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Adolf von Dassel, Graf von Ratzeburg.

Mit dem als Kind verstorbenen Bernhard III. war, wie erwähnt, das Haus der Ratzeburger Grafen erloschen. So bemächtigte sich denn auf Grund seiner Heirat mit der Witwe Bernhards II. Adolf von Dassel der Grafschaft schon mehrfach sind

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wir diesem Namen im Verlauf unserer Arbeit begegnet, und da er in diesen Gegenden eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, wird es nötig sein, kurz auf seine Geschichte einzugehen. Ein Neffe des bekannten Kölner Erzbischofes und Kanzlers Friedrichs I. Rainald von Dassel, war er von Haus aus begütert im Wolfenbüttelschen und Magdeburgischen. 232 ) Doch erscheint er schon früh in unsern Gegenden in Verbindung mit seinem "Vetter" Adolf III. von Holstein. 233 ) Im Jahre 1179 nahm er teil an der Schlacht auf dem Halerfelde und weigerte sich ebenso wie Aldolf von Holstein, seine Gefangenen auszuliefern, und mit ihm verließ auch er die Partei des Herzogs. Als dann im Jahre 1189 der Holsteiner mit dem Kaiser ins gelobte Land zog, machte er Adolf v. Dassel zum Verweser seines Landes, und tapfer verteidigte dieser es gegen die Übergriffe des aus der Verbannung zurückgekehrten Welfen (s. oben S. 48/49). Auch als acht Jahre später der abenteuerfrohe Holsteiner abermals mit vielen anderen deutschen Fürsten dem Kaiser voraus ins heilige Land zog 234 ), wird er den bewährten Grafen von Dassel wieder zum Verwalter seines Landes gemacht haben. So wird ihn umgekehrt auch Adolf von Holstein bei der Besitznahme der Ratzeburger Grafschaft nach besten Kräften unterstützt haben. Freilich, viele Schwierigkeiten hat ihm diese wohl nicht bereitet. Denn wenn ihm auch nach Lehnrecht die Grafschaft nicht zustand 235 ), so wird ihm doch der Herzog Bernhard, viel zu schwerfällig und völlig gleichgültig gegen solche Übergriffe, wie er war, keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt haben. Denn


232) v. Kobbe S. 234/35. Cod. Anh. I, 667.
233) Arn. VI, 12 S. 232 u. 13 S. 233 nennt sie Vettern; doch ist die Art ihrer Verwandtschaft nicht aufgeklärt, s. v. Kobbe S. 235. Das mittelalterliche "nepos" bezeichnet bekanntlich wie heute noch in manchen Gegenden "Vetter" alle möglichen Verwandtschaftsgrade. Arn. selbst hält sie offenbar infolge seiner Verwechslung des Grafen Otto v. Assel, des Schwiegervaters Adolfs III., mit einem Grafen von DasseI - Arn. III, 1 u. Anm. 2 - für wirkliche Vettern.
234) Arn. V, 25/29. Vergl. Toeche S. 460/62 u. 476.
235) Vergl. Using. S. 93.
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sowohl vorder wie auch später noch treffen wir Adolf von Dassel in des Herzogs Gefolge, so z. B. ist er noch kurz vor seiner Heirat mit der Gräfin Adelheid bei Bernhard in Hildesheim und Goslar. 236 )

Adolf von Holstein, offenbar der tüchtigste, aber auch unruhigste Herr dieser Gegend, hatte sich seit seiner Trennung von Heinrich dem Löwen nie mit dem Welfen ausgesöhnt. Die unruhigen und verwirrten Zeiten des deutschen Bürgerkrieges um den Königsthron benutzend, zog er nun im Sommer des Jahres 1200 mit dem gleichgesinnten neuen Grafen von Ratzeburg vor die Lauenburg, die einzige den Welfen an der Elbe verbliebene Festung, in der jetzt eine Besatzung des Pfalzgrafen Heinrich, des ältesten Sohnes Heinrichs des Löwen, lag. Durch die Erbauung der Burg Haddenberg 237 ) und durch Belagerungsmaschinen und Schiffe, die der Holsteiner aus Hamburg herbeiholte, wurde die Besatzung zu Lande wie zu Wasser aufs schwerste bedrängt. Da faßte sie den Entschluß, um nicht den Grafen in die Hände zu fallen, sich dem Dänenkönige auszuliefern. Zwar wurde dieser Plan durch die beiden Grafen, die, sobald sie davon Kunde erhalten hatten, ihre Anstrengungen verdoppelten, vereitelt; doch wir sehen, welchen Einfluß bereits die Dänen infolge der Schwäche und Uneinigkeit der deutschen Fürsten bis tief in deutsches Gebiet hinein ausübten. Seit den wechselseitigen Einfällen des vorigen Jahres - s. S. 55/56 - waren sie von der Eider nicht mehr zurückgewichen, sondern lagen hier auf der Lauer, jeden Augenblick bereit, ihre Eroberungen bis zur Elbe auszudehnen. Bereits hatte der Holsteiner Graf dem König Knud die eben von ihm als Schutz gegen die Dänen wiederhergestellte Rendsburg ausliefern müssen, der sie nun aufs beste ausbaute. Mit dieser starken Grenzfestung hielt er den Schlüssel zum Lande Adolfs in Händen.

Ja, in Holstein selbst bestand eine dänische Partei der angesehensten und einflußreichsten Männer 238 ), die, durch Geldgeschenke und Lehenversprechungen Knuds und seines Bruders bestochen, nur darauf wartete, mit dem jetzt mächtig sich entwickelnden Königreiche vereinigt zu werden. Vor allem betrieben dieses Ziel die im Jahre 1181 bei des Grafen Rückkehr vertriebenen Verwandten und Freunde des Overboden Marcrad, die


236) Cod. Anh. I, 729 u. 730, Urkk. vom 19. u. 27. Januar 1200.
237) Es war nicht möglich, über diese von Arn. VI, 12 u. 13 genannte, offenbar in nächster Nähe von Lauenburg aufgeführte Burg irgend etwas Näheres zu ermitteln.
238) Arn. spricht sogar von "omnes meliores".
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sich damals zum Dänenkönig begeben hatten und nun willige Vermittlerdienste zwischen ihm und den Holsten leisteten. 239 ) Bei dieser Sachlage, wo wir Dänenfreundlichkeit bei den Holsten wie bei der Besatzung Lauenburgs erblicken, konnte es nur noch eine Frage der Zeit sein, daß diese Gebiete in dänischen Besitz übergingen.

Hatte schon der Umstand, daß ihm Lauenburg entgangen war, den Zorn Knuds gegen die beiden Grafen erregt, so geschah das noch mehr durch einen Einfall, den sie im folgenden Jahre nach Dithmarschen, das schon längst vom Dänenkönig beansprucht wurde 240 ), unternahmen. Wie es scheint, hatten sie diesen Zug gewagt im Vertrauen auf welfische oder staufische Hülfe, deren sie sich nach dem Bündnis zu Hamburg im Anfang dieses Jahres 241 ) sicher glauben mochten. Doch diese Hülfe blieb aus. Unaufhaltsam brach jetzt das Unheil über die beiden herein. Als erster mußte Adolf von Dassel seine Unbesonnenheit büßen. Auf Geheiß Knuds fielen die von ihm abhängigen Slavenfürsten Borvin und Niklot in die Ratzeburger Grafschaft ein. Als ihnen nun Adolf mit einem Heere entgegenzog, kam es am 25. Mai 1201 bei Waschow - 1/2 Stunde westlich Wittenburg - zur Schlacht. 242 ) Durch den Tod Niklots, der gleich zu Anfang der Schlacht fiel, wurden die Slaven zu maßloser Wut angestachelt und machten bis auf 700 Gefangene das ganze Heer nieder, sodaß kaum der Graf mit wenigen Begleitern entkam. Und seit dieser unglücklichen Schlacht, die durch seinen Mutwillen herbeigeführt war, hatte er allen Anhang im Lande verloren.


239) Arn. VI, 13. Vergl. III, 1.
240) "que regi subdita videdatur", Arn. VI, 13.
241) Ein solches Bündnis zwischen welfischen und staufischen Parteigängern schließt Winkelmann, Phil. v. Schwab. u. Otto IV. v. Braunschweig I, 241 aus U.-B. der Stadt Lübeck I, S. 15 Nr. X wohl mit Recht. - Hier nennt sich Adolf v. Dassel comes de Racesburg; doch ist aus dieser Bezeichnung für die Chronologie in keiner Hinsicht etwas zu schließen, da z. B. Adolf v. Holstein sich ganz wahllos bald de Holstein, bald de Scovinbure nennt, ja sogar meistens den Namen seiner Stammburg führt.
242) Wenn das M. U.-B. I, 166 nach einer Notiz des Doberaner Nekrologiums diese Schlacht ins Jahr 1200 setzt, so ist das nicht richtig; sie wäre dann chronologisch garnicht einzuordnen (s. die Anm. 246). Daß jene Notiz nicht gleichzeitig ist, macht Using. a. a. O. S. 407 sehr wahrscheinlich. Das "inter haec" bei Arn. VI, 13, worauf das M. U.-B. hinweist, drückt bei ihm fast nie die strenge Gleichzeitigkeit aus und dient hier lediglich zur Anknüpfung. Übrigens setzen Suhm a. a. O. VIII, 601, Winkelm. S. 241, Using. S. 94 die Schlacht ins Jahr 1201. - Winkelm., ebenda, ist Wittenburg offenbar unbekannt, und er verlegt daher diese Schlacht unrichtig nach Wittenberge in der Prignitz.
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Einige Monate später ereilte auch Adolf von Holstein sein Geschick. Nichts half es ihm, daß er sich jetzt angesichts der von den Dänen drohenden Gefahr mit dem Pfalzgrafen Heinrich aussöhnte 243 ); denn der erwartete welfische Beistand blieb aus. Und am 14. September rückte der Herzog Waldemar von Schleswig, Knuds Bruder, mit einer bedeutenden Heeresmacht in Holstein ein und schlug den ihm entgegenrückenden Grafen Adolf, dem es bereits Schwierigkeiten gemacht haben mochte, in seinem abtrünnigen Lande überhaupt noch ein Heer zusammenzubringen, bei Stellau unweit Kellinghusen, sodaß sich der Graf fliehend nach Hamburg zurückziehen mußte. Itzehoe und Plön fielen in die Hände des Herzogs, während sich Segeberg, von jeder der festeste Platz des Landes, und Travemünde noch eine Weile gegen seine Belagerung zu halten vermochten.

Nachdem Waldemar so Bresche gelegt hatte, war es ihm ein Leichtes, sich mit Hülfe des kriegerischen Bischofs Peter von Roeskilde, mit dem zusammen er nach einem sechswöchigen Waffenstillstand Ende Oktober nach Holstein zurückkehrte, des ganzen Landes zu bemächtigen. Über Hamburg, wo ihn Klerus und Volk mit besonderen Ehrungen empfingen, und Bergedorf zog er dann weiter vor die Lauenburg. Hierher kamen ihm die Bewohner Ratzeburgs entgegen und boten ihm, um einem Einfall vorzubeugen, die Unterwerfung der Grafschaft an. Denn Adolf von Dassel hatte aus Furcht, von seinen eigenen Untertanen verraten zu werden, angesichts der Erfolge des Herzogs das Land verlassen und sich wahrscheinlich schon jetzt zu König Otto IV., bei dem wir ihn im Jahre 1204 finden 244 ), begeben. Waldemar baute nun die von den beiden Grafen nach der Besitznahme Lauenburgs zerstörte 245 ) Burg Haddenberg wieder auf und legte eine starke Besatzung hinein, um während seiner Abwesenheit diese wichtige Elbburg in Schach zu halten, und begab sich dann nach Ratzeburg, wo er die Unterwerfung dieser Stadt sowie Wittenburgs und Gadebusch's entgegennahm. Am 1. November war die Eroberung Holsteins und Ratzeburgs vollendet 246 ); nur noch


243) Arn. VI, 12 Schluß. Über den Zeitpunkt siehe Winkelm. S. 241/42 Anm. 1 und Using. S. 95. Dabei war er mit Besitzungen in der Nähe AIten-Gammes vom Pfalzgrafen belehnt worden.
244) Origg. Guelf. III, 774. In welfischer Umgebung erscheint er schon 1203, Calenbg. U.-B. I, 5.
245) Using. S. 95.
246) Neben Arnolds ausführlicher Darstellung kommen für diese ganzen Ereignisse, im wesentlichen jedoch nur zur chronologischen Fixierung, einige kurze annalistische Notizen in Frage. Während sich (  ...  )
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Segeberg, Travemünde und Lauenburg hielten sich, mit deren Eroberung Waldemar jedoch bereits die eigenen Landsleute der Belagerten beauftragen konnte.

Auch das wichtige Lübeck ergab sich ihm jetzt, aus Furcht, seine Schiffe zu verlieren. Diese waren nämlich wie alljährlich zum Fischfang auf Schonen ausgezogen und samt ihrer Bemannung dem Herzog in die Hände gefallen. Auch war es bereits von jeglicher Verbindung zu Lande wie zu Wasser abgeschnitten 247 ) und konnte auf auswärtige Hülfe nicht rechnen. Denn in Deutschland regte sich keine Hand zum Schutze des bedrohten Nordalbingien. König Philipp, vielleicht noch am ersten zu helfen bereit und imstande 248 ), war fern im Süden seines Reiches. Herzog Bernhard, der neben den beiden Grafen zunächst Betroffene, kümmerte sich nicht im geringsten um das Schicksal seines Herzogtums. In allem unähnlich seinem großen Vorgänger, ließ er schon seit langem die Dinge gehen, wie sie wollten, und sah gleichmütig zu, wie seinem Gebiet ein Stück nach dem andern entrissen wurde. Man wird unwillkürlich wieder an Arnolds scharfe, aber treffende Charakteristik erinnert. Der Welfe endlich, König Otto IV., dem wie seiner ganzen Zeit eine streng nationale Gesinnung völlig fernlag, hoffte offenbar an den Dänen Bundesgenossen für seine Kämpfe um den Königsthron zu finden. Daher zeigte er ihnen sein Einverständnis mit ihren Eroberungen, indem er sich durch eine zu Hamburg im Anfang des Jahres 1202 vereinbarte Doppelheirat aufs engste mit ihnen verbündete. 249 )


(  ...  ) nun in den beiden dänischen Hauptannalen, den Annall. Lundenses u. den Annall. Ryenses, ebensowenig wie in den Stader Annalen von den Vorgängen des Jahres 1201 etwas findet, berichten die Annall. Waldemariani MG SS XXIX, 178 - diese sind identisch mit dem M. U.-B. I, 171 Anm. erwähnten Chronicon Danorum bei Langebek SS rer. Danicar. III, 262 - zu 1201: "Perdita est Thetmarsia - nämlich durch jenen Einfall der beiden Grafen - et iterum acquisita, et Holzacia subjugata atque terra Raceburgensis in festo omnium sanctorum." S.W. S. 236 Nr. 341: "Des anderen jares do gewan dertoge Waldemar Razeburch", was auch Weiland richtig auf 1201 bezieht. Vergl. noch Using. größere Note II, S. 406/09.
247) Arn. VI, 13.
248) Siehe Winkelm., Ph. v. Schw. S. 243.
249) Annall. Stadens. MG SS XVI, 353 ad 1202; Arn. VI, 15. Vergl. Usingers treffliche Darlegung der Lage Ottos a. a. O. S. 104/07 und Winkelm., Ph. v. Schw. S. 245. - Ob Otto IV. gar in einem besonderen Vertrage mit den Dänen auf alle seine Ansprüche rechts der Elbe verzichtet hat, wie O. v. Heinem. a. a. O. I, 292 meint, muß dahingestellt bleiben. Viel wäre das freilich nicht gewesen.
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Auch Pommern und die Slavenländer waren nach und nach unter dänische Botmäßigkeit gekommen. Man hatte keine Zeit, sich um diese Gebiete zu kümmern, sondern verwandte sie lieder dazu, sich gegenseitig zu bekämpfen. So bröckelte von Deutschland, während es im Innern von Parteihaber zerrissen wurde, von außen ein Stück nach dem andern ab. Die Grafen und Herren dieser Gebiete waren auf sich allein angewiesen; weder Herzog noch König kümmerte ihr Schicksal. So konnte es geschehen, daß Adolf III. von Holstein, der nicht so vorsichtig wie sein Namensvetter, der Graf von Ratzeburg, sein Land verlassen hatte, sondern zäh das Seine zu verteidigen suchte, in die Hände der Dänen geriet und von ihnen im Triumphe durch das bisher von ihm beherrschte Land als Gefangener nach Dänemark geführt wurde. 250 ) Bald darauf ergaben sich auch Travemünde und Segeberg. Bereits nannte sich Waldemar, der seinem am 12. November 1202 verstorbenen Bruder Knud als König gefolgt war, "König der Dänen und Slaven und Herrn von Nordalbingien". 251 ) Nur die Lauenburg widerstand ihm noch. Endlich, im Herbst des Jahres 1203, wurde ihm auch diese gegen die Freilassung Adolfs von Holstein von ihrer tapfereren Besatzung ausgeliefert.

Und nun schritt er zu einer Neuverteilung dieser Gebiete. Während er selbst Dithmarschen samt den welfischen Alloden Gamme und Sadelbande behielt 252 ), belehnte er mit der Grafschaft Holstein und dem engeren Land Ratzeburg seinen 20jährigen Neffen und Großneffen des Herzogs Bernhard, den Grafen Albrecht von Orlamünde, den Sohn seiner Schwester Sophie und des Grafen Siegfried von Orlamünde. 253 ) In den Rest der Grafschaft Ratzeburg teilten sich Heinrich Borvin von Mecklenburg und Graf Gunzel von Schwerin, die damit den Lohn für ihre tätige Hülfe bei der Unterwerfung dieser Gebiete ernteten. 254 ) Und zwar erhielt Borvin das Land Gadebusch und Gunzel Wittenburg und Boizenburg. 255 ) Damit war die Grafschaft Ratzeburg endgültig zer-


250) Arn. VI, 14.
251) Arn. VI, 17 und U.-B. d. Stadt Lübeck I, 1 Nr. 11 "Waldemarus Dei gracia Danorum Slavorumque Rex, Dux Jutie, Dominus Nordalbingie". - Man erkennt den Stolz des Königs bereits an der ungewöhnlichen Schreibweise der Attribute; vergl. das Facsimile im Lüb. U.-B.
252) Siehe M. U.-B. I, 233; vergl. Winkelm. I, 274.
253) Siehe über Albr. v. Orlam. Using. a. a. O. S. 119/130.
254) Arn. VI, 13 u. 14.
255) Diese Aufteilung kann nicht gut vor 1203 vorgenommen sein, da erst in diesem Jahre Adolf III. auf sein Land verzichtete und damit
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trümmert, und zwar in der Weise, die dann für Jahrhunderte maßgebend blieb, wenngleich Graf Albrecht von Orlamünde für eine kurze Zeit das Wittenburger und Boizenburger Land, das er den Grafen von Schwerin genommen hatte, noch einmal mit dem Kernland der alten Ratzeburger Grafen in seiner Hand vereinte. 256 ) Von einer Tätigkeit des vertriebenen Grafen Adolf von Dassel ist in diesen Gegenden fortan nie mehr die Rede. Noch einige Male finden wir ihn als Zeugen genannt, wobei er im Gefolge des Herzogs Bernhard bald bei dem Welfen Otto IV., bald bei des Herzogs Neffen, dem Markgrafen Albrecht II. von Brandenburg, erscheint. 257 ) Ein einziges Mal noch finden wir seiner Wirksamkeit als Grafen von Ratzeburg gedacht, als nämlich um das Jahr 1216 sein Nachfolger Albrecht den Hamburgern die Befreiung vom Zoll in Boizenburg, die ihnen Graf Adolf verliehen hatte, bestätigt. 258 ) Zwar verlangt in der Urkunde vom 24. September 1223 bei dem Vertrag über die Auslieferung des Königs Waldemar Graf Heinrich von Schwerin ausdrücklich, daß auch Adolf von Dassel sein Land wiedererhalten soll 259 ), doch hören wir nichts davon, daß er je dahin zurückgekehrt sei, was auch durchaus unwahrscheinlich ist. Denn schon im folgenden Jahre starb er. 260 )

Über zwanzig Jahre besaß hier dann Albrecht von Orlamünde ein wahrhaft fürstliches Reich. Nicht genug, daß, er zu seinem ihm 1203 verliehenen Gebiet nach und nach noch das Wittenburger und Boizenburger Land und als Vormund des


(  ...  ) die kriegerischen Ereignisse zum Abschluß kamen. Nach Holstein mußte Albrecht v. Orlamünde zufolge einer Notiz der S.W. S. 245 Nr. 367 freilich schon im vorhergehenden Jahre gekommen sein; s. ebenda die Anm. 1 des Herausgebers. Der Titel "comes", den ihm die Annal. Ryens. a. a. O. S. 405 schon zum Jahre 1202 beilegen, wird sich auf Orlamünde beziehen. Daß Gunzel v. Schwerin im Jahre 1204 das Land Wittenburg besaß, geht aus M. U.-B. I, 182 hervor; vergl. die Anm. dort und bei I, 171. Das er auch Boizenburg erhielt, geht aus Arn. VII, 11 u. M. U.-B. I, 290 Zeile 10 bis 12 hervor. Für die Belehnung Borvins mit Gadebusch ist ebenfalls M. U.-B. I, 171 Beweis; s. die Anm. Vergl. noch Using. S. 125 - wie dieser auf den Gedanken kommen konnte, Wittenburg möglicherweise als welfisches Lehen anzusehen, ist mir unverständlich - und Winkelm., Ph. v. Schw. I, 273 f.; beide lassen jedoch Boizenburg unerwähnt.
256) M. U.-B. I, 182 u. 221, Urkk. aus den Jahren 1208 u. 1216.
257) Cod. Anh. I, 771; Riedel, Cod. Dipl. Brandenburg. A III, 89/91, Urkk. d. Jahres 1209. Vergl. auch Winkelm. II, 151 f. u. 236.
258) M. U.-B. I, 221.
259) M. U.-B. I, 290 S. 275.
260) M. U.-B. I, 382 Anm.; Mooyer a. a. O. S. 97.
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Enkels Waldemars die halbe Grafschaft Schwerin hinzuerwartet - nach der Metzer Abtretungsurkunde Kaiser Friedrichs II gehört ihm als Lehnsmann Waldemars alles Land zwischen Elbe und Elde 261 ), ja noch über die Elbe dehnte sich sein Gebiet aus. 262 ) Gern bezeichnete er sich in dieser Zeit neben seinen andern Titeln auch als Grafen von Ratzeburg 263 ), ein Zeichen, daß dieser Begriff einstweilen noch fortbestand. Als solcher entschied er im Jahre 1204 die zwiespältige Bischofswahl in Ratzeburg zugunsten Philipps und verwandte sich für ihn, den Dänenfeind, bei König Waldemar. 264 ) Als solcher bestätigt er den Hamburgern das bereits erwähnte Privileg über die Zollbefreiung zu Boizenburg 265 ) und macht Schenkungen an die Kirchen zu Dergedorf und Ratzeburg. 266 )

Doch als dann im Jahre 1223 infolge der Gefangennahme Waldemars des Siegers durch den Grafen Heinrich von Schwerin der Stern der Dänen sank, da war's auch mit der Herrschaft Albrechts vorbei. In der unglücklichen Schlacht bei Mölln im Januar 1225 geriet er gar in die Gefangenschaft des Schweriner Grafen und wurde zu seinem Oheim Waldemar nach Schwerin gebracht. 267 ) Und nachdem im zweiten Vertrag über seine Freilassung am 17. November 1225 König Waldemar auf alle seine Eroberungen zwischen Eider und Elbe hatte verzichten müssen, und nachdem dann seine trotzdem aufrechterhaltenen Ansprüche durch die Schlacht bei Bornhoeved endgültig zurückgewiesen waren, werden hier wieder die alten Rechtsverhältnisse eingetreten sein, wie sie im Jahre 1203 geschaffen waren. Das heißt, Land Gadebusch blieb bei der Herrschaft Mecklenburg, von der es, da Borvin treu zum Dänenkönig gehalten hatte, auch während der Dänenherrschaft wohl nicht getrennt war; die Länder Wittenburg und Boizenburg erhielt der Graf Heinrich von Schwerin


261) MG LL IV, 2 Nr, 53; Böhm.-Ficker I, 773.
262) M. U.-B. I, 206.
263) M. U.-B. I, 201, 222, 233 u. a. Sein voller Titel, wie er ihn auf Siegeln führt, z. B. M. U.-B. I, 210, ist "Comes Holsatie et Sturmarie, Raceburgensis et Wagrie." Daneben nennt er sich in Urkk. comes Nordalbingie, comes Transalbingie. Die S.W. S. 244 Nr. 366 nennt ihn "greve Albrecht van Louenburch".
264) Arn. VII, 9.
265) M. U.-B. I, 221. Daß er sich dabei als comes Holsatie bezeichnet, ist belanglos, da er ihnen auch noch für andere Zollstätten Befreiung gewährt. Nicht etwa darf daraus auf eine Zugehörigkeit Boizenburgs zur Grafschaft Holstein geschlossen werden.
266) M. U.-B. I, 233 u. 249.
267) S. W. S. 244 Nr. 366.
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zurück 268 ); und endlich das engere Gebiet von Ratzeburg zog der im Jahre 1226 von den kleineren Herren als Herzog ins Land gerufene Sohn des Herzogs Bernhard, Albrecht 269 ), als herrenloses Lehngut ein und bildete daraus zusammen mit einigen linkselbischen Besitzungen und der vielumstrittenen, eben den Dänen entrissenen Lauenburg 270 ) das Herzogtum Sachsen-Lauenburg, das ja dann bis zum Jahre 1689 bestanden hat. 271 ) Damit verschwindet der Begriff der Grafschaft Ratzeburg aus der Geschichte.

Vignette

268) Im Jahre 1227 nahm er Boizenburg, Schwerin und Wittenburg vom Herzog von Sachsen zu Lehen, M. U.-B. I, 338.
269) Siehe Annal. Stad. S. 359 ad 1226.
270) Sie wurde i. J. 1227 von Albrecht v. Orlam. für seine Befreiung ausgeliefert, Annal. Stadens. ad 1227; S.W. S. 247 Nr. 372.
271) Vergl. Usinger, Deutsch-Dän. Gesch. S. 356 u. 366/67 und Ders., Zeitschr. d. Gesellsch. f. d. Gesch. der Herzogtümer Schlesw., Holst. u. Lauenbg. II, 19/20.