalent du moins imaginaire; et il n'en existe que celui d'exiger la remise totale des avérages de la dette particulière du Roi au Duc de Mecklenbourg. Il paraît qu'on a un motif bien fort à avancer, lorsqu'on fait voir un sacrifice de 250 000 Écus (moins les 64 000 Écus d'avérages) uniquement parce que le Duc de Mecklenbourg a offert le premier et parcequ'il était le plus avancé dans les négotiations. Le Roi, qui de son côté a fait tout pour anéantir par la transaction actuelle toutes les anciennes et désagréables discussions avec le Mecklenbourg, doit attendre la même condescendance de la part du Duc. Il a d'ailleurs été payé de cette créance par l'assignation sur les revenues de Wismar; puisque il acquiert à-présent l'Hypothèque même, il doit être censé s'être remboursé soi-même du montant de sa créance: et celà serait d'ailleurs d'autant plus désirable, que l'existence même de la dite créance doit être essentiellement désagréable des deux côtés."
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und überlegt hatten was zu thun sey, so beschloßen wir, daß wir sub spe rati in einem geheimen Artikel es annehmen wollten, daß die Abrechnung der dießeitigen Forderung nicht statt haben solle, weil es uns unmöglich schien, nachdem die Sache so weit gediehen ist, dieserhalb abzubrechen und die Herrschaft Wismar in die Hände des Herrn Churfürsten von Heßen kommen zu laßen, von dem solche nie wieder zu erhalten seyn würde. Als unsere Deliberation geendiget war, trat der General Toll zuerst ins Zimmer und sagte vertraulich: ,Wir drey sind hier jetzt noch allein, nehmen Sie diese Proposition in einem geheimen Artikel sub spe rati an.' Gleich darauf trat auch der Baron Lagerbjelke ins Zimmer, da wir dann beyden Gevollmächtigten erklärten, wie wir durch den Drang der Umstände uns bewogen fühlten anstatt abzubrechen, diesen Punct sub spe rati anzunehmen und zwar in einem besondern darüber zu construirenden geheimen Artikel. ,Davon sind wir zwar zufrieden,' antwortete der Baron Lagerbjelke, ,aber es muß diesem Artikel die Clausel angehänget werden, daß, wenn Sr. Herzogl. Durchl. Ihr Herr diesen Artikel nicht mit ratificiren wird, alsdann auch die ganze Convention ungültig ist. Letztere muß mit diesem geheimen Artikel stehen und fallen - eine besondere Verhandlung kann über diesen Punct nicht weiter zugelaßen werden.' Wir gaben nach und mußten nachgeben. Und da es nun von Ew. Herzogl. Durchl. abhängt, ob Höchstdieselben alles ratificiren wollen oder nicht, so sind Höchstdieselben wenigstens nicht pure verbindlich gemacht worden, und wir haben in so weit unsere Personen in Sicherheit setzen zu müßen geglaubt. Ich der Cammer=Director, der ich diesen Brief entwerfe, zittere noch, daß ich kaum schreiben kann, und so sehr wir beyderseits das gnädigste Vertrauen in Unterthänigkeit verehren müßen, daß Ew. Herzogl. Durchl. uns dies gegenwärtige Geschäft zu übertragen geruhet haben, so müßen wir doch auch aufrichtig bekennen, daß nicht leicht ein Geschäft mit mehrerer Unannehmlichkeit, Mühe und Angst, als das gegenwärtige ist, verbunden seyn kann." Mit derselben Estafette sandte auch Lützow an den Herzog einen Separatbericht, dessen Schriftzügen und Satzbildung man die Eile und die innere Erregung deutlich anmerkt, in dem betont wird, "welche Folgen es für Ew. Durchl. haben könte, wenn der König mit dem Kur=Fürsten v. Hessen entrirte, theils das unangenehme Hessische Truppen so nahe bey zu haben, auch alle Hoffnung schwände die Ansprüche auf Warnemünde fallen zu sehen," dessen Schreiber es aber gleichzeitig über sich gewinnt, die "Rechtlichkeit" des Kö=

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nigs zu preisen, der "doch noch einen Verlust von 186 000 Rthlr. dabey hat, daß er Ew. Durchl. Negotiations fortgehen läst".

Ein "Unterthänigstes Postscriptum" zu Brünings Bericht, von demselben Tage, erzählt dann noch, daß bei Tische - die Mecklenburger waren ein für alle Male von Toll zur Frühstücks= wie zur Mittags=Tafel geladen - Toll und Lagerbjelke im Vertrauen mitgeteilt hätten, der Stralsunder Generalgouverneur Baron v. Essen habe ihnen schon einige Tage vor dem Beginn der Verhandlungen Nachricht von dem Bevorstehen des hessischen Angebots zukommen lassen, Sie hätten aber geglaubt, daß darauf nicht weiter geachtet werden dürfe. "Es fällt also der Zweifel" - so fährt Brüning fort - "als ob der von Cassel geschehene Both erdichtet sey, wie wir Anfangs glaubten, weg - auch erklärt es sich jetzt, daß der Cammerrat Zimmermann, wie uns in Rostock gesaget ward, eine Wette von 1000 Louisd'or darauf ausgebothen hätte, daß Ew. Herzogl. Durchl. die Acquisition von Wismar nicht machen würden."

In den dann folgenden, der endgültigen Redigierung des Traktats gewidmeten Tagen gelang es den schwedischen Kommissarien noch, die eine und die andere für sie vorteilhafte Änderung zu erwirken. So wurde z. B. der Zeitpunkt, von dem ab der Herzog die Einnahmen aus dem Pfandbesitz für sich berechnen sollte, auf den Tag vor der Auswechselung der Ratifikationen festgesetzt, anstatt des von Mecklenburg verlangten Trinitatistages 1803. Und betreffs der schwedischen Post setzten sie durch, daß der diese Frage behandelnde Separatartikel gestrichen wurde und die Mecklenburger sich mit einer Note begnügten, in der Lagerbjelke "die Zusage, den mecklenburgischen Vorschlag ad referendum zu nehmen, mit zu nichts verbindenden Höflichkeiten ausstaffierte". 29 ) Dagegen mußten die Schweden sich


29) Lundin S. 66. Die schwedische Post durch Mecklenburg kursierte in der Tat weiter. 1805 ordnete die mecklenburgische Regierung die Einrichtung einer Konkurrenzpost an, die mit der schwedischen Post an demselben Tage abgehen und erheblich niedrigere Taxen haben sollte. Die kriegerischen Ereignisse von 1806 an machten dann der schwedischen Post von selbst nach und nach ein Ende. Am 28. August 1807 wies Herzog Friedrich Franz die Kammer an, das Postamt zu Rostock dahin zu instruieren, daß sie die daselbst mit den Posten aus Stralsund und Schwedisch Pomwern ankommenden Personen und Postgüter fortan nur noch mit den herzoglichen fahrenden Posten befördern solle. S. Moeller, Geschichte des Landes=Postwesens in Mecklenburg=Schwerin (Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 62. Jahrg. (1897) S. 301 f.
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darein finden, daß der Termin für die Auswechselung der Ratifikation bis auf den 15. August hinausgerückt wurde, weil die Mecklenburger nicht glaubten, die erforderlichen 350 000 Taler früher beschaffen zu können. Und in einem anderen Punkte blieben die Mecklenburger standhaft und siegreich. Toll hatte nämlich einmal beiläufig geäußert, der Herzog werde ja wohl gestatten, daß, wie der König es sich ausbäte, künftig in Wismar ein Werbeoffizier für die schwedischen Truppen stationiert werde. Lützow und Brüning hatten geantwortet, sie seien darüber ohne Instruktion, könnten aber im voraus erklären, daß der Herzog das niemals zugestehen werde, weil es undenkbar sei, daß an einem Orte, an dem künftig eine mecklenburgische Garnison liegen solle, eine solche Werbung geduldet werde; das sei um so weniger statthaft, weil dann die benachbarten Mächte ein gleiches Ansinnen an Mecklenburg stellen würden. Seiner Anfrage hatte Toll gleich die Bemerkung beigefügt, diese Idee sei dem König von der Partei eingegeben, die das Zustandekommen des Vertrages mit Mecklenburg nicht wünsche. Einige Tage darauf, am 21. Juni, kam Toll auf diese Sache zurück und stellte einen darauf bezüglichen offiziellen Antrag, dessen er sich übrigens, wie er eingestehe, gewissermaßen schäme. Als in der dann folgenden Diskussion die Mecklenburger auf ihrem Widerspruch beharrten, stellten ihnen die Schweden eine Note darüber in Aussicht, worauf Lützow und Brüning erwiderten, daß sie eine solche zwar aus Achtung für den König entgegennehmen und bei ihrer Heimkehr dem Herzog vorlegen müßten, daß sie aber mit höchster Wahrscheinlichkeit dann den Befehl erhalten würden, den Antrag abzulehnen. Über diesen Zwischenfall berichteten die mecklenburgischen Bevollmächtigten alsbald nach Hause. Am 25. hatten sie dann mitzuteilen, daß Toll, "um die Angelegenheit des Werbeoffiziers so wenig offiziell als möglich zu machen," ihnen deshalb keine Note geben wolle, sie aber gebeten hätte, ihrerseits ihm eine Note zuzustellen, "worin wir das, was wir bereits mündlich geäussert hatten, wiederholen könnten - jedoch etwas hinzufügen mögten, wodurch er Veranlassung finden könne, den König von diesem Gedanken zu detourniren." Ein Promemoria dieses Inhalts wurde dann Toll am 24. überreicht; eine weitere Äußerung schwedischerseits erfolgte nicht. 30 )


30) Etwas abweichend, aber offenbar ungenau ist die Darstellung bei Lundin S. 63.
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In letzter Stunde hatte Lagerbjelke noch einige Änderungen an dem Wortlaut des Traktats vorgenommen, die zu lebhaften Diskussionen Veranlassung gaben. Die wichtigste dieser Änderungen war die die Dauer des Pfandvertrages betreffende. "In dem ersten Artikel" - so berichteten die mecklenburgischen Bevollmächtigten am 1. Juli bei der Übersendung des Pfandvertrages - "werden Ew. Herzogl. Durchl. finden, daß nur 100 Pfandjahre bestimmt sind, anstatt deren 200 von den Schwedischen Gevollmächtigten Anfangs zugestanden waren. Sie zogen sich nun so heraus, daß sie nur 100 Jahre pure und noch 100 Jahre eventualiter zuzugestehen gemeinet gewesen wären, und äußerten dabey, daß nach 100 Jahren die Pfandsumme den Werth der verpfändeten Herrschaft schon so überstiegen haben würde, daß die Krone Schweden es sich nie gerathen halten könnte an eine Reluitiou zu gedenken. Überhaupt sey letztere chymérique und jedermann sähe wohl, daß eine wahre Veräußerung intendirt würde, die nur in die Form eines Pfandcontracts eingekleidet sey. Es müßte also bey 100 Pfandjahren bleiben, - jedoch sind eventualiter im 3ten Artikel noch 100 Pfandjahre stipuliret worden." Bei demselben ersten Artikel verlangte Brüning, daß anstatt à titre d'hypothèque vielmehr à titre antichrèse 31 ) gesetzt werde, "weil dies das eigentliche negotium, das obwalte, genau ausdrücke." Lagerbjelke mußte bekennen, daß er nicht wisse, was Antichrese sei, und auch als ihm die Bedeutung des Wortes erklärt worden war, weigerte er sich, den Satz zu ändern, "bequemte sich aber endlich unmittelbar nach diesem Ausdrucke in parenthesi das lateinische Worth antichresis hinzuzusetzen." In dem Verzeichnis dessen, was alles in die Verpfändung einbegriffen sein sollte, waren in dem mecklenburgischen Entwurf ausdrücklich der Hafen und die Untertanen genannt, in Lagerbjelkes Texte aber ausgelassen. "Beydes hinzuzusetzen" - so sagt der erwähnte Bericht - "ward von ihm annoch verlangt. . . Er versprach, daß er das Wort Port noch hinzusetzen wollte, aber in einer convention, die 1803 abgeschlossen würde, unmöglich das Worth Serf au glèbe mit aufnehmen könne. Daß die Unterthanen mit übergingen, verstehe sich ja von selbst. . . Es würde aber Sensation erregen, wenn diese Leibeigenen nahmentlich mit aufgeführet würden, die doch


31) Antichrese ist die Eingabe einer Sache mit der Abrede, daß die Nutzungen an Stelle der Zinsen behalten werden sollen.
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vor dem Publico kein Geheimniß bliebe, und nur zu Äußerungen Veranlassung gebe, die dem Könige unangenehm seyn mögten. Es ward also diesseits um so mehr hierunter nachgegeben, als sie ungezweifelt in der allgemeinen Verpfändung mit stecken." Indessen nicht nur die Untertanen blieben unerwähnt, sondern Lagerbjelke wußte es den Mecklenburgern plausibel zu machen, daß auch der Hafen fehlen dürfe, da er ja zur Stadt gehöre, und sie erklärten schließlich, daß Sie "nichts weiter einwenden könnten und wollten". Bei der Fassung des den Warnemünder Zoll betreffenden Artikels "ward diesseits erinnert" - wie der Bericht besagt - "daß der König seine Rechte auf den Warnemünder Zoll nicht cediren könnte, sondern dem bisher behaupteten Rechte entsagen müßte. Dagegen wollte man jenseits von keinen bloß behaupteten Rechten etwas wissen, sondern vermeinte, daß der König würkliche Rechte habe. . . Aller Bemühung ungeachtet war es nun nicht möglich eine andere Faßung zu bewürken, und wir mußten solche daher passiren laßen - vergnügt übrigens, daß diese unangenehme Sache dadurch nicht bloß für die Zeit der Verpfändung, sondern auf ewig (à perpétuité) abgemacht worden ist." Und so blieb das Verhältnis auch fernerhin. Denn wenn auch Brüning als geschulter Jurist gegenüber Lagerbjelke, von dem er behauptet, daß er "durchaus keine Idee von irgend einem juristischen Geschäfte hat", das eine oder andere Mal den juristisch korrekten Ausdruck durchsetzte, so mußten doch er und Lützow in der Regel es "sich gefallen lassen", daß nicht ihr Wille, sondern der der Schweden in der endgültigen Festsetzung des Traktats zur Geltung kam.


Am 26. Juni wurde der Vertrag von Toll, Lützow und Brüning unterzeichnet, nicht von Lagerbjelke, "obgleich er" - wie der Bericht der Mecklenburger ausdrücklich hervorhebt - "bei der Unterhandlung und dem ganzen Geschäfte eigentlich die Hauptperson war." Ein Vertrag übrigens, in dem die wahre Absicht der Paziszenten, nämlich den Rückfall Wismars auch juristisch auszuschließen, infolge eines merkwürdigen Redaktions= und Formulierungsungeschicks nicht zum Ausdruck gelangt ist und bei dem nur von einem verunglückten Vertragsentwurf ohne jedwede gültige Wirkung die Rede sein kann. 32 )


32) So urteilt Bruno Schmidt, "Der Schwedisch=mecklenburgische Pfandvertrag über Stadt und Herrschaft Wismar" (Leipzig 1901) S. 30. 32.
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Am Tage nach der Unterzeichnung verließen Lützow und Brüning Malmö und begaben sich nach Kopenhagen, wo sie verabredetermaßen die Entschließung des Herzogs über die schwedische Forderung vom 19. erwarten wollten. Am 26. war in Ludwigslust die Entscheidung darüber gefallen. Nach dem Empfang des Lützow=Brüningschen Berichtes hatten sich Graf Bassewitz und Brandenstein zum Herzoge begeben, um dessen Befehle einzuholen, und Friedrich Franz dachte groß genug, um sofort zu erklären, er werde auch dieses Opfer noch bringen. In der Frühe des 1. Juni gelangten die Mecklenburger in den Besitz der Genehmigung des Article secret und übermittelten diese Nachricht auf dem kürzesten Wege an Toll, der sie durch Kurier nach Stockholm befördern ließ. Der König war darüber um so mehr erfreut, da er seiner Sache nicht sicher gewesen war und schon am 23. hatte an Toll schreiben lassen, dieser solle im Fall einer ablehnenden Antwort aus Schwerin die genannte Forderung fallen lassen. 33 ) Nicht minder groß war natürlich die Freude in Mecklenburg, und wohl alle seine Bewohner dachten wie Graf Bassewitz, der dem Herzoge schrieb: "Ew. Herzogl. Durchl. glorreiche glückliche Regierung wird sich noch bey der Nachwelt auszeichnen. Das seit 150 Jahren zerstückelte liebe Vaterland ist nunmehr wieder beisammen, und deßen Besitz gewis Seegenvoller, als der Besitz großer Länder mit Haß und Fluch der Einwohner beladen."


Der Traktat wurde dann am 19. Juli von König Gustav Adolf, am 26. Juli von Herzog Friedrich Franz ratifiziert. Die Auswechselung der Vertragsurkunden erfolgte am 15. August in Hamburg durch Lützow und den schwedischen Minister beim niedersächsischen Kreise Peyron; am 19. August fand im großen Saale des Gouvernementshauses die feierliche Übergabe Wismars durch den Schwedischen Kanzler v. Thun an Brüniug statt, unmittelbar daraus erhielt die auf dem Markt aufgestellte schwedische Besatzung den Befehl, nach dem Hafen zu marschieren, wo sie eingeschifft wurde, und als das geschehen war, besetzten vorläufig drei Kompagnien des Grenadierregiments v. Hobe unter Befehl des Majors v. Bülow die Stadt, die am 29. August den Besuch ihres neuen Landesherrn erhielt.


Die sogenannten faux frais, d. h. die Unkosten des ganzen diplomatischen Geschäfts, deren Veranschlagung in den Akten


33) Lundin S. 68.
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eine große Rolle gespielt hatte, blieben hinter Lützows Befürchtungen - er hatte sie auf 5000 Rthlr. geschätzt - nicht unerheblich zurück. Toll, Lagerbjelke und Ehrenheim erhielten jeder eine in Berlin gefertigte goldene Dose mit dem Bilde des Herzogs im Werte von 1500, 1300 und 1100 Rthlr., Toll außerdem ein Geldgeschenk von 1000 Dukaten, und Thun eine in Hamburg für 1800 Mark Banco gekaufte Dose. Natürlich verlieh auch der König Dosen mit seiner Chiffre an den Grafen Bassewitz, an Lützow und an Brüning. An die schwedische wie an die mecklenburgische Kanzlei wurden nach einer schon in Malmö getroffenen Abrede Douceurs gezahlt, und zwar von mecklenburgischer wie von schwedischer Seite je 250 Dukaten.


Die faux frais für Mecklenburg erfuhren übrigens nachträglich noch eine nicht unbeträchtliche, ganz unerwartete Abminderung. Gegen Ende Oktober sandte nämlich Toll in einem überaus höflichen Schreiben an Lützow "un billet de Sieur A verhoff, par le quel il se reconnaît dépositaire d'une somme d'argent à ma disposition" - es war die Anweisung über die Toll geschenkten 1000 Dukaten - zurück mit dem Bemerken, daß er zwar die Dose, "qui à mes yeux est au-dessus de toute autre récompense", behalten werde, das Geld aber nicht annehmen könne. Der aufs höchste überraschte Lützow, der genau wußte, daß bei derartigen Gelegenheiten nicht nur Pretiosen, sondern auch bares Geld geschenkt zu werden pflegte, meldete diese Rücksendung dem Ministerium mit dem Beifügen: "Aus der späthen Antwort des Generals von Toll sieht man, daß derselbe vermuthlich beym Könige dieserhalb angefragt und den Befehl dazu bekommen hat," und bat um Verhaltungsmaßregeln, ob und wie er Toll antworten solle "und ob Serenissimus die Sache so wollen fallen lassen, oder vielleicht noch ein anderes Geschenk statt dieser 1000 Louisd'or dem General von Toll machen". Das Ministerium trug dann die Angelegenheit dem Herzog vor; der aber antwortete unterm 18. November, "daß die Sache füglich auf sich beruhen bleiben könne". -


Sowohl der Herzog Friedrich Franz als der König Gustav Adolf haben ihren Bevollmächtigten ihre Zufriedenheit mit deren Erfolgen ausgesprochen. Der König mit besserem Grunde. Fast in allen Punkten hatten die Mecklenburger nachgeben müssen und Schweden hatte sich eines Besitzes entledigt, den es auf die Dauer doch nicht hätte behaupten können, und zwar gegen eine Summe Geldes, deren jährliche Rente sich auf mehr

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als das Doppelte der Einkünfte aus Wismar belief. Der Empfindung, bei diesem Handel übervorteilt zu sein, wird sich der Herzog wohl nicht haben erwehren können und sie mag noch dazu beigetragen haben, seine ohnehin schon bestehende Verstimmung gegen den König zu verschärfen. Und diese Verstimmung fand alsbald neue Nahrung. Gerade, um diese Zeit betrieb der Herzog die Erhebung seines Hauses zur Kurwürde, und nun, am 6. August, meldete ihm Graf Bassewitz, die Antwort des Königs von Schweden auf das mecklenburgische Schreiben in dieser Angelegenheit sei eingegangen, "entspricht aber den Höchsten Wünschen nicht - ist vielmehr ganz abstimmig und die einzige dieser Art". War es dem Herzog unter diesen Umständen zu verdenken, daß er, als um die Zeit der Auswechselung der Ratifikationen und der Übergabe von Wismar der König ihn zu sich nach Stralsund einlud, den Besuch ablehnte? Er entschuldigte diese Ablehnung unterm 12. August allerdings mit gehäuften Geschäften und der schweren Erkrankung seiner Schwiegertochter, die es ihm nicht geraten erscheinen lasse, gerade jetzt Ludwigslust zu verlassen. 34 ) Aber er unterließ es auch, mit dem auf dem Wege nach Quedlinburg durch Mecklenburg reisenden Könige zusammenzutreffen. Und als später, im Januar 1806, wo Gustav Adolf seinen kläglichen Feldzug an der Elbe führte, Herzog Friedrich Franz wirklich dem König in Boizenburg seine Aufwartung machte, lief die persönliche Begegnung der beiden Fürsten nichts weniger als freundlich ab. 35 ) -


Dem Herzog Karl von Mecklenburg=Strelitz hatte Friedrich Franz unterm 20. August von dem Abschluß der Konvention Nachricht gegeben. Die "Vereinbarung zu Seiner Kaiserlichen und Königlichen Majestät Kenntnis zu befördern" hatte der König gemäß dem Artikel 23 des Traktats übernommen. Damit wurde Graf Armfelt in Wien beauftragt. Da es sich nicht um eine "Abalienation" handle, die der kaiserlichen Sanktion bedürfe, sondern um eine einfache "transaction hypothécaire", so hatte die Anmeldung lediglich "d'État à État" zu erfolgen. Doch sollte Armfelt auch den Wunsch des Königs vortragen, der Kaiser möge den Herzog benachrichtigen, daß der König die im Traktat stipulierte Anmeldung ausgerichtet habe. Schließlich


34) Helene Paulowna starb am 24. September 1803.
35) Lundin S. 82.
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sollte Armfelt dem Kaiser ein Resumé der rein politischen Vorbehalte des Traktats (Artikel 11-17) geben mit dem Wunsch, daß der Kaiser als Reichsoberhaupt deren Beobachtung überwachen möge, besonders des Artikels 16 ("daß der Hafen der Stadt Wismar nie zu einem Kriegshafen zum Gebrauch irgend einer fremden Macht oder eines anderen Staates bestimmt werden könne"), da dessen Übertretung zugleich eine Verletzung des Reichsgebietes sein würde.


Dieses Auftrages entledigte sich Armfelt am 15. September in einer dem Reichsvizekanzler Fürsten Colloredo übergebenen Note. Darauf erfolgte zunächst keine Antwort. An die Sache erinnert, erklärte Colloredo: der Kaiser könne in dem zur Frage stehenden Traktat überhaupt keine Artikel sanktionieren oder garantieren, wofern nicht der Antrag in üblicher Form, also mit Beifügung einer Abschrift des Traktats, eingereicht werde. Und an dieser Auffassung hielt Colloredo fest, trotz mehrfacher Versuche, ihn umzustimmen. Da nun aber der König im Artikel 23 es nicht übernommen hatte, die kaiserliche Sanktion des Vertrages zu erwirken, und die in demselben vorgeschriebene Anmeldung erfolgt war, hielt Gustav Adolf es nicht für nötig, die von Colloredo verlangten Schritte zu tun, und so blieb die Sache auf sich beruhen.


Von einer Anmeldung bei der Reichsversammlung in Regensburg ist in dem Traktat nicht die Rede. Gleichwohl beauftragte Herzog Friedrich Franz seinen Komitialgesandten von Plessen, durch den schwedischen Gesandten in Regensburg v. Bildt beim König anzufragen, ob dieser gegen eine solche Anmeldung etwas einzuwenden habe. Gustav Adolf erwiderte, er halte diesen Schritt für überflüssig, wolle aber dem Herzog nichts in den Weg legen, vorausgesetzt daß der Wortlaut der Anmeldung vorher au Bildt mitgeteilt werde. So geschah es, und am 9. Januar 1804 gab Plessen der Reichsversammlung Kenntnis von dem abgeschlossenen Vertrage.


Zur Erlangung der vom Herzoge so sehr gewünschten Garantie des Vertrages durch Preußen und Rußland 36 ) wurden in Berlin und Petersburg Schritte getan. Am 30. Oktober 1803 berichtete Lützow, daß er mit Haugwitz darüber konferiert habe;


36) S. oben S. 226 f.
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Haugwitz habe sich nicht geradezu ablehnend verhalten, aber doch gesagt, daß zwischen Preußen und Schweden "aigreur" herrsche. Wenige Tage darauf aber traf in Ludwigslust ein Brief des Zaren an den Herzog ein, in dem es hieß: Quant à ma garantie qu' Elle réclame à cette occasion, je la Lui accorderai très volontiers, mais comme mon consentement doit venir de la demande des deux parties contractantes, je dois naturellement attendre jusqu'à ce que de la part de S. M. le Roi de Suède il me soit adressé une invitation formelle à ce sujet, ne doutant pas qu'une démarche pareille ne soit faite aussi vis-à-vis de S. M. de Prusse en sa qualité de Directeur du cercle de la Basse Saxe. Dazu schrieb Graf Bassewitz: "Bekanntlich hat der Königl. Schwedische Hof sich bey den Unterhandlungen nicht geneigt finden lassen wollen, die Russische Kayserl. Garantie gemeinschaftlich nachzusuchen. Es steht daher wohl zu erwarten, ob sie in Berlin auf einseitige dießeitige Anträge werde ertheilt werden." Das scheint nicht geschehen zu sein, denn in den Akten ist von einer preußischen Garantie nicht wieder die Rede. -


Wiederholt war im Laufe der Verhandlungen zwischen Lützow und Toll von mecklenburgischer Seite betont, daß der Herzog die ganze Pfandsumme werde aufleihen müssen. So war es in der Tat, da seine Hoffnung, einen Teil der Mitgift der Großfürstin Helene Paulowna für die Erwerbung der Herrschaft Wismar verwenden zu können, sich nicht erfüllte. Aber die Beschaffung der erforderlichen Gelder vollzog sich ohne Schwierigkeiten. Natürlich waren es in erster Linie große Bankhäuser, die in Anspruch genommen wurden: Averhoff in Hamburg, Flebbe in Hannover, Israel Jacobson in Braunschweig, Gebrüder Bethmann in Frankfurt am Main. Aber auch zahlreiche Privatpersonen, zum Teil in Mecklenburg selbst, überwiegend in Hamburg und den hannoverschen und braunschweigischen Landen, boten Kapitalien an: die Rechnungen der Reluitionskommission aus den Jahren 1803-5 überliefern uns zahllose Namen von Männern und Frauen, die sich drängten, größere und kleinere Summen, bis zu 100 Talern herab, dem mecklenburgischen Staate vorzuschießen. Diesen kleinen Kapitalisten wurde ihr Geld durchgängig mit 4 vom Hundert verzinst; von den Bankhäusern begnügte sich Flebbe mit 3 vom Hundert; 4 erhielt Israel Jacobson, während die Gebrüder Bethmann 5 und Averhoff sogar 6 vom Hundert verlangten. Alles in allem aber ein erfreuliches Zeug=

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nis dafür, welches Vertrauen das Ausland Mecklenburg entgegenbrachte, während kurz zuvor Schweden mit einer in Leipzig kontrahierten Anleihe, wie Schröder an Brüning erzählte, ein klägliches Fiasko gemacht hatte.


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