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Heinrich von Badewide (Bode) 1142(38)-1164.

Zum erstenmal begegnen wir dem Namen Heinrichs von Badewide, des Begründers des Grafenhauses von Ratzeburg, in den Wirren und Kämpfen, die sich nach dem Tode Lothars von

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Supplingenburg zwischen dem welfischen und dem askanischen Hause um das sächsische Herzogtum erhoben. Im Jahre 1138 hatte sich Albrecht der Bär, dem auf dem Tage zu Würzburg bekanntlich von Konrad III. an Stelle des geächteten Heinrichs des Stolzen das Herzogtum Sachsen verliehen war, Lüneburgs, Bardowieks und Bremens bemächtigt. 5 ). Da fielen auch die Nordelbinger, d. h. die Holsten und Stormarn, zu ihm ab und vertrieben ihren Grafen Adolf, den zweiten aus dem Schauenburger Hause, weil er ein treuer Anhänger Heinrichs des Stolzen und dessen Schwiegermutter, der Kaiserin Richenza, war, durch deren Gemahl sein Vater die Grafschaft erhalten hatte. An seiner Stelle setzte jetzt Albrecht der Bär Heinrich von Badewide ein. So berichtet uns Helmold in seiner Slavenchronik Buch 1, Kapitel 54. 6 ) Über Heinrichs Herkunft erfahren wir von Helmold nichts; doch nennt ihn Arnold von Lübeck, Helmolds Fortsetzer, in seinem Abriß der Geschichte des Ratzeburger Grafenhauses, Buch V, Kapitel 7, einen ".nobilis et illustris vir". Und auch in den wenigen Urkunden, in denen er genannt wird, wird er mehrfach als "nobilis" bezeichnet. 7 ).

Die Verbindung mit Albrecht dem Bären, in der wir ihn hier finden, hat ältere Forscher auf den, freilich naheliegenden, Gedanken gebracht, seine Heimat in der Nähe von Anhalt zu suchen. So haben sie ihn aus Thüringen stammen lassen und ihn mit dem Hause Orlamünde in enge Beziehung gesetzt. 8 ). Dem hat schon v. Kobbe in seiner "Geschichte und Landesbeschreibung des Herzogthums Lauenburg" I, S. 116/17 widersprochen; doch folgt er dann selbst, auf eine eigne eingehende Untersuchung dieser Frage verzichtend, der Ansicht v. Wersedes "Niederländische Kolonien", der die Heimat Heinrichs von Babewide in Odersachsen sucht. 9 ). Demgegenüber hat Freiherr W. von Hammerstein, einer der besten Kenner dieser Verhältnisse und besonders in genealogischen Dingen


5) Vergl neben Helmold I, 54 S. 105 f. die Chronica regia Colomensis ad 1138, SchuI-Ausg. S 75 und Annales Patderbrunnens. ad 1138, Scheffer Boichorst S. 167. Siehe auch Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. IV, 178
6) "Cometiam ems eius [sc. Adolfi] urdes et servitia Heinricus de Badwide deneficio Abalderti assecutus est.
7) So Codex Diplomaticus Anhaltinus I Nr. 292, s. dazu unten S. 14 Anm. 25; M. U.-B. I Nr. 42 u. 375.
8) Siehe darüber v. Kobbe a. a. D. I, 117 Anmerkung 5. - M. Philippson, Heinrich der Löwe, I S. 73, läßt ihn trotz der Ausführungen v. Hammersteins - s. Text - aus dem Geschlechte der Ballenstedter Grafen stammen.
9) Siehe v. Kobbe ebenda S. 118 und Anmerkung 8.
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Sehr bewandert, in der "Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen" 1853 S. 233/39 und 1855 S. 355/63 10 ) nachgewiesen, daß Heinrich von Badewide aus dem Lüneburgischen, und zwar aus Bode bei Ebstorf stammt. Das wird erwiesen durch die Übereinstimmung der Namensform. Bode findet sich nämlich nach v. Hammerstein im Mittelalter stets erwähnt als Bodwede oder Botwede. Ebenso wechselt die Namensform bei dem "Badwide", mit dem Heinrich bei Helmold genannt wird, indem ihm ein "Bodwide" bei Arnold, und in Urkunden ein Bodewede, Botwede, Botwide oder gar Botwidel zur Seite steht 11 ). Daß Heinrich außer Bode noch andere Güter in der Nähe Ebstorfs besessen habe, wird erwiesen durch die im M. U.-B. I, 200 abgedruckte Urkunde, die von den Herausgebern auf etwa 1210 angesetzt wird 12 ). Hier verkauft nämlich der Propst und spätere Bischof Heinrich von Ratzeburg "wegen der entfernten Lage" die Güter seiner Kirche in Baven samt dem angrenzenden Walde dem Kloster Ebstorf mit allen Rechten, die daran Heinricus de Bodewede und seine Nachfolger besessen haben. Daß es sich hierbei um ein später zugrunde gegangenes Dorf nahe bei Ebstorf und nicht etwa um Baven bei Hermannsburg, wie er selbst ursprünglich angenommen hatte, handelt, weist v. Hammerstein Zeitschr. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1855 S. 355 ff. nach.

Dafür, daß Heinrich von Badewide ursprünglich in dieser Gegend Besitzungen hatte, spricht endlich noch Folgendes. Im 82. Brief des bekannten Abts Wibald von Stablo und Torvey, der von Jaffè zwischen 1146 und 1148 angesetzt wird, werden die Güter aufgezählt, die die abgesetzte Abtissin Judith von Kem-


10) Wiederholt und zum Teil näher ausgeführt ist dann diese Ansicht in v. Hammersteins bekanntem Hauptwerk "Der Bardengau" S. 477/81. Ihr hat sich auch R. Usinger, der ursprünglich ebenfalls die Ansicht einer thüringischen Herkunft Heinrichs von Badewide ausgesprochen hatte, angeschlossen, Zeitschr. d. Gesellschaft für d. Gesch. d. Herzogtümer SchIeswig-HoIstein u. Lauenburg Bd. II S 17 und 410. - Vergl. auch Wigger in den M. Jbb. 28, S. 50.
11) Arn. V, 7; M. U.-B. I Nr. 49 u. ebenso Monumenta Corbeiensia, ed. Jaffè I S. 156; Bodewede M. U.-B. I Nr. 200, Botwede I, 375, Botwidel I, 40. - Mit Unrecht werden also bei Bernhardi, Jahrbb. d. deutsch. Reiches unter Konrad III im Register S. 955 Heinrich v. Badewide und Heinrich v. Botwidel als zwei verschiebene Personen aufgeführt.
12) Siehe die Anmerkung der Urkunde, die übrigens im Register Bd. IV unter "Badewide" fehlt. - Auch v Hammerstein, Zeitschr d. histor. Vereins f. Niedersachsen, 1853, S. 235, druckt sie ab, setzt sie jedoch um 1250 an.
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nade verteilt hatte. 13 ) Dabei wird auch Heinrich von Badewide als Empfänger von 9 Hufen aus der "curia Cokerbike" genannt. Dies Cokerbike ist das heutige Kakerbek südlich von Stade. 14 ) Ein soIches Besitztum hatte für Heinrich doch nur Zweck, wenn er auch sonst in dieser Gegend begütert war. Leider erfahren wir nichts darüber, in welchem Verhältnis Heinrich von Badewide zu der Äbtissin Judith stand und welchem Umstand er eine solche Belehnung verdankte. 15 ) Außer diesen beiden Nachrichten erfahren wir über einen Besitz Heinrichs links der Elbe nichts. Doch ist das nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß zu dem allgemeinen Mangel an Urkunden so früher Zeit in diesem Falle hinzukommt, daß eine Urkunde der Grafen von Ratzeburg, außer wo sie als Zeugen fungieren, bisher überhaupt nicht bekannt geworden ist. 16 )

Über verwandtschaftliche Beziehungen Heinrichs von Badewide erfahren wir nur wenig. Einmal werden in einer Urkunde König Konrads III. vom Jahre 1145 gleichzeitig mit ihm zwei Brüder, Helmold und Volrad, als Zeugen genannt. 17 ) Daß wir in diesem Helmold den Vater Gunzels,des ersten Grafen von Schwerin, und in Volrad den ersten Grafen von Dannenberg vor uns hätten, ist eine ganz haltlose Annahme v. Duves, 18 ) die freilich zunächst durch ihre verblüffende Einfachheit besticht. Diese beiden Grafen-


13) Monumenta Corbeiensia, ed. Jaffé S. 156. - Es ist interessant zu sehen, wie weit sich der Einfluß Corveys, dem Kemnade unterstand, in dieser Zeit erstreckte. Nicht nur in der Bremer Gegend, sondern auch bei Bardowiek, Suderburg und Wichmannsburg hatte es Besitzungen. Und Wibald betrieb hauptsächlich deshalb so eifrig die Slavenmission, um seinem Kloster auch rechts der EIbe Güter zu erwerden. Freilich gab es damals im Osten Norddeutschlands nur wenige Klöster, so daß hier außer Corvey auch andere Klöster des Westens, z. B. Amelungsborn, reiche Besitzungen hatten. - Vergl. auch die Ansprüche Corveys auf Rügen.
14) Siehe Karte d. deutsch Reichs Nr. 177. Rudolph, Ortslexikon, hat die ganz unberechtigte Lesart Kackerbeck.
15) Gehörte er zu den "amatoribus" dieser lockeren Klosterdame, von denen Wibaldi Epistola Nr. 72 spricht? - Über Judith, die Schwester des Abts Heinrich I. von Corvey und eines Grafen Siegfried, vergl. Bernhardi, Jahrbb. d. deutsch. Gesch. S. 553, Anm. 42.
16) Vergl. darüber die Vorrede des M. U.-B. I, S. X.
17) Cod. Dipl. Anhalt. I, 324. Vergl. unten S. 21.
18) Siehe darüber Zeitschr. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1853, S. 233, wo auch v. Hammerstein diese Ansicht v Duves noch teilt. Doch hat er dann selbst in seinem wertvollen Aufsatz "Über die linkselbischen Besitzungen der Grafen von Schwerin", Zeitschr. d. hist. Vereins f Niedersachsen 1857, wahrscheinlich gemacht, daß die Heimat Gunzels von Schwerin Gebhardshagen bei Braunschweig war.
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häuser haben nie in engeren verwandtschaftlichen Beziehungen zum Ratzeburgischen gestanden, wie sich im Verlaufe dieser Untersuchung noch näher herausstellen wird. - Ferner berichtet uns Saxo Grammaticus, daß die Gemahlin Heinrichs eine Verwandte (cognata) des Königs Waldemar des Großen von Dänemark gewesen sei. 19 ) Leider erfahren wir über die Art der Verwandtschaft nichts Näheres. Doch ist diese Nachricht um so weniger zu bezweifeln, als wir sowohl den Grafen Heinrich wie seinen Sohn Bernhard, der ebenfalls eine Gemahlin aus dem dänischen Königshause hatte, auch sonst mehrfach mit diesem in enger Verbindung genannt finden (S. unten). 20 ) Daß das Geschlecht Heinrichs von Babewide nicht ganz unbedeutend gewesen sein kann, beweist wohl auch schon der Umstand, daß ihm Albrecht der Bär einen so wichtigen Posten wie die Grafschaft Holstein anwies.

Ob sich Heinrich daneben bereits persönlich hervorgetan hatte, wissen wir nicht. Jedenfalls bewies gleich sein erstes Auftreten, daß er seinem Amte gewachsen war. Sofort nach dem Tode Kaiser Lothars (3. Dezember 1137) hatten sich die Slaven, die allgemeine Unruhe und Unsicherheit in Sachsen benutzend, unter ihrem Fürsten Pribislav erhoben und vor allem die ihnen am meisten verhaßte Zwingburg Wagriens, das vor vier Jahren von Lothar erbaute Segeberg, zerstört und die deutsche Besatzung samt den Mönchen verjagt. Nun sammelte Graf Heinrich ein Heer aus Holsten und Stormarn und unternahm im Winter 1138/39 einen verheerenden Zug in das slavische Wagrien, das er auch völlig eroberte bis auf die festen Plätze Plön, Lütjenburg und Oldenburg, mit deren Belagerung er sich nicht aufhielt. Wohl aber brachte er Segeberg in seine Gewalt, das er jetzt, da der von Lothar dort eingesetzte Statthalter Hermann gestorben war, für sich in Anspruch nahm. 21 ) Durch dieses entschlossene und kraft-


19) Saxo Gram. MG SS XXIX, 96.
20) Vergl. noch V. Hammerstein, Zeitschr d. hist Vereins f Niedersachsen 1853, S. 233. - Dagegen müssen die Bemühungen v. Hammersteins ebenda 1855, S. 359 f., einen Zusammenhang Heinrichs mit der Familie Schukken oder Schokken sowie ihn selbst als Vogt des Klosters zu Ebstorf nachzuweisen, auf sich beruhen, bis sie eine weitere Stütze erhalten.
21) Helm. I, 54 Schluß - 56. Vergl. Giesebrecht, Kaiserzeit IV, 178/79 und Bernhardi, Jahrbb. S. 61/63, 80, 316/18 - v. Kobbe a. a. O. I S. 120 f. läßt Heinrich v Badewide bereits beim Überfall der Slaven in Segeberg sein. Das beruht auf einer falschen Auffassung der Stelle bei Helm., der mit dem letzten Satz von Kap. 54 bereits das eigentlich in Kap. 55 zu erwähnende Ergebnis des Zuges vorwegnimmt.
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volle Vorgehen erwarb sich Graf Heinrich bei Helmold die anerkennende Bezeichnung als eines "vir ocii impatiens et strenuus in armis". Im Sommer 1139 vervollständigten dann die Holsten jenen Eroberungszug auf eigene Faust, indem sie ohne den Grafen gegen Plön zogen, es eroberten, die Einwohner niedermachten und alles Land ringsum in eine Wüste verwandelten und so, wie Helmold sich ausdrückt, "einen sehr nützlichen Krieg führten". 22 )

Als nun aber Heinrich der Stolze in Sachsen erschien und vor seiner Übermacht Albrecht der Bär nach Süddeutschland zu König Konrad floh, war auch Heinrich von Badewide seiner Stütze beraubt, und er mußte vor dem mit dem Welfen zurückkehrenden Adolf II. die Grafschaft räumen. Zuvor jedoch steckte er die Burg Segeberg, von der beim Slaveneinfall nur das Suburbium zerstört war, und das äußerst feste Hamburg, eine Gründung der Mutter des Grafen Adolf zum Schutze gegen die Wenden, in Brand. Dann begab er sich vermutlich auf das linke Elbufer, vielleicht nach Bode. Als jedoch Heinrich der Stolze bald darauf starb (20. Oktober 1139), da erhielt Heinrich von Badewide von dessen Witwe Gertrud, die für ihren Sohn, den damals erst zehnjährigen Heinrich den Löwen, das Herzogtum verwaltete, einen Teil seines Besitzes zurück, indem er von ihr die von ihm eroberte "Provinz" Wagrien samt Segeberg 23 ) kaufte.

Das war jedoch nur möglich gewesen wegen einer persönlichen Abneigung Gertruds gegen Adolf II., dem sie dadurch Schwierigkeiten im eigenen Lande zu bereiten hoffte. Darin hatte sie sich auch nicht verrechnet; denn sofort begann zwischen den beiden Rivalen der Kampf um Wagrien. Als sie daher im Jahre 1142 sich mit Heinrich Jasomirgott vermählt und Sachsen verlassen hatte, erreichte Graf Adolf in Verhandlungen mit dem jungen Herzog Heinrich und dessen Ratgebern, daß ihm Segeberg und das ganze Wagrierland zurückgegeben wurde, einerseits, so drückt sich Helmold aus, "durch seine gerechtere Sache", andererseits.


22) Helm. I, 56, S. 110. Diese Stelle ist außerordentlich bezeichnend für Helmolds Ansicht über die richtige Art der Kolonisation. Er ist nicht nur ganz und gar einverstanden mit diesem Vernichtungskampf gegen die Slaven, sondern sein Satz: "Nam principes Sclavos servare solent tributis suis augmentandis" nimmt sich in diesem Zusammenhang wie ein Vorwurf der Schwachherzigkeit aus.
23) Daß er damals auch Segeberg erhielt, geht aus den späteren Ereignissen hervor. Überhaupt finden wir diesen wichtigen Punkt stets in Verbindung mit Wagrien genannt, ein Begriff, der, wie es scheint, in dieser Zeit ein bedeutend größeres Gebiet bezeichnete als heute und auch Segeberg mit umfaßte.
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"durch die größere Geldsumme", die er dafür bezahlte. Wir dürfen dahinter nicht etwa Bestechungsgelder für die Räte des Herzogs suchen, sondern diese Geldsumme war tatsächlich die Kaufsumme für das Land, wie ja einige Jahre zuvor auch Heinrich von Badewide dies Land von des Herzogs Mutter erkauft hatte. Und damals erhielt dieser zur Entschädigung für Wagrien Ratzeburg und das Polabenland als "festes Lehen" vom Herzog. 24 ) Geordnet wurden diese Dinge dann wahrscheinlich zu Bremen, wo wir die beiden Grafen am 3. September 1142 als Zeugen in der wichtigen Urkunde treffen, in welcher Erzbischof Adaldero von Hamburg-Bremen über die Teilung im Bremer Gebiet zwischen Herzogin Gertrud und ihrem Sohn, dem Herzog Heinrich, einer- und Markgraf Albrecht dem Bären andererseits urkundet. 25 ) Damit war nun Heinrich von Badewide in den Besitz des Landes gekommen, mit dessen Schicksal das seines Hauses bis zu dessen Aussterben, d. h. etwa 60 Jahre, eng verknüpft blieb.

Zwar wird sich Heinrich von Badewide sogleich nach Empfang dieses Gebietes als comes bezeichnet haben; denn schwerlich hat er, nachdem er einmal eine Grafschaft innegehabt hatte, sich mit einem geringeren Titel begnügt. 26 ) Doch nannte er sich nicht sofort nach der Hauptstadt jenes Gebietes Grafen von Ratzeburg. Das ist ein Titel, den Helmold erst zum Jahre 1156 auf ihn


24) Die Hauptquelle für diese Darstellung ist Helm. I, 56, S. 109 ff. Von dem Kriege zwischen Heinr. v. Badewide und Adolf v. Holstein berichtet Arnold V, 7. Dieser hebt ausdrücklich hervor, daß Heinrich das Polabenland als Lehen empfing. Vergl. noch Bernhardi a. a. O. S. 80 und 317. - Philippson, Heinrich der Löwe I S. 99 setzt diese Belehnung ins Jahr 1143.
25) Cod. Dipl. Anhalt. I, Nr. 292. - Wie schon M. U.-B. IV, S. 237 in den Berichtigungen und Zusätzen vermutet, ist mit dem unter den nobiles zwischen Adolf [v. Holstein] und Dietrich [v. NeuenkirchenJ genannten Hinricus sicherlich Heinr. v. Badewide gemeint. In derselben Reihenfolge findet er sich M. U.-B. I, Nr. 42 als comes. Vergl. auch Bernhardi S. 318.
26) Ich finde eben die Notiz im Ratzeburger Zehntregister - M. U.-B. I, 375 -: "Idem vero H. prenominatus dux cuidam nobili Heinrico de Botwede comitiam Raceburgensem in deneficio dedit, per quam primo nomen comitis idem H. sortitus fuit" keineswegs wie Weiland a. a. O. S. 108 Anm. 2 sehr gut, da Heinr. v. Badewide doch schon Graf v. Holstein gewesen war. Richtig wäre sie gewesen, wenn der Verfasser dieser Notiz statt primo primus gesagt und damit Heinrich als ersten Inhaber der Grafschaft Ratzeburg bezeichnet hätte. - Gegen diese Ansicht spricht keineswegs der Umstand, daß Heinrich diesen Titel in der Urkunde von 1142 nicht führt; fehlt er doch auch bei Graf Adolf v. Holstein.
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anwendet, 27 ) d. h. erst nach der Gründung eines Bistums in Ratzeburg und nach der Regelung der Gebietsverhältnisse zwischen Grafschaft und Bistum. Noch zum Jahre 1154 bezeichnet er ihn als "comes Polaborum". 28 ) Wir gehen demnach kaum fehl, wenn wir annehmen, daß Heinrich um 1155 den Titel eines Grafen der Polaben mit dem eines Grafen von Ratzeburg vertauscht hat, wobei der Gedanke mitbestimmend gewesen sein mag, daß der alte Name nach den wiederholten Vernichtungskämpfen gegen die Slaven nicht mehr das Wesen seiner Grafschaft ausdrücke. Ähnlich erging es übrigens dem Titel des ersten Grafen von Schwerin. Obwohl Gunzel von Hagen bereits seit 1160 im Lande Schwerin den Befehl über die Slaven führte, erscheint er erst um 1167 als Graf von Schwerin, während er bis dahin, z. B. von Helmold, als "praefectus terrae Obotritorum" bezeichnet wird. 29 ) Für den ersten Ratzeburger Grafen kommt daneben bis zum Jahre 1149 in Urkunden der Titel "comes de Botwide" vor. Dieser Familienname verschwindet seitdem vollkommen; nur der Verfasser des Ratzeburger Zehntregisters hat sich um 1230 seiner noch einmal erinnert. 30 )

Nicht ganz einfach ist die Frage, was wir unter der "terra Polaborum" um diese Zeit zu verstehen haben, mit andern Worten, welches die Grenzen der Grafschaft Ratzeburg waren. Wie wir bereits sahen, gibt schon Adam von Bremen Ratzeburg als die Hauptstadt der Polabinger an, und nach der Urkunde Heinrichs IV. von 1062 lag Ratzeburg im "pagus" Palobi. 31 ) In dieser engen Verbindung mit Ratzeburg finden wir dann auch stets bei Helmold und Arnold die "terra Polaborum" genannt. 32 ) Beide geben jedoch keinen Anhalt zur genaueren Feststellung der Ausdehnung dieses Begriffes. 33 ) Der Name selbst besagt, auch wenn die .nicht ganz sichere Deutung als "Elbanwohner" als richtig angenommen wird, für die Grenzbestimmung des Polabenlandes garnichts, da damit ebensogut sämtliche Slaven des Elbtales wie


27) Helm. S. 165 20 .
28) Ebenda S. 145 25 .
29) M. U.-B. I, 72. Vergl. Wigger in M. Jbb. Bd. 28 S. 159 und Weiland a. a. O. S. 108, Anm. 4.
30) Siehe Anm. 26.
31) Siehe oben S. 8 u. Anm. 4.
32) Helm. I, 56, 77, 84, 92. Arnold V, 7.
33) Nur einmal nennt Helmold - I, 34 um 1093 - "campus, qui dicitur Zmilove in terra Polaborum". Allein, da Schmilau unweit Ratzeburg liegt, ist damit für die Grenzbestimmung natürlich nichts gewonnen.
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ein ganz .kleines Gebiet der Elbe bezeichnet sein könnte. So ist es gekommen, daß man die Polaben nicht immer an der richtigen Stelle gesucht hat. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen II, 477, versetzt sie in die Gegend zwischen Dömitz und Boizenburg. Doch selbst wenn er das auf die Zeit Karls des Großen beschränken wollte, wie man allenfalls nach dem Zusammenhang annehmen könnte, wäre das irrig. Hier wohnten damals die Smeldinger 34 ), deren Namen ebenso wie der der Bethenzer, die zwischen Lauenburg und Boizenburg wohnten, später nie mehr genannt wird. Daß man später die Smeldinger zu den Polaben gerechnet habe, ist nicht wahrscheinlich. Sind sie in einem größeren slavischen Volksstamm aufgegangen, so möchte man eher an die Obotriten denken, da, wie wir gleich sehen werden, das Polabenland zu Helmolds Zeit östlich nur bis Boizenburg gerechnet wurde.

Zunächst läßt sich das eine mit Sicherheit sagen, daß die Polaben, wo immer sie in gleichzeitigen Quellen, die hier natürlich nur in Betracht kommen können, genannt werden, stets um Ratzeburg lokalisiert erscheinen. Für die linkselbischen Wenden in den Grafschaften Dannenberg und Lüchow findet sich dieser Name auch nicht ein einziges Mal. Um so weniger verständlich ist es, wenn heutige Forscher gerade diese als Polaben bezeichnen, ohne die Mecklenburger Wenden um Ratzeburg auch nur zu erwähnen. 35 ) Demgegenüber hat schon v. Raumer in seinen Historischen Karten und Stammtafeln zu den Regesta Historiae Brandenburgensis I, Karte Nr. 4, den Namen der Polabinger ganz richtig nur für das Ratzeburger Gebiet eingetragen. Und mit dieser Lokalisierung stimmen die Urkunden, die wir über die Grafschaft Heinrichs von Badewide besitzen, völlig überein. Zwar eine Urkunde, die die Grenzen derselben klipp und klar bestimmt hätte, hat es in


34) M. U.-B. I, 10. Vergl. Masch, Geschichte d. Bistums Ratzeburg S. 3.
35) So z. B. Mucke, Die Lüneburger Wenden in Geschichte, Volkstum und Sprache, Hannoverland Jahrgg. 1908 S. 38 ff. - Ganz töricht ist, was F. Tetzner in seinem Buche, Die Slaven in Deutschland S. 346 ff., über die älteste Geschichte der Polaben vorbringt. Mit welcher Oberflächlichkeit diese Dinge bisweilen behandelt werden, zeigt folgende Stelle - S. 351 -: "Die ersten Landesherren [! der Polaben nämlich] hießen Grafen von Warfke, daß sind die späteren Grafen von Lüchow. Sie waren den Lüneburger Welfen unterthan, wußten aber durch geschickte Lehensverbindung mit den Ratzeburger und Hagenower [!] Bischöfen und durch Freundschaft mit Mecklenburg [!] und Brandenburg sich ziemlich selbständig zu erhalten." Eine größere Ahnungslosigkeit gegenüber allen in Frage kommenden Verhältnissen in so wenig Worten zu offenbaren, ist kaum möglich.
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dieser Zeit, wo alles hier im Flusse war, wo erst nach und nach den Slaven das Land abgenommen und von Heinrich dem Löwen an deutsche Herren aufgeteilt wurde, für Ratzeburg so wenig gegeben wie für irgend eine andere dieser Grafschaften. Erst allmählich haben sich hier, vor allem in Verbindung mit der Neueinrichtung und Ausgestaltung des Bistums sowie mit der Schaffung der Grafschaft Schwerin (1166), feste Grenzen herausgebildet. Zu deren Feststellung sind wir darum angewiesen auf Urkunden, die für das Bistum Ratzeburg gegeben sind, mit dessen Entwicklung auch die Herausbildung fester Grenzen der Grafschaft gleichen Schritt gehalten haben wird. Nur im Volk wie bei den Geschichtsschreibern hat sich dann wahrscheinlich für dies Gebiet die Bezeichnung als "Polabenland" noch eine Zeitlang gehalten, während man es offiziell längst die Grafschaft Ratzeburg nannte.

So kommt es, daß wir erst von 1154 ab, d. h. seit der Errichtung des Ratzeburger Bistums, 36 ) die Möglichkeit haben, Genaueres über die Ausdehnung derselben zu erfahren, bis dann um 1171 die Einrichtung von Bistum und Grafschaft zum vorläufigen Abschluß kam. 37 ) Was zwischen diesen beiden Daten liegt, wird zusammengefaßt in der sogenannten Ratzeburger Dotationsurkunde - M. U.-B. I, 65 -, die angeblich im Jahre 1158, in Wirklichkeit jedoch viel später ausgestellt ist. Diese enthält sämtliche von 1154 bis 1171 für das Bistum Ratzeburg gegebenen Bestimmungen 38 ) mit einigen genaueren Angaben und ist daher auch für uns von großer Wichtigkeit. Hier erfahren wir nun, in welcher Weise die 300 Hufen, mit denen Heinrich der Löwe bekanntlich alle drei wendischen Bischofssitze ausstattete, im Bistum Ratzeburg verteilt waren. Vor allem gibt der Herzog dem Bischof das Land Boitin, das ist das Gebiet um das heutige Schönberg nordöstlich vom Ratzeburger See; dabei werden die Grenzen dieses


36) M. U.-B. I, 56 u. 57.
37) M. U.-B. I, 113; hier mit dem Jahr 1174; doch vergl. die Anmerkungen der Herausgeber.
38) Nämlich die in den Urkunden M. U.-B. I, 75, 88, 101, 113 enthaltenen. - Ob diese merkwürdige Urkunde im Jahre 1189 ausgestellt ist, wie Hauck, Kirchengesch. IV, 621 Anm. 2 meint, ob sie überhaupt in der vorliegenden Form von Heinrich dem Löwen gegeben ist, erscheint sehr fraglich. Wahrscheinlich geht sie auf mehrere echte Urkunden zurück. Dennoch, wenngleich sie der Form nach mehr oder minder unecht ist, muß der Inhalt, der zum größten Teil durch die übrigen Urkunden bestätigt wird, in allem Wesentlichen als echt angesehen werden. Hierzu die Ausführungen Helltwigs in M. Jbb. Bd. 71.
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Ländchens im einzelnen festgesetzt. 39 ) Dies Gebiet wurde zu 250 Hufen gerechnet. Dazu legte der Herzog "de voluntate Heinrici et Dernardi comitum" noch 50 Hufen mit den Dörfern "Rodemoyzle, Ziethene, Verchowe, Kolatza". Das sind nach M. U.-B. IV, Ortsregister, Römnitz, Ziethen, Farchau und Horst bei Schmilau" 40 ), also ein Gebiet südlich des Ratzeburger Sees, das vom Lande Boitin durch einen Gebietsstreifen des Grafen getrennt wurde.

Auffallend ist, daß hier von einer Zustimmung der Ratzeburger Grafen nur bei 50 Hufen die Rede ist, während nach Helmold I, 77 Graf Heinrich dem Herzog die gesamten 300 Hufen "resignierte", wie denn überhaupt bei Helmold Heinrich von Badewide als der eigentliche Stifter des Ratzeburger Bischofslandes erscheint. Einen Irrtum Helmolds, wie v. Kobbe a. a. O. I, 289 Anm. 4 will, halte ich hierbei für ausgeschlossen, da er gerade an diese Tatsache, daß der Polabengraf 300 Hufen zur Ausstattung des Bistums schenkt, die Erzählung knüpft, wie auf Vorhaltungen des Propstes Ludolf von Euzolina (Högerstorf) Graf Adolf von Holstein dem Beispiel Heinrichs von Badewide folgt und ebenfalls 300 Hufen zur Ausstattung des Oldenburger (Lübecker) Bistums schenkt. Es scheint mir vielmehr dieser Unterschied zwischen der urkundlichen und der literarischen Darstellung höchst bezeichnend für die Auffassung der Parteien. Heinrich von Badewide und seine Freunde, zu denen, wie es scheint, Helmold selbst gehörte, 41 ) sind offenbar stets der Meinung gewesen, daß der eigentliche Stifter jener 300 Morgen der Graf von Ratzeburg gewesen sei. Dagegen lag Heinrich dem Löwen daran, den Vorgang so darzustellen, daß diese Ausstattung in der Hauptsache sein Werk sei. Dementsprechend


39) Was die strittige Frage des "rivulus Ducis" anbetrifft, so möchte ich mich hier mit Masch a. a. O. S. 56 für die Maurine erklären und nicht, wie M. U.-B. IV, Ortsregister, den Landgrafen zwischen Herrnburg und Brandenbaum annehmen. Andernfalls würde doch ein völlig isoliertes Stückchen Land abgeschnitten, was sicher nicht die Absicht war. - Eine genaue Grenzangabe des Landes Boitin siehe bei Masch S. 54- 59.
40) Kolatza, M. U.-B. I, 113 Clotesfelde genannt, ist nach Masch S. 59 u. Anm. 5 nicht Horst selbst, sondern eine Feldmark nahe bei Horst, die noch im Jahre 1614 den Namen Clotesfelde trug.
41) Daß Helm. gerade für Heinr. v. Badewide eine besondere Sympathie gehegt haben müsse, ist bereits H. Ernst, Programm des Realprogymnasiums zu Langenberg 1888 S. 10 aufgefallen und wird bestätigt durch alle Stellen, an denen Helm. von ihm spricht.
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wird ein Anteil des Grafen in der Bestätigungsurkunde Hadrians IV. - M. U.-B. I, 62 -, die natürlich der Darstellung von seiten des Herzogs folgte, mit keiner Silbe erwähnt. Nach außen hin trat eben Heinrich der Löwe völlig als der Stifter aller drei wendischen Bischofssitze auf. Daran zu denken, daß er sich etwa bei der Einsetzung des Ratzeburger Grafen besondere Rechte im Lande Boitin vorbehalten hätte, wie er sie z. B. in Sadelbande und Gamme (Vierlanden) ausübte, wäre sicher falsch. Die Grafschaft Heinrichs von Badewide wird ursprünglich auch Boitin mit umfaßt haben; und somit ist Helmolds Darstellung ganz gerechtfertigt. 42 )

Die Schenkungen der Ratzeburger Grafen, oder besser wohl des Grafen Heinrich, die sonst noch in der "Dotationsurkunde" erwähnt werden, wie Panten [nördl. Mölln], Boissow [nordwestl. Wittenburg] und Walksfelde [westl. Mölln], sind insofern für die Abgrenzung der Grafschaft von Bedeutung, als wir aus ihnen ersehen, daß diese im Westen keineswegs, wie z. B. v. Kobbe a. a. O. I, 128 meint, mit der Stecknitz abschloß 43 ). sondern sich über sie hinauserstreckte, wahrscheinlich bis zur Grenze der Grafschaft Holstein, und zum andern, daß auch die Wittenburger Gegend zur Grafschaft Ratzeburg gehörte. Letzteres erfahren wir sonst nur aus dem sogenannten Ratzeburger Zentregister - M. U.-B. I, 370 -, das um 1230 angefertigt ist, um die vom Bistum verliehenen Zehnten festzustellen 44 ), ein Dokument, das in jeder Hinsicht von unschätzbarem Werte ist. Hier wird in der Einleitung gesagt, daß der Graf Heinrich von Badewide in den drei "Provinzen" Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch vom


42) Wenn nun in der angeblich im Jahre 1174 für das Bistum Ratzeburg ausgestellten Urkunde, die im M. U.-B. I, 113 abgedruckt ist, Graf Bernhard I., der Sohn Heinrichs v. Badewide, den wir in unserer Urkunde von 1158 neben seinem Vater genannt fanden, allein als Schenker jener 50 Hufen auftritt, so ist das gegenüber der Darstellung Helmolds und unserer Urkunde bedeutungslos und lediglich geeignet, die Verdachtsgründe gegen die Echtheit dieser Urkunde um einen zu Vermehren. - Die Erörterung über Echtheit oder Unechtheit dieser Urkunde dürfte mit der Erklärung M. U.-B. IV, S. 240 schwerlich erschöpft sein.
43) v. Kobbe geht dabei von einer ganz irrigen Vorstellung aus; gerade diese Schenkung eines Einzelbesitzes beweist doch, daß das Übrige dem Grafen gehörte. - Erst im Jahre 1188 bei der Schlichtung der Grenzstreitigkeiten Bernhards I. mit Lübeck durch Friedrich I. wurde die Stecknitz als Grenze bestimmt. Vergl. unten S. 47 f.
44) Vergl. Hellwig, Das Zehntregister des Bistums Ratzeburg, W. Jbb. 69, 313.
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Bischof den halben Zenten zu Lehen trage. Solcher Zehnte über ganze Gebiete wurde aber für gewöhnlich nur demjenigen übertragen, der dort zugleich auch die Grafenrechte ausübte. 45 ) Doch geht auch aus den weiteren Ereignissen hervor, daß auch die Länder Wittenburg und Gadebusch zur Grafschaft Ratzeburg gehörten.

Endlich gehörte dazu noch das Land Boizenburg. Das wissen wir aus einer Urkunde vom Jahre 1216, in der Graf Albrecht von Orlamünde, damals Graf von Holstein und Herr in Nordalbingien, den Hamburgern u. a. die Freiheit vom Elbzoll in Boizenburg bestätigt. 46 ) Hier wird gesagt, daß ihnen diese Freiheit vom Herzog Heinrich und vom Grafen Adolf verliehen sei. Dieser Graf Adolf ist bereits von den Herausgebern des Mecklenburger Urkunden-Buches richtig auf den Grafen Adolf von Dassel ausgedeutet worden, der nach dem Aussterben des Badewideschen Hauses durch Heirat die Ratzeburger Grafschaft erhielt. 47 )

Fassen wir das Gesagte noch einmal kurz zusammen, so ergibt sich als Besitz der Grafen von Ratzeburg alles Land zwischen der Grafschaft Schwerin, Dannenberg, dem Sadelbande oder Sadelbende und der Grafschaft Holstein bezw. dem Gebiet des Lübecker Bistums mit Ausnahme des Landes Boitin und einiger verstreuter Besitzungen des Bistums wie Römnitz, Ziethen, Farchau und Horst, die um die Südseite des Ratzeburger Sees herum lagen, und Panten und Walksfelde jenseits der Stecknitz in dem heute zu Mecklenburg-Strelitz gehörenden Gebiet von Mannhagen. Das ist also die "terra Polaborum" Helmolds und Arnolds. Da wir nun durch das Zehntregister in der Lage sind, bis auf ein Dorf genau die Grenzen der "terrae" Gabebusch und Wittenburg - bei Boizenburg, das bedeutend geringer bevölkert gewesen zu sein scheint, erfahren wir nichts über die Grenzen - anzugeben, so erhalten wir für unsere Grafschaft eine bei so früher Zeit außerordentlich sichere Begrenzung. Doch müssen wir uns vor Augen halten, daß diese, wie bereits oben dargelegt wurde, erst allmählich sich herausgebildet hat und so, wie wir sie soeben gefunden haben, erst etwa um 1170 feststeht. 48 )


45) So erhielt z. B. Graf Heinrich II. von Dannenberg die Zehnten in den zum Ratzeburger Bistum gehörenden Ländern Jabel und Weningen. Gleichzeitig besaß er hier auch die Grafschaft, vergl. unten Kap. II.
46) M. U.-B. I, 221.
47) Ebenda Anmerkung und Person.-Reg. Bd. IV. - Vergl. unten.
48) Vergl. die Karte!
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Dies Gebiet war bis zu dem Eroberungszuge Heinrichs von Badewide im Winter 1138/39 in Händen des Slavenfürsten Pribislav gewesen. Als ihm dann Wagrien entrissen wurde, verlor er auch Poladien. 49 ) Dieses wurde jetzt, nachdem auf dem Tage zu Frankfurt (Mai 1142) Albrecht der Bär seine Ansprüche auf das sächsische Herzogtum hatte fahren lassen müssen, ein Lehen Heinrichs des Löwen. Und mit dessen Schicksal finden wir von jetzt ab das Heinrichs von Ratzeburg eng verknüpft, ohne daß wir mehr von irgendwelchen Beziehungen zu Albrecht dem Bären hören. Es ist das ein Grund mehr für die Richtigkeit der Annahme, daß diese auch vorher nie persönlicher, sondern lediglich politischer Natur gewesen waren. Er war abhängig nur vom sächsischen Herzogtum; doch diese Abhängigkeit wuchs mit dem Alter des jungen Herzogs. In seiner Begleitung finden wir von 1142 ab den Ratzeburger Grafen häufig. So in eben diesem Jahre zu Bremen, wo wohl nicht allein die Abgrenzung zwischen ihm und Adolf II. von Holstein, sondern auch ihre Aussöhnung stattfand. 50 ) In des Herzogs Gefolge treffen wir ihn auch im Jahre 1145 zu Magdeburg. Er ist hier samt seinen beiden Brüdern Helmold und Volrad Zeuge in einer Urkunde Konrads III., in der dieser einen Vertrag zwischen dem Magdeburger Domherrn Hartwig, dem späteren Erzbischof von Bremen, und dessen Mutter, der Markgräfin Richardis, einer- und dem Erzbischof von Magdeburg andererseits bestätigt, durch welchen letzterer sich verpflichtet, Hartwig zur Erlangung seiner Erbgüter in den Grafschaften Ditmarsen und Nortland behülflich zu sein. 51 ) Im folgenden Jahre finden wir Heinrich wieder in Bremen. Er ist hier Zeuge in einer Urkunde des Erzbischofs Adaldero von Bremen, der dem Kloster Neumünster den Zehnten der Marsch Bishorst überträgt und deren Grenzen bestimmt. 52 ) Auch dieses mehrfache Auftreten


49) Helm. I, 52; nach Kap. 49 S. 97 Anm. 5 war Pribislav ein Sohn Buthues. - Helm. I, 56 spricht zwar nur von einem Zuge nach Wagrien; doch geht die Richtigkeit der Darstellung aus den Verhältnissen hervor. Vergl. Bernhardt a. a. O. S. 318 Anm. 18.
50) Vergl. oben S. 14. - Der Grund, warum Bernhardi a. a. O. S. 318 Anm. 17 die Aussöhnung der beiden Grafen auf 1143 verlegt, will mir wenig einleuchtend scheinen.
51) Cod. Dipl. Anhalt. I, 324; hier angesetzt zwischen 13. März und 15. April, während sie Stumpf R.K. 3489 in den Januar verlegt. Vergl. Bernhardi S. 401 f.
52) Hasse, Regesten von Schleswig, Holstein und Lauenburg I Nr. 86. H. ist hier zwar nur als Heinricus comes unter den nobiles genannt; doch stimmen das M. B. I, 42 und das Hamburger U.-B. I, 169 mit (  ...  )
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in Bremen scheint dafür zu sprechen, daß der Ratzeburger Graf in der Nähe irgendwelche Besitzungen hatte. Über sonstige Beziehungen zum Erzbischof Adalbero erfahren wir nichts.

Leider hören wir auch nichts darüber, ob und in welcher Weise Graf Heinrich an dem großen Wendenkreuzzug beteiligt war, den im Jahre 1147 die deutschen Fürsten in Verbindung mit den Dänen, Tschechen und Polen unternahmen. Jedenfalls ging der Zug des nördlichen Heeres unter Heinrich dem Löwen über Ratzeburg. Denn nachdem man bei Artlenburg die Elbe überschritten hatte, ruhte man die erste Nacht in Pötrau, südwestlich von Ratzeburg. 53 ) Es wäre denkbar, daß man ihn zur Rückendeckung in Ratzeburg zurückgelassen hätte. Der Zug selber verlief bekanntlich unglücklich. Dennoch aber müssen wir wohl in ihm mit Ranke 54 ) einen der Faktoren Lehen, die zur Unterwerfung der Slaven und zur Kolonisation ihres Landes führten. Jedenfalls kann man vom Standpunkt der weltlichen Herren Haucks Urteil, der diesen Zug "das törichtste Unternehmen, das das 12. Jahrhundert kennt" nennt 55 ), nicht teilen. Daß er für die Missionsarbeit zunächst eher zerstörend als ausdauend wirkte, mag sein; doch war er vollkommen im Stile der ganzen Kolonisationspolitik dieser Zeit, der rück-sichtslosen Art eines Heinrichs des Löwen und Albrechts des Bären. Und sicherlich ist er nicht völlig nutzlos gewesen. 56 ) So konnten die beiden Grafen an der Slavengrenze, Adolf von Holstein und Heinrich von Badewide, seit dieser Zeit energischere Schritte als bisher zur Vertreibung der Slaven aus ihren Ländern tun.

Im Sommer 1149 finden wir beide wieder zusammen mit Heinrich dem Löwen auf dessen Rachezug gegen die Dietmarschen, die im Jahre 1144 den Grafen Rudolf von Stade erschlagen hatten. Sie halfen dem Herzog die trotzigen Bauern unterwerfen, deren Grafschaft dieser seitdem für sich in Anspruch nahm. Zum


(  ...  ) Hasse darin überein, daß darunter nur Heinrich v. Badewide verstanden werden könne. Und in der Tat ist ein anderer Graf Heinrich in dieser Gegend nicht bekannt. Auch wird diese Vermutung um so wahrscheinlicher dadurch, daß wir den Ratzeburger Grafen in einer andern Urkunde für Kloster Neumünster - Hasse I, 88, s. unten! - ausdrücklich als comes de Bodwide genannt finden, und zwar auch hier hinter Adolf von Holstein.
53) Daher schenkte der Herzog Pötrau dem Ratzeburger Bischof als curia episcopalis, Ratzeburger Zehntregister, M. U.-B. I, S. 377. - Vergl. Wigger in M. Jbb. 28, 60.
54) WeItgesch. VIII, 374.
55) Kirchengesch. IV, 604.
56) Übrigens erkennt in diesem Sinne auch Hauck seine große Bedeutung an; ebenda S. 608 oben.
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Dank für den glücklichen Verlauf des Zuges bestätigte der Herzog dem Kloster Neumünster, dem Sitz des großen Wendenmissionars Vicelin, auf dem Rückweg in Egenbüttel bei Pinneberg Ländereien an Wilster und Stör, die ihm Graf Adolf und andere Holsten geschenkt hatten. Hier wird auch comes Heinricus de Bodwide als Teilnehmer des Zuges unter den Zeugen genannt. 57 )

Inzwischen hatte in diesen Gegenden dank der eifrigen Tätigkeit Vicelins das Christentum solche Fortschritte gemacht, daß man an die Neueinrichtung der drei wendischen Bistümer denken konnte. Um nun den Streitigkeiten, die zwischen Heinrich dem Löwen und Erzbischof Hartwig von Hamburg-Bremen über die Investitur dieser Bistümer ausgebrochen waren, ein Ende zu machen, ließ sich der Herzog im Jahre 1154 von Kaiser Friedrich Barbarossa das Recht der Investitur in den Bistümern Oldenburg (Lübeck), Mecklenburg (Schwerin) und Ratzeburg sowie allen Bistümern, die er etwa in bisher noch heidnischen Gebieten einrichten würde, verleihen. 58 ) Noch im selben Jahre wurde als erstes der drei Bistümer Ratzeburg eingerichtet und der Propst Evermod vom Marien-Stift in Magdeburg auf Empfehlung Wichmanns dorthin als Bischof berufen. 59 )

Zu ihm stellte sich Graf Heinrich von Anfang an gut, sei es auf Wunsch seines Herzogs, sei es, weil er selbst erkannte, daß der Bischofssitz als Mittelpunkt des Christentums in seinem Lande auch ein Stützpunkt seiner Kolonisationspolitik sei. Damals verzichtete er auf die bereits erwähnten 300 Hufen seiner Grafschaft, mit denen das Bistum ausgestattet wurde. 60 ) Auch überließ er dem Bischof die Zehnten in der ganzen Grafschaft. Doch erhielt er von diesem den halben Zehnten als Lehen zurück, mit Ausnahme jedoch des Zehnten von den 300 Hufen, die frei von allen Abgaben blieben, und an denen der Graf keinerlei Anrecht behielt, und ebenso der curiae episcopales. Im übrigen konnten Bischof und Graf das Recht der Wiederverleihung des Zehnten in vollem Maße üben; nur mußten in jedem Dorfe mit zwölf oder mehr Hufen zwei Hufen, in jedem Dorf mit weniger als zwölf Hufen


57) Hasse I, 88, Urk. vom 13. Sept. 1149. Vergl. Bernhardt a. a. O. S. 716, der jedoch nach dem Vorgang Raumers fälschlich unter Heikenbutle Heisbüttel b. Hamburg als Ausstellungsort annimmt.
58) UnvolIzogene Urk., die wahrscheinlich im Juni 1154 zu Goslar ausgestellt wurde, MG Constitutt. I, S. 206 Nr. 147. Vergl. Hauck, Kirchengesch. IV, 613/617 u. Giesebr. R. Z. V, 36 u. 353 u. VI, 335.
59) Helm. I, 77. Arn. V, 7. Vergl. Hauck S. 618 u. Anm. 1. Simonsfeld, Jahrbb. unt. Friedrich. I. S. 278.
60) Siehe S. 18 f.
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eine Hufe zu "Settinke"-Recht, d. h. zehntfrei als Schulzenhof, verliehen werden. 61 ) So war Graf Heinrich auch Lehnsmann des Bischofs geworden. Und von Anfang an bestand, wie bereits erwähnt, zwischen ihm und Evermod das beste Einvernehmen. Helmold hebt ausdrücklich hervor, daß Graf Heinrich die 300 Hufen mit landesüblichem Maße ausgemessen habe und nicht wie Adolf von Holstein mit einem viel zu kleinen. In diesen Jahren wird es auch gewesen sein, daß Heinrich dem Bischof die Insel in dem Ratzeburger See, auf der bereits seine Burg stand, zum Wohnsitz gab, damit er im Schutze derselben um so ungestörter das Missionswerk treiben konnte. Denn solange der Bischofssitz sich in St. Georg am See befand, war er stets den Angriffen der Slaven ausgesetzt gewesen. In der Tat machte denn auch in ihrem Lande das Christentum weiterhin die besten Fortschritte, so daß Helmold schon zwei Jahre später von einer guten Vermehrung der Kirchen im Polabenland berichten kann, wobei er dem Eifer des Bischofs wie des Grafen gleiches Lob erteilt. 62 ) Hinter allem stand jedoch als treibende Kraft der Herzog;

ihn fürchteten die Slaven. Dafür ist außerordentlich bezeichnend das Wort des Obotritenfürsten Niklot, das er auf dem Landtag, den der Herzog zum Jahre 1156 nach Artlenburg berufen hatte, sprach. Der Herzog hatte hier die Slaven ermahnt, das Christentum anzunehmen. Darauf antwortete Niklot: "Mag der Gott, der im Himmel ist, dein Gott sein, du sei unser Gott. Verehre du jenen, wir wollen dich verehren." 63 ) Wahrscheinlich war es 1156, als Heinrich von Badewide den Herzog auf dem Zuge nach Friesland - wie es scheint, gegen die Rüstringer - begleitete, von dem er sich dann die zwei friesischen Gefangenen mitbrachte, von deren wunderdarer Errettung aus ihren Ketten Amold berichtet. 64 ) Und am Schluß desselben Jahres war er mit im Heere Heinrichs des Löwen, als dieser versuchte, den


61) Helm. I, 77. M. U.-B. I, 65 u. das Ratzeburger Zentreg. im M. U.-B. I, 375 Einltg. - Settinke hängt offenbar zusammen mit "setzen" - ansiedeln. Vergl. M. U.-B. IV Sachreg. S. 470. Der zinsfreie Schulzenhof des "locator" ist ja eine bekannte Erscheinung dieser Kolonisationsperiode, vergl. Schröder, Rechtsgesch. S. 433.
62) Helm. I, 84 Schluß Vergl. Arn. V, 7.
63) Helm. I, 84. Der eigentümlichen Auslegung, die Hauck K. G. IV, 619 u. Anm. 4 dieser Stelle gibt, vermag ich mich wegen des Zusammenhangs nicht anzuschließen. Wäre dies Wort sonst noch ein "verbum blasphemiae" gewesen?
64) Arn. II, 7. Vergl. über den Zug Heinrichs nach Friesland Annall. S. Petr. Erphesfurt. mai. ad 1156, Monument. Erphesfurt. S. 57 u. Giesebr. V, 111. Daß es um diese Zeit gewesen ist, beweist Arn.'s (  ...  )
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durch Barbarossa eingesetzten, jedoch bald vertriebenen Dänenkönig Sven wieder zurückzuführen. 65 ) Heinrich spielt hierbei eine etwas zweideutige Rolle. Saxo 66 ) berichtet uns nämlich, daß ihn Waldemar, Knud Lawards Sohn, der spätere Waldemar der Große, mehrfach durch Unterhändler habe bitten lassen, doch ja den Rückzug des Herzogs zu verhindern, da er, seines Sieges gewiß, ihn überfallen wolle. Hierzu habe den König seine nahe Verwandtschaft mit Heinrich bewogen. Doch diesem kamen offenbar Bedenken über eine so verräterische Handlungsweise gegenüber seinem Herzog. Als ihn dieser daher scherzend nach seinem "regulus", d. h.Waldemar, fragte, da wurde das sächsische Heer durch die Schilderungen Heinrichs von der Stärke des feindlichen Heeres an weiterem Vordringen verhindert, wenngleich Heinrich selber, getreu der Aufforderung seines Verwandten, zum tapferen Kampf riet. "So teilte er," sagt Saxo, "seine Treue zwischen den Bitten des Freundes und dem Befehl des Herzogs, um weder des einen Auftrag zu vernachlässigen noch durch Schweigen des anderen Sicherheit zu gefährden." Saxo hält offenbar diese. diplomatische Klugheit für ganz gerechtfertigt; wir vermögen sie leider mit der Treue eines Lehnsmannen nicht in Einklang zu bringen. Übrigens zeigt diese Erzählung, daß auch unter dem Gefolge des Herzogs nicht überall felsenfeste Treue zu finden war. - Saxo nennt hier Heinrich von Badewide zwar lediglich "Henricus, nobilis inter Saxones vir"; doch kann hier, schon nach den ganzen Beziehungen, nur an den Ratzeburger Grafen gedacht werden, den Saxo auch ein anderes Mal, wo nur der Ratzeburger Graf gemeint sein kann, einfach als Henricus bezeichnet. 67 ) So haben denn auch ältere Forscher darunter undedenklich Heinrich von Badewide verstanden. 68 )

Doch immer noch nicht konnten die Slaven zur Ruhe kommen, und gegen sie richtete sich fortwährend in erster Linie die Tätigkeit


(  ...  ) Zusatz, daß sich damals das Stift noch auf dem Sk. Georgs-Berg befunden habe. Es wurde dann in diesen Jahren auf die Insel verlegt.
65) Vergl. neben Saxo Helm. I, 84 u. Giesebr. V, 112, Dahlmann, Gesch. von Dänemark I, 268.
66) MG SS XXIX, 96.
67) Ebenda S. 111: "cum Dernardo quodam, Henrici filii."
68) v. Kobbe a. a. O. I, 136 ff., Suhm V, 549 u. VI, 226; während Christiani, Schleswig-Holstein. Gesch. I, 298 f. nur einfach fast wörtlich nach Saxo erzählt, ohne sich um die Ausdeutung irgendwie zu bemühen. - Falsch bezieht diese Erzählung auf Knud SimonsfeId, Jahrbb. S. 491 Anm. 233 u. ebenso Prutz, Heinr. d. L. G. 153, der von "verräterischen Slaven [!]" im Heere Heinrichs d. L. spricht.
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Heinrichs des Löwen und seiner Grafen. Als nun der Herzog im Jahre 1159 mit Barbarossa den zweiten Italienzug antrat, verpflichtete er die Slaven samt ihrem Führer Niklot, in seiner Abwesenheit mit Sachsen und Dänen - auf letztere hatten es die Wenden ganz besonders abgesehen - Frieden zu halten. Zur größeren Sicherheit befahl er, daß alle wendischen Piratenschiffe seinem Abgesandten in Lübeck ausgeliefert würden. Die Wenden jedoch lieferten nur ein paar alte untaugliche Schiffe zum Schein ab; mit den übrigen unternahmen sie, sobald der Herzog diesen Gegenden den Rücken gekehrt hatte, einen Einfall in Dänemark. Als dann Heinrich, der sich bei Crema vom Heere des Kaisers trennte, Anfang 1160 nach Sachsen zurückkehrte, berief er sofort einen Landtag für sämtliche "Markmannen", 69 ) deutsche wie slavische, nach Darvörde bei Hittbergen a. d. Elbe. Bis Artlenburg kam auch König Waldemar von Dänemark, um sich über die von den Slaven ihm zugefügten Unbilden zu beschweren. Und da diese selbst, ihrer Schuld sich wohl bewußt, nicht beim Landtag erschienen, so wurden sie vom Herzog geächtet und für die Erntezeit ein Heereszug gegen sie angeordnet. 70 ) Wieder ging man wie 1147 von zwei Seiten gegen sie vor; vom Westen Heinrich der Löwe und seine Grafen, vom Norden Waldemar von Dänemark. Doch diesmal mit besserem Erfolg. Mit Feuer und Schwert wurde das Land verwüstet. Was von den Sachsen nicht zerstört wurde, vernichteten Niklot und seine Söhne, an der Gnade des Herzogs verzweifelnd, selber. 71 ) Und zur Befestigung seiner Herr-schaft teilte Heinrich der Löwe ihr Land jetzt an deutsche Herren auf, nachdem Niklot, der ewig unruhige Slavenfürst, bei diesem Zuge erschlagen war. Jetzt stand der Ratzeburger Graf nicht mehr allein an der Slavengrenze; sondern der Herzog setzte hier eine Reihe von Herren seines Gefolges aus der Braunschweiger Gegend als Burgvögte ein, 72 ) vor allem den Edlen Gunzel von Hagen mit seinem Gefolge in der Burg Schwerin. Und während die übrigen Herren im Jahre 1167 ihr Land wieder an Niklots Sohn Pribislav, der das Christentum annahm, verloren, 73 ) entwickelte


69) "marcomanni" bei Helm. I, 87 S 171. Vergl. darüber ebenda S. 123 Anm. 2.
70) Helm. I, 87 S. 169/171.
71) Helm. I, 88. Annall. Palid. ad 1160, MG SS XVI, 92. Wenn diese erst im Anschluß hieran die Einsetzung der drei wendischen Bischöfe erzählen, so ist das zwar nicht genau; doch tatsächlich werden erst nach diesem Zuge einigermaßen Ruhe und Frieden hier eingetreten sein.
72) Helm. S. 173 zählt sie auf.
73) Helm. Kap. 103 S. 204.
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sich das Schweriner Gebiet dank der persönlichen Tüchtigkeit Gunzels zur mächtigsten Grafschaft im Wendenlande. Mit ihm zusammen finden wir fortan die Ratzeburger Grafschaft häufig genannt.

Im Anschluß an diesen Zug von 1160 wurden nun die Dinge im Slavenland endgültig geregelt. 74 ) Fußend auf dem ihm 1154 von Friedrich I. verliehenen Recht der Investitur ließ sich Heinrich der Löwe jetzt nach seinen Verdiensten auf dem zweiten Römerzug von den drei Bischöfen den Lehnseid leisten. 75 ) Jetzt stattete er auch das dritte der wendischen Bistümer, das Mecklenburger, nach dem Vorbild Ratzeburgs und Oldenburgs mit 300 Hufen aus. 76 )

Für einige Jahre herrschte jetzt Friede im Slavenland. 77 ) Bischöfe und Grafen wetteiferten in der Kolonisation des Landes, indem sie die Wenden veranlaßten, entweder deutscher Bebauungsweise sich anzupassen oder deutschen Ansiedlern Platz zu machen. Wie Adolf von Holstein Holländer, Friesen und Westfalen an Stelle der vertriebenen Slaven im Lande angesiedelt hatte, so zog auch Heinrich von Badewide jetzt zahlreiche Westfalen ins Land. Und auch die von Heinrich dem Löwen beim letzten Kriegszuge eroberten Burgen Ilow, Euscin, Malchow und vor allem Schwerin, Gunzels Sitz, mit ihrer Umgebung wurden von deutschen Ansiedlern besetzt. 78 ) Immer mehr wurden die Slaven zurückgedrängt. Wie hier die Grafen Heinrichs des Löwen, ging in der Altmark und in Brandenburg Albrecht der Bär rücksichtslos gegen sie vor und besiedelte das ihnen abgenommene Land mit Holländern, Seeländern und Flandern. 79 ) Von den Ansiedlern 80 ) im Polabenland und Obodritien berichtet uns Helmold, daß sie,


74) Helm. I, 88.
75) Schmeidler in seiner Ausgabe des Helm. S. 173 Anm. 7 meint, daß vielleicht jene Urk. von 1154 erst 1159 Heinr. d. L. übergeben sei. Ausführlich handelt über diese Frage Simonsfeld, Jahrbb. S. 227 Anm. Jedenfalls findet sich von einer förmlichen "Bestätigung", wie Giesebr. V, 353 meint, keine Spur.
76) Vergl. M. U.-B. I, 90 u. 96 die für Ratzeburg u. Lübeck gegebenen Urkk. vom Jahre 1169.
77) "Fuit igitur in diebus illis pax per universam Slaviam", Helm. S. 178.
78) Helm. Kap. 92 S. 178 u. S. 173. Vergl. O. v. Heinemann, Geschichte von Braunschw. -u. Hannov. I, 223 ff. -u. Giesebr. V, 354; Wigger a. a. O. 120/21.
79) Helm. Kap. 89, S. 174.
80) Diese sind bei Helm. Kap. 92 offenbar unter den Polabi u. Obotriti verstanden; denn die Slaven gaben ja den Zehnten nicht.
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obwohl mitten unter Slaven wohnend - Helmold vergleicht sie deswegen mit den drei Männern im feurigen Ofen -, dennoch ihrer Verpflichtung gegen die Kirche durch regelmäßige Zentzahlung nachkamen im Gegensatz zu den Holsten in Wagrien, deren Land früher kolonisiert und also ertragreicher war. 81 )

Jener Kriegszug von 1160 bildet überhaupt einen bedeutsamen Einschnitt in der Geschichte der Wendenlande. Voll Stolz datierte Heinrich der Löwe nach ihm die Urkunde, durch die er im Jahre 1162 dem Propst und den zwölf Domherren in Ratzeburg 27 Mark aus dem Zoll zu Lübeck verlieh. 82 ) Diese Urkunde ist noch deshalb von besonderer Bedeutung für uns, weil wir aus ihr erfahren, daß Heinrich von Badewide auch Vogt der Kirche zu Ratzeburg war, ein Verhältnis, über das wir sonst nichts wissen. 83 ) Neben Graf Heinrich ist hier auch sein Sohn Bernhard Zeuge. Dieser, der zum erstenmal im Jahre 1161 in Braunschweig als Zeuge bei einer Verleihung Heinrichs des Löwen an Kloster Riddagshausen auftritt, 84 ) wird von jetzt ab bereits mehrfach in den Urkunden neben seinem Vater genannt. Auch er wird schon jetzt als "comes" bezeichnet, ein Beweis, daß dies Wort seine ursprüngliche Bedeutung bereits völlig verloren hatte und lediglich ein Titel war. Beide, Vater und Sohn, finden wir im selben Jahre noch einmal als Zeugen genannt, als Erzbischof Hartwig Elbe und Bille zu Grenzen des Ratzeburger Bistums bestimmt. 85 )

Im Juli des folgenden Jahres finden wir Heinrich zusammen mit Heinrich dem Löwen bei der Einweihung der Marienkirche in Lübeck, wohin der Herzog eine glänzende Versammlung geistlicher und weltlicher Herren berufen hatte. 86 ) Auch Erzbischof


81) Ebenda S. 179 u. 181.
82) M. U.-B. I, 74: "in secundo anno, postquam perfidam gentem, Slavos videlicet, propicia divina misericordia, bellica virtute mee sudieci ditioni". Vergl. Wigger a. a. O. S. 123/24, der als Ausstellungsort Lüneburg annimmt. - Übrigens ist die Indiktion der Urk. falsch; es ist die X.
83) Das "ibidem advocati" der Urk. bezieht sich natürlich auf Ratzeburg und nicht etwa auf das zunächststehende Ullessen.
84) Origg. Guelficae III praef. S. 36. Wenn Wiggier a. a. O. S. 123 ihn schon jetzt unter die "Hauptbefehlshaber in Mecklenburg" rechnet, so ist das nicht richtig; für Ratzeburg ist das einstweilen noch Heinrich.
85) M. U.-B. I, 75. Von einer "Erweiterung" des Ratzeburger Sprengels, wie Philipps, a. a. O. II S. 35 meint, ist hier nicht die Rede, es handelt sich lediglich um die feste Abgrenzung.
86) M. U.-B. I, 78. Vergl. Helm. S. 185/86; Annall. Palidens. MG SS XVI, 91 ad 1163. Die Urk. trägt zwar weder Monats- (  ...  )
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Hartwig war hier anwesend, und nach zehnjähriger Feindschaft söhnte er sich jetzt mit dem Herzog aus. - Bei dieser Gelegenheit wird auch der Inhalt der im Lüb. U.-B. II, l Nr. 6 und 7 S. 8-11 abgedruckten beiden Urkunden festgestellt sein, so daß, wenn Graf Heinrich von Ratzeburg in diesen angeblich zu Verden im Jahre 1164 am 12. Juli ausgestellten Urkunden als Zeuge fungiert, daraus für den terminus ad quem leider nichts zu schließen ist. Wir können sie als letzte urkundliche Nachricht für den ersten Ratzeburger Grafen, so wichtig das gerade in unserem Falle wäre, daher nicht benutzen, wie das noch zuletzt Schmeidler in seiner Ausgabe des Helmold getan hat. 87 ) Denn da Herzog Heinrich am 7. Juli 1164 in Demmin war und von dort weiter ins Slavenland in der Richtung auf Stolp vordrang, 88 ) konnte er nicht am 12. Juli in Verden sein. Auch wird in der Urkunde Nr. 7 der am 6. Juli bei Verchen gefallene Graf Adolf von Holstein 89 ) als Zeuge genannt. Andererseits ist es doch höchst wahrscheinlich, daß Urkunden, die für die Domherren zu Lübeck gegeben wurden, eben bei der Stiftung des Doms festgestellt sind, zumal die Zeugenreihen der beiden Urkunden mit jener im M. U.-B. I, 78 große Ähnlichkeit haben. Auch weisen annus regni wie annus imperii auf 1163 hin. 90 ) Als letzte urkundliche Nachricht über Graf Heinrich von Ratzeburg haben wir vielmehr die im U.-B. d. Stadt Lübeck I S. 4/5 abgedruckte Urkunde Heinrichs des Löwen anzusehen. Danach ist er am 18. Oktober 1163 auf dem Landtag in Artlenburg zugegen, als der Herzog den Streit zwischen Deutschen und Goten auf Gotland schlichtet und den Goten die ihnen bereits von Kaiser Lothar gewährten "Friedens- und Rechtsbestimmungen" bestätigt. 91 )


(  ...  ) datum noch Ausstellungsort; doch geht beides aus dem Inhalt und der Zeugenreihe hervor. Vergl. auch Hasse I, 112 Anm., der zwar das Datum nach dem 13. Aug. 1163 setzt, aber auch meint, daß die Zeugen als Zeugen des Aktum anzusehen seien.
87) A. a. O. S. 200 Anm. 6.
88) Helm. S. 198/99.
89) Siehe unten.
90) Vergl. die Anm. Leverkus' im Lüb. U.-B. u. M. U.-B. I, 82 Anm. und Hasses ausführliche Darlegung a. a. O. I, 112 Anm. Schwierigkeit macht nur das "comite Atholfo felicis ac pie memorie" in Nr. 6; doch erklärt sich das wohl als ein Zusatz der späteren Ausfertigung.
91) Auch die Einordnung dieser Urk. macht große Schwierigkeit wegen ihrer eigentümlichen Datierung und weil der bereits am 13. Aug. 1163 verstorbene Bischof Gerold hier noch als Zeuge genannt wird. Die Urk. ins Jahr 1161, wofür die Jahre des Königs- und Kaiserreiches (  ...  )
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Würde man Saxo Grammaticus folgen, so wäre auch Heinrich von Ratzeburg im Jahre 1164 zusammen mit Adolf II. von Holstein, Gunzel von Schwerin und Keinold von Dithmarschen von Heinrich dem Löwen bei seinem Zuge gegen Pribislav und die Pommernfürsten Kasimir und Boigislav nach Verchen vorausgeschickt, wo dann am 6. Juli bekanntlich Adolf und Keinold ihren Tod fanden. 92 ) Allein, hier liegt ganz offensichtlich eine Verwechslung mit Graf Christian von Oldenburg vor. Helmold, der den ganzen Verlauf dieses Zuges sowie den Überfall bei Verchen sehr ausführlich und viel genauer als Saxo schildert, erwähnt den Grafen von Ratzeburg mit keiner Silbe, 93 ) was um so auffälliger wäre, falls Heinrich mit bei Verchen war, weil Helmold, wie bereits erwähnt, dem Ratzeburger Grafenhause sehr nahe stand. Dafür nennt er Graf Christian von Oldenburg an den Stellen, wo Saxo Heinrich von Ratzeburg hat. 94 ) Es ist doch wohl natürlich, daß man dem Geschichtsschreiber, der den Dingen örtlich wie zeitlich am nächsten steht, den Vorzug gibt. 95 )

Offen bleibt dabei die Frage, ob Heinrich beim Gros des Heeres in Malchow zurückblieb oder überhaupt an diesem Zuge nicht teilnahm. Möglich, daß er gerade während dieses Zuges jene Gesandtschaft ausführte, von der Saxo SS XXIX, 121 spricht. Danach soll er nämlich von Heinrich dem Löwen zusammen mit dem Lübecker Bischof Konrad 96 ) an König Waldemar geschickt sein, um des Herzogs zweite Tochter mit Waldemars Sohn Knud zu verloben und ihm dadurch die Freundschaft des Dänenkönigs wieHerzugewinnen, die er nötig hatte, um die Slaven in Schach zu halten. Saxo erzählt dies zwar im Zusammenhang von Er-


(  ...  ) sprechen, zu setzen, geht nicht, da Heinr. d. L. in diesem Jahre mit dem Kaiser in Italien war; Philipps. I, 381. Vergl. D. Schaefer, Die Hansestädte und.König Waldemar S. 40; M. U.-B. I, 79 Anm. u. Philipps, a. a. O. II, 415. - Vielleicht gestattet Helm.'s Ausdruck S. 186 ,,Dux vero ordinatis rebus in Saxonia profectus est in Davariam" die Beziehung auf diesen Landtag vom Jahre 1163.
92) Saxo MG SS XXIX, 115.
93) Helm. Kap. 100 S. 195/99. Vergl. Giesebr. K. Z. V, 508/09; Prutz a. a. O. S. 210.
94) Das übersieht von Breska, Forschgg. z. deutsch. Gesch. XXII, 592 Anm. 1 u. 593, der hier Saxo Glauben schenkt. Eine Vergeßlichkeit Helm.'s in diesem Falle halte ich für ausgeschlossen.
95) Als Beweis für die geringere Zuverlässigkeit Saxos in diesem Falle mag noch angeführt werden, daß er hier Keinold v. Dithmarschen nur als "Regnaldum quendam" bezeichnet.
96) Saxo nennt zwar den Namen nicht, allein da Gerold 1163 gestorben war (Helm. S. 186/87), kann nur Konrad in Frage kommen.
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eignissen des Jahres 1167. Allein, dies Jahr ist völlig ausgeschlossen. Denn erstens lag um diese Zeit der Herzog im Streit mit Bischof Konrad wegen der Investitur, 97 ) und zweitens lebte, wenn nicht alle Anzeichen trügen, Heinrich von Ratzeburg im Jahre 1167 nicht mehr, worauf wir gleich zurückkommen werden. Nun ist schon v. Kobbe a. a. O. S. 150 Anm. 2 der Versuch gemacht worden, diese Gesandtschaft ins Jahr 1164 zu setzen, indem er annimmt, daß Saxo sie mit der von ihm selber auf S. 115 zum Jahre 1164 erzählten Verlobung der ersten Tochter Heinrichs des Löwen, Richenza, und mit der von Helmold auf S. 217 und den Annalen von Stade zum Jahre 1171 erzählten Verlobung mit der zweiten Tochter Heinrichs, Gertrud, der Witwe des Grafen Friedrich von Rothenburg, verwechselt habe. Zu demselben Resultat gelangt dann, und zwar, wie es scheint, vollkommen unabhängig von v. Kobbe, von Breska in den Forschungg. z. deutsch. Gesch. XXII, S. 590/94. 98 ) Und wenn man auch zugeben muß, daß immer noch Zweifel bestehen bleiben, so steht man doch vor der Wahl, entweder Saxos Bericht ganz zu verwerfen oder diese Gesandtschaft des Grafen Heinrich ins Jahr 1164 zu setzen. Man könnte dann annehmen, daß Graf Heinrich nach seiner erfolgreichen Sendung 99 ) bei seinem Verwandten Waldemar geblieben sei und in seinem Heere jenen Wendenfeldzug mitgemacht habe und daß auf diese Weise, da Helmold nur von einem Zusammentreffen Waldemars mit Heinrich dem Löwen spricht, sein Schweigen über eine Teilnahme Heinrichs von Ratzeburg zu erklären ist.

Noch im selben Jahre scheint dieser dann gestorben zu sein. Denn von 1164 an nennt Helmold als Grafen von Ratzeburg stets Bernhard. Selbst bei der Verteidigung des Ratzeburger Landes gegen die Slaveneinfälle unter Pribislav wird Heinrich nicht mehr erwähnt. 100 ) Und so dürfen wir wohl seinen Tod auf 1164 setzen. 101 ) Von seinem Sohn und Nachfolger Bernhard I. wurde ihm in Ratzeburg an der Grenze des Domhofes


97) Helm. Kap. 105 S. 205.
98) Ähnlich auch noch Wigger a. a. O. S. 156 Anm. 1. Daß die Verlobung Gertruds von Saxo "antizipiert" sei, meint auch Simson in den Anmerkungen zu Giesebr. Bd. V, Giesebr. K. Z. VI, 456. Giesebr. selber setzt jene Gesandtschaft an auf 1164/66, ebenda V, 511/12, was mit unserer Ansicht zusammentrifft.
99) Siehe Helm. Kap. 100 S. 195 u. Saxo S. 115 ff.
100) Helm. S. 200 u. S. 201: "Cuius [sc. Pribizlavi] exitum observantes Guncelinus atque Bernhardus pugnadant et ipsi de insidiis."
101) Das geschieht richtig bei v. Breska a. a. O. S. 593 und Schmeidler, Helm.-Ausg. S. 179 Anm. 2 u. S. 200 Anm. 6. Die An- (  ...  )
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ein Denkstein gesetzt, der noch heute dort steht und in Stein das Verdienst des ersten Ratzeburger Grafen um die Begründung des Christentums in seinem Lande bezeugt. 102 )


(  ...  ) nahme des M. U.-B. I, 86, daß Graf H- noch 1166 gelebt habe, beruht auf der irrigen Annahme, daß jene Gesandtschaft nach Dänemark 1166 stattgefunden habe. - Jeder Begründung entbehrend ist die Angabe Risches, daß Graf Heinrich 1166/67 gestorben sei, in "Nachträge und Berichtigungen zum M. U.-B.", Ludwigsluster Progr. 1905 Nr. 34, einer recht nachlässig gearbeiteten und unzuverlässigen Abhandlung.
102) Form und Inschrift des Steins M. U.-B. I, 86; vergl. die Anmerkung. Vergl. auch Helm. S. 179: "Et plantatum est opus Dei temporibus Heinrici in terra Polaborum", u. Arn. V, 7.