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I.

Geschichte der Grafen von Ratzeburg

und Dannenberg

von

Dr. Wilhelm Meyer = Seedorf.

Vignette
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Diese Abhandlung hat im Sommer 1910 der philosophischen Fakultät der Universität Berlin zwecks Erlangung der Doktorwürde vorgelegen; die erste Hälfte des Kapitel I ist im Dezember 1910 als Inaugural=Dissertation erschienen.

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Einleitung.

Einer der bedeutendsten Abschnitte der Geschichte Deutschlands im Mittelalter ist das 12. Jahrhundert. Überall spürt man frisches Leben und mutige Tatkraft, es ist ein Höhepunkt in der Poesie wie in der politischen Stellung Deutschlands. Es ist die Zeit Friedrich Bardarossas, die Zeit der größten Macht deutscher Kaiserherrlichkeit vor ihrem tiefsten Sturze. Überall regt sich ein Tatendrang und ein suchen neuer Ziele sondergleichen. Die alte Heimat wird zu enge; der Blick deutscher Fürsten und Ritter richtet sich in die Ferne, wo ihrem Tatendrang und ihrer Kampfeslust erwünschte Ziele zu winken scheinen. Nach dem gelobten Land wie nach der heidnischen Küste des baltischen Meeres richtet man den Blick, um den Drang nach mutiger und zugleich - im Sinne der Kirche - verdienstvoller Tat befriedigen zu können.

Doch zum Glück wird nicht all die frisch sich regende Kraft bei der Ausführung so weitschweifender Pläne, die zum guten Teil nur einer romantischen Abenteurerlust entspringen vergeudet. Zum Glück für Deutschland finden sich daneben kühler und klarer deutende Köpfe, die bei gesundem Ehrgeiz ihrem Tatendrang näherliegende und praktischere Ziele wissen. Das 12. Jahrhundert ist nicht allein die Zeit der Kreuzzüge und verlustreicher Italienfahrten, es ist auch das Jahrhundert harter und blutiger Kämpfe um Teile des deutschen Reiches, die, einst von Germanen bewohnt, seit vielen Jahrhunderten von fremden, slavischen Völkern besetzt waren, es ist die Zeit der bedeutendsten und folgenreichsten Kolonisation, die je in Deutschland stattgefunden hat. Zwei Männer ragen da vor allen hervor, die zwar nach Wesen und Stellung weit verschieben und untereinander Rivalen waren, deren Wirkung jedoch die gleiche gewesen ist, Albrecht der Bär und Heinrich der Löwe, die ja auch bereits der Volksmund in richtigem Gefühl seit alters zusammen nennt. Zwar ist die kolonisatorische Tätigkeit des Daltenstedter Grafen von stetigerem Erfolg gekrönt worden als die des herrschsüchtigen und gewalttätigen Sachsenherzogs, der

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schließlich an einer Überspannung seines Machtstrebens scheiterte. Dennoch hat dieser auf Mit- wie Nachwelt stets die ungleich größere Wirkung ausgeübt, und bei der Vernichtung slavischen Wesens in diesen Gebieten muß ihm zweifellos der Vorrang eingeräumt werden. 1 )

Zwar war es nicht das erste Mal, daß man hier an der Elbe die Slaven aus den Sitzen, die sie zur Zeit der Völkerwanderung mühelos erworben hatten, wieder zu verdrängen suchte. Bekannt sind die Kämpfe Heinrichs I. sowie der folgenden Sachsenkönige. Doch kann von einer nachhaltigen Wirkung derselben nicht die Rede sein. In den hundert Jahren, die zwischen dem Tode Heinrichs II. und der Zeit des sächsischen Herzogtums Lothars von Supplingenburg liegen, waren hier im Slavenlande die Spuren germanischer Kultur und christlicher Mission ziemlich restlos getilgt. Begonnen war dann freilich eine tatkräftige Kolonialpolitik bereits durch Lothar, den Großvater Heinrichs des Löwen, der in seiner Hand mit dem Erbe Ottos von Nordheim und dem Herzogtum der Billunger eine ansehnliche Macht vereinigte und den Slaven gegenüber eine achtunggebietende Stellung einnahm.

Aber die eigentliche Wirkung und in gewisser Weise ein Abschluß dieser Politik wurde erst durch Heinrich herbeigeführt. Nach einigen blutigen "Kreuzzügen" wurde von ihm in diesen Gegenden soweit Ruhe und Ordnung geschaffen, daß man an eine endgültige Regelung der drei wendischen Bistümer Lübeck, Ratzeburg und Schwerin denken konnte. Und es ist gewiß kein Zufall, daß sämtliche Klöster dieser Gegenden, außer dem 1136 von Lothar zu Segeberg gegründeten, zur Zeit oder nach der Zeit Heinrichs des Löwen entstanden sind. 2 ) Und diese Stellung verdankte er allein seinem tatkräftigen und folgerichtigen Vorgehen, indem er sich für die von Lothar ererbte Herzogsgewalt durch Erwerb von Landbesitz, gräslicher und vogteilicher Rechte im Herzogtum Sachsen sowie durch umfangreiche Eroberungen im Slavenlande einen realen Untergrund schuf. 3 ) Und dadurch, daß er das bereits


1) Vergl. Helmolds Wort: "Allein vor dem Herzog haben sie [die Slaven] Respekt."
2) Vergl. das Verzeichnis der Stifter und Klöster bei Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands IV, S. 976/77. - Übrigens verdankte auch das Kloster zu Segeberg, das im Jahre 1138 von Pribislav wieder zerstört war, seine Blüte erst Heinrich dem Löwen. Vergl. Helmold, I, 55 S. 107.
3) Vergl. L. Weiland, Das sächsische Herzogtum unter Lothar und Heinrich dem Löwen, S. 90.
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unter Lothar zu beobachtende Verfahren, Grafschaften an Edelherren erblich zu erteilen und so Herzogstreue, willfährige Dynastengeschlechter zu schaffen, im ausgedehntesten Maße anwandte, erlangte er eine große Zahl anhänglicher und ergebener Vasallen.

Denn der Begriff des Komitats hatte sich seit den Zeiten der Karolinger völlig geändert. Nicht mehr war der Graf bloß richterlicher Beamter, sondern längst war dieser Titel Ausdruck einer hervorragenden Stellung geworden. Sei es, daß diese auf großem Grundbesitz, sei es, daß sie auf persönlichem Ansehen beruhte. Seit dem 10 Jahrhundert war daher die Entwicklung des Amtsbezirkes zur Territorialität und die völlige Neubildung von Grafschaften in vollem Gange, die dann im Herzogtum Sachsen unter Heinrich dem Löwen und seinen nächsten Nachfolgern zum Abschluß kam. Doch ist ein Unterschied zu machen zwischen den jetzt entstehenden Grafschaften. Während in dem westlichen und mittleren Teil des Herzogtums die neuen Grafengeschlechter zum guten Teil dadurch entstanden, daß der Herzog vorher reichsunmittelbare Grafschaften, die infolge Aussterbens ihrer Inhaber an ihn gefallen waren, an Leute vergab, die jetzt als Vize- oder Untergrafen von ihm abhängig waren, 4 ) muß das Wesen der östlichen Grafschaften an der Slavengrenze links wie rechts der Elbe von dem Gesichtspunkt der Kolonisation aus verstanden werden. Zwar, die Stellung der Grafen zum Herzog und damit zum Reich ist dieselbe wie in den westlichen Gebieten, sie sind Lehngrafen des Herzogs. Doch ihre Aufgabe, der Grund für ihre Schaffung ist ein anderer. Hier handelt es sich nicht um Gebiete, die von Deutschen bewohnt sind, oder in denen gar die Einrichtung des Grafenamts seit alters besteht. 5 ) Sondern hier werden Grafen eingesetzt, um die neueroberten Gebiete mit Deutschen zu besiedeln oder doch nach deutscher Art zu kolonisieren, indem sie den Wenden die überlegene deutsche Bestellungsart aufzwingen. Ihr Zweck ist, die mit dem Schwert eroberten Gebiete durch friedliche Kultur für den Herzog festzuhalten und allenfalls - das trifft jedoch


4) Vergl Weiland ebenda S 102/03. Siehe hier auch Beispiele für diese Art der Entstehung neuer Grafengeschlechter.
5) Auch die Angabe Wedekinds, Noten zu einigen Geschichtsschreibern des Mitteralters, Bd II, Note 46, daß bereits die Billunger die Grafschaft in Drawehn ausgeübt hatten. Spricht nicht dagegen, daß dieser Begriff für die Zeit Heinrichs des Löwen hier etwas völlig Neues ist. Denn offenbar ist hier die Herrschaft der Billunger nur eine nominelle. sicherlich keine irgendwie nachhaltige gewesen, da sich auch nicht die geringste Spur davon erhalten hat.
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nur für die rechtselbischen Gebiete zu - durch Kleinkriege, zu denen jedoch meist die Wenden selbst den Anlaß geben, zu erweitern. 6 ) Man würde also das Wesen dieser Grafen vielleicht am besten treffen mit der Bezeichnung als Kolonisationsgrafen. Ein solcher Kolonisationsgraf war bereits der von Herzog Lothar im Jahre 1110 als Graf von Holstein eingesetzte Adolf von Schauenburg. Und als Kolonisationsgrafen in diesem Sinne haben wir die um die Mitte des 12. Jahrhunderts an der Slavengrenze auftauchenden Grafen von Osterburg, Lüchow, Schwerin, Ratzeburg und Dannenberg anzusehen. Die Geschichte der beiden letztgenannten Grafschaften von ihrer Entstehung bis zu ihrem Übergang in größere Staatsgebilde zu schildern, ist das Ziel der folgenden Darlegungen.


6) Diese ursprüngliche Bestimmung geht schon aus der Bezeichnung hervor, die der um 1160 von Heinrich dem Löwen mit dem Schweriner Gebiet belehnte Gunzel von Hagen bei Helmold führt. Bis zum Jahre 1166 nennt ihn dieser nicht etwa comes. sondern "praefectus terrae Obotritorum"; Helm. a. a. O. S. 178 30 ; 182 1 ; 192 20 .
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Kapitel I.

Geschichte der Grafen von Ratzeburg.

Der Name Ratzeburgs begegnet schon früh in der historischen Literatur. Zum erstenmal, soweit ich sehe, in dem Werk, dem wir überhaupt die erste genauere Kunde dieser Gegenden verdanken, in der Kirchengeschichte Adams von Bremen. Hier heißt es in dem berühmten 18. Kapitel des zweiten Buches bei der Aufzählung der wendischen Völker: "Item versus nos Polabingi, quorum civitas Razispurg". 1 ) Wir lernen also bereits hier, d. h. um das Jahr 1070, Ratzeburg als eine wendische Siedlung kennen. Nicht ganz eindeutig ist dabei die Bezeichnung als "civitas", worunter wir keinesfalls eine Stadt im späteren Sinne verstehen dürfen. Ratzeburg wird sich von den übrigen Siedlungen der Polabinger oder Polaber, wie sie später bei Helmold und Arnold genannt werden, vor allem durch die Burganlage eines wendischen Häuptlings unterschieben haben, weshalb es Adam denn auch an einer andern Stelle - Buch III, Kap. 19 - als "urbs" bezeichnet. Vor allem auf dieser Eigenschaft als Sitz des Anführers wird seine Bedeutung als Hauptort im Polabenlande, als civitas Schlechthin, beruht haben. Im 19. und 20. Kapitel des dritten Buches erzählt uns Adam dann, wie durch die eifrige Fürsorge des großen Erzbischofs Abalbert von Bremen und des Wendenfürsten Gottschalk um 1060 ebenso wie im wagrischen Oldenburg und in Mecklenburg auch in Ratzeburg das Christentum festen Fuß faßte, daß hier Klöster entstanden, ja sogar ein Bischofssitz in Ratzeburg eingerichtet und dem Griechen Aristo übertragen wurde. 2 ) In sehr willkommener Weise werden diese literarischen Nachrichten durch eine fast gleichzeitige urkundliche ergänzt und bestätigt. Im Jahre 1062 verleiht zu Köln Heinrich IV. auf Wunsch der Erzbischöfe Anno von Köln und Abalbert von Hamburg (-Bremen), die auf diese Weise einen festen Schutz des Christentums gegen die Obotriten zu erhalten hofften, 3 ) dem Herzog Otto


1) Adami Gesta, Schulausgabe, S. 53.
2) Vergl. Hauck Kirchengeschichte Deutschlands III, S. 656/57.
3) Vergl. Philippson, Heinrich der Löwe I, 85.
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von Sachsen "quoddam castellum Razesburg dictum in eius-dem ducis Ottonis marchia et in pago Palobi situm" mit allen Rechten und Besitzungen, wie sie mit einer solchen Verleihung verbunden zu sein pflegten. Gleichzeitig bestimmt er:

"Habitatores vero terre eiusdem castelli decimam deo et episcopo, in cuius parochia supradictum castellum situm est, digne per omnia offerant." 4 )

Aus beidem ersehen wir, daß Ratzeburg um diese Zeit sowohl für die Macht des sächsischen Herzogs in der slavischen Mark wie für die Slavenmission ein wichtiger Stützpunkt war. Diese verheißungsvollen Anfänge christliccer Mission und damit auch einer höheren Kultur des Gesamtlebens im Wendenlande wurden jedoch infolge der Stürme, die nach der Ermordung Gottschalks im Jahre 1066 über dies Gebiet dahinbrausten, völlig vernichtet. Die zerrüttenden Bürgerkriege in Deutschland und die Schwäche des sächsischen Herzogtums ermöglichten es den Slaven, noch einmal wendische Religion und wendisches Recht bis zur Elbe hin wieder aufzurichten. Erst 80 Jahre später beginnt hier unter Heinrich dem Löwen von neuem germanische Kultur und Hand in Hand damit die Ausbreitung des Christentums. Und zwar geht man diesmal so zielbewußt und sachgemäß vor, daß seitdem alle diese Gebiete auf immer deutscher Sitte und deutschem Recht gewonnen sind. Und neben der Grafschaft Holstein, die seit 1110 das stets hervorragend tüchtige Haus der Schauenburger innehatte, und neben der Grafschaft Schwerin, die von Heinrich dem Löwen im Jahre 1160 eingerichtet und Gunzel von Hagen übertragen wurde, in dessen Familie sie dann bis über die Mitte des 14. Jahrhunderts blieb, ist es vor allem die Grafschaft Ratzeburg und das Haus Badewide, das hier rechts der Elbe nicht nur die Grenzwacht hielt, sondern auch tätig und mit Erfolg eine sachgemäße Kolonisation und Siedelung im Slavengebiet betrieben hat.

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Heinrich von Badewide (Bode) 1142(38)-1164.

Zum erstenmal begegnen wir dem Namen Heinrichs von Badewide, des Begründers des Grafenhauses von Ratzeburg, in den Wirren und Kämpfen, die sich nach dem Tode Lothars von


4) M. U.-B. I Nr. 27; vergl. Stumpf, Reichskanzler, Nr. 2607. - Palobi ist wohl ein Schreib- oder LesefehIer für Polabi. - Darauf, daß hier "pagus" nicht als "Gau" in altem Sinne aufzufassen ist, sondern lediglich als "Gebiet", macht schon von Kobbe, Geschichte und Landesbeschreibung des Herzogtums Lauenburg I, S. 76, Anmerkung 8, aufmerksam.
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Supplingenburg zwischen dem welfischen und dem askanischen Hause um das sächsische Herzogtum erhoben. Im Jahre 1138 hatte sich Albrecht der Bär, dem auf dem Tage zu Würzburg bekanntlich von Konrad III. an Stelle des geächteten Heinrichs des Stolzen das Herzogtum Sachsen verliehen war, Lüneburgs, Bardowieks und Bremens bemächtigt. 5 ). Da fielen auch die Nordelbinger, d. h. die Holsten und Stormarn, zu ihm ab und vertrieben ihren Grafen Adolf, den zweiten aus dem Schauenburger Hause, weil er ein treuer Anhänger Heinrichs des Stolzen und dessen Schwiegermutter, der Kaiserin Richenza, war, durch deren Gemahl sein Vater die Grafschaft erhalten hatte. An seiner Stelle setzte jetzt Albrecht der Bär Heinrich von Badewide ein. So berichtet uns Helmold in seiner Slavenchronik Buch 1, Kapitel 54. 6 ) Über Heinrichs Herkunft erfahren wir von Helmold nichts; doch nennt ihn Arnold von Lübeck, Helmolds Fortsetzer, in seinem Abriß der Geschichte des Ratzeburger Grafenhauses, Buch V, Kapitel 7, einen ".nobilis et illustris vir". Und auch in den wenigen Urkunden, in denen er genannt wird, wird er mehrfach als "nobilis" bezeichnet. 7 ).

Die Verbindung mit Albrecht dem Bären, in der wir ihn hier finden, hat ältere Forscher auf den, freilich naheliegenden, Gedanken gebracht, seine Heimat in der Nähe von Anhalt zu suchen. So haben sie ihn aus Thüringen stammen lassen und ihn mit dem Hause Orlamünde in enge Beziehung gesetzt. 8 ). Dem hat schon v. Kobbe in seiner "Geschichte und Landesbeschreibung des Herzogthums Lauenburg" I, S. 116/17 widersprochen; doch folgt er dann selbst, auf eine eigne eingehende Untersuchung dieser Frage verzichtend, der Ansicht v. Wersedes "Niederländische Kolonien", der die Heimat Heinrichs von Babewide in Odersachsen sucht. 9 ). Demgegenüber hat Freiherr W. von Hammerstein, einer der besten Kenner dieser Verhältnisse und besonders in genealogischen Dingen


5) Vergl neben Helmold I, 54 S. 105 f. die Chronica regia Colomensis ad 1138, SchuI-Ausg. S 75 und Annales Patderbrunnens. ad 1138, Scheffer Boichorst S. 167. Siehe auch Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. IV, 178
6) "Cometiam ems eius [sc. Adolfi] urdes et servitia Heinricus de Badwide deneficio Abalderti assecutus est.
7) So Codex Diplomaticus Anhaltinus I Nr. 292, s. dazu unten S. 14 Anm. 25; M. U.-B. I Nr. 42 u. 375.
8) Siehe darüber v. Kobbe a. a. D. I, 117 Anmerkung 5. - M. Philippson, Heinrich der Löwe, I S. 73, läßt ihn trotz der Ausführungen v. Hammersteins - s. Text - aus dem Geschlechte der Ballenstedter Grafen stammen.
9) Siehe v. Kobbe ebenda S. 118 und Anmerkung 8.
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Sehr bewandert, in der "Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen" 1853 S. 233/39 und 1855 S. 355/63 10 ) nachgewiesen, daß Heinrich von Badewide aus dem Lüneburgischen, und zwar aus Bode bei Ebstorf stammt. Das wird erwiesen durch die Übereinstimmung der Namensform. Bode findet sich nämlich nach v. Hammerstein im Mittelalter stets erwähnt als Bodwede oder Botwede. Ebenso wechselt die Namensform bei dem "Badwide", mit dem Heinrich bei Helmold genannt wird, indem ihm ein "Bodwide" bei Arnold, und in Urkunden ein Bodewede, Botwede, Botwide oder gar Botwidel zur Seite steht 11 ). Daß Heinrich außer Bode noch andere Güter in der Nähe Ebstorfs besessen habe, wird erwiesen durch die im M. U.-B. I, 200 abgedruckte Urkunde, die von den Herausgebern auf etwa 1210 angesetzt wird 12 ). Hier verkauft nämlich der Propst und spätere Bischof Heinrich von Ratzeburg "wegen der entfernten Lage" die Güter seiner Kirche in Baven samt dem angrenzenden Walde dem Kloster Ebstorf mit allen Rechten, die daran Heinricus de Bodewede und seine Nachfolger besessen haben. Daß es sich hierbei um ein später zugrunde gegangenes Dorf nahe bei Ebstorf und nicht etwa um Baven bei Hermannsburg, wie er selbst ursprünglich angenommen hatte, handelt, weist v. Hammerstein Zeitschr. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1855 S. 355 ff. nach.

Dafür, daß Heinrich von Badewide ursprünglich in dieser Gegend Besitzungen hatte, spricht endlich noch Folgendes. Im 82. Brief des bekannten Abts Wibald von Stablo und Torvey, der von Jaffè zwischen 1146 und 1148 angesetzt wird, werden die Güter aufgezählt, die die abgesetzte Abtissin Judith von Kem-


10) Wiederholt und zum Teil näher ausgeführt ist dann diese Ansicht in v. Hammersteins bekanntem Hauptwerk "Der Bardengau" S. 477/81. Ihr hat sich auch R. Usinger, der ursprünglich ebenfalls die Ansicht einer thüringischen Herkunft Heinrichs von Badewide ausgesprochen hatte, angeschlossen, Zeitschr. d. Gesellschaft für d. Gesch. d. Herzogtümer SchIeswig-HoIstein u. Lauenburg Bd. II S 17 und 410. - Vergl. auch Wigger in den M. Jbb. 28, S. 50.
11) Arn. V, 7; M. U.-B. I Nr. 49 u. ebenso Monumenta Corbeiensia, ed. Jaffè I S. 156; Bodewede M. U.-B. I Nr. 200, Botwede I, 375, Botwidel I, 40. - Mit Unrecht werden also bei Bernhardi, Jahrbb. d. deutsch. Reiches unter Konrad III im Register S. 955 Heinrich v. Badewide und Heinrich v. Botwidel als zwei verschiebene Personen aufgeführt.
12) Siehe die Anmerkung der Urkunde, die übrigens im Register Bd. IV unter "Badewide" fehlt. - Auch v Hammerstein, Zeitschr d. histor. Vereins f. Niedersachsen, 1853, S. 235, druckt sie ab, setzt sie jedoch um 1250 an.
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nade verteilt hatte. 13 ) Dabei wird auch Heinrich von Badewide als Empfänger von 9 Hufen aus der "curia Cokerbike" genannt. Dies Cokerbike ist das heutige Kakerbek südlich von Stade. 14 ) Ein soIches Besitztum hatte für Heinrich doch nur Zweck, wenn er auch sonst in dieser Gegend begütert war. Leider erfahren wir nichts darüber, in welchem Verhältnis Heinrich von Badewide zu der Äbtissin Judith stand und welchem Umstand er eine solche Belehnung verdankte. 15 ) Außer diesen beiden Nachrichten erfahren wir über einen Besitz Heinrichs links der Elbe nichts. Doch ist das nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß zu dem allgemeinen Mangel an Urkunden so früher Zeit in diesem Falle hinzukommt, daß eine Urkunde der Grafen von Ratzeburg, außer wo sie als Zeugen fungieren, bisher überhaupt nicht bekannt geworden ist. 16 )

Über verwandtschaftliche Beziehungen Heinrichs von Badewide erfahren wir nur wenig. Einmal werden in einer Urkunde König Konrads III. vom Jahre 1145 gleichzeitig mit ihm zwei Brüder, Helmold und Volrad, als Zeugen genannt. 17 ) Daß wir in diesem Helmold den Vater Gunzels,des ersten Grafen von Schwerin, und in Volrad den ersten Grafen von Dannenberg vor uns hätten, ist eine ganz haltlose Annahme v. Duves, 18 ) die freilich zunächst durch ihre verblüffende Einfachheit besticht. Diese beiden Grafen-


13) Monumenta Corbeiensia, ed. Jaffé S. 156. - Es ist interessant zu sehen, wie weit sich der Einfluß Corveys, dem Kemnade unterstand, in dieser Zeit erstreckte. Nicht nur in der Bremer Gegend, sondern auch bei Bardowiek, Suderburg und Wichmannsburg hatte es Besitzungen. Und Wibald betrieb hauptsächlich deshalb so eifrig die Slavenmission, um seinem Kloster auch rechts der EIbe Güter zu erwerden. Freilich gab es damals im Osten Norddeutschlands nur wenige Klöster, so daß hier außer Corvey auch andere Klöster des Westens, z. B. Amelungsborn, reiche Besitzungen hatten. - Vergl. auch die Ansprüche Corveys auf Rügen.
14) Siehe Karte d. deutsch Reichs Nr. 177. Rudolph, Ortslexikon, hat die ganz unberechtigte Lesart Kackerbeck.
15) Gehörte er zu den "amatoribus" dieser lockeren Klosterdame, von denen Wibaldi Epistola Nr. 72 spricht? - Über Judith, die Schwester des Abts Heinrich I. von Corvey und eines Grafen Siegfried, vergl. Bernhardi, Jahrbb. d. deutsch. Gesch. S. 553, Anm. 42.
16) Vergl. darüber die Vorrede des M. U.-B. I, S. X.
17) Cod. Dipl. Anhalt. I, 324. Vergl. unten S. 21.
18) Siehe darüber Zeitschr. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1853, S. 233, wo auch v. Hammerstein diese Ansicht v Duves noch teilt. Doch hat er dann selbst in seinem wertvollen Aufsatz "Über die linkselbischen Besitzungen der Grafen von Schwerin", Zeitschr. d. hist. Vereins f Niedersachsen 1857, wahrscheinlich gemacht, daß die Heimat Gunzels von Schwerin Gebhardshagen bei Braunschweig war.
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häuser haben nie in engeren verwandtschaftlichen Beziehungen zum Ratzeburgischen gestanden, wie sich im Verlaufe dieser Untersuchung noch näher herausstellen wird. - Ferner berichtet uns Saxo Grammaticus, daß die Gemahlin Heinrichs eine Verwandte (cognata) des Königs Waldemar des Großen von Dänemark gewesen sei. 19 ) Leider erfahren wir über die Art der Verwandtschaft nichts Näheres. Doch ist diese Nachricht um so weniger zu bezweifeln, als wir sowohl den Grafen Heinrich wie seinen Sohn Bernhard, der ebenfalls eine Gemahlin aus dem dänischen Königshause hatte, auch sonst mehrfach mit diesem in enger Verbindung genannt finden (S. unten). 20 ) Daß das Geschlecht Heinrichs von Babewide nicht ganz unbedeutend gewesen sein kann, beweist wohl auch schon der Umstand, daß ihm Albrecht der Bär einen so wichtigen Posten wie die Grafschaft Holstein anwies.

Ob sich Heinrich daneben bereits persönlich hervorgetan hatte, wissen wir nicht. Jedenfalls bewies gleich sein erstes Auftreten, daß er seinem Amte gewachsen war. Sofort nach dem Tode Kaiser Lothars (3. Dezember 1137) hatten sich die Slaven, die allgemeine Unruhe und Unsicherheit in Sachsen benutzend, unter ihrem Fürsten Pribislav erhoben und vor allem die ihnen am meisten verhaßte Zwingburg Wagriens, das vor vier Jahren von Lothar erbaute Segeberg, zerstört und die deutsche Besatzung samt den Mönchen verjagt. Nun sammelte Graf Heinrich ein Heer aus Holsten und Stormarn und unternahm im Winter 1138/39 einen verheerenden Zug in das slavische Wagrien, das er auch völlig eroberte bis auf die festen Plätze Plön, Lütjenburg und Oldenburg, mit deren Belagerung er sich nicht aufhielt. Wohl aber brachte er Segeberg in seine Gewalt, das er jetzt, da der von Lothar dort eingesetzte Statthalter Hermann gestorben war, für sich in Anspruch nahm. 21 ) Durch dieses entschlossene und kraft-


19) Saxo Gram. MG SS XXIX, 96.
20) Vergl. noch V. Hammerstein, Zeitschr d. hist Vereins f Niedersachsen 1853, S. 233. - Dagegen müssen die Bemühungen v. Hammersteins ebenda 1855, S. 359 f., einen Zusammenhang Heinrichs mit der Familie Schukken oder Schokken sowie ihn selbst als Vogt des Klosters zu Ebstorf nachzuweisen, auf sich beruhen, bis sie eine weitere Stütze erhalten.
21) Helm. I, 54 Schluß - 56. Vergl. Giesebrecht, Kaiserzeit IV, 178/79 und Bernhardi, Jahrbb. S. 61/63, 80, 316/18 - v. Kobbe a. a. O. I S. 120 f. läßt Heinrich v Badewide bereits beim Überfall der Slaven in Segeberg sein. Das beruht auf einer falschen Auffassung der Stelle bei Helm., der mit dem letzten Satz von Kap. 54 bereits das eigentlich in Kap. 55 zu erwähnende Ergebnis des Zuges vorwegnimmt.
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volle Vorgehen erwarb sich Graf Heinrich bei Helmold die anerkennende Bezeichnung als eines "vir ocii impatiens et strenuus in armis". Im Sommer 1139 vervollständigten dann die Holsten jenen Eroberungszug auf eigene Faust, indem sie ohne den Grafen gegen Plön zogen, es eroberten, die Einwohner niedermachten und alles Land ringsum in eine Wüste verwandelten und so, wie Helmold sich ausdrückt, "einen sehr nützlichen Krieg führten". 22 )

Als nun aber Heinrich der Stolze in Sachsen erschien und vor seiner Übermacht Albrecht der Bär nach Süddeutschland zu König Konrad floh, war auch Heinrich von Badewide seiner Stütze beraubt, und er mußte vor dem mit dem Welfen zurückkehrenden Adolf II. die Grafschaft räumen. Zuvor jedoch steckte er die Burg Segeberg, von der beim Slaveneinfall nur das Suburbium zerstört war, und das äußerst feste Hamburg, eine Gründung der Mutter des Grafen Adolf zum Schutze gegen die Wenden, in Brand. Dann begab er sich vermutlich auf das linke Elbufer, vielleicht nach Bode. Als jedoch Heinrich der Stolze bald darauf starb (20. Oktober 1139), da erhielt Heinrich von Badewide von dessen Witwe Gertrud, die für ihren Sohn, den damals erst zehnjährigen Heinrich den Löwen, das Herzogtum verwaltete, einen Teil seines Besitzes zurück, indem er von ihr die von ihm eroberte "Provinz" Wagrien samt Segeberg 23 ) kaufte.

Das war jedoch nur möglich gewesen wegen einer persönlichen Abneigung Gertruds gegen Adolf II., dem sie dadurch Schwierigkeiten im eigenen Lande zu bereiten hoffte. Darin hatte sie sich auch nicht verrechnet; denn sofort begann zwischen den beiden Rivalen der Kampf um Wagrien. Als sie daher im Jahre 1142 sich mit Heinrich Jasomirgott vermählt und Sachsen verlassen hatte, erreichte Graf Adolf in Verhandlungen mit dem jungen Herzog Heinrich und dessen Ratgebern, daß ihm Segeberg und das ganze Wagrierland zurückgegeben wurde, einerseits, so drückt sich Helmold aus, "durch seine gerechtere Sache", andererseits.


22) Helm. I, 56, S. 110. Diese Stelle ist außerordentlich bezeichnend für Helmolds Ansicht über die richtige Art der Kolonisation. Er ist nicht nur ganz und gar einverstanden mit diesem Vernichtungskampf gegen die Slaven, sondern sein Satz: "Nam principes Sclavos servare solent tributis suis augmentandis" nimmt sich in diesem Zusammenhang wie ein Vorwurf der Schwachherzigkeit aus.
23) Daß er damals auch Segeberg erhielt, geht aus den späteren Ereignissen hervor. Überhaupt finden wir diesen wichtigen Punkt stets in Verbindung mit Wagrien genannt, ein Begriff, der, wie es scheint, in dieser Zeit ein bedeutend größeres Gebiet bezeichnete als heute und auch Segeberg mit umfaßte.
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"durch die größere Geldsumme", die er dafür bezahlte. Wir dürfen dahinter nicht etwa Bestechungsgelder für die Räte des Herzogs suchen, sondern diese Geldsumme war tatsächlich die Kaufsumme für das Land, wie ja einige Jahre zuvor auch Heinrich von Badewide dies Land von des Herzogs Mutter erkauft hatte. Und damals erhielt dieser zur Entschädigung für Wagrien Ratzeburg und das Polabenland als "festes Lehen" vom Herzog. 24 ) Geordnet wurden diese Dinge dann wahrscheinlich zu Bremen, wo wir die beiden Grafen am 3. September 1142 als Zeugen in der wichtigen Urkunde treffen, in welcher Erzbischof Adaldero von Hamburg-Bremen über die Teilung im Bremer Gebiet zwischen Herzogin Gertrud und ihrem Sohn, dem Herzog Heinrich, einer- und Markgraf Albrecht dem Bären andererseits urkundet. 25 ) Damit war nun Heinrich von Badewide in den Besitz des Landes gekommen, mit dessen Schicksal das seines Hauses bis zu dessen Aussterben, d. h. etwa 60 Jahre, eng verknüpft blieb.

Zwar wird sich Heinrich von Badewide sogleich nach Empfang dieses Gebietes als comes bezeichnet haben; denn schwerlich hat er, nachdem er einmal eine Grafschaft innegehabt hatte, sich mit einem geringeren Titel begnügt. 26 ) Doch nannte er sich nicht sofort nach der Hauptstadt jenes Gebietes Grafen von Ratzeburg. Das ist ein Titel, den Helmold erst zum Jahre 1156 auf ihn


24) Die Hauptquelle für diese Darstellung ist Helm. I, 56, S. 109 ff. Von dem Kriege zwischen Heinr. v. Badewide und Adolf v. Holstein berichtet Arnold V, 7. Dieser hebt ausdrücklich hervor, daß Heinrich das Polabenland als Lehen empfing. Vergl. noch Bernhardi a. a. O. S. 80 und 317. - Philippson, Heinrich der Löwe I S. 99 setzt diese Belehnung ins Jahr 1143.
25) Cod. Dipl. Anhalt. I, Nr. 292. - Wie schon M. U.-B. IV, S. 237 in den Berichtigungen und Zusätzen vermutet, ist mit dem unter den nobiles zwischen Adolf [v. Holstein] und Dietrich [v. NeuenkirchenJ genannten Hinricus sicherlich Heinr. v. Badewide gemeint. In derselben Reihenfolge findet er sich M. U.-B. I, Nr. 42 als comes. Vergl. auch Bernhardi S. 318.
26) Ich finde eben die Notiz im Ratzeburger Zehntregister - M. U.-B. I, 375 -: "Idem vero H. prenominatus dux cuidam nobili Heinrico de Botwede comitiam Raceburgensem in deneficio dedit, per quam primo nomen comitis idem H. sortitus fuit" keineswegs wie Weiland a. a. O. S. 108 Anm. 2 sehr gut, da Heinr. v. Badewide doch schon Graf v. Holstein gewesen war. Richtig wäre sie gewesen, wenn der Verfasser dieser Notiz statt primo primus gesagt und damit Heinrich als ersten Inhaber der Grafschaft Ratzeburg bezeichnet hätte. - Gegen diese Ansicht spricht keineswegs der Umstand, daß Heinrich diesen Titel in der Urkunde von 1142 nicht führt; fehlt er doch auch bei Graf Adolf v. Holstein.
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anwendet, 27 ) d. h. erst nach der Gründung eines Bistums in Ratzeburg und nach der Regelung der Gebietsverhältnisse zwischen Grafschaft und Bistum. Noch zum Jahre 1154 bezeichnet er ihn als "comes Polaborum". 28 ) Wir gehen demnach kaum fehl, wenn wir annehmen, daß Heinrich um 1155 den Titel eines Grafen der Polaben mit dem eines Grafen von Ratzeburg vertauscht hat, wobei der Gedanke mitbestimmend gewesen sein mag, daß der alte Name nach den wiederholten Vernichtungskämpfen gegen die Slaven nicht mehr das Wesen seiner Grafschaft ausdrücke. Ähnlich erging es übrigens dem Titel des ersten Grafen von Schwerin. Obwohl Gunzel von Hagen bereits seit 1160 im Lande Schwerin den Befehl über die Slaven führte, erscheint er erst um 1167 als Graf von Schwerin, während er bis dahin, z. B. von Helmold, als "praefectus terrae Obotritorum" bezeichnet wird. 29 ) Für den ersten Ratzeburger Grafen kommt daneben bis zum Jahre 1149 in Urkunden der Titel "comes de Botwide" vor. Dieser Familienname verschwindet seitdem vollkommen; nur der Verfasser des Ratzeburger Zehntregisters hat sich um 1230 seiner noch einmal erinnert. 30 )

Nicht ganz einfach ist die Frage, was wir unter der "terra Polaborum" um diese Zeit zu verstehen haben, mit andern Worten, welches die Grenzen der Grafschaft Ratzeburg waren. Wie wir bereits sahen, gibt schon Adam von Bremen Ratzeburg als die Hauptstadt der Polabinger an, und nach der Urkunde Heinrichs IV. von 1062 lag Ratzeburg im "pagus" Palobi. 31 ) In dieser engen Verbindung mit Ratzeburg finden wir dann auch stets bei Helmold und Arnold die "terra Polaborum" genannt. 32 ) Beide geben jedoch keinen Anhalt zur genaueren Feststellung der Ausdehnung dieses Begriffes. 33 ) Der Name selbst besagt, auch wenn die .nicht ganz sichere Deutung als "Elbanwohner" als richtig angenommen wird, für die Grenzbestimmung des Polabenlandes garnichts, da damit ebensogut sämtliche Slaven des Elbtales wie


27) Helm. S. 165 20 .
28) Ebenda S. 145 25 .
29) M. U.-B. I, 72. Vergl. Wigger in M. Jbb. Bd. 28 S. 159 und Weiland a. a. O. S. 108, Anm. 4.
30) Siehe Anm. 26.
31) Siehe oben S. 8 u. Anm. 4.
32) Helm. I, 56, 77, 84, 92. Arnold V, 7.
33) Nur einmal nennt Helmold - I, 34 um 1093 - "campus, qui dicitur Zmilove in terra Polaborum". Allein, da Schmilau unweit Ratzeburg liegt, ist damit für die Grenzbestimmung natürlich nichts gewonnen.
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ein ganz .kleines Gebiet der Elbe bezeichnet sein könnte. So ist es gekommen, daß man die Polaben nicht immer an der richtigen Stelle gesucht hat. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen II, 477, versetzt sie in die Gegend zwischen Dömitz und Boizenburg. Doch selbst wenn er das auf die Zeit Karls des Großen beschränken wollte, wie man allenfalls nach dem Zusammenhang annehmen könnte, wäre das irrig. Hier wohnten damals die Smeldinger 34 ), deren Namen ebenso wie der der Bethenzer, die zwischen Lauenburg und Boizenburg wohnten, später nie mehr genannt wird. Daß man später die Smeldinger zu den Polaben gerechnet habe, ist nicht wahrscheinlich. Sind sie in einem größeren slavischen Volksstamm aufgegangen, so möchte man eher an die Obotriten denken, da, wie wir gleich sehen werden, das Polabenland zu Helmolds Zeit östlich nur bis Boizenburg gerechnet wurde.

Zunächst läßt sich das eine mit Sicherheit sagen, daß die Polaben, wo immer sie in gleichzeitigen Quellen, die hier natürlich nur in Betracht kommen können, genannt werden, stets um Ratzeburg lokalisiert erscheinen. Für die linkselbischen Wenden in den Grafschaften Dannenberg und Lüchow findet sich dieser Name auch nicht ein einziges Mal. Um so weniger verständlich ist es, wenn heutige Forscher gerade diese als Polaben bezeichnen, ohne die Mecklenburger Wenden um Ratzeburg auch nur zu erwähnen. 35 ) Demgegenüber hat schon v. Raumer in seinen Historischen Karten und Stammtafeln zu den Regesta Historiae Brandenburgensis I, Karte Nr. 4, den Namen der Polabinger ganz richtig nur für das Ratzeburger Gebiet eingetragen. Und mit dieser Lokalisierung stimmen die Urkunden, die wir über die Grafschaft Heinrichs von Badewide besitzen, völlig überein. Zwar eine Urkunde, die die Grenzen derselben klipp und klar bestimmt hätte, hat es in


34) M. U.-B. I, 10. Vergl. Masch, Geschichte d. Bistums Ratzeburg S. 3.
35) So z. B. Mucke, Die Lüneburger Wenden in Geschichte, Volkstum und Sprache, Hannoverland Jahrgg. 1908 S. 38 ff. - Ganz töricht ist, was F. Tetzner in seinem Buche, Die Slaven in Deutschland S. 346 ff., über die älteste Geschichte der Polaben vorbringt. Mit welcher Oberflächlichkeit diese Dinge bisweilen behandelt werden, zeigt folgende Stelle - S. 351 -: "Die ersten Landesherren [! der Polaben nämlich] hießen Grafen von Warfke, daß sind die späteren Grafen von Lüchow. Sie waren den Lüneburger Welfen unterthan, wußten aber durch geschickte Lehensverbindung mit den Ratzeburger und Hagenower [!] Bischöfen und durch Freundschaft mit Mecklenburg [!] und Brandenburg sich ziemlich selbständig zu erhalten." Eine größere Ahnungslosigkeit gegenüber allen in Frage kommenden Verhältnissen in so wenig Worten zu offenbaren, ist kaum möglich.
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dieser Zeit, wo alles hier im Flusse war, wo erst nach und nach den Slaven das Land abgenommen und von Heinrich dem Löwen an deutsche Herren aufgeteilt wurde, für Ratzeburg so wenig gegeben wie für irgend eine andere dieser Grafschaften. Erst allmählich haben sich hier, vor allem in Verbindung mit der Neueinrichtung und Ausgestaltung des Bistums sowie mit der Schaffung der Grafschaft Schwerin (1166), feste Grenzen herausgebildet. Zu deren Feststellung sind wir darum angewiesen auf Urkunden, die für das Bistum Ratzeburg gegeben sind, mit dessen Entwicklung auch die Herausbildung fester Grenzen der Grafschaft gleichen Schritt gehalten haben wird. Nur im Volk wie bei den Geschichtsschreibern hat sich dann wahrscheinlich für dies Gebiet die Bezeichnung als "Polabenland" noch eine Zeitlang gehalten, während man es offiziell längst die Grafschaft Ratzeburg nannte.

So kommt es, daß wir erst von 1154 ab, d. h. seit der Errichtung des Ratzeburger Bistums, 36 ) die Möglichkeit haben, Genaueres über die Ausdehnung derselben zu erfahren, bis dann um 1171 die Einrichtung von Bistum und Grafschaft zum vorläufigen Abschluß kam. 37 ) Was zwischen diesen beiden Daten liegt, wird zusammengefaßt in der sogenannten Ratzeburger Dotationsurkunde - M. U.-B. I, 65 -, die angeblich im Jahre 1158, in Wirklichkeit jedoch viel später ausgestellt ist. Diese enthält sämtliche von 1154 bis 1171 für das Bistum Ratzeburg gegebenen Bestimmungen 38 ) mit einigen genaueren Angaben und ist daher auch für uns von großer Wichtigkeit. Hier erfahren wir nun, in welcher Weise die 300 Hufen, mit denen Heinrich der Löwe bekanntlich alle drei wendischen Bischofssitze ausstattete, im Bistum Ratzeburg verteilt waren. Vor allem gibt der Herzog dem Bischof das Land Boitin, das ist das Gebiet um das heutige Schönberg nordöstlich vom Ratzeburger See; dabei werden die Grenzen dieses


36) M. U.-B. I, 56 u. 57.
37) M. U.-B. I, 113; hier mit dem Jahr 1174; doch vergl. die Anmerkungen der Herausgeber.
38) Nämlich die in den Urkunden M. U.-B. I, 75, 88, 101, 113 enthaltenen. - Ob diese merkwürdige Urkunde im Jahre 1189 ausgestellt ist, wie Hauck, Kirchengesch. IV, 621 Anm. 2 meint, ob sie überhaupt in der vorliegenden Form von Heinrich dem Löwen gegeben ist, erscheint sehr fraglich. Wahrscheinlich geht sie auf mehrere echte Urkunden zurück. Dennoch, wenngleich sie der Form nach mehr oder minder unecht ist, muß der Inhalt, der zum größten Teil durch die übrigen Urkunden bestätigt wird, in allem Wesentlichen als echt angesehen werden. Hierzu die Ausführungen Helltwigs in M. Jbb. Bd. 71.
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Ländchens im einzelnen festgesetzt. 39 ) Dies Gebiet wurde zu 250 Hufen gerechnet. Dazu legte der Herzog "de voluntate Heinrici et Dernardi comitum" noch 50 Hufen mit den Dörfern "Rodemoyzle, Ziethene, Verchowe, Kolatza". Das sind nach M. U.-B. IV, Ortsregister, Römnitz, Ziethen, Farchau und Horst bei Schmilau" 40 ), also ein Gebiet südlich des Ratzeburger Sees, das vom Lande Boitin durch einen Gebietsstreifen des Grafen getrennt wurde.

Auffallend ist, daß hier von einer Zustimmung der Ratzeburger Grafen nur bei 50 Hufen die Rede ist, während nach Helmold I, 77 Graf Heinrich dem Herzog die gesamten 300 Hufen "resignierte", wie denn überhaupt bei Helmold Heinrich von Badewide als der eigentliche Stifter des Ratzeburger Bischofslandes erscheint. Einen Irrtum Helmolds, wie v. Kobbe a. a. O. I, 289 Anm. 4 will, halte ich hierbei für ausgeschlossen, da er gerade an diese Tatsache, daß der Polabengraf 300 Hufen zur Ausstattung des Bistums schenkt, die Erzählung knüpft, wie auf Vorhaltungen des Propstes Ludolf von Euzolina (Högerstorf) Graf Adolf von Holstein dem Beispiel Heinrichs von Badewide folgt und ebenfalls 300 Hufen zur Ausstattung des Oldenburger (Lübecker) Bistums schenkt. Es scheint mir vielmehr dieser Unterschied zwischen der urkundlichen und der literarischen Darstellung höchst bezeichnend für die Auffassung der Parteien. Heinrich von Badewide und seine Freunde, zu denen, wie es scheint, Helmold selbst gehörte, 41 ) sind offenbar stets der Meinung gewesen, daß der eigentliche Stifter jener 300 Morgen der Graf von Ratzeburg gewesen sei. Dagegen lag Heinrich dem Löwen daran, den Vorgang so darzustellen, daß diese Ausstattung in der Hauptsache sein Werk sei. Dementsprechend


39) Was die strittige Frage des "rivulus Ducis" anbetrifft, so möchte ich mich hier mit Masch a. a. O. S. 56 für die Maurine erklären und nicht, wie M. U.-B. IV, Ortsregister, den Landgrafen zwischen Herrnburg und Brandenbaum annehmen. Andernfalls würde doch ein völlig isoliertes Stückchen Land abgeschnitten, was sicher nicht die Absicht war. - Eine genaue Grenzangabe des Landes Boitin siehe bei Masch S. 54- 59.
40) Kolatza, M. U.-B. I, 113 Clotesfelde genannt, ist nach Masch S. 59 u. Anm. 5 nicht Horst selbst, sondern eine Feldmark nahe bei Horst, die noch im Jahre 1614 den Namen Clotesfelde trug.
41) Daß Helm. gerade für Heinr. v. Badewide eine besondere Sympathie gehegt haben müsse, ist bereits H. Ernst, Programm des Realprogymnasiums zu Langenberg 1888 S. 10 aufgefallen und wird bestätigt durch alle Stellen, an denen Helm. von ihm spricht.
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wird ein Anteil des Grafen in der Bestätigungsurkunde Hadrians IV. - M. U.-B. I, 62 -, die natürlich der Darstellung von seiten des Herzogs folgte, mit keiner Silbe erwähnt. Nach außen hin trat eben Heinrich der Löwe völlig als der Stifter aller drei wendischen Bischofssitze auf. Daran zu denken, daß er sich etwa bei der Einsetzung des Ratzeburger Grafen besondere Rechte im Lande Boitin vorbehalten hätte, wie er sie z. B. in Sadelbande und Gamme (Vierlanden) ausübte, wäre sicher falsch. Die Grafschaft Heinrichs von Badewide wird ursprünglich auch Boitin mit umfaßt haben; und somit ist Helmolds Darstellung ganz gerechtfertigt. 42 )

Die Schenkungen der Ratzeburger Grafen, oder besser wohl des Grafen Heinrich, die sonst noch in der "Dotationsurkunde" erwähnt werden, wie Panten [nördl. Mölln], Boissow [nordwestl. Wittenburg] und Walksfelde [westl. Mölln], sind insofern für die Abgrenzung der Grafschaft von Bedeutung, als wir aus ihnen ersehen, daß diese im Westen keineswegs, wie z. B. v. Kobbe a. a. O. I, 128 meint, mit der Stecknitz abschloß 43 ). sondern sich über sie hinauserstreckte, wahrscheinlich bis zur Grenze der Grafschaft Holstein, und zum andern, daß auch die Wittenburger Gegend zur Grafschaft Ratzeburg gehörte. Letzteres erfahren wir sonst nur aus dem sogenannten Ratzeburger Zentregister - M. U.-B. I, 370 -, das um 1230 angefertigt ist, um die vom Bistum verliehenen Zehnten festzustellen 44 ), ein Dokument, das in jeder Hinsicht von unschätzbarem Werte ist. Hier wird in der Einleitung gesagt, daß der Graf Heinrich von Badewide in den drei "Provinzen" Ratzeburg, Wittenburg und Gadebusch vom


42) Wenn nun in der angeblich im Jahre 1174 für das Bistum Ratzeburg ausgestellten Urkunde, die im M. U.-B. I, 113 abgedruckt ist, Graf Bernhard I., der Sohn Heinrichs v. Badewide, den wir in unserer Urkunde von 1158 neben seinem Vater genannt fanden, allein als Schenker jener 50 Hufen auftritt, so ist das gegenüber der Darstellung Helmolds und unserer Urkunde bedeutungslos und lediglich geeignet, die Verdachtsgründe gegen die Echtheit dieser Urkunde um einen zu Vermehren. - Die Erörterung über Echtheit oder Unechtheit dieser Urkunde dürfte mit der Erklärung M. U.-B. IV, S. 240 schwerlich erschöpft sein.
43) v. Kobbe geht dabei von einer ganz irrigen Vorstellung aus; gerade diese Schenkung eines Einzelbesitzes beweist doch, daß das Übrige dem Grafen gehörte. - Erst im Jahre 1188 bei der Schlichtung der Grenzstreitigkeiten Bernhards I. mit Lübeck durch Friedrich I. wurde die Stecknitz als Grenze bestimmt. Vergl. unten S. 47 f.
44) Vergl. Hellwig, Das Zehntregister des Bistums Ratzeburg, W. Jbb. 69, 313.
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Bischof den halben Zenten zu Lehen trage. Solcher Zehnte über ganze Gebiete wurde aber für gewöhnlich nur demjenigen übertragen, der dort zugleich auch die Grafenrechte ausübte. 45 ) Doch geht auch aus den weiteren Ereignissen hervor, daß auch die Länder Wittenburg und Gadebusch zur Grafschaft Ratzeburg gehörten.

Endlich gehörte dazu noch das Land Boizenburg. Das wissen wir aus einer Urkunde vom Jahre 1216, in der Graf Albrecht von Orlamünde, damals Graf von Holstein und Herr in Nordalbingien, den Hamburgern u. a. die Freiheit vom Elbzoll in Boizenburg bestätigt. 46 ) Hier wird gesagt, daß ihnen diese Freiheit vom Herzog Heinrich und vom Grafen Adolf verliehen sei. Dieser Graf Adolf ist bereits von den Herausgebern des Mecklenburger Urkunden-Buches richtig auf den Grafen Adolf von Dassel ausgedeutet worden, der nach dem Aussterben des Badewideschen Hauses durch Heirat die Ratzeburger Grafschaft erhielt. 47 )

Fassen wir das Gesagte noch einmal kurz zusammen, so ergibt sich als Besitz der Grafen von Ratzeburg alles Land zwischen der Grafschaft Schwerin, Dannenberg, dem Sadelbande oder Sadelbende und der Grafschaft Holstein bezw. dem Gebiet des Lübecker Bistums mit Ausnahme des Landes Boitin und einiger verstreuter Besitzungen des Bistums wie Römnitz, Ziethen, Farchau und Horst, die um die Südseite des Ratzeburger Sees herum lagen, und Panten und Walksfelde jenseits der Stecknitz in dem heute zu Mecklenburg-Strelitz gehörenden Gebiet von Mannhagen. Das ist also die "terra Polaborum" Helmolds und Arnolds. Da wir nun durch das Zehntregister in der Lage sind, bis auf ein Dorf genau die Grenzen der "terrae" Gabebusch und Wittenburg - bei Boizenburg, das bedeutend geringer bevölkert gewesen zu sein scheint, erfahren wir nichts über die Grenzen - anzugeben, so erhalten wir für unsere Grafschaft eine bei so früher Zeit außerordentlich sichere Begrenzung. Doch müssen wir uns vor Augen halten, daß diese, wie bereits oben dargelegt wurde, erst allmählich sich herausgebildet hat und so, wie wir sie soeben gefunden haben, erst etwa um 1170 feststeht. 48 )


45) So erhielt z. B. Graf Heinrich II. von Dannenberg die Zehnten in den zum Ratzeburger Bistum gehörenden Ländern Jabel und Weningen. Gleichzeitig besaß er hier auch die Grafschaft, vergl. unten Kap. II.
46) M. U.-B. I, 221.
47) Ebenda Anmerkung und Person.-Reg. Bd. IV. - Vergl. unten.
48) Vergl. die Karte!
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Dies Gebiet war bis zu dem Eroberungszuge Heinrichs von Badewide im Winter 1138/39 in Händen des Slavenfürsten Pribislav gewesen. Als ihm dann Wagrien entrissen wurde, verlor er auch Poladien. 49 ) Dieses wurde jetzt, nachdem auf dem Tage zu Frankfurt (Mai 1142) Albrecht der Bär seine Ansprüche auf das sächsische Herzogtum hatte fahren lassen müssen, ein Lehen Heinrichs des Löwen. Und mit dessen Schicksal finden wir von jetzt ab das Heinrichs von Ratzeburg eng verknüpft, ohne daß wir mehr von irgendwelchen Beziehungen zu Albrecht dem Bären hören. Es ist das ein Grund mehr für die Richtigkeit der Annahme, daß diese auch vorher nie persönlicher, sondern lediglich politischer Natur gewesen waren. Er war abhängig nur vom sächsischen Herzogtum; doch diese Abhängigkeit wuchs mit dem Alter des jungen Herzogs. In seiner Begleitung finden wir von 1142 ab den Ratzeburger Grafen häufig. So in eben diesem Jahre zu Bremen, wo wohl nicht allein die Abgrenzung zwischen ihm und Adolf II. von Holstein, sondern auch ihre Aussöhnung stattfand. 50 ) In des Herzogs Gefolge treffen wir ihn auch im Jahre 1145 zu Magdeburg. Er ist hier samt seinen beiden Brüdern Helmold und Volrad Zeuge in einer Urkunde Konrads III., in der dieser einen Vertrag zwischen dem Magdeburger Domherrn Hartwig, dem späteren Erzbischof von Bremen, und dessen Mutter, der Markgräfin Richardis, einer- und dem Erzbischof von Magdeburg andererseits bestätigt, durch welchen letzterer sich verpflichtet, Hartwig zur Erlangung seiner Erbgüter in den Grafschaften Ditmarsen und Nortland behülflich zu sein. 51 ) Im folgenden Jahre finden wir Heinrich wieder in Bremen. Er ist hier Zeuge in einer Urkunde des Erzbischofs Adaldero von Bremen, der dem Kloster Neumünster den Zehnten der Marsch Bishorst überträgt und deren Grenzen bestimmt. 52 ) Auch dieses mehrfache Auftreten


49) Helm. I, 52; nach Kap. 49 S. 97 Anm. 5 war Pribislav ein Sohn Buthues. - Helm. I, 56 spricht zwar nur von einem Zuge nach Wagrien; doch geht die Richtigkeit der Darstellung aus den Verhältnissen hervor. Vergl. Bernhardt a. a. O. S. 318 Anm. 18.
50) Vergl. oben S. 14. - Der Grund, warum Bernhardi a. a. O. S. 318 Anm. 17 die Aussöhnung der beiden Grafen auf 1143 verlegt, will mir wenig einleuchtend scheinen.
51) Cod. Dipl. Anhalt. I, 324; hier angesetzt zwischen 13. März und 15. April, während sie Stumpf R.K. 3489 in den Januar verlegt. Vergl. Bernhardi S. 401 f.
52) Hasse, Regesten von Schleswig, Holstein und Lauenburg I Nr. 86. H. ist hier zwar nur als Heinricus comes unter den nobiles genannt; doch stimmen das M. B. I, 42 und das Hamburger U.-B. I, 169 mit (  ...  )
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in Bremen scheint dafür zu sprechen, daß der Ratzeburger Graf in der Nähe irgendwelche Besitzungen hatte. Über sonstige Beziehungen zum Erzbischof Adalbero erfahren wir nichts.

Leider hören wir auch nichts darüber, ob und in welcher Weise Graf Heinrich an dem großen Wendenkreuzzug beteiligt war, den im Jahre 1147 die deutschen Fürsten in Verbindung mit den Dänen, Tschechen und Polen unternahmen. Jedenfalls ging der Zug des nördlichen Heeres unter Heinrich dem Löwen über Ratzeburg. Denn nachdem man bei Artlenburg die Elbe überschritten hatte, ruhte man die erste Nacht in Pötrau, südwestlich von Ratzeburg. 53 ) Es wäre denkbar, daß man ihn zur Rückendeckung in Ratzeburg zurückgelassen hätte. Der Zug selber verlief bekanntlich unglücklich. Dennoch aber müssen wir wohl in ihm mit Ranke 54 ) einen der Faktoren Lehen, die zur Unterwerfung der Slaven und zur Kolonisation ihres Landes führten. Jedenfalls kann man vom Standpunkt der weltlichen Herren Haucks Urteil, der diesen Zug "das törichtste Unternehmen, das das 12. Jahrhundert kennt" nennt 55 ), nicht teilen. Daß er für die Missionsarbeit zunächst eher zerstörend als ausdauend wirkte, mag sein; doch war er vollkommen im Stile der ganzen Kolonisationspolitik dieser Zeit, der rück-sichtslosen Art eines Heinrichs des Löwen und Albrechts des Bären. Und sicherlich ist er nicht völlig nutzlos gewesen. 56 ) So konnten die beiden Grafen an der Slavengrenze, Adolf von Holstein und Heinrich von Badewide, seit dieser Zeit energischere Schritte als bisher zur Vertreibung der Slaven aus ihren Ländern tun.

Im Sommer 1149 finden wir beide wieder zusammen mit Heinrich dem Löwen auf dessen Rachezug gegen die Dietmarschen, die im Jahre 1144 den Grafen Rudolf von Stade erschlagen hatten. Sie halfen dem Herzog die trotzigen Bauern unterwerfen, deren Grafschaft dieser seitdem für sich in Anspruch nahm. Zum


(  ...  ) Hasse darin überein, daß darunter nur Heinrich v. Badewide verstanden werden könne. Und in der Tat ist ein anderer Graf Heinrich in dieser Gegend nicht bekannt. Auch wird diese Vermutung um so wahrscheinlicher dadurch, daß wir den Ratzeburger Grafen in einer andern Urkunde für Kloster Neumünster - Hasse I, 88, s. unten! - ausdrücklich als comes de Bodwide genannt finden, und zwar auch hier hinter Adolf von Holstein.
53) Daher schenkte der Herzog Pötrau dem Ratzeburger Bischof als curia episcopalis, Ratzeburger Zehntregister, M. U.-B. I, S. 377. - Vergl. Wigger in M. Jbb. 28, 60.
54) WeItgesch. VIII, 374.
55) Kirchengesch. IV, 604.
56) Übrigens erkennt in diesem Sinne auch Hauck seine große Bedeutung an; ebenda S. 608 oben.
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Dank für den glücklichen Verlauf des Zuges bestätigte der Herzog dem Kloster Neumünster, dem Sitz des großen Wendenmissionars Vicelin, auf dem Rückweg in Egenbüttel bei Pinneberg Ländereien an Wilster und Stör, die ihm Graf Adolf und andere Holsten geschenkt hatten. Hier wird auch comes Heinricus de Bodwide als Teilnehmer des Zuges unter den Zeugen genannt. 57 )

Inzwischen hatte in diesen Gegenden dank der eifrigen Tätigkeit Vicelins das Christentum solche Fortschritte gemacht, daß man an die Neueinrichtung der drei wendischen Bistümer denken konnte. Um nun den Streitigkeiten, die zwischen Heinrich dem Löwen und Erzbischof Hartwig von Hamburg-Bremen über die Investitur dieser Bistümer ausgebrochen waren, ein Ende zu machen, ließ sich der Herzog im Jahre 1154 von Kaiser Friedrich Barbarossa das Recht der Investitur in den Bistümern Oldenburg (Lübeck), Mecklenburg (Schwerin) und Ratzeburg sowie allen Bistümern, die er etwa in bisher noch heidnischen Gebieten einrichten würde, verleihen. 58 ) Noch im selben Jahre wurde als erstes der drei Bistümer Ratzeburg eingerichtet und der Propst Evermod vom Marien-Stift in Magdeburg auf Empfehlung Wichmanns dorthin als Bischof berufen. 59 )

Zu ihm stellte sich Graf Heinrich von Anfang an gut, sei es auf Wunsch seines Herzogs, sei es, weil er selbst erkannte, daß der Bischofssitz als Mittelpunkt des Christentums in seinem Lande auch ein Stützpunkt seiner Kolonisationspolitik sei. Damals verzichtete er auf die bereits erwähnten 300 Hufen seiner Grafschaft, mit denen das Bistum ausgestattet wurde. 60 ) Auch überließ er dem Bischof die Zehnten in der ganzen Grafschaft. Doch erhielt er von diesem den halben Zehnten als Lehen zurück, mit Ausnahme jedoch des Zehnten von den 300 Hufen, die frei von allen Abgaben blieben, und an denen der Graf keinerlei Anrecht behielt, und ebenso der curiae episcopales. Im übrigen konnten Bischof und Graf das Recht der Wiederverleihung des Zehnten in vollem Maße üben; nur mußten in jedem Dorfe mit zwölf oder mehr Hufen zwei Hufen, in jedem Dorf mit weniger als zwölf Hufen


57) Hasse I, 88, Urk. vom 13. Sept. 1149. Vergl. Bernhardt a. a. O. S. 716, der jedoch nach dem Vorgang Raumers fälschlich unter Heikenbutle Heisbüttel b. Hamburg als Ausstellungsort annimmt.
58) UnvolIzogene Urk., die wahrscheinlich im Juni 1154 zu Goslar ausgestellt wurde, MG Constitutt. I, S. 206 Nr. 147. Vergl. Hauck, Kirchengesch. IV, 613/617 u. Giesebr. R. Z. V, 36 u. 353 u. VI, 335.
59) Helm. I, 77. Arn. V, 7. Vergl. Hauck S. 618 u. Anm. 1. Simonsfeld, Jahrbb. unt. Friedrich. I. S. 278.
60) Siehe S. 18 f.
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eine Hufe zu "Settinke"-Recht, d. h. zehntfrei als Schulzenhof, verliehen werden. 61 ) So war Graf Heinrich auch Lehnsmann des Bischofs geworden. Und von Anfang an bestand, wie bereits erwähnt, zwischen ihm und Evermod das beste Einvernehmen. Helmold hebt ausdrücklich hervor, daß Graf Heinrich die 300 Hufen mit landesüblichem Maße ausgemessen habe und nicht wie Adolf von Holstein mit einem viel zu kleinen. In diesen Jahren wird es auch gewesen sein, daß Heinrich dem Bischof die Insel in dem Ratzeburger See, auf der bereits seine Burg stand, zum Wohnsitz gab, damit er im Schutze derselben um so ungestörter das Missionswerk treiben konnte. Denn solange der Bischofssitz sich in St. Georg am See befand, war er stets den Angriffen der Slaven ausgesetzt gewesen. In der Tat machte denn auch in ihrem Lande das Christentum weiterhin die besten Fortschritte, so daß Helmold schon zwei Jahre später von einer guten Vermehrung der Kirchen im Polabenland berichten kann, wobei er dem Eifer des Bischofs wie des Grafen gleiches Lob erteilt. 62 ) Hinter allem stand jedoch als treibende Kraft der Herzog;

ihn fürchteten die Slaven. Dafür ist außerordentlich bezeichnend das Wort des Obotritenfürsten Niklot, das er auf dem Landtag, den der Herzog zum Jahre 1156 nach Artlenburg berufen hatte, sprach. Der Herzog hatte hier die Slaven ermahnt, das Christentum anzunehmen. Darauf antwortete Niklot: "Mag der Gott, der im Himmel ist, dein Gott sein, du sei unser Gott. Verehre du jenen, wir wollen dich verehren." 63 ) Wahrscheinlich war es 1156, als Heinrich von Badewide den Herzog auf dem Zuge nach Friesland - wie es scheint, gegen die Rüstringer - begleitete, von dem er sich dann die zwei friesischen Gefangenen mitbrachte, von deren wunderdarer Errettung aus ihren Ketten Amold berichtet. 64 ) Und am Schluß desselben Jahres war er mit im Heere Heinrichs des Löwen, als dieser versuchte, den


61) Helm. I, 77. M. U.-B. I, 65 u. das Ratzeburger Zentreg. im M. U.-B. I, 375 Einltg. - Settinke hängt offenbar zusammen mit "setzen" - ansiedeln. Vergl. M. U.-B. IV Sachreg. S. 470. Der zinsfreie Schulzenhof des "locator" ist ja eine bekannte Erscheinung dieser Kolonisationsperiode, vergl. Schröder, Rechtsgesch. S. 433.
62) Helm. I, 84 Schluß Vergl. Arn. V, 7.
63) Helm. I, 84. Der eigentümlichen Auslegung, die Hauck K. G. IV, 619 u. Anm. 4 dieser Stelle gibt, vermag ich mich wegen des Zusammenhangs nicht anzuschließen. Wäre dies Wort sonst noch ein "verbum blasphemiae" gewesen?
64) Arn. II, 7. Vergl. über den Zug Heinrichs nach Friesland Annall. S. Petr. Erphesfurt. mai. ad 1156, Monument. Erphesfurt. S. 57 u. Giesebr. V, 111. Daß es um diese Zeit gewesen ist, beweist Arn.'s (  ...  )
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durch Barbarossa eingesetzten, jedoch bald vertriebenen Dänenkönig Sven wieder zurückzuführen. 65 ) Heinrich spielt hierbei eine etwas zweideutige Rolle. Saxo 66 ) berichtet uns nämlich, daß ihn Waldemar, Knud Lawards Sohn, der spätere Waldemar der Große, mehrfach durch Unterhändler habe bitten lassen, doch ja den Rückzug des Herzogs zu verhindern, da er, seines Sieges gewiß, ihn überfallen wolle. Hierzu habe den König seine nahe Verwandtschaft mit Heinrich bewogen. Doch diesem kamen offenbar Bedenken über eine so verräterische Handlungsweise gegenüber seinem Herzog. Als ihn dieser daher scherzend nach seinem "regulus", d. h.Waldemar, fragte, da wurde das sächsische Heer durch die Schilderungen Heinrichs von der Stärke des feindlichen Heeres an weiterem Vordringen verhindert, wenngleich Heinrich selber, getreu der Aufforderung seines Verwandten, zum tapferen Kampf riet. "So teilte er," sagt Saxo, "seine Treue zwischen den Bitten des Freundes und dem Befehl des Herzogs, um weder des einen Auftrag zu vernachlässigen noch durch Schweigen des anderen Sicherheit zu gefährden." Saxo hält offenbar diese. diplomatische Klugheit für ganz gerechtfertigt; wir vermögen sie leider mit der Treue eines Lehnsmannen nicht in Einklang zu bringen. Übrigens zeigt diese Erzählung, daß auch unter dem Gefolge des Herzogs nicht überall felsenfeste Treue zu finden war. - Saxo nennt hier Heinrich von Badewide zwar lediglich "Henricus, nobilis inter Saxones vir"; doch kann hier, schon nach den ganzen Beziehungen, nur an den Ratzeburger Grafen gedacht werden, den Saxo auch ein anderes Mal, wo nur der Ratzeburger Graf gemeint sein kann, einfach als Henricus bezeichnet. 67 ) So haben denn auch ältere Forscher darunter undedenklich Heinrich von Badewide verstanden. 68 )

Doch immer noch nicht konnten die Slaven zur Ruhe kommen, und gegen sie richtete sich fortwährend in erster Linie die Tätigkeit


(  ...  ) Zusatz, daß sich damals das Stift noch auf dem Sk. Georgs-Berg befunden habe. Es wurde dann in diesen Jahren auf die Insel verlegt.
65) Vergl. neben Saxo Helm. I, 84 u. Giesebr. V, 112, Dahlmann, Gesch. von Dänemark I, 268.
66) MG SS XXIX, 96.
67) Ebenda S. 111: "cum Dernardo quodam, Henrici filii."
68) v. Kobbe a. a. O. I, 136 ff., Suhm V, 549 u. VI, 226; während Christiani, Schleswig-Holstein. Gesch. I, 298 f. nur einfach fast wörtlich nach Saxo erzählt, ohne sich um die Ausdeutung irgendwie zu bemühen. - Falsch bezieht diese Erzählung auf Knud SimonsfeId, Jahrbb. S. 491 Anm. 233 u. ebenso Prutz, Heinr. d. L. G. 153, der von "verräterischen Slaven [!]" im Heere Heinrichs d. L. spricht.
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Heinrichs des Löwen und seiner Grafen. Als nun der Herzog im Jahre 1159 mit Barbarossa den zweiten Italienzug antrat, verpflichtete er die Slaven samt ihrem Führer Niklot, in seiner Abwesenheit mit Sachsen und Dänen - auf letztere hatten es die Wenden ganz besonders abgesehen - Frieden zu halten. Zur größeren Sicherheit befahl er, daß alle wendischen Piratenschiffe seinem Abgesandten in Lübeck ausgeliefert würden. Die Wenden jedoch lieferten nur ein paar alte untaugliche Schiffe zum Schein ab; mit den übrigen unternahmen sie, sobald der Herzog diesen Gegenden den Rücken gekehrt hatte, einen Einfall in Dänemark. Als dann Heinrich, der sich bei Crema vom Heere des Kaisers trennte, Anfang 1160 nach Sachsen zurückkehrte, berief er sofort einen Landtag für sämtliche "Markmannen", 69 ) deutsche wie slavische, nach Darvörde bei Hittbergen a. d. Elbe. Bis Artlenburg kam auch König Waldemar von Dänemark, um sich über die von den Slaven ihm zugefügten Unbilden zu beschweren. Und da diese selbst, ihrer Schuld sich wohl bewußt, nicht beim Landtag erschienen, so wurden sie vom Herzog geächtet und für die Erntezeit ein Heereszug gegen sie angeordnet. 70 ) Wieder ging man wie 1147 von zwei Seiten gegen sie vor; vom Westen Heinrich der Löwe und seine Grafen, vom Norden Waldemar von Dänemark. Doch diesmal mit besserem Erfolg. Mit Feuer und Schwert wurde das Land verwüstet. Was von den Sachsen nicht zerstört wurde, vernichteten Niklot und seine Söhne, an der Gnade des Herzogs verzweifelnd, selber. 71 ) Und zur Befestigung seiner Herr-schaft teilte Heinrich der Löwe ihr Land jetzt an deutsche Herren auf, nachdem Niklot, der ewig unruhige Slavenfürst, bei diesem Zuge erschlagen war. Jetzt stand der Ratzeburger Graf nicht mehr allein an der Slavengrenze; sondern der Herzog setzte hier eine Reihe von Herren seines Gefolges aus der Braunschweiger Gegend als Burgvögte ein, 72 ) vor allem den Edlen Gunzel von Hagen mit seinem Gefolge in der Burg Schwerin. Und während die übrigen Herren im Jahre 1167 ihr Land wieder an Niklots Sohn Pribislav, der das Christentum annahm, verloren, 73 ) entwickelte


69) "marcomanni" bei Helm. I, 87 S 171. Vergl. darüber ebenda S. 123 Anm. 2.
70) Helm. I, 87 S. 169/171.
71) Helm. I, 88. Annall. Palid. ad 1160, MG SS XVI, 92. Wenn diese erst im Anschluß hieran die Einsetzung der drei wendischen Bischöfe erzählen, so ist das zwar nicht genau; doch tatsächlich werden erst nach diesem Zuge einigermaßen Ruhe und Frieden hier eingetreten sein.
72) Helm. S. 173 zählt sie auf.
73) Helm. Kap. 103 S. 204.
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sich das Schweriner Gebiet dank der persönlichen Tüchtigkeit Gunzels zur mächtigsten Grafschaft im Wendenlande. Mit ihm zusammen finden wir fortan die Ratzeburger Grafschaft häufig genannt.

Im Anschluß an diesen Zug von 1160 wurden nun die Dinge im Slavenland endgültig geregelt. 74 ) Fußend auf dem ihm 1154 von Friedrich I. verliehenen Recht der Investitur ließ sich Heinrich der Löwe jetzt nach seinen Verdiensten auf dem zweiten Römerzug von den drei Bischöfen den Lehnseid leisten. 75 ) Jetzt stattete er auch das dritte der wendischen Bistümer, das Mecklenburger, nach dem Vorbild Ratzeburgs und Oldenburgs mit 300 Hufen aus. 76 )

Für einige Jahre herrschte jetzt Friede im Slavenland. 77 ) Bischöfe und Grafen wetteiferten in der Kolonisation des Landes, indem sie die Wenden veranlaßten, entweder deutscher Bebauungsweise sich anzupassen oder deutschen Ansiedlern Platz zu machen. Wie Adolf von Holstein Holländer, Friesen und Westfalen an Stelle der vertriebenen Slaven im Lande angesiedelt hatte, so zog auch Heinrich von Badewide jetzt zahlreiche Westfalen ins Land. Und auch die von Heinrich dem Löwen beim letzten Kriegszuge eroberten Burgen Ilow, Euscin, Malchow und vor allem Schwerin, Gunzels Sitz, mit ihrer Umgebung wurden von deutschen Ansiedlern besetzt. 78 ) Immer mehr wurden die Slaven zurückgedrängt. Wie hier die Grafen Heinrichs des Löwen, ging in der Altmark und in Brandenburg Albrecht der Bär rücksichtslos gegen sie vor und besiedelte das ihnen abgenommene Land mit Holländern, Seeländern und Flandern. 79 ) Von den Ansiedlern 80 ) im Polabenland und Obodritien berichtet uns Helmold, daß sie,


74) Helm. I, 88.
75) Schmeidler in seiner Ausgabe des Helm. S. 173 Anm. 7 meint, daß vielleicht jene Urk. von 1154 erst 1159 Heinr. d. L. übergeben sei. Ausführlich handelt über diese Frage Simonsfeld, Jahrbb. S. 227 Anm. Jedenfalls findet sich von einer förmlichen "Bestätigung", wie Giesebr. V, 353 meint, keine Spur.
76) Vergl. M. U.-B. I, 90 u. 96 die für Ratzeburg u. Lübeck gegebenen Urkk. vom Jahre 1169.
77) "Fuit igitur in diebus illis pax per universam Slaviam", Helm. S. 178.
78) Helm. Kap. 92 S. 178 u. S. 173. Vergl. O. v. Heinemann, Geschichte von Braunschw. -u. Hannov. I, 223 ff. -u. Giesebr. V, 354; Wigger a. a. O. 120/21.
79) Helm. Kap. 89, S. 174.
80) Diese sind bei Helm. Kap. 92 offenbar unter den Polabi u. Obotriti verstanden; denn die Slaven gaben ja den Zehnten nicht.
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obwohl mitten unter Slaven wohnend - Helmold vergleicht sie deswegen mit den drei Männern im feurigen Ofen -, dennoch ihrer Verpflichtung gegen die Kirche durch regelmäßige Zentzahlung nachkamen im Gegensatz zu den Holsten in Wagrien, deren Land früher kolonisiert und also ertragreicher war. 81 )

Jener Kriegszug von 1160 bildet überhaupt einen bedeutsamen Einschnitt in der Geschichte der Wendenlande. Voll Stolz datierte Heinrich der Löwe nach ihm die Urkunde, durch die er im Jahre 1162 dem Propst und den zwölf Domherren in Ratzeburg 27 Mark aus dem Zoll zu Lübeck verlieh. 82 ) Diese Urkunde ist noch deshalb von besonderer Bedeutung für uns, weil wir aus ihr erfahren, daß Heinrich von Badewide auch Vogt der Kirche zu Ratzeburg war, ein Verhältnis, über das wir sonst nichts wissen. 83 ) Neben Graf Heinrich ist hier auch sein Sohn Bernhard Zeuge. Dieser, der zum erstenmal im Jahre 1161 in Braunschweig als Zeuge bei einer Verleihung Heinrichs des Löwen an Kloster Riddagshausen auftritt, 84 ) wird von jetzt ab bereits mehrfach in den Urkunden neben seinem Vater genannt. Auch er wird schon jetzt als "comes" bezeichnet, ein Beweis, daß dies Wort seine ursprüngliche Bedeutung bereits völlig verloren hatte und lediglich ein Titel war. Beide, Vater und Sohn, finden wir im selben Jahre noch einmal als Zeugen genannt, als Erzbischof Hartwig Elbe und Bille zu Grenzen des Ratzeburger Bistums bestimmt. 85 )

Im Juli des folgenden Jahres finden wir Heinrich zusammen mit Heinrich dem Löwen bei der Einweihung der Marienkirche in Lübeck, wohin der Herzog eine glänzende Versammlung geistlicher und weltlicher Herren berufen hatte. 86 ) Auch Erzbischof


81) Ebenda S. 179 u. 181.
82) M. U.-B. I, 74: "in secundo anno, postquam perfidam gentem, Slavos videlicet, propicia divina misericordia, bellica virtute mee sudieci ditioni". Vergl. Wigger a. a. O. S. 123/24, der als Ausstellungsort Lüneburg annimmt. - Übrigens ist die Indiktion der Urk. falsch; es ist die X.
83) Das "ibidem advocati" der Urk. bezieht sich natürlich auf Ratzeburg und nicht etwa auf das zunächststehende Ullessen.
84) Origg. Guelficae III praef. S. 36. Wenn Wiggier a. a. O. S. 123 ihn schon jetzt unter die "Hauptbefehlshaber in Mecklenburg" rechnet, so ist das nicht richtig; für Ratzeburg ist das einstweilen noch Heinrich.
85) M. U.-B. I, 75. Von einer "Erweiterung" des Ratzeburger Sprengels, wie Philipps, a. a. O. II S. 35 meint, ist hier nicht die Rede, es handelt sich lediglich um die feste Abgrenzung.
86) M. U.-B. I, 78. Vergl. Helm. S. 185/86; Annall. Palidens. MG SS XVI, 91 ad 1163. Die Urk. trägt zwar weder Monats- (  ...  )
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Hartwig war hier anwesend, und nach zehnjähriger Feindschaft söhnte er sich jetzt mit dem Herzog aus. - Bei dieser Gelegenheit wird auch der Inhalt der im Lüb. U.-B. II, l Nr. 6 und 7 S. 8-11 abgedruckten beiden Urkunden festgestellt sein, so daß, wenn Graf Heinrich von Ratzeburg in diesen angeblich zu Verden im Jahre 1164 am 12. Juli ausgestellten Urkunden als Zeuge fungiert, daraus für den terminus ad quem leider nichts zu schließen ist. Wir können sie als letzte urkundliche Nachricht für den ersten Ratzeburger Grafen, so wichtig das gerade in unserem Falle wäre, daher nicht benutzen, wie das noch zuletzt Schmeidler in seiner Ausgabe des Helmold getan hat. 87 ) Denn da Herzog Heinrich am 7. Juli 1164 in Demmin war und von dort weiter ins Slavenland in der Richtung auf Stolp vordrang, 88 ) konnte er nicht am 12. Juli in Verden sein. Auch wird in der Urkunde Nr. 7 der am 6. Juli bei Verchen gefallene Graf Adolf von Holstein 89 ) als Zeuge genannt. Andererseits ist es doch höchst wahrscheinlich, daß Urkunden, die für die Domherren zu Lübeck gegeben wurden, eben bei der Stiftung des Doms festgestellt sind, zumal die Zeugenreihen der beiden Urkunden mit jener im M. U.-B. I, 78 große Ähnlichkeit haben. Auch weisen annus regni wie annus imperii auf 1163 hin. 90 ) Als letzte urkundliche Nachricht über Graf Heinrich von Ratzeburg haben wir vielmehr die im U.-B. d. Stadt Lübeck I S. 4/5 abgedruckte Urkunde Heinrichs des Löwen anzusehen. Danach ist er am 18. Oktober 1163 auf dem Landtag in Artlenburg zugegen, als der Herzog den Streit zwischen Deutschen und Goten auf Gotland schlichtet und den Goten die ihnen bereits von Kaiser Lothar gewährten "Friedens- und Rechtsbestimmungen" bestätigt. 91 )


(  ...  ) datum noch Ausstellungsort; doch geht beides aus dem Inhalt und der Zeugenreihe hervor. Vergl. auch Hasse I, 112 Anm., der zwar das Datum nach dem 13. Aug. 1163 setzt, aber auch meint, daß die Zeugen als Zeugen des Aktum anzusehen seien.
87) A. a. O. S. 200 Anm. 6.
88) Helm. S. 198/99.
89) Siehe unten.
90) Vergl. die Anm. Leverkus' im Lüb. U.-B. u. M. U.-B. I, 82 Anm. und Hasses ausführliche Darlegung a. a. O. I, 112 Anm. Schwierigkeit macht nur das "comite Atholfo felicis ac pie memorie" in Nr. 6; doch erklärt sich das wohl als ein Zusatz der späteren Ausfertigung.
91) Auch die Einordnung dieser Urk. macht große Schwierigkeit wegen ihrer eigentümlichen Datierung und weil der bereits am 13. Aug. 1163 verstorbene Bischof Gerold hier noch als Zeuge genannt wird. Die Urk. ins Jahr 1161, wofür die Jahre des Königs- und Kaiserreiches (  ...  )
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Würde man Saxo Grammaticus folgen, so wäre auch Heinrich von Ratzeburg im Jahre 1164 zusammen mit Adolf II. von Holstein, Gunzel von Schwerin und Keinold von Dithmarschen von Heinrich dem Löwen bei seinem Zuge gegen Pribislav und die Pommernfürsten Kasimir und Boigislav nach Verchen vorausgeschickt, wo dann am 6. Juli bekanntlich Adolf und Keinold ihren Tod fanden. 92 ) Allein, hier liegt ganz offensichtlich eine Verwechslung mit Graf Christian von Oldenburg vor. Helmold, der den ganzen Verlauf dieses Zuges sowie den Überfall bei Verchen sehr ausführlich und viel genauer als Saxo schildert, erwähnt den Grafen von Ratzeburg mit keiner Silbe, 93 ) was um so auffälliger wäre, falls Heinrich mit bei Verchen war, weil Helmold, wie bereits erwähnt, dem Ratzeburger Grafenhause sehr nahe stand. Dafür nennt er Graf Christian von Oldenburg an den Stellen, wo Saxo Heinrich von Ratzeburg hat. 94 ) Es ist doch wohl natürlich, daß man dem Geschichtsschreiber, der den Dingen örtlich wie zeitlich am nächsten steht, den Vorzug gibt. 95 )

Offen bleibt dabei die Frage, ob Heinrich beim Gros des Heeres in Malchow zurückblieb oder überhaupt an diesem Zuge nicht teilnahm. Möglich, daß er gerade während dieses Zuges jene Gesandtschaft ausführte, von der Saxo SS XXIX, 121 spricht. Danach soll er nämlich von Heinrich dem Löwen zusammen mit dem Lübecker Bischof Konrad 96 ) an König Waldemar geschickt sein, um des Herzogs zweite Tochter mit Waldemars Sohn Knud zu verloben und ihm dadurch die Freundschaft des Dänenkönigs wieHerzugewinnen, die er nötig hatte, um die Slaven in Schach zu halten. Saxo erzählt dies zwar im Zusammenhang von Er-


(  ...  ) sprechen, zu setzen, geht nicht, da Heinr. d. L. in diesem Jahre mit dem Kaiser in Italien war; Philipps. I, 381. Vergl. D. Schaefer, Die Hansestädte und.König Waldemar S. 40; M. U.-B. I, 79 Anm. u. Philipps, a. a. O. II, 415. - Vielleicht gestattet Helm.'s Ausdruck S. 186 ,,Dux vero ordinatis rebus in Saxonia profectus est in Davariam" die Beziehung auf diesen Landtag vom Jahre 1163.
92) Saxo MG SS XXIX, 115.
93) Helm. Kap. 100 S. 195/99. Vergl. Giesebr. K. Z. V, 508/09; Prutz a. a. O. S. 210.
94) Das übersieht von Breska, Forschgg. z. deutsch. Gesch. XXII, 592 Anm. 1 u. 593, der hier Saxo Glauben schenkt. Eine Vergeßlichkeit Helm.'s in diesem Falle halte ich für ausgeschlossen.
95) Als Beweis für die geringere Zuverlässigkeit Saxos in diesem Falle mag noch angeführt werden, daß er hier Keinold v. Dithmarschen nur als "Regnaldum quendam" bezeichnet.
96) Saxo nennt zwar den Namen nicht, allein da Gerold 1163 gestorben war (Helm. S. 186/87), kann nur Konrad in Frage kommen.
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eignissen des Jahres 1167. Allein, dies Jahr ist völlig ausgeschlossen. Denn erstens lag um diese Zeit der Herzog im Streit mit Bischof Konrad wegen der Investitur, 97 ) und zweitens lebte, wenn nicht alle Anzeichen trügen, Heinrich von Ratzeburg im Jahre 1167 nicht mehr, worauf wir gleich zurückkommen werden. Nun ist schon v. Kobbe a. a. O. S. 150 Anm. 2 der Versuch gemacht worden, diese Gesandtschaft ins Jahr 1164 zu setzen, indem er annimmt, daß Saxo sie mit der von ihm selber auf S. 115 zum Jahre 1164 erzählten Verlobung der ersten Tochter Heinrichs des Löwen, Richenza, und mit der von Helmold auf S. 217 und den Annalen von Stade zum Jahre 1171 erzählten Verlobung mit der zweiten Tochter Heinrichs, Gertrud, der Witwe des Grafen Friedrich von Rothenburg, verwechselt habe. Zu demselben Resultat gelangt dann, und zwar, wie es scheint, vollkommen unabhängig von v. Kobbe, von Breska in den Forschungg. z. deutsch. Gesch. XXII, S. 590/94. 98 ) Und wenn man auch zugeben muß, daß immer noch Zweifel bestehen bleiben, so steht man doch vor der Wahl, entweder Saxos Bericht ganz zu verwerfen oder diese Gesandtschaft des Grafen Heinrich ins Jahr 1164 zu setzen. Man könnte dann annehmen, daß Graf Heinrich nach seiner erfolgreichen Sendung 99 ) bei seinem Verwandten Waldemar geblieben sei und in seinem Heere jenen Wendenfeldzug mitgemacht habe und daß auf diese Weise, da Helmold nur von einem Zusammentreffen Waldemars mit Heinrich dem Löwen spricht, sein Schweigen über eine Teilnahme Heinrichs von Ratzeburg zu erklären ist.

Noch im selben Jahre scheint dieser dann gestorben zu sein. Denn von 1164 an nennt Helmold als Grafen von Ratzeburg stets Bernhard. Selbst bei der Verteidigung des Ratzeburger Landes gegen die Slaveneinfälle unter Pribislav wird Heinrich nicht mehr erwähnt. 100 ) Und so dürfen wir wohl seinen Tod auf 1164 setzen. 101 ) Von seinem Sohn und Nachfolger Bernhard I. wurde ihm in Ratzeburg an der Grenze des Domhofes


97) Helm. Kap. 105 S. 205.
98) Ähnlich auch noch Wigger a. a. O. S. 156 Anm. 1. Daß die Verlobung Gertruds von Saxo "antizipiert" sei, meint auch Simson in den Anmerkungen zu Giesebr. Bd. V, Giesebr. K. Z. VI, 456. Giesebr. selber setzt jene Gesandtschaft an auf 1164/66, ebenda V, 511/12, was mit unserer Ansicht zusammentrifft.
99) Siehe Helm. Kap. 100 S. 195 u. Saxo S. 115 ff.
100) Helm. S. 200 u. S. 201: "Cuius [sc. Pribizlavi] exitum observantes Guncelinus atque Bernhardus pugnadant et ipsi de insidiis."
101) Das geschieht richtig bei v. Breska a. a. O. S. 593 und Schmeidler, Helm.-Ausg. S. 179 Anm. 2 u. S. 200 Anm. 6. Die An- (  ...  )
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ein Denkstein gesetzt, der noch heute dort steht und in Stein das Verdienst des ersten Ratzeburger Grafen um die Begründung des Christentums in seinem Lande bezeugt. 102 )

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Bernhard I 1161-1195.

Wir haben bereits oben - S. 28 - gesehen, daß schon bei Lebzeiten des Grafen Heinrich sein Sohn Bernhard neben ihm als "comes" auftritt, teils mit seinem Vater zusammen, teils allein. Das erste Mal begegnen wir ihm, da wir die Ratzeburger Dotationsurkunde, die ihn schon im Jahre 1158 als Zeugen aufführt, ausschalten müssen, 103 ) im Jahre 1161 in Braunschweig im Gefolge Heinrichs des Löwen. 104 ) Mit ihm finden wir Bernhard in fast noch engerer Verbindung als seinen Vater. Ihn und Gunzel von Schwerin bezeichnet Helmold als die "boni satellites optimi ducis". 105 ) Wo er konnte, vertrat er die Interessen seines Herzogs. Das zeigt gleich sein erstes Auftreten, über das wir etwas Genaueres wissen. Im Jahre 1162 belagerte nämlich König Waldemar I. von Dänemark mit Hülfe der Rugianer Wolgast, das, unter eigenen Führern stehend, 106 ) seine Küsten durch Seeräuberei beunruhigt hatte. Ihm kam Bernhard von Ratzeburg, der eine Verwandte des Königs zur Gattin hatte, mit zwei Schiffen zu Hülfe. Als er nun bei einer Versammlung die Rugianer fragte, warum sie sich nicht um die Gunst des Herzogs von Sachsen bemühten, antworteten sie verächtlich, sie hätten vor dem sächsischen Namen keinerlei Respekt. 107 ) Bernhard aber versetzte stolz, was der Herzog vermöge, würden sie binnen


(  ...  ) nahme des M. U.-B. I, 86, daß Graf H- noch 1166 gelebt habe, beruht auf der irrigen Annahme, daß jene Gesandtschaft nach Dänemark 1166 stattgefunden habe. - Jeder Begründung entbehrend ist die Angabe Risches, daß Graf Heinrich 1166/67 gestorben sei, in "Nachträge und Berichtigungen zum M. U.-B.", Ludwigsluster Progr. 1905 Nr. 34, einer recht nachlässig gearbeiteten und unzuverlässigen Abhandlung.
102) Form und Inschrift des Steins M. U.-B. I, 86; vergl. die Anmerkung. Vergl. auch Helm. S. 179: "Et plantatum est opus Dei temporibus Heinrici in terra Polaborum", u. Arn. V, 7.
103) Siehe S. 17 u. Anm. 38.
104) Vergl. S. 28 u. Anm. 82 u. 84.
105) Helm. Kap. 101 S. 200.
106) Daß sind jedoch nicht Niklots Söhne Pribislav u. Wertislav, wie L. Giesebrecht, Wendische Geschichten III, 129 meint.
107) "Se nullo in momento Saxonici nominis respectum ponere."
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kurzem erfahren. 108 ) Und tatsächlich huldigten bereits im folgenden Jahre, als der Herzog zur Stiftung des Doms in Lübeck weilte, ihm die Rugianer. 109 )

Was uns außer der Erzählung Saxos von der Anhänglichkeit Bernhards an seinen Herzog an diesem Bericht in erster Linie wichtig erscheint, ist, daß Saxo die Gemahlin Bernhards eine "neptis" des Dänenkönigs nennt. Daß wir hier "neptis" nicht wörtlich als Nichte aufzufassen haben, 110 ) bemerkt schon v. Robbe a. a. O. S. 156 Anm. 14, indem er auf den mittelalterlichen Gebrauch hinweist, "nepos" und "neptis" ganz allgemein zur Bezeichnung eines verwandtschaftlichen Verhältnisses anzuwenden. 111 ) Diese Gattin Bernhards I. hieß, wie uns Arnold in seiner Slavenchronik berichtet, Margareta und war die Tochter des Pommernfürsten Ratibor I. von Schlawe, des "Seekönigs". 112 ) Die Gemahlin Ratibors, Pribislava, war die Tochter des Herzogs Boleslav Crivosti von Polen, dessen zweite Tochter, Richenza, in zweiter Ehe mit dem russischen Fürsten Wladimir von Halicz (Galizien) vermählt war. Aus dieser Ehe ging Sophia, die Gemahlin Waldemars I., hervor. Mithin wäre Margareta von Ratzeburg eine Base der Gemahlin Waldemars. 113 )

Wenn hier Bernhard sich dem dänischen König mit zwei Schiffen anschließt, so läßt das auf eine nicht unbedeutende Macht der Ratzeburger Grafen selbst zur See schließen. Und letztere, so mögen wir annehmen, unterstand wohl schon bei Lebzeiten seines


108) Saxo SS XXIX, 111. Vergl. Dahlmann, Gesch. von Dänemark, S. 288 u. L. Giesebr. a. a. O. III, 131/2. Giesebr. K. Z. V, 355/6. Diese Geschichte in Verbindung mit dem von Saxo anschließend erzählten Wort des Rugianers Masco zeigt recht deutlich die schwankende Stellung der ranischen Slaven, die, von zwei Seiten bedrängt, bald zum Dänenkönig, bald zum SachsenHerzog hinneigten und so einen ständigen ZankapfeI zwischen den beiden mächtigsten Herrschern des Nordens bildeten.
109) Giesebr., Wend. Gesch. III, 135.
110) Wie irrigerweise Suhm VII, 110 und L. Giesebr. a. a. O. S. 137 Anm. 4 tun.
111) v. Kobbe weist dabei sehr richtig auf den Ausdruck "nistel" hin. Dabei mag daran erinnert werden, daß ja in manchen Gegenden z. B. "Vetter" auch zur Bezeichnung eines weitläufigen verwandtschaftlichen Grades gebraucht wird.
112) Arn. V, 7 in dem schon erwähnten Abriß zur Geschichte des Ratzeburger Grafenhauses. Diese Stelle ist Holder-Egger bei seiner Ausg. des Saxo entgangen, s. dort S. 111 Anm. 4.
113) Siehe Pommersches Urk.-Buch I, Regist. S. 564, 565, 570; vergl. unten die Ratzeburger Stammtafel u. v. Kobbe S. 154/56.
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Vaters dem Befehl Bernhards. Nachdem nun Heinrich gestorden war, übernahm Bernhard auch die Grenzwacht gegen die Slaven, indem er sich, wie uns Helmold erzählt, den Grafen Adolf II. von Holstein zum Vorbild nahm, den bedeutendsten Vorkämpfer des Deutschtums in diesen Gegenden, der leider zu früh gestorben war. 114 ) Zwar, von einer Teilnahme Bernhards an dem großen Zuge von 1164 erfahren wir nichts. Doch hatte er bald anderweit Gelegenheit, seine Tüchtigkeit zu beweisen. Auf jenem Zuge war Werrislav vom Herzog bei Malchow aufgeknüpft worden, und es war von den Söhnen Niklots nur noch Pribislav übrig. Dieser blieb auch nach dem Kriege, durch den er der väterlichen Erbschaft verlustig gegangen war, bei den beiden Pommernherzögen, in deren Verbindung er jenen Aufstand unternommen hatte. 115 ) Alle drei bauten dann Demmin, das der Herzog völlig hatte zerstören lassen, wieder auf. Und von hier aus unternahm er nun häufig Beutezüge ins Obodriten- und Polabenland und führte Menschen und Vieh gefangen fort. Da war es neben Gunzel von Schwerin vor allem Graf Bernhard, der in häufigen Kämpfen die Streitmacht Pribislavs aufrieb, so daß diesem schließlich die Pommernherzöge mit Kündigung der Gastfreundschaft drohten, wenn er nicht endlich Ruhe halte, sondern fortführe, "die Augen der Männer des Herzogs zu beleidigen". 116 )

Bernhard hielt dann auch treu zum Herzog, als jetzt unter Führung Wichmanns von Magdeburg und Albrechts des Bären der langverhaltene Unwille über des Herzogs herrisches Auftreten und seine wachsende Macht, "die Verschwörung aller gegen einen" zum Ausbruch kam, die im Süden mit der Belagerung von Haldensleben, einer der festesten Burgen des Herzogs, im Norden mit dem Einfall Christians von Oldenburg, der bisher eifrig auf seiten des Herzogs gegen die Slaven gekämpft hatte, in das Bremerland begann. Zwar haben wir dafür kein Zeugnis weiter als eine Urkunde, die vom Jahre 1167 datiert, deren Inhalt jedoch spätestens im Sommer 1166 festgesetzt ist. 117 ) Hier treffen wir unter den


114) Helm. Kap. 101 S. 200: "Huius [sc. Adolfi II] emulacione instigati ..... Guncelinus et Bernhardus, quorum unus Zverin alter Racesburg preerat, fecerunt et ipsi opus bonum."
115) Siehe S. 30.
116) Helm. Kap. 102 S. 101. Vergl. Giesebr. K. Z. V. 111.
117) M. U.-B. I, 88 Akt. u. Datum fallen nicht zusammen; vergl. von Breska, Forschgg. z. deutsch. Gesch. XXII, 588. Wigger, M. Jbb. 28, 160 setzt die Urk. gleichwohl an für Frühling 1167.
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Heinrich treu gebliebenen Herren 118 ) auch Bernhard von Ratzeburg. Ausdrücklich bezeugt ist uns eine Parteinahme für den ,Herzog nur von Gunzel von Schwerin und erst zum Jahre 1168 beim Streit um die Besetzung des Bremer Erzbischofssitzes. 119 ) Doch ist als sicher anzunehmen, daß bei all den Kämpfen dieser Jahre die Grafen im Nordosten des Gebietes Heinrichs seine zu- verlässigsten Anhänger waren. Alle, nicht nur der Ratzeburger, auch der Schweriner, Dannenberger und Lüchower Graf verdankte dem .Herzog ihre Stellung. Dazu hatte er, als der Kampf auszubrechen drohte, Pribislav wieder zu Gnaden angenommen und ihm alles Land außer der Grafschaft Schwerin zurückgegeben und in Holstein zum Vormund des jungen Adolfs III. den ihm er-gebenen Heinrich von Schwarzburg eingesetzt. 120 ) So war die Stellung Bernhards von vornherein gegeben.

Genannt finden wir ihn erst wieder im Jahre 1169, wo er am 7. November zu Artlenburg Zeuge ist, daß Herzog Heinrich die drei wendischen Bistümer mit je 300 Hufen ausstattet. 121 ) Wir haben oben - S. 23 f. - gesehen, daß dies in Ratzeburg schon im Jahre 1154 geschehen war und daß. wahrscheinlich auch im Jahre 1158 Heinrich der Löwe hierüber eine Urkunde, die jedoch verloren ist, ausgestellt hatte. Doch erst nach und nach waren die Dinge hier im Slavenland geordnet. Nun, war im Jahre 1166 der Oldenburger Bischofssitz nach Lübeck 122 ) und um 1166 der Mecklenburger nach Schwerin verlegt. 123 ) Und es wurden nun die Bestimmungen für alle drei Bistümer gleichmäßig gegeben. 124 ) Es werden unter anderem hierbei für die 300 Hufen


118) Auch einige aus dem Süden und Westen sind dabei, wie Graf Konrad von Regenstein und Eilbert von Wölpe.
119) Annall. Stadens. ad 1168, SS XVI, 346.
120) Helm. Kap. 103 S. 203 f.
121) M. U.-B. I, 90. In diese Verbindung gehören auch. M. U.-B. I, 96 u. 113. Vergl. dazu Hasse I, 124 Anm.
122) Helm. Kap. 90 S. 175.
123) Siehe die S. 34 u. Anm. 117 erwähnte Urk. M. U.-B. I, 88, in der u. a. die Abgrenzung zwischen Ratzeburg und Schwerin vorgenommen wird. Es ist ein sehr richtiger Gedanke Haucks, K. G. IV, 623 u. Anm. 2, die Verlegung des Bischofssitzes mit der Begründung der Grafschaft Schwerin in Verbindung zu bringen. Noch Wigger setzte sie, verführt durch die gefälschte Dotationsurkunde, auf 1158 an, a. a. O. G. 105.
124) M. U.-B. I, 96 mit dem Jahre 1170 ist lediglich, wie bereits Hasse I, 124 Anm. bemerkt, eine andere Ausfertigung der Urk. M. U.-B. I, 90, und zwar für Lübeck, während die Schweriner fehlt. Hierher gehört auch die Nachricht Helmolds Kap. 88 S. 174: "Et dedit eis (  ...  )
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die wogiwotnitza, der Herzogszins der Slaven, erlassen und der Umfang der biscoponitza, des Bischofszinses, auf drei Kuriz und einen Schilling vom Haken festgesetzt. 125 ) Von den Gerichtsbußen für Kapitalverbrechen fallen zwei Drittel dem Bischof, ein Drittel dem Vogt zu, was hier für uns von besonderem Interesse ist, da die Ratzeburger Grafen ja Vögte des Stiftes waren. 126 ) Wenn so die drei Bistümer endgültig eingerichtet werden konnten, so war das wesentlich mit Bernhard von Ratzeburg zu danken. Von Helmold und Arnold wird einstimmig sein hervorragendes Verdienst um die Vollendung des "Gotteswerkes im Polabenlande" hervorgehoben. "Er führte glänzender aus, was sein Vater begonnen. 127 ) Und ganz in dessen Weise ging er vor, indem er die Slaven, die sich dem Christentum nicht unterwarfen, ohne Bedenken aus dem Lande trieb und dieses an deutsche Kolonisten aufteilte. 128 ) Auch trug seine Verbindung mit einer pommerschen Fürstentochter sehr zum Frieden des Landes bei, wie uns Arnold berichtet.

Ebenso wurde er durch seine Verwandtschaft mit dem dänischen Königshause veranlaßt, mit diesem in Frieden zu leben, wozu


(  ...  ) dux privilegia de possessionibus et de reditibus et de iusticiis", womit er des Zusammenhangs wegen schon einige Jahre vorgreist. Es ist überhaupt mißlich, bei Helm. aus dem Zusammenhang immer auf die Zeit schließen zu wollen, da er die Dinge für seine Zwecke, und also nicht immer chronologisch anordnet; vergl. Schmeidler a. a. O. S. 174 Anm: 3.
125) Vergl. Helm. ebenda, der ganz analoge Bestimmungen anführt; nur hat er statt des solidus unus duodecim nummi, was ja aber gleichbedeutend ist. - Dagegen kommen in der sogen. Dotationsurk. noch hinzu "toppus lini unus, pullus unus", Wovon der toppus lini bei Helm. Kap. 14 in den XL restes lini als alter Slavenzins bezeugt, der "pullus" jedoch neu ist, aber später im Ratzeburger Zehntreg. S. 376 abermals erwähnt wird. - Kuriz ist der slavische Ausdruck für Scheffel, Helm. ebenda.
126) Die bei dieser Gelegenheit für den Bischof ausgesonderten Vorwerke, die von Markding, Heeresfolge und Burgwerk befreit waren, unterstanden ebenso wie die curiae episcopales ganz allein dem Bischof, während an den 300 Hufen auch die Domherren einen Anteil besaßen; vergl. M. U.-B. I, 101.
127) Helm. S. 179 u. 200. Arn. V, 7: "strennue se geredat et Slavorum impetus non sine magna difficultate sepius suatinedat. Ipse tamen eiectis Sclavis de die in diem in terra proficiedat".
128) Arn. ebenda. - Wigger a. a. O. S. 123 weist mit Recht darauf hin, daß Helm.'s Ausdruck S. 174: "Et precepit dux Slavis, qui remanserant in terra Wagirorum, Polaborum, Obotritorum, Kicinorum....." für 1160 verfrüht ist. Doch bezieht ihn dann Wigger selbst auf 1167, während er doch wohl am besten in diese Verbindung paßt.
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noch kam, daß. er einen Teil Schleswigs vom Dänenkönig zu Lehen trug. So wird er denn häufig eine vermittelnde Rolle zwischen seinen beiden Lehnsherren gespielt haben. Das war besonders notwendig in den Kämpfen beider um den Besitz von Rügen, die auch nach dem Vertrage von 1166 129 ) fortdauerten. Als nun im Jahre 1168 Waldemar sich Rügens bemächtigte, ohne mit dem Herzog jenem Vertrage gemäß die Beute zu teilen, da hetzte Heinrich die wendischen Herren in Wagrien und dem Obodritenland wie die Fürsten von Pommern gegen ihn, die mehrere Jahre hindurch in häufigen Raubzügen seine Küsten in dauernder Angst und Unruhe halten mußten. Und sicherlich hatte es seine Billigung, wenn auch die deutschen Grafen und Herren sich an solchen Beutezügen beteiligten. Im Jahre 1171 130 ) beschlossen diese, die die Zeit zu solchem Unternehmen für besonders günstig halten mochten, einen Kriegszug gegen die Dänen, 131 ) als dessen Hauptführer Gunzel von Schwerin erscheint. Auf seinen Rat beschließt man, den Stoß gegen Schleswig zu richten. Doch weigert sich Bernhard von Ratzeburg entschieben, dorthin, wo er vom Dänenkönig belehnt war, einen Kriegszug zu unternehmen. An seiner und Heinrichs von Schwarzburg, des Statthalters von Holstein, Weigerung scheitert dann das ganze Unternehmen, und man beschließt, den Krieg bis zur Rückkehr des Herzogs aus Bayern zu verschieben. Doch ist dann sicher auch diese Angelegenheit bei der Zusammenkunft beider Fürsten an der Eider,


129) Siehe Helm. S. 201; vergl. dort die Anm. 5 u. Giesebr. 512 ff.
130) v. Kobbe I S. 157 Anm. 16 setzt diese Erzählung Saxos - MG SS XXIX, 141 f. - unrichtig ins Jahr 1170 u. Holder-Egger versieht in seiner Ausgabe das richtige 1171 mit einem Fragezeichen und verweist - ebenda Anm. 5 - auf das Jahr 1174. Es kann sich jedoch nur um 1171 handeln, wie aus dem ganzen Zusammenhang hervorgeht. Saxo beginnt seine Erzählung mit: "Interea Henrico duce apud Davaros agente". Nun war Heinrich im Jahre 1170 überhaupt nicht in Bayern, wohl aber 1171 vom Jan. bis März, vergl. Philipps., H. d. L. II, 167 u. Prutz, Regesten Heinrichs d. L. in seinem H. d. L. S. 461. Ferner: Saxo S. 140 f. sowohl wie Helm. Kap. 109 S. 216 berichten als jener Zusammenkunft an der Eider im Jahre 1171 - s. unten - unmittelbar voraufgehend den Einfall der Dänen nach Wagrien. - An der Verwirrung ist Saxo selbst schuld,, indem er diese Zusammenkunft von 1171 an zwei verschiebenen Stellen erwähnt, S. 140 u. ausführlicher S. 143; vergl. Schmeidler a. a. O. S. 217 Anm. 5.
131) Unter den "universi Saxonum satrapae" sind selbstverständlich nur die Herren im nordöstlichen Deutschland zu verstehen. Saxo, der überhaupt gern übertreibt, tut das hier besonders offenkundig, so, wenn er Schleswig von 60 000 Mann verteidigt werden läßt.
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am 24. Juni 1171, beigelegt. 132 ) Diese friedliche Lösung war, wie gesagt, zum großen Teil Graf Bernhard von Ratzeburg zu danken.

Daß es sich bei diesem Lehnsverhältnis zum Dänenkönig nur um einen Teil von Schleswig handeln kann, 133 ) bemerkt bereits v. Kobbe a. a. O. I S. 157 Anm. 16 mit Recht. Er nimmt die Gegend an der nordfriesischen Grenze, in der Nähe des Lügumklosters, an und wird damit wohl das Richtige treffen. 134 ) Wir besitzen nämlich auch ein urkundliches Zeugnis für dies Lehnsverhältnis, das sogar noch bis in späte Zeit wirksam gewesen ist, wie das ja bei Besitzrechten im Mittelalter meist der Fall war. Ende des 13. Jahrhunderts erläßt nämlich "Johannes Tomessen miles, capitaneus castri Roetzburgh", zu sein und seiner Gattin Seelenheil dem Lügumkloster eine bestimmte Summe Geld, für die ihm das Kloster gewisse Dörfer in der Nähe des Klosters verpfändet hatte. 135 ) Suhm a. a. O. IX, 53 versteht unter diesem Roetzburgh richtig Ratzeburg. Falsch ist es dagegen, wenn er die Urkunde, der die Jahreszahl fehlt, ins Jahr 1204 setzt. Dem widerspricht schon der Wortlaut der Urkunde und vor allem der Ausdruck "capitaneus", der so früh in der Bedeutung von ."Befehlshaber" sich nicht findet. 136 ) Der Wahrheit nahe kommen die Verfasser des Index zu Langebek, Scriptores, die die Urkunde ins 14. Jahrhundert setzen wollen. 137 ) Dieser "Johannes Tomessen miles" ist nämlich niemand anders als der auch sonst bekannte Ratzeburger Vogt Johann von Erumessen, der Ende des 13. Jahrhunderts in Urkunden des Herzogs Johann von Sachsen-Lauenburg mehrfach genannt wird. 138 )

In den nächsten Jahren sehen wir dann Bernhard dauernd in Verbindung mit Heinrich dem Löwen. Zum 9. September 1171 wird er als Zeuge genannt in der vermutlich zu Schwerin


132) Helm. Kap. 110 S. 217; vergl. Anm. 130.
133) Saxo fagt zwar: "provinciam, quam per regem deneficii iure possideat".
134) Unrichtig ist es natürlich, wenn er S. 158 hiermit jene beiden von Arn. erwähnten friesischen Gefangenen Heinrichs v. Badewide in Verbindung bringt, da offenbar erst Graf Bernhard dies Lehen innehat. Wir haben oben gesehen, auf welche Weise Graf Heinrich jene Gefangenen gemacht hatte.
135) Langebek, Scriptores rer. Danicar. VIII, 81.
136) Vergl. Schröder, R. G. 4 S. 610.
137) A. a. O. Bd. IX S. 370 "sec. XIV (?)".
138) M. U.-B. 1550, 1682, 2026 u. a. Das Tomessen in der Urk. des .Lügumklosters ist offenbar ein Schreib- oder LesefehIer.
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ausgestellten Bewidmungsurkunde des Herzogs für das Bistum Schwerin. 139 ) Hierbei erhält u. a. der Ratzeburger Graf Einfluß auf die Festsetzung der Präbenden der Schweriner Domherren. 140 ) Und einige Tage später ist er Zeuge, daß der Herzog die curiae episcopales des Ratzeburger Bischofs von Heerfolge, Markding und Burgwerk befreit. 141 ) Am 9. Januar 1172 ist er, ebenfalls im Gefolge des Herzogs, Zeuge bei der Stiftung des Klosters Lüne durch Bischof Hugo von Verben, wahrscheinlich auf einem Landtag, den der Herzog zu Verben abhielt, bevor er seine Reise nach dem gelobten Lande antrat. 142 ) Von dort wird er den Herzog nach Braunschweig begleitet haben, um mit ihm und einer großen Zahl sächsischer Herren, unter diesen vor allem Bernhards Freund Gunzel, die Pilgerfahrt anzutreten. So treffen wir ihn dann in Jerusalem als Zeugen, daß der Herzog der dortigen Auferstehungskirche drei ewige Lampen stiftet. 143 ) Näheres über diese Reise Bernhards erfahren wir leider nicht. Im Dezember wird er mit dem Herzog wieder nach Deutschland zurückgekehrt sein. Wir finden ihn dann erst wieder genannt zum Jahre 1175 bei Gelegenheit der Dotierung der Kapelle St. Johannes auf dem Lande zu Lübeck durch den Herzog. 144 )

Wieder hören wir dann jahrelang nichts von Bernhard. Es macht sich hier das Fehlen aller von den Ratzeburger Grafen ausgestellten Urkunden recht fühlbar. 145 ) Als wir seinen Namen wiederfinden, ist ein Umschwung aller Verhältnisse eingetreten. Barbarossa, von Heinrich dem Löwen im Stich gelassen, hat die schwere Niederlage von Legnano erlitten. Und nun wird der


139) M. U.-B. I, 100 A. Für die Echtheit vergl. F. Salis, Arch. f. Urk.-Forschg. 1908.
140) Ebenda S. 98. Ich vermag mit dieser Bestimmung schlechterdings nichts anzufangen. Man sollte aus ihr den Schluß ziehen, daß das Gebiet des Ratzeburger Grafen in die Schweriner Diözese hineinragte. Allein, mit welchem Teile? Ist sie lediglich eine Auszeichnung?
141) M. U.-B. I, 101, Urk. vom 19. Sept. 1171; vergl. S. 36 Anm. 126.
142) M. U.-B. I, 102. Siehe Philipps. a. a. O. II, 172.
143) M. U.-B. I, 103. Es ist eine idyllische, aber nichtsdestoweniger unrichtige Vermutung v. Kobbes a. a. O. S. 172, Graf Bernhard habe an diesem Zuge seiner kleinen Kinder wegen nicht teilnehmen können.
144) M. U.-B. I 119 = Haffe I, 133. Zwar wird Bernh. auch in der vom Jahre 1174 datierten Urk. M. U.-B. I, 113 genannt; doch gehört diese, falls überhaupt echt, ins Jahr 1169.
145) Vergl. darüber M. U.-B. I, Vorrede S. X. Daß die Ratzeburger Grafen überhaupt keine Urkunden ausgestellt hätten, ist natürlich sehr unwahrscheinlich; diese scheinen alle zugrunde gegangen zu sein.
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Herzog nicht mehr wie bisher von ihm gehalten, sondern der Kaiser läßt den Anklagen der zahlreichen Feinde des Löwen freien Lauf. Dieser jedoch kümmert sich um die Ladungen des Kaisers nicht. Weder zum Reichstag in Worms noch zu den seinetwegen anberaumten Gerichtstagen erscheint er, sondern fährt fort in seinen Kämpfen gegen seine Gegner. Und wieder sind es hauptsächlich die Grafen im östlichen Teil seines Gebietes, auf die er sich hierbei stützt. Im Juli des Jahres 1179 bringen sie, vor allem der junge Adolf III. von Holstein, der kürzlich die Grafschaft seiner Väter übernommen hatte, unser Graf Bernhard, Graf Bernhard von Wölpe, Gunzel von Schwerin und die Brüder Ludolf und Wilbrand von Hallermünde ein Heer auf, 146 ) um gegen die dem Herzog feindlich gesinnten westfälischen Grafen Simon von Teklenburg, Hermann von Ravensderg, Heinrich von Arnsberg und Widukind von Schwalenberg, die Teile der Länder des Herzogs besetzt hatten, zu ziehen. Mitten in das Gebiet dieser Herren dringen sie vor, und am 1. August kommt es zur Schlacht auf dem Halerfeld bei Osnabrück, wo eine große Anzahl Westfalen niedergemacht, noch mehr jedoch, darunter Graf Simon von Teklenburg, gefangen genommen werden. 147 )

Doch wegen der Gefangenen und des von ihnen zu erwartenden Lösegeldes geriet jetzt der Herzog in Streit mit einem Teil seiner Getreuen, vor allem mit Adolf von Holstein. Der Herzog, dessen trotzigen Sinn selbst die von allen Seiten hereinbrechenden Gefahren nicht zu irgendwelcher Nachgiebigkeit bewegen konnten, verlangte, weder gerecht noch klug handelnd, daß ihm sämtliche Gefangenen ausgeliefert würden. Dagegen machte Adolf mit Recht geltend, daß er, da er aus eigenen Mitteln ein Heer aufgebracht hätte, auch wohl das Lösegeld für seine Gefangenen beanspruchen dürfe, da es ihm sonst nicht möglich sei, ein zweites Mal den Herzog in dieser Weise zu unterstützen. Adolf behielt nun die Gefangenen; doch hatte er durch seinen Widerspruch den stolzen Herzog schwer gereizt. 148 ) Als dann nach dem siegreichen Zuge in das Thüringer


146) Die "Saxones, qui Holtsati dicuntur" bei Arn. II, 13 stehen offenbar für die östlichen Sachsen insgesamt.
147) Arn. II, 13. Annall. Stad. MG SS XVI, 349 falsch zu 1180. Ihnen folgt v. Kobbe I S. 177 ff. Annall. Patherbrunnenses, rekonstr. von Scheffer-Boichorst, S. 175 ad 1179, vergl. Anm. 2. - Das "Halrefeld" der Staber Annalen ist natürlich nicht mit Halle in Westfalen in Verbindung zu bringen, wie Giesebr. K. Z. VI Anmerkungen zu Bd. V S. 566 meint, da das mit Arn.'s Bericht nicht wohl zu vereinigen wäre, sondern mit Halen nordwestl. Osnabrück.
148) Arn. ebenda.
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Gebiet im Mai des folgenden Jahres Gunzel von Schwerin, sei es aus Ergebenheit gegen den Herzog, sei es aus Rivalität gegen den Holsteiner, die Treue Adolfs beim Herzog verdächtigte und dabei vor allem auf jene Weigerung hinwies und nun der Herzog zum Beweis der Treue Adolfs seine Forderung wiederholte, verließ dieser voller Bitterkeit über so schnöde Behandlung mit seinem Anhang Braunschweig. Und nun besetzte der Herzog, dem solche Gelegenheit, das Gebiet eines untreuen Vasallen seinem Allod hinzufügen zu können, garnicht unerwünscht sein mochte, und der sich offenbar nach seinem Thüringer Siege wieder als Herrn der Lage fühlte, des Grafen Land. Er selbst eroberte Plön und setzte dort den ihm ergebenen Overboden Marcrad ein. Die stärkste Feste des Landes, Segeberg, ließ er durch Graf Bernhard von Ratzeburg belagern. Diese wurde, während Adolf das Land verlassen und sich auf die Schauenburg begeben hatte, von Mathilde, des Grafen tatkräftiger Mutter, verteidigt. Doch da der Schloßbrunnen versiegte, wurde endlich auch Segeberg zur Übergabe gezwungen und hier Lupold von Bayern als Schloßvogt eingesetzt. Das war im September 1180 geschehen. 149 )

Inzwischen jedoch war über den Löwen auf dem Tage zu Würzburg die Reichsacht verhängt. Zu Gelnhausen hatte man seine Herzogtümer bereits neu vergeben, 150 ) und von Tag zu Tag verringerte sich die Zahl seiner Anhänger, nachdem ihnen auf dem Hoftag zu Werla Entziehung von Lehen und Eigen angedroht war, wenn sie nicht spätestens bis Martini die Partei des Löwen verlassen hätten. 151 ) Kein Wunder, daß er, der nur durch eiserne Strenge seine Vasallen an sich gefesselt und wenig Liebe gesät hatte, jetzt überall Verrat witterte. So erhob er auch gegen Graf Bernhard, der bei ihm in Lüneburg weilte, Weihnachten 1180 die schwersten Beschuldigungen. Er wisse von seinen Getreuen zuverlässig, daß der Graf sich mit Feinden des Herzogs verschworen habe, ihn und seine Gemahlin nach Ratzeburg einzuladen und dort zu ermorden. Begründet war dieser Verdacht wohl nur auf Einflüsterungen von Feinden Bernhards und auf des Herzogs eigenem mißtrauischen Charakter. Nach allem, was wir von Bernhard wissen, ist ihm ein solcher Plan nicht wohl zuzutrauen. 152 ) Da


149) Arn. II, 16. Vergl. Giesebr. K. Z. V, 929 f.
150) Siehe die Urk. darüber vom 3. Apr. 1180 MG LL sect. IV Bd. I, Nr. 279.
151) Annall. Pegav. MG SS XVI, 263/4.
152) Vergl. Philipps. II, 248 f.; Prutz S. 336 Anm. 1; v. Kobbe S. 181 ff.
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er sich nun gegen solche Verdächtigungen nicht genügend verantworten konnte, nahm ihn der Herzog samt seinem ältesten Sohn Volrad gefangen, zog mit einem Heere vor Ratzeburg und belagerte es. Und mit Hülfe der Lübecker, die ihm, offenbar aus Dankbarkeit für seine Wohltaten - denn ihre Macht und Blüte verdankten sie bekanntlich allein dem Herzog -, Schiffe, Waffen und Belagerungsmaschinen sandten, 153 ) wurde die Stadt bald bezwungen. Bernhard begab sich mit seiner Familie nach seiner Burg Gadebusch. Doch auch hier ließ ihm der argwöhnische Herzog keine Ruhe. "Weil er mit Feinden des Herzogs Freundschaft halte", 154 ) zog dieser zum zweitenmal mit Heeresmacht ins Land und zerstörte Gadebusch, wobei er nicht verschmähte, die vorgefundene reiche Beute mit sich zu nehmen. Er stürzte sich blind ins Verderben. In einem Augenblick, wo ihn die Feinde von allen Seiten bedrängten, wo der Kaiser sich rüstete, in eigener Person gegen ihn die Reichsacht zu vollstrecken, wo die erbetene Hülfe auswärtiger Fürsten versagt wurde, da trieb er langjährige erprobte Freunde, anstatt sie um so fester an sich zu ketten, durch Mißtrauen und Hartnäckigkeit zur Partei seiner Gegner. Wo es galt, alle Kraft gegen die alten Feinde zu sammeln, da verbrachte er die Zeit damit, sich neue zu schaffen, an den eignen Vasallen kleinliche Rache zu üben und in ihrem Lande Beute zu machen. Daß der Herzog auch in Ratzeburg einen Schloßvogt wie in Plön und Segeberg eingesetzt habe, hören wir nicht. Er ließ diese drei Burgen neu befestigen, um hier dem Angriff des Kaisers zu trotzen. 155 )

Im Juni rückte dieser nun mit einem starken Heere mitten durch die Lüneburger Heide auf die Elbe zu, vermutlich, um bei Artlenburg den Strom zu überschreiten und den Herzog, der sich in Lübeck befand, aus diesem seinem letzten Zufluchtsort zu vertreiden. In Bardowiek ließ er einen Teil seines Heeres unter dem neuen Herzog Bernhard und dessen Bruder, dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg, zurück, um das dem Herzog treue Lüneburg, wo auch die Herzogin Mathilde sich befand, in Schach zu halten. Hier blieb wahrscheinlich auch Bernhard von Ratze-


153) Vergl. Arn. II, 21. - Daß Ratzeburg ernstlich als Rivalin Lübecks in Frage kam, wie Prutz H. d. L. S. 336 meint, ist wegen der viel ungünstigeren Lage mehr als zweifelhaft.
154) Wer diese Feinde des Herzogs sind, sagt uns Arn. nicht; Prutz a. a. O. S. 336 vermutet Parteigänger des Kaisers.
155) Arn. II, 19. Vergl. Giesebr. K.Z. V, 931.
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burg, 156 ) der sich nach seiner Vertreibung aus Gadebusch zu Herzog Bernhard begeben hatte. Inzwischen wurde ihm durch seine Anhänger auf ganz unerwartete Weise seine Hauptstadt wiedergewonnen. Der Herzog nämlich begab sich, nachdem er Lübeck in Verteidigungszustand gesetzt hatte, nach Ratzeburg, um von hier aus die Elbe zu erreichen. 157 ) Als ihm nun am Morgen des 30. Juni die Besatzung der Burg das Geleit zur Elbe gab, ersahen die Freunde Bernhards die Gelegenheit, drangen in die Burg ein, warfen die wenigen zurückgebliebenen Leute des Herzogs hinaus und schlossen die Tore. Knirschend vor Zorn kehrte der Herzog auf die Nachricht hiervon um. Doch während er zu den Befehlshabern in Segeberg und Plön schickte, um die abtrünnige Festung wieHerzugewinnen, wurde ihm die Nachricht gebracht, der Kaiser rücke heran. Unverrichteter Sache setzte er nun seinen Weg nach Artlenburg fort, steckte, an allem verzweifelnd, diese wichtige Elbburg in Brand, damit sie dem Kaiser nicht in die Hände falle, und begab sich auf einem Kahne stromabwärts nach Stade. 158 )

Doch mit seinem Widerstand war es vorbei. Auch Lübeck ergab sich Friedrich, und der stolze Welfe war auf die Gnade seines kaiserlichen Vetters angewiesen. Auf einem Reichstag sollte seine Angelegenheit geregelt werden. Das geschah zu Erfurt im November 1181, wo man im wesentlichen die Würzburger Beschlüsse vom vorhergehenden Jahre wiederholte. Auch Graf Bernhard von Ratzeburg treffen wir hier im Gefolge des neuen Herzogs als Zeugen, daß Kaiser Friedrich Stadt und Burg Stade Erzbischof Siegfried von Bremen, einem Bruder des Herzogs Bernhard, verleiht. 159 ) Anknüpfend an diese Verleihung berichtet uns Arnold - II, 22 -, daß auch die aus ihren Ländern von Heinrich dem Löwen vertriebenen Grafen Bernhard und Adolf


156) "Cum aliis principibus orientalibus", sagt Arn. von den beiden Askaniern.
157) Es ist nicht recht ersichtlich, zu welchem Zweck. Suchte er Lüneburg zu erreichen? Den Übergang Barbarossas zu hindern?
158) Arn. II, 20. Für den Zug des Kaisers auch die sehr gut unterrichteten Annall. Pegav. ad 1181 MG SS XVI, 265. Vergl. Giesebr. V, 937/9.
159) Cod. Dipl. Anhalt. I, 606, Urk. vom 16. November 118 0 . Über das Datum vergl. die Anm. des Herausgebers. Die Urk. kann nur ins Jahr 118 1 gehören. Dafür spricht nicht nur das Kaiserjahr und die Verbindung, in der Arn. II, 22 diese Verleihung erwähnt, sondern vor allem auch der Umstand, daß unser Graf Bernhard im November 1180 noch treu zu Heinrich d. L. hielt. Trotzdem hat Hasse a. a. O. I, 141 ebenso wie Stumpf R. K. 4312 1180 beibehalten, während (  ...  )
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"ihre Burgen und Provinzen vom Kaiser wiedererhalten hätten". Auch das ist wohl hier in Erfurt, wo wir auch Graf Adolf treffen, geschehen. Diese Nachricht ist jedoch nicht etwa so aufzufassen, daß diese beiden Grafschaften, wie z. B. die drei wendischen Bistümer 160 ) und die Stadt Lübeck, jetzt reichsunmittelbar wurden, 161 ) da wir später von der Huldigung des Grafen Bernhard an den Herzog hören, sondern es bedeutet lediglich eine Wiederherstellung der alten Verhältnisse in diesen Gegenden.

Bald darauf, wahrscheinlich im Frühling des nächsten Jahres, 162 ) kam dann Herzog Bernhard mit seinem Bruder, dem Markgrafen von Brandenburg, nach Artlenburg, um sich hier von den Grafen des östlichen Sachsens den Lehnseid schwören zu lassen. Der Aufforderung dazu kamen auch alle nach bis auf Adolf III. von Holstein. Mit ihm geriet Herzog Bernhard bald in offenen Streit, als er ihm das Ratkauer Land sowie die Stadt Oldeslo, die sich Adolf nach der Absetzung des Welfen angeeignet hatte, zu entreißen suchte. Und bald merkte man allgemein, daß nicht mehr eine so,wenn auch rücksichtslose, doch gewaltige Hand das Schicksal dieser Länder regiere wie bisher. "In jenen Tagen war kein König in Israel, es tat ein jeder, was ihm beliebte", so beginnt mit den Worten der Bibel Arnold von Lübeck sein drittes Buch. Und so war es in der Tat. Auf den stolzen Welfen, der hier ein eigenes Reich zu begründen im Begriffe stand, der die Slaven mit Kraft und Umsicht diesem Reiche unterwarf und dänische Übergriffe nachdrücklich zurückwies, dessen Machtwort allein hier Gültigkeit hatte, 163 ) folgte der zwar


(  ...  ) Böhmer, Regg. Imp. 2641 die Urk. richtig ins Jahr 1181 setzt. - Als Zeuge wird Graf Bernhard auch genannt in der nach unserer Urk. angefertigten Zeugenreihe der gefälschten Urkunde für Magdeburg vom 15. November in Cod. Dipl. Anhalt. V, S. 300 Nr. 605 a - St. R. K. 4311.
160) Siehe Weiland, Das Sächs. Herzogt., S. 162 u. 184.
161) Das hebt auch Loreck, Zeitschr. d. Harzvereins 1893 S. 246 Anm. 2, sehr richtig hervor. In welchem Zusammenhange das jedoch mit der Drohung des Kaisers auf dem Tag zu Werla stehen soll, sehe ich nicht ein, da ja doch Adolf vorher abgefallen war und Bernhard, der noch im Dezember zur Partei des Herzogs hielt, sie unbeachtet gelassen hatte
162) Im Dezember 1181 sind beide Herren noch in Erfurt, Cod. Dipl. Anhalt. I, 609.
163) Vergl. Helm.`s Wort über die Stellung der Slaven zu Heinrich d. L. Kap. 109 S. 217: "Solus eis dux est formidini ..... et misit frenum in maxillas eorum et quo voluerit declinat eos. Loquitur pacem, et optemperant; mandat bellum, et dicunt: "Assumus". Das galt auch, wenngleich in anderer Weise, von den kleinen Territorialherren dieser Gegenden.
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persönlich tapfere, jedoch für eine solche Stellung, in der es galt, nach allen Richtungen hin trotzigen und eigenwilligen Elementen kraftvoll zu begegnen, viel zu schwache und wenig umsichtige Askanier, der wenig von der Art und vom Glück seines Vaters geerbt hatte, den dazu noch der Kaiser, der keine Sonder-macht in seinem Reiche wieder wünschte, nur lässig unterstützte, wenn er bei ihm Klage führte. 164 )

Freilich, es stand ihm auch nur ein kleiner Teil dessen, was Heinrich der Löwe an tatsächlicher Macht besessen, zu Gebote, da ja der größere Teil des Herzogtums an Philipp von Köln gekommen war. Aber umsomehr hätte er Ursache gehabt, zunächst vorsichtig zu versuchen, in seinem Lande Fuß zu fassen, indem er vor allem zu den Grafen sich gut stellte. Statt dessen ging er in allen Dingen schroff und völlig übereilt zu Werke. Kaum war er ins Land gekommen, so forderte er von seinen Untertanen neue, ganz unerhörte und unerträgliche Steuern. 165 ) Von den Bischöfen verlangte er die Investitur, die sie selbst Heinrich dem Löwen nur nach langem Widerstreben zugestanden hatten. 166 ) Endlich versuchte er, den Grafen Bernhard von Ratzeburg und Gunzel von Schwerin einen Teil ihrer Lehen zu entziehen. Da verbanden sich diese mit Adolf von Holstein. Alle drei zogen vor des Herzogs jüngst aus den Trümmern Artlenburgs erbaute Feste Lauenburg, 167 ) belagerten sie regelrecht unter Anwendung ihrer von Heinrich dem Löwen erlernten Kriegskunst und nahmen sie nach wenigen Tagen ein. Nicht genug damit, suchten sie sich der Macht des Herzogs der nicht imstande war, 168 ) dem offenbaren Aufruhr zu steuern, sondern sich klageführend an den


164) Zur Charakteristik Bernhards I. vergl. Arn. III, 1 u. 4 und Lorecks Aufsatz a. a. O., insbesondere S. 247.
165) Man muß doch wohl bei dieser Auslegung von "novae inductiones" und "novitates" bei Arn. III, 1 u. 4 bleiben, wie sie Lappenberg u. Pertz in ihrer Ausgabe S. 70 Anm. 1 geben. Anders Simson in Giesebr. K. Z. VI S. 594 Anmerkungen zu S. 37/40. - Loreck a. a. O. S. 249 u. 251 meint, daß damit hauptsächlich die Zehntfrage bezeichnet werden solle.
166) Bekanntlich hatte Bischof Isfried von Ratzeburg infolge seiner Weigerung viel vom Herzog zu leiden, Arn. II, 7.
167) Arn. III, 1. Lauenburg hat schwerlich etwas mit dem slavischen Lava [- Elbe] zu tun, wie Loreck S. 251 Anm. 2 meint. Man denke an die Lauenburg im Harz, an Lauenrode u. a. mit Lauen- zusammengesetzte Ortsnamen.
168) Simson a. a. O. S. 594 möchte ,,non v o lens" statt "v a lens" bei Arn. III, 4 lesen. Allein, nach der ganzen Charakteristik, die Arn. von Bernhard gibt, scheint mir das verächtliche "non valens" viel passender. Würde Arn. nicht sonst auch nolens gesagt haben?
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Kaiser wandte, vollends zu entziehen. Sie verjagten die Freunde des Herzogs aus dem Lande. Und zwar wandten sie sich zunächst gegen Nikolaus oder Niklot, den Sohn des 1164 vor Malchow erhängten Wertislav, der mit seinem Vetter Borvin oder Heinrich, dem Sohne Pribislavs und Schwiegersohn Heinrichs des Löwen, um die Herrschaft im Obodritenlande kämpfte und dabei, wie es scheint, von Herzog Bernhard unterstützt wurde. Mit Heeresmacht zogen sie gegen Ilow, drangen bei Nacht und Nebel auf einem geheimen Wege in die Burg, vertrieben die Mutter Niklots, nahmen die Besatzung gefangen und brannten die Feste nieder. Darauf kehrten sie, nachdem sie das Land in der üblichen Weise verwüstet hatten, mit reicher Beute heim. 169 ) Auf die BeschwErbe des Herzogs wurde dann im Dezember des Jahres 1182 auf dem Hoftag zu Merseburg der Streit zwischen ihm und den drei Grafen vom Kaiser dahin entschieben, daß Adolf von Holstein 700 und Bernhard und Gunzel je 300 Mark Pfennige zahlen und alle drei zusammen die zerstörte Lauenburg wieder aufbauen sollten. Das strittige Gebiet jedoch, das Ratkauer Land und die Stadt Oldeslo, behielt der Holsteiner. 170 )

Merkte man schon in diesen Kämpfen unbotmäßiger Vasallen gegen den Herzog das Fehlen der festen Hand des Löwen, dann wurde das noch offenbarer an der immer weiter um sich greifenden Eroberungslust der Dänen, die folgerichtig ihre Hoffnungen an den Sturz des Welfen geknüpft hatten und nun ihre Zeit für gekommen hielten. Kaum hatte Heinrich den Löwen sein Schicksal ereilt, als sie schon ihre Hand nach ganz Slavien ausstreckten. Schon fügten sich ihrem Befehle Bogislav von Pommern und Jarimar von Rügen, und erst durch Knuds, Waldemars I. Sohn, Eingreifen wurde der Streit im Obodritenlande zwischen Nilolaus und Borvin entschieben. 171 ) Ihrer Eroberungslust konnten sie um so ungehinderter folgen, als der Kaiser durch seine zweijährige Abwesenheit von Deutschland verhindert war, sie in die gebotenen


169) Arn. III, 4; vergl. Giesebr. VI, 44 f. Ganz schief sind diese Vorgänge dargestellt bei O. v. Heinemann, Gesch. v. Braunschw. u. Hannover I, 268/9, einem in Einzelheiten überhaupt recht wenig zuverlässigen Buche, v. H. gibt z- B. als Grund der Feindschaft zwischen dem Herzog und den Grafen von Ratzeburg und Schwerin die Erbauung der Lauenburg an.
170) Arn. III, 7. Hinsichtlich Zeit und Ort vergl. Loreck a. a. O. S. 253 Anm. 3 und ebenso Simson in Giesebr. K. Z. VI, 598. Daß diese Entscheidung nicht allzusehr zu Gunsten des Herzogs war, bemerkt Lor. ebenda mit Recht.
171) Arn. III, 4/5.
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Schränken zurückzuweisen und der Herzog sowohl aus persönlicher Unfähigkeit wie aus dem Fehlen der nötigen Machtunterlage nicht imstande dazu war. Es kam hinzu, daß der seines Gebietes verlustig gegangene Welfe, dem das Reichswohl nie sehr am Herzen gelegen, diese Ambitionen seines dänischen Schwiegersohnes mit seinem Rat förderte. 172 ) So darf es uns nicht wundernehmen, daß der Dänenkönig, gereizt durch die beschämende Rücksendung seiner Schwester und seiner Mutter im Jahre 1187, nun offen die Feindseligkeiten gegen den Kaiser und das Reich begann und Anspruch erhob aus Wagrien, Holstein, Stormarn und das Polabenland, also auf ganz Nordalbingien. 173 ) Das bedeutete zwar einst-weilen nur ein Programm; denn noch verhinderte die Anwesenheit des Kaisers in Deutschland die Verwirklichung so ausschweifender Pläne. Doch mußten diese zu gelegener Zeit, wie sie dann die Bürgerkriege zwischen Otto IV. und Philipp von Schwaben boten, wieder aufleben. Einstweilen hatten die Einfälle der Slaven, die Knud gegen diese Gebiete aufhetzte, nur die Folge, daß sich die Grafen um so enger an den Kaiser anschlossen. Nicht an den Herzog; denn der versagte angesichts solcher Aufgaben vollständig. Nicht einmal in seinem eigenen Lande war er fähig, Ruhe und Sicherheit aufrecht zu erhalten, 174 ) geschweige denn, daß er dem konsequenten und energischen Vorgehen der Dänen einen Riegel vorzuschieben vermocht hätte.

Dennoch hielten die so von außen bedrängten Herren keineswegs im Innern Frieden. Sowohl Adolf von Holstein wie Bernhard von Ratzeburg lagen im Streit mit Lübeck wegen der Ausdehnung der Grenzen und anderer Besitzrechte. Daher berief der Kaiser die streitenden Parteien zu seinem Hoftag, den er im September 1188 zu Leisnig - zwischen Dresden und Leipzig - abhielt. Hier schlichtete er den Grenzstreit der Lübecker mit Graf


172) Arn. III, 13 berichtet von einem solchen Verdacht Barbarossas gegen Heinr. d. L. Und dieser scheint nach der ganzen Persönlichkeit des Löwen recht wohl begründet. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß er ebenso wie beim zweitenmal auch bei der ersten Verbannung und auch nach seiner Rückkehr im Jahre 1185 dauernd in enger Verbindung mit dem Dänenkönig blieb; jedenfalls glaubte man im Jahre 1189 Heinrichs Rückkehr mit auf den Einfluß Knuds schieben zu müssen, Chron. reg. Coloniens. 8( S. 143. Vergl. Usinger, Deutsch-Dänische Gesch. S. 58/59.
173) Arn. III, 21. Vergl. Using. 59/60. Giesebr. VI, 200.
174) Arn. IV, 7 erzählt von dem Hader zwischen ihm und Heinr. d. L. sowie überhaupt von Räubereien in Sachsen. Vergl. vor allem Loreck S. 255/59; auch Giesebr. VI, 190.
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Bernhard - nur dieser interessiert uns hier - dahin, daß zwischen beiden im Osten die Stepenitz mit der Radegast, im Süden der Ratzeburger See bis Ratzeburg und im Westen die Stecknitz und der Möllner See die Grenze bilden sollten. 175 ) Allem Anschein nach war diese Entscheidung sehr zum Vorteil der Lübecker. Denn ohne daß wir davon hören, daß dieso irgendwelche Anrechte hier erworben hätten, erscheinen sie jetzt in Gebieten, die einst den Ratzeburger Grafen gehört hatten - s. S. 19 u. Anm. 43 -. 176 ) Übrigens bleibt hier eine Unklarheit, wie weit man die Stecknitz als Grenze der Grafschaft zu rechnen hat. 177 ) Als im Jahre 1202 Waldemar der Sieger sich dieser Gebiete bemächtigt hatte, ließen sich die vorsichtigen Lübecker von ihm diese Rechte bestätigen. 178 )

Bei diesen unsicheren Zuständen und der völligen Schwäche des Herzogs ist es nicht verwunderlich, daß man sich allgemein nach der kräftigen Hand des verbannten Welfen sehnte. Als nun im Mai des Jahres 1189 der Kaiser seinen letzten Kreuzzug antrat, da hielt der Löwe, der diese Stimmung bei den Herren Norddeutschlands genau kannte und den ein gegebenes Wort nicht sonderlich kümmerte, die Gelegenheit für günstig, noch einmal sein Glück zu versuchen, um zumindest das Herzogtum Sachsen wiederzugewinnen. Von Erzbischof Hartwig II. von Bremen, der durch dieses Bündnis sein verlorenes Ansehen wiederherzustellen hoffte, mit offenen Armen aufgenommen und mit der Grafschaft Stade belehnt, bemächtigte sich Heinrich der Löwe mit Hülfe der Holsten und Stormarn zunächst der Grafschaft des mit dem Kaiser gezogenen Adolf III., seines alten Gegners. Sofort fielen ihm auch seine früheren Freunde, vor allem Graf Bernhard von Ratzeburg, der, wie es scheint, alle von ihm erlittene Unbill völlig vergessen hatte, Graf Bernhard von Wölpe und Helmold von Schwerin, Gunzels Sohn, zu. Mit deren kräftiger Unterstützung belagerte er zunächst Bardowiek, gegen das er aus den Tagen seiner Achtung tiefen Groll hegte. Am 28. Oktober, dem Tage Simonis und Judä,


175) Urk. vom 19. Sept. 1188, M. U.-B. I, 143 nach. Lüb. U.-B. I S. 9; vergl. Stumpf R. K. 4502.
176) Von dieser Abgrenzung blieben unberührt die Gebiete des Ratzeburger Bischofs, Boitin und das Land links der Stecknitz, M. U.-B. I, 154 S. 153.
177) Siehe die Karte!
178) M. U.-B. I, 173. Natürlich ist der Graf Bernhard, der hierbei erwähnt wird, Bernhard I., nicht, wie M. U.-B. IV, Pers.-Reg. S. 121 fälschlich angenommen, Bernhard II.
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wurde diese seit alters berühmte Stadt völlig zerstört. 179 ) Dann zog er vor Lübeck, wohin sich der Verweser Holsteins, Graf Adolf von Dassel, mit der Mutter und Gattin Adolfs von Holstein geflüchtet hatte. Doch ergaben sich die Lübecker aus Furcht, das Schicksal Bardowieks teilen zu müssen, ohne Schwertstreich, wobei sie nur freien Abzug für Adolf von Dassel und die holsteinischen Gräfinnen zur Bedingung machten. Hierher legte der Herzog eine welfische Besatzung unter Bernhard von Ratzeburg, Helmold von Schwerin und dem Truchseß Jordan von Blankenburg, die den Winter über in Lübeck blieb. 180 ) Mitte Dezember ergab sich auch Lauenburg, der Hauptstützpunkt Herzog Bernhards, und erhielt eine welfische Besatzung. 181 )

So war Heinrich der Löwe bereits wieder im Besitz ganz Nordalbingiens bis auf Segeberg, der festesten Burg des Grafen Abolf. Als er nun diese durch Walter von Baldensele 182 ) belagern ließ, fielen plötzlich die Holsten und Stormarn, die ihren Verrat am Grafen Abolf bereuten, von ihm ab und verhinderten so die Einnahme der Burg. Damit wandte sich das Blatt wieder. Adolf von Dassel kehrte zurück und brachte, als im Mai des folgenden Jahres die lübische Besatzung auszog, um die Holsteiner für ihren Abfall zu strafen, dieser nahe bei Lübeck eine empfindliche Niederlage bei. Mit knapper Not entrann der Ratzeburger Graf der Gefangenschaft, während Helmold von Schwerin und der Truchseß Jordan in sicheres Gewahrsam nach Segeberg gebracht wurden. 183 ) Wenn nun auch der Welfe, durch diese Unglücksfälle zur Nachgiebigkeit gestimmt, Frieden mit dem jungen Heinrich VI. schloß, 184 ) war er doch keineswegs gesonnen, die Bedingungen desselben zu erfüllen, sondern benutzte die Abwesenheit des Königs, um nach wie vor das Land des Holsteiner Grafen zu beunruhigen. 185 )


179) Annal. Stadens. MG SS XVI, 351; Sächs Weltchron., ed. Weil. S 234 - Es ist ja bekannt, daß der Handel Bardowieks infolge der Konkurrenz Lübecks bereits vorher zurückgegangen war.
180) Das geht aus dem Folgenden bei Arn V, 2 hervor.
181) Annal. Stederburg. MG SS XVI, 221.
182) Nach Lappenberg in seiner Arnold-Ausg. 8( S. 149 Anm. 1 Groß-Bollensen bei Bobenteich. Näheres über diese Edelherrenfamilie gibt C. L. Grotefend in Zeitschr. des hist. Ver. f. Niedersachsen 1852, S 209 ff.
183) Interessant ist hier Arnolds Erzählung, daß Jordan v. Blankenburg, der dem Range nach doch unter dem Schweriner Grafen steht, das doppelte Lösegeld geden muß, "quia pecuniosus erat".
184) Im Juli 1190 zu Fulda, Loreck S. 265; vergl. Toeche, Jahrbb. unt. Heinr. VI. S. 125.
185) Arn. V, 3 Schluß.
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Dieser war auf die Kunde von den Vorgängen in seinem Lande in Tyrus umgekehrt, hatte König Heinrich in Schwaben getroffen und von ihm das Versprechen seiner Unterstützung erhalten. Als er jedoch zu seiner Stammburg gelangte, mußte er die Unmöglichkeit erkennen, seine Grafschaft zu erreichen; denn an der Elbe hinderte ihm der Herzog selbst, von Slavien aus dessen Schwiegersohn Borvin den Zutritt. Er wandte sich daher an den Herzog Bernhard und dessen Neffen, den Markgrafen Otto II. von Brandenburg. Diese beiden geleiteten ihn mit Heeresmacht nach Artlenburg, wohin ihm die Anhänger aus seiner Grafschaft unter Führung Adolfs von Dassel entgegenkamen.

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Bernhard II. 1190-1197.

Diese erbitterten Kämpfe des hartnäckigen Welfen mit Adolf von Holstein, des alten Herzogs mit dem neuen, die diese Gegenden überhaupt in zwei Heerlager teilten, führten auch eine tiefe Spaltung im Ratzeburgischen Grafenhause herbei. Fortan bietet sich uns das wenig erquickliche Schauspiel eines heftigen Kampfes zwischen Vater und Sohn. Aus der Ehe Bernhards I. mit Margarete von Pommern waren drei Söhne hervorgegangen, von denen die beiden älteren, Valrad und Heinrich, das Kriegshandwerk erlernten, um dereinst ihrem Vater in der Grafschaft zu folgen, während der jüngste, Bernhard, nach der Sitte der damaligen Zeit, in den geistlichen Stand trat. Er wurde Kanonikus am Moritz-Dom zu Magdeburg 186 ) und ist offenbar identisch mit dem in Magdeburger Urkunden von 1185 bis 1189 mehrfach als Zeugen genannten Kanonikus Bernhard. 187 ) Als nun Volrad in den mannigfachen Kriegszügen seines Vaters gegen die Slaven, an denen er sich ebenso wie sein Bruder Heinrich aufs eifrigste beteiligte, 188 ) in einer Schlacht bei dem Versuch, seinen Vater zu schützen, selbst den Tod gefunden hatte 189 ) und auch Heinrich gestorben


186) Arn. V, 7: "Deroardus vero ad clericatum promotus in Magdeburch stipendium optinuit in ecclesia majori."
187) Cod. Anh. I, 642, 645, 668. Siehe auch M. U.-B. X, 7153 Anm.
188) Arn. ebenda: ,,qui adulti facti sunt strenui nec a paterna felicitate degeneraverunt."
189) Siehe die Grabschrift bei Arn. ebenda und v. Kobbes Auslegung S. 287. Auch darin hat v. .Kobbe wohl recht, daß dies bei einem der Einfälle geschah, den die Slaven auf Geheiß. König Knuds unternahmen, siehe oben S. 47.
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war, 190 ) da wandte sich sein Vater an Heinrich den Löwen mit der Bitte, sich für seinen jüngsten Sohn beim Papste zu verwenden, damit ihn dieser seines Mönchsgelübdes entbinde. Der Herzog, dem selbstdaran liegen mußte, daß die ihm ergebene Ratzeburger Dynastie fortgesetzt wurde, wandte sich an Clemens III., der denn auch dem jungen Grafen den Dispens erteilte. 191 ) Seit dieser Zeit nahm nun der jüngere Bernhard, da sein Vater schon alt war, tätigen Anteil an der Verwaltung der Grafschaft. 192 ) Als jetzt Adolf von Holstein sich den Eingang in seine Grafschaft zu erzwingen versuchte, da schloß sich ihm auch Graf Bernhard aus Furcht, seines Landes verlustig zu gehen, an. Er hatte trotz seiner geistlichen Erziehung das Wesen der Politik nur zu wohl verstanden. Ein Gefühl der Dankbarkeit gegen Herzog Heinrich, dem allein er den päpstlichen Dispens und damit seine Stellung verdankte, kannte er nicht. "Im Namen des Kaisers" trat er zu dem neuen Herzog über 193 ) und hatte damit die ganze Grafschaft in Händen, da Bernhard I. Heinrich dem Löwen die Treue hielt. So setzte sich auch die alte Feindschaft zwischen Adolf von Holstein und Bernhard I. von Ratzeburg fort. Denn diese beiden ehemaligen Waffengefährten lebten in bitterer Feindschaft, seitdem Bernhard dem Herzog Heinrich geholfen hatte, des Holsteiners Land zu unterwerfen. Und später, bei Adolfs III. Rückkehr, hatte Bernhard einen Teil der Vertriebenen gastlich aufgenommen. 194 )

Nachdem nun Herzog Bernhard und sein Neffe Adolf III. in seine Grafschaft zurückgeführt hatten, zogen sie wieder nach Hause, indem sie ihren Proviant den beiden Grafen, Adolf und dem jüngeren Bernhard, zur Belagerung Lübecks, das allein noch im Besitz des Welfen war, 195 ) zurückließen. Gegen diese beiden


190) Daß der im M. U.-B. I, 87 beschriebene Stein bei Wittenburg auf diesen Heinrich Bezug nimmt, ist sehr unwahrscheinlich.
191) v. Kobbe S. 214 verlegt diese Dispensation in die Zeit Urbans III. und vermutet offenbar dahinter einen Schachzug des Papstes gegen den Kaiser. Das ist nicht richtig, da Bernhard 1189 noch Domherr in Magdeburg ist. Auch wäre ja Ratzeburg im Falle des Aussterbens des Grafenhauses nicht an den Kaiser, sondern an Herzog Bernhard gefallen.
192) "Deficiente patre Dernardo" fagt Arn. ebenda S. 155, und S. 153 spricht er mit Bezug auf Bernhard II. von "terra sua".
193) Arn. ebenda S. 153. Adolf III. v. Holstein mochte eine solche Weisung Heinrichs VI. von seiner Zusammenkunft mit ihm in Schwaben mitgebracht haben.
194) Arn. III, 1.
195) Arn. V, 8. Vergl. Toeche a. a. O. S. 212 Anm. 1.
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schickte Heinrich nun - es war im Jahre 1191 196 ) - ein Entsatzheer unter Konrad von Rode, dem Statthalter Stades, und dem älteren Grafen Bernhard. Nachdem diese beiden bei Lauenburg heimlich über die Elbe gegangen waren, veranlaßten sie die Leute des jüngeren Bernhard, die bei Herrnburg, nahe Lübeck, standen, sich nach Ratzeburg zurückzuziehen und hoben so im Süden der Stadt die Belagerung auf. Am folgenden Morgen kam es jedoch zum Kampfe mit den Holsten 197 ) an der Schwartau, wo Konrad von Rode und Bernhard d. Ä. in die Flucht geschlagen und gezwungen wurden, sich nach Lübeck zurückzuziehen. Nun kehrte der jüngere Bernhard von Ratzeburg zurück und lagerte sich, noch verstärkt durch Leute des Grafen Adolf, der selbst krank zu Segeberg lag, wieder im Süden vor Lübeck. Sobald dies die Leute des Herzogs merkten, versuchten sie bei Nacht nach Norden durchzudringen, um auf einem anderen Wege wieder zur Elbe zu gelangen. Doch wurde ihre Absicht von dem jüngeren Bernhard durchschaut, der ihnen, durch die Wakenitz noch von ihnen getrennt, folgte und sie bei Boizenburg traf. Hier kam es zur Schlacht, und die welfische Partei erlitt abermals eine schwere Niederlage, so daß jetzt Adolf von Holstein, der auf diese freudige Botschaft hin gesund geworden war, daran denken konnte, sich Stades, der letzten Hauptstütze des Welfen, zu bemächtigen. Dies gelang ihm auch mit Hülfe Stadescher Gefangener, die ihm erzählten, daß man in der Stadt der Herrschaft des Löwen überdrüssig sei, in kurzer Zeit. 198 ) Bald folgte Lübeck. Beide Grafen zeichnete der Kaiser für ihr energisches Vorgehen mehrfach durch Geschenke aus. 199 )

Diese Erfolge der beiden Grafen bewirkten, daß jetzt endlich auch Herzog Bernhard seine Untätigkeit aufgab. Am 22. Februar 1192 200 ) rückte er mit einem starken Heere vor die Lauenburg, in der sich noch immer die vor drei Jahren hineingelegte Besatzung hielt, aufs eifrigste unterstützt von dem Holsteiner und dem jungen Ratzeburger Grafen, so daß man die Übergabe täglich erwartete. Doch erlitt hier der Herzog infolge seiner Sorglosigkeit eine schwere


196) Toeche ebenda.
197) Daß es die Holsten sind, schließe ich aus der Situation.
198) Diese Vorgänge nach Arn. V, 9 u. 10.
199) Arn. V, 12 Schluß. Vor allem wurde der Holsteiner mit den Einkünften Lübecks belehnt.
200) Lappenberg, Arn.-Ausg. S. 171, und nach ihm v. Heinemann a. a. O. I, 279 setzen diese Ereignisse ins Jahr 1193; siehe dagegen Toeche S. 548/49, dem Loreck a. a. O. S. 266 folgt, und Weiland, S. W. S. 234 Anm. 7.
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Niederlage. Denn während Adolf von Holstein abwesend war und Graf Bernhard die Burg "Darsith" 201 ) belagerte, rückte ein welfisches Entsatzheer unter Graf Bernhard von Wölpe und Helmold von Schwerin deran und überwältigte das Heer des Herzogs, der sie zunächst gar nicht beachtet hatte und nun von dem plötzlichen Angriff völlig überrascht wurde. Mit knapper Not entging er selber der Gefangenschaft, während sein ganzes Heer gefangen genommen wurde und seine Gattin sich nach Ratzeburg flüchten mußte. 202 )

Natürlich wurde diese Zeit der allgemeinen Kämpfe und Unsicherheit auch benutzt, um Städte und Dörfer zu plündern und Beute zu machen. So waren auch - es scheint im Jahre 1193 gewesen zu sein - eines Tages Leute Helmolds von Schwerin, Bernhards von Wölpe und Bernhards I. von Ratzeburg auf eigene Faust in die Stadt Bardowiek eingedrungen, hatten die Domherren ausgeraubt, die Kirche zerstört und in jeder Hinsicht wie Räuber und Strauchdiebe gehaust. Die Klagen über diesen Plünderzug drangen selbst bis zum Papst, der nun, die drei Grafen aufforderte, die Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen und den Schaden zu ersetzen. 203 )

Von irgendwelchem Einfluß des Herzogs Bernhard auf die Geschicke dieser Gegenden ist nicht das geringste zu spüren. Völlig selbständig handeln die Grafen hier. So schließt zugleich mit Markgraf Otto II. von Brandenburg und Adols III. von Holstein auch Bernhard von Ratzeburg im Jahre 1193 ein Bündnis mit Bischof Waldemar von Schleswig, der bereits das Herzogtum in Schleswig usurpiert und Dithmarschen vom Bremer Erzbischof


201) Vergl. über sie Lappenberg, Arn.-Ausg. S. 172 Anm. 1. Loreck S. 266 nennt sie Barsich, Toeche S. 214 Barsisch. - Nach v. Kobbe S. 228 Anm. 27 ist es das erst in neuerer Zeit zu Grunde gegangene Dorf Börste b. Gülzow i. Lauenburg.
202) Arn. V, 16 u. S.W. S. 234 Nr. 337. - Ratzeburg scheint in dieser Zeit dauernd in Besitz des jüngeren Bernhard gewesen zu sein.
203) Siehe das Schreiben Coelestins III. vom 8. Febr. 1194 bei Sudendorf, Regg. d. Herzöge von Braunschw. u. Lünebg. VII, 305, 1 u. Jaffé, Regg. Pontific. II, 17075. Diese Aufforderung bezieht sich natürlich nur auf den älteren Grafen v. Ratzeburg, nicht auch, wie Pflugk-Hartung, Acta Pontific. I, S. 366 Anm. 4 meint, auf Bernhard II.; denn dieser gehörte ja zur Gegenpartei. - Daß ein solcher Beutezug nicht vereinzelt dastand, zeigen Loreck S. 255/8 und die mehrfachen Versuche, in dieser Zeit einen Landfrieden zustande zu bringen. - Übrigens scheint mir hierher auch der bei Lor. S. 294 abgedruckte Brief aus dem Hildesheimer Formelbuch zu gehören, in dem Lor. S. 257/8 mit Unrecht für B. de W. - Bernhard v. Wölpe -, B. de R. - Bernhard v. Ratzeburg
(  ...  )
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erobert hatte und nun hoffte, mit ihrer Hülfe sich auf den dänischen Königsthron schwingen zu können. Das geschah teils wohl aus Tatendurst und Eroberungslust, teils auch aus Gegensatz zu König Knud, der mit Heinrich dem Löwen in Verbindung stand. 204 ) Ob dann auch Graf Bernhard sich an dem Zuge Adolfs, der ihn bis Schleswig führte, beteiligte, erfahren wir nicht. Dies Bündnis der Grafen mit Bischof Waldemar und dessen ehrgeizige Pläne scheiterten jedoch daran, daß ihn Knud bei einer Zusammenkunft hinterlistig gefangennahm. 205 ) Im folgenden Jahre zog nun Knud nach Holstein, um sich für den Einfall Adolfs zu rächen. Zwar wurde diesmal noch der Streit auf friedlichem Wege beigelegt, indem der Graf die Gnade des Königs mit einer Buße von 400 Mark erkaufte; doch zeigt bereits diese "erste Heerfahrt der Dänen ins Holstenland" die Tendenz, die dann sieben Jahre später zur Eroberung ganz Nordalbingiens führte. 206 )

Nachdem dann im März desselben Jahres zu Tilleda am Kyffhäuser die Aussöhnung zwischen Heinrich dem Löwen und dem Kaiser Heinrich stattgefunden und die Gegensätze hüben und drüben sich gemildert hatten, scheint sich auch im Ratzeburgischen Grafenhause eine Annäderung zwischen Vater und Sohn vollzogen zu haben. Der ältere Bernhard hatte die letzte Zeit in der Nähe des Welfen, teils wohl auf dessen Kriegszügen, teils in Braunschweig verbracht. 207 ) Als er nun sein Ende herannahen fühlte, ließ er sich nach Ratzeburg bringen und fand hier gastliche Aufnahme im Kloster, dessen Vogt er war und das er ja oft genug mit starkem Arm gegen die Slaven geschützt hatte. Und wenn auch der jüngere Bernhard, eingedenk der langen Feindschaft, ihn in seine Burg nicht aufgenommen hatte, so teilte er sich doch mit seiner Mutter in die Pflege des kranken Vaters. Und hier im Kloster zu Ratzeburg beschloß der ältere Graf Bernhard seine


(  ...  ) - lesen will. Mit dem zerstörten "castrum" des Herzogs Bernhard braucht doch nicht Lauenburg gemeint zu sein. Der Ratzeburger Graf hätte nur vom Ratzeburger Bischof gebannt werden können, nicht vom Hildesheimer, um den es sich hier doch offenbar handelt.
204) Arn. V, 17 deutet zwar eine solche Verbindung nur an, wenn er S. 173 von dem heranrückenden Knud sagt: "sive, ut quibusdam placuit, ad subveniendum duci Heinrico"; doch hebt er vorher S. 172 selbst hervor, daß die Grafen dies Bündnis als Freunde des Kaisers schließen.
205) Vergl. über diese Episode des Bischofs Waldemar neben Arn. vor allem Using. a. a. O. S. 63/66 u. Toeche S. 303.
206) Arn. V, 17 Schluß. S.W. S. 235 ad 1194.
207) Arn. V, 7 S. 154.
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Tage, wie es scheint, im Jahre 1195, also im selben Jahre wie sein großer Herzog, dem er in mannigfachen Kämpfen beigestanden hatte. 208 )

Nicht lange überlebte ihn sein Sohn. Noch zwei Zeugnisse von dessen Tätigkeit besitzen wir für die Zeit nach jenem fehlgeschlagenen Bündnis mit Bischof Waldemar von Schleswig. Im Jahre 1194 ist er Zeuge in einer Urkunde Isfrieds von Ratzeburg, der durch Schiedsrichter eine Trennung zwischen den Stiftsgütern des Bischofs und des Domkapitels vornehmen läßt. 209 ) Es scheint danach, daß er mit diesem, trotzdem Isfried ein eifriger Anhänger Heinrichs des Löwen war, in einem besseren Verhältnis gestanden hat als sein Vater, von dem der Bischof zur Zeit der Entzweiung Bernhards und des Herzogs wegen seiner Freundschaft mit dem letzteren mancherlei Bedrückungen zu ertragen gehabt hatte. 210 ) Zum letztenmal finden wir Bernhards II. Namen in einer Urkunde Kaiser Heinrichs VI., der auf seinem ersten großen Reichstag zu Gelnhausen am 24 Oktober 1195 bestimmt, daß die Grafschaft Stade zu 2/3 an den Erzbischof Hartwig II. von Bremen, zu 1/3 an den Grafen Adolf III. von Holstein fallen soll. 211 ) Ein bis zwei Jahre später ist auch er zu Ratzeburg einer Krankheit erlegen. 212 ) Jedenfalls lebte er im Jahre 1198 nicht mehr. In diesem Jahre unternahm nämlich König Knud einen Zug gegen


208) Das letzte urkundliche Zeugnis über Bernhard I. ist jenes in Anm. 203 erwähnte Schreiben des Papstes Coelestin III. vom Jahre 1194. - Auch Lappenberg, Arn. -Ausg. S 154 Anm. 1 setzt seinen Tod in den Anfang d. J. 1195, und ebenso auf 1195 Mooyer, Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. u Altertumsk. Westfalens Bd. VIII, 104.
209) M. U.-B. I, 154. Wenn er ausdrücklich hier als Dernardus junior comes de Raceburgh bezeichnet wird, so darf man auch dies für ein indirektes Zeugnis ansehen, daß damals sein Vater noch lebte.
210) Arn. II, 7.
211) Cod. Dipl. Anh. I, 698. Stumpf RK 4967.
212) Ganz allgemein - ich nenne nur v. Kobbe S. 233 u. Pflugk-Hartung a. a. O. S. 366 Anm. - wird sein Tod ins Jahr 1198 gesetzt. Allein, er muß spätestens 1197 erfolgt sein. Das ergibt eine Berechnung nach ArnoIds Angaben S. 155. Denn nimmt man für die "aliquot anni", die ihn sein Sohn überlebte, auch nur das Mindeste, zwei Jahre, an, so kommen wir damit ins Jahr 1199. Nun wird aber die Witwe Bernhards II. erst nach dem Tode ihres Sohnes, als kein Erbe mehr vorhanden war, sich mit Adolf v. DasseI wiedervermählt haben. Und bereits im Jahre 1200 erscheint dieser als Inhaber der Grafschaft, s. unten. - Mooyer a. a. O. S. 104 setzt Bernhards II. Tod sogar ins Jahr 1200. Allein, er kennt diese Stelle bei Arn. offenbar garnicht und hat Dahlm., Gesch. v. Dänem. I, 336 mißverstanden; der "Stiefsohn Adolfs v. Dassel" ist Bernhard III.
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Otto II. von Brandenburg, der versucht hatte, sich die Pommern zu unterwerfen. Da traten ihm, bevor der Markgraf herankam, die Ranen, Obodriten und Polaben - mit diesem Ausdruck scheint Arnold jetzt nur die slavischen Bewohner der Grafschaft Ratzeburg zu bezeichnen - entgegen. Im folgenden Winter machte dann wieder der Markgraf zusammen mit Adolf von Holstein einen Einfall ins Slavenland. Und im Sommer 1199 rückte Knud bis zur Eider vor, um sich an dem Holsteiner zu rächen. Doch verlief auch dieser Zug noch, da Adolf von einer großen Anzahl mächtiger Herren unterstützt wurde, ergebnislos. 213 ) Da bei all diesen Kämpfen der Name Bernhards nicht mehr genannt wird, so wird man anzunehmen haben, daß er bereits gestorden war. 214 )

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Adelheid von Ratzeburg.

Bernhard II. war vermählt gewesen mit Adelheid, der Tochter des Grafen Konrad von Wassel - zwischen Hannover und Peine -, Vicedominus von Hildesheim, und Adelheids, Gräfin von Hallermünde am Deister, wahrscheinlich einer Schwester der beiden Grafen Ludolf und Wilbrand von Hallermünde, die Arnold II, 13 als Freunde und Verbündete Heinrichs des Löwen nennt. 215 ) Da ihre Herkunft, soviel auch darüber bereits geschrieben ist, meist unrichtig angegeben wird, 216 ) andererseits aber gerade für diese frühe Zeit die genealogischen Zusammenhänge


213) Arn. VI, 9-11.
214) Ganz irrig folgert v. Kobbe a. a. O. S. 239 u. Anm. 6 eine Teilnahme Bernhards an dem Zuge von 1198 aus Arnolds Erwähnung der Polaben. Er übersieht eben, daß offenbar nur ein Teil der Bewohner der Grafschaft Ratzeburg hier gemeint ist. Überhaupt hat er die Situation hier nicht richtig verstanden, wenn er annimmt, daß die Ranen, Obodriten und Polaben auf Seiten des Dänenkönigs stehen. Denn "occurrere" wird von Arnold stets im feindlichen Sinne gebraucht. Und offenbar sind jene drei Wendenstämme gemeint, wenn er gleich darauf - VI, 9 - erzählt: "Cumque eis marchio occurrisset in multitudine militum et Sclavorum."
215) Arn. V, 7 bezeichnet sie als "filia comitisse de Alremund". Siehe den Aufsatz des Reichsfreiherrn Julius Grote, Zeitschr. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1853, 240/48, über die Grafen von Wassel und dazu M. U.-B. X, 7154, worauf wir gleich noch näher eingehen werden.
216) Z. B. der Aufsatz E. F. Mooyers, Krit. Beiträge zur Geschichte u. Genealogie der Grafen von Dassel, Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. u. Altertumsk. Westfalens Bd. VIII, 87/115, wimmelt von Unrichtigkeiten. Leider hat ihm auch der sonst so wohlunterrichtete bekannte Mecklenburg. Forscher Lisch Glauben geschenkt und seinen Aufsatz z. T. in dem M. Jb. 20, S. 228/31, nachgedruckt.
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von höchster Wichtigkeit sind, so muß hier, obwohl diese Arbeit im wesentlichen eine Darstellung der territorialen Verhältnisse zum Ziele hat, auf die Genealogie der Gräfin Adelheid etwas näher eingegangen werden. Toeche, Jahrbb. unter Heinrich VI. S. 211 Anm. 5 macht sie zu einer Tochter des Grafen von Querfurt und einer Schwester des Hildesheimer Bischofs Konrad I. von Ravensderg. Allein, hier liegt eine Verwechslung mit Adelheid, der zweiten Gemahlin des Grafen Adolf III. von Holstein vor, die nach Arnold V, 1 in der Tat eine Tochter Burchards von Querfurt war. 217 ) Dagegen machen sie Mooyer in dem eben zitierten Aufsatz und das M. U.-B. Bd. IV, Person.-Reg. S. 102, "Adelheid 8" zu einer Tochter des Grafen Günther von Käfernburg. 218 ) Auch das ist, falls die Vermutung des Freiherrn von Grote in dem eben zitierten Aufsatz S. 241, der annimmt, daß sich die Mutter Adelheids von Ratzeburg, Adelheid von Haller-münde, in zweiter Ehe mit dem Grafen Günther von Käfernburg vermählt habe, zutrifft, nur insoweit richtig, daß dieser also der Stiefvater der Gräfin von Ratzeburg war.

Diese Gräfin Adelheid finden wir zum erstenmal im Jahre 1189 genannt, wo sie zusammen mit ihrer Schwester Fritherun an das Kloster Marienberg bei Helmstedt in der Nähe gelegene Güter teils verkauft, teils verschenkt. 219 ) Nach dieser Urkunde ist Adelheid, die ältere von den beiden Töchtern des bereits verstorbenen Konrad von Wassel, damals noch unvermählt. Bald darauf wird sie dann die Gemahlin Bernhards II. von Ratzeburg geworden sein. Nachdem nun dieser im Jahre 1197 gestorben und ihm ihr Sohn, Bernhard III., nach wenigen Jahren im Tode nachgefolgt war, vermählte sie sich, damit dem letzteren die Dynastie Heinrichs von Badewide erloschen war, wieder, und zwar mit dem schon mehrfach genannten Grafen Adolf von Dassel. 220 )

Wir finden ihren Namen dann noch mehrfach bis zum Jahre 1244 in Urkunden genannt. Besonders interessiert uns hier die M. U.-B. I, 160 abgedruckte, aus der Zeit ihrer Witwenschaft. 221 )


217) Für diese Aufstellung beruft sich Toeche auf Lüntzel, Geschichte d. Diözese u. Stadt Hildesheim I, 480 Anm. 2; dort ist jedoch der Sachverhalt vollkommen richtig dargestellt.
218) Bei Arnstadt i. Thüringen: das M. U.-B. schreibt Kevernberg. Später taucht diese Familie in der Grafschaft Lüchow auf.
219) M. U.-B. X, 7154.
220) Siehe über ihn den folgenden Abschnitt.
221) Mit Recht setzen die Herausgeber diese Urk. an für 1196 (richtiger wohl noch 1197) bis 1200.
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wo sie als comitissa de Raceburg eine Seelenmesse für ihre als Nonne verstorbene Schwester Fritherun stiftet 222 ) und daher zugunsten des Ratzeburger Doms auf alle ihr von dem Dorfe Walksfelde zustehenden Rechte verzichtet. Es ist dies ein Beweis, daß in der Grafschaft Ratzeburg ebenso wie in Schwerin 223 ) die weibliche Erbfolge galt. An und für sich wäre es ja denkbar, daß sie diese Schenkung nur als Vormünderin ihres Sohnes macht. Aber abgesehen davon, daß die Urkunde nichts davon erkennen läßt, ist es sehr unwahrscheinlich, da die Schenkung für ein Glied ihrer Familie gemacht wird. AußErbem nennt sie sich auch noch später mehrfach Gräfin von Ratzeburg. So verkauft sie als Alheidis comitissa de Ratisburch im Jahre 1224 mit Zustimmung ihrer "Erben" Ludolf, Adolf und Berthold und ihrer Tochter Adelheid, der späteren Gemahlin des Grafen Ludwig I. von Ravensderg, zehn Hufen, acht Höfe und eine Wiese in Hamersleben - nordwestlich Oschersleben - an das dortige Kloster des Hl. Pankraz. 224 ) Diese hier genannten Erben sind ihre Kinder aus zweiter Ehe mit dem bereits verstorbenen 225 ) Grafen Adolf von Dassel. Der Ausdruck "deredes" für Söhne hat hier, wo ihre Tochter Adelheid ausdrücklich als filia bezeichnet wird, etwas Auffälliges, und so bezeichnet sie denn das Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt II S. 114 Anm. 1 als Neffen der Gräfin Adelheid und hält sie offenbar für Söhne Ludolfs, des Bruders Adolfs von Dassel. 226 ) Das ist unrichtig. Denn um 1230 verkauft Gräfin Adelheid von Ratzeburg mit Einwilligung ihrer "Söhne und Erben" dem Kloster Riddagshausen eine Hufe von ihrem Erbteil in Hedeper - südöstlich Wolfenbüttel -, und ihre Söhne Ludolf und Adolf geben dazu ihre Einwilligung. 227 ) Hier ist der Ausdruck "filii et deredes" offenbar eine Tautologie; gemeint sind die obengenannten beiden Söhne. Der nicht mehr genannte Berthold mag bereits verstorben sein. Auch kommt der Ausdruck heredes für Söhne in mittelalterlichen Urkunden häufiger vor. Es sind auch nicht etwa Stiefsöhne Adelheids, wie M. U.-B. I, 382 Anm. und


222) Frederundis ist zu lesen statt Fredegundis; vergl. M. U.-B. X, 7154. - Übrigens kann es sich nur um eine Bestätigung oder Erweiterung von bereits durch Bernhard I. abgetretenen Rechten handeln, s. oben und M. U.-B. I, 480.
223) Siehe darüber Usinger a. a. O. S. 419 ff.
224) M. U.-B. I, 302.
225) M. U.-B. I, 382 Anm.
226) S. Cod. Anh. Reg.-Bd. VI, S. 68.
227) M. U.-B. I, 382 u. 383.
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Mooyer a a. O. S. 97/98, irregeführt durch den Ausdruck "comites de Dasle", meinen, 228 ) aus einer ersten Ehe Adolfs von Dassel. Eine solche erste Ehe, die demnach in der Heimat des Grafen geschlossen sein müßte, ist, da wir ihn dauernd in unsern Gegenden finden, sowie überhaupt nach allem, was wir von ihm wissen, ganz unwahrscheinlich. Daß die Söhne den Titel ihres Vaters annehmen, ist nur natürlich, da dessen Ansprüche auf die Grafschaft Ratzeburg von Herzog Bernhard von Sachsen nie anerkannt waren. 229 )

Von der Abstammung Adelheids aus dem Hause der Grafen von Hallermünde finden sich später noch Spuren. Im Jahre 1237 verkauft Ludolf, Graf von Hallermünde, mit Einwilligung seines Bruders Wilbrand, Erzbischofs von Magdeburg, seiner Schwester Adelheid, Gräfin von Ratzeburg, und seines Sohnes Ludolf dem Kloster Marienthal drei Hufen seines Erbes in Hamersleben - siehe oben S. 58 - 230 ) Endlich besitzen wir noch eine Urkunde von ihr aus dem Jahre 1244, in der sie am 6 Mai zu Hoya ihrer Tochter, der Gräfin Adelheid von Ravensderg, ihre zeitlichen Güter überträgt. 231 ) Infolge der Vertreibung ihres zweiten Gatten und der unruhigen folgenden Zeiten - siehe folgenden Abschnitt - scheint sie seit 1201 nicht mehr nach Ratzeburg gekommen zu sein, wenngleich sie sich stehts als Gräfin dieses Landes bezeichnete.

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Adolf von Dassel, Graf von Ratzeburg.

Mit dem als Kind verstorbenen Bernhard III. war, wie erwähnt, das Haus der Ratzeburger Grafen erloschen. So bemächtigte sich denn auf Grund seiner Heirat mit der Witwe Bernhards II. Adolf von Dassel der Grafschaft schon mehrfach sind


228) In seiner Stammtafel S 115 macht sie Mooyer dagegen richtig zu Söhnen Adelheids.
229) Using. S. 93 f. Loreck S 280. - Zwar ist in der Vertragsurkunde des Grafen Heinrich v. Schwerin mit Kaiser Friedrich II. vom Jahre 1223 - M. U. -B. I, 290 - auch von Rechten des Grafen Adolf v. Dassel - der hier also keineswegs als "von Ratzeburg" bezeichnet wird - die Rede. Doch wurde er wohl durch seinen Tod an deren Geltendmachung gehindert.
230) Regg. archiepiscop. Magdeburg. II, S 496 - Nach v. Grote a. a. O. S. 243 sind Ludolf und Wilbrand Söhne aus der zweiten Ehe Adelheids v. Hallermünde mit Günther von Käfernburg, also Stiefbrüder Adelheids v. Ratzeburg. Vergl. die Stammtafel S. 69.
231) M. U.-B. I, 562. - Nach Regg. archiepisc. Magdeburg. II, S. 567 würden wir auch in der dort zum Jahre 1249 genannten Adelheid (  ...  )
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wir diesem Namen im Verlauf unserer Arbeit begegnet, und da er in diesen Gegenden eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, wird es nötig sein, kurz auf seine Geschichte einzugehen. Ein Neffe des bekannten Kölner Erzbischofes und Kanzlers Friedrichs I. Rainald von Dassel, war er von Haus aus begütert im Wolfenbüttelschen und Magdeburgischen. 232 ) Doch erscheint er schon früh in unsern Gegenden in Verbindung mit seinem "Vetter" Adolf III. von Holstein. 233 ) Im Jahre 1179 nahm er teil an der Schlacht auf dem Halerfelde und weigerte sich ebenso wie Aldolf von Holstein, seine Gefangenen auszuliefern, und mit ihm verließ auch er die Partei des Herzogs. Als dann im Jahre 1189 der Holsteiner mit dem Kaiser ins gelobte Land zog, machte er Adolf v. Dassel zum Verweser seines Landes, und tapfer verteidigte dieser es gegen die Übergriffe des aus der Verbannung zurückgekehrten Welfen (s. oben S. 48/49). Auch als acht Jahre später der abenteuerfrohe Holsteiner abermals mit vielen anderen deutschen Fürsten dem Kaiser voraus ins heilige Land zog 234 ), wird er den bewährten Grafen von Dassel wieder zum Verwalter seines Landes gemacht haben. So wird ihn umgekehrt auch Adolf von Holstein bei der Besitznahme der Ratzeburger Grafschaft nach besten Kräften unterstützt haben. Freilich, viele Schwierigkeiten hat ihm diese wohl nicht bereitet. Denn wenn ihm auch nach Lehnrecht die Grafschaft nicht zustand 235 ), so wird ihm doch der Herzog Bernhard, viel zu schwerfällig und völlig gleichgültig gegen solche Übergriffe, wie er war, keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt haben. Denn


(  ...  ) die Gräfin von Ratzeburg zu sehen haben. Das ist jedoch eine Verwechslung mit ihrer Tochter, der Gräfin von Ravensberg, der sowohl diese wie auch die Urk. von 1250 Okt. 22. gehört; s. U.-B. d. Hochstifts Halberstadt II, 114 Anm. 1. Vergl. für die ganze Frage die Stammtafel S. 69. - Der Vermutung des M. U.-B. ebenda Anm., daß die Ratzeburger Grafen eine vierblättrige Rose im Wappen geführt hätten, wird man, bis sie durch andere Nachrichten bestätigt wird, skeptisch gegenüberstehen müssen. Nach v. Kobbe S. 260 Anm. 10 hätte das Wappen der Grafen v. Ratzeburg zwei Leoparden gezeigt.
232) v. Kobbe S. 234/35. Cod. Anh. I, 667.
233) Arn. VI, 12 S. 232 u. 13 S. 233 nennt sie Vettern; doch ist die Art ihrer Verwandtschaft nicht aufgeklärt, s. v. Kobbe S. 235. Das mittelalterliche "nepos" bezeichnet bekanntlich wie heute noch in manchen Gegenden "Vetter" alle möglichen Verwandtschaftsgrade. Arn. selbst hält sie offenbar infolge seiner Verwechslung des Grafen Otto v. Assel, des Schwiegervaters Adolfs III., mit einem Grafen von DasseI - Arn. III, 1 u. Anm. 2 - für wirkliche Vettern.
234) Arn. V, 25/29. Vergl. Toeche S. 460/62 u. 476.
235) Vergl. Using. S. 93.
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sowohl vorder wie auch später noch treffen wir Adolf von Dassel in des Herzogs Gefolge, so z. B. ist er noch kurz vor seiner Heirat mit der Gräfin Adelheid bei Bernhard in Hildesheim und Goslar. 236 )

Adolf von Holstein, offenbar der tüchtigste, aber auch unruhigste Herr dieser Gegend, hatte sich seit seiner Trennung von Heinrich dem Löwen nie mit dem Welfen ausgesöhnt. Die unruhigen und verwirrten Zeiten des deutschen Bürgerkrieges um den Königsthron benutzend, zog er nun im Sommer des Jahres 1200 mit dem gleichgesinnten neuen Grafen von Ratzeburg vor die Lauenburg, die einzige den Welfen an der Elbe verbliebene Festung, in der jetzt eine Besatzung des Pfalzgrafen Heinrich, des ältesten Sohnes Heinrichs des Löwen, lag. Durch die Erbauung der Burg Haddenberg 237 ) und durch Belagerungsmaschinen und Schiffe, die der Holsteiner aus Hamburg herbeiholte, wurde die Besatzung zu Lande wie zu Wasser aufs schwerste bedrängt. Da faßte sie den Entschluß, um nicht den Grafen in die Hände zu fallen, sich dem Dänenkönige auszuliefern. Zwar wurde dieser Plan durch die beiden Grafen, die, sobald sie davon Kunde erhalten hatten, ihre Anstrengungen verdoppelten, vereitelt; doch wir sehen, welchen Einfluß bereits die Dänen infolge der Schwäche und Uneinigkeit der deutschen Fürsten bis tief in deutsches Gebiet hinein ausübten. Seit den wechselseitigen Einfällen des vorigen Jahres - s. S. 55/56 - waren sie von der Eider nicht mehr zurückgewichen, sondern lagen hier auf der Lauer, jeden Augenblick bereit, ihre Eroberungen bis zur Elbe auszudehnen. Bereits hatte der Holsteiner Graf dem König Knud die eben von ihm als Schutz gegen die Dänen wiederhergestellte Rendsburg ausliefern müssen, der sie nun aufs beste ausbaute. Mit dieser starken Grenzfestung hielt er den Schlüssel zum Lande Adolfs in Händen.

Ja, in Holstein selbst bestand eine dänische Partei der angesehensten und einflußreichsten Männer 238 ), die, durch Geldgeschenke und Lehenversprechungen Knuds und seines Bruders bestochen, nur darauf wartete, mit dem jetzt mächtig sich entwickelnden Königreiche vereinigt zu werden. Vor allem betrieben dieses Ziel die im Jahre 1181 bei des Grafen Rückkehr vertriebenen Verwandten und Freunde des Overboden Marcrad, die


236) Cod. Anh. I, 729 u. 730, Urkk. vom 19. u. 27. Januar 1200.
237) Es war nicht möglich, über diese von Arn. VI, 12 u. 13 genannte, offenbar in nächster Nähe von Lauenburg aufgeführte Burg irgend etwas Näheres zu ermitteln.
238) Arn. spricht sogar von "omnes meliores".
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sich damals zum Dänenkönig begeben hatten und nun willige Vermittlerdienste zwischen ihm und den Holsten leisteten. 239 ) Bei dieser Sachlage, wo wir Dänenfreundlichkeit bei den Holsten wie bei der Besatzung Lauenburgs erblicken, konnte es nur noch eine Frage der Zeit sein, daß diese Gebiete in dänischen Besitz übergingen.

Hatte schon der Umstand, daß ihm Lauenburg entgangen war, den Zorn Knuds gegen die beiden Grafen erregt, so geschah das noch mehr durch einen Einfall, den sie im folgenden Jahre nach Dithmarschen, das schon längst vom Dänenkönig beansprucht wurde 240 ), unternahmen. Wie es scheint, hatten sie diesen Zug gewagt im Vertrauen auf welfische oder staufische Hülfe, deren sie sich nach dem Bündnis zu Hamburg im Anfang dieses Jahres 241 ) sicher glauben mochten. Doch diese Hülfe blieb aus. Unaufhaltsam brach jetzt das Unheil über die beiden herein. Als erster mußte Adolf von Dassel seine Unbesonnenheit büßen. Auf Geheiß Knuds fielen die von ihm abhängigen Slavenfürsten Borvin und Niklot in die Ratzeburger Grafschaft ein. Als ihnen nun Adolf mit einem Heere entgegenzog, kam es am 25. Mai 1201 bei Waschow - 1/2 Stunde westlich Wittenburg - zur Schlacht. 242 ) Durch den Tod Niklots, der gleich zu Anfang der Schlacht fiel, wurden die Slaven zu maßloser Wut angestachelt und machten bis auf 700 Gefangene das ganze Heer nieder, sodaß kaum der Graf mit wenigen Begleitern entkam. Und seit dieser unglücklichen Schlacht, die durch seinen Mutwillen herbeigeführt war, hatte er allen Anhang im Lande verloren.


239) Arn. VI, 13. Vergl. III, 1.
240) "que regi subdita videdatur", Arn. VI, 13.
241) Ein solches Bündnis zwischen welfischen und staufischen Parteigängern schließt Winkelmann, Phil. v. Schwab. u. Otto IV. v. Braunschweig I, 241 aus U.-B. der Stadt Lübeck I, S. 15 Nr. X wohl mit Recht. - Hier nennt sich Adolf v. Dassel comes de Racesburg; doch ist aus dieser Bezeichnung für die Chronologie in keiner Hinsicht etwas zu schließen, da z. B. Adolf v. Holstein sich ganz wahllos bald de Holstein, bald de Scovinbure nennt, ja sogar meistens den Namen seiner Stammburg führt.
242) Wenn das M. U.-B. I, 166 nach einer Notiz des Doberaner Nekrologiums diese Schlacht ins Jahr 1200 setzt, so ist das nicht richtig; sie wäre dann chronologisch garnicht einzuordnen (s. die Anm. 246). Daß jene Notiz nicht gleichzeitig ist, macht Using. a. a. O. S. 407 sehr wahrscheinlich. Das "inter haec" bei Arn. VI, 13, worauf das M. U.-B. hinweist, drückt bei ihm fast nie die strenge Gleichzeitigkeit aus und dient hier lediglich zur Anknüpfung. Übrigens setzen Suhm a. a. O. VIII, 601, Winkelm. S. 241, Using. S. 94 die Schlacht ins Jahr 1201. - Winkelm., ebenda, ist Wittenburg offenbar unbekannt, und er verlegt daher diese Schlacht unrichtig nach Wittenberge in der Prignitz.
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Einige Monate später ereilte auch Adolf von Holstein sein Geschick. Nichts half es ihm, daß er sich jetzt angesichts der von den Dänen drohenden Gefahr mit dem Pfalzgrafen Heinrich aussöhnte 243 ); denn der erwartete welfische Beistand blieb aus. Und am 14. September rückte der Herzog Waldemar von Schleswig, Knuds Bruder, mit einer bedeutenden Heeresmacht in Holstein ein und schlug den ihm entgegenrückenden Grafen Adolf, dem es bereits Schwierigkeiten gemacht haben mochte, in seinem abtrünnigen Lande überhaupt noch ein Heer zusammenzubringen, bei Stellau unweit Kellinghusen, sodaß sich der Graf fliehend nach Hamburg zurückziehen mußte. Itzehoe und Plön fielen in die Hände des Herzogs, während sich Segeberg, von jeder der festeste Platz des Landes, und Travemünde noch eine Weile gegen seine Belagerung zu halten vermochten.

Nachdem Waldemar so Bresche gelegt hatte, war es ihm ein Leichtes, sich mit Hülfe des kriegerischen Bischofs Peter von Roeskilde, mit dem zusammen er nach einem sechswöchigen Waffenstillstand Ende Oktober nach Holstein zurückkehrte, des ganzen Landes zu bemächtigen. Über Hamburg, wo ihn Klerus und Volk mit besonderen Ehrungen empfingen, und Bergedorf zog er dann weiter vor die Lauenburg. Hierher kamen ihm die Bewohner Ratzeburgs entgegen und boten ihm, um einem Einfall vorzubeugen, die Unterwerfung der Grafschaft an. Denn Adolf von Dassel hatte aus Furcht, von seinen eigenen Untertanen verraten zu werden, angesichts der Erfolge des Herzogs das Land verlassen und sich wahrscheinlich schon jetzt zu König Otto IV., bei dem wir ihn im Jahre 1204 finden 244 ), begeben. Waldemar baute nun die von den beiden Grafen nach der Besitznahme Lauenburgs zerstörte 245 ) Burg Haddenberg wieder auf und legte eine starke Besatzung hinein, um während seiner Abwesenheit diese wichtige Elbburg in Schach zu halten, und begab sich dann nach Ratzeburg, wo er die Unterwerfung dieser Stadt sowie Wittenburgs und Gadebusch's entgegennahm. Am 1. November war die Eroberung Holsteins und Ratzeburgs vollendet 246 ); nur noch


243) Arn. VI, 12 Schluß. Über den Zeitpunkt siehe Winkelm. S. 241/42 Anm. 1 und Using. S. 95. Dabei war er mit Besitzungen in der Nähe AIten-Gammes vom Pfalzgrafen belehnt worden.
244) Origg. Guelf. III, 774. In welfischer Umgebung erscheint er schon 1203, Calenbg. U.-B. I, 5.
245) Using. S. 95.
246) Neben Arnolds ausführlicher Darstellung kommen für diese ganzen Ereignisse, im wesentlichen jedoch nur zur chronologischen Fixierung, einige kurze annalistische Notizen in Frage. Während sich (  ...  )
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Segeberg, Travemünde und Lauenburg hielten sich, mit deren Eroberung Waldemar jedoch bereits die eigenen Landsleute der Belagerten beauftragen konnte.

Auch das wichtige Lübeck ergab sich ihm jetzt, aus Furcht, seine Schiffe zu verlieren. Diese waren nämlich wie alljährlich zum Fischfang auf Schonen ausgezogen und samt ihrer Bemannung dem Herzog in die Hände gefallen. Auch war es bereits von jeglicher Verbindung zu Lande wie zu Wasser abgeschnitten 247 ) und konnte auf auswärtige Hülfe nicht rechnen. Denn in Deutschland regte sich keine Hand zum Schutze des bedrohten Nordalbingien. König Philipp, vielleicht noch am ersten zu helfen bereit und imstande 248 ), war fern im Süden seines Reiches. Herzog Bernhard, der neben den beiden Grafen zunächst Betroffene, kümmerte sich nicht im geringsten um das Schicksal seines Herzogtums. In allem unähnlich seinem großen Vorgänger, ließ er schon seit langem die Dinge gehen, wie sie wollten, und sah gleichmütig zu, wie seinem Gebiet ein Stück nach dem andern entrissen wurde. Man wird unwillkürlich wieder an Arnolds scharfe, aber treffende Charakteristik erinnert. Der Welfe endlich, König Otto IV., dem wie seiner ganzen Zeit eine streng nationale Gesinnung völlig fernlag, hoffte offenbar an den Dänen Bundesgenossen für seine Kämpfe um den Königsthron zu finden. Daher zeigte er ihnen sein Einverständnis mit ihren Eroberungen, indem er sich durch eine zu Hamburg im Anfang des Jahres 1202 vereinbarte Doppelheirat aufs engste mit ihnen verbündete. 249 )


(  ...  ) nun in den beiden dänischen Hauptannalen, den Annall. Lundenses u. den Annall. Ryenses, ebensowenig wie in den Stader Annalen von den Vorgängen des Jahres 1201 etwas findet, berichten die Annall. Waldemariani MG SS XXIX, 178 - diese sind identisch mit dem M. U.-B. I, 171 Anm. erwähnten Chronicon Danorum bei Langebek SS rer. Danicar. III, 262 - zu 1201: "Perdita est Thetmarsia - nämlich durch jenen Einfall der beiden Grafen - et iterum acquisita, et Holzacia subjugata atque terra Raceburgensis in festo omnium sanctorum." S.W. S. 236 Nr. 341: "Des anderen jares do gewan dertoge Waldemar Razeburch", was auch Weiland richtig auf 1201 bezieht. Vergl. noch Using. größere Note II, S. 406/09.
247) Arn. VI, 13.
248) Siehe Winkelm., Ph. v. Schw. S. 243.
249) Annall. Stadens. MG SS XVI, 353 ad 1202; Arn. VI, 15. Vergl. Usingers treffliche Darlegung der Lage Ottos a. a. O. S. 104/07 und Winkelm., Ph. v. Schw. S. 245. - Ob Otto IV. gar in einem besonderen Vertrage mit den Dänen auf alle seine Ansprüche rechts der Elbe verzichtet hat, wie O. v. Heinem. a. a. O. I, 292 meint, muß dahingestellt bleiben. Viel wäre das freilich nicht gewesen.
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Auch Pommern und die Slavenländer waren nach und nach unter dänische Botmäßigkeit gekommen. Man hatte keine Zeit, sich um diese Gebiete zu kümmern, sondern verwandte sie lieder dazu, sich gegenseitig zu bekämpfen. So bröckelte von Deutschland, während es im Innern von Parteihaber zerrissen wurde, von außen ein Stück nach dem andern ab. Die Grafen und Herren dieser Gebiete waren auf sich allein angewiesen; weder Herzog noch König kümmerte ihr Schicksal. So konnte es geschehen, daß Adolf III. von Holstein, der nicht so vorsichtig wie sein Namensvetter, der Graf von Ratzeburg, sein Land verlassen hatte, sondern zäh das Seine zu verteidigen suchte, in die Hände der Dänen geriet und von ihnen im Triumphe durch das bisher von ihm beherrschte Land als Gefangener nach Dänemark geführt wurde. 250 ) Bald darauf ergaben sich auch Travemünde und Segeberg. Bereits nannte sich Waldemar, der seinem am 12. November 1202 verstorbenen Bruder Knud als König gefolgt war, "König der Dänen und Slaven und Herrn von Nordalbingien". 251 ) Nur die Lauenburg widerstand ihm noch. Endlich, im Herbst des Jahres 1203, wurde ihm auch diese gegen die Freilassung Adolfs von Holstein von ihrer tapfereren Besatzung ausgeliefert.

Und nun schritt er zu einer Neuverteilung dieser Gebiete. Während er selbst Dithmarschen samt den welfischen Alloden Gamme und Sadelbande behielt 252 ), belehnte er mit der Grafschaft Holstein und dem engeren Land Ratzeburg seinen 20jährigen Neffen und Großneffen des Herzogs Bernhard, den Grafen Albrecht von Orlamünde, den Sohn seiner Schwester Sophie und des Grafen Siegfried von Orlamünde. 253 ) In den Rest der Grafschaft Ratzeburg teilten sich Heinrich Borvin von Mecklenburg und Graf Gunzel von Schwerin, die damit den Lohn für ihre tätige Hülfe bei der Unterwerfung dieser Gebiete ernteten. 254 ) Und zwar erhielt Borvin das Land Gadebusch und Gunzel Wittenburg und Boizenburg. 255 ) Damit war die Grafschaft Ratzeburg endgültig zer-


250) Arn. VI, 14.
251) Arn. VI, 17 und U.-B. d. Stadt Lübeck I, 1 Nr. 11 "Waldemarus Dei gracia Danorum Slavorumque Rex, Dux Jutie, Dominus Nordalbingie". - Man erkennt den Stolz des Königs bereits an der ungewöhnlichen Schreibweise der Attribute; vergl. das Facsimile im Lüb. U.-B.
252) Siehe M. U.-B. I, 233; vergl. Winkelm. I, 274.
253) Siehe über Albr. v. Orlam. Using. a. a. O. S. 119/130.
254) Arn. VI, 13 u. 14.
255) Diese Aufteilung kann nicht gut vor 1203 vorgenommen sein, da erst in diesem Jahre Adolf III. auf sein Land verzichtete und damit
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trümmert, und zwar in der Weise, die dann für Jahrhunderte maßgebend blieb, wenngleich Graf Albrecht von Orlamünde für eine kurze Zeit das Wittenburger und Boizenburger Land, das er den Grafen von Schwerin genommen hatte, noch einmal mit dem Kernland der alten Ratzeburger Grafen in seiner Hand vereinte. 256 ) Von einer Tätigkeit des vertriebenen Grafen Adolf von Dassel ist in diesen Gegenden fortan nie mehr die Rede. Noch einige Male finden wir ihn als Zeugen genannt, wobei er im Gefolge des Herzogs Bernhard bald bei dem Welfen Otto IV., bald bei des Herzogs Neffen, dem Markgrafen Albrecht II. von Brandenburg, erscheint. 257 ) Ein einziges Mal noch finden wir seiner Wirksamkeit als Grafen von Ratzeburg gedacht, als nämlich um das Jahr 1216 sein Nachfolger Albrecht den Hamburgern die Befreiung vom Zoll in Boizenburg, die ihnen Graf Adolf verliehen hatte, bestätigt. 258 ) Zwar verlangt in der Urkunde vom 24. September 1223 bei dem Vertrag über die Auslieferung des Königs Waldemar Graf Heinrich von Schwerin ausdrücklich, daß auch Adolf von Dassel sein Land wiedererhalten soll 259 ), doch hören wir nichts davon, daß er je dahin zurückgekehrt sei, was auch durchaus unwahrscheinlich ist. Denn schon im folgenden Jahre starb er. 260 )

Über zwanzig Jahre besaß hier dann Albrecht von Orlamünde ein wahrhaft fürstliches Reich. Nicht genug, daß, er zu seinem ihm 1203 verliehenen Gebiet nach und nach noch das Wittenburger und Boizenburger Land und als Vormund des


(  ...  ) die kriegerischen Ereignisse zum Abschluß kamen. Nach Holstein mußte Albrecht v. Orlamünde zufolge einer Notiz der S.W. S. 245 Nr. 367 freilich schon im vorhergehenden Jahre gekommen sein; s. ebenda die Anm. 1 des Herausgebers. Der Titel "comes", den ihm die Annal. Ryens. a. a. O. S. 405 schon zum Jahre 1202 beilegen, wird sich auf Orlamünde beziehen. Daß Gunzel v. Schwerin im Jahre 1204 das Land Wittenburg besaß, geht aus M. U.-B. I, 182 hervor; vergl. die Anm. dort und bei I, 171. Das er auch Boizenburg erhielt, geht aus Arn. VII, 11 u. M. U.-B. I, 290 Zeile 10 bis 12 hervor. Für die Belehnung Borvins mit Gadebusch ist ebenfalls M. U.-B. I, 171 Beweis; s. die Anm. Vergl. noch Using. S. 125 - wie dieser auf den Gedanken kommen konnte, Wittenburg möglicherweise als welfisches Lehen anzusehen, ist mir unverständlich - und Winkelm., Ph. v. Schw. I, 273 f.; beide lassen jedoch Boizenburg unerwähnt.
256) M. U.-B. I, 182 u. 221, Urkk. aus den Jahren 1208 u. 1216.
257) Cod. Anh. I, 771; Riedel, Cod. Dipl. Brandenburg. A III, 89/91, Urkk. d. Jahres 1209. Vergl. auch Winkelm. II, 151 f. u. 236.
258) M. U.-B. I, 221.
259) M. U.-B. I, 290 S. 275.
260) M. U.-B. I, 382 Anm.; Mooyer a. a. O. S. 97.
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Enkels Waldemars die halbe Grafschaft Schwerin hinzuerwartet - nach der Metzer Abtretungsurkunde Kaiser Friedrichs II gehört ihm als Lehnsmann Waldemars alles Land zwischen Elbe und Elde 261 ), ja noch über die Elbe dehnte sich sein Gebiet aus. 262 ) Gern bezeichnete er sich in dieser Zeit neben seinen andern Titeln auch als Grafen von Ratzeburg 263 ), ein Zeichen, daß dieser Begriff einstweilen noch fortbestand. Als solcher entschied er im Jahre 1204 die zwiespältige Bischofswahl in Ratzeburg zugunsten Philipps und verwandte sich für ihn, den Dänenfeind, bei König Waldemar. 264 ) Als solcher bestätigt er den Hamburgern das bereits erwähnte Privileg über die Zollbefreiung zu Boizenburg 265 ) und macht Schenkungen an die Kirchen zu Dergedorf und Ratzeburg. 266 )

Doch als dann im Jahre 1223 infolge der Gefangennahme Waldemars des Siegers durch den Grafen Heinrich von Schwerin der Stern der Dänen sank, da war's auch mit der Herrschaft Albrechts vorbei. In der unglücklichen Schlacht bei Mölln im Januar 1225 geriet er gar in die Gefangenschaft des Schweriner Grafen und wurde zu seinem Oheim Waldemar nach Schwerin gebracht. 267 ) Und nachdem im zweiten Vertrag über seine Freilassung am 17. November 1225 König Waldemar auf alle seine Eroberungen zwischen Eider und Elbe hatte verzichten müssen, und nachdem dann seine trotzdem aufrechterhaltenen Ansprüche durch die Schlacht bei Bornhoeved endgültig zurückgewiesen waren, werden hier wieder die alten Rechtsverhältnisse eingetreten sein, wie sie im Jahre 1203 geschaffen waren. Das heißt, Land Gadebusch blieb bei der Herrschaft Mecklenburg, von der es, da Borvin treu zum Dänenkönig gehalten hatte, auch während der Dänenherrschaft wohl nicht getrennt war; die Länder Wittenburg und Boizenburg erhielt der Graf Heinrich von Schwerin


261) MG LL IV, 2 Nr, 53; Böhm.-Ficker I, 773.
262) M. U.-B. I, 206.
263) M. U.-B. I, 201, 222, 233 u. a. Sein voller Titel, wie er ihn auf Siegeln führt, z. B. M. U.-B. I, 210, ist "Comes Holsatie et Sturmarie, Raceburgensis et Wagrie." Daneben nennt er sich in Urkk. comes Nordalbingie, comes Transalbingie. Die S.W. S. 244 Nr. 366 nennt ihn "greve Albrecht van Louenburch".
264) Arn. VII, 9.
265) M. U.-B. I, 221. Daß er sich dabei als comes Holsatie bezeichnet, ist belanglos, da er ihnen auch noch für andere Zollstätten Befreiung gewährt. Nicht etwa darf daraus auf eine Zugehörigkeit Boizenburgs zur Grafschaft Holstein geschlossen werden.
266) M. U.-B. I, 233 u. 249.
267) S. W. S. 244 Nr. 366.
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zurück 268 ); und endlich das engere Gebiet von Ratzeburg zog der im Jahre 1226 von den kleineren Herren als Herzog ins Land gerufene Sohn des Herzogs Bernhard, Albrecht 269 ), als herrenloses Lehngut ein und bildete daraus zusammen mit einigen linkselbischen Besitzungen und der vielumstrittenen, eben den Dänen entrissenen Lauenburg 270 ) das Herzogtum Sachsen-Lauenburg, das ja dann bis zum Jahre 1689 bestanden hat. 271 ) Damit verschwindet der Begriff der Grafschaft Ratzeburg aus der Geschichte.

Vignette

268) Im Jahre 1227 nahm er Boizenburg, Schwerin und Wittenburg vom Herzog von Sachsen zu Lehen, M. U.-B. I, 338.
269) Siehe Annal. Stad. S. 359 ad 1226.
270) Sie wurde i. J. 1227 von Albrecht v. Orlam. für seine Befreiung ausgeliefert, Annal. Stadens. ad 1227; S.W. S. 247 Nr. 372.
271) Vergl. Usinger, Deutsch-Dän. Gesch. S. 356 u. 366/67 und Ders., Zeitschr. d. Gesellsch. f. d. Gesch. der Herzogtümer Schlesw., Holst. u. Lauenbg. II, 19/20.
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Stammtafel der Grafen von Ratzeburg
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Kapitel II.

Geschichte der Grafen von Dannenberg.

Nicht allein auf dem rechten Elbufer wohnten Slaven. Dieser Fluß hatte ihnen bei ihrem Vordringen in die von den Langobarden zur Zeit der Völkerwanderung verlassenen Gebiete keineswegs Halt geboten. Sicher waren sie schon damals in einzelnen Splittern in das Gebiet vorgedrungen, das noch heute nach ihnen das Hannoversche Wendland heißt und das etwa dem Gebiet der Kreise Lüchow und Dannenberg entspricht. Verstärkt wurden sie dann, als in den Sachsenkriegen Karls des Großen viele Sachsen gerade aus diesen Gebieten weggeführt und von ihm in den verlassenen Sitzen Slaven oder, wie sie von den Deutschen genannt wurden, Wenden 1 ) angesiedelt wurden. Hier bildeten sie fortan einen eigenen Gau, dessen Name Drevani noch in dem heutigen Drawehn im Kreise Lüchow erhalten ist. So werden sie dann von späteren Schriftstellern selbst Trivani genannt 2 ); doch ist das offenbar lediglich eine Herleitung von jenem Gaunamen. 3 ) In den gleichzeitigen Quellen fehlt jeglicher Name für diese linkselbischen Slaven, wie denn Adam von Bremen und Helmold gänzlich von ihnen schweigen. Daß sie nicht wohl zu den Polaben zu zählen seien, wurde bereits gezeigt. 4 ) Eher möchte man an einen Zusammenhang mit den Obodriten denken, von denen sie vielleicht ein Splitter waren. Meitzen im zweiten Bande seiner "Siedelung und Agrarwesen" S. 370 hat für die Wenden, die sich zwischen Jeetzel und Milde, einem Zufluß der Biese bei Gardelegen, ausdehnten, die Bezeichnung Lipanische Wenden. Woher er diesen Namen, der sich sonst nirgends findet, hat, gibt er leider nicht an. 5 ) Als sicher darf man wohl annehmen, daß


1) Die Ausdrücke Slavi und Winethi werden von Adam v Bremen und Helmold völlig unterschiedslos gebraucht.
2) Chronik Heinrichs v. Herford, ed. Potthast, S 32 u. 225; und nach ihm dann Corner in seiner Chronica novella.
3) Andere Beispiele dafür gibt Curschmann, Die Diözese Brandenburg, S. 132.
4) S. Kap. I S. 16.
5) Wie es scheint, ist er von der marca Lipani hergenommen.
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diese Wenden im Gau Drevani, die durch eine südwärts der Einmündung des Cateminer Baches in die Elbe verlaufende Linie vom Bardengau getrennt waren 6 ), sowohl mit den Slaven der heutigen Altmark wie mit den rechts der Elbe zwischen Dömitz und Boizenburg wohnenden Smeldingern oder Smolinzern im engsten Zusammenhang standen.

Dieser Rückhalt, den sie besonders an den großen Slavenstämmen rechts der Elbe, vor allen den Obodriten, fanden, war auch wohl der Grund, daß die Billunger, die im Drawehn-Gau nominell die Grafschaft besaßen 7 ), hier wenig auszurichten vermochten. Fortwährende Grenzkämpfe mit den Bewohnern des Bardengaus waren die Folge. Auch waren die Verhältnisse im sächsischen Herzogtum einer planmäßigen Kolonisation in dieser Gegend nicht günstig, da die fortwährenden Aufstände der Sachsen gegen die fränkischen Kaiser und die Schwäche der späteren Billunger ein tatkräftiges Vorgehen gegen die Wenden verhinderten. Ob hierin schon unter dem tüchtigen Herzog und späteren Kaiser Lothar, der über die slavischen Gebiete rechts der Elbe mit aller Entschiedenheit eine Oberlehnsherrschaft in Anspruch nahm 8 ), irgendwie Wandel geschaffen wurde, vermögen wir bei dem gänzlichen Mangel an Nachrichten aus dieser Zeit nicht zu erkennen. Sicherlich kann von einer nennenswerten Kolonisation unter ihm nicht die Rede sein. Auch hier wie rechts der Elbe im Obodritenland und SIavien blieb diese dem großen Enkel Lothars, Heinrich dem Löwen, vorbehalten. Unter ihm wetteiferten Klöster und weltliche Herren, das Wendenland der deutschen Kultur zu gewinnen. 9 )

Dieser energischen Kolonisationspolitik Heinrichs des Löwen verdanken auch die beiden im Hannoverschen Wendlande unter ihm auftauchenden Grafschaften, die von Lüchow und die von Dannenberg, ihre Bedeutung. Während dabei nun die Einrichtung der Grafschaft Lüchow immerhin noch an eine bereits bestehende Grafschaft, nämlich die zu Warpke, anknüpft, ist die Grafschaft


6) Siehe die genaue Grenzuntersuchung v. Hammersteins, Bardengau S. 31/44, der sich Meitzen a. a. O. Bd. I, 39 völlig anschließt; vergl. dessen Kartenskizze Bd. III Anlage 21.
7) Siehe Weiland, Das sächs.- Herzogt. S. 52.
8) Vergl. Weiland ebenda S. 62/65.
9) Daß auch die Klöster Anteil an der Kolonisation nahmen, geht aus Origg. Guelf. II, S. 546 hervor, wo sie i. J. 1142 bei der Umwandlung des Frauenklosters Oldenstadt (Uelzen) in ein Benediktiner-Mönchskloster den Mönchen ausdrücklich zur Pflicht gemacht wird. Und das wird kein Einzelfall gewesen sein.
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Dannenberg eine völlige Neuschöpfung dieses größten Kolonisators des Mitteltalters. Davon, daß die Grafschaft Dannenberg bereits von Karl dem Großen eingerichtet sei, wie ältere Forscher gemeint haben, kann gar keine Rede sein. Diese Ansicht, deren Urheber Pfeffinger in seiner ,,Historie des Braunschweig-Lüneburgischen Hauses" 10 ) zu sein scheint, beruht auf einer völligen Verkennung der Verhältnisse, indem man vergaß, daß es sich hier um ein ursprünglich wendisches Gebiet handelt. So ist denn auch in den Urkunden - denn abgesehen von ganz wenigen Nachrichten aus literarischen Quellen müssen wir unsere Kenntnis dieser Dinge völlig aus ihnen schöpfen - von einer ursprünglich nur richterlichen Funktion bei den Grafen von Dannenberg wie bei denen von Lüchow ebensowenig zu erkennen wie bei den rechtselbischen Grafschaften Ratzeburg und Schwerin. Von Anfang an treten sie auf als Lehnsträger eines bestimmten Gebietes mit größerer oder geringerer Selbständigkeit, je nachdem das Herzogtum Sachsen, von dem sie abhängig sind, in starken und energischen Händen liegt wie zur Zeit Heinrichs des Löwen, oder in schwachen wie bei Herzog Bernhard und seinen Nachfolgern. Ebenso wie bei jenen besteht auch hier von vornherein das Prinzip der Erblichkeit: auch diese Grafschaften werden verwaltet von Dynastengeschlechtern. 11 )

Doch ein Unterschied besteht zwischen der Ratzeburger und der Dannenberger Grafschaft. Finden wir jene immer nur abhängig vom sächsischen Herzogtum, so lernen wir die Dannenberger Grafen von Anfang an auch als Lehnsträger der Markgrafen von Brandenburg kennen. Ja, als dann später die Trennung zwischen dem Gebiet des sächsischen Herzogs und welfischem Allod stattfand, da ging die Dannenberger Grafschaft von drei oder, wenn man die wenigen Lehen, die die Grafen vom Verdener Bistum hatten, mitrechnen will, sogar von vier Herren zu Lehen. Ein Umstand, der mit dazu beigetragen hat, daß das Wesen dieser Grafschaft von einigen älteren Forschern gänzlich verkannt wurde, indem diese bisweilen die Markgrafen von Brandenburg, bisweilen die Bischöfe von Verden als die eigentlichen Oberlehnsherren ansahen. Doch kann ein Zweifel darüber, daß die um 1153 auf-


10) Vergl. dort Bd. II, 359.
11) Wenn Saß, M. Jbb. 43, 94, eine Erblichkeit des Titels nicht annimmt, so irrt er. Für alle diese Grafschaften finden sich Beispiele, daß die Söhne schon zu Lebzeiten ihres Vaters als comites bezeichnet werden, und daß, wenn mehrere Söhne vorhanden sind, alle diesen Titel führen.
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tauchende Grafschaft Dannenberg ebenso wie die von Ratzeburg und Schwerin eine Gründung Heinrichs des Löwen und also ihrem Kern nach vom sächsischen Herzogtum abhängig ist, nach Prüfung der uns erhaltenen Nachrichten nicht mehr bestehen.

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Volrad I. ca. 1153(45) - ca. 1167.

Der erste Dannenberger Graf ist Volrad I. aus dem Hause der Edlen von Salzwedel. Mit seinem vollen Titel finden wir ihn freilich erst mehrere Jahre nach seiner Einsetzung genannt. In der bereits bei Heinrich von Badewide erwähnten Urkunde Heinrichs des Löwen vom Jahre 1162 - M. U.-B. I, 74 - ist er als "comes Vollaradus de Dannenberg" Zeuge, daß, der Herzog dem Probst und den zwölf Domherren zu Ratzeburg 27 Mark aus dem Zoll zu Lübeck verleiht. 12 ) Hier treffen wir ihn auch zum ersten Male als Grafen im Gefolge des Löwen. Doch wenn nicht alles trügt, ist er bereits siebzehn Jahre früher nachzuweisen. In einer ebenfalls schon bei Heinrich von Badewide erwähnten Urkunde vom Jahre 1145, in der Konrad III. den Vertrag des Magdeburger Domherren und späteren Bremer Erzbischofs Hartwig sowie dessen Mutter, der Markgräfin Richardis, mit dem Magdeburger Erzbischof über Güter in Dithmarschen und Nortland bestätigt, sind u. a. als Zeugen genannt Friedrich von Salzwedel und dessen Bruder Volrad. Und zwar zwischen Graf Otto von Hillersleben und Heinrich von Badewide und dessen Brüdern. 13 ) Da Heinrich von Badewide aber damals bereits Graf von Ratzeburg war, so geht aus dieser Stellung, wenn man die bekannte Tatsache in Betracht zieht, daß im Mittelalter bei Aufführung der Zeugen streng auf die Rangordnung gesehen wurde, mit unzweifelhafter Sicherheit hervor, daß diese beiden Brüder de Salzwitelen, wenn sie auch nicht den gräflichen Namen führten, doch aus edlem Geschlechte waren.

Auch daß hier bereits, wo wir ihm zum ersten Male begegnen, Volrad in Verbindung mit dem Grafen Otto von Hillersleben - zwischen Neuhaldensleben und Wolmirstedt - auftritt,


12) Zwar findet sich Volr. bereits in der sogen. Ratzeburger Dotationsurk. vom Jahre 1158 - M U -B I, 65 - als "comes Volradus de Dannenberge". Allein, diese Urkunde ist, wie bereits gesagt, später ausgestellt, und hier nur insofern von Wert, als sie uns bestätigt, daß Volrad in diesem Jahre schon Graf von Dannenberg war; denn offenbar ist die Zeugenreihe auf das Jahr 1158 gefälscht.
13) Cod. Dipl. Anh. I, 324.
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ist sehr wichtig zur Feststellung seiner Identität mit dem ersten Dannenberger Grafen. Denn sieben Jahre später treffen wir ihn als Zeugen in einer Urkunde des Bischofs Ulrich von Halberstadt, in der dieser dem Kloster Hillersleben seine sämtlichen Besitzungen bestätigt. 14 ) Auch hier wird Volrad noch als "von Salzwedel" bezeichnet. Er sowohl wie der als Otto comes aufgeführte Graf Otto von Hillersleben erscheinen hier im Gefolge Albrechts des Bären. Endlich, in einer Urkunde, die der bekannte Erzbischof Wichmann von Magdeburg im Jahre 1157 für Kloster Ammensleben - das heutige Groß-Ammensleben auf dem rechten Ufer der Ohre, Hillersleben gegenüber - über eine Schenkung des Magdeburger Domherren Dietrich von Hillersleben, des Bruders des Grafen Otto, ausstellt, erscheint Volrad als "de Dannenbergh". 15 ) Hier erwähnt nämlich Wichmann, daß er jene Schenkung Dietrichs von Hillersleben bereits einmal, nämlich am Begräbnistage seines Bruders, des Grafen Otto von Hillersleben, einem 1. August, bestätigt habe in Anwesenheit des Markgrafen Albrecht und seiner Söhne Otto und Hermann und anderer namentlich aufgeführter Zeugen, von denen uns außer Volrad von Dannenberg auch Burchard von Falkenstein bereits aus der Urkunde vom 28. Juni 1152 bekannt ist. Das Jahr, in dem Otto von Hillersleben starb, nennt Wichmann zwar nicht; doch ist uns dieses von anderer Seite her bekannt. Nach den Pöhlder Annalen starben nämlich im Jahre 1154 kurz nacheinander "der Magdeburger Domherr Dietrich und sein Bruder Otto von Hillersleben". 16 ) Danach wäre also die Einrichtung der Grafschaft


14) Cod. Dipl. Anh. I, 384, Urk. vom 28. Juni 1152.
15) Ebenda V, Nachtrag Nr. 435 a, Urk. vom 17. Oktober 1157. Im Regest des Cod. Dipl. Anh. steht durch ein Versehen September. - Offenbar der größeren Sicherheit wegen haben Regg. archiepisc. Magdeburgens. diese Urkunde gleich zweimal registriert, Bd. I, S. 543 u. Bd. III, S. 536. Einen Grafen Otto von Ammensleben, wie v. Mülverstedt unsern Grafen Otto nennt, hat es nach dem Register v. Heinemanns im Cod. Dipl. Anh. nie gegeben. In dem Registerband der Regg. archiepisc. sucht man vergeblich nach einer Zuweisung unserer Urkunde. - Auch M. U.-B. X, 7147/48 bezeichnet Otto fälschlich als "von Ammensleben".
16) Annall. Palid. MG SS XVI, 88, 40/43; diese wichtige Notiz verdanke ich Herrn Geheimrat D. Schäfer. - Durch daß Chronicon Montis Sereni - MG SS XXIII, 149, 36/47 - erfahren wir, daß der Tod beider zu Rom erfolgte, nachdem sie für Wichmann von Magdeburg das Pallium vom Altar der Peterskirche genommen hatten. Mit dieser Romreise Ottos von Hillersleben stimmt sehr gut die Tatsache zusammen, daß er in Deutschland nur bis 1152 urkundlich nachweisbar ist, Register (  ...  )
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Dannenberg auf die Zeit vom 28. Juni 1152 bis zum 1. August 1154 zu bestimmen. 17 )

Wollte man nun noch irgendwelche Zweifel hegen, daß unser Volrad mit Volrad von Salzwedel identisch sei, so dürfte ein Blick auf unsere Karte genügen, um aus den zahlreichen, durch spätere Urkunden erwiesenen Besitzungen der Grafen von Dannenberg gerade um Salzwedel herum zu erkennen, daß hier besondere Beziehungen bestanden haben, zumal wir Abbendorf ausdrücklich als Allod der Dannenberger Grafen genannt finden. 18 ) Wir gehen demnach schwerlich fehl, wenn wir annehmen, daß diese Besitzungen die Erbgüter Volrads waren. Denn von späteren Verleihungen in dieser Gegend an die Grafen von Dannenberg, etwa durch die Markgrafen von Brandenburg, hören wir nicht das mindeste. Andererseits erklärt sich auf diese Weise am einfachsten, daß wir bis gegen das Ende der Grafschaft Dannenberg die Grafen häufig in engster Verbindung mit den Markgrafen finden, zu denen sie doch an und für sich als Grafen von Dannenberg keinerlei Beziehungen hatten. Dementsprechend begegnet Volrad als ."von Salzwedel" nach 1152 nicht mehr, während sein Bruder Friedrich noch bis 1181 in Urkunden genannt wird. 19 )

Eins bleibt freilich dunkel, nämlich, warum Heinrich der Löwe zum Grafen von Dannenberg einen Vasallen Albrechts des Bären einsetzte. Darüber, daß die Grafschaft ebenso wie die von Lüchow von ihm, und zwar von ihm als Herzog von Sachsen, abhängig war, kann gar kein Zweifel bestehen, wenn wir erfahren, daß die beiden Grafen im Jahre 1182 ihre Grafschaften von dem neuen Herzog, Bernhard von Anhalt, zu Lehen nehmen. 20 ) Der naheliegende Gedanke, daß Volrad gar nicht von Heinrich dem Löwen, sondern von Albrecht dem Bären zum Dannenberger Grafen eingesetzt sei, würde also unrichtig sein. Wir müssen uns bei dem gänzlichen Mangel näherer Nachrichten über die


(  ...  ) zu Cod. Dipl. Anh. Bd. VI, S. 130. Mit Recht wendet sich also W. Hoppe, Erzbischof Wichmann, in Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 43 S. 143 Anm. 22 gegen Simonsfeld, der a. a. O I, 216 Anm. 15 jene Nachricht vom Tode der beiden Brüder als "unkontrollierbar, aber wenig glaubwürdig" bezeichnet.
17) Daß Volrad von Dannenberg in unserer Urkunde vom 17. Oktober 1157 nicht comes genannt wird, ist völlig belanglos; wird doch auch der Ratzeburger Graf noch 1145 einfach als Heinricus de Botwidel bezeichnet.
18) Riedel, Cod. Dipl. Brandenburg. AXXII, 98.
19) Siehe Cod. Dipl. Anhalt. VI, S. 213 "de Saltwedele".
20) Arn. III, 1, Okt.-Ausg. S. 69.
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Einsetzung mit einem non liquet begnügen. Die Tatsache, daß Volrad in unmittelbarer Nähe Neuhaldenslebens, einer der wichtigsten Burgen Heinrichs des Löwen, in Ammensleben, Besitzungen hatte, legt den Gedanken nahe, daß schon vor seiner Einsetzung als Dannenberger Graf zwischen ihm und dem Herzog persönliche Beziehungen bestanden. Die Besitzung in Ammensleben wird als Allod der Dannenberger Grafen genannt, so daß wir vielleicht ihre eigentliche Heimat hier zu suchen haben und sie vielleicht vor nicht langer Zeit erst in die Altmark übergesiedelt waren.

Ebensowenig vermögen wir zu erkennen, ob Volrad in Dannenberg schon eine befestigte Ansiedlung, von der aus er sein Kolonisationswerk beginnen konnte, vorsand, oder ob diese erst von ihm angelegt wurde. Daß Dannenberg neueren Ursprungs als die rings herum wendisch benannten Ortschaften 21 ) ist, muß man wohl aus seinem deutschen Namen schließen. 22 ) Erwägt man daneben die bereits oben dargelegten Gründe, warum erst jetzt eine planmäßige Kolonisation hier möglich war, so wird der Schluß nicht allzu gewagt sein, daß die Stadt Dannenberg ihre Entstehung dem ersten Inhaber der Grafschaft verdankt. Auf alle Fälle war der Platz gut gewählt zur Anlage einer Burg, da er weit und breit die einzige Erhebung nahe der Jeetzel in dem ringsum sumpfigen Wiesenland ist und nur auf einer Seite mit dem höhergelegenen Lande zusammenhängt und so gegen etwaige Überfälle der Wenden leicht zu verteidigen war. Schien doch Dannenberg, als es im Jahre 1223 galt, die gefangenen Dänenkönige sicher zu verwahren, der beste Aufenthaltsort zu sein, weshalb es denn auch von einem gleichzeitigen Chronisten als ein "firmissimum et inaccessibile castrum" bezeichnet wird. 23 ) Die Gründung Volrads wird zunächst lediglich aus der eigentlichen Burg, die vermutlich nahe der Jeetzel an der Stelle des heutigen Amtsgerichtshofes lag und von der vielleicht noch ein Teil in dem sogenannten "Waldemarturm" als dem Burgverließ erhalten ist, und den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden bestanden


21) Vergl. Karte des Deutschen Reiches Nr. 211. Die vielfach auf -au endigenden Namen entsprechen denen auf -ow in Mecklenburg.
22) Der zweite Bestandteil des Namens ist ja ohne weiteres klar. "Dannen" muß man wohl von "Tanne" herleiten, eine Etymologie, die schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gebräuchlich ist, da im Wappen der Grafen, das ursprünglich einen Löwen zeigte, seit dieser Zeit daneben eine Tanne auftaucht, siehe Exkurs I. Noch heute ist infolge des mageren Bodens westlich und südlich Dannenbergs hier die Tanne häufig zu finden.
23) Chron. Reg. Coloniens., ed. Waitz Schulausg. S. 254.
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haben, die durch Wall und Graben mit der Burg zu einer kleinen Festung verbunden waren. 24 ) Erst etwa fünfzig Jahre später hören wir von Dannenberg als einer urbs.

Die Herrschaft, die so dem Grafen Volrad übertragen war, stellte keineswegs ein geschlossenes Gebiet dar; ein solches besaßen die Dannenberger Grafen erst in späterer Zeit, und zwar nur rechts der Elbe. Abgesehen von seinen zahlreichen Besitzungen um Salzwedel und in der Magdeburger Gegend, von denen gleich die Rede sein wird, zogen sich seine Lehngüter von der heutigen Altmark, etwa bei Ohrdorf beginnend, in einem weiten Bogen durch die Kreise Isenhagen, Uelzen, Lüneburg, Winsen bis zur Elbe, etwa in der Nähe der Luhe-Mündung, hin. Jedoch war, um das nochmals zu betonen, das durch diesen Bogen umgrenzte Land keineswegs ein geschlossenes Territorium der Dannenberger Grafen, sondern neben ihnen finden wir sowohl die Lüchower wie auch die Schweriner Grafen mit zahlreichen Besitzungen hier vertreten. 25 ) Zur Erklärung dieser eigentümlichen Sachlage muß man sich vor Augen halten, daß die Grafen, um ihren Herzog in seinen Slavenkriegen unterstützen und selbstwirksam koloni-sieren zu können, einer starken Kriegsmannschaft bedurften. Eine solche konnten sie aber vorderhand nur bilden aus deutschen Ministerialen, an die sie ihre Besitzungen weiterverliehen. So erklärt es sich auf die einfachste Weise einmal, daß sie, wenigstens bei den Dannenberger und den Schweriner Grafen ist das der Fall, in der nächsten Zeit fast nur in deutschen Dörfern belehnt erscheinen, und zum andern, daß ihre Besitzungen so weit verstreut liegen. So wird die Ansicht v. Hammersteins in seinem trefflichen Auffatz "Die Besitzungen der Schweriner Grafen am linken Elbufer", Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen 1857 S. 121, ganz das Richtige treffen, wenn er meint, daß die von Helmold I, 88 26 ) erwähnte "militia" Gunzels von Schwerin aus dessen Ministerialen am linken Elbufer bestand. Ähnlich wird es sich mit den linkselbischen Besitzungen der Dannenberger Grafen verhalten. Freilich finden wir diese urkundlich z. T. erst in später Zeit als Besitz der Grafen genannt; doch werden wir


24) Die Abbildung Dannenbergs im Jahre 1654 bei Merian, Topographie XII, 70, läßt noch sehr wohl den später zugeschütteten Graben, der rings um den Burgberg herumführte, erkennen.
25) Vergl. die Karte.
26) In der Ausgabe Schmeidlers S. 172, 35; vergl. auch "Bardengau" S. 481.
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kaum fehlgehen, wenn wir annehmen, daß sie bereits Volrad I. von Heinrich dem Löwen verliehen sind.

In den nächsten Jahren finden wir ersteren dann mehrfach als Zeugen genannt. Da es sich dabei ausschließlich um Urkunden aus dem von Heinrich dem Löwen beanspruchten Gebiet handelt, scheint daraus hervorzugehen, daß er die Verbindung mit Albrecht dem Bären seit seiner Einsetzung als Dannenberger Graf aufgegeben hatte und sich jetzt nur als Lehnsmann des sächsischen Herzogs fühlte. Wir werden uns also zu denken haben, daß er diesen auf seinen mehrfachen Kriegszügen gegen die Slaven in Mecklenburg begleitete, so im Jahre 1158 und 1160 und auf dem noch bedeutenderen von 1164. 27 ) Wohl das wichtigste Zeugnis der nächsten Jahre ist eine Urkunde des Bischofs Hermann von Verden, der auf Grund von Klagen der Domherren von Bardowiek über Verkürzung ihrer Präbenden durch ihren Propst die Einkünfte von Propst und Domherren durch eine zu Verden am 28. Mai 1158 ausgestellte Urkunde genau regelt. 28 ) Dabei wird unter den Zeugen genannt "comes Wolradus, eiusdem ecciesiae advocatus", woraus hervorgeht, daß unser Graf Volrad die Vogtei in Bardowiek ausübte. Wenngleich er hier nicht als "de Dannenberg" bezeichnet wird, ist ein Zweifel an der Idendität mit dem Dannenberger Grafen nicht wohl möglich. Denn in dieser Gegend ist schlechterdings kein anderer Graf Volrad bekannt als in dem Dannenberger Dynastengeschlecht, wo dieser Name bis zum Aussterben der Familie mehrfach vorkommt. Einmal wird ein Volrad als Bruder Heinrichs von Badewide genannt 29 ); doch hat dieser sicher nie den Grafentitel geführt. Auch hat das Vogtamt der Dannenberger Grafen in Bardowiek nichts Auffälliges, wenn man bedenkt, daß sie ganz in der Nähe, nämlich in Dachtmissen und Erbstorf, Lehngüter besaßen. So behauptet denn auch v. Hammerstein, Bardengau S. 482, daß die Dannenberger Grafen Vögte des Stifts in Bardowiek gewesen seien. 30 ) Auch diese Besitzungen Volrads in unmittelbarer Nähe Lüneburgs deuten auf ein besonders nahes Verhältnis zu Heinrich dem Löwen. Wieder in einer ganz anderen Gegend finden wir


27) Vergl. Kap. I S. 34.
28) Origg. Guelfic. III, S. 477/78.
29) Siehe oben Kap. I S. 11.
30) Ob er sich dabei noch auf andere Nachrichten als unsere Urk. stützt, vermag ich, da er seine Quelle nicht angibt, nicht zu sagen; doch wird man ihm auf Grund seiner reichen Kenntnisse gerade dieser Gegend von vornherein Glauben zu schenken geneigt sein. Ein späteres (  ...  )
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ihn begütert, wenn wir hören, daß. er dem Cisterzienser-Kloster Marienthal bei Helmstedt zwei Hufen in Ohrdorf - östlich Isenhagen - und den Zehnten vom Klostervorwerk in Groß-Brandsleben 31 ) - bei Oschersleben - geschenkt hat. Wir erfahren das aus einer im Jahre 1159 am 4. März im Lateran für Marienthal ausgestellten Urkunde des Papstes Hadrian IV. 32 ) und aus einer am 2. März 1160 zu Pavia ausgestellten Urkunde des Gegenpapstes Viktor IV. 33 ), die sich gegenseitig ergänzen und bestätigen. Auch hier wird zwar der Dannenberger Graf nur einfach als Volradus comes bezeichnet; doch wird durch spätere Nachrichten bestätigt, daß die Dannenberger Grafen in der Nähe, nämlich in Ammensleben, Besitzungen hatten. 34 ) Auch scheint der Umstand, daß sich in der Nähe Dannenbergs, wo es sonst keine Ortsnamen auf -leben gibt, ein Brandleben findet, diese Beziehungen zu bestätigen. 35 )

Wenn nun auch Volrad zum persönlichen Gefolge des Herzogs gehörte, werden wir doch nicht annehmen dürfen, daß er ihn auf seinen Zügen, die er mit dem Kaiser nach Italien unternahm, begleitete. Diese Aufgabe wird vermutlich mehr den westlichen und südlichen Grafen, denen von Wölpe, Scharzfeld, Rode usw., zugefallen sein, während die östlichen auf ihrem Posten im Slavenlande ausharren mußten. Doch sicherlich wird er wie bei den Slavenzügen, so auch bei allen Landtagen, die der Herzog in dieser Gegend mit seinen deutschen und slavischen "Markmannen" abhielt, zugegen gewesen sein, auf denen die slavischen Angelegenheiten besprochen und die Art des Vorgehens gegen sie festgesetzt wurde. Denn ein solches "colloquium provinciale" wie das im Jahre 1160 zu Barvörde abgehaltene, von dem uns Helmold


(  ...  ) Zeugnis für das Vogtamt der Dannenberger Grafen in Bardowiek hat sich nicht erhalten. Eine Durchsicht des Lüneburger Archivs, die auf meine Bitte Herr Dr. Reinecke in Lüneburg freundlichst vornahm, war ergebnislos.
31) Nach Cod. Dipl. Anh. VI, S. 38 - dem heutigen Alt-Brandsleben.
32) Origg. Guelf. III, 535/37. Die Urk. selbst hat nach päpstlicher Zählung das Jahr 1158, vergl. Jaffè, Regg. Pontific. II, 10552.
33) Pflugk-Harttung, Acta Pontific. inedita I, S.284 f.; Jaffè, Regg. Pontific. II, 14438.
34) M. U.-B. II, 1054. Vergl. M. Jbb. 43, 91/92.
35) Dieses Brandleben b. Dannenberg ist vermutlich eine Gründung der Dannenberger Grafen. Vergl. auch das über die Beziehungen Volrads zu Otto von Hillersleben Gesagte.
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in seiner Slavenchronik I, 87 eine kurze Schilderung gibt 36 ), wird weit öfter stattgefunden haben als uns die Quellen berichten. In der nächsten Zeit finden wir Volrad meistens in denselben Urkunden wie Heinrich von Babewide als Zeugen genannt, so im Jahre 1162 außer in der bereits erwähnten Urkunde des Herzogs für die Domherren in Ratzeburg - M. U.-B. I, 74 - noch in der für das Ratzeburger Bistum sehr wichtigen Urkunde des Erzbischofs .Hartwig von Bremen, der "gemäß einer Vorschrift des Papstes Hadrian IV. und des Kaisers Friedrich I." auf Grund einer Grenzbestimmung des Herzogs Elbe und Bille als Diözefangrenzen für Ratzeburg festsetzt. 37 ) Im folgenden Jahre finden wir auch Volrad unter den zur Feier der Einweihung des Lübecker Doms im Juli zu Lübeck zahlreich versammelten Rittern und Herren des Herzogs. 38 ) Und am 18. Oktober war er beim Landtag zu Artlenburg zugegen, als der Herzog den Streit zwischen Goten und Deutschen auf der Insel Gotland schlichtete. 39 ) Im Jahre 1164 wird er in einer offenbar zu Lübeck ausgestellten Urkunde des Bischofs Konrad, der im Februar dieses Jahres Gerold im Bistum gefolgt war 40 ), als Zeuge genannt bei der Bestätigung der Besitzungen des dortigen Domkapitels. 41 )

Zwar haben wir für die nächsten Jahre keinerlei Zeugnis über ihn; doch werden wir als sicher anzunehmen haben, daß er bis zu seinem Tode immer ein treuer Vasall seines Herzogs geblieben ist, wie wir denn in dieser Zeit gerade die neugeschaffenen


36) S. 171: "Redeunte igitur duce [nämlich aus Italien] et comite [Graf Adolf II. kam aus England zurück] prefixum est colloquium provinciale omnibus Marcomannis tam Teutonicis quam Sciavis in loco, qui dicitur Berenvorde." Hier wird dann für die Zeit der Ernte jener große Rachezug ins Slavenland beschlossen, bei dem Niklot fiel und nach dem Heinrich der Löwe voll Stolz Urkunden datierte; siehe M. U.-B. I, 74.
37) M. U.-B. I, 75.
38) M. U.-B. I, 78. Ausgestellt ist die Urkunde erst nach dem 5./6. Juli 1164, siehe die Anm. - Im Jahre 1160 war nämlich das seit alter Zeit im wagrischen Oldenburg bestehende Bistum der günstigeren und sicheren Lage wegen auf Wunsch des Bischofs Gerold nach Lübeck verlegt; siehe Helm. I, 90 u. 94. Vergl. Kap. I S. 35. Hierher gehört auch die "12. Juli 1164 Verden" datierte Urkunde M. U.-B. I, 82, in der Volrad ebenfalls als Zeuge genannt wird, siehe die Anm. des M. U.-B.
39) U.-B. der Stadt Lübeck I, S. 4/5.
40) Helm. I, 95 S. 187.
41) M. U.-B. I, 81.
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Grafenhäuser des Ostens, die Grafen von Schwerin, Ratzeburg, Dannenberg und Lüchow, als die dem Herzog ergebensten Gefolgsleute finden, was ja auch ganz natürlich ist, da sie ihm ihre Stellung verdankten und durch seine Macht darin gehalten wurden. Umgekehrt hatte der Herzog gerade jetzt treue Vasallen nötig. Denn bereits erhoben sich unter Führung Albrechts des Bären und Erzbischof Wichmanns von Magdeburg die Fürsten Sachsens, die mit Recht von der gewaltig vorwärtsstrebenden Politik des Löwen für ihre eigene Selbständigkeit fürchteten. So finden wir denn auch Volrad in der bereits Kap. I S. 34/35 erwähnten Urkunde M. U.-B. I, 88, durch die im Jahre 1166 Heinrich der Löwe die Grenzen des Bistums Ratzeburg festsetzt als Zeugen genannt. 42 )

Dies ist die letzte zuverlässige Nachricht über Volrad. In welcher Weise er sich an den Kämpfen Heinrichs des Löwen gegen den Bund der sächsischen Fürsten und gegen den von ihm abgefallenen Grafen Christian von Oldenburg 43 ) beteiligt hat, wissen wir nicht. Möglich, daß er gerade in diesen Kämpfen seinen Tod fand. Jedenfalls muß er um diese Zeit gestorben sein. Zwar wird er noch in einer angeblich 1174 zu Artlenburg ausgestellten Urkunde Heinrichs des Löwen genannt 44 ); doch ist diese Urkunde ihrer ganzen Beschaffenheit nach so verdächtig, daß wir sie hier nicht berücksichtigen können. Das Aktum dieser Urkunde wird von den Herausgebern des M. U.-B. - ebenda Anm. - wie auch vom pommerschen U.-B. - I, 58 - auf den 19. September 1171 gesetzt. Allein, auch das nützt uns nichts; denn in der echten unter diesem Datum ausgestellten Urkunde - M. U.-B. I, 101 - erscheint überhaupt kein Dannenberger Graf. 45 ) Allerspätestens ist Volrad im Jahre 1169 gestorben. Denn in einer "1170 November 7. Artlenburg" datierten Urkunde, die jedoch ihrer Handlung nach ins Jahr 1169 gehört, erscheint bereits sein Sohn Heinrich als "comes" unter den Zeugen. 46 ) Doch noch viele Jahre später wird seiner treuen Dienste gegen


42) Vergl. die Anm. 117 auf S. 34, wonach daß Aktum der Urkunde, zu dem auch die Zeugen gehören, nicht ins Jahr 1167, sondern in den Sommer 1166 gesetzt werden muß.
43) Vergl. Giesebr. K. Z. V, 606 ff.
44) M. U.-B. I, 113.
45) Auch diese Urkunde M. U.-B. I, 113 wird bei einer genaueren Untersuchung der Ratzeburger Dotationsurk. herangezogen werden müssen.
46) Diese Urkunde M. U.-B. I, 96 ist, wie bereits S. 35 Anm. 124 erwähnt, nur eine andere Ausfertigung für Lübeck nach der M. U.-B. I, 90 abgedruckten für Ratzeburg. - Sie ist überhaupt nicht ganz einwandfrei; man vergl. z. B., worauf schon die Herausgeber des M. U.-B. in (  ...  )
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Heinrich den Löwen durch Bischof Isfried von Ratzeburg bei Gelegenheit der Verleihung der Länder Weningen und Jabel an den Grafen Heinrich gedacht. 47 )

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Heinrich I. 1169-1209.

Zum ersten Male finden wir diesen genannt in der eben erwähnten Urkunde M. U.-B. I, 96. Es handelt sich hierbei um eine für die gesamten Verhältnisse in den drei wendischen Bistümern außerordentlich wichtige Urkunde Heinrichs des Löwen, die offenbar auf einem allgemeinen Landtage zu Artlenburg, das für solche Zwecke meistens als Versammlungsort diente, ausgestellt wurde. Denn Grafen und Herren sowohl aus dem Westen wie dem Osten sind hier reichlich vertreten. 48 ) so wird denn auch der Dannenberger Graf hier nicht gefehlt haben; sondern die Herausgeber des M. U.-B. sind völlig im Recht, wenn sie - Bd. IV, Pers.-Reg. S. 206 "Heinrich 229" - unter dem -zwischen Graf Gunzel von Schwerin und Bernhard von Ratzeburg genannten "Henricus comes" Heinrich I. von Dannenberg verstehen wollen. 49 ) Das nächste Zeugnis, das wir über ihn besitzen, stammt aus dem Jahre 1175 (1177?). Heinrich erscheint auch hier in der Umgebung des Herzogs und zwar zu Lübeck bei der Gründung und Ausstattung der dortigen Kapelle Johannis des Evangelisten. 50 )


(  ...  ) der Anm. hinweisen, daß hier ein "Albertus de Scowenburc" statt "Adolfus" erscheint. Vielleicht liegt aber hier ebenso wie bei "Berhardus" und "Harwicus" nur ein Schreibfehler vor.
47) M. U.-B. I, 150. Siehe Heinrich I. S. 86. - Aus den im Text dargelegten Gründen vermag ich mich der Ansicht der Herausgeber des M. U.-B., die in der Anmerkung den Tod Volrads auf 1180 oder später setzen wollen, nicht anzuschließen. Das "sicut et fecerat pie memorie dominus Volradus comes" bezieht sich wohl in erster Linie auf Dienste gegen den Herzog und die Ratzeburger Kirche. Keineswegs ist es nötig anzunehmen, daß diese Dienste dem Bischof Isfried erwiesen waren, wie das M. U.-B. will.
48) Vergl. S. 35.
49) Die Richtigkeit dieser Vermutung ist von Saß in seiner "Genealogie der Grafen von Dannenberg", M. Jbb. 43, S. 94 angezweifelt worden. Allein, die Stellung spricht unbedingt für Heinrich von Dannenberg. Das von Saß über die Erblichkeit des Titels Gesagte ist, wie wir gesehen haben, falsch und wäre auch sowieso als Beweisgrund hinfällig, da Volrad I. ja bereits gestorben war.
50) U.-B. d. Bist. Lübeck I, S. 15. Es scheint in der Datierung ein Fehler zu stecken; die Urkunde paßt besser zu 1177, vergl. die Anmerkung und Arn. II, 5. Daß der Ausstellungsort Lübeck ist, geht aus der Bezeugung Lübecker Bürger hervor.
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Alls dann jedoch über den stolzen Herzog das Verhängnis hereinbrach und er Sachsen verließ, mußte das auch auf die Grafschaft Dannenberg seine Rückwirkung üben. Wie die übrigen Grafen des Ostens wird auch Graf Heinrich bis zum Jahre 1180 dem Herzog die Treue gehalten haben. Doch als jetzt über ihn die Reichsacht verhängt wurde und der Kaiser am 15. August zu Werla auf Beschluß der Fürsten seinen Anhängern mit Einziehung ihres Erbes und Lehens drohte, falls sie in den drei festgesetzten Terminen "seine Gunst nicht wiedererlangt hätten", da verließ auch Heinrich von Dannenberg ebenso wie die meisten der übrigen Anhänger die Partei des Welfen und trat zum Kaiser über. 51 ) Dieser Vorgang ist ganz unrichtig so aufgefaßt worden, als sei jetzt die Grafschaft Dannenberg Reichslehen geworden. 52 ) Davon kann natürlich garnicht die Rede sein. Ebenso wie die übrigen östlichen Grafschaften fiel sie bei der Neuverteilung des sächsischen Herzogtums dem Herzog Bernhard zu. Sie war und blieb rechtlich ein Teil des Herzogtums, wie das ganz klar aus der Lehnshuldigung im Jahre 1182 hervorgeht. 53 ) Nur infolge der Schwäche des neuen Herzogs einer- und der mit großer Zähigkeit festgehaltenen Ansprüche der Söhne Heinrichs des Löwen sowie der ihnen günstigen Zustände im Reich andererseits geriet sie später wieder in welfische Abhängigkeit, während z. B. die Lüchower Grafen immer mehr unter den Einfluß der Markgrafen kamen.

Von dieser Zeit an sehen wir daher Graf Heinrich, so oft er uns genannt wird, fast immer in der Begleitung des Herzogs Bernhard oder auch dessen Bruders und Neffen, der Markgrafen von Brandenburg. Der Anschluß an diese war für ihn um so natürlicher, als, wie wir gesehen haben, die Dannenberger Grafen auch in der Altmark bedeutende Lehen besaßen. So ist er Ende September 1181 mit dem Herzog zusammen, wie es scheint auf dessen Burg in Aschersleben oder auf einer anderen Burg seines


51) Vergl. S. 41. Daß diese Drohung auf Beschluß der Fürsten geschah, sagen die Annall. Pegav. MG SS XVI, 263 ad 1180. - Neben dem Grafen von Dannenberg nennt das Chronic. Montis Sereni, SS XXIII, 158 ad 1180, dem wir diese Nachricht verdanken, noch die Grafen von Wöltingerode, Scharzfeld und Ilfeld. Vergl. Loreck, Zeitschr. d. Harzvereins 26, 241.
52) Loth. v. Heinemann, Die welfischen Territorien seit dem Sturze Heinrichs des Löwen bis 1235 (Leipzig. Dissertation, 1882), S. 49.
53) Überhaupt scheint damals eine Erhebung von Grafen zur Reichsunmittelbarkeit nur in ganz beschränktem Maße stattgefunden zu haben; siehe Loreck a. a. O. S. 234/39 u. 242.
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anhaltischen Landes. 54 ) Und als dieser im Frühling des nächsten Jahres nach Artlenburg kam, da schwur ihm auch Heinrich von Dannenberg ebenso wie die Grafen von Ratzeburg, Lüchow und Schwerin den Lehns- und Treueid. 55 ) Im Jahre 1184 treffen wir ihn zusammen mit seinem Oheim Friedrich, Vogt von Salz- wedel, den Grafen von Osterburg und Lüchow und anderen Herren als Zeugen der Dotierung des neugegründeten Nonnenklosters Arendsee bei dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg, dem Bruder des Herzogs Bernhard. 56 ) Und im Jahre 1188 ist er Zeuge, als der Sohn und Nachfolger Ottos I., der Marfgraf Otto II., das Kloster des Hl. Nikolaus zu Stendal, eine Stiftung seines Bruders, des Grafen Heinrich von Gardelegen, bestätigt, aus dem sich später dann das Domstift entwickelte. 57 ) Und ebenso, als diese beiden Fürsten zwei Jahre später zu Altenburg eben diesem Stifte 20 Talente als Einkünfte aus ihrem dortigen Marktrecht verleihen. 58 ) Und noch einmal finden wir Heinrich von Dannenberg bei dem Grafen von Gardelegen, als dieser im Jahre 1192 Bestimmungen über den Nachlaß der Stendaler Domherren trifft. 59 )

Diese Verbindung gerade mit Heinrich von Gardelegen legt den Gedanken nahe, daß schon damals Heinrich von Dannenberg besondere Beziehungen mit diesem Enkel Albrechts des Bären und mit der Grafschaft Gardelegen verbanden. Nachdem nun, noch im Jahre 1192, Heinrich von Gardelegen kinderlos gestorben war 60 ), versah dort der Dannenberger Graf zeitweise dessen Grafenamt. Das erfahren wir aus der vielumstrittenen Urkunde


54) Cod. Dipl. Anh. I, 605. Bernhard bestätigt hier als "Herzog von Engern und Westfalen und Graf von Aschersleben", daß sein Bruder, der Graf Dietrich von Werden [b. Weißenfels a. S.], dem Kloster Obernkirchen die Kapelle zu Bückeburg geschenkt hat. Loreck a. a. O. S. 246 meint, daß dies im Mindenschen gewesen sei; die Namen der Zeugen deuten jedoch nach dem Osten.
55) Arn. III, 1: "Dux ..... nobiliores terrae adesse precepit, ut, receptis ab eo deneficiis suis, hominum ei facerent et fidelitatem ei per sacramenta confirmarent."
56) Cod. Dipl. Anh. I, 638. - Hauck K.G. IV, is. 953 erklärt diese Urkunde für die Stiftungsurkunde Arendsees.
57) Riedel a. a. O. A V, S. 22.
58) Riedel A V, 26. Im Druck steht 1200; doch ergibt sich das richtige Datum sowie auch der Ort aus der Bestätigungsurkunde Heinrichs VI. bei Cod. Dipl. Anh. I, 671.
59) Riedel A V, 27.
60) Siehe Hartung in den. "Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg" 21, 130 Anm. 2 u. 133
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des Markgrafen Otto II. vom Jahre 1196, in der er bezeugt, daß er und sein Bruder, der spätere Markgraf Albrecht II., ihr ganzes Gebiet, sowohl Eigen wie Lehen, dem Erzbistum Magdeburg oder genauer der dortigen Moritzkirche - dem heutigen Dom - übertragen und von dieser als Lehen zurückempfangen haben; ein Vorgang, der auch durch die neuesten Erörterungen von Hartung und Sello noch keineswegs völlig aufgeklärt ist. 61 ) Nachdem am 24. November diese Übertragung zu Magdeburg im allgemeinen vorgenommen und am folgenden Tage auf Gebiet und unter Vorsitz eines Lehnsmannes des Erzbischofes von seiten des Erzstifts vollzogen war, begab man sich am 28. November in die Altmark nach Gardelegen. Und hier, auf Gebiet des Markgrafen, wurde unter Vorsitz Heinrichs von Dannenberg die Urkunde auch von seiten der beiden Askanier vollzogen. Es ist dies die einzige Urkunde nicht nur für die Dannenberger, sondern überhaupt für unsere Grafenfamilien, in der wir sie nicht als Verwalter eines Gebietes, sondern lediglich in Ausübung der alten Grafenfunktion als Vorsitzender bei einem Rechtsgeschäft finden. Denn - darauf muß entschieden hingewiesen werden - nur diesen Sinn haben die Worte der Urkunde "fideli nostro Heinrico comiti de Dannenberg, cuius idem comitatus erat, per sententiam auctoritatem dedimus vice nostra iudicio presidendi". 62 ) Die Art der Grafschaft, wie er sie hier ausübte, war völlig verschieden von seiner Stellung in der Grafschaft Dannenberg. So ist es denn erklärlich, sowohl, daß wir später keine Spur von Besitz der Dannenberger Grafen in dieser Gegend vorfinden 63 ), als, daß sonst nie wieder weder Heinrich noch seine Nachfolger als Grafen von Gardelegen bezeichnet werden; er war hier Graf nur in Vertretung der Askanier. Dabei ist das "fidelis


61) In der eben zitierten Zeitschrift S. 118-135 und 272-279. Siehe dort S. 120/27 die ältere Literatur über diesen Lehnsauftrag. Vergl. auch Ranke, Zwölf Bücher Preuß. Geschichte I, 15/16 und Toeche a. a. O. S. 406 Anm. 9. - Allem Anschein nach wird man die Initiative zu dieser Übertragung bei dem Magdeburger Erzbischof Ludolf suchen müssen, der auf ein Aussterben des Askanischen Hauses gegründete Hoffnung hegte; siehe Hartung ebenda S. 133/34.
62) Die Urk. in "Geschichtsbll. f. Stadt u. Land Magdeburg" 21, S. 279/82 nach dem Original; Riedel a. a. O. C I, 2/4 nach einer Abschrift des 14. Jahrb. Nach Riedel druckt sie Cod. Dipl. Anh. I, 710.
63) Die Riedel A XXII, 113 f. mit Besitz in Winkelstädt genannten Brüder Gebhard und Friedrich von Dannenberg gehören der weitverzweigten Ministerialenfamilie von Dannenberg an.
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noster" auf die Dannenbergischen Besitzungen um Salzwedel zu beziehen. 64 )

Doch hatte sich Heinrich von Dannenberg, obwohl wir ihn diese ganze Zeit in der Umgebung der Markgrafen von Brandenburg oder des .Herzogs Bernhard finden 65 ), keineswegs völlig von der welfischen Partei entfernt. Es hat sogar den Anschein, als ob auch er sich Heinrich dem Löwen, als dieser im Jahre 1189, die Abwesenheit des Kaisers und des Grafen Adolf von Holstein benutzend, aus seiner zweiten Verbannung zurückkehrte und den Kampf gegen Herzog Bernhard begann, angeschlossen hat. Vielleicht, daß auch er mit dem schwächlichen Regiment des neuen Herzogs nicht einverstanden war, da er von ihm bei seinem Kolonisationswerk keine Unterstützung zu erwarten hatte. 66 ) Jedenfalls werden von Bischof Isfried von Ratzeburg, einem der treuesten Anhänger des Welfen, in der schon angeführten Urkunde M. U.-B. I, 150 unter den ihm von Graf Heinrich von Dannenberg geleisteten Diensten auch solche "coram domino Hemrico Saxonum duce" erwähnt. Welcher Art diese Dienste gewesen sind, vermögen wir nicht zu erkennen. Jedenfalls soviel steht nach dieser Urkunde fest, daß Heinrich I. von Dannenberg, offenbar einer der Tatkräftigsten aus dieser Familie, stets bestrebt war, seine Macht und sein Gebiet zu vergrößern. Schon mehrfach war er unter Hinweis auf seine und seines Vaters Ergebenheit gegen die Ratzeburger Kirche und ihren Bischof an Isfried mit der Bitte herangetreten, ihm in der Ratzeburger Diözese ein Lehen zu erteilen. In Hagenow willfahrte endlich um 1190 67 ) der Bischof diesen Bitten und verlieh dem Grafen die Zehnten der Länder Jabel und Weningen, d. h. wie die Urkunde selbst interpretiert, einmal das Land zwischen Sude und Walerow, [heute Rögnitz] und zweitens das Land zwischen Walerow, Elbe und Elde. Und zwar in der Form, daß in Weningen einstweilen noch die Abgaben der Slaven in der von Heinrich dem Löwen fest-


64) Daß "Grafschaft" noch immer auch in dem bezeichneten Sinne gebraucht wurde, beweist Sachsenspiegel III, 52 § 2 und I, 58 § 2, Homeyer I, S. 226 u. 84. Unrichtig faßt sie auch hier territorial v. Sommerfeld, Beiträge zur Verfassungs- u. Ständegesch. d. Mark Brandenburg im Mittelalter S. 129. Vgl. dazu H.- Fehr, Fürst und Graf im Sachsenspiegel, Sitzungsber. d. K. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. Bd. 58, insbesondere S. 9/10.
65) Auch die bei Riedel a. a. O. A XVI, 395 Nr. 4 auf ca. 1200 angesetzte Urkunde gehört in diesen Zusammenhang.
66) Vergl. Loreck a. a. O. S. 263/64.
67) Über die Datierung siehe M. U.-B. I, 150 Anm.
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gesetzten Höhe 68 ) in die Kasse des Bischofs fließen und der Graf erst dann, wenn das Land von Deutschen besiedelt sei, in den Genuß des Zehnten treten sollte; und etwas abweichend für Jabel, das noch zum größten Teil wüste Heide war, in der Weise, daß der Graf sich verpflichtete, dies Gebiet binnen zehn Jahren zehntpflichtig zu machen und daß dann er und der Bischof sich in den Zehnten teilten. Ganz frei von der Verpflichtung der Zehntzahlung blieb natürlich die "curia episcopalis" des Landes Weningen, das schon in den Urkunden Heinrichs des Löwen für Ratzeburg genannte Malk.

Diese Urkunde ist in jeder Hinsicht von außerordentlichem Interesse. Nicht nur, daß damit der Grund zu den in späterer Zeit vielfach genannten bedeutenden rechtselbischen Besitzungen der Dannenberger Grafen gelegt war 69 ), - auch in die Art der Kolonisation erhalten wir hier einen recht willkommenen Einblick. Wahrscheinlich hat auch Heinrich von Dannenberg ebenso wie einige Jahrzehnte früher Adolf von Holstein, Heinrich und Bernhard von Ratzeburg und Albrecht der Bär, wie überhaupt alle Herren, die sich hier an der Kolonisation beteiligten, fremde Ansiedler ins Land gezogen, vielleicht z. T. von seinen magdeburgischen Besitzungen, dann aber auch ebenso wie die übrigen Herren Holländer. Jedenfalls werden "Holländer-Hufen" im nahen Darzing - dem heutigen Amte Neuhaus - erwähnt 70 ), und auch der mehrfach in dieser Gegend sich findende Name "Holländerei" 71 ) möchte darauf deuten, daß hier die Besiedlung,


68) Vergl. das Ratzeburger Zehntregister, M. U.-B. I, 375.
69) Saß` Ansicht, M. Jbb. 43, 144, daß die Dannenberger Grafen schon vorher hier als "Grundeigentümer" anzusehen seien, ist sicher falsch. Territorialherr war nominell seit den Zeiten Heinrichs des Löwen der Herzog, und er blieb es auch, wie aus der Urkunde bei Hasse II,153 hervorgeht, wenngleich er in diesen rein wendischen und unkultivierten Gegenden keinerlei Rechte ausübte. Die Dannenberger Grafen erhielten eben erst mit dieser Zehntverleihung und durch ihre Kolonisation Anrechte auf diese Gebiete.
70) M. U.-B. II, 928 u. 1224.
71) Allein in Amt Neuhaus dreimal und einmal bei Gartow. Auch v. Lützow in seiner "Geschichte Mecklenburgs" I, 323 erklärt die "Holländereien" auf diese Weise, wie ich erst nachträglich sehe. - Reste dieser holländischen Einwanderung haben sich in Familien- wie Ortsnamen der Dannenberger Gegend erhalten; vergl. z. B. Thoms, Mattiesch und den Ortsnamen Marwedel (im Mittelalter Merwede) [zu holländisch Merwede] u. a. Endlich findet man hier noch heute häufig die gekreuzten Schwanenhälse als Giebelzier statt der sonst in Niedersachsen gebräuchlichen Pferdeköpfe.
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hauptsächlich der Elbmarsch, deren Bebauung den Slaven besonders große Schwierigkeiten bereitete, durch Holländer stattgefunden hat.

Wie im einzelnen der Prozeß der Germanisierung sich hier vollzogen hat, vermögen wir nur unvollständig zu erkennen. Jedenfalls das eine steht wohl fest, daß man, nachdem in den Slavenkriegen Heinrichs des Löwen und Albrechts des Bären der Widerstand der Slaven gebrochen und deutsche Kolonistendörfer überall angelegt und so der Zusammenhang der Slaven zerstört war, jetzt viel friedlicher vorging. Wohl nur selten fand noch eine förmliche Vertreibung der Slaven statt, wie sie uns eine Lübecker Urkunde aus dem Jahre 1250 berichtet. 72 ) Und es ist bezeichnend, daß hier ausdrücklich bestimmt wird, daß diese Vertreibung "friedlich und freundschaftlich" geschehen solle, immerhin ein großer Fortschritt im Verhältnis zu den von den Billungerzeiten bis auf Heinrich den Löwen mit größter Erbitterung und Grausamkeit geführten Vernichtungskämpfen. Neben den Slaven siedelten sich Deutsche im selben Dorfe an und richteten hier die deutsche Hufenverfassung und deutsche Bebauungsweise ein. Man wird sich nachgerade den Gedanken der völligen Ausrottung der Slaven abgewöhnen müssen. 73 ) Und gerade hier in den eben erwähnten Ländern Jabel und Darzing hielten sie sich noch sehr lange in geschlossener Masse, während auf dem linken Elbufer offenbar schon sehr bald in der Grafschaft Dannenberg die Deutschen in der Mehrzahl waren, sei es, daß, dies Gebiet vorher überhaupt nur dünn bevölkert war 74 ), sei es, daß sich die Slaven vor den eindringenden Deutschen in die Lüchower Gegend zurückzogen, wo sich Reste wendischer Sitte und wendischen Rechts noch bis ins


72) Lüb. U.-B. I, l 9h-. 164.
73) Siehe über die vielbehandelte Frage der Kolonisation der Slavenländer besonders H- Witte, Wendische Bevölkerungsreste in Mecklenburg in "Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde" Bd. 16 (1905) - erschienen auch als Sonderabdruck -, der in bahnbrechender Weise an der Hand der Familiennamen die Wenden als einen nicht geringen Bruchteil der mecklenburgischen Bevölkerung nachgewiesen hat - siehe seine Karte! - und Derselbe, Zur Erforschung der Germanisation unseres Ostens, Hansische Geschichtsblätter 1908, wo er dieselben Fragen in größerem Zusammenhang und mehr allgemein behandelt. Durch diese Aufsätze sind die Veröffentlichungen H. Ernst's - vergl. insbesondere dessen "Kolonisation Mecklenburgs im 12. und 13. Jahrh." in Schirrmachers Beiträgen Bd. II (1875) - zum größten Teil überholt. Auch A. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen, legt den größten Nachdruck auf die friedliche Eroberung dieser Gebiete.
74) Das ist wohl mit Sicherheit anzunehmen von dem Gebiet der für die Slaven schwierig zu bebauenden Elbmarsch. Die hier sich (  ...  )
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17. Jahrhundert gehalten haben 75 ) und wo noch heute manche Spracheigentümlichkeiten an die Wendenzeit erinnern.

Wirksam finden wir dann diesen Vertrag des Grafen Heinrich mit Bischof Isfried in dem Ratzeburger Zehntregister vom Jahre 1230, wo die Dannenberger Grafen in der Tat als Besitzer des Zehnten im Lande Weningen genannt werden. 76 ) Doch ist es ihnen bis dahin noch nicht gelungen, das Land Jabel, wie es Heinrich versprochen hatte, zehntpflichtig zu machen. Noch immer bezieht hierher der Bischof seine biscoponitza. Offenbar sind die Dannenberger Grafen nie dazu gelangt, hier irgendwelche Rechte auszuüben, da der minderwertige Boden der Jabelheide und die bald darauf hereinbrechenden unruhigen Zeiten lange die deutsche Ansiedlung hinderten. Denn noch im Jahre 1258 entwerfen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Sachsen-Lauenburg, nachdem sie sich über ihre Ansprüche an diese Gebiete geeinigt haben, einen Plan zur gemeinsamen Kolonisation der Länder Darzing und Jabel. 77 )

Wird bereits in dieser Urkunde Isfrieds um 1190 Graf Heinrich als Freund Heinrichs des Löwen genannt, so finden wir ihn mit seiner eigentlichen Grafschaft bald wieder in völliger Abhängigkeit von den Welfen. Von einer Ausübung des herzoglichen Amtes durch Bernhard ist hier kaum etwas zu bemerken.


(  ...  ) findenden Dörfer mit slavischem Namen scheinen ursprünglich Einzel-siedlungen gewesen zu sein, wie z. B. Damnatz "Haus oder Gut des Doma" bedeutet; siehe Zeitschr des histor. Vereins für Niedersachsen 1903 S. 63/64.
75) In kleinen Bruchteilen sogar bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts. Vergl. Mucke, Die Lüneburger Wenden, in der Zeitschrift "Hannoverland" 1908, insbesondere S. 40.
76) M. U.-B. I, 375 S. 375/76. Auf das "habebunt", das offenbar aus einer dem Verfasser des Zehntregisters als Vorlage dienenden Urkunde sinnlos herübergenommen ist, kann man nichts geben. Tatsächlich beweisen die zahlreichen über Ortschaften im Lande Weningen ausgestellten Urkunden, daß die Grafen hier bereits Besitz von ihren Rechten ergriffen hatten.
77) Hasse II, Nr. 153. - Eines Rechtes der Dannenberger Grafen wird dabei nicht gedacht. Überhaupt scheinen sie im Darzing nie irgendwelche Besitzrechte gehabt bezw. geübt zu haben. Nicht nur, daß wir nicht die gieringste Spur davon finden, sondern noch im Jahre 1261 wird der Darzing als herrenloses und unbebautes Land erwähnt, M. U.-B. II, 916 u. 917. Und später finden wir hier die Familie Ribe als Besitzer. Das übersehen auch Witte in "Wendische Bevölkerungsreste in Mecklenburg" S. 20 und Hellwig, M. Jbb. 69, 301. Im Zehntregister ist er zwar mit unter den Ratzeburger Lehen der Grafen von Dannenberg genannt; doch geht auch daraus nichts Näheres hervor.
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Niemals hören wir von einem hier abgehaltenen Landtag, keine Urkunde läßt eine Tätigkeit für diese Gebiete erkennen. Mit seinen eignen Grafen war er bald in Streit geraten. Und nun überließ er sie gegenüber den immer mächtiger vordringenden Dänen sich Selbst. Abgesehen von der ersten Zeit seiner Regierung scheint er sich selten in seinem Herzogtum aufgehalten zu haben. 78 ) So war es, nachdem Heinrich der Löwe im Jahre 1195 gestorben war, seinen Söhnen ein Leichtes, sich nach und nach im östlichen Sachsen wieder in den Besitz der 1180 verlorenen Gebiete zu setzen. Wie der vielumstrittenen Grafschaft Stade bemächtigten sie sich auch wieder der Grafschaften Dannenberg und Lüchow, während Graf Gunzel II. von Schwerin sich längst ihrer Partei angeschlossen hatte. 79 ) Um so sicherer fühlten sich die drei Söhne Heinrichs des Löwen bereits wieder in ihrem Besitz, seitdem sie im Januar des Jahres 1202 zu Hamburg mit König Knud von Dänemark und dessen Bruder, dem Herzog Waldemar, eine Doppelheirat zwischen den beiden Fürstenhäusern verabredet hatten. 80 ) So kann es nicht wundernehmen, daß bei dem Teilungsvertrag, den am 1. Mai 1202 die drei welfischen Brüder zu Paderborn schlossen, ebenso wie die rechtselbischen Besitzungen des Herzogs in Lauenburg und Mecklenburg auch die Grafschaften Dannenberg und Lüchow an Wilhelm von Lüneburg fallen, ohne daß von Ansprüchen Herzog Bernhards nur im geringsten die Rede ist; wird doch selbst Hitzacker, das Friedrich I. dem Herzog Bernhard ausdrücklich als Entschädigung für Lübeck verliehen hatte 81 ), hierbei als Besitz Wilhelms genannt.

Zwar ist bei diesem Vertrag von Dannenberg und Lüchow nur als "urdes" die Rede; doch bedarf es keines Beweises, daß diese hier lediglich als Mittelpunkte der Grafschaften aufzufassen sind, ebenso wie die übrigen in der Urkunde genannten Orte nur zur näheren Bezeichnung der vorher nach einigen Grenzpunkten angegebenen Gebiete dienen. 82 ) So finden wir denn auch seitdem häufig die Welfen des Hauses Lüneburg als Oberlehnsherren


78) Vergl. Loreck a. a. O. S. 280/81.
79) Siehe Using., Deutsch-Dänische Gesch. 106/107.
80) Vergl. S. 64 u. Anm. 249. - Zustande kam bekanntlich nur die Hochzeit zwischen Wilhelm v. Lüneburg und Helene, der Schwester der beiden Dänenfürsten.
81) Arn III, 4.
82) Die Urkunden Ottos IV. und des Pfalzgrafen .Heinrich über die Paderborner Teilung Origg. Guelf. III, S 852/54; eine Urkunde Wilhelms scheint nicht vorhanden zu sein. - Die Urkunden tragen das Jahr 1203, das auch. in die meisten hierher gehörigen Darstellungen (  ...  )
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dieser beiden Grafschaften genannt. 83 ) Wichtig an dieser Urkunde ist uns noch, daß hier Dannenberg zum ersten Male als Stadt begegnet. Zwar dürfen wir nicht ohne weiteres "urbs" mit "Stadt" übersetzen; doch erscheint unsere Annahme, daß diese Übersetzung hier am Platze ist, dadurch gerechtfertigt, daß um dieselbe Zeit in Lüneburg eine städtische Organisation nachweisbar ist 84 ), eine Tatsache, die nicht ohne Wirkung auf benachbarte Orte geblieben sein wird. Diese Nachricht ist uns um so wichtiger, als wir sonst für die nächste Zeit niemals etwas über die innere Einrichtung und Entwicklung unserer Grafschaften hören.

Inzwischen hatten die Eroberungen der Dänen glänzende Fortschritte gemacht. Die Grafschaften Holstein und Ratzeburg waren in ihrer Gewalt, ja Graf Adolf von Holstein selbst wurde von ihnen seit dem Dezember 1201 gefangen gehalten. 85 ) Im Herbst 1203 endlich war auch Lauenburg, die letzte Festung, die bisher noch den Dänen getrotzt hatte, zur Übergabe bereit, falls Adolf III. aus seiner Gefangenschaft befreit wurde. Dieser wurde nun aus Dänemark herbeigeholt und mit ihm in der Weise Frieden geschlossen, daß er auf Holstein zugunsten König Waldemars verzichtete und ihm für dessen sicheren Besitz zwölf Geiseln stellte. Unter diesen war außer zwei eigenen Söhnen des Holsteiner Grafen und einem Sohne des Grafen Ludolf von Dassel, eines Bruders Adolfs von Ratzeburg, auch ein Sohn Heinrichs I. von Dannenberg. 86 ) Doch wahrscheinlich nicht sein ältester Sohn Volrad, wie meistens angenommen wird 87 ), sondern sein zweiter,


(  ...  ) übergegangen ist. Siehe jedoch Winkelm., Ph. v. Schwab. S. 247 Anm. 2, und Using., Deutsch-Dänische Gesch. S. 108/09, und dementsprechend richtig eingereiht Böhm.-Fick. Regg. imp. V, Nr. 222 u. 223. Vergl. Havemann, Gesch. d. Lande Braunschweig u. Lüneburg I, 274/75.
83) Z. B. bezeichnet im Jahre 1209 Wilhelm von Lüneburg unsern Grafen Heinrich und seinen Sohn Volrad II. ausdrücklich als "homines nostri", Sudendf., U.-B. z- Gesch. d. Herzöge v. Braunschweig u. Lüneburg I, Nr. 5.
84) Siehe Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. Bd. VI (1908) S. 151.
85) Arn. VI, 14.
86) Arn. VI, 17. Vergl. Annall. Ryens. MG SS XVI, 405 und Annall. Stadens. ebenda S. 354 ad 1203.
87) u. a. F. A. Rudloff, Cod. Dipl. Historiae Megapolitanae I, 13 u. Using. S. 297 - richtig dagegen Saß a. a. O. S. 97. - Über die damalige Sitte, dem ältesten Sohn den Namen des Großvaters beizulegen, siehe Krüger in der Zeitschr. des histor. Vereins f. Nieders. 1874/75 S. 284.
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der spätere Graf Heinrich II. Denn der Bestimmung gemäß sollten diese Geiseln erst nach zehn Jahren oder nur unter der Bedingung eher zurückgegeben werden, daß König Waldemar oder Graf Adolf vor Ablauf dieser Frist stürben. Doch obwohl letzteres nicht geschah, finden wir Volrad bereits im Jahre 1207 wieder zu Salzwedel, wo er zusammen mit seinem Vater Zeuge in einer Urkunde des Markgrafen Albrecht ist. 88 ) Nimmt man dagegen Heinrich II. für jenen dem König Waldemar gegebenen jungen Dannenberger Grafen, so ergibt sich eine sehr willkommene Ergänzung zu einer sonst ziemlich zusammenhanglos dastehenden Nachricht, die uns unten noch weiter beschäftigen wird, daß nämlich im Jahre 1236 in der Schlacht bei Seule auch ein Graf von Dannenberg im Kampfe gegen die Litauer gefallen sei. Daß dies Heinrich II. war, wird unten nachgewiesen werden. Wie kam nun ein Dannenberger Graf, dessen Interessenkreis an und für sich sicherlich das Schicksal des Ostseegebietes fernlag, nach Kurland? Da erscheint es nun sehr einleuchtend, daß er während seines zehnjährigen Aufenthaltes in Dänemark, das eben damals unter seinem großen König nicht nur in Deutschland, sondern viel mehr noch in den heutigen Ostseeprovinzen gewaltig sich ausdehnte, Eroberungszüge nach Livland und Estland unternahm und dort Kolonien gründete 89 ), zum ersten Male von jenen Ländern hörte und sich mit Kreuzzugsideen gegen die Litauer vertraut machte. Möglich sogar, daß er bereits damals von Dänemark aus an solchen Zügen teilnahm.

Mit einiger Sicherheit scheint noch ein anderes aus Arnolds Nachricht hervorzugehen. Wenn neben dem Sohn des ausdrücklich als Verwandten 90 ) Adolfs III. bezeichneten Ludolf von Dassel ein Sohn Heinrichs von Dannenberg als Geisel gegeben wird, so läßt das auf eine enge Verbindung auch dieser beiden Grafenhäuser schließen. Möglich, daß diese lediglich in einer persönlichen Freundschaft bestand, wahrscheinlicher jedoch, daß ihr auch ein Verwandtschaftsverhältnis zugrunde lag, welches dann, da uns andere derartige Beziehungen nicht bekannt sind, in der bereits von anderer Seite vermuteten Richtung zu suchen wäre 91 ), daß nämlich Heinrich II. eine Tochter Adolfs III. von Holstein zur Gemahlin hatte. Da diese beiden vielleicht eben damals oder kurz


88) Riedel B I, 4.
89) Vergl. Hausmann, Das Ringen der Deutschen und Dänen.
90) Siehe darüber die Ratzeburger Stammtafel S. 69.
91) Zeitschr. des histor. Vereins für Nieders. 1874/75 S. 299; M. Jbb. 43, 139.
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zuvor in noch jugendlichem Alter, wie es die Sitte der Zeit war, verlobt waren, konnte Arnold Heinrich von Dannenberg noch nicht eigentlich als Verwandten des Holsteiners bezeichnen. Für ein solches verwandtschaftliches Verhältnis dürfte auch der Umstand sprechen, daß als Sohn Heinrichs II. ein Adolf auftritt, ein Name, der bisher in der Dannenberger Familie nicht gebräuchlich war.

Zweimal hören wir dann noch von dem Dasein Heinrichs I. von Dannenberg. Einmal in der bereits erwähnten Urkunde, die Markgraf Albrecht II. von Brandenburg am 4. Februar 1207 zu Salzwedel ausstellt 92 ), und dann, zum letzten Male, am 28. August 1209 zu Lüneburg, wo er und sein ältester Sohn, Volrad, an erster Stelle unter den Vasallen Wilhelms von Lüneburg als Zeugen genannt werden, daß er der neu zu gründenden Stadt Löwenstadt - ,dem heutigen Bleckede - das Recht einer freien Stadt verleiht und ihr "Weichbild" abgrenzt. 93 ) Wenige Wochen darauf scheint er gestorben zu sein; denn in einer am 22. Oktober desselben Jahres zu Bismark in der Altmark für Bischof Sibot von Havelberg ausgestellten Urkunde Albrechts II. von Brandenburg erscheint bereits sein Sohn Volrad allein als Zeuge 94 ), und später finden wir Heinrich nie mehr genannt.

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Volrad II. 1207-1226 und Heinrich II. 1203-1236.

Ihm folgte, da sich Heinrich II. noch als Geisel Adolfs III. in Dänemark befand, zunächst sein Sohn Volrad II. allein. Später scheinen die beiden Brüder die Grafschaft gemeinsam verwaltet zu haben, ohne daß irgendwie eine Teilung vorgenommen wurde. Nur finden wir den jüngeren Grafen häufiger im Gefolge Ottos des Kindes von Braunschweig-Lüneburg, des Sohnes und Nachfolgers Wilhelms, während Volrad sich mehr in Dannenberg aufgehalten zu haben scheint. Zum ersten Male erfahren wir bei diesem etwas Sicheres über verwandtschaftliche Beziehungen der Dannenberger Grafenfamilie. Er war nämlich vermählt mit Jutta von Wölpe, der dritten Tochter des Grafen Bernhard II. von Wölpe, aus einem Geschlechte, das etwa gleichzeitig mit dem der Dannenberger Grafen als Vasallendynastie Heinrichs des Löwen auftritt 95 ) und in der Hoya-Bremer Gegend belehnt war. Schon im Jahre 1209 wird in der bereits angeführten Gründungsurkunde


92) Siehe S. 92 Anm. 88.
93) Origg. Guelf. III, 858/59. Vergl. auch Sudendf. a. a. O. I, Nr. 5.
94) Riedel A III, 91.
95) Vergl. Weiland, Das sächs. Herzogtum, S. 103.
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Bleckedes gleich hinter Heinrich von Dannenberg und seinem Sohne Volrad Graf Bernhard von Wölpe als Zeuge genannt, während dann erst die sowohl den Dannenberger Grafen wie der neuen Gründung räumlich näherstehenden Grafen von Lüchow aufgeführt werden. Doch viel wichtiger ist eine Urkunde vom 27. Dezember 1215, in der Bernhard von Wölpe das Kloster Mariensee [bei Neustadt a. Rbg.] stiftet, wobei auch seine Schwiegersöhne Graf Heinrich von Hoya, Graf Siegfried von Osterburg und Graf Volrad ihre Zustimmung geben. 96 ) Nach allgemeiner Ansicht 97 ) kann unter diesem Grafen Volrad nur Volrad II. von Dannenberg verstanden werden, eine Annahme, der wir durchaus zustimmen dürfen, zumal wir Volrad mehrfach in der Gesellschaft der hier genannten Grafen finden, und dann auch, weil wir sehen, daß bei der folgenden Generation in der Dannenberger Familie der bisher nicht gebräuchliche Name Bernhard auftritt. Endlich, und das dürfte das Entscheidende sein, entspricht das für Graf Volrad der Urkunde angehängte Siegel mit dem aufsteigenden rechtsgekehrten Löwen im Schilde vollständig dem uns aus etwas späterer Zeit zuverlässig bekannten Wappen der Dannenberger Grafen. 98 ) Diese Ansicht über die Verbindung der beiden Grafenhäuser als richtig hingenommen, ergibt sich aus der Reihenfolge, in der die Töchter Bernhards von Wölpe genannt werden, daß die Gemahlin Volrads Jutta hieß.

Abgesehen von diesen gelegentlichen Nachrichten in den Zeugenreihen finden wir Volrad fast nur in Verbindung mit dänischen Angelegenheiten genannt. Freilich spielten diese seit der Eroberung Holsteins und Ratzeburgs im Jahre 1202 in immer wachsendem Maße für das ganze nordöstliche Deutschland die entscheidende Rolle. Immer mächtiger dehnte sich unter seinem tatkräftigen und ehrgeizigen König Waldemar, den die Nachwelt als den Sieger bezeichnet hat, dies kleine Inselvolk aus. Schon gehörte ihm Rügen und Pommern, Holstein und Dithmarschen; die mecklenburgischen Slavenfürsten waren ihm tributpflichtig, und in Livland und Estland drang es erobernd und kolonisierend vor. Es war


96) Origg. Guelf. IV, 149 u. Calenbgr. U.-B., ed. W. v. Hodenberg, Abtlg. V, Nr. 7. Die Urkunde hat socerorum statt generorum.
97) Siehe außer den beiden eben angeführten Stellen noch Saß, M. Jbb. 43, 99 u. 139, u. v. Wersebe, Beschreibung der Gaue zwischen Elbe, Saale usw., wie sie im 10. und 11. Jahrhundert befunden sind, S. 251 Anm. 58.
98) Leider ist nach einer Mitteilung des Königlichen Archivs in Hannover infolge starker Zerbröckelung von der Umschrift nichts mehr zu lesen. Vergl. auch den Exkurs I.
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nur noch eine Frage der Zeit, daß die Ostsee ein dänisches Binnenmeer wurde. Von niemandem gehindert, durch die Wirren des Bürgerkrieges im Innern Deutschlands begünstigt, vom Welfen Otto IV. und Papst Innocenz unterstützt 99 ), hatte es Waldemar leicht. Sein Gebiet immer mehr zu erweitern, immer kühnere Pläne zu fassen. Doch ging er dabei klug und mit weiser Mäßigung zu Werke, indem er keineswegs versuchte, das eroberte Land zu danisieren, sondern die Verhältnisse, wo es anging, bestehen ließ und im übrigen sich mit der Lehnsherrschaft begnügte. So setzte er hier auch keineswegs einen Dänen zum Statthalter ein, sondern einen deutschen Grafen aus thüringischem Geschlecht, Albrecht von Orlamünde, mit dem ihn nahe verwandtschaftliche Beziehungen verbanden. Schritt für Schritt, doch folgerichtig und mit großer Stetigkeit, drang er vorwärts. Schon im Jahre 1208 hatte er aus Anlaß des Streits der beiden Schweriner Grafen Gunzel und Heinrich mit Johann Gans von Putlitz, den sie aus der Burg Grabow vertrieben hatten, einen Eroberungszug in die Grafschaft Schwerin unternommen und die Boizenburg zerstören lassen. 100 ) Dann hatten im Jahre 1214 die beiden Schweriner, die das Schicksal des Holsteiner und des Ratzeburger Grafen fürchten mochten, ihr Land von Waldemar zu Lehen genommen. Endlich hatte er im Jahre 1217 die einzige Tochter Gunzels I., die Schwester der beiden regierenden Grafen 101 ), mit seinem natürlichen Sohn, dem Grafen Nikolaus von Halland, vermählt. Als nun dieser ebenso wie seine Gattin und der Graf Gunzel bald darauf starb, hatte er die halbe Grafschaft Schwerin für seinen Enkel, den jüngeren Nikolaus von Halland, durch Albrecht von Orlamünde in Besitz nehmen lassen, während die andere Hälfte dem Grafen Heinrich, der sich damals gerade auf einem Zuge ins gelobte Land befand, verblieb. Am 28. Februar 1221 beurkundete Albrecht von Orlamünde in Ratkau, daß ihm von König Waldemar für die Zeit der Minderjährigkeit des Grafen Nikolaus von Halland die halbe Grafschaft Schwerin als Lehen übertragen sei und daß er sie, falls der junge Graf vorzeitig stürbe, an Waldemar zurückgeben wolle. Unter den Zeugen Albrechts finden wir auch die


99) Siehe Usinger S. 117/19.
100) Arn. VII, 11.
101) So ist die Aufstellung der Genealogie in M. U.-B. IV, Pers.-Reg. Die Braut müßte demnach bei der Vermählung ungefähr 40 Jahre alt gewesen sein. Sollte nicht vielmehr trotz M. U.-B. I, 275 an eine Tochter Gunzel II. zu denken sein, wie auch Winkelm., Friedr. II. Bd. I, 422 tut?
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beiden Grafen von Dannenberg, die sich für den Fall, daß der Orlamünder sein Versprechen nicht hält, zum Einlager in Ripen verpflichten. 102 )

Auch diese Tatsache, die doch offenbar ein freundschaftliches Verhältnis der Dannenberger Grafen zu dem dänischen Statthalter zur Voraussetzung hat, beweist, daß man die Herrschaft der Dänen im Lande keineswegs als drückend empfand. Man mochte mehr Sicherheit im Innern des Landes sowie größere Ruhe zur Kolonisationsarbeit in den slavischen Giebieten von ihr erwarten als von der Regierung des unbedeutenden und schwachen Askaniers. Längst waren auch die beiden Dannenberger Vasallen des Dänenkönigs geworden. Denn im Dezember 1214 hatte zu Metz der junge König Friedrich II. "seinem geliebten Waldemar, dem allerchristlichsten Könige der Dänen, um den Frieden seiner Herrschaft zu bewahren und die Feinde des Kaiserreiches zu bezwingen, mit Einwilligung der Fürsten des Römischen Reiches" alles Land jenseits der Elbe und Elde abgetreten. 103 ) Dazu gehörten auch die rechtselbischen Gebiete der Grafen von Dannenberg, die Länder Jabel und Weningen. Und man wird sich zu denken haben, daß die beiden Grafen diese nun als Lehen von Waldemar empfingen.

So war mit einem Federstrich, mochte sich auch der Kaiser mit seiner bedrängten Lage entschuldigen 104 ), leichten Herzens ein Gebiet des Deutschen Reiches aufgegeben, das mit so unendlichen Opfern und Mühen in jahrzehntelangen Kämpfen den Slaven abgerungen war. Weder den Kaiser, dessen Sinnen und Trachten auf Italien gerichtet war, noch den ohnmächtigen Träger des sächsischen Herzogtums kümmerte das Schicksal dieser Gebiete. Die kleinen Fürsten und Herren waren auf sich allein angewiesen. Und sie haben sich geholfen. so gut es eben ging, zunächst zwar mit einer Tat der Verzweiflung, die keineswegs dem Völkerrechte entsprach und auch bei den Zeitgenossen mehr Bewunderung als Billigung fand. 105 ) Doch haben sie dann später durch tapferen Kampf bewiesen, daß das Schicksal bei jener Tat keinen Unwürdigen begünstigt hatte. Schnell und unaufhaltsam, wie es ihn gehoben


102) M. U.-B. I, 275, zwei verschiedene Regesten einer verlorenen Urkunde.
103) MG LL IV, 2 Nr. 53.
104) Siehe seinen Brief vom August 1223 an Bischof Konrad v. Hildesheim, Huill.-Brèholles, Historia Diplom. II, 394.
105) Siehe S.W. S. 244 Recens. B und C: ,,Dat dede he [nämlich Graf Heinrich v. Schwerin] binnen truwen unde he sin man was unde he des avendes geten unde drunken hadde mit eme unde he sic to eme nenes oveles ne versach."
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hatte, riß es dagegen den stolzen Dänenkönig wieder in die Tiefe hinab. Jener Versuch, durch eine Familienverbindung mit dem Schweriner Grafenhause in dem ihm nominell gehörenden Gebiet festen Fuß zu fassen, sollte der letzte in dieser Richtung bleiben.

Ganz geruht hatte der Widerstand gegen die immer weiter vordringende Dänenherrschaft wohl nie. Sicher waren Männer wie Adolf von Holstein und sein Ratzeburger Namensvetter fleißig am Werke, den Haß gegen sie zu schüren. Ja, selbst dem nichts weniger als tatkräftigen Herzog Bernhard war gelegentlich das Bewußtsein seiner Pflicht gegenüber diesen Gebietsteilen gekommen. 106 ) Doch zu einem Vorgehen gegen den König vermochte er sich nicht aufzuraffen; seine Macht schien zu groß. Da änderte der verwegene Plan eines kleinen Grafen, sich der Person des Königs zu bemächtigen, plötzlich das Bild. Als im Jahre 1222 Graf Heinrich von Schwerin, mit dem Zunamen des Schwarzen, von seiner Kreuzfahrt nach dem gelobten Lande zurückkehrte, fand er seine halbe Grafschaft im Besitz der Dänen und sein Schloß zum Teil von ihnen besetzt; Güter seiner Schwiegermutter, einer Frau von Zlavien [Pommern?], waren von Waldemar eingezogen. 107 ) Heinrich sah sich von allen Seiten in einer unerträglichen Weise eingeengt. Da faßte er, da er allein einen offenen Kampf nicht wagen konnte, den Entschluß, durch eine rasche, kühne Tat sich der Person des Königs zu bemächtigen. Als sich dieser im Sommer 1223 nach seiner Gewohnheit zu Jagd und Fischfang mit seiner Familie und geringem Gefolge auf der kleinen und menschenleeren 108 ) Insel Lyö, im kleinen Belt westlich Fünen, aufhielt, nahm ihn und seinen ältesten Sohn in der Nacht vom 6. zum 7. Mai Graf Heinrich gefangen und brachte sie beide nach Deutschland. 109 ) Hier hielt er sie eine kurze Zeit in der ihm 1219 vom Markgrafen Albrecht verliehenen Burg Lenzen


106) Siehe die in mehr als einer Hinsicht interessante Anekdote von seiner Äußerung über den Löwen zu Braunschweig bei Arn. VII, 16.
107) Vergl. Using a. a. O. S. 292 ff. und Winkelm., Friedr. II. I, 422/23.
108) Siehe Using. S. 296.
109) Die Quellen sind zusammengestellt bei Using. S. 422; vergl. Winkelm., Friedr. II. I, 423 Anm. 3. Als Hauptquellen haben wir anzusehen: 1. einen Brief Honorius' III. an Engelbert v. Köln, MG Epp. saec. XIII., Bd. I, 166; 2. S.W. S 244 Hff. B u. C, und 3 Annall. Stadens. a. a. O. S. 357. - Als lehrreiches Beispiel, wie dergleichen Vorgänge noch bis in neueste Zeit ausgeschmückt werden, vergleiche man die Darstellung im Hannov. Magazin Jahrg. 1830 S. 457 ff., deren Verf. dabei streng historisch zu verfahren glaubt.
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in der Prignitz gefangen. Bald aber schaffte er sie, da Lenzen ihm offenbar dem Bereich Albrechts von Orlamünde noch zu nahe schien, über die Elbe, und zwar nach Dannenberg, in die Burg des ihm befreundeten Grafen Volrad 110 ), der in der nächsten Zeit in so naher Beziehung zu dem Schweriner Grafen genannt wird und in so hervorragender Weise an den folgenden Verhandlungen teilnimmt, daß man fast glauben möchte, daß er auch an dem Handstreich von Lyö, sei es als Teilnehmer, sei es als Förderer des Plans, beteiligt war.

Schon wenige Monate nach der Gefangennahme muß diese Überführung vorgenommen sein; denn am 4. November 1223 schreibt bereits Papst Honorius III. an Bischof Iso von Verden, daß es heiße, die beiden Dänenkönige befänden sich in seiner Diözese 111 ), worunter nur Dannenberg verstanden werden kann, da Lenzen zur Diözese Havelberg gehörte. Übrigens scheint aus dieser unbestimmten Ausdrucksweise hervorzugehen, daß man zunächst nicht wußte, wo der Schweriner Graf seine Beute in Sicherheit gebracht hatte. Dieser Umstand, der, bis man allgemein den Wert der gefangenen Dänenkönige erkannt hatte und der Graf auf Unterstützung der großen Fürsten rechnen konnte, von ziemlicher Bedeutung war, hatte neben der Tatsache, daß Dannenberg fast unzugänglich war 112 ) und auf Reichsgebiet lag, den Grafen von Schwerin wahrscheinlich zu seiner Wahl bestimmt. Sicher befanden sich die beiden Dänenkönige zur Zeit des Nordhäuser Vertrages vom 24. September 1223 schon zu Dannenberg. Das geht einerseits aus diesen Erwägungen, vor allem aber aus dem lebhaften Anteil, den Volrad von Dannenberg an den Verhandlungen nahm, hervor. Und hier haben sie etwa anderthalb Jahre in sicherer, doch ehrenvoller Haft verbracht. 113 )


110) Welcher Art diese Freundschaft war, ob beide nur die Nachbarschaft aneinander band, ob verwandtschaftliche oder persönliche Beziehungen zwischen ihnen bestanden, ist leider nicht zu ermitteln.
111) MG Epistulae saec. XIII. I, 168. Bei Potthast, Regg. Pontific. Nr. 7098 fälschlich Otto v. Verden.
112) Vergl. darüber das S. 76 Gesagte.
113) Wenn die Chronic. reg. Coloniens. S. 254 "per diennium" angibt. so trifft das für den alten König nicht zu. Denn nach S.W. S. 244 Nr. 366, der man schon allein der größeren Nähe wegen mehr Glauben schenken muß als der Kölner Ouelle, befand er sich am 11. Januar 1225 in Schwerin. Außerdem ist die Chronic. reg. Col. sowieso hier ungenau, indem sie im Jahre 1225 auch Albrecht von Orlamünde mach Dannenberg gebracht werden läßt, wovon gar keine Rede sein kann. Endlich gibt sie die Lösesumme ganz falsch auf 100 000 Mark an, eine Summe, die in keinem der Verträge genannt wird.
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Daß die Haft keineswegs so streng war, wie die Dannenberger Lokalsage will, ergibt sich einerseits aus einer Stelle des Nordhäuser Vertrages, wo ausdrücklich von der "honesta et commoda custodia" des Königs die Rede ist, andererseits aus dem Umstande, daß im Frühling des folgenden Jahres Bischof Albert von Livland und sein Bruder Hermann, erwählter Bischof von Estland, die gekommen waren, um für letzteren die Bestätigung Waldemars einzuholen, ungehindert Zutritt zu ihm erhielten. 114 ) Endlich dürfte schon eine einfache Überlegung lehren, daß man den mächtigen Dänenkönig, gegen den man keineswegs eine persönliche Feindschaft hegte 115 ), nicht wie jeden beliebigen Wegelagerer und Strauchdieb behandelte. Man hat ihm und seinem Sohne also sicher nicht das heute in Dannenberg dafür gezeigte enge Gelaß zum Gefängnis angewiesen, und der Name des "Waldemarturmes" ist eine Kombination späterer Zeit. Auch der, freilich dehnbare, Ausdruck der Stader Annalen "gravi custodia coartatur" scheint nach der obigen Urkundenstelle ein freier Zusatz des Verfassers zu sein. 116 )

Vom Reiche wie auch von Kaiser Friedrich II. war schnell die Bedeutung der Gefangenschaft des gefährlichen Dänenkönigs erkannt. Unbekümmert um die Abtretungsurkunde, die er ihm im Jahre 1214 über diese Gebiete ausgestellt hatte, unbekümmert um die dabei feierlich betonten Friedensrücksichten und Liebe zu König Waldemar, hielt er jetzt die Zeit für günstig, die damals notgedrungen aufgegebenen Gebietsteile wiederzuerlangen. Schon im August 1223 schrieb er von Neapel aus an Bischof Konrad von Hildesheim, er möge doch den Bischof Otto von Würzburg in seinem Bestreben unterstützen, die beiden Dänenkönige in die


114) SS rer. Livonicar. I, 280/82; vergl. Winkelm., Friedr. II. I, 424 Anm. u. 443.
115) Was darüber die Lokalsage, die freilich auch in Werke wie Ranke W.G. VIII, 382, und Sybel, Hist. Zeitschr. XII, 15 übergegangen ist, berichtet, beruht auf einer frei erfundenen Erzählung im Compendium des Thomas Geysmer, ein Werk, das über 100 Jahre nach diesen Ereignissen entstanden ist; siehe Using., Dän. Annall. S. 89/93 u. D. Schäfer, Dän. Annall. u. Chronikk. S. 81/83. Vergl. auch Using., Deutsch-Dän. Gesch. S. 294.
116) Es tut mir für meine Dannenberger Landsleute leid, damit auch die Löcher in der Mauer jenes Turmgemaches, die davon herrühren sollen, daß sich der König darin die ihm zu Krallen wachsenden Fingernägel abgeschliffen haben soll, als eine "Fälschung" bezeichnen zu müssen. Freilich hat schon die Holsteiner Reimchronik - abgefaßt um 1400 - mit der Ausschmückung begonnen, indem sie die Könige in schwere Ketten geschlossen werden läßt, MG Deutsche Chronikk. Bd. II, 621.
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Gewalt des Reiches zu bringen. 117 ) Danach scheint Otto von Würzburg, der damals neben dem "Gubernator" Engelbert von Köln als Stellvertreter des jungen Heinrich VII. auf die Reichsregierung den bedeutendsten Einfluß ausübte, schon früh im Namen des für den jungen König eingesetzten Rates Verhandlungen wegen der Übernahme der Dänenkönige in Reichsgewahrsam angeknüpft zu haben, wobei er von Engelbert von Köln, dem an all diesen Bemühungen zur Befreiung der nordöstlichen Gebiete Deutschlands von der Dänenherrschaft ein entscheidender Anteil zugewiesen werden muß, aufs tatkräftigste unterstützt wurde. Zum vorläufigen Abschluß führten diese Unterhandlungen dann in dem Vertrage, den am 24. September der Kaiser und dessen Sohn, oder vielmehr in deren Namen der aus geistlichen und weltlichen Herren gebildete königliche Rat mit dem Grafen Heinrich von Schwerin und dessen Freunden zu Nordhausen, wohin man einen Hoftag berufen hatte, schloß. 118 )

Hier nahm auch Volrad von Dannenberg einen hervorragenden Anteil an den Verhandlungen. Er erscheint immer gleich hinter Heinrich von Schwerin, und wir mögen uns denken, daß er ihm bei Aufstellung seiner Forderungen, die bis ins einzelste gehen, geholfen hat. Sicher gehört er mit zu denjenigen Freunden des Grafen, für welche sich dieser außer den 50 000 Mark zu eigener Verwendung noch 2000 Mark zur Verteilung ausbedingt. Er gehört dann neben Erzbischof Engelbert von Köln, den Grafen von Harzburg und Regenstein, Bernhard von Horstmar und dem Truchseß Gunzel der Kommission an, die die Höhe der Sicherheit dafür feststellen soll, daß Waldemar, bevor er aus der Reichshaft frei wird, dem Grafen Heinrich und seinen Freunden Urfehde schwört und auf alles Land diesseits der Eider verzichtet. Auch soll er neben dem Kölner Ersbischof und dem Schweriner Grafen mitbestimmen, ob und wann gegebenenfalls ein Austausch des jüngeren Waldemar gegen seinen Vater stattfinden soll. Denn während jener sogleich in das Gewahrsam des Reiches übergehen und nach Harzburg gebracht werden sollte, sollte der alte König einstweilen noch in der Haft des Schweriner Grafen verbleiben. Für den Fall, daß später ein Krieg gegen die Dänenkönige nötig sein würde, soll auch Volrad von Dannenberg neben einigen


117) Huill-Bréholles II, 1 S. 393 f. Vergl. Böym.-Ficker, Regg. I, 1507 u. Winkelm. S. 425 Anm. 1 über die Einreihung dieses Schreibens.
118) MG LL IV, 2 Nr. 98 u. M. U.-B. I, 290. Eine genaue Analyse des ganzen Vertrages gibt Using. a. a. O. S. 303/10; vergl. auch Winkelm., Friedr. II. I, 426/27.
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anderen Herren versuchen, größere Fürsten, vor allen die welfischen und brandenburgischen, für einen allgemeinen Bund zu gewinnen. Nicht genannt wird der Dannenberger Graf unter denjenigen, denen vom Reiche ihre früheren Besitzungen und Rechte, die ihnen die Dänen genommen haben, zurückgegeben werden sollen, wie z. B. Adolf von Dassel und Adolf von Schauenburg, ein Beweis, daß die Dänen, wie bereits erwähnt, über das Dannenberger Gebiet, das in der Abtretungsurkunde von 1214 mit einbegriffen war, lediglich die Oberlehnsherrschaft beansprucht, im übrigen aber die Grafen hier ungestört gelassen hatten. Doch wird man anzunehmen haben, daß auch Volrad mit diesem Gebiet, den Ländern Jabel und Weningen, jetzt vorläufig vom Reiche belehnt wurde, wie denn in diesem Vertrag von irgendwelchen Rechten des sächsischen Herzogs nicht die Rede ist. Erst etwa 35 Jahre Später erblicken wir den Herzog Albrecht von Sachsen, auf den man jetzt, wahrscheinlich seines jugendlichen Alters wegen, keinerlei Rücksicht nahm, im Besitz gewisser Hoheitsrechte über Jabel. Endlich bestimmt Heinrich von Schwerin vor allen Volrad von Dannenberg zum Vollstrecker dieses Vertrages, falls er selber vor Erfüllung seiner Pflichten gegen das Reich stirbt. Und andererseits verpflichtet sich Volrad neben den übrigen Bürgen des Schweriner Grafen zum Einlager in Goslar, falls von ihrer Partei die Bedingungen nicht pünktlich erfüllt werden.

Man konnte auf seiten der Grafen, deren Interessen hier in so umsichtiger Weise von dem Schweriner Grafen vertreten wurden, mit dem Erreichten zufrieden sein. Hielten die Dänen diesen Vertrag, so war Deutschland von ihrem Joche frei bis zur Eider; wenn nicht. so war doch jetzt Hoffnung vorhanden, daß in einem Kampfe mit ihnen die kleinen Herren nicht mehr alleinstehen, sondern an den größeren Fürsten, ja am Reiche selbst eine Stütze haben würden. Doch auch letzteres glaubte seinen Vorteil bei dem Nordhäuser Vertrag gefunden zu haben. Niemand war über den Stand der Dinge erfreuter als Engelbert von Köln. In Hildesheim, wohin er sich von Nordhausen aus begeben hatte. Stellte er eine Urkunde aus, in der er "seinen geliebten Freunden, dem Grafen Heinrich von Schwerin und Volrad von Dannenberg, für die vielen Dienste, die sie ihm in Sachsen geleistet", ein Lehen von 15 Fuder Wein gab, die ihnen alljährlich zu Martini geliefert werden sollten. 119 )


119) M. U.-B. I, 291. Die Urkunde ist ohne Monatsdatum, doch kann gar kein Zweifel sein, daß sie in diesen Zusammenhang gehört; vergl. die Anm. ebenda sowie Using. und Winkelm. a. a. D.
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Die Ironie des Schicksals wollte es, daß fast zur selben Zeit in Rom Papst Honorius III. ein Schreiben an Heinrich von Schwerin und seine Helfershelfer erließ dessen Inhalt von jener Urkunde Engelberts wesentlich verschieden war. Nicht umsonst hatten die letzten drei Könige der Dänen eine ausgesprochen papstfreundliche Politik getrieben. Noch im Jahre 1217 hatte Honorius ebenso wie ein Jahr früher sein Vorgänger Innocenz dem König Waldemar jene Metzer Abtretungsurkunde Kaiser Friedrichs II. bestätigt. 120 ) Dazu hatte sich Waldemar II. beim Papst durch das Versprechen eines Kreuzzuges ein geneigtes Ohr zu verschaffen gewußt, sei es, daß er dieses Gelübde schon vor seiner Gefangennahme getan, sei es, daß erst diese selbst ihn dazu bewogen hatte. 121 ) Jedenfalls wäre kein Versprechen mehr geeignet gewesen, diesen Papst, dessen Denken und Streben in dem Zustandekommen eines allgemeinen Kreuzzuges aufging 122 ), für sich zu gewinnen. Dazu mußte er schon um seines Ansehens willen, das er in der ganzen Christenheit als Schützer des Rechts genoß, bei einer so unerhörten Tat eingreifen. Als sich nun die dänischen Geistlichen und Fürsten mit einer Beschwerde über die Freveltat des Schweriner Grafen an ihn wandten 123 ), da hat er sich mit größtem Nachdruck sowohl bei dem Kaiser wie bei den übrigen Beteiligten für Waldemar eingesetzt, wie wir denn nicht weniger als zwölf Briefe von ihm besitzen, die er in dieser Angelegenheit bis zu der Eidentbindung Waldemars im Jahre 1226 geschrieben hat.

Zunächst wandte er sich an den Frevler selbst. Am 31. Oktober 1223 schrieb er aus Rom an Heinrich von Schwerin einen Brief 124 ), in dem er ihn vor allem darauf hinwies, daß seine Tat um so schwerer wiege, weil er dadurch seinem Lehnsherrn die Treue gebrochen und so, da die Menschen geneigter wären, Schlechtes als Gutes nachzuahmen, ein sehr böses Beispiel gegeben habe. Falls er nun nicht binnen Monatsfrist den Dänenkönig samt seinem Sohne "völlig und ohne irgendwelche Schwierigkeit" - das hieß also ohne Lösegeld - freigäbe, so habe er, der Papst, den Erzbischof von Köln beauftragt, ihn und alle seine


120) M. U.-B. I, 224 u. 232, Urkunden vom 14. Mai 1216 und 31. Jan. 1217.
121) Vergl. Winkelm S. 429.
122) Vergl. seine unausgesetzten Verhandlungen über diesen Punkt mit Friedrich II.
123) Daß geht aus dem Briefe Honorius' an Heinr. v. Schwerin hervor.
124) M. U -B I, 292.
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Helfershelfer mit dem Bann zu belegen und über die ganze Diözese, in der die beiden Könige gefangen gehalten würden, das Interdikt zu verhängen und ebenso über jeden Ort, wo der Graf sich aufhalten würde. Außerdem würde er des Grafen Lehnsleute von ihrem Treueid lösen und jeden bannen, der ihm ferner noch anhinge. Sollte er aber solche Strafen verachten und auch ferner noch die Könige gefangen halten, so würde er andere Strafen gegen ihn ausdenken und vor allem "die kaiserliche Rechte wider ihn zu erregen wissen", daß ihn dieser in die Acht erkläre. Ähnlich schrieb er am folgenden Tage an Engelbert von Köln 125 ), den er vor allem darauf hinwies, daß er, der Papst, schon um seines Ansehens wie auch seines Gewissens willen bei einer so schweren Rechts- und Treuverletzung - nur in diesem Lichte vermochte er nach dem einseitigen Berichte der Dänen die Tat zu sehen - eingreifen müsse. Ferner aber stände das Dänenreich in einem besonderen Zinsverhältnis 126 ) zum römischen Stuhl, und Waldemar wie seine Vorgänger hätten sich ihm stets als treue und ergebene Freunde erwiesen. Endlich, und dieser Grund würde allein schon sein Vorgehen erfordern, der Dänenkönig trüge, wenn auch nur heimlich, das Zeichen der Kreuzfahrer und habe fest versprochen, daß entweder er oder sein Sohn, oder doch allermindest fünfzig Ritter in seinem Auftrag dem heiligen Lande zu Hilfe kommen sollten. Der Papst, der über die Stellung Engelberts in dieser Sache offenbar nur sehr mangelhaft unterrichtet war und ihn für einen Freund der Dänenkönige gehalten zu haben scheint, lobt ihn dann für seine Bemühungen zur Befreiung der Dänenkönige und ermahnt ihn, darin fortzufahren und in diesem Sinne auf den Schweriner Grafen einzuwirken und ihn, falls er auf Mahnungen nicht höre, in den Bann zu tun. Ebenso schrieb er an die Bischöfe Berthold von Lübeck und Jso von Verden, indem er ihnen auftrug, den Grafen und seine Genossen zu bannen, falls er nicht binnen Monatsfrist seinen Gefangenen freiließe. Auch an den Kaiser wandte er sich 127 ), indem er ihm darlegte, daß er als oberster Schirmherr allen weltlichen Rechtes unmöglich eine solche Verletzung des Treueides dulden könne, sondern dem treulosen Grafen "die Zeichen seiner Entrüstung zeigen müsse". Er wolle ihm zwar nicht das Beispiel Davids, der, als ihm einer der Seinen meldete, er habe seinen Verfolger Gaul niedergemacht,


125) MG Epistulae saec. XIII. I, 238.
126) Vergl. darüber Using. a. a. O. S. 20.
127) Diese drei Schreiben MG Epistulae saec. XIII. I, S. 238.
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diesen Boten hinrichten ließ, weil er sich am Gesalbten des Herrn vergriffen habe, geradezu zur Nachahmung empfehlen, jedoch sei er als Kaiser dem König durch gleiches Interesse verbunden. Denn eine Auflösung aller rechtlichen Ordnung müsse eintreten, wenn man sich die Tat des Schweriner Grafen zum Muster nehme.

Führten nun auch diese Bemühungen des Papstes schließlich eine bedeutende Abänderung des Nordhäuser Vertrages herbei, so ist doch von einer augenblicklichen Wirkung nichts zu bemerken. Ob von den Bischöfen der Bannstrahl wirklich geschleudert ist, vermag man nicht zu erkennen und wird im einzelnen davon abgehangen haben, wie sehr sie in die weltliche Politik hineingezogen und an einer längeren Gefangenschaft der Dänenkönige interessiert waren. Eilig wird es weder der Lübecker Bischof, dessen Stadt sicherlich schon jetzt mehr Sympathien für die deutschen Fürsten als für Waldemar hegte, noch Jso von Verben damit gehabt haben, der als Bruder Bernhards von Wölpe den Dannenberger Grafen verwandt war. 128 ) Jedenfalls das eine steht fest, daß sich die Zunächstbeteiligten, der Schweriner und die Dannenberger Grafen, durch die Drohungen des Papstes nicht im geringsten schrecken ließen. Die Dänenkönige blieden nach wie vor in Dannenberg unter der Obhut Volrads. 129 )

Freilich, zur Befreiung des Landes jenseits der Elbe geschah von den Fürsten nichts, während andererseits auch die Dänen sich darauf beschränkten, Albrecht von Orlamünde zum Verweser des gesamten Reiches zu ernennen, von kriegerischen Maßnahmen zur Wiedererlangung ihrer Könige aber absahen. Denn einerseits befanden sich diese gleichsam als Geiseln in den Händen der Deutschen, andererseits fehlte den Dänen mit der Person Waldemars der Führer und die treidende Kraft aller ihrer Unternehmungen. Unterdessen scheinen dann zwischen Kaiser und Papst, die beide hierin eine Gelegenheit erblicken mochten, ihre getrübten Beziehungen zu einander zu verbessern, neue Verhandlungen gepflogen zu sein, in deren Verlauf der Papst von seiner ursprünglichen Forderung, die Dänenkönige ohne Lösegeld freizugeben, zurückkam, während Friedrich bereit war, einiges von dem, was die Reichsregierung in Nordhausen von Waldemar verlangt hatte, aufzugeben, und zwar im Grunde nicht wenig, wie wir noch sehen werden.


128) Auch Using. S. 316 meint, daß die Kirchenstrafen nicht verhängt seien, während Winkelm. S. 430 der entgegengesetzten Ansicht ist. Doch nimmt nicht einmal der Papst in seinem Schreiben an Heinrich von Schwerin vom Jahre 1226 hierauf Bezug.
129) Vergl. Winkelm. S. 433 Anm. 4.
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So zogen sich die Dinge hin bis zum Frühling des folgenden Jahres. Im März 1224 wurde der Deutsch-Ordensmeister Hermann von Salza von Friedrich aus Itatien abgesandt, einerseits, um Maßnahmen wegen des beabsichtigten Kreuzzuges zu treffen, andererseits, um diese dänische Angelegenheit zu regeln. 130 ) Am 20. Mai ist Hermann von Salza auf dem Hoftag in Frankfurt, und hier werden wahrscheinlich auf seinen Wunsch die übrigen von Reichswegen an den neuen Verhandlungen teilnehmenden Herren, wie Bernhard von .Horstmar, der Graf Hermann von Harzburg-Woldenberg u. a., bestimmt sein. 131 ) Unter Führung Hermanns, der jetzt auf Grund kaiserlichen Auftrages an Stelle Engelberts von Köln die Verhandlungen leitete, begab sich diese Reichskommission nach Dannenberg, um hier in Gegenwart Waldemars mit der Partei des Schweriner Grafen sowie mit der dänischen, die unter Führung Albrechts von Orlamünde und einiger dänischer Großen erschien, zu verhandeln. 132 )

In der darüber ausgestellten Urkunde ist der Einfluß der päpstlichen Bemühungen sofort zu erkennen. Nicht mehr stehen wie in dem Nordhäuser Vertrag Verpflichtungen des Reiches gegen den Schweriner Grafen oder des Dänenkönigs gegen das Reich an der Spitze, sondern der ganze erste Absatz enthält nur Be-stimmungen über die Ausführung des versprochenen Kreuzzuges. Dann folgen die Bedingungen, die das Reich für sich stellt: Der König selbst soll zwar auf Transalbingien verzichten und die ihm darüber ausgestellten Urkunden ausliefern; doch soll damit Albrecht von Orlamünde - also sein Neffe und derzeitiger Ver-weser des dänischen Reiches! - vom Reiche belehnt werden. Und ausdrücklich verspricht dieses, ihn in seinem Besitz zu schützen. Von einer Wiedereinsetzung oder auch nur Entschädigung des Holsteiner oder Ratzeburger Grafen ist diesmal keine Rede. Die Vasallen Waldemars sollen ihr Lehen jetzt von Albrecht von Orlamünde bezw. vom Reiche empfangen. Zu letzteren gehörten sicher


130) Dieser letztere Auftrag ergibt sich aus den Worten der Chron. Reg. Colon. S. 253 "ipsum Herimannum predictum pro Sancte Terre principali tuicione ac imperiinegociis in Almanniam premittens" in Verbindung mit Hermanns S. 254 geschilderter Tätigkeit. Vergl. Winkelm. S. 431/32.
131) Vergl. Using. S. 319/20; Winkelm. S. 433.
132) Die Urkunde vom 4. Juli 1224 MG LL IV, 2 Nr. 101 - M. U.-B I, 305 ist zwar ohne Ortsangabe; doch kann nach allgemeiner Annahme nur Dannenberg in Frage kommen, siehe M. U.-B. die Anm., Usiug. S. 319, Winkelm. S. 433 u. Anm. 4. Ebenso Lorck, Daß Jtinerar Hermanns v. Salza, Kiel. Dissert. 1880 S. 40.
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auch die Dannenberger Grafen. Waldemar selbst soll Herr von Rügen und allen slavischen Gebieten bleiben, die er früber innegehabt hat, nur soll er sie ebenso wie das dänische Reich vom Kaiser zu Lehen nehmen. Von dem, was man dem Grafen Heinrich von Schwerin zu Nordhausen versprochen hatte, wurde zwar das meiste beibehalten; doch war durch diesen Vertrag, der ihn einer so zuverlässigen Hülfe wie des Holsteiner und Ratzeburger Grafen beraubte und ihm Albrecht von Orlamünde, dessen Ansprüche im früheren Vertrage überhaupt nicht berücksichtigt waren, zum unmittelbaren Nachbarn gab, auch seine Lage eine viel bedenklichere geworden. Mit Waldemar persönlich verfuhr man sehr milde. Schon am 8. September, an dem zu Bardowiek der König und die Fürsten des Reiches ihre Einwilligung zu diesem Vertrage erteilen sollten, sollte er frei werden, selbst wenn die erste Rate der an den Schweriner Grafen zu zahlenden Lösesumme von 40 000 Mark noch nicht voll bezahlt sei.

Diesen Vertrag zu halten, verbürgt sich von seiten Heinrichs von Schwerin u. a. auch Graf Heinrich von Dannenberg mit zwei Söhnen, wahrscheinlich den späteren Grafen Bernhard I. und Adolf I. Warum nur er hier und nicht auch sein Bruder genannt wird, ist nicht ersichtlich. Möglich, daß Volrad, der seinerseits wieder bei dem nächsten Vertrag über die Freilassung der Dänenkönige vom 17. November 1225 - siehe unten - allein erscheint, gerade von Dannenberg abwesend war. Soviel scheint aus diesem Tatbestand horvorzugehen, daß beide Brüder in voller Eintracht und offenbar auch völlig unterschiedslos die Verwaltung der Grafschaft führten. Das scheint auch noch ein anderer Umstand, der gleich hier zu erörtern ist, zu beweisen. An der Urkunde hängt nämlich an fünfter Stelle das Siegel des Grafen Heinrich, von dem diesmal glücklicherweise auch die Umschrift erhalten ist. Dieses Siegelbild mit dem aufsteigenden rechts-gekehrten Löwen entspricht nun völlig dem auf S. 94 besprochenen des Grafen Volrad II. Nicht etwa ist, wie das in der folgenden Generation geschah, eine Trennung nach Form und Anordnung des Siegelbildes vorgenommen. 133 ) Später jedoch scheint eine Trübung dieses Verhältnisses eingetreten zu sein, da wir Heinrich noch vor der Schlacht bei Bornhöved im Gefolge des dänenfreundlichen Otto des Kindes erblicken, während Volrad bis zuletzt einer der eifrigsten Feinde der Dänen gewesen zu sein scheint. Möglich aber auch, daß Heinrich seinen Übertritt erst nach dem


133) Vergl. den Erkurs I.
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Tode seines Bruders, der wahrscheinlich um 1226/27 erfolgte, vollzog. Der Rührigere in diesen Kämpfen gegen die Dänen ist, soweit das an der Hand der spärlichen Nachrichten entschieden werden kann, Volrad, während wir annehmen mögen, daß Heinrich seit seinem Aufenthalt in Dänemark als Geisel Adolfs von Holstein den Dänen eine gewisse Zuneigung bewahrt hatte. So erklärt es sich vielleicht auch, daß er bei all diesen Verhandlungen nur in dieser einen dem Dänenkönig verhältnismäßig günstigen Urkunde erscheint. 134 )

Noch fehlte jedoch diesem Vertrage, der einstweilen nur zwischen Waldemar und dem Grafen von Schwerin durch Vermittlung der von Hermann von Salza geführten Reichskommission abgeschlossen war, die Zustimmung des Königs und der Fürsten. Nach einer Bestimmung der Urkunde sollte zu ihrem Vollzuge ein Hoftag auf den 8. September nach Bardowiek einberufen werden, und inzwischen wollten die hier anwesenden "Reichsboten" 135 ) sich bemühen, die Fürsten des Reiches für den Vertrag zu gewinnen. Auf dem Hoftag, der dann vom 20. bis 25. Juli zu Nürnberg stattfand 136 ), wird Hermann von Salza über das am 4. Juli Erreichte Bericht erstattet und wahrscheinlich auch die Billigung der Reichsfürsten, denen die Wendung zugunsten des Dänenkönigs wohl nicht allzuviele Skrupel bereitete 137 ), gefunden haben.

Hier wird man auch den Termin des Bardowiker Hoftages auf den 29. September verschoben haben. 138 ) An diesem Tage fanden sich hier außer den nächstbeteiligten Grafen und Herren ein der zwölfjährige König Heinrich, Engelbert von Köln und die übrigen Fürsten des königlichen Rats sowie zahlreiche geistliche Herren. Auch der ältere Waldemar, der gemäß dem Dannenberger Vertrag jetzt gleich in Freiheit gesetzt werden sollte, war


134) Daß dürfte vielleicht die einfachste Lösung der Frage nach dem Verhalten der Dannenberger Grafen sein, das bereits Using. a. a. O. S. 373 als "auffallend" bezeichnet.
135) Als die in Dannendierg anwesenden "nunctii imperii" nennt die Urkunde Bernhard von Horstmar, Graf Hermann von Woldenberg, den Truchseß des kaiserlichen Hofes Gunzel, den Truchseß Von Waldburg und den Truchseß des Erzbischofs von Köln.
136) Böhm.-Fick. V, 1 Nr. 3926/31.
137) Bei den Verhandlungen in Bardow. ist überhaupt kein süddeutscher Fürst anwesend, worauf schon Winkelm. S. 439 hinweist.
138) S.W. S. 244 Nr. 365 "Sente Micheles missen".
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von Dannenberg hierher gebracht 139 ), während der jüngere wohl noch in Dannenberg blieb. 140 ) Auf der andern Seite der Elbe lagerte Albrecht von Orlamünde, der ebenso wie die deutschen Herren mit einem großßen Heere erschienen war. Danach scheint es fast, als ob man von vornherein sich gegenseitig nicht recht traute, wobei immerhin die Deutschen als Grund ihrer kriegerischen Begleitung die Bewachung des Dänenkönigs geltend machen konnten, während die Rüstung Albrechts mit Recht Argwohn erwecken mußte. So ist es kein Wunder, daß die Verhandlungen nicht fortschritten, obwohl die Deutschen, offenbar den Dänen zuliebe zwecks Erleichterung des Verkehrs, zwischen dem 6. und 9. Oktober ihr Lager von Bardowiek nach Bleckede verlegten. 141 ) Möglich, daß schon hier durch Otto von Lüneburg, den einzigen Freund der Dänen unter den deutschen Fürsten, mit dem man in Lüneburg verhandelte 142 ), ein friedlicher Ausgang verhindert wurde. Kurz, die Verhandlungen zerschlugen sich hier in Bleckede vollständig, und Albrecht von Orlamünde zog samt dem ungeheuren Lösegelde, das er mitgebracht hatte, ab. Die Schuld scheint dabei durchaus auf seiten der dänischen Partei gelegen zu haben, wenigstens spricht die Sächsische Weltchronik, in deren Darstellung von Parteilichteit nichts zu bemerken ist, davon, daß die Dänen ihre Versprechungen nicht gehalten hätten. 143 )


139) So muß man die Nachricht der S.W., die in dieser ganzen Sache vorzüglich unterrichtet ist, auffassen, wenn sie sagt: "na des koninges vangnisse to Bardewic". Keinesfalls ist an einen längeren Aufenthalt Waldemars in Bardow zu denken. So auch Winkelm. S. 439 und Using. S. 330/31.
140) Das dürfte die richtige Annahme sein; denn der Nordhäufer Vertrag, wonach er nach Harzburg gebracht werden sollte, war ja nicht vollzogen.
141) S.W. "dannen voren se to Blekede". Über daß Datum Using. S. 330 Anm. 4 und genauer Winkelm. 439 Anm. 4.
142) Das ist die Vermutung Winkelmanns S. 438 Amn. 9, die außerordentlich einleuchtend ist. Über Ottos Stellung vergl. Using S. 335.
143) S.W. 244 Nr. 366 "de koning unde de Denen braken ere lovede". - Diese ganze Darstellung der Verhandlungen beruht wesentlich auf der S.W., deren Bericht durch urkundliche Zeugnisse unterstützt wird. Daneben wäre noch zu nennen die Kölner Königs-Chronik S. 254, die infolge des großen Interesses, das der dabei anwesende Engelbert von Köln an diesen Dingen nahm, verhältnismäßig ausführlich, freilich nicht immer ganz zuverlässig ist. Kurz berichten darüber die Annall. Stadens. a. a. O. S. 358, während die dänischen Annalen - Lundens. u. Ryens. - überhaupt nichts davon wissen.
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Daß an diesen Verhandlungen auch der Graf von Schwerin und Volrad von Dannenberg eifrigen Anteil nahmen, ist bei der großen Bedeutung, die sie für ihre Gebiete unmittelbar hatten, selbstverständlich. Doch ist uns durch eine Urkunde, die König Heinrich am 9. Oktober für Kloster Pöhlde im Lager bei Bleckede aus-stellte 144 ), ihre Anwesenheit auch ausdrücklich bezeugt. Vermutlich war von ihnen der Dänenkönig hierher gebracht. Als nun nach dem Abzuge Albrechts von Orlamünde auch die deutschen Herren aufbrachen, scheint jener nicht mehr nach Dannenberg zurückgekehrt, sondern von Heinrich von Schwerin nach Schwerin mitgenommen zu sein, wo wir ihn zur Zeit der Schlacht bei Mölln, Mitte Januar 1225, finden.

So mußte man, nachdem alle Verhandlungen gescheitert waren, die Lösung der schwierigen Frage mit dem Schwerte suchen. Das erkannten auch die norddeutschen Fürsten, denen man fortan diese Angelegenheit wieder allein überließ, sofort. Noch im Dezember desselben Jahres rückte Erzbischof Gerhardt II. von Bremen, der bereits im Frühjahr dem erbittersten Feind des Dänenkönigs, dessen Vetter Waldemar, Bischof von Schleswig, für einen Einfall in Nordalbingien Streiter zur Verfügung gestellt hatte, und dem, wenn er auch in erster Linie für sein Erzbistum Erfolge suchte, doch bei dieser Befreiung deutschen Landes vom Dänenjoche ein Hauptanteil zugesprochen werden muß, über die Elbe und belagerte Itzehoe. Und diesmal waren ihm die Verhältnisse günstig. Allgemein scheint man der Herrschaft der Dänen müde gewesen zu sein. Der Adel Holsteins hatte Adolf IV., den Sohn des 1202 von Waldemar vertriebenen Grafen Adolf, selber ins Land zurückgerufen. Dieser kam nun zusammen mit dem Bremer Erzbischof, dessen Nichte er zur Gemahlin hatte, freudig begrüßt auch von dem Landvolk, das sich der Burgen des dänischen Statthalters bemächtigte. 145 ) Von Osten dagegen rückten Heinrich von Schwerin und sogar der Slavenfürst Heinrich von Werte, ein Sohn Borvins, der sich bisher dem Kampfe ferngehalten, in Holstein ein, nachdem sie - so müssen wir annehmen - ihr eigenes Gebiet von Dänen gesäubert hatten. Bei Mölln im südöstlichen Holstein kam es Mitte Januar 1225 146 ) zu einer erbitterten, blutigen Schlacht zwischen jenen vier verbündeten Herren und Atbrecht von Orla.-


144) Böhm-Fick. 3941 - M. U.-B. I, 307 mit 10. Okt. Vergl. Winkelm. S. 439 Anm. 4.
145) S.W. Nr. 366; Annall. Stadens. S. 359 ad 1225.
146) Über das Datum siehe Winkelm. S. 441 Anm. 5.
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münde, der nur von seinem Vetter 147 ), dem Welfen Otto von Lüneburg, unterstützt wurde. Hier wurden die Dänen völlig besiegt, und während Otto von Lüneburg über die Elbe entkam, geriet Albrecht von Orlamünde samt mehreren Edlen in die Gefangenschaft Heinrichs von Schwerin und wurde von diesem zu seinem Oheim, dem König Waldemar, nach Schwerin gebracht. 148 )

Als jetzt noch Lübeck und Hamburg auf die deutsche Seite traten, stand der ihrer sämtlichen Führer beraubten dänischen Partei ein mächtiger Bund durch gleiche Interessen verbundener Städte und Herren gegenüber. Schlag auf Schlag brach das Unglück über den stolzen Waldemar herein. "Es rächte damals," schreibt der sächsische Chronist, "unser Herrgott am Könige alles, was er am Grafen Adolf getan hatte." Dies stetige Unglück scheit den König ebenso wie die dänischen Großen zur Nachgiebigkeit gestimmt zu haben. So beginnen denn von ihrer Seite, wahrscheinlich schon im Sommer 1225 149 ), neue Verhandlungen, die jetzt, nachdem das Reich sich an den Kämpfen gar nicht beteiligt hatte, natürlich nur zwischen den Dänen und Heinrich von Schwerin und seinen Freunden geführt wurden und endlich am 17. November in einem Vertrage ihren Abschluß fanden, der, wie es scheint, zu Schwerin geschlossen wurde, 150 ) Hier treffen wir auch Volrad von Dannenberg wieder als den zunächst unter den Freunden Heinrichs von Schwerin Genannten, woraus in Verbindung mit einer anderen Nachricht, daß er auch an den Kämpfen gegen Waldemar im Jahre 1226 teilnahm, hervorgeht, daß auch er bis zuletzt an seinem Teil eifrig zur Befreiung des rechtselbischen Gebietes von der Dänenherrschaft beigetragen und nicht etwa die Partei zugunsten der Welfen gewechselt hat.

Was nun die Bestimmungen des Schweriner Vertrages im einzelnen betrifft, so gingen diese, da ja die hier verhandelnden Herren eine Rücksicht auf den Papst nicht zu nehmen brauchten wie seinerzeit der Deutschordensmeister, so ziemlich wieder auf die Nordhäuser Abmachungen zurück. Auch diesmal wurde von den norddeutschen Herren das Reichsinteresse weit besser wahr-


147) Die Mütter der beiden waren Schwestern Waldemars II.
148) S.W. ebenda. Die Chron. reg. Col. S. 254 gibt, wie schon erwähnt, fälschlich als Ort seiner Gefangenschaft Dannenberg an. Die Annall. Stadens. berichten zwar von der Gefangenschaft, nennen jedoch den Ort nicht.
149) Siehe Winkelm. 480/81 u. Anm. 1.
150) M. U.-B. I, 317; Annall. Stadens.; Annall. Lundens. Vergl. dazu Using. S. 343/53 und Winkelm. 480/81.
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genommen als durch den Bevollmächtigten des Kaisers im Dannenberger Vertrag. Der Dänenkönig mußte schlechtweg alles Land zwischen Eider und Elbe, dazu ganz Slavien außer Rügen, wieder an das Reich herausgeben. Davon, daß er es als Reichslehen wiedererhalten sollte, ist hier ebensowenig die Rede wie von irgend-welchen Ansprüchen seines Neffen Albrecht von Orlamünde. Dagegen soll Adolf IV. von Holstein wieder in seine Grafschaft eingesetzt werden, für den man sich ausdrücklich auch die Übergabe Rendsburgs, einer der ältesten und meistumstrittenen Eroberungen der Dänen, ausbedingt. Ferner ließ sich Heinrich von Schwerin für sich und seine Freunde und Verwandten Urfehde von den Dänen schwören und auf zehn Jahre Geiseln stellen, darunter des Königs eigene Söhne. So verfuhr man mit Waldemar ganz nach dem Muster, das er selbst im Jahre 1203 gegeben hatte. Auf Grund dieses Vertrages wurde er dann endlich am 21. Dezember 1225 151 ) aus seiner langen Gefangenschaft befreit, während sein ältester Sohn und Albrecht von Orlamünde einstweilen noch in Schwerin verblieben.

Doch als dann den Abmachungen gemäß zu Ostern 1226 der jüngere Waldemar freigeworden war und der "Sieger" damit den Thronerben wiedererlangt hatte, da glaubte er die Zeit gekommen, altes, was er während seiner Gefangenschaft eingebüßt hatte, zurückzuerobern. Von einer ferneren Erfüllung des Vertrages war bei ihm nicht mehr die Rede, sondern er wandte sich an den Papst mit der Bitte, ihn seines Eides, den er dem Schweriner Grafen gegeben, zu entbinden, da er ihn nur gezwungen geleistet habe. Gleichzeitig erinnerte er auch wieder an seine Eigenschaft als Kreuzfahrer. 152 ) Doch scheint der Papst nur ungern diesen äußersten Schritt getan zu haben. Er wandte sich zunächst an Heinrich von Schwerin und an den Kaiser mit der Aufforderung, der Graf solle freiwillig auf den erzwungenen Vertrag verzichten, widrigenfalls er dem Kirchenbann verfalle. Doch haben offenbar diese Schreiden samt den Drohungen auf den Schweriner Grafen jetzt so wenig wie früher irgendwelchen Eindruck gemacht. So sprach denn Honorius III. am 26. Juni 1226 Waldemar von seinem Eide los mit der sophistischen Begründung, daß "der Eid nicht ein Band der Ungerechtigkeit, sondern eine Stärkung der Gerechtigkeit sein solle". 153 ) Nun war der Sieger wieder frei!


151) Siehe Using. S. 354 Anm. 2.
152) Dieses Schreiben kennen wir nur aus den Briefen des Papstes.
153) Die Briefe des Papstes MG Epistulae saec. XIII. I, Nr. 301, 302, 304.
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Und unbekümmert um das Schicksal seiner noch in den Händen des Schweriner Grafen befindlichen Söhne und seines Neffen begann er noch im selben Jahre seinen Eroberungszug in deutsches Gebiet von neuem. Während von Süden her ihm sein Neffe Otto von Lüneburg zu Hülfe zog, überschritt er selbstdie Eider, suchte sich von neuem Dithmarschens zu bemächtigen, was ihm auch im Anfang des folgenden Jahres gelang, und vor allem das wichtige Rendsburg wieder in seine Gewalt zu bringen. 154 )

Längst hatten die Fürsten erkannt, was ihnen drohte, und daß vom Reiche auch jetzt kein Beistand zu erhoffen sei. So schlossen sie sich denn selbst zu einem Bündnis zusammen. Auch riefen sie den Herzog Albrecht, den Sohn Bernhards I. von Sachsen, der bisher wohl kaum etwas von seinem Herzogtum gesehen hatte und auch jetzt beim Kaiser in Italien weilte, ins Land zurück, vermutlich mit der Erklärung, daß sie bereit seien, ihm die Lehmshuldigung zu leisten. Sie übergaben ihm, wie die Stader Annalen berichten, Ratzeburg und Lübeck. Damit erhalten wir den Ursprung des Herzogtums, das später als Sachsen-Lauenburg bezeichnet wurde. Denn während es nicht mehr festzustellen ist, welche Anrechte an Lübeck der Herzog Albrecht erhielt 155 ), liegt die Frage betreffs Ratzeburg sehr einfach: da irgendwelche Rechte des inzwischen verstorbenen Grafen Adols von Dassel oder seines Hauses bei dem Schweriner Vertrage mit Waldemar nicht mehr erwähnt werden, so erhielt jetzt Herzog Albrecht dessen Grafschaft, d. h., da inzwischen Gadebusch an Borvin von Mecklenburg, Wittenburg an Heinrich von Schwerin gekommen war, das eigentliche Ratzeburger Kernland mit der Hauptstadt Ratzeburg. 156 )

Vielleicht hatte, so dürfen wir vermuten, an dieser Berufung des Herzogs Albrecht Graf Volrad von Dannenberg einen nicht unwesentlichen Anteil. Denn sicher stand er dem Hause Albrechts von all den in Frage kommenden Herren besonders nahe; sehen wir ihn doch bereits im Jahre 1225 zweimal in enger Verbindung mit diesem, indem er in Urkunden sowohl der Markgräfin Mathilde, der Witwe des im Jahre 1220 verstorbenen Markgrafen Albrecht II. von Brandenburg, wie des Grafen Heinrich von Anhalt, Herzog Albrechts Bruder, als Beirat und Zeuge bei


154) S.W. S 246 Nr. 370; Annall. Stadens. S. 359. Zu vergl. ist Using.
155) Vergl. darüber Using. S 368/69 u. Winkelm. S 504 Anm. 3.
156) Vergl. Kap. I Schluß.
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Güterveräußerungen fungiert. 157 ) Doch bevor noch der neue Herzog kam, zogen die verbündeten Herren dem Dänenkönig entgegen bis Rendsburg. In einer Urkunde Adolfs IV., die dieser hier am 29. September "in generali omnium Holtsatorum expeditione" für Kloster Preez ausstellt, finden wir neben dem Holsteiner Grafen, Heinrich von Schwerin, Ludolf von Hallermünde, dem Schwager der Gräfin Adelheid von Ratzeburg, auch Volrad von Dannenberg. 158 ) Doch noch einmal war dem "Sieger" das Kriegsglück hold. Noch am selben Tage wohl, oder doch gleich darauf kam es bei Rendsburg zur Schlacht, in der die Deutschen, obwohl sie dem Gegner zahlreiche Verluste beibrachten, infolge des ungünstigen Geländes schließlich unterlagen. 159 ) Und wieder stand jetzt mit dem Besitze Rendsburgs Waldemar ganz Holstein offen.

In diesen Kämpfen scheint Volrad II. von Dannenberg seinen Tod gefunden zu haben; denn jene Urkunde für Kloster Preez ist das letzte Zeugnis, das wir von ihm besitzen, während von jetzt ab sein Bruder Heinrich mehrfach, und zwar auf seiten Ottos von Lüneburg, genannt wird. Im Gefolge desselben erblicken wir ihn zu Braunschweig im Januar 1227. 160 )

Inzwischen trieben die Dinge einer Entscheidung zu. Bei Bornhoeved stand am 22. Juli 1227 das vereinigte Heer aller uns schon aus den früheren Kämpfen bekannten Herren, des Erzbischofs Gerhard II. von Bremen, der Grafen Adolf von Holstein und Heinrich von Schwerin, Heinrichs von Werle, sowie auch der beiden Städte Hamburg und Lübeck dem vereinigten Heer Waldemars und Ottos von Lüneburg gegenüber. Daß Heinrich von Dannenberg im Heere des letzteren gegen die alten Freunde und Verbündeten gekämpft habe, wo er doch von einem Sieg der dänischen Waffen sicher keine Vorteile zu erwarten hatte, ist nicht wohl anzunehmen, zumal wir ihn einige Jahre später wieder in enger Verbindung mit Adolf IV. von Holstein sehen. So wird denn jene große, für das Schicksal der ganzen nördlichen Gebiete Deutschlands auf Jahrhunderte entscheidende Schlacht ohne Mitwirken des Dannenberger Grafen geschlagen sein. Was diesen


157) Riedel a. a. O. A. VI, 400 und Cod. Dipl. Anhalt. II, Nr. 81. Wenn in letzterer Urkunde, die ebenso auch bei Origg. Guelf. IV, S. 148 gedruckt ist, Conrad von Dannenberg sich findet. so ist daß lediglich ein Lesefehler - Cunradi statt Vulradi -; ein Konrad findet sich nirgends in der Dannenberger Familie. Vergl. M. Jbb. 43, S. 35/36.
158) Hasse a. a. O. I, 446.
159) S.W. S. 246 Nr. 370. Vergl. Using. S. 370/71 u. Winkelm. S. 504 Anm. 2.
160) Origg. Guelf. IV, S. 106.
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zu seinem Verhalten veranlaßte, ist nicht zu erkennen, doch scheint aus den wenigen Nachrichten, die wir über ihn aus der nächsten Zeit besitzen, hervorzugehen, daß er auch später mehr zur Partei des Welfen als zu der der Verbündeten neigte Damit steht freilich in auffallendem Widerspruch das nächste Zeugnis, das wir von ihm haben. Als zu Anfang des Jahres 1229 Otto von Lüne- burg, der bei Bornhoeved in die Gefangenschaft des Schweriner Grafen geraten war, aus seiner Haft befreit wurde und dem Grafen Gunzel, dem Sohne des inzwischen verstorbenen Heinrich, Urfehde schwur, da verpflichtete er sich, falls er die ihm auferlegten Bedingungen nicht bis Epiphanias erfüllt hätte, samt seinen Bürgen zum Einlager in Dannenberg 161 ) Das setzt doch, dem Wesen des Einlagers entsprechend, voraus, daß der Dannenberger Graf zur Partei Gunzels von Schwerin gehört. Aber noch im selben Jahre erscheint Heinrich von Dannenberg Ende Dezember als Bürge Ottos in dessen Urkunde über den Friedensschluß mit Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Bischof Friedrich von Halberstadt, wo er ausdrücklich als Vasall Ottos bezeichnet wird. 162 ) Und auch für den Anfang des nächsten Jahres ist uns ein Aufenthalt Heinrichs zu Braunschweig im Gefolge Ottos des Kindes bezeugt 163 ), so daß wir annehmen müssen, daß er sich hier damals wie vielleicht öfter längere Zeit hintereinander aufgehalten hat


161) M. U.-B. I, 361. Über die Datierung siehe die Anmerkung der Herausgeber. - Damals kam Hitzacker mit dem zugehörigen Gebiet, wie es 1180 von Barbarossa an Bernhard von Sachsen verliehen war, wieder an dessen Sohn, Herzog Albrecht. So ist m. E., die Nachricht der Chronica Ducum de Brundw., Weil., Deutsche Chronikk. II, S 58 Kap 17: Unde pro sua liberacione castra Hidsackere et Louenburch et theram cis Albiam dereliquit" ,zu verstehen. Weiland ebenda Anm. 6 und Winkelm. Friedrich II., II, 64 Anm 2 vermuten unrichtig hinter theram [ terram] einen Ortsnamen - Daß damals Lauenburg an Albrecht gekommen sei, ist ein Irrtum der Chron. Duc. de Brunsw. dieses hatte er bereits 1227 bei der Auslieferung Albrechts v. Orlamünde erhalten siehe S. W. S 247 Nr. 372, die dann folgerichtig bei der Befreiung Ottos nur von der Übergabe Hitzackers spricht, ebenda Nr. 374. Und völlig damit übereinstimmend Annall. Stadens. ad 1227 u 1228. Das hat auch v. Heinemann, Gesch. von Braunschweig und Hannover I, 309 übersehen.
162) U.-B d. Hochst Halbersdt I, 609. Die Urkunde ist nach Dezember 16. ausgestellt, siehe Origg Guelf IV S 117 n 118. - Über die vorhergegangenen Kämpfe Ottos mit den beiden geistlichen Herren siehe S.W. S 248 Nr 374. Vergl. Winkelm. II, 68/69.
163) U,-B. d Stadt Braunschw.II, S 31 Nr 79. Da hier außer dem Dannenberger Grafen noch andere der in der vorigen Urkunde genannten Zeugen vorkommen und beide zeitlch nicht weit aneinander liegen, wird auch jene vermutlich zu Braunschweig augestellt sein.
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Aus dieser Zeit erhalten wir auch einmal eine Nachricht über die Tätigkeit Heinrichs als Dannenberger Grafen, wenn wir hören, daß er das Dorf Bresegard im Lande Weningen an Bischof Gottschalk von Ratzeburg verkauft. 164 ) Es ist dies nicht nur die älteste Verkaufsurkunde, sondern überhaupt die älteste Urkunde über die Privattätigkeit der Dannenberger Grafen, von der wir Kenntnis haben.

In den folgenden Jahren finden wir Heinrich II. ganz entsprechend der eigentümlichen Lage seines Landes, das sich sowohl auf welfischem wie markgräflichem wie auch - und zwar hier bis auf geringe Ausnahmen nur mit dem rechtselbischen Teil - auf Gebiet des Herzogs von Sachsen ausdehnte, bald bei Otto von Braunschweig-Lüneburg, bald bei dem Markgrafen Johann I. und senem Bruder Otto, bald bei Herzog Albrecht. 165 ) Im Jahre 1234 ist er zu Halberstadt Zeuge Adolfs IV. von Holstein, der dort eine Urkunde über Schenkungen an Kloster Riddagshausen ausstellt. 166 ) Auch das werden wir als eine Stütze unserer Vermutung, daß verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Grafenhäusern bestanden, benutzen dürfen.

Das letzte urkundliche Zeugnis über Heinrich stammt aus dem Jahre 1236. Wieder finden wir ihn bei Otto von Lüneburg oder, wie er sich seit einem Jahre nannte, Herzog Otto von Braunschweig, und zwar als Zeugen in der Vertragsurkunde, durch die Otto und Erzbischof Gerhard II. von Bremen den uralten Streit der Welfen und des Bremer Erzstifts um die Grafschaft Stade beilegten. 167 ) Das mag etwa im Frühling gewesen sein. Bald darauf hat sich Graf Heinrich dann auf jene Heerfahrt nach Livland begeben, die ihm verhängnisvoll werden sollte.

Seit man Ende des 12. Jahrhunderts in den Ostseeprovinzen die Kolonisation und Christianisierung von deutscher wie dänischer


164) Zehnt-Reg. M. U.-B. I, S. 376. Daß es um diese Zeit geschehen sein muß, geht eben aus der Erwähnung Gottschalks hervor, der von 1228 bis 1235 Bischof war. Dementsprechend zählt die Ratzeburger Bestätigungurkunde Friedrichs II. vom Jahre 1236 - M. U.-B. I, 448 - als curiae episcopales in Weningen Malk und Bresegard auf. Über das Wesen derselben vergl. M. U.-B. III, 2118.
165) Bei Otto von Lüneburg ist er 1232 zu Braunschweig (Origg. Guelf. IV Praef. S. 62) und 1233 zu Lüneburg (M. U.-B. I, 416); bei den Markgrafen 1231 (Riedel A. XIII, 202) und 1233 (ebenda XXII, 365); bei Herzog Albrecht von Sachsen 1232 zu Lüneburg (Hasse I, 501 u. 502).
166) Hasse I, 515.
167) Sudendf. a. a. O. I, Nr. 19. Vergl. v. Heinem. I, 315.
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Seite begonnen hatte, waren hier nie mehr ruhige Verhältnisse eingetreten. Immer noch mußten durch förmliche Kreuzzüge die vorgeschobenen Posten der Kultur gestützt werden, da der Orden der Schwertbrüder, der hier in erster Linie den Kampf gegen das Heidentum führte, der weit überlegenen Zahl der Heiden allein nicht gewachsen war. So hatte Papst Gregor IX., dem das Schicksal dieser Gebiete sehr am Herzen lag, als er im März des Jahres 1236 den Legaten Wilhelm von Modena hierher sandte, ihm den Auftrag gegeben, auf alle Weise für den Schutz dieser Gebiete zu sorgen und vor allem die zu einer Fahrt ins heilige Land entschlossenen Ritter und Herren des nördlichen Deutschlands zu veranlassen, daß sie anstatt gegen die Türken nach Livland zögen, um hier ihre Glaubensbrüder zu schützen und das Christentum ausbreiten zu helfen. 168 ) Diese Aufforderung hatte den gewünschten Erfolg. Unter Führung des Grafen Heinrich von Dannenberg, dem die livländischen Verhältnisse seit seiner dänischen Gefangenschaft schon bekannt sein mochten, und des Edlen Dietrich von Haseldorf, offenbar eines Vasallen Adolfs von Holstein 169 ), trafen bereits im Sommer 1236 ansehnliche Scharen von Kreuzfahrern in Riga ein und veranlaßten Volkwin, den Ordensmeister der Schwertbrüder, zu einer Heerfahrt gegen die Littauer, zu denen das Christentum bisher noch kaum gedrungen war. Im Spät-sommer zog man los, sengte und verwüstete das Heidenland in der üblichen Weise, während sich die Littauer zurückzogen. Bereits befanden sich die Kreuzfahrer wieder auf dem Rückweg, da wurden sie bei Seule an der kurländischen Aa in der Nähe von Bauske in sumpfiger Gegend plötzlich von den Littauern umstellt und fast bis auf den letzten Mann vernichtet, am St. Moritztage, dem 22. September. Mit dem Ordensmeister und fünfzig seiner Ritter fielen auch Dietrich von Haseldorf und Heinrich II. von Dannenberg. 170 )


168) Bulle Gregors vom 19. Febr. 1236, Liv-, Esth- u. Curländ. U.-B. S. 183/85. Vergl. hierüber wie über das Folgende vor allem Ewald, Die Eroberung Preußens durch die Deutschen S. 219 ff.
169) Haseldorf liegt in Stormarn.
170) Die Hauptquelle ist die um 1295 - siehe die Edition in SS Rer. Livonicar. I, S. 506 - abgefaßt Livländische Reimchronik, Vers 1859-1955. Den Grafen von Dannenberg ebenso wie den Herrn von Haseldorf nennt außerdem noch das Chronicon Hermanni de Wartderge, SS Rer. Prussicar. II, 33, das in diesem Punkte offenbar unabhängig von der Reimchronik ist, da es z. B auch das Datum der Schlacht, das die Reimchronik vermissen läßt, angibt. Sonst berichten noch von der Schlacht die Annall. Stadens. a. a. O. S. 363 ad 1236, (  ...  )
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Diese Schlacht bei Seule hatte bekanntlich die Vereinigung des fast aufgeriebenen Ordens der Schwertbrüder mit dem der Deutschherren zur Folge, über die man bereits länger verhandelt hatte. Daß die Dannenberger Grafen mit einem dieser beiden Orden schon vorher in engerer Verbindung gestanden hätten, ist nicht bekannt, doch möchte man das fast schließen aus einer Urkunde von 1238. In diesem Jahre verliehen nämlich die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg als Oberlehnsherren dem Kloster Dünaburg, das in naher Beziehung zu den Schwertbrüdern stand, 30 Hufen in Zachow und 50 Hufen in Siggelkow, die bis dahin die Grafen von Dannenberg und die Grafen von Schwerin von ihnen zu Lehen getragen hatten. 171 ) Das geschah, wie gewöhnlich in solchen Fällen, vermutlich auf Bitten der bisherigen Lehnsträger. Wir haben also hier ein weiteres Zeugnis für Beziehungen der Dannenberger Grafen zu Livland, sei es, daß diese schon länger bestanden, sei es, daß sie eben erst durch jenen unglücklichen Kreuzzug Heinrichs II geknüpft waren 172 )

Von den verwandtschaftlichen Beziehungen und Familienverhältnissen dieses Grafen erfahren wir mit Sicherheit so wenig wie bei seinen Vorfahren. Daß er vermutlich eine Tochter Adolfs III zur Gemahlin hatte, wurde schon gesagt. Was wir sonst noch über seine Familie zu berichten vermögen, beruht auf Schlüssen aus dem Atersverhältnis der in Frage kommenden Persönlichkeiten sowie aus der Art der Siegel, ein Kriterium, das von immer wachsender Bedeutung für die Ermittlung des Verwandtschaftsverhältnisses wird, da uns aus der Folgezeit eine


(  ...  ) die auch den Vornamen des Edlen von Haseldorf nennen. Fälschlich ins Jahr 1237 setzt sie die S. W. S. 252 Nr 382 ebenso wie die Annall. Dunemundens., MG SS XIX, 709. Daß der Dannenberger Graf gefallen sei, sagt ausdrücklich SS Rer. Prussicar. V, 75. Sein Vorname ist zwar nirgends genannt, doch kann nur Heinrich II in Frage kommen. Vergl. noch M. Jbb. 14, 61/63 - Lisch hält hier jedoch Heinrich II irtümlich für einen Bruder Bernhards I. und Adolfs I. - und M. Jbb. 43, 122/26.
171) M. U.-B. I, 488. Die Mecklenburgischen Besitzungen des Klosters Dünamünde kamen später an Kloster Reinfeld b. Lübeck. Daher liegen die betreffenden Urkunden und damit auch unsere ebenso wie der größte Teil der übrigen Reinfelder Urkunden nur in der Reinfelder Ausfertigung des 14 Jahrhunderts vor. Doch sind die Bestimmungen echt, M. U.-B. I, Vorrede S XXXIII-XXXV.
172) Letzteres meint Lisch, M. Jbb. 14, 63 u 75 - Noch im Jahre- 1243 und 1256 fordern Innocenz IV. bezw Alexander IV. die Diözesen Lübeck, Ratzeburg, Schwerin und Verden zu Kreuzzügen nach Livland auf, M. U.-B. X, 7168 u 7175.
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Ziemliche Anzahl der verschiedensten Siegelbilder erhalten ist. 173 ) Auf Grund dieser Schlüsse ergeben sich als Kinder Heinrichs II. drei Söhne, die Grafen Bernhard I. und Adolf I. und ein Kanonikus Heinrich, der jedoch ebenfalls den Grafentitel führt und als Heinrich IV. zu bezeichnen ist. 174 ) Da wir uns mit den ersteren beiden im Folgenden noch ausführlich zu beschäftigen haben, mag über ihn gleich hier alles gesagt werden, was wir von ihm wissen. Er wird zweimal, um 1245 [?] 175 ) und im Jahre 1255, zusammen mit seinen Brüdern Bernhard I. und Adolf I. urkundlich erwähnt und beide Male im Text als comes bezeichnet, während er das eine Mal, wo uns sein Siegel erhalten ist, als "Eccle. Canon." siegelt. 176 ) Wo er Domherr war, erfahren wir nicht. Saß, M. Jbb. 43, dessen Aufsatz für die genealogischen Dinge im wesentlichen das Richtige trifft, macht ihn in seiner Stammtafel S. 139 zum Domkellner in Verden, eine Vermutung, die wegen der späteren Beziehungen der Dannenberger Grafen zur Verdener Kirche - siehe unten - einige Wahrscheinlichkeit für sich hat. - Daneben werden auch die Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 29, im Jahre 1253 genannten und als "filiae comitis Heinrici de Dannenberg" bezeichneten Gerburge und Sophie, die dem Kloster Isenhagen ihr Eigen in Mehmke [b. Salzwedel] übertragen, als Töchter Heinrichs anzusehen sein. 177 ) Ob, wie Krüger, Zeitschr. des histor. Vereins für Niedersachsen 1874/75 S. 297 ff. und 318, annimmt, Gerburge identisch ist mit der um dieselbe Zeit erscheinenden Gräfin Gerburge von Lüchow 178 ), muß, da uns diese Schenkung in Mehmke leider nur im Exzerpt überliefert ist, dahingestellt bleiben. 179 )


173) Vergl. den Exkurs I.
174) Vergl. Saß S. 139 und Hellwig, M. Jbb. 69, 300. - M. U.-B., Pers.-Reg., läßt die Frage, wessen Söhne diese drei Brüder waren, offen. - Es wird richtig sein, mit Saß diesen Heinrich als den IV. zu bezeichnen, da der gleichnamige Sohn Volrads II. früher als er erwähnt wird.
175) Siehe Anm. 177.
176) Lüneburg. U.-B., Abteilung V, Archiv des Klosters Isenhagen, Nr. 11 u. Nr. 31.
177) Das ist zu schließen aus dem Altersverhältnis und aus Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 11. - Übrigens scheint mir bei der Datierung dieser Urkunden, Nr. 11 und Nr. 29, ein Fehler vorzuliegen; sie gehören sicher näher zusammen, und zwar so, daß Nr. 11 zeitlich herabzurücken wäre.
178) Lüneburgier U.-B., Abteilung V, Nr. 26.
179) Zwingend sind die von Krüger beigebrachten Gründe keineswegs. Daß die Schenkung beide Male dem Kloster Isenhagen gemacht (  ...  )
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Bevor wir uns jedoch der neuen Generation zuwenden, die durch die Söhne Heinrichs II vertreten wird, müssen wir kurz von dem Erlöschen der durch Volrad II begründeten Linie des Hauses Dannenberg berichten, die bereits mit Volrads Sohn Heinrich ausstirbt.

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Heinrich III. 1233-1237.

Zum ersten Male finden wir diesen erwähnt im Jahre 1233, wo Herzog Johann [Otto?] 180 ) von Braunschweig auf Bitten seiner Vasallen (fideles), des Grafen Heinrich von Hoya und des Grafen Heinrich von Dannenberg, dem Kloster Heiligenrode einen Hof zu Mackenstedt [b Hoya] schenkt. 181 ) Wenn hier Heinrich von Dannenberg neben seinem Oheim, dem Grafen von Hoya, genannt wird, so wird das, wie bereits Saß a. a. O. S. 120 auf Grund der Mackenstedter Verkaufsurkunde vom Jahre 1231

Hoyer U. -B. V, 14 - mit Recht vermutet, seinen Grund in Erbansprüchen haben, die von seiner Mutter Jutta herrührten. Wichtiger ist uns eine andere um 1237 ausgestellte Urkunde Heinrichs, in der er zusammen mit seinem Vetter Bernhard I dem Kloster St Johann in Uelzen "zum Ersatz für den Schaden, den ihm sein Vater Volrad II zugefügt hat", die Vogtei in Ripdorf [b. Uelzen] überläßt. 182 ) Welcher Art dieser Schaden war, wird uns nicht gesagt, und eine andere Nachricht über Zwistigkeiten zwischen Volrad von Dannenberg und dem Uelzener KIoster


(  ...  ) wird, spricht nicht undeding dafür, da die Klöster meistens von verschiedenen Familien ausgestattet wurden; vergl Saß S 134/35. Andererseits spricht der Umstand, daß der Name Gerburge in dieser Gegend mehrfach vorkommt, wie Saß S. 135 bemerkt, eher dagegen.
180) Nach Saß; a. a. O. S. 120 wäre Otto d. K. statt Johann, des späteren Herzogs von Lüneburg, anzunehmen. Die Urkunde, Hoyer U.-B. V, Nr 15, hat Johann.
181) Nach M. U.-B. IV, Person-Reg, S 147 soll Heinrich III. bereits im Jahre 1224 genannt sein. Dieser Angabe, die sich offenbar auf M. U.-B. I, 305 gründet, lieqt eine Verwechslung mit Heinrich II. zugrunde, wie aus deim Siegel hervorgeht, siehe Erkurs I. Überhaupt ist das M. U.-B. in seinen Angaben über Heinrich III. konfus; denn während es ihn hier S. 147 richtig als Sohn Volrads II bezeichnet, macht es ihn ebenda S. 206 zum Sohn Bernhards I. Also eine abermalige Verwechslung, und zwar mit Heinrich V. - Auch das Hoyer U.-B. in Anm. 2 bezeichnet ihn irrtümlich als Heinrich II. Vergl auch M. Jbb. 43, 120.
182) M. Jbb. 43, 159 Nr. 1 nach dem Orig. in Hannover - Die Urkunde hat die auf beide Aussteller passende Bezeichuung "antecessor noster" für Volrad II.
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besitzen wir nicht. 183 ) Doch gehen wir wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß sie bereits ziemlich lange zurücklagen und in die Zeit der allgemeinen Unruhen nach den Bürgerkriegen um den Königsthron fielen, die in Niedersachsen besonders groß waren und hier im Jahre 1223 einen besonderen Landfrieden nötig machten. 184 ) Wie gewöhnlich in solchen Zeiten, hatten damals besonders die Stifter und Klöster unter dieser Unsicherheit zu leiden. 185 ) Zu dieser Zeitbestimmung paßt sehr gut der Umstand, daß wir Volrad II., wie bereits gesagt, nach 1226 niemals mehr genannt finden. Auch diese Urkunde ist übrigens ein Beweis für die große Ausdehnung des Gebietes der Dannenberger Grafen, die in und bei Uelzen mehrfach mit Besitzungen genannt werden.

Noch zweimal finden wir Heinrich III. in demselben Jahre genannt, und zwar beide Male in Verbindung mit seinem Vetter Bernhard I., so daß man annehmen darf, daß auch jetzt noch keine Teilung zwischen den beiden Zweigen der Dannenberger Grafenfamilie vorgenommen war. Das eine Mal erfahren wir, daß die beiden Grafen dem Kloster Reinfeld - das ist das "Reme-velde" bei Pfeffinger - einen Hof (domus) im Dorfe Dachtmissen [bei Lüne] als Lehen übertragen. Diese Urkunde ist uns nur erhalten in der Bestätigung dieser Belohnung durch Herzog Albrecht I. von Sachsen. 186 ) Es muß dahingestellt bleiben, ob, wie v. Hammerstein, Bardengau S. 209, will, Dachtmissen Besitz der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und daher diese Bestätigung lediglich ein Akt der Höflicht der Dannenberger Grafen gegen den Herzog von Sachsen war. Bei den eigentümlichen Besitzverhältnissen dieser Zeit wäre es sehr wohl denkbar, daß Herzog Albrecht hier in nächster Nähe Lüneburgs tatsächlich Lehnsherr war, wie man aus dem Wortlaut der Urkunde schließen würde.


183) Vergebens sucht man bei Jaenicke, Geschichte der Stadt Uelzen, und Wilh. Reetz, Geschichte der Stadt Uelzen, näheres zu erfahren.
184) MG LL Sect. IV Bd. II, 394/96; auch bei Altmann-Bernh., Urkunden zur deutschen Verfassungs-Geschichte 3 Nr. 119.
185) Vergl. Winkelm. Friedr. II., S. 269 ff. - S. 371 Anm. 1 will er jenen Landfrieden auf 1221 ansetzen.
186) Pfeffing. a. a. O. II, 364/65; bei Hasse fehlt diese Urkunde. - Später tauscht dann Reinfeld Dachtmissen mit Kloster Lüne gegen Grove [b. Schwarzenbeck] um, Hasse II, 745. - Daß die Herzöge von Sachsen bisweilen noch immer den Anspruch erhoben, in vollem Umfang die Rechtsnachfolger Heinrichs des Löwen zu sein, beweist der Titel, den sich hier Albrecht als dux Saxoniae, Angariae et Westfaliae et dominus Nordalbingiae beilegt; ebenso Riedel A. XIV, 4 im Jahre 1248.
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Im übrigen bemerken wir um diese Zeit nicht mehr viel von der Lehnsabhängigkeit der Dannenberger Grafen vom sachsischen Herzogtum. Erst im Jahre 1291 erfahren wir von einer anderen Belehnung, nämlich in Warlow. 187 ) Und als Zeugen finden wir die Dannenberger Grafen bei den sächsischen Herzögen jetzt nur noch ein einziges Mal genannt 188 ), während sie in der Begleitung der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und der Markgrafen von Brandenburg verhältnismäßig häufig erscheinen. Ja, in dem Kampfe gegen das von den sächsischen Herzögen begünstigte Raubritterunwesen sehen wir sie sogar im offenen Gegensatz gegen die Herzöge Bündnisse abschließen (siehe unten).

Am 21. Juni 1237 treffen wir dann die beiden Dannenberger Grafen zu Lübeck, wo sie "ob favorem et affectum, quo circa cives ducimur Lubicenses", die Lübecker Bürger von allen Abgaben in ihrem ganzen Gebiet, insbesondere zu Dannenberg, Dömitz und Lenzen befreien, abgesehen von dem üblichen Zoll (iustum theloneum), der auch fernerhin von ihnen gezahlt werden muß. 189 ) Es wird sich dabei vermutlich hauptsächlich um Brücken- und Wegegeld gehandelt haben. Leider wird uns nicht gesagt, was die Dannenberger Grafen zu dieser entgegenkommenden Politik gegenüber Lübeck veranlaßte. Man wird jedoch kaum fehlgehen, wenn man den Grund in dem Wunsche sucht, ihren um diese Zeit aufblühenden Städten, eden jenen drei in der Urkunde genannten, gute Beziehungen zu dem damaligen Vorort des norddeutschen Handels und Verkehrs zu schaffen. Und andererseits unterhielt Lübeck seit der Zeit des gemeinsamen Kampfes gegen Waldemar II. gute Beziehungen zu den Fürsten und Herren Norddeutschlands. 190 )


187) M. U.-B. III, 2123. Das Eigentümliche an dieser Belehnung ist, daß Warlow im Lande Jabel liegt, daß doch seinerzeit dem Grafen Heinrich I. als Ganzes zur Kolonisierung überlassen war. Es scheint demnach, daß die sächsischen Herzöge, nachdem die Dannenberger Grafen hier keinerlei Fortschritte gemacht hatten, Jabel ebenso wie den Darzing für sich in Anspruch nahmen.
188) Im Jahre 1248 ist Graf Adolf I. Zeuge, als Albrecht I. die Zollstätten u. -Abgaben zwischen Hamburg und Lübeck einer- und Salzwedel andererseits festsetzt, Riedel A. XIV, 4.
189) M. U -B. I, 466. Wenn hierbei gesprochen wird von "in iurisditione et dominio nostrorum", so ist das sicherlich ein έν διά δυοϊν von einer Scheidung zwischen richterlicher und territorialer Gewalt kann um diese Zeit keine Rede mehr sein. Auch würden sie ja als bloße Beamte eine solche Befreiung nicht erteilen können. Vergl. noch Weiland a. a. O. S. 101 ff.
190) Man vergleiche die ähnliche Urkunde Gunzels von Schwerin vom Jahre 1240 - M. U.-B I, 505 -, in der auch Bernhard von Dannenberg als Zeuge genannt wird, sowie M. U.-B. II, 717.
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Da wir im nächsten Abschnitt auf die Anfänge städtischen Lebens in Dannenberg näher einzugehen gedenken, muß hier kurz von den beiden anderen genannten Städten gesprochen werden. Dömitz, das später neben Dannenberg der wichtigste Ort der Grafschaft wurde und meistens der Sitz eines Mitgliedes der Grafenfamilie war - im Jahre 1291 wird Adolf II. von seinem Bruder Nikolaus geradezu als Graf von Dömitz bezeichnet 191 ) -, wird hier zum ersten Male genannt. Wenngleich die Namensform auf wendische Gründung schließen läßt, hat es offenbar seine Bedeutung erst durch die Dannenberger Grafen erlangt, und zwar vermutlich in erster Linie durch Anlegung einer Zollstätte. 192 ) Zwar wird es erst im Jahre 1259 ausdrücklich als "civitas" bezeichnet 193 ), doch ist, schon allein aus seiner Gleichstellung mit Dannenberg und Lenzen, als sicher anzunehmen, daß es schon jetzt das Stadtrecht erworben hatte. - Welche Rechte die Dannenberger Grafen in Lenzen besaßen, wird uns leider nirgends gesagt;

immerhin steht soviel fest, daß sie hier von den Markgrafen von Brandenburg gemeinsam mit den Schweriner Grafen belehnt waren. 194 ) Doch scheinen sie dies Lehen nur kurze Zeit jedenfalls nicht länger als etwa dreißig Jahre, besessen zu haben; denn im Jahre 1219 hatte Markgraf Albrecht II. allein den Grafen Heinrich den Schwarzen von Schwerin mit Schloß, Dorf und Zoll in Lenzen belehnt 195 ), und bereits 1252 hören wir, daß es an Brandenburg zurückgefallen sei. 196 ) Wahrscheinlich datierte jene Mitbelehnung aus der Zeit der engen Freundschaft zwischen den Schweriner und Dannenberger Grafen in ihrem Kampfe gegen Waldemar II. von Dänemark. 197 )

Innere Einrichtung der Grafschaft Dannenberg um 1250.

Bevor wir uns nun der nächsten, durch die Söhne Heinrichs II., Bernhard I. und Adolf I., vertretenen Generation zuwenden, müssen wir einen kurzen Blick auf die innere Einrichtung unserer


191) M. U.-B. III, 2128.
192) Daher treffen wir auch keineswegs zufällig unter den Zeugen in unserer Urkunde "Johannes, theolonearius in Domelitz".
193) M. U.-B. II, 845.
194) M. U.-B. II, 702.
195) M. U.-B. I, 251.
196) Eben aus jener Urkunde Ottos III., M. U.-B. 11, 702.
197) Waldemar wurde, wie erwähnt, eine Zeitlang in Lenzen gefangen gehalten. Leider erfahren wir auch bei dieser Gelegenheit nichts darüber, ob schon damals die Dannenberger Grafen Anteil an L. hatten.
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Grafschaft werfen. Freilich sind die Zeugnisse darüber, wenngleich sie sich im Verhältnis zur vorausgegangenen Zeit bedeutend mehren, immer noch recht spärlich. Dennoch muß es versucht werden, ein, wenn auch unvollkommenes, Bild der Struktur einer solchen Grafschaft zu gewinnen. Dieses wird jedoch, soll es überhaupt möglich sein, die aus ganz verschiedenen Jahren stammenden Nachrichten auf einen Zeitpunkt vereinigen müssen, der hier um das Jahr 1250 als die Zeit der größten Ausdehnung der Grafschaft Dannenberg gewählt ist. Wie bereits gezeigt 198 ), bestand die Herrschaft unserer Grafen links der Elbe aus lauter kleinen und kleinsten Besitzungen, die sich in einem großen Bogen von den Quellen der Jeetzel bis zur Mündung der Luhe erstreckten. Es war vollkommener Streubesitz; denn dicht neben einem dannenbergischen lag ein Dorf der Schweriner oder der Lüchower Grafen, ja sogar in allernächster Nähe von Dannenberg fanden sich Lehen der ersteren. 199 )

Der Besitz der Dannenberger Grafen verteilte sich, abgesehen von ihrem Allod in der Magdeburger und Salzwedeler Gegend, im wesentlichen auf vier Oderlehnsherren, nämlich die Herzöge von Sachsen, die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, die Markgrafen von Brandenburg und das Verdener Bistum. Von letzterem besaßen sie nur Zehnten. Das ist wichtig für uns; denn da in den Urkunden nur verhältnismäßig selten die Herkunft der Besitzrechte angegeben wird, werden wir überall da, wo wir links der Elbe Zehntbesitz der Dannenberger Grafen finden, die Verdener Kirche als Oberlehnsherrn anzunehmen haben. Merkwürdigerweise haben diese garnicht einmal zahlreichen Besitzungen dazu geführt, daß man in späterer Zeit die ganze Grafschaft, wenngleich im engeren Sinne, d. h. auf den linkselbischen Teil beschränkt, als Verdener Lehen ansah. Diese Ansicht ist erst zutreffend für das Ende des 14. Jahrhunderts, als es längst keine Grafen von Dannenberg mehr gab und als man unter der "comitia in Dannenberge" lediglich die Stadt selbst mit ihrer nächsten Umgebung verstand. 200 ) Genau genommen käme als fünfter Lehnsherr noch das Bistum Ratzeburg hinzu wegen des um 1190 von Bischof Isfried dem Grafen Heinrich I. verliehenen Zehnten im


198) Vergl. S. 77.
199) Siehe die Karte. Vergl. v. Hammerstein, Zeitschr. d. histor. Vereins f. Niedersachsen 1857.
200) Sudendorf a. a. O. VI, 146 und das Registrum Ecclesiae Verdensis des Andreas von Mandelsloh (1519-1585) in v. Hodenberg, Verdener Geschichtsquellen I, 4.
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Lande Weningen und Jabel. Doch besteht kein Zweifel, daß sich diese Zehntverleihung inzwischen zu einem Territorialbesitz ausgewachsen hatte und somit Lehen des Herzogs von Sachsen war, während, wie bekannt, das Land Jabel nie in den wirtlichen Besitz der Grafen übergegangen und daher unmittelbar an die Herzöge gefallen war.

Auch hinsichtlich der Rechte, die die Dannenberger Grafen an den einzelnen Besitzungen hatten, werden die mannigfachsten Unterschiede bemerkbar. Mehrfach sind sie, zumal bei brandenburgischen Lehen ist das der Fall, gemeinsam mit den Schweriner Grafen belehnt; an manchen Orten beschränkt sich ihr Lehen aus wenige Hufen; über Bardowiek und Ripdorf üben sie lediglich die Vogtei aus. - Wie schon erwähnt, wird uns in den wenigsten Fällen der Ursprung dieser Besitzrechte genannt; doch ist, abgesehen von den Fällen, wo das geschieht, immerhin ein weiterer Teil durch Schlüsse aus der Lage oder sonstigen Angaben, wie z. B., daß sie als Zehnten bezeichnet werden, festzulegen. Die Tabelle auf S. 125 möge das Verhältnis veranschaulichen. Die Besitzungen, deren Ursprung nicht angegeben ist in den Urkunden, deren Zugehörigkeit zur einen oder andern Gruppe jedoch als einigermaßen gesichert erscheint, sind mit einem Fragezeichen versehen. Dennoch hat hier nur etwa die Hälfte der Besitzungen eingetragen werden können. Die sämtlichen bekannten Rechte der Dannenberger Grafen sowie die urkundlichen Belege finden sich im Exkurs II. Ein großer Teil der nicht eingetragenen Orte findet sich im Lande Weningen, das den Grafen als Ganzes von den Herzögen von Sachsen übertragen war. Mehrfach werden hier Dörfer als Eigen der Grafen genannt; diese sind in der Tabelle in Klammern gesetzt, da sie natürlich von dem übrigen Allodialbesitz scharf geschieben werden müssen.

Die völlig verstreute Lage dieses Besitzes machte es den Grafen natürlich unmöglich, alles seber zu bewirtschaften; auch folgten sie nur dem Brauch der Zeit, wenn sie ihn als Afterlehen an ihre Mannen austeilten, die auf diese Weise für die Verpflichtung zur Heeresfolge entschädigt wurden. Im folgenden soll versucht werden, ein Bild dieses Lehensverhältnisses in der Grafschaft Dannenberg zu gewinnen:

1. Bei weitem die meisten Lehen hatte, wenigstens in späterer Zeit, die Familie von dem Knesebeck inne, die in den Brüdern Wasmod und Paridam zuerst im Jahre 1289 im Gefolge der

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Die Besitzrechte der Grafen von Dannenberg nach ihrem Ursprung (um 1250)
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Dannenberger Grafen angetroffen wird. 201 ) Das zeigt uns eine außerordentlich wichtige Notiz in dem von v Hodenberg herausgegebenen Lüneburger Lehnregister der Zeit von 1330/52. 202 )

2. Die Brüder Lippold und Gerhard von Dähre waren in Dahre mit 6, in Bendorf mit 14 Wichhimpten Roggen belehnt, wie wir gelegentlich eines Tausches der beiden Brüder mit der Dährener Kirche erfahren. 203 ) Leider hören wir nicht, ob der Lehnbesitz der Dannenberger Grafen in diesen beiden Orten noch mehr als dies wiederverliehene Gut umfaßte. Allem Anschein nach trugen sie selbst es von der Verdener Kirche zu Lehen, da im Jahre 1250 Bischof Lüder von Verden jenen Tausch bestätigte Da wir nun im übrigen immer nur von Zehnten hören, die von der Verdener Kirche an die Dannenberger Grafen verliehen waren, so werden wir in jenen 20 Wichhimpten etwas Ähnliches zu sehen haben. - Einen Sohn Gerhards v. Dähre, Dithard, finden wir belehnt mit Hohnstorf [b Uelzen]. 204 )

3. Die in Dannenberger Urkunden sehr häufig als Zeugen genannte märkische Familie v. Bardeleben war mit Rohrberg [i. d. Altm.] belehnt. 205 )

4. Johann Gans v. Gartow, ein Mitglied der Familie Gans von Putlitz, und sein Sohn Gebhard (Gevehard) besaßen Gladdenstedt [ebenfalls i. d. Altm. ]. 206 )


201) Riedel A XXII, 98. Sie werden hier als milites bezeichnet. Ein Bodo von dem Knesebeck findet sich noch im Jahre 1311 im Gefolge des letzten Dannenberger Grafen, Riedel A XXII, 21 f.
202) Siehe dort S 24/25. Natürlich ist unter dem "von Dannenberge" die Grafschaft als Lehnsherr und nicht etwa die Ministerialenfamilie von Dannenberg zu verstehen, Wie es nach der Anordnung v. Hodenbergs scheinen könnte. Vergl. v. Hammerstein, Bardengau S. 167 und die eingehende- Darlegung bei Saß a. a. O. S. 150/51.
203) Riedel A XVI, S 396. Die Urkunde bei Riedel hat Döhre, doch ist zweifellos das heutige Dähre b. Salzwedel gemeint, was auch schon aus der Erwähnung Bendorfs hervorgeht. Letzteres - in der Urkunde Benthorp - wird von Riedel im Namenverzeichnis als zugrunde gegangenes Dorf in der Altm. bezeichnet; Näheres findet sich Altmärkisch. Jahresbericht XII, 45 Nr. 61. Die Schreibweise Riedels "Benndorf" ist unberechtigt. - 1 Wichhimpten = 12 Maß zu 1 Mark Pfennige Lübisch.
204) Pfeffinger a. a. O. II, S. 366/67.
205) Riedel A XIV, S. 5. Gerbert v. Bardeleben wird hier als Burgmann (castellanus) der Dannenberger Grafen bezeichnet. - Für die Familie v. Bardeleben vergl. noch Sim. Friedr. Hahn, Collectio monumentor. veterum I, 259/60; M. U.-B. II/ 1054 u. 1089; Riedel A VI, 17; Regg. archiepisc. Magdeburg. II, Nr. 1626.
206) Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr 31.
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5. Ebendort, in Mehmke, wird eine ganze Reihe von Lehnsträgern erwähnt, die jedoch sämtlich nur 1 bis 2 Hufen von den Dannenberger Grafen innehatten. Der wichtigste von ihnen ist Philipp v. Stöcken, dessen gleichnamigen Enkel 207 ) wir im Jahre 1311 auch in Tramm i. d. Altm. belehnt finden. Neben ihm werden genannt Berthold v. Weldensburg, Dietrich v. Jaborn, Konrad v. Botendorf, Dietrich Bocmast und Ida, Witwe v. Bornstedt. 208 )

6. Ludolf v. Estorf wird als Lehnsträger in Melbeck (b. Lüneburg) 209 ) und

7. Berthold v. Lengede in Cruzen im nordöstlichsten Teil der- Grafschaft genannt. 210 )

8. Huno v. Karwe wird im Jahre 1290 von Graf Nikolaus mit Grittel und der Holzungsfreiheit im Walde Liepe belehnt. 211 )

9. Das Allodialgut der Grafen in ihrer Heimat Ammensleben finden wir in Händen des Herrn Konrad, Schenk von Magdeburg, und Johann Kribbenclots. 212 ) Alle diese Lehnsmänner werden durchweg als "milites" bezeichnet; sie gehörten also dem Stande der Ministerialen an, der bekanntlich eben damals mächtig emporstrebte und bald seinen Anschluß an den der Ritterbürtigen vollzog.

Neben diesen ausdrücklich als von den Dannenberger Grafen mit Lehen ausgestattet erwähnten Herren treffen wir in ihrem Gefolge, meist als Zeugen, noch eine ganze Reihe anderer Ministerialengeschlechter. Das wichtigste derselben ist das der Herren von Dannenberg, das zum ersten Male im Jahre 1237 mit Ernst von Dannenberg in der bereits erwähnten Urkunde erscheint, die Heinrich III. und Bernhard I. der Stadt Lübeck ausstellen. 213 ) Auffallend ist, daß er sowohl wie die übrigen genannten Herren außer Ritter Arnold von Tramm hier als "mercatores" bezeichnet werden, während sie ganz offenbar dem Ritterstand an-gehören und wir z. B. den hier genannten Gerhard v. Bezmer im Jahre 1253 als Gerhard v. Boizmer in rittermäßiger Stellung.


207) Dieses Verwandtschaftsverhältnis schließe ich aus dem Zeitabstand der Urkunden; die betr. Urkunde von 1311 Riedel XXII, 21 f.
208) Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 11.
209) U.-B. d. Stadt Lüneburg I, Nr. 265. Vergl. über ihn ebenda Nr. 251, wo er als Vogt von Melbeck genannt wird.
210) M. U.-B. II/ 990.
211) M. U.-B. III, 2049
212) Regg. archiepisc. Magdeburg. II, Nr. 1641 u. 1626.
213) M. U.-B. I, 466.
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finden. 214 ) Auch Ernst von Dannenberg wird noch ein zweites Mal um 1237 erwähnt und hier ausdrücklich als miles bezeichnet. 215 ) Später - er ist nachweisbar bis 1251 - finden wir ihn nur in Urkunden der Markgrafen genannt, und zwar ohne daß die Grafen von Dannenberg anwesend sind. Einmal wird er von jenen sogar als fidelis noster Ernestus de Dannenberg bezeichnet. 216 ) Auch Ernst's Sohn Heinrich, der bis 1295 erwähnt wird, scheint in der Hauptsache Vasall der Markgrafen gewesen zu sein. 217 ) Doch wird er auch zweimal als Vasall Bernhards II von Dannenberg genannt. 218 ) Von den Schweriner Grafen besaß er in unmittelbarer Nähe Dannenbergs Dorf und Mühle in Streetz. 219 ) Ein Sohn Heinrichs ist der bis 1311 als Knappe (famulus), später als miles mehrfach, jedoch nur ein einziges Mal in Verbindung mit dem Dannenberger Grafenhause, genannte Otto von Dannenberg. 220 ) Natürlich stand diese Ministerialenfamilie in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung zum Grafenhause, wie z. B. Riedel annimmt, bei dem sie im Namenverzeichnis Bd. I in bunter Reihe mit den Grafen erscheint. 221 ) Ob bereits der um 1190 als erster urkundlich nachweisbare Ministeriate der Dannenberger Grafen genannte Helingerus, miles de Dannenberge, dieser Familie angehört, muß unentschieden bleiben. Von sonstigen Ministerialengeschlechtern werden noch häufiger genannt die v. Hitzacker, die Paschedach, Dargeslav, Lasbek, Schlegel, Zicker, Clitzing, v. Breze - nach M. U.-B. IV, Ortsreg., aus Breetze b. Bleckede -, v. Estorf, v. Herzfeld, v. Pinnow, v. Dassow, v. Gartow, v. Holdenstedt, v. Bodenteich, v. Alvensleben, v. Wülmersen u. a. 222 ) Man sieht, mit den bereits oben unter den Belehnten genannten Herren


214) M. U.-B. II, 718. Vergl. auch M. Ü.-B. IV, Pers.-Reg. "Boizmer".
215) M. Jbb. 43, 159.
216) Siehe Riedel A. XIV, 5; ebenda XXV, 171 u 172.
217) Vergl. über ihn Riedel A. XIV, 34 und XXII, 97 und B. I, 213.
218) Riedel A. XIV, 36.
219) Siehe die um 1296 abgefaßte Lehnrolle der Schweriner Grafen, M. U.-B. III, 2421 § 19.
220) Riedel A. XXII, 97, I, 298, XXII, 101; VI, 452 u. viele a. Bei Rikol. v. Dannenberg ebenda XXII, 22.
221) Siehe dort S. 341.
222) Siehe Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 31; Pfeffinger a. a. O. II, 366/67, Riedel A. VI, 17; Regg. archiep. Magdeburg. II, Nr 164 u 1626, M. U.-B. II, 845 u. 1195 u. a.
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war es eine stattliche Schar von Gefolgsleuten, über die die Dannenberger Grafen geboten.

Mit dem festen Sitz der Grafen in Dannenberg und der Erweiterung der Burg zur Stadt, die verhältnismäßig schon früh vor sich gegangen war 223 ), und der wachsenden Verwaltungstechnik hatte sich hier ein förmlicher Hof nach dem Muster der Fürstenhöfe gebildet. So finden wir in den Urkunden häufig genannt den Hofkaplan und Hofnotar Hoger (Hogerus cappellanus et notarius curie) und als seinen Nachfolger Alberich. Dies Amt erschien so wichtig, daß die Söhne Adolfs I. einen eignen Kaplan, Heinrich, hatten. 224 ) Auch der Kämmerer, Tylo, findet sich. 225 ) Von sonstigen Beamten treffen wir in Dannenberg nacheinander die Vögte Martin, Hermann und Johann Mulo, die zu den milites gerechnet werden, und in der zweiten Stadt der Grafschaft, Dömitz, den Zöllner Johann. 226 )

Auch einige Spuren städtischen Lebens finden sich. So wird um 1230 der Propst Eilbert in Dannenberg genannt - M. U.-B. I Nr. 375 S. 376 -, den wir im Jahre 1240 zu Stade finden. Wie uns die Stader Annalen - MG SS XVI, 367 - berichten, gehörte er dem Minoritenorden an. Offenbar war sowohl er wie der im Jahre 1252 erwähnte Propst Cyriacus und der 1264 ohne Namen genannte dominus praepositus de Dannenberge 227 ) Vorsteher des Nonnenklosters zu Dannenberg 228 ) und zugleich Seelsorger der Stadt. In Dömitz werden uns um 1272 zu gleicher Zeit zwei Geistliche (sacerdotes) genannt, der plebanus [- Archidiakon] Alberich und ein Rudolf, dessen Amt nicht näher bezeichnet ist. In Dannenberg wird um 1279 ein Goldschmied Dietrich (Thidericus aurifaber) erwähnt 229 ), und


223) Um 1200; siehe S. 91.
224) Hoger wird genannt M. U.-B. II, 845; Pfeffinger II, 366/67; Regg. archiep. Magdeburg. II, Nr. 1626; Hahn a. a. O. I, 259/60. Alberich M. Jbb. 43, 163/64. Heinrich M. U.-B. III, 1770. Ihre Stellung ist bald vor, bald hinter den milites.
225) M. U.-B. III/ 2123. Über diese Ämter an den kleinen Höfen Mecklenburgs vergl. neuerdings Rob. Küster, Die Verwaltungorganisation von Mecklenburg im 13. u. 14. Jahrh., M. Jbb. 1909.
226) M. U.-B. I, 466 u. II, 990; Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 31.
227) Hahn a. a. D. I, 259/60; Riedel A VI, 17.
228) Dieses wird zu 1289 vom Lüb. U.-B. I, 1 Nr. 530 S. 481 erwähnt. Es wird zu St. Georg vor Dannenberg gelegen haben.
229) Riedel A XXII, S. 97. Sicher ist das "cannenberche" der Urkunde ein Lesefehler für Dannenberche.
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in Dömitz treffen wir ungefähr um dieselbe Zeit fünf Ratsherren (consules), darunter die beiden Schuster Arnold und Bernhard. 230 ) Beide Städte besaßen das Münzrecht, doch mit dem Unterschiede, daß dasselbe in Dannenberg von den Bürgern erworben war, während es in Dömitz den Grafen gehörte, was auf eine größere Selbständigkeit der ersteren Stadt überhaupt schließen läßt. 231 )

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Bernhard I. 1227-1266 und Adolf I. 1245-1266.

Von den Söhnen Heinrichs II. folgten ihm, nachdem Heinrich IV. in den geistlichen Stand getreten war - siehe oben -, Bernhard und Adolf in der Grafschaft. Diese verwalteten sie, wie es scheint, völlig gemeinsam. Nur darin mag man einen Unterschied sehen, daß Bernhard mehrfach im Gefolge der Markgrafen von Brandenburg erscheint, während Adolf häufiger als Zeuge des Herzogs Albrecht von Braunschweig genannt wird. 232 ) Von den beiden Brüdern ist Bernhard offenbar bei weitem der ältere; denn während wir Adolf erst im Jahre 1245 nachweisen können 233 ), finden wir ihn bereits 1227 - also noch zu Lebzeiten seines Vaters - als Grafen von Dannenberg genannt. 234 ) Legt schon die enge Verbindung, in der Bernhard hier mit den Schweriner Grafen auftritt, den Gedanken einer verwandtschaftlichen Beziehung zu ihnen nahe, so wird eine solche und zwar in der Weise, daß die Gemahlin Bernhards eine Gräfin von Schwerin war, wahrscheinlich gemacht durch den Umstand, daß zwei seiner Söhne die Namen Nikolaus und Gunzel tragen, Namen, von denen der letztere seit langem im Schweriner Grafenhause gebräuchlich ist, während der erstere in beiden Familien ziemlich zu gleicher Zeit auftritt. Um so mehr sind wir zu einer solchen Annahme berechtigt, als es sehr wahrscheinlich ist, daß das seit langem zwischen beiden Grafenhäusern bestehende gute


230) M. Jbb. 43, 162/63.
231) U.-B. d. Stadt Lüneburg I, 192; M. U.-B. III, 2127.
232) 4 mal findet sich Bernh. in Verbindung mit den Markgrafen, s. u.; 7 mal Ad. bei dem Braunschweiger: 1248 (Riedel A. XIV, 4), 1254 (Leuckfeld, Antiquitates Poeldens. S. 65 Anm. a), 1255 (M. Jbb. 43, 113), 1256 (U.-B. d. Hochst. Hildesheim II, 995), 1257 2 mal (Westf. U.-B. IV, 715 u. Sudendf. I, Nr. 43), 1258 (Sudendf. I, Nr. 46).
233) Lüneburger U.-B. Abt. V, Nr. 8 u. 11. - Riedel a. a. O. hält - Register "Dannenberg" - den bei ihm A XVII, 437 zum Jahr; 1209 genannten comes Adolfus für einen Grafen von Dannenberg. Das ist falsch; es handelt sich hier um Adolf von Holstein. Vergl. Böhm.-Ficker, Regg. Imp. V, 1 Nr. 239.
234) M. U.-B. I, 339.
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Verhältnis auch zu einer verwandtschaftlichen Verbindung führte. 235 ) Den Namen der Gemahlin Bernhards erfahren wir nicht. - Wenig mehr ist uns bekannt über die Gemahlin Adolfs I. Wir wissen nur, daß sie Mathilde hieß und wahrscheinlich um 1259 starb, da in diesem Jahre Graf Adolf dem Nonnenkloster Eldena, dem bedeutendsten auf Dannenberger Gebiet, eine jährliche Hebung von 2 Chor Malz aus der Mühle zu Dömitz zu Seelmessen für seine verstorbene Gattin schenkte. 236 )

Während der nächsten Zeit treffen wir Bernhard zweimal als Zeugen, und zwar im Jahre 1230 bei dem Schutz- und Trutz-bündnis, das Fürst Johann von Mecklenburg und Herr Nikolaus von Rostock, Fürst von Werle, mit Graf Gunzel von Schwerin schließen 237 ), und im Jahre 1232 zu Gandersheim im Gefolge Ottos des Kindes von Braunschweig-Lüneburg, der der Abtissin Berta von Gandersheim Ersatz verspricht für den Verlust, den ihr Kloster während seiner Schweriner Gefangenschaft von seinen Leuten erlitten hat. 238 ) Daß er dann im Jahre 1237 mehrfach zusammen mit seinem Vetter Heinrich III. genannt wird, wurde bereits gesagt. Endlich im Jahre 1245 finden wir ihn zum ersten Male zusammen mit seinem Bruder Adolf genannt, und zwar im Kloster Oldenstadt bei Ülzen, wo beide Brüder "auf Bitten ihres Herrn", des Herzogs Otto von Braunschweig, auf ihr Lehnrecht an Isenhagen verzichten, da der Herzog hier ein Kloster erbauen will. 239 )

In den nächsten Jahren erscheinen die Dannenberger Grafen in ziemlich engem Zusammenhang mit den Markgrafen von Brandenburg. Denn während Bernhard im Jahre 1249 zu Arneburg als Zeuge Johannes I. und Ottos III. füngiert 240 ), werden "die Grafen von Dannenberg" zusammen mit anderen


235) Weiter dürfen wir jedoch nicht gehen und z. B. mit Saß a. a. O. S. 136 eine derartige Verwandtschaft mit aller Bestimmtheit behaupten. Möglich ist es durchaus, daß eine solche Namenübereinstimmung auf Zufall beruht; so wird z. B. im Jahre 1266 ein dominus Gunzel v. Hitzacker genannt - M. U.-B. II, 1089 -, ohne daß die Familie der Herren v. Hitzacker im übrigen das Geringste mit den Schweriner Grafen zu tun hätte.
236) M. U.-B. II, 845. - 1 Chor - 24 bis 30 Scheffel.
237) M. U.-B. I, 381.
238) Leibniz, SS rer. Brunsvicens. II, S. 379.
239) Lüneburger U.-B. Abt. V, Nr. 8. - Die eigentliche Gründung des Klosters Isenhagen hatte zwischen 1243/45 durch Agnes, die Witwe des Pfalzgrafen Heinrich, stattgefunden; v. Heinem. a. a. O. I, 316.
240) Riedel A XV, 12.
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Lehnsleuten der Markgrafen, den von Emmelndorf, Tralau und Crumesse, besonders genannt, als am 20. April 1252 Markgraf Johann I. zu Wolmirstedt Frieden mit Lübeck schließt. Dieses war nämlich am 25. März dieses Jahres durch Wilhelm von Holland an die Markgrafen verliehen 241 ) und lag seitdem in Fehde mit ihnen. Daran scheinen sich jene brandenburgischen Vasallen, voran die Dannenberger Grafen - ganz im Gegensatz zu ihrer Haltung im Jahre 1237 -, eifrig beteiligt zu haben. Denn es wird jetzt bestimmt, daß sie die Bürger Lübecks, solange sie in ihrem Gebiet sich befinden, in keiner Weise belästigen sollen. 242 ) Doch scheint diese Weisung wenig gefruchtet zu haben; denn bereits im nächsten Jahre wieder kündigen die Grafen Bernhard und Adolf von Dannenberg "auf Befehl ihrer Herren, der Markgrafen von Brandenburg," dem Rat und der Gemeinde zu Lübeck an, daß sie mit ihnen einen Waffenstillstand (treugas ad tempus) mit 14 tägiger Kündigungsfrist schließen wollen. Sie bitten, daß bis zur Aufhebung dieses Waffenstillstandes auch die Bürger ihrer Städte von den Lübeckern in ihrem Gebiet volles Geleit (plenum ducatum) erhalten, damit sie in Ruhe und Frieden ihrem Handel nachgehen können. 243 )

In denselben Zusammenhang gehört auch eine undatierte Urkunde, die vom Lübecker und ebenso vom Mecklenburgischen Urkundenbuch mit Recht ins Jahr 1253 gesetzt wird. Darin schreiben die Grafen Bernhard und Adolf von Dannenberg an die Lübecker auf ihre Beschwerde, daß ihnen in der Nähe der Stadt von Leuten der beiden Grafen Pferde gestohlen seien, daß die von ihnen bezeichneten Knechte (servi) nicht die ihrigen seien. Für den Fall jedoch, daß ihnen auch von ihren Leuten irgendwelcher Schaden zugefügt sei, möchten sie zwei Bürger unter dem Geleit der Grafen zu ihnen senden, mit denen sie dann die Sache näher untersuchen wollten. 244 )


241) Lüb. U.-B. I, 1 Nr. 181. Vergl. O. Hintze, Das Königtum Wilhelms von Holland S. 48.
242) Lüb. U.-B. I, 1 Nr. 183 S. 169. Vergl. W. Wiederhold, Untersuchungen zur Staats- und Verfassungsgeschichte der nordalbingischen Territorien, Göttinger Dissert. 1897, S. 67/68. Doch ist bei W. ein Irrtum untergelaufen; die von ihm angezogene Urkunde Lüb. U.-B. I, Nr. 194 gehört ja ins Jahr 1253.
243) M. U.-B. II, 717. Siehe den Entwurf dieser Urkunde Lüb. U.-B. I, 1 Nr. 194 S. 180.
244) M. U.-B. II, 718. - Das Lüb. U.-B. I, 1 Nr. 195 - und nach ihm Riedel B I, S. 41 - hat in dieser wie in der vorhergegangenen Urkunde das A. fälschlich zu Albert ergänzt, ein Fehler, (  ...  )
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Ein weiteres Zeugnis ihrer engen Verbindung mit den Markgrafen erhalten wir zwei Jahre später, als Otto III. dem Hl. Geisthospital zu Salzwedel alle Güter, die diesem von den Grafen von Dannenberg geschenkt sind, bestätigt. 245 ) Es scheint sich dabei teils um Allodialgut der Grafen, teils um brandenburgisches Lehen gehandelt zu haben, da die Worte des Markgrafen: "... si quid iuris habuimus in eisdem" andeuten, daß er keineswegs für die gesamte Schenkung die Oberlehnsherrschaft beanspruchte. Eine genaue Zuweisung der uns hier bekannten Besitzungen der Dannenberger zur einen oder andern Gruppe ist leider mangels näherer Angaben nur in zwei Fällen, für Abbendorf und Drenic, möglich. In der Nähe lag Gladdenstedt, das im Jahre 1255 die Lehnsmänner der Grafen Johann Gans von Gartow und sein Sohn Gebhard an Kloster Isenhagen für 74 Mark Schwarzsilber verkauft hatten und das sie nun dem Kloster frei von Vogtei und allen Spanndiensten (angariis et parangariis) übertrugen. 246 ) Drei Jahre früher hatte Graf Adolf das nahegelegene Dorf Drenic an die Bürger von Rohrberg verkauft, sich jedoch dabei ausdrücklich die Vogtei vorbehalten. 247 ) Das ist ein ganz bezeichnender Unterschied; man sieht, mit welcher Umsicht und Folgerichtigkeit die Kirche stets auf Erweiterung ihrer Rechte bedacht war; denn jenes Beispiel steht keineswegs vereinzelt da, sondern bildet durchaus die Regel.

Beachtenswert vom kulturgeschichtlichen Standpunkt ist in der zuletzt genannten Urkunde die Formel der Übertragung "tam in parenis quam lignis". Offenbar steht hier "ligna" im Gegensatz zu "parenae" [= paranae] 248 ), d. h. zum eingegrenzten Besitz. Danach muß man annehmen, daß noch um diese Zeit hier im Kolonialgebiet der Wald Gemeinbesitz, Allmende war. Eine Entscheidung darüber, ob diese Ansicht richtig ist oder der Ausdruck


(  ...  ) der leider auch, trotz des M U.-B., in die Regg. Imp. V, 2 Nr. 11654 übergegangen ist. Einen Grafen Albert v. Dannenberg hat es nie gegeben.
245) Riedel A XXV, 174 - Jeder Unterstützer dieses Hospitals erhielt einen Ablaß von 40 Tagen, Riedel A XIV, 516.
246) Lüneburger U.-B. Abt. V, Nr. 31.
247) Hahn a. a. O. I, 259/60. - Drenic, ein wahrscheinlich im 30jährigen Krieg zugrunde gegangenes Dorf, lag zwischen Beetzendorf und Rohrberg, wo sich der Name bis heute in dem Flurnamen Drenick erhalten hat, Jahresber. d. Altmärk. Vereins XII, 55/56 - Die richtige Lesart Drenic statt Drenis, wie bei Hahn, hat Pfeffing a a. O. S. 364, der jedoch ebenso wie Riedel A. V 303 II die Urkunde falsch ins Jahr 1212 setzt und den Dannenberger Grafen Albert nennt.
248) Siehe Du Gange, Glossarium med. et inf. Latinit. Bd. VI, 160.
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hier nur rein formelhaft gebraucht wird, ist leider nicht mögtich, da er nur an dieser einen Stelle begegnet.

Im Jahre 1257 treffen wir Adolf dann wieder bei Herzog Albrecht von Braunschweig, und zwar auf einem Kriegszuge des selben gegen Simon von der Lippe, Bischof von Paberborn und SchJrmer (tutor) der Kirchen von Bremen und Corvey. Zwischen beiden findet nun zu Elstorf [b. Zeven] eine Versöhnung statt, während gleichzeitig der Bruder Simons von der Lippe, Erzbischof Gerhard von Bremen, seinen mit Herzog Albrecht und dessen Vater, Otto dem Kinde, geschlossenen Vertrag erneuert. 249 ) Ein Jahr später ist Adolf Zeuge in dem Vertrag, den auf Vermittlung Johanns I. von Brandenburg Herzog Albrecht von Braunschweig mit Herzog Albrecht I. von Sachsen zu Breitenfeld in Lauenburg schließt, dessen große Bedeutung für die endgültige Regelung der langwierigen Streitfragen zwischen den beiden Herrscherhäusern, insdesondere auch für den Darzing, bereits erwähnt wurde. 250 )

In diesen Jahren scheint sich nun das gute Verhältnis der Dannenberger zu den Schweriner Grafen getrübt zu haben. Noch um 1260 hatte Gunzel von Schwerin ebenso wie Johann von Mecklenburg und Nikolaus von Werle den beiden Dannenberger Grafen ihr altes Recht auf zollfreie Ein- und Ausfuhr in Parchim bestätigt. 251 ) Zwei Jahre später jedoch finden wir Gunzel von Schwerin und seine Söhne Heinrich und Helmold in Fehde mit Adolf von Dannenberg, bei der von beiden Seiten Räubereien begangen und auf dannenbergischer Seite sogar zwei Leute getötet wurden, bis sich schließlich Bischof Rudolf von Schwerin ins Mittel legte und am 20. April 1262 zu "Kempenberg" Frieden


249) Westfäl. U.-B. IV, 715. Sudendorf I, Nr. 43. Vergl. Böhm.- Fickr, Regg. Imp. 11793. - Es ist ein Versehen von Saß, wenn er a. a. O. S. 113 Anm. 1 erstere Urkunde ins Jahr 1252 setzt und dafür Schaten, Annall. Paderbornenses II, 93/94 anführt; sie steht auch hier richtig unter 1257.
250) Sudendf. I, Nr. 46. Damals gab der Herzog von Braunschweig auch endgültig seine Ansprüche auf Hitzacker auf. - Übrigens erwähnt weder Havemann noch v. Heinemann diesen Vertrag, ebensowenig wie den vorigen zu Breitenfeld.
251) M. U.-B. II, 783. Entgegen der Datierung des M. U.-B. - 1256/61 - möchte das Hansische U.-B. I, Nr. 596 diese Urkunde auf 1262/64 ansetzen, da es - ebenda Anm. 4 - diese Urkunde für eine Erweiterung der gleich zu besprechenden M. U.-B. II, 946 hält. Die Sache scheint mir gerade umgekehrt zu liegen, indem bei jenem Vertrage das, was hier nur über Parchim vereinbart wird, auf das ganze Gebiet der Schweriner Grafen ausgedehnt wird. Somit wäre die Datierung des M. U.-B. also richtig.
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stiftete. 252 ) Danach soll der Schweriner Graf, auf dessen Seite offenbar die Schuld lag, 36 Pfund für die beiden Ermordeten zahlen. Ferner überläßt er dem Dannenberger Grafen seinen Anteil an Zachow und Siggelkow, die beide bisher gemeinsam besessen hatten. 253 ) Dazu kommt als eine wichtige Bestimmung über den Durchgangszoll, das sogenannte Ungeld, daß die Leute des Dannenberger Grafen drei Jahre lang 150 Chor Getreide (annonae) "aus ihren eignen Städten und Ländern" durch das Schweriner Gebiet zollfrei befördern dürfen, mit Ausnahme des Schiffszolls. 254 ) Ebenso wird ihnen volle Zollfreiheit für den Transport von Holz bewilligt. Es scheint danach, daß in der Grafschaft Dannenberg - besonders kommt wohl der rechtselbische Teil in Frage - Getreide- und Holzausfuhr damals nicht unbedeutend war. Auch wurde die jagdrechtlich recht interessante Bestimmung getroffen, daß niemand ein im eignen Gebiet aufgejagtes Stück Wild über die Landesgrenze verfolgen dürfe, eine Bestimmung, die voraussetzt, daß beide Grafschaften bereits durch feste Grenzen getrennt waren. Und endlich wurde festgesetzt, daß niemand in seinen Burgen oder Ländern Leute dulden solle, die dem andern Schaden zufügen könnten. Gemäß einer bereits vorher getroffenen Verabredung ist der Schweriner Graf außerdem verpflichtet, auf seine Gefahr, doch auf Kosten des Grafen Adolf, diesem 40 gepanzerte Rosse (dextrarios falleratos) zu stellen.

Tatsächlich scheint dann durch diesen Vertrag das frühere gute Einvernehmen zwischen den beiden Nachbarn wiederhergestellt zu sein. Denn am 9. Juni 1266 schlossen sie einen Heiratsvertrag in der Form, daß die älteste Tochter Adolfs von Dannenberg mit dem ältesten Sohn Gunzels III., dem Grafen Helmold III., vermählt würde. 255 ) Als Mitgift sollte sie 800 Mark reinen Silbers von ihrem Vater erhalten und zum Leibgeding von den beiden Schweriner Grafen 400 Mark "gebräuchlicher Münze" als Ein-


252) M. U.-B. II, 946. Wo das Kempeneberg der Urkunde lag, ist bisher noch nicht festgestellt.
253) Vergl. oben die Schenkung an Kloster Dünamünde im Jahre 1238. Ebenso war Cruzen gemeinsamer Besitz der Dannenberger und Schweriner Grafen und wurde von ihnen ebenfalls an Dünamünde verschenkt, M. U.-B. II, 990 und IV, 2687.
254) Für diesen kam als Zollstätte außer Parchim wohl hauptsächlich Boizenburg in Frage. Wenn Weißenborn, Die Elbzölle u. Elbstapelplätze i. Mittelalter (Halle 1901) S. 43 auch Dömitz und Weningen als möglich annimmt, so übersieht er, daß diese beiden dannenbergisch waren.
255) M. U.-B. II, 1089.
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kommen aus dem Lande Lenzen oder dem Lande Silesen [östlich vom Schweriner See] und einen Hof in Schwerin "apud fratres", d. h. offenbar in der Nähe des Mönchsklosters. Gleichzeitig wurde zwischen beiden Grafenhäusern ein Schutz- und Trutzbündnis geschlossen, das auch dann Geltung haben sollte, wenn die Heirat nicht zustande käme. Freilich hatte man sich vor diesem Fall ziemlich gesichert durch die Klausel, daß, falls einer der beiden Verlobten vorzeitig stürbe, dessen Brüder bezw. Schwestern an seine Stelle treten sollten. So werden wir - nähere Nachrichten darüber fehlen - anzunehmen haben, ,daß die hier verabredete Vermählung einer dannenbergischen Gräfin mit Helmold III. von Schwerin - 1274/95 - später in der Tat vollzogen wurde. Beide Grafenhäuser treffen wir im selben Jahre noch bei einer andern Gelegenheit in engster Verbindung. Als sich nach dem Tode Johanns I. von Mecklenburg dessen Söhne Johann und Hermann, von denen der eine zu Hildesheim, der andere zu Lübeck Domherr war, gegen ihren Bruder Heinrich mit den beiden Schweriner Grafen verbündeten, da gelobten sie, nur mit Einwilligung der Schweriner Grafen und Adolfs von Dannenberg Frieden mit ihrem Bruder schließen zu wollen. 256 )

Bald darauf scheinen dann beide Brüder gestorben zu sein. Ausdrücklich bezeugt wird uns das freilich nur für Adolf durch eine Urkunde vom 29. September 1267, in der seine Neffen Heinrich V. und Adolf II., Söhne Bernhards I., dem Kloster Scharnebeck [bei Lüneburg] die Zehnten in Pattensen und Gellersen verkaufen. 257 ) Da hierbei so wenig wie bei dem Bündnis, das Adolf II. im Jahre 1273 mit Gunzel von Schwerin und dessen Sohn Helmold schloß, Bernhard I. genannt wird, so müssen wir annehmen, daß auch sein Tod um diese Zeit erfolgte, wenngleich erst eine Urkunde vom Jahre 1276 ihn als verstorben erwähnt. 258 )

Die letzten 40 Jahre der Grafschaft.

Beide Brüder hinterließen zahlreiche Söhne und Töchter. Auch jetzt noch führten die Söhne, da jene Zeit den wichtigen Grundsatz, die Hauptmasse des Landes ungeteilt auf den ältesten


256) M. U.-B. II, 1088. Dieser Vertrag ist freilich, wie es scheint, wirkungslos geblieben. Vergl. Rudloff, Cod. Diplom. Megapolit. I, 55 Anm. a und v. Lützow, Mecklenb. Gesch. II, 25/26.
257) M. Jbb. 43, 159 Nr. 2.
258) Regg. archiep. Magdeburg. III, Nr. 228/29.
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Sohn zu vererben, nicht kannte, die Verwaltung der Grafschaft gemeinsam. Doch scheint man, wenigstens unter den Vettern, eine gewisse Teilung vorgenommen zu haben. Denn als im Jahre 1267 jener Verkauf der Zehnten in Pattensen und Gellersen an Kloster Scharnebeck stattfindet - siehe oben -, da wollen Heinrich V. und Adolf II., falls die Söhne ihres Oheims Adolf mit dem Verkauf nicht einverstanden sind, für deren Anteil Ersatz von "ihren eigenen Gütern" schaffen. Auch wird gelegentlich Heinrich V. als Graf von Grabow und Adolf II. als Graf von Dömitz bezeichnet 259 ); doch beziehen sich diese Titel offenbar im wesentlichen nur auf ihre Residenz, denn nach wie vor hatten die Brüder sowohl wie die Vettern links wie rechts der Elbe gemeinsamen Besitz, der ihnen freilich bald verhängnisvoll werden sollte. - Als Söhne Bernhards I. werden uns im Jahre 1264 Heinrich V. 260 ), Adolf II., Bernhard II., Gunzel und Nikolaus genannt. 261 ) Von diesen wird Gunzel nur dies eine Mal erwähnt;

denn wenn Riedel a. a. O. A XVI S. 406 Nr. 20 ihn noch ein zweites Mal im Jahre 1279 finden will, so beruht das auf einem Lesefehler. 262 ) Eine Tochter Bernhards, deren Namen wir nicht erfahren, war mit einem gewissen Johann vermählt, der nach Saß a. a. O. S. 38 der Familie Gans von Putlitz angehörte. 263 ) - Söhne Adolfs I. waren Volrad III., Friedrich und Bernhard III. 264 ) Ferner geht aus dem Heiratsvertrag mit Schwerin, M. U.-B. II, 1089, hervor, daß er drei Töchter hatte. Von diesen war also die eine mit Helmold III. vermählt; eine andere scheint die im Jahre 1267 als Nonne im St. Lorenzkloster zu Magdeburg genannte Mechtildis, domicella de Dannenberg, gewesen zu sein, da Adolf I. zusammen mit seinem Bruder Bernhard im Jahre 1265 diesem Kloster 21/2 Hufen in Ammensleben


259) M. U.-B. II, 1364 und III, 2128.
260) Saß S. 139 bezeichnet ihn sowohl wie den Sohn Heinrichs II. als Heinrich IV.
261) Riedel A VI, 17.
262) B[ernhard] statt G[unzel], Saß S. 38.
263) Siehe Anm. 261. - Ein Gans v. Putlitz wird in der Tat mehrfach als Zeuge in dannenbergischen Urkunden genannt.
264) M. U.-B. II, 1298. - Heinrich IV. (!) als Sohn Adolfs I. ist im M. U. -B. II, 1302 Anm. zu streichen, da bei der einzigen Urkunde, auf die sich seine Existenz gründet, nämlich der eben angeführten, schon aus der Zahl der Siegel hervorgeht, daß Heinrich V., Sohn Bernhards I., gemeint ist, und ebenso aus der Verbindung der Namen durch necnon, wie bereits Saß S. 42 bemerkt.
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schenkt 265 ), die offenbar, wie gewöhnlich in solchen Fällen, als Pfründe dieser Tochter dienen sollten. 266 )

Von diesen Söhnen Bernhards und Adolfs tritt jedoch keiner besonders hervor, weshalb von jetzt ab eine nach den einzelnen Mitgliedern des Grafenhauses gesonderte Darstellung nicht angängig ist, ohne in eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von ein paar Urkunden auszuarten; ist es doch auch so nicht allzuviel, was wir über das fernere Schicksal der Grafschaft erfahren. Am häufigsten genannt finden wir in der Folgezeit die Söhne Bernhards, vor allem den ältesten, Heinrich V., während wir von den Söhnen Adolfs nur selten hören. Wie bereits angedeutet, führte der gemeinsame Besitz bald zu einem erbitterten Kampfe der Vettern um die Grafschaft. Auch sonst waren in dieser "kaiserlosen Zeit", zumal in diesen Gegenden, wo von den Fürsten niemand ein sonderliches Ansehen oder eine überlegene Macht besaß, wo daher die kleinen Herren nach Belieben hausten, Fehden an der Tagesordnung. So kam es, daß außer diesem Familienzwist noch ein besonderer Streit Heinrichs V. und seiner Brüder mit Gunzel III. von Schwerin entstand, an dem auch die Verwandtschaft beider Häuser nichts zu ändern vermochte. Wie es scheint, fanden nun die Söhne Bernhards I. Unterstützung bei dem Markgrafen Otto von Brandenburg, während die Söhne Adolfs außer an dem Schweriner Grafen an Nikolaus von Werle einen Bundesgenossen hatten. Schließlich legte sich Erzbischof Konrad II. von Magdeburg ins Mittel und nahm Dannenberg, Grabow und Dömitz als die wichtigsten Orte der Grafschaft in Verwahrung, bis die Vettern eine friedliche Lösung gefunden hätten. Die Schwerin-Dannenbergische Fehde dagegen sollte durch ein Gericht des Markgrafen Johann II. und seines Vetters Otto V. entschieden werden. 267 ) Offenbar hat sich dabei dann Heinrich V. völlig mit dem Schweriner Grafen ausgesöhnt; denn bereits im Anfang des folgenden Jahres finden wir ihn als Gunzels Zeugen zu Schwerin. 268 ) Und im Jahre 1273 stand er ebenso wie sein


265) Regg. archiep. Magdeburg. II, S. 748 und Nr. 1626 u. 1641, zwei Urkunden, die sich das St. Lorenzkloster dann wiederholt bestätigen ließ.
266) Vergl. z. B. M. U.-B. II, 1195.
267) M. U.-B. II, 1166, Urkunde vom 9. Juni 1269. - Einige Monate zuvor hatten sich die Markgrafen Otto [V. ?] und Albrecht mit Johann von Lüneburg gegen die Fürsten von Werle und die Grafen von Schwerin verbündet, M. U.-B. II, 1159. Vergl. v. Heinemann a. a. O. II, 20/21.
268) M. U.-B. II, 1180.
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Brüder Adolf II. in engster Verbindung mit den Schweriner Grafen in ihrem Kampfe gegen Johann von Braunschweig-Lüneburg 269 ) und die Stadt Lübeck, deren Schirmherr Johann war. Diesem Streit lag eine Gewalttat Gunzels zugrunde, der eines Tages im Walde bei Oldesloe lübische Kaufleute überfallen und ausgeplündert hatte. 270 ) Während er nun hierbei von den Herzögen von Sachsen, die beständig mit den Braunschweigern in Fehde lagen, und den Dannenberger Grafen unterstützt wurde, schlössen am 10 Dezember 1273 Herzog Johann und die Lübecker zu Lüneburg ein Bündnis zur Abwehr solcher Überfälle. 271 ) Diesem Bündnis gesellten sich Anfang 1274 auch Waldemar von Rostock und Graf Friedrich von Dannenberg, Sohn Adolfs I., zu. Letzterer schloß mit den Lübeckern ein Bündnis, das - eine höchst charakteristische Kennzeichnung der gänzlich unsicheren Lage - Geltung haben sollte, "solange er von den Erben seines Oheims im Besitz seines Landes unangefochten bleibe". 272 )

So war der kaum wiederhergestellte Friede im ,Hause Dannenberg zerrissen. Und sicher haben diese fortwährenden Fehden nach außen und im Innern nächst der zerstreuten Lage des Besitzes am meisten die Verarmung und schließlich den Verfall der Grafschaft herbeigeführt. Das läßt bereits eine am 10. März 1275 zu Schwerin ausgestellte Urkunde deutlich erkennen. Dort verpfändet Graf Heinrich V. die Burg Marnitz mit allen dazugehörigen Gütern für 56 Mark Silber an seinen "Verwandten" 273 ), den Grafen Helmold von Schwerin. Zwar macht er zur Bedingung, daß er, falls er Stadt und Burg Grabow und "seine Erbschaft" wiedererhält, Marnitz wieder einlösen kann; doch ist es mehr als zweifelhaft, ob es jemals wieder an Dannenberg gekommen ist. 274 ) Ebenso kennzeichnend für die finanzielle Lage Heinrichs ist es, wenn wir erfahren, daß er dem Wismarer Bürger Lambert von Klüz zur Bezahlung einer Schuld statt baren Geldes 5 Ballen


269) Trotz der 1267 erfolgten Teilung des Herzogtums nennt sich Johann meistens nach Braunschweig.
270) Detmar, Deutsche Städtechronikk. Bd. XIX, S. 359 § 355. Vergl Hans. U.-B. I, 720 und O. v. Heinemann II, 20/21.
271) M. U.-B. II, 1302. Hier fälschlich Dezemb. 9. Das richtige Datum hat das Hans. U.-B. I, Nr. 719. - Vergl. M. U.-B. II, 1301.
272) M. U.-B. II, 1303. Vergl. Hans U.-B. I, 727 u. 728, das beide Urkunden mit Recht in Znsammenhang bringt.
273) Helm. war der Gemahl einer Cousine Heinrichs; Vergl. die Stammtafel S. 148.
274) M. U.-B. II, 1356.
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Tuch (V panni) gegeben hat. 275 ) Das ist die letzte zuverlässige Nachricht, die wir von Heinrich V. besitzen. Könnte man einer Notiz, die sich auf der Rückseite einer Urkunde des 13. Jahrhunderts findet, glauben, so würden wir ihn noch einmal im Jahre 1279, und zwar als Dompropst in Verden, finden. 276 ) Die Zuverlässigkeit dieser Nachricht muß, da die Urkunde selbst auch nicht den geringsten Anhalt dafür bietet und sonst mancherlei dagegen spricht, dahingestellt bleiben.

Von jetzt ab wird Heinrichs Bruder Bernhard II. häufig genannt. so nimmt er zusammen mit den verwandten Schweriner Grafen Helmold III. und Nikolaus I. lebhaften Anteil an dem für die norddeutschen Gebiete höchst wichtigen Landfrieden, den am 13. Juni 1283 Herzog Johann von Sachsen, Bogislav von Pommern, Wizlav von Rügen, die Herren von Werle, die Herren von Mecklenburg und die Herren von Rostock mit den "wendischen" Städten Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin und Anklam schließen, ein Bündnis, dessen Spitze sich zunächst zwar im wesentlichen nur gegen die Markgrafen von Brandenburg richtete, das jedoch als ein Anfang der Hansa betrachtet werden muß und das bereits im nächsten Jahre im Kampfe gegen Erich von Norwegen seine große Bedeutung zu erweisen Gelegenheit hatte. 277 ) Ebenso wie Johann von Sachsen, Helmold und Nikolaus von Schwerin und Johann von Mecklenburg verpflichtete sich hier auch Bernhard von Dannenberg, die Herren und Städte nach Vermögen (pro suo posse) zu unterstützen 278 ), mit anderen Fürsten und Herren kein Bündnis zu schließen und niemanden zum Nachteil der verbündeten Fürsten und Städte in seinem Lande auszunehmen. Er wird dann auch ausdrücklich erwähnt, als sich


275) M. U.-B. II, 1364, eine Eintragung des Wismarer Stadtbuches B, die vor den 5. Juni 1275 fällt.
276) Siehe Riedel A. XVI, 406 Nr. 20 u. 21. - Auch mit Heinrich IV. kann der hier genannte Heinrich kaum identisch sein. - Über einen Verdener Dompropst Heinrich aus dem Dannenberger Hause um 1294, dessen Existenz Saß S. 65 ff. durch recht umständliche und unsichere Kombinationen zu erweisen sucht, habe ich nichts näheres ermitteln können.
277) Hans. U.-B. I, 917. Vergl. dazu Nitzsch, Preuß. Jahrbb. 35, 115 und D. Schäfer, Die Hansestädte und König Waldemar von Dänemark, Kap. III, besonders S. 81 u. 87.
278) Diese Bestimmung, die die Stärke der Hilfe in das Belieben dieser Herren stellte, bedeutet offenbar eine Rücksichtnahme auf die weniger Leistungsfähigen. Im ganzen wollten die Fürsten den Städten mit 400 Rossen zu Hilfe kommen.
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einen Monat später Otto der Strenge von Lüneburg diesem Bündnis anschloß. 279 )

Dann begegnen wir dem Namen Bernhards erst wieder in den Jahren 1287 und 1288, wo er, das eine Mal zu Lüneburg, das andere Mal zu Ingolstadt, im Gefolge Ottos des Strengen auftritt 280 ), mit dem ihn ein besonders enges persönliches wie Lehnsverhältnis verbunden zu haben scheint. Denn in der letzten der eben angeführten Urkunden ist Bernhard unter den Bürgen des Herzogs bei dessen Ehevertrag mit dem Herzog Ludwig von Bayern 281 ) und verpflichtet sich, für ihn gegebenenfalls nach Hannover ins Einlager zu gehen. Und gleichzeitig erhält er den auszeichnenden Auftrag, neben dem Holsteiner und dem Wölper Grafen dafür zu sorgen, daß der Tochter des Bayernherzogs alle bei diesem Vertrage gemachten Versprechungen gehalten werden. Andererseits bezeugte ihm Otto seine Gunst dadurch, daß er ihm eine halbe Pfanne auf der Saline in Lüneburg verlieh, eine wichtige und gerade damals außerordentlich begehrte Einnahmequelle. 282 )

Eine solche Freundschaft mit einem mächtigen Fürsten war in jener Zeit fortwährender Fehden und Kämpfe doppelt wertvoll für die kleineren Herren, ja geradezu unentbehrlich. Und gerade hier in der Nähe des Gebiets der Dannenberger Grafen herrschten damals recht unsichere Zustände, unter denen die Grafschaft sehr zu leiden hatte. Nachdem nämlich im Jahre 1285 Herzog Johann I. von Sachsen-Lauenburg gestorben war, hatte sein Bruder Albrecht II. von Sachsen-Wittenberg zum Vormund seiner unmündigen Neffen Johann und Albrecht den Ritter Hermann Ribe eingesetzt. Dieser, ein kühner und tatkräftiger Mann 283 ), benutzte nun sein Amt in erster Linie dazu, nach Herzenslust im Lande zu rauben und zu plündern. Zumal die Kaufleute, insbesondere die Lübecker, hatten unter dieser Unsicherheit der Straßen und Flüsse zu leiden, da ihnen Hermann von seiner festen Burg in Hitzacker aus, durch die er Elbe und Jeetzel beherrschte, großen Schaden zufügte, wobei er samt seinen Spießgesellen vom sächsischen Herzog begünstigt


279) M. U.-B. III, 1688. Otto lag noch immer in Streit mit Bischof Siegfried von Hildesheim, worauf sich augenscheinlich das "in gwerra nunc existente" bezieht. Vergl. Havemann a. a. O. I, 457.
280) Pfeffing. II, 368/69 (danach Lüneburger U.-B. VII, 132); Origg. Guelf. III, praef. 72/74 Nr. 5.
281) Vergl. Havem. I, 456.
282) Calenberger U.-B. V, Nr. 92.
283) Detmar a. a. O. S. 371 Nr. 378.
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wurde. Daher hatten die Lübecker bereits im Jahre 1289 mit anderen Städten und den Fürften von Mecklenburg ein Bündnis gegen Albrecht zur Abwehr dieser Räubereien geschlossen, nachdem sie kurz zuvor Peter Ribe, einen Verwandten Hermanns, aufgeknüpft hatten. 284 ) Doch ärger als zuvor trieben jetzt die Räuber und Wegelagerer, an deren Spitze Hermann Ribe und Reimbern von Karlow standen, ihr Unwesen, von dem auch die umliegenden kleinen Territorialherren aufs ärgste belästigt wurden. Da wandten sich diese im Jahre 1291 an Otto von Lüneburg mit der Bitte um Hilfe, der denn auch am 19. Januar zu Dutzow bei Gadebusch zusammen mit den Grafen Adolf und Gerhard von Holstein und Nikolaus von Schwerin bestimmte, daß neun Raubburgen im Gebiet des Herzogs von Sachsen gebrochen würden. 285 ) Darunter werden auch Weningen und Warlow genannt, woraus wir ersehen, daß von dem ursprünglich geschlossenen Gebiet der Dannenberger Grafen rechts der Elbe ein Teil bereits jetzt in fremde Hände übergegangen war. 286 ) So hatten sie es nicht hindern können, daß nun mitten in ihrem Lande Raubburgen der Ribe lagen.

Das Eingreifen des Lüneburger Herzogs nützte zunächst jedoch nicht das mindeste; die Burgen wurden sofort wieder aufgebaut und das .Rauben und Plündern begann von neuem, bis endlich im Jahre 1296 Markgraf Otto von Brandenburg, der vom Kaiser zum obersten Friedensrichter für diese Gebiete bestellt war, zusammen mit Otto von Lüneburg und den jungen Herzögen von Sachsen-Lauenburg das feste Hitzacker, die Hauptburg Ribes, von Grund aus zerstörte. 287 )

In diesen beständigen Fehden und Kämpfen war die Macht und das Ansehen der Grafschaft Dannenberg immer weiter gesunken. Und das hatte sicherlich seinen hauptsächlichsten Grund in der Schwäche der Dynastenfamilie. Es war der Grafschaft nicht beschieben, in diesen unruhigen Zeiten von einer kraftvollen Hand gelenkt zu werden, wie wir diese z. B. in der Grafschaft Holstein während der ganzen Periode, die wir betrachtet haben, finden. Einer solchen wäre es vielleicht gelungen, gerade jetzt,


284) M. U.-B. III, 2036; Detmar S. 369 Anm. 2.
285) M. U.-B. III, 2104; Detmar S. 371/72. Vergl. M. U.-B. III, 2101 Note, u. Annall. Lubicens. MG SS XVI S. 416 ad 1291.
286) Übrigens muß man hier zwischen der Burg und dem Dorf Warlow scheiden; in letzterem verkauft im selben Jahre Bernhard II. v. Dannenberg 4 Hufen an Ludolf, Vogt in Schwerin, und Ulrich Pinnow, M. U.-B. III, 2123 u. 2132.
287) O. v. Heinem. a. a. O. II S. 25/26. Vergl. Detm. S. 372.
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die allgemeinen Wirren klug benutzend, das Ansehen der Grafschaft zu heben, ihr Gebiet zu erweitern. Doch das genaue Gegenteil sehen wir hier eintreten. Dazu kam von der andern Seite das Streben der Oberlehnsherren nach Abrundung des eignen Landes. Und so bröckelte jetzt Stück für Stück ab. Am 1. August 1291 verkaufte zu Lauenburg Bernhard II. "Seinem Herrn", dem Herzog von Sachsen, die halbe Stadt Dömitz mit Zoll und Münze 288 ), und am folgenden Tage schließt zu Neustadt Bernhards Bruder Nikolaus einen Vertrag mit seinem "Vetter", dem Grafen Helmold III. von Schwerin, in dem er diesem für den Fall, daß er seine Erbgüter verkaufen muß, das Vorkaufsrecht für den Teil, den er zusammen mit seinem verstorbenen Bruder Adolf besessen hat, zusichert und ihm für einen etwaigen Kaufvertrag mit seinem Bruder Bernhard II. freie Hand läßt. 289 ) Wie wenig praktisch und staatsmännisch der Sinn Nikolaus' gerichtet war, geht schon daraus hervor, daß diese Vereinbarung ohne irgendwelche Gegenleistung vonseiten des Schweriner Grafen getroffen wurde.

In beiden Fällen ist von der Einwilligung oder sonstigen Teilnahme der drei Söhne Adolfs I. mit keinem Wort die Rede, und es macht ganz den Eindruck, als ob man schon damals mit dem Aussterben der Grafenfamilie rechnete. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Tatsache, daß die Grafen gerade in dieser Zeit zahlreiche, zum Teil recht bedeutende Schenkungen an die verschiedensten Klöster machten. So schenkt 1285 Graf Friedrich dem Kloster Eldena, dem die Dannenberger Grafen seit alters besonders zugetan waren, die Dörfer Glaisin, Grebs und Karenz. Im Jahre 1289 fügen Bernhard II. und Nikolaus 8 Hufen in Mallis mit dem Hoch- und Niedergericht sowie die Mühle bei dem Dorfe Strassen hinzu. 290) ) Und im selben Jahre schenkt Bernhard dem Kloster Diesdorf sein ganzes Erbe in Abbendorf


288) M. U.-B. III, 2127. - Unter dem Herzog wird Albrecht II. von Sachsen-Wittenberg zu verstehen sein.
289) M. U.-B. III, 2128. - Nikol. bezeichnet hier Helm. v. Schwer. als seinen "avunculus". Denselben Ausdruck wendet er aber auch auf Helmolds Sohn Gunzel V. an, M. U.-B. V, 2862. Andererseits nennen Gunzel V. und dessen Oheim Nikolaus I. unsern Grafen Nikol. ihren "avunculus", M. U.-B. IV, 2464. Daraus geht hervor, daß dieser Ausdruck ebenso wie nepos zu jener Zeit alle möglichen Verwandtschaftsgrade bezeichnete. Vergl. dazu Gurschmann, Die Diözese Brandenburg, Nachträge und Berichtigungen, S. 488 zu S. 111.
290)) M. U.-B. III, 1770, 2004, 2005. Vergl. die Bestätigung dieser Urkunden M. U.-B. III, 2118. Danach war dem Kloster außerdem das Dorf Stuk von Adolf II. verkauft.
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und 1292 dem Hl.-Geist-Kloster in Perver vor Salzwedel einige Einkünfte in Lagendorf und Andorf 291 ) und endlich 1293 dem St.-Johannis-Kloster in Ülzen einige Güter in der Nähe des Klosters. 292 ) Um diese Zeit scheint auch die Stadt Grabow von den Markgrafen eingezogen zu sein. 293 ) Man sieht: ein völliger Verfall der Grafschaft war eingetreten. So war es nur der letzte Schritt auf einer längst betretenen Bahn, wenn im Jahre 1303 Graf Nikolaus, der allein noch lebende Sohn Bernhards I., gegen eine Leibrente von jährlich 40 Mark Pfennigen auf Burg und Stadt Dannenberg sowie alles Land links von Elbe und Jeetzel zugunsten Ottos des Strengen von Lüneburg verzichtete und sich lediglich seine Lehngüter rechts dieser beiden Flüsse vorbehielt. 294 )


291) Riedel A XXII, 98 u. XXV, 276/77. - Über die "cruzepennige" in der letztgenannten Urkunde findet sich Näheres in v. Hammersteins Bardengau S. 589 ff., worauf mich freundlichst Herr Dr. Reinecke in Lüneburg hinwies. Doch ist auch hier eine völlig klare Deutung nicht gegeben. Als "cruceschult" findet sich die Abgabe Altmärk. Jahresber. 12, 44 noch im 15. Jahrhundert erwähnt.
292) M. Jbb. 43, 164 Nr. 7.
293) Soviel wird man immerhin nach M. U.-B. III, 2222 behaupten dürfen, wenngleich diese ebenso wie die beiden Urkunden der Dannenberger Grafen für Grabow, M. U.-B. II, 683 u. 834 gefälscht ist; siehe M. U.-B. I, Vorrede, S. XL/XLI. Zu dem dort Gesagten mag noch bemerkt werden, daß ein Dannenberger Graf Volrad um 1252 ausgeschlossen ist. Immerhin ist es möglich, daß die Stadt Grabow eine Dannenbergische Gründung ist, während die Burg Grabow, die bereits im Jahre 1186 genannt wird, ursprünglich nicht in ihren Händen war, siehe Exkurs II.
294) Sudendorf I, Nr. 172. Vergl. auch das Chronic. Luneburgic. bei Leibniz, SS rer. Brunsvicens. III, S. 176. - Nicht richtig verstanden ist die Urkunde bei Havemann a. a. D. S. 400, wenn er meint, daß der ganze linkselbische Teil der Grafschaft an den Herzog von Lüneburg fallen soll. Der Teil rechts der Jeetzel verbleibt dem Grafen Nikolaus; es wird eben unterschieben zwischen illa und ista pars Albiae et Jhesene. Andererseits soll dieser Teil noch zu Lebzeiten Nikolaus' an Lüneburg fallen, nicht erst nach seinem Tode, wie Havem. meint. Ebenso unrichtig interpretiert v. Heinemann a. a. O. II, 27/28. - Falsch ist es auch, wenn Havem. ebenda den Grafen Nikolaus als Nikolaus II. bezeichnet. Einen solchen hat es in der Dannenberger Grafenfamilie nie gegeben. Es ist ja zunächst auffällig, daß Nikolaus noch im Jahre 1297 als "domicellus" bezeichnet wird - M. U.-B. IV, 2464 -, während er doch bereits mindestens 33 Jahre alt war; doch beweisen M. U.-B. III, 2004 u. 2005 ganz klar, daß dieser domicellus identisch ist mit dem sonst als Grafen von Dannenberg oder Dömitz bezeichneten Nikolaus. Domicellus, ursprünglich wohl den jüngeren Bruder bezeichnend, scheint Beiname Nikolaus' geworden zu sein, ähnlich wie der erste Herzog von Braunschweig-Lüneburg sein Leben lang als "puer" bezeichnet wurde.
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In der Urkunde hebt Nikolaus hervor, daß er diesen Vertrag einer "besonderen Liebe und Zuneigung" des Herzogs verdanke. Nicht ganz mit Unrecht. Wie die Dinge nun mal lagen, bedeutete diese Rente für den letzten Sproß des degenerierten Grafenhauses ein ganz annehmbares Geschäft, indem es ihm für den Rest seiner Tage eine feste Einnahme sicherte, wie er sie durch eigene Verwaltung des Landes schwerlich erzielt hätte.

Übrigens stand ein solcher Verkauf einer Grafschaft keineswegs vereinzelt da. So hatte im Jahre 1236 Graf Siegfried von Osterburg seinen ganzen Besitz im Gau Osterwalde zwischen Salzwedel, Brome und Gardelegen an Herzog Otto das Kind verkauft. 295 ) Und sogar ganz ähnlich wie in unserm Falle hatte im Jahre 1248 Graf Heinrich von Lauenrode sein Lehen und Eigen gegen eine Rente von 20 Mark, und zwar ebenfalls an Otto das Kind, verkauft. 296 ) Und endlich verkauften im Jahre 1358 die letzten Grafen von Schwerin, Nikolaus und Otto, ihre Grafschaft an Herzog Albrecht von Mecklenburg. Wie es scheint, war gerade das welfische Haus groß in dieser Politik der Abrundung; denn Otto der Strenge kaufte außer Dannenberg noch die Grafschaften Lüchow und Hallermund von Günther von Käfernburg bezw. Otto von Hallermund. 297 ) Daß die Herzöge dabei - eine naheliegende Annahme - irgendwie einen Druck auf diese Grafschaften ausgeübt hätten, wird nirgends ersichtlich; sondern es scheint stets wie bei den Dannenbergern der Verkauf in der Unfähigkeit der bisherigen Inhaber seinen Grund zu haben.

Daß dieser Vertrag vom Jahre 1303 alsbald und nicht erst nach dem Tode des Grafen Nikolaus, wie Havemann meint 298 ), wirksam wurde, zeigt uns eine Urkunde vom Jahre 1307, in der Otto der Strenge bei seinem Heiratsvertrag mit Fürst Heinrich von Mecklenburg und Stargard seiner zukünftigen Schwiegertochter Schloß und Stadt Dannenberg samt dem dazugehörigen Lande als Leibgedinge verspricht. 299 )

Ungefähr um diese Zeit muß dann noch ein anderes wichtiges Stück der Grafschaft verloren gegangen sein, nämlich die Burg


295) Origg. Guelf. IV, 145/47.
296) Sudendorf I, S. 22 Nr. 32.
297) Origg. Guelf. IV, S. 22.
298) Siehe Anm. 294.
299) M. U.-B. V, 3179: "... huß unde stat to Dannenberghe unde dat land darto", d. h. das Gebiet links von Elbe und Jeetzel.
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Dömitz mit dem dazugehörigen Gebiet, und zwar an die Herzöge von Sachsen, die ja bereits die Hälfte der Stadt besaßen. Denn während noch im Jahre 1303 Graf Nikolaus zusammen mit seinen Neffen Johann und Volrad, den Söhnen Adolfs II., dem Kloster Eldena einige Hufen in Karenz und 1305 das Dorf Grittel und Wald und Dorf Liepe übertrug, erscheinen diese Orte im Jahre 1308 im Besitz des Herzogs Rudolf von Sachsen-Wittenberg, der dann auch in Dömitz mehrere Urkunden ausstellte. 300 ) Und ebenso wie das Gebiet von Dömitz wird der ganze rechtselbische Teil der Grafschaft Dannenberg - abgesehen natürlich von den einzelnen Lehen der Markgrafen - an die Herzöge von Sachsen-Lauenburg und ihren Vetter Rudolf gefallen sein. Eine genauere Kunde davon besitzen wir leider nicht. Ebensowenig erfahren wir, ob die Grafen irgendwie dafür von den Herzögen entschädigt wurden oder ob diese einfach ihr Oberlehnsrecht geltend machten. Nur von einigen einstmals dannenbergischen Dörfern heißt es in einer Urkunde der Herzöge:

"... quae cum municione sive territorio Domenitz sunt ad manus nostras rite et racionabiliter devolute" 301 ), wobei freilich das "devolute" sowohl im einen wie im andern Sinne gedeutet werden kann. Vereinzelte Güter besaß übrigens Nikolaus von Dannenberg trotz des Vertrages von 1303 auch links der Jeetzel noch später, selbst in unmittelbarer Nähe Lüneburgs. 302 ) Am längsten scheint er seinen altmärkischen Besitz bewahrt zu haben, so daß er hier noch im Jahre 1308 Schenkungen an Kloster Isenhagen und 1311 an Kloster Arendsee machen konnte. 303 )

Diese Urkunde vom Jahre 1311 ist die letzte Nachricht, die wir besitzen nicht nur über Graf Nikolaus, sondern überhaupt von dem Dannenberger Grafenhaus. Denn auch von den einige Male in Urkunden genannten Söhnen Adolfs II. wird Johann im Jahre 1306 bereits als verstorben und Volrad IV. damals zum letzten Male erwähnt. 304 ) Von ihnen hat, wie es scheint, keiner mehr den Grafentitel geführt; Volrad nennt sich hier einfach nobilis vir Volradus.


300) M. U.-B. V, 2890 u. 2985; die Urkunden der Herzöge von Sachsen V, 3217 u. 3221.
301) M. U.-B. V, 3221.
302) Hier wird im Jahre 1310 Melbeck erwähnt, U.-B. d. Stadt Lüneburg I, 265.
303) Riedel A XXII, 109 u. 21 f.
304) M. U.-B. V, 3095.
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Damit verschwindet die Familie der Grafen von Dannenberg aus der Geschichte 305 ) und zugleich auch der ursprüngliche Begriff der Grafschaft. Daß diese im engeren Sinne, d. h- Dannenberg mit seiner nächste Umgebung, an das Haus Braunschweig-Lüneburg fiel und zeitweilig als Verdener Lehen betrachtet wurde, ist bereits gesagt. Bei ersterem ist sie dann dauernd verblieben, die Stadt sogar zeitweise Residenz eines Mitgliedes der herzoglichen Familie gewesen, und es hat sich aus ihr das spätere hannoversche Amt und der heutige Kreis Dannenberg entwickelt.

 

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305) Das noch bestehende Geschlecht der Herren von Dannenberg entstammt vermutlich der Ministerialenfamilie; von den Grafen hat sich nicht die leiseste Spur erhalten.
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Stammtafel der Grafen von Dannenberg
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Exkurs I.

Das Wappen der Grafen von Dannenberg.

Das früheste Siegel, das uns von den Grafen von Dannenberg erhalten ist, ist das Volrads II. an der Urkunde Bernhards von Wölpe für Kloster Mariensee vom Jahre 1215. 1 ) Das Siegelbild zeigt einen rechtsgekehrten aufsteigenden Löwen. Von der Umschrift ist leider nichts mehr zu lesen. Dieser Löwe ist dann das allein Festbleibende in den mannigfachen Veränderungen, die das Siegel der Dannenberger Grafen in der Folgezeit ausweist. Ob dies ein willkürlich gewähltes Symbol war oder ob es die Beziehung der Grafschaft zu ihrem Schöpfer, Heinrich dem Löwen, ausdrucken sollte, muß mangels näherer Nachrichten dahingestellt bleiden. Genau dasselbe Siegel führte auch Volrads Bruder Heinrich II. 2 ), und auch noch Heinrichs II. Sohn Bernhard I. behielt diese Form bei, während Heinrich III., der Sohn Volrads II., ein Siegel mit einem linksgekerten Löwen führte, um anzuzeigen, daß er einer andern Linie des Hauses Dannenberg entsprossen sei. 3 ) Diese erlosch dann freilich bereits mit ihm.

Die nächste Veränderung nahm Adolf I., Bernhards Bruder, vor, und zwar in einschneidendster Weise. Er wählte statt der Schildform die runde Stempelform, ließ dabei zwar den Löwen rechtsgekehrt, fügte jedoch noch eine Tanne - offenbar des Anklangs von Dannenberg wegen - dazu. Diese beiden Formen wurden dann von dem Bruder Bernhards und Adolfs, dem Domherrn Heinrich IV., in der Weise kombiniert, daß er den Löwen mit der Tanne in das schildförmige Siegel setzte. 4 ) Von den


1) Calenberger U.-B. V, Nr 7. Vergl S. 94.
2) M. U.-B. I, 305, Urkunde vom 4 Juli 1224.
3) M. U.-B. I, 466 u. M. Jbb 43, 159 Nr. 1, Siegel des Jahres 1237.
4) Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 11, um 1245 - Siegel Bernhards u Adolfs auch noch M. U.-B. II, 1054 u. 1089. Adolfs II, 717 in Abbildung.
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Söhnen Bernhards behielten die beiden ältesten, Heinrich V. und Adolf II., die ein gemeinsames Siegel führten, die Form ihres Vaters bei. 5 ) Dagegen fügte Bernhard II. zu dem einen Löwen noch einen zweiten hinzu, und zwar so, daß beide einander zugekehrt waren 6 ), während sein Bruder Nikolaus die Schildform mit dem rechtsgekehrten Löwen in die runde setzte. 7 )

Auch die Söhne Adolfs I. nahmen eine Änderung des von ihrem Vater überkommenen Siegels, des Löwen mit der Tanne, vor zur gegenseitigen Unterscheidung. Zwei derselben sind uns erhalten. Das eine, das des Grafen Friedrich, zeigt eine Tanne ohne Früchte 8 ), während man auf dem gemeinsamen Siegel Volrads III., Friedrichs und Bernhards III. sowie auf dem Einzelsiegel Volrads III. 9 ) Tannenzapfen - wenngleich, entsprechend dem damaligen Stande der Technik, roh gebildet - erkennt. 10 ) Das Siegel Johanns, des Sohnes Adolfs II., scheint sich von dem seines Oheims Nikolaus nur durch die Größe unterschieden zu haben. 11 ) - Übrigens ist das Wappen der Grafen von Dannenberg auch in das Stadtwappen übergegangen, das eine von zwei Löwen umschlossene Tanne zeigt.

 

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5) M. Jbb. 43, 160 (1267); M. U.-B. II, 1195 (1270) u. III, 2118 (1291). Von Adolf gibt es auch Einzelsiegel: M. U.-B. III, 1301 u. 1441.
6) M. U.-B. III, 2123; M. Jbb. 43, 164 Nr. 7. Vergl. die Abbildung bei Harenderg, Historia ecciesiae Gandersheim. diplomat. S. 1393.
7) M. U.-B. V, 2755 mit Abbildung.
8) M. U.-B. II, 845.
9) M. U.-B. II, 683 u. 1298.
10) Siehe dagegen die Abbildung bei Harenberg a. a. O. S. 1393, wo die Tanne ohne Früchte erscheint. Ob echt? Da Harenberg seine Quelle nicht angibt, ist eine Nachprüfung unmöglich.
11) M. U.-B. V, 2890.
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Exkurs II.

Verzeichnis der urkundlich genannten Orte in der Grafschaft Dannenberg.

Wie bereits im Text dargelegt, bestand der linkselbische Teil der Grafschaft Dannenberg fast nur aus Streubesitz. Ein einigermaßen zusammenhängendes Gebiet besaßen die Grafen hier wohl nur in der nächsten Umgebung der Stadt Dannenberg; doch wurde selbst dieses unterbrochen von Besitz der Schweriner Grafen; siehe die Karte!

Andererseits wurden Teile des rechtselbischen geschlossenen Gebietes, des Landes Weningen, zu ganz verschiedenen Zeiten von den Grafen verschenkt oder sonstwie veräußert. Und an der Grenze des Landes Weningen waren die Grafen ebenso wie links der Elbe mit Einzellehen von den Markgrafen von Brandenburg, z. T. gemeinsam mit den Schweriner Grafen, ausgestattet.

Das Verzeichnis der folgenden Orte soll nun dazu dienen, Art und Wesen der Rechte, die die Dannenberger Grafen hier besaßen, bezw. das Schicksal, das sie unter ihnen erfuhren, kurz zu überblicken. - Darüber hinaus ist es der urkundliche Beleg für die Karte und die auf S. 125 gegebene Tabelle.

Bei den Namen ist die moderne Schreibweise angewandt.

1. Abbendorf. Allod der Grafen von Dannenberg. Wird im Jahre 1289 von Bernhard II. dem Kloster Diesdorf geschenkt. Riedel A XXII, 98.

2. Ammensleben. Allod der Grafen von Dannenberg. 2 Hufen, die bis dahin Herr Johann Kribbenclot, und 2 Hufen samt einer Hofstelle, die Herr Konrad Schenk von Magdeburg zu Lehen gehabt hat, werden im Jahre 1265 dem St. Lorenzkloster in Magdeburg geschenkt. Regg. archiep. Magdeburg. II, Nr. 1626, 1641 und 1054.

3. Andorf. Die Einkünfte je einer Hufe zu Andorf und Lagendorf, die Heinrich Bruzer von ihm zu Lehen gehabt, schenkt

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Bernhard II. im Jahre 1292 dem Hl. Geist-Kloster in Perver vor Salzwedel. Riedel A XXV, 276/77.

4. Bardowiek. Graf Volrad [von Dannenberg] wird im Jahre 1158 als Vogt der Kirche von Bardowiek genannt. Origg. Guelf. III, 477/78.

5. Barskamp. Der Zehnte von 4 Hufen in Barskamp, den bis dahin Herr Gericus 1 ) [von Barskamp] zu Lehen gehabt, wird im Jahre 1281 von Bernhard II. für 20 Mark Lübisch an Kloster Medingen verkauft. Harenberg, Historia ecciesiae Gandersheimens. S. 1696 f. - Es war vermutlich Verdener Lehen. - Auch die Grafen von Schwerin finden wir hier belehnt.

6. Bekentin. Siehe Dütschow.

7. Bendorf (Benthorp). Zugrunde gegangenes Dorf, wahrscheinlich in der Nähe von Dähre. Hier waren 14 Wichhimpten Lehen der Herren von Dähre. Riedel A XVI, 396. Vergl. Altmärk. Jahresber. XII, 45.

8. Boytighe [wo?]. Hatten zum Teil die Herren von dem Knesebeck zu Lehen. Lüneburger Lehnregister, ed. W: v. Hodenberg, S. 25. Wahrscheinlich identisch mit dem zugrunde gegangenen Dorfe Boyringen im südl. Amt Knesebeck. Siehe Saß S. 152 und Riedel A XVII, 330.

9. [Alten-] Brandsleben. Den Zehnten des Klostervorwerks schenkten die Grafen von Dannenberg - im Jahre 1159 wird Volrad I. als Schenker genannt; dann mehrfache Bestätigungen - dem Kloster Marienthal. Origg. Guelf. III, 535/37 und Pflugk-Harttung, Acta Pontific. inedita I, S. 284 f. u. a.

10. Bresegard. Um 1230 samt dem dazugehörigen Land an Bistum Ratzeburg verkauft. M. U.-B. I, 375 S. 376.

11. Conow. Adolf II. von Dannenberg schenkt im Jahre 1270 sein Eigen von 3 Hufen in Conow dem Nonnenkloster Eldena. M. U.-B. II, 1195.

12. Crucen. Jetzt untergegangenes Dorf zwischen Parchim und Siggelkow. Gemeinsamer Besitz der Dannenberger und Schweriner Grafen. Der bisher an Berthold von Lengede verliehen gewesene Teil wird im Jahre 1263 dem Kloster Dünamünde geschenkt. M. U.-B. II, 990. Vergl. M. U.-B. IV, 2687.

13. Dachtmissen. Lehen des .Herzogs von Sachsen. Ein Haus wird im Jahre 1237 von den Dannenberger Grafen dem Kloster Reinfeld übertragen. Pfeffinger II, 364/65.


1) Bei Harenberg fälschlich Gherinous.
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14. Dähre (Döhre). 6 Wichhimpten waren Lehen der Herren von Dähre. Riedel A XVI, 396 (1223).

15. Dannenberg. Siehe Text, insbesondere S. 129 f.

16. Dömitz. Siehe Text, insbesondere S. 122 und 130.

17. [Hohen-] Dolsleben. Wahrscheinlich Verdener Lehen. Im Jahre 1279 überlassen die Grafen von Dannenberg auf Bitten Paridams von dem Knesebeck hier den Zehnten von 5 1/2 Hufen dem Kloster Diesdorf. Riedel A XVI, S. 406.

18. Drenie. Zugrunde gegangenes Dorf zwischen Beetzendors und Rohrberg, wo sich der Flurname Drenick noch heute findet. Wird im Jahre 1252 von Adolf I. den Bürgern von Rohrberg verkauft. Hahn, Collectio monumentorum veter. I, 259/60. Vergl. Altmärk. Jahresber. XII, 55.

19. Dütschow. Brandenburgisches Lehen, im Jahre 1273 zusammen mit Steinbeck für Bekentin an die Schweriner Grafen vertauscht. M. U.-B. II, 1298.

20. Erbstorf. Alle Ansprüche an die Vogtei zu Erbstorf überläßt im Jahre 1288 Bernhard II. dem Kloster Scharnebeck. M. Jbb. 43, 163/64 Nr. 6.

21. Eyendorf. Im Nekrolog des St. Michaelisklosters zu Lüneburg - Wedekind, Noten III, 27 - findet sich unter dem 10. April die aus dem 12. Jahrhundert stammende Eintragung: "O[biit] Volradus comes, qui dedit tres solidos in Jenthorpe de kamera." Sicherlich ist der hier genannte Schenker Volrad I. von Dannenberg, da ein anderer Graf Volrad in dieser Gegend nicht bekannt ist. Vergl. Saß S. 156 Nr. 61.

22. Falkenberg. An die Herren von dem Knesebeck verliehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25. - Wohl identisch mit den in der "Wische" b. Seehausen genannten Besitzungen, s. dort.

23. [Klein-] Garz (Gardiß). Das Eigen von 2 Hufen wird im Jahre 1290 an Ritter Heinrich v. Dannenberg verkauft. Riedel A XIV, 36.

24. [Süder-] Gettersen. Der dortige Zehnte ist ein Lehen von der Verdener Kirche und wird im Jahre 1267 von den Dannenberger Grafen zusammen mit Pattensen für 40 Mark geprägter Münze (pecuniae numeratae) an Kloster Scharnebeck verkauft. M. Jbb. 43, 159/60 und 162/63. - Nach J. v. Grote, Urkundl. Beiträge Nr. 4, handelt es sich dabei um Süder - Gellersen.

25. Geverdesbrughe [wo?]. Zugrunde gegangenes Dorf, wahrscheinlich in der Nähe von Dömitz. Aus der Mühle zu Gev. schenkt Adolf II. im Jahre 1277 der Kirche zu Dömitz

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1 Wispel Korn. M. U.-B. II, 1441. - Vergl. Saß S. 147 Nr. 17.

26. Gladdenstedt. Bisher Lehen des Johann Gans von Gartow und seines Sohnes Gebhard, wird Gl. im Jahre 1255 von den Dannenberger Grafen für 74 Mark Schwarzsilber an Kloster Isenhagen verkauft. Lüneburger U.-B. Abteilung V, Nr. 31. - Später, um 1340, ist die Hälfte von Gl. in Händen der Herren von dem Knesebeck, Lüneburger Lehnreg. S. 25.

27. Glaisin. Zusammen mit Grebs und Karenz im Jahre 1285 von Graf Friedrich von Dannenberg dem Kloster Eldena geschenkt. M. U.-B. III, 1770.

28. Glüsingen. Der Zehnte zu Glüsingen - Verdener Lehen? - ist verliehen an die Familie Dise; M. U.-B. V, 2755. - Daß hier Glüsingen im Amt Medingen gemeint ist und nicht etwa Glüsingen bei Wittingen, s. Saß S. 155 Nr. 59.

29. Godems [Wodamiz]. Von Adolf I. dem Kloster Eldena überlassen; M. U.-B. III, 2118. - Daß "Wodamiz" nicht - Hoh.-Woos, wie M. U.-B. IV, Ortsreg. S. 96 meint,, vergl. ebenda S. 506 und Saß S. 141 f.

30. Grabow. Scheint Lehen der Markgrafen von Brandenburg gewesen zu sein. Im Jahre 1186 - M. U.-B. I, 141 - als Burg erwähnt; ebenso I, 149 und 162. Um 1208 ist diese in Besitz von Johann Gans v. Putlitz, M. U.-B. I, 182 Note. - Nach M. U.-B. II, 683 soll im Jahre 1252 ein Graf Volrad von Dannenberg die Stadt Grabow gegründet haben. Die Urkunde ist jedoch eine offensichtliche Fälschung; einen Grafen Volrab von Dannenberg gab es um diese Zeit nicht. Doch befindet sich die Stadt damals zweifellos in Händen der Dannenberger Grafen - M. U.-B. II, 845, 990, 1166, 1195 u. a. -, bis sie um 1288 im unmittelbaren Besitz der Markgrafen erscheint, M. U.-B. III, 1966. Vergl. Saß S. 143 f.

31. Grebs. Siehe Glaisin.

32. Grittel. Im Jahre 1290 samt der Holzungsfreiheit im Walde Liepe von Graf Nikolaus an Herrn Huno von Karwe verliehen; M. U.-B. III, 2049. - Im Jahre 1305 wird Grittel und Wald und Dorf Liepe von Nikolaus dem Kloster Eldena geschenkt; M. U.-B. V, 2985.

33. Hohnstorf. Der dortige Zehnte ist ein Lehen von der Verdener Kirche und wiederverliehen an Dithard von Dähre. Im Jahre 1264 wird er an das Nonnenkloster Medingen verkauft; Pfeffing. II, S. 366/67.

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34. Hützel [Hirzzelo]. Der dortige Zehnte ist Lehen der Verdener Kirche und wird um 1268 an Kloster Scharnebeck verkauft; M. Jbb. 43, 161 Nr. 4. Vergl. dort S. 155 Nr. 60.

35. Hundeslaghe [wo?]. Vier Wenden [-höfe ?] waren verliehen an die v. d. Knesebeck; Lüneburger Lehnreg. S. 25. - Hundeslaghe - Honlege, wie Saß a. a. O. S. 152 Nr. 32 meint?

36. Isenhagen. 1245 verzichten Bernhard I. und Adolf I. auf ihre Anrechte an Isenhagen zugunsten ihres Lehnsherrn, des Herzogs Otto von Braunschweig-Lüneburg; Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 8.

37. Jübar. Im Jahre 1308 verkauft Gerhard Wolf von Beetzendorf 4 Hufen in Jübar an Kloster Isenhagen mit Zustimmung des Grafen Nikolaus von Dannenberg; Riebet A XXII, 108 f. - Einen andern Teil von Jübar hatten die v. d. Knesebeck zu Lehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25. Vergl. Lüdelsen.

38. Karenz. Siehe Glaisin. Vergl. M. U.-B. V, 2890.

39. Lagendorf. Siehe Andorf.

40. Lenzen. Siehe Text S. 122.

41. Lichterfelde [littervelde]. Ein Hof mit 3/4 des Landes war verliehen an die Herren v. d. Knesebeck; Lüneburger Lehnreg. S. 25. - L. gehörte wahrscheinlich zu den Besitzungen in der "Wische" b. Seehausen, siehe dort und Falkenberg. Vergl. Riedel, Namenverzeichn. II, 269.

42. Liepe. Siehe Grittet.

43. Lüdelsen. Im Jahre 1308 verkauft Gerhard Wolf von Beetzendorf 91/2 Hufen in Lüdelsen mit Zustimmung Nikolaus' von Dannenberg an Kloster Isenhagen; Riedel A XXII, 108 f. Vergl. Jübar.

44. Mackenstedt [südwestl. Bremen]. Scheinen die Grafen von Dannenberg Erbansprüche aus der Heirat Volrads II. mit Jutta vonWölpe besessen zu haben; HoyerU.-B. V, Nr. 15 (1233).

45. Malliß. 1) 8 Hufen schenkt Bernhard II. im Jahre 1289 dem Kloster Eldena; M. U.-B. III, 2004. 2) 31/2 Hufen überläßt Adolf II. dem Kloster Eldena; M. U.-B. III, 2118.

46. Marnitz. Wohl Lehen der Markgrafen von Brandenburg. Im Jahre 1275 wird die Burg Marnitz von Heinrich V. an Helmold von Schwerin verpfändet; M. U.-B. II, 1356. Vergl. M. Jbb. 14, 75/47 und 43, 142.

47. Mehmke [Medebeke]. 1) Um 1245 wird hier eine ganze Reihe von Lehnsleuten genannt, deren Anteil dem Kloster Isenhagen verkauft wird; Lüneburger U.-B., Abtlg. V, Nr. 11.

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2) Im Jahre 1253 verschenkten Gerburg und Sophie von Dannenberg ihren Anteil an M. an Kloster Isenhagen; ebenda Nr. 29.

48. Melbeck. 1/2 Ouadrans Roggen in Melbeck überträgt Graf Nikolaus im Jahre 1310 dem Hl. Geist- und St.Lamberti-Stift in Lüneburg, nachdem dieses ihn von Ludolf von Estorf gekauft hat; U.-B. d. Stadt Lüneburg I, 265.

49. Ohrdorf. 2 Hufen werden dem Kloster Marienthal geschenkt; vergl. Brandsleben.

50. Pattensen. Siehe Gellersen.

51. Plastau. Hatten die Herren v. d. Knesebeck zu Lehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25.

52. Ripdorf. Die Vogtei von Ripdorf wurde im Jahre 1237 dem Kloster St. Johann in ÜIzen überlassen; M. Jbb. 43, 159.

53. Rohrberg, 1) 3 Hufen, Lehen Gerberts von Bardeleben, werden im Jahre 1248 dem Hl. Geist-Hospital zu Salzwedel verkauft; Riedel A XIV, 5. 2) Die Pfarrkirche zu R. wird im Jahre 1264 den Kranken des Johanniterordens zu Werben geschenkt; ebenda A VI, 17.

54. Rozeve [wo?]. Ein Haus zu Rozeve besaßen die v. d. Knesebeck zu Lehen von den Dannenberger Grafen; Lüneburger Lehnreg. S. 25. - Ob - Rossau westl. Osterburg, wie Saß S. 152 meint oder die Rosower Berge nördl. Osterburg?

55. Schneflingen. Hatten die v. d. Knesebeck zu Lehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25.

56. Schüringen. 3/4 des Landes war verliehen an die Herren v. d. Knesebeck; Lüneburger Lehnreg. S. 25. - Daß das "sturinghe" dort - Schüringen, siehe Saß S. 151 f. Nr. 31; vergl. Jahresber. des Altmärkischen Vereins XIII, 120 und Riedel A III, 91.

57. Seehausen. In der "Wische" bei Seehausen waren die v. d. Knesebeck belehnt; Lüneburger Lehnreg. S. 25. Das waren vermutlich die Dörfer Falkenberg, Lichterfelde und Schüringen. Siehe Saß S. 151 Nr. 28 ff.

58. Siggelkow. Gemeinsames Lehen der Dannenberger und Schweriner Grafen von den Markgrafen. Im Jahre 1238 von ihnen zum Teil zusammen mit Zachow an Kloster Dünamünde geschenkt; M. U.-B. I, 488. Im Jahre 1262 kommt auch der Schweriner Anteil an Dannenberg; M. U.-B. II, 946.

59. Steinbeck. Siehe Dütschow.

60. Steinlage [stenlage]. Zugrunde gegangenes Dorf, wahrscheinlich in der Nähe von Dähre und Deutsch-Horst; Altmärk.

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Jahresber. XII, 44. 3 Hufen waren Lehen der v. d. Knesebeck; Lüneburger Lehnreg. S. 25.

61. Strassen. Die Mühle bei Strassen wird im Jahre 1289 von Graf Nikolaus dem Kloster Eldena geschenkt; M. U.-B. III, 2005.

62. Stuck. Von Adolf II. dem Kloster Eldena verkauft; M. U.-B. III, 2118.

63. Teschendorf [tessekendorp]. Hatten die v. d. Knesebeck zu Lehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25.

64. [Hohen-] Tramm. 4 Hufen, die vorher Ritter Philipp oon Stöcken zu Lehen gehabt, überträgt im Jahre 1311 Graf Nikolaus dem Kloster Arendsee; Riede! XXII, 21 f.

65. Ülzen. Einige Besitzungen (agri et areae), die bei dem St. Johann-Kloster zu Ülzen liegen, überträgt Bernhard II. im Jahre 1293 diesem Kloster; M. Jbb. 43, 164 Nr. 7.

66. Warlow. 4 Hufen in Warlow, Lehen des Herzogs von Sachsen, verkauft Bernhard II. im Jahre 1291 an Ludolf, Vogt in Schwerin, und Ulrich Pinnow; M. U.-B. III, 2123 u. 2132.

67. Wibbese [wibeze]. Hatten zum Teil die v. b. Knesebeck zu Lehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25.

68. Zachow. Siehe Siggelkow.

69. Zasenbeck [sasbeke]. 3/4 von Zasenbeck hatten die Heeren v. d. Knesebeck zu Lehen; Lüneburger Lehnreg. S. 25.

 

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Bemerkungen zur Karte.

Für die Bearbeitung des rechtselbischen Teils der Karte, insbesondere für die Abgrenzung der Grafschaft Ratzeburg, wurde die Karte bei J. H. Neuendorff, Stiftsländer des ehemaligen Bistums Ratzeburg, Schwerin und Rostock 1832, herangezogen. - Die auf der linken Seite der Elbe eingetragenen Besitzungen der Schweriner, Dannenberger und Lüchower Grafen sollen dazu dienen, ein klares Bild der eigentümlichen Besitzverhältnisse hier zu gewinnen. Dabei ist zu beachten, daß eine Scheidung zwischen ganzem und teilweisem Besitz nicht vorgenommen ist, um die Übersicht nicht zu erschweren; wenn also ein Dorf z. B. unterpunktiert ist, braucht es darum nicht ganz den Ratzeburger Grafen gehört zu haben. Sind dagegen in einem Orte zwei verschiedene Grafen als Belehnte genannt, so ist dieser mit den entsprechenden Linien unterstrichen; später umgetauschte Besitzungen der Dannenberger Grafen sind durch eine senkrechte Linie rechts vom Namen bezeichnet. - Die Besitzungen der Dannenberger und Lüchower Grafen - eine Geschichte der letzteren zu schreiben, behält sich der Verfasser vor - sind auf Grund eigener Ermittlungen eingetragen, die der Schweriner dagegen nach den Darlegungen v. Hammersteins in seinem Aufsatz "Die Besitzungen der Schweriner Grafen am linken Elbufer", Zeitschr. des historischen Vereins für Niedersachsen 1857, 1-191. Da diese Schweriner Besitzungen links der Elbe außerordentlich zahlreich waren - v. Hammerstein zählt 247 Ortschaften auf -, konnte eine vollständige Eintragung derselben hier um so weniger in Frage kommen, als es dem Verfasser nur darauf ankam, ihre Lage im Verhältnis zu den Besitzungen der beiden andern Dynasten zu zeigen.

 

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Bücher.

Arn = Arnold v. Lübeck, Chronica Slavorum, MG Schulausg. nach der Ausgabe von Lappenberg, 1868.

Bernhardi = Wilh. Bernhardi, Konrad III.; in Jahrbb. d. deutsch. Geschichte, 2 Teile, Leipzig 1883.

v. Breska = Forschungg. zur deutsch. Geschichte, Bd. XXII. S. 577/605.

Detm. = Detmar, herausgeg. von K. Koppmann in Chroniken d. deutsch. Städte, Bd. XIX.

L. Giesebr. = Ludwig Giesebrecht, Wendische Geschichten, 3 Bde., Berlin 1843.

Giesebr. u. Giesebr. K. Z. = Wilhelm Giesebrecht, Geschichte d. deutschen Kaiserzeit.

v. Grote = Julius v. Grote, Die Grafen von Wassel in Zeitschr. ,d.histor. Vereins f. Niedersachs. 1853 S. 240/48.

Hahn = Simon Friedr. Hahn, Collectio monumentorum veterum Bd. I, Braunschw. 1724.

Harenbg. = Chr. Harenberg, Historia ecciesiae Gandersheimensis diplomatica, Hannov. 1734.

Hasse = Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten u. Urkunden, herausgeg. von P. Hasse, 3 Bde., 1886/96.

Hauck R.G. = A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. IV, Leipz. 1903.

Havem. = W. Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig u. Lüneburg, Bd. I, 1853.

v. Heinem. = O. v. Heinemann, Geschichte von Braunschweig u. Hannover, 3 Bde., Gotha 1884.

Helm. = Helmold, Chronica Slavorum, MG Schulausg. von B. Schmeidler, Hannov. 1909.

v. Kobbe = Peter v. Kobbe, Geschichte u. Landesbeschreibung des Herzogtum Lauenburg, 3 Teile, 1836 f. (Hier meist- Teil I.)

Lor. = Hugo Loreck, Bernhard I, Herzog von Sachsen, in Zeitschr. d. Harzvereins, 1893.

MG = Monumenta Germaniae historica.

M. Jbb. = Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte.

Mooyer = E. F. Mooyer, Kritische BeitrÄge zur Geschichte u. Genealogie der Grafen V. Dassel in Zeitschr. des Vereins f. Geschichte u. Altertumskunde Westfalens, Bd. VIII, 87/115.

M. U.-B. = Mecklenburgisches Urkundenbuch.

Pfeffing. = J. F. Pfeffinger, Historie des Braunschweig-Lüneburgischen Hauses, 2 Bde., 1732.

Philipps. = Martin Philippson, Geschichte Heinrichs des Löwen, 2 Bde., Leipz. 1867.

Prutz = H. Prutz, Heinrich der Löwe, Leipz. 1865.

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Riedel = Codex diplomaticus Brandenburgensis herausgeg. von A. F. Riedel in 3 Reihen, Berlin 1838/69.

Saß = E. Saß, Zur Genealogie der Grafen von Dannenberg, in M. Jbb. 43, S. 33/164.

Saxo = Saxo Grammaticus i. Auszug herausgeg. von Holder-Egger in MG SS XXIX, 37/161.

Sudendorf = Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig u. Lüneburg, herausgeg. von H- Sudendorf, 11 Teile, Hannov 1859/83.

Suhm = P. Fr. Suhm, Historie af Danmark, Kopenhagen 1775.

S.W. = Sächsische Weltchronik, herausgeg. von L. Weiland in MG, Deutsche Chronikk. Bd. II, Hannov. 1877.

Toeche = Th. Toeche, Kaiser Heinrich VI., in Jahrbb. d. deutschen Geschichte, Leipz. 1867.

Using. = R. Usinger, Deutsch-Dänische Geschichte 1189-1227, Berlin 1863.

Weiland -.- Ludw. Weiland, Das sächsische Herzogtum unter Lothar und Heinrich dem Löwen, Greifswald 1866.

Wigger = M. Jbb. 28, S. 3-247.

Winkelm. Ph. v. Schw. = Ed. Winkelmann, Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig, in Jahrbb. d. deutsch. Geschichte, 2 Bde., Leipz. 1873 u. 1878.

Winkelm. Friedr. II. = Ed. Winkelmann, Kaiser Friedrich II., in Jahrbb. d. deutsch. Geschichte, 2 Bde., Leipz. 1889 u. 1897.

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Karte zur Geschichte der Grafen von Ratzeburg und Dannenberg
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II.

 

Mecklenburg und der Prager

Friede 1635

von

Dr. Wilhelm Jesse = Schwerin.

 

Vignette
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Diese Abhandlung hat im Frühjahr 1911 der philosophischen Fakultät der Universität Berlin zwecks Erlangung der Doktorwürde vorgelegen.

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Einleitung.

Im Verlaufe der zweiten Periode des großen Krieges, die wir als die niedersächsisch-dänische zu bezeichnen pflegen, wurde durch den Rückzug der Anhänger des vertriebenen Böhmenkönigs nach Norddeutschland die Kriegsfackel auch dem Herzogtum Mecklenburg nahe gebracht. 1 ) Das Vorrücken Tillys nach der Niederlage Mansfelds und Christians von Braunschweig bei Stadtlohn und seine immer drohender werdende Haltung allen niedersächsischen Ständen gegenüber ließen seine Absichten bald nicht mehr als zweifelhaft erscheinen und veranlaßten, wie die anderen niedersächsischen Fürsten so auch die mecklenburgischen Herzöge Adolf Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin und Hans Albrecht II von Mecklenburg-Güstrow, ihre bisher beiden Parteien gegenüber sorgsam beobachtete Neutralität aufzugeben und für einen bewaffneten Anschluß an den Dänenkönig Christian IV. einzutreten, der nun im Bunde mit anderen auswärtigen Mächten den katholischen Heeren entgegentrat. Im Mai 1625 auf dem Kreistag zu Braunschweig wurde dieser folgenschwere Entschluß gefaßt und Christian zum niedersächsischen Kreisobersten gewählt. 2 ) Das Kriegsglück entschied zugunsten der Kaiserlichen. Bei Lutter erlitten die Dänen im August 1626 eine entscheidende Niederlage. Sie fluteten nach Norden zurück, und große Teile von ihnen besetzten den Südwesten Mecklenburgs. Wohl hatten die Herzöge Tillys Aufforderung zum Abfall von Dänemark willfährig auf-genommen, aber unter dem Druck der dänischen Waffen und bei ihren geringen eigenen Streitkräften war es unmöglich, ihren guten Willen, falls er überhaupt vorhanden war, in die Tat umzusetzen. Ohne Billigung freilich der Landstände und des Volkes leisteten die Fürsten, teils gezwungen, teils freiwillig, den


1) Opel, Der niedersächsisch-dänsche Krieg. 3 Bde. Halle-Magdeburg 1872-94.
2) Opel, III. S. 138 ff.
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Dänen Vorschub. So nimmt es nicht Wunder, daß man ihnen bald zweideutige oder gar feindliche Haltung vorwarf; und als nun gar ein Wallenstein bei seinem Vorrücken nach Norddeutschland im Jahre 1627 seinen Blick auf das Land geworfen hatte, war sein Schicksal entschieden. Das Jahr 1628 sah die beiden Herzöge abgesetzt, des Landes vertrieben und Wallenstein als neuen Herzog von Mecklenburg. 3 ) Im Lübecker Frieden von 1629 mußte Christian IV. seine einstigen Bundesgenossen ihrem Geschick überlassen.

Von der Verbannung aus waren die Herzöge nun zwar unermüdlich tätig, durch Schreiben oder Gesandtschaften an deutsche und außerdeutsche Fürsten und Mächte um Fürsprache beim Kaiser zu bitten oder zum mindesten eine genaue Untersuchung ihrer Sache zu erreichen, aber alle ihre Bemühungen waren vergebens. 4 ) Wohl nahmen sich protestantische Kurfürsten der Sache auf dem Regensburger Reichstag von 1630 an, und die Herzöge hatten zu dieser Gelegenheit eine umfangreiche Verteidigungsschrift verfassen und vorbringen lassen 5 ), aber die Verhandlungen dort hatten keinen besseren Erfolg. Wallenstein wurde wohl seines Generalats enthoben und zog sich auf seine böhmischen Besitzungen zurück, aber er behielt den Titel eines Herzogs von Mecklenburg und ließ von seinen Ansprüchen nicht ab. Kaiserliche Truppen hielten das Land auch ferner besetzt. Die Sache der Herzöge wäre aussichtslos gewesen, wenn nicht der Schwedenkönig Gustav Adolf seinen Fuß auf deutschen Boden gesetzt hätte.

Über die Beweggründe Gustav Adolfs zur Teilnahme am deutschen Kriege ist hier nicht zu handeln. 6 ) Fest steht, daß die


3) Grotefend, Mecklenburg unter Wallenstein und die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge M. Jbb. 66. Schwerin 1901 - Schulenburg, Die Vertreibung der mecklenburgischen Herzöge Adolf Friedrich und Johann Albrecht durch Wallenstein und ihre Restitution. Dissertation Rostock 1892. - Breyer, Wallensteins Erhebung zum Herzog von Mecklenburg. Dissertation Göttingen 1882.
4) Grotefend, M. Jbb. 66 S. 237.
5) Fürstlich mecklbg. Apologia 1630 (mit 259 Aktenbeilagen).
6) Vergl. Odhner, Om orsakerna till Gustav II. Adolfs deltagande i trettioariga kriget; Gutjahr, Gustav Adolfs Beweggründe zur Teilnahme am deutschen Kriege, Leipzig 1894; Lenz, Gustav Adolf, dem Befreier, zum Gedächtnis, Preußische Jbb. 78, Berlin 1894; v Treitschke, Gustav Adolf und Deutschlands Freiheit, Hist. u. polit. Aufsätze, 4 Bd. , Leipzig 1897; Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des dreißigjährigen Krieges, 3. Bd. S. 463 f.; Struck, Gustav Adolf und die schwedische Satisfaktion, H. Vischr. II.
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Vertreibung der mecklenburgischen Herzöge, seiner Verwandten 7 ), die auch ihn schon wiederholt um Hülfe angefleht hatten und mit denen er bereits längere Zeit in Unterhandlungen stand, vor allem aber die Erhebung Wallensteins eine Rolle dabei gespielt haben. Ebenso sicher ist, daß die Herzöge dem Schwedenkönige allein ihre Wiedereinsetzung verdankten. 8 ) Es ist genugsam bekannt, mit welchem Mißtrauen die evangelischen Reichsstände, vor allem Kursachsen und Kurbrandenburg, Gustav Adols anfangs begegneten und wie erst der Druck der schwedischen Waffen und die halsstarrige katholische Politik Kaiser Ferdinands sie zum Anschluß an Schweden brachte. Die mecklenburgischen Herzöge machten von dieser Haltung keine Ausnahme, da sie trotz aller bisherigen Mißerfolge noch immer die Hoffnung hegten, daß ihre Angelegenheit auf friedlichem Wege zu ihren Gunsten entschieden werden könnte. Die Furcht, offen mit dem Kaiser zu brechen durch den Übergang zu einem außerdeutschen Reichsfeinde, war im Hinblick auf die Erfahrungen der letzten Zeit noch durchaus vorherrschend, wenn auch in ihren ausweichenden Antworten auf Gustav Adolfs wiederholte Aufforderungen andere Gründe, wie Mangel an Gelb und Truppen, in den Vordergrund traten. 9 ) Noch auf dem Leipziger Konvent der Evangelischen vom Frühjahr 1631 waren die mecklenburgischen Gesandten im Anschluß an Kurbrandenburg für eine abwartende Stellung gegenüber der schwedischen Expedition eingetreten. Es war dies vielleicht in Rücksicht auf Einigungsverhandlungen geschehen, die zurzeit noch zwischen Evangelischen und Katholiken im Gange waren und im Herbst zu dem freilich von vornherein aussichtslosen Frankfurter Kompositionstage führten; denn die Verhandlungen verliefen dort bereits unter dem Eindruck der schwedischen Siege völlig ergebnislos. 10 ) Die Herzöge waren indessen bereits vorher genötigt gewesen, als Gustav Adolf immer weitere Fortschritte machte und andere evangelische Fürsten sich ihm bereits hatten anschließen müssen, sich offen zu erklären und auch ihrerseits von Lübeck aus energischer die Wiedereroberung


7) Die Mütter Gustav Adolfs und der Herzöge, Christina bezw. Sofia, waren Schwestern, Töchter Adolfs von Holstein.
8) Grotefend, M. Jbb. 66 S. 269 ff.; Schulenburg a. a. O. S. 116.
9) Grotefend, M. Jbb. 66 S. 274 ff.; Schulenburg a. a. O. S. 117 und 123ff.
10) Verql. Helbig, Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg 1630-32, Leipzig 1854, S. 33 ff. und 57 ff.; Aktenmaterial bei Londorp, Acta publica, Frankfurt 1668, Tom. IV, S. 130 ff. und 220 ff.
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ihres Landes zu betreiben. In einigen Monaten war mit Hülfe schwedischer Truppen das Herzogtum vom Feinde gesäubert. Am 9. /19. Juli 1631 schon konnte Adolf Friedrich in seine Residenzstadt Schwerin einziehen 11 ), und am 7. /17. Januar 1632 fiel alls letzter fester Platz Wismar. 12 )

Nach seiner Landung an der pommerschen Küste im Sommer 1630 war Gustav Adolf vor allem darauf bedacht gewesen, sich auf deutschem Boden eine feste Basis zu schaffen, militärisch durch die Besetzung der Ostseeküstenländer, politisch durch Bündnisse mit den deutschen Fürsten. Nächst Pommern war es naturgemäß Mecklenburg, auf das er sein Augenmerk gerichtet hatte General Tott wurde angewiesen, bei der Eroberung Mecklenburgs darauf zu sehen, daß die Häfen in schwedische Hände kämen, und bald auch suchten der König und sein Kanzler durch Allianzverhandlungen mit den Herzögen sich vertragsmäßig bedeutende Rechte im Lande zu sichern. 13 ) Sofort stieß er aber bei den Herzögen auf das größte Mißtrauen, ja den hartnäckigsten Widerstand. Schon war es zwischen ihnen und den schwedischen Befehlshabern zu manchen Differenzen bei der Besetzung der festen Plätze gekommen 14 ), und bei den nun folgenden langwierigen Bündnisverhandlungen kamen sie dem Könige durchaus nicht als einem Erretter entgegen. 15 ) Man würde fehlgehen, in dem Verhalten der Herzöge nur schnöden Undank zu sehen, wie dies auf schwedischer Seite jetzt und später gern geschah. Die Forderungen des Königs waren in der Tat sehr hohe und die möglichste Herabminderung der Bündnisverpflichtungen sowie die Wahrung ihrer Selbständigkeit mußte notwendigerweise im Interesse der Herzöge und ihres Landes liegen. Als einer der letzten aller Allianzen mit deutschen Fürsten wurde endlich unter dem Datum des 29 Februar/10 März 1632 zu Frankfurt das schwedisch-mecklenburgische Bündnis ab-


11) Alle Daten sind, wenn nicht doppelt, nach altem Stil angegeben, wie ihn die benutzten mecklenburgischen, sächsischen und schwedischen Akten zeigen.
12) Grotefend, M. Jbb. 66 S 280.
13) Kretzschmar, Gustav Adolfs Pläne und Ziele in Deutschland und die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd 17, Hannover und Leipzig 1904, S 164 ff.
14) Grotefend, M. Jbb. 66 S. 276 f.
15) Kretzschmar a. a. O. S. 187 ff.; Schnell, Der große Krieg, Mecklenburgische Geschichte in Einzeldarstellungen, Bd. 3, Berlin 1907, S. 73 ff.
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geschlossen. 16 ) Die Herzöge wurden darin unter Protektion des schwedischen Königs wieder zu Herren des Landes eingesetzt, mußten aber Wismar und Warnemünde für die Dauer des Krieges an Schweden überlassen, monatlich ab 1. Oktober 1631 10 000 Taler zahlen und die Anlage schwedischer Zölle gestatten, wovon sie freilich 1% erhalten sollten. Ihre Truppen standen fortan unter schwedischem Oberbefehl, durchziehende Völker mußten verpflegt und schwedische Münze zugelassen werden. Das Bündnis sollte ein ewiges sein, kein Teil ohne den andern Frieden Schließen dürfen, jeder den andern in Krieg und Not unterstützen. Betrachtet man endlich noch den wichtigen Artikel 18, der die Loslösung Mecklenburgs aus dem Reichsverbande und ein Lehnsverhältnis zu Schweden zu bedeuten schien 17 ), ist es nicht mehr verwunderlich, daß die Herzöge diesem Vertrage gewaltsam, freilich vergeblich, widerstrebt hatten. Das Abhängigkeits- trat vor dem Bundesverhältnis nur zu deutlich in den Vordergrund.

Verläufig genoß das Land ja freilich die Früchte der schwedischen Siege mit, und die Kriegsgefahr entfernte sich mehr und mehr. 18 ) Um so drückender ward dagegen bald die Last von seiten der eigenen Verbündeten, der Schweden, im Lande empfunden, und die Allianz wurde somit der Ausgangspunkt aller Missverständnisse und Gegensätze, die stetig wachsend und dem allgemeinen Gang der politisch-militärischen Ereignisse im übrigen Deutschland folgend schließlich zur völligen Abkehr von Schweden führten.


16) Gedruckt bei: Westphalen, Monumenta inedita rer. Germanic. praecipue Cimbric. et Megapol. Tom. IV. 5. Diplomatarium Meclenburgicum S. 1199 ff.; Kretzschmar a. a. O. S. 316 ff. (mit Gegenüberstellung der mecklenburgischen Änderungsvorschläge); Sverges traktater mcd främmande magter V, 1, Stockholm 1903, ed. Hallendorff och Rydberg, S. 704 ff.
17) Vergl. Kretzschmar a. a. O. S. 189 f.
18) Ein im Sommer und Herbst 1632 drohender Einfall Pappenheims von der Weser her nach Niedersachsen wurde glücklich abgewendet. Die Herzöge hatten auf Aufforderung des schwedischen Residenten Salvius bereite alle Vorkehrungen getroffen. A. S.: Inv. host. Vol. XV. Vergl. auch Droysen, Der Krieg in Norddeutschland 1632, Zt. f. preuß. Gesch. t. Ldkde. Bd. 9.
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I. Vom Tode Gustav Adolfs bis zum Frankfurter Konvent 1634.

Der Tod Gustav Adolfs auf dem Schlachtfelde von Lützen war sowohl für die Schweden wie vor allem für die Gestaltung der deutschen Verhältnisse von einschneidender Bedeutung. Mögen Gustav Adolfs Pläne und Ziele in Deutschland gewesen sein wie sie wollen, jedenfalls waren sie weitgehender als die des Reichskanzlers Axel Oxenstierna, der nun die Leitung der schwedischen Politik übernahm. 19 ) Ohne Zweifel war Oxenstierna ein bedeutender Staatsmann, aber doch nicht imstande, die Persönlichkeit seines verstorbenen Herrn besonders den deutschen Fürsten gegenüber voll und ganz zu ersetzen. So erkannte er vollkommen richtig, daß es nunmehr allein darauf ankommen könnte, den Krieg mit deutschen Mitteln möglichst schnell bis zu einem für Schweden günstigen und einträglichen Frieden zu Ende zu führen. Mochten bei Gustav Adolf religiöse Motive mit maßgebend gewesen sein, bei Oxenstierna fielen sie gänzlich fort, seine Politik war eine reine schwedische Machtpolitik.

In erster Linie hieß es nun für ihn, die evangelischen Stände vor einer jetzt nach des Königs Tode möglicherweise drohenden Zersplitterung zu bewahren und weiter an Schweden zu fesseln. Oxenstierna folgte hier zunächst durchaus einem schon von Gustav Adolf gezeigten Plane, der die protestantischen Stände zum Zwecke einer besseren und einheitlichen militärisch-politischen Organisation zu einem großen Corpus Evangelicorum unter schwedischer Leitung zusammenfassen wollte. Und zwar schwebte ihm vor, zunächst die vier oberdeutschen Kreise, sodann aber auch die beiden sächsischen und den westfälischen Kreis durch eine allgemeine Konjunktion in ein näheres Verhältnis zu Schweden zu bringen. Diese Frage,


19) Vergl. Kretzschmar a. a. O.; Struck, Gustav Adolf und die schwedische Satisfaktion, Hist. Bjschr. II; im übrigen Anm. 6.
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ob das gewaltige Werk einer Einigung aller Evangelischen unter schwedischem Direktorium überall gelingen würde, mußte für alle evangelischen Stände, nicht zum wenigsten auch für Mecklenburg von größtem Interesse werden.

Zunächst brachte der Tod Gustav Adolfs in die mecklenburgischen Verhältnisse keine Änderung. Unter den obwaltenden Umständen mußte auch hier das Ereignis einen Verlust bedeuten. Bevor noch Oxenstierna's offizielle Mitteilung vom Tode des Königs eintraf und die Herzöge gleichzeitig an ihre Verpflichtung, dem schwedischen Bündnis treu zu bleiben, erinnerte 20 ), hatten diese bereits eine Gesandtschaft an den Reichskanzler abgefertigt, um ihm ihr Beileid auszusprechen. Gleichzeitig gaben sie die Erklärung ab, daß sie auch künftig eingedenk der Verdienste des verstorbenen Königs treulich am schwedischen Bündnis festhalten und auf die übrigen deutschen Fürsten im gleichen Sinne wirken wollten. Wenn die Herzöge aber diese Gelegenheit ferner benutzten, wegen der Lasten, die das Bündnis ihrem Lande gebracht habe, vorstellig zu werden und um Minderung zu bitten, so hofften sie offenbar vom Reichskanzler mehr zu erreichen, als in früherer Zeit vom König, welcher derartigen Klagen immer sehr energisch gegenübergetreten war. 21 ) Es verbanden sich für Adolf Friedrich mit dem Tode Gustav Adolfs zweifellos bereits Hoffnungen und Ziele, die dem schwedischen Interesse zuwiderliefen, auf eine möglichste Entlastung des Landes und letzten Endes zweifellos auf Befreiung vom schwedischen Bündnis gerichtet waren. Bei allen Gelegenheiten klingt dieser leitende Gedanke fortan bald lauter, bald vorsichtiger durch. Namentlich waren die hohen schwedischen Seezölle zu Wismar und Warnemünde bald sehr drückend geworden, zumal da der den Herzögen zukommende Anteil nicht ausgezahlt wurde. Weiter bildeten die Erhaltung der schwedischen Garnisonen, die Aufbringung der monatlichen Subsidiengelder und die Regelung der Truppendurchmärsche die wesentlichsten Punkte der mecklenburgischen Klagen und Vorstellungen. Wenn die Herzöge aber glaubten, Dxenstierna ihren Bitten gegenüber gefügiger zu finden als den verstorbenen König, so irrten sie sich darin gründlich. Der Reichskanzler war durchaus nicht geneigt, den Herzögen entgegenzukommen, sondern im Gegenteil darauf bedacht, soviel wie


20) Oxenstierna an Adolf Friedrich d. d. Erfurt 30. Nov. 1632, praes. Schwerin, 5. Jan. 1633. Orig. A. S.: Suec.
21) Instruktion für H. v.- Passow u. H- Zach. v. Rochow, d. d. Schwerin, 26. Nov. 1632. Orig. A. S.: Suec.
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möglich aus dem Lande herauszuziehen, das militärisch wie politisch von Schweden abhängig war. So begegnete er vielmehr den Gesandten umgekehrt seinerseits mit Klagen über das Ausbleiben der Subsidiengelder, die nachlässige Erfüllung anderer Bündnisverpflichtungen und mit der dringenden Mahnung, zur Fortführung des Krieges alle Mittel in Bereitschaft zu halten. Scharf betonte er ferner die Notwendigkeit einer evangelischen Einheit und einer darauf füßenden Kriegsorganisation unter schwedischer Leitung, um dem Feinde geschlossen entgegentreten zu können. Es war sein politisches Programm. 22 )

Die Herzöge, und besonders Adolf Friedrich, waren verständig genug, einzusehen, daß trotz alter Gegensätze und Reibereien, die sich für sie durch ihr Verhältnis zu Schweden ergaben und in der Folge mehr zu- als abnahmen, unter den gegenwärtigen Umständen ihr Platz vorläufig allein an der Seite Schwedens sein könnte. Adolf Friedrich stimmte mit dem Reichskanzler darin überein, daß nur ein starkes Zusammenhalten der evangelischen Stände die Gefahr, die vom Feinde noch immer drohte und nun nach Gustav Adolfs Tode wieder dringender erschien, abwenden könnte. So war denn auch er sogleich nach dem Eintreffen der Todesnachricht eifrig tätig, eine Zersplitterung der Evangelischen zu verhindern. Seine Schreiben gingen in diesem Sinne an die Fürsten von Hessen, Holstein und die braunschweigischen Herzöge, seine Gesandten nach Pommern, Kursachsen und Kurbrandenburg. 23 ) Daß dem Herzoge aber dabei letzten Endes ganz andere Ziele vorschwebten als dem Reichskanzler und ihr Weg sie nur vorläufig eine kurze Strecke zusammen führte, geht klar bereits aus einigen dieser Schreiben und Instrustionen hervor. So bittet er den Landgrafen Georg von Hessen, eine Friedensvermittlung bei Kursachsen und dem Kaiser zu unternehmen, andere Fürsten sucht er für den Plan eines allgemeinen evangelischen oder eines nieder-


22) Relation d. Gesandten d. d. Dresden, 28. Dez. 1632, u. d. d. Schwerin, 5. Febr. 1633. Orig. A. S.: Suec.
23) Adolf Friedrich an Georg v. Hessen d. d. Schwerin, 22. Nov. 1632, an Johann Friederich, Erzbischof v. Bremen, Wilhelm v. Hessen, Friedrich v. Holstein, Christian v. Braunschweig-Lüneburg, Bischof v Minden, Friedrich Ulrich v. Braunschweig-Lüneburg und Georg Wilhelm v. Brandenburg, d. d. Schwerin, 23. Nov., Instr. für v. d. Marwitz und Bogislav Behr an Kursachsen u. Kurbrandenburg, d. d. Schwerin, 26. Nov., für Dr. Stephanie an Pommern, d. d. 22. Nov. Konz. bezw. Orig. A. S.: Kreiss. - Vergl Adolf Friedrich an Bogislav, d. d. Schwerin, 6. Febr. 1633, bei Bär, Die Politik Pommerns im 30jährigen Kriege, Pubtikat. aus preuß. Staatsarch., Bd. 64, Leipzig 1896, S. 293 f.
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sächsischen Konvents zu gewinnen. Auch von einem festen Zusammenschluß der Evangelischen ist die Rede, ohne daß dabei an Schweden gedacht wird. Wenn alle diese dem schwedischen Interesse entgegengesetzten Pläne noch nicht mit irgendwelchem Nachdruck betrieben wurden, so lag das vor allem an der starken Machtstellung Schwedens im Norden, die ein offenes Handeln verbot. Dieser Umstand war neben anderen Überlegungen wohl auch in erster Linie bestimmend für die schwedenfreundliche Haltung, welche die Herzöge in dem nun beginnenden diplomatischen Kampfe zwischen Kursachsen und Dänemark einer-, Schweden andererseits einnahmen.

Kursachsen, das nur notgedrungen sich Schweden hatte anschließen müssen und in ihm immer noch den Rivalen sah, der es aus seiner ihm gebührenden Vormachtstellung unter den deutschen evangelischen Ständen verdrängt hätte, ließ nach des Königs Tode diesen Gegensatz wieder offener ans Licht treten. Sein Streben ging in der Hauptsache dahin, Schweden zu isolieren, indem es die deutschen Stände für Friedensverhandlungen zu gewinnen und den Forderungen des Reichskanzlers nach Kriegsorganisation und schwedischer Satisfaktion zu entfremden suchte. So waren die Schwedischen Erfolge fortdauernd von solchen sächsischen Friedensbestrebungen begleitet, denen der Reichskanzler ebenso bewußt entgegenarbeitete. 24 ) - Einen Gesinnungsgenossen fand Kursachsen in Christian IV. von Dänemark, der gleichfalls aus Rivalität gegen Schweden, dessen Erfolge notwendig auf Dänemarks Stellung im Norden wirken mußten, die schwedischen Pläne durch Friedensvermittelungsversuche zu durchkreuzen trachtete. Noch zu Lebzeiten Gustav Adolfs war Christians Streben dahin gegangen, dessen Siegeslauf durch Friedensvorschläge zu hemmen oder ihn von seinen Bundesgenossen zu trennen. Aber Gustav Adolfs hohe Forderungen und seine überragende militärische Machtstellung hatten diese Pläne scheitern lassen. Mit mehr Erfolg glaubte Christian nun nach dem Tode des Königs zu verfahren, als er zu Beginn des Jahres 1633 eine neue Vermittelung anbahnte und nunmehr bei Kursachsen bereitwilliges Entgegenkommen fand. 25 )

Für Oxenstierna konnte die Stellung zu diesem dänischen Angebot keinen Augenblick zweifelhaft sein. Mit Rücksicht auf


24) Struck, Johann Georg und Oxenstierna vom Tode Gustav Adolfs bis zum Schluß des ersten Frankfurter Konvents 1633, Stralsund 1899, Kap. II S. 38 ff ; derselbe, Hist. Beschr. II S. 502.
25) Struck, Johann Georg und Orenstierna, S. 64 ff.
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die evangelischen Stände durfte er sie freilich nicht schlechthin ablehnen, aber seine Antwort lautete nichtssagend und ausweichend. Als dann auch Kurbrandenburg und einige andere evangelische Fürsten sich auf die Seite Schwedens stellten und eine Beteiligung an einem Friedenskonvent mit der Spitze gegen Schweden ablehnten, war der dänisch-sächsische Plan für die nächste Zeit gescheitert. 26 ) Oxenstierna fand Zeit, seinen Gegenschlag zu tun und den schon von Gustav Adolf geplanten und nach Ulm angesetzten Konvent der vier Oberkreise nunmehr nach Heilbronn zu berufen. Der Erfolg war der, daß am 13. April der sogenannte Heilbronner Bund geschlossen wurde, der eine feste Kriegsverfassung jener vier Kreise unter schwedischer Leitung bedeutete. 27 )

Trotz dieses Sieges Oxenstiernas nahm die dänische Vermittelung ihren Fortgang, nachdem auch der Kaiser sich einverstanden erklärt hatte. Kursachsen hatte schon in einem Rundschreiben vom 26. März die evangelischen Stände aufgefordert, den geplanten Friedenskongreß zu beschicken und sich bereits zehn Tage vorher zu versammeln, um unter sich über die Friedensbedingungen zu beraten. Alles weitere überließ es König Christian, der dann im Mai nach Vereinbarung mit Wien den allgemeinen Konvent zum 13./23. Juli nach Breslau berief. 28 ) Jedenfalls nicht ohne Absicht ergingen aber die Einladungen an Oxenstierna und Kurbrandenburg erst am 16. bzw. 20. Juni und gelangten am 12. bzw. 11. Juli an ihre Adressen. Von einer Beschickung des Kongresses seitens dieser beiden Interessenten konnte nun natürlich allein schon aus Zeitmangel keine Rede sein. 29 ) Der


26) Struck a. a. O. S. 56 u. 70 ff.
27) Die beste Arbeit über den Heilbronner Bund ist bisher Struck, Johann Georg und Oxenstierna a. a. O. S. 126 ff.; unzulänglich ist Günther, Die Politik der Kurfürsten Von Sachsen und Brandenburg nach dem Tode Gustav Adolfs und der Heilbronner Konvent, Dissertation Leipzig 1877. Veraltet sind auch Küsel, Der Heilbronner Konvent, Halle 1878 (Hallesche Abhandlungen 7), und Droysen, Die evangelischen Kurfürsten und Oxenstierna nach Gustav Adolfs Tode, Zt. f. preuß. Gesch. u. Lkde. 16, Berlin 1879 - Der Heilbronner Schluß ist gedruckt bei Londorp IV, S. 314 ff. Vergl. auch Chemnitz, Geschichte des schwedischen Krieges in Deutschland, 2. Bd., Stockholm 1653, S. 61-87, ein meist sehr zuverlässiges, wenn auch oft einseitig schwedisch gefärbtes Werk, dem die schwedischen Akten zugrunde liegen. Vergl. Gallati, Der schwed. in Teutschland geführte Krieg des B. Ph. v. Chemnitz und seine Quellen, Frauenfeld 1902.
28) Struck a. a. O. S. 236 ff.
29) Edenda S. 248.
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Breslauer Tag kam nicht zustande. Man geht wohl nicht fehl, wenn man das auf die von vornherein bekannte Haltung Schwedens und Brandenburgs den dänisch-sächsischen Vorschlägen gegenüber, die Tatsache des Heilbronner Bundes und in erster Linie auf die gleichzeitig schwebenden Verhandlungen Wallensteins mit Arnim, den evangelischen Kurfürsten und Schweden zurückführt. Die Heilbronner Politik hinderte den Reichskanzler nämlich nicht, gleichzeitig mit Wallenstein in Unterhandlungen zu stehen, wie sie schon Gustav Adolf mit ihm geführt hatte. Schweden wollte sich alle Wege offen halten, um zu seinem Ziele, einem möglichst günstigen Frieden, zu gelangen. So war ihm jeder Weg recht und seine Politik darauf berechnet, in der Lage zu sein, entweder auf Wallenstein durch die Einigung der Evangelischen unter schwedischem Direktorium einen Druck auszuüben, oder aber den deutschen Ständen mit jenen Verhandlungen zu drohen und sie seinen Absichten gefügiger zu machen. Ausschlaggebend mußte für ihn sein, nach welcher Seite hin er mehr Erfolg haben würde und wo der größere Gewinn winkte. Die Verhandlungen scheiterten bekanntlich im Herbst 1633 trotz wiederholter Anknüpfungen Wallensteins an seiner unklaren Stellung, zweifel-haften Vollmacht und dem Argwohn Schwedens und seiner Verbündeten. 30 )

Die dänische Vermittelungspolitik hatte jedenfalls infolge aller dieser Umstände eine neue Schlappe erlitten, und Oxenstierna wieder einen Erfolg erzielt, den er auch sofort klug auszunutzen verstand, indem er auf die Tagesordnung eines zum August nach Frankfurt zwecks Besprechung von Bundesangelegenheiten berufenen Kongresses der vier Oberkreise auch die dänische Vermittelung setzte. Er beteuerte hier Dänemark gegenüber seine und der Stänbe Friedensliebe, wußte aber gleichzeitig in der Versammlung Verdacht über die Verhandlungen in Schlesien zu erregen und die Friedensbedingungen so hoch zu spannen, daß uns


30) Vergl. Irmer, Die Verhandlungen Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser, Publikationen aus preuß. Staatsarchiven, Bd. 35, 39 u. 46, Leipzig 1888-91, Bd. 2; derselbe, Hang Georg von Arnim, Leipzig 1894, S. 143 ff.; Struck a. a. O. Kap. 11 S 200 ff.; Helbig, Wallenstein und Arnim 1632-34, Dresden 1850; Gädeke, Wallensteins Verhandlungen mit den Schweden und Sachsen 1631-34, Frankfurt a. M. 1885; Schweizer, Die Wallensteinfrage, Zürich 1899; hier auch die übrige sehr umfangreiche Literatur ( S.59-61).
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seine wahre Absicht, den Frieden zu hintertreiben, nicht entgehen kann. 31 )

Oxenstiernas nächstes Ziel war es nun, auch die drei übrigen evangelischen Kreise, die beiden sächsischen und den westfälischen, zum Anschluß an den Heilbronner Bund zu bewegen. Er leitete dieses Unternehmen sofort in die Wege und schrieb zu diesem Zwecke zum 1./11. März 1634 einen neuen allgemeinen evangelischen Konvent nach Frantfurt a. M. aus. Schon bei Mitteilung des Heilbronner Abschiedes an die übrigen Stände hatte Oxenstierna von diesem Plane gesprochen, und er war seitdem ununterbrochen bemüht, durch Schreiben und Gesandtschaften, durch seine Agenten und endlich durch persönliche Zusammenkünfte alle evangelischen Fürsten und Stände dafür zu gewinnen und zur Teilnahme zu bestimmen.

Die mecklenburgischen Herzöge hatten sich, wie bereits bemerkt, in dem Kampf um die dänische Vermittelung und die sächsischen Friedensbestrebungen auf die Seite Schwedens gestellt. Schon in ihren Instruktionen für die Gesandten zu einem später nicht abgehaltenen niedersächsischen Kreistag vom Februar 1633 hatten sie nichts von irgendwelchen Maßnahmen gegen Schweden wissen wollen 32 ), und im gleichen Sinne beantworteten sie das Rundschreiben des Kurfürsten von Sachsen, an jenem allgemeinen Friedenskongreß teilzunehmen. 33 ) Wohl war man in Mecklenburg wie überall im Reiche und ganz besonders auch für einen baldigen Frieden. Ein solcher war für die Herzöge aber vorläufig nur mit Beteiligung und Einverständnis Schwedens möglich und aussichtsvoll, so daß sie bei alter Friedenssehnsucht und trotz aller Gegensätze ihren Platz einstweilen undedingt an der Seite Schwedens behalten mußten. Über die Pläne Oxenstiernas waren die Herzöge frühzeitig durch ihn selbst, wie den schwedischen Residenten für Niedersachsen, Johann Adler Salvius, unterrichtet und hatten ihr Einverständnis und ihre Bereitwilligkeit, sie zu unterstützen, erklärt. 34 ) Die Notwendigkeit eines engeren Zu-


31) Struck a. a. O. S. 249 ff ; Chemnitz II, S. 172 ff.; Akten des ersten Frankfurter Konvents bei Londorp IV, S. 339 ff.
32) Struck a. a. O. S. 56.
33) Ebenda S. 190.
34) Oxenstierna an Adolf Friedrich, d. d. Heilbronn, 20. April 1633, und d. d. Frankfurt a. M., 20 Dezember 1633. Orig. A. S.: Fr. C. Salvius an Adolf Friedrich d. d. Hamburg, 1. Sept. 1633 und 8. Jan. 1634, Adolf Friedrich an Salvius d. d Schwerin, 28. Sept. 1633. Orig. bezw. Konz. A. S.: Suec.
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sammenschlusses der Evangelischen, besonders der norddeutschen unter sich, hatte Adolf Friedrich ja nie verkannt und durch seine Verhandlungen mit den evangelischen Fürsten, namentlich Pommern, Kursachsen und Brandenburg, schon Ende des Jahres 1632 in die Wege zu leiten versucht. Als Kurbrandenburg diesen Plan jetzt zu Ende des Jahres 1633 in Gestalt einer engeren Konjunktion der beiden sächsischen mit dem westfälischen Kreise wieder aufnahm, war der Herzog auch hierzu sofort bereit. Daß diese Konjunktionspläne der norddeutschen Fürsten wiederum letzten Endes ein anderes Ziel hatten als die des Reichskanzlers, zeigt uns die bei den Verhandlungen schon lebhaft in den Vordergrund tretende Frage der schwedischen Satisfaktion. Längst war nämlich den beteiligten Fürsten klar geworden, daß Schweden Ansprüche auf Pommern machte und auch Wismar nicht gutwillig wieder herausgeben würde. So sollte ihr Zusammenschluß nächst einer energischen Abwehr des Feindes vornehmlich dazu dienen, sich in jener Frage gegenseitig zu unterstützen und auf Schweden einen gewissen Druck auszuüben. 35 ) Im November 1633 war ein kurbrandenburgischer Gesandter, der Geheime Rat Sebastian Stripe, in Schwerin und einigte sich mit Adolf Friedrich dahin, eine Vereinigung aller sieben evangelischen Kreise mit Schweden zu befördern. Gleichzeitig aber wurde vereinbart, daß eine schwedische Satisfaktion im gegebenen Falle auf Kosten des Feindes geschehen müßte und daß man sich gegenüber Schwedens etwaigen Ansprüchen auf Pommern und Wismar gegenseitig unterstützen wollte. 36 )

Wenn also Adolf Friedrich auf Oxenstiernas Einladung einging und einen allgemeinen evangelischen Konvent in dessem Sinne befürwortete, bald auch engeren Anschluß an Schweden empfahl, so geschah das vollkommen im Sinne der erwähnten


35) Brandenburg hatte durch Erbvertrag von 1479 Ansprüche auf Pommern für den Fall des Aussterbens des pommerschen Fürstenhauses, das nahe bevorstand, da Bogislav XIV. kinderlos war. Das Schweden gleichfalls Ansprüche auf Pommern machte, war längst bekannt, und der Vorbehalt in Artikel 14 des Schwedisch-pommerschen Bündnisses von 1630 konnte im gegebenen Falle eine rechtliche Handhabe bieten. Vergl. Bär a. a. O. S. 77 f. und 263 ff.; Ddhner, Die Politik Schwedens im westfälischen Friedenskongreß, Gotha 1877, S. 13; Kretzschmar a. a. O. S. 159 f.
36) Proposition Stripes d. d. Schwerin, 16. Nov. 1633. Orig. A. S.: Inv. host. Vol. XVI. Relation Stripes d. d. Berlin, 7. Dez. 1633; Bär a. a. O. S. 299 ff. Stripe war vom 15.-18. Nov. in Schwerin, am 19.-20. in Güstrow und vom 27.-30. in Stettin.
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Vereinbarungen mit Georg Wilhelm, der gleichfalls von Friedenverhandlungen mit offener Spitze gegen Schweden nichts wissen wollte. Man erwartete von einem solchen allgemeinen zusammenschluß der Evangelischen mit Schweden und einer starken Kriegsverfassung einen baldigen und günstigen Frieden, der doch, auch nach Oxenstiernas Verheißungen, in Verfolg der dänischen Interposition das letzte Ziel des Frankfurter Konvents sein sollte. Hierbei aber würden, so hoffte Adolf Friedrich, die Evangelischen sich friedlich mit Schweden auseinandersetzen, gegen etwaige zu hohe Satisfaktionsforderungen gemeinsam Front machen oder sie der feindlichen Partei aufbürden und somit von allen Belästigungen seitens Schweden befreit werden.

Nicht zum wenigsten wirkten auch die Kriegsereignisse der zweiten Hälfte des Jahres 1633 auf die Entschlüsse der sächsischen Stände ein. Zuerst der Einfall Holks nach Sachsen und sodann, nach Beendigung des schlesischen Waffenstillstandes und dem für die Schweden unglücklichen Gefecht bei Steinau, das Vordringen Wallensteins nach Schlesien und der Mark Brandenburg rückten die Kriegsgefahr auch für den niedersächsischen Kreis wieder näher. 37 ) Hauptsächlich die Schnelligkeit des feindlichen Vorrückens setzte alles in Schrecken. Kurbrandenburg bot den zehnten Mann seiner Bevölkerung auf, Pommern alles verfügbare Fußvolk und Reiterei. Auch Mecklenburg entbot zum 18. November seine Ritterschaft und aus den Städten den fünften Mann mit eigenen Waffen und auf eigene Kosten auf vier Wochen zur Verteidigung des Landes. 38 ) Schon rechneten die Schweden mit einem Rückzuge an die Seeküste und einer feindlichen Belagerung der festen Plätze Pommerns und Mecklenburgs. Sie empfahlen für diesen Fall die Aufgabe des flachen Landes sowie alle sonstigen Vorbereitungen zu treffen. Der schwedische Resident Salvius selbst bereiste die Plätze und trieb zur Beschaffung aller Mittel an, zumal er nichts in der gehörigen Verfassung vorfand. 39 ) Die ärgsten Klagen kamen aus Wismar, wo es an Proviant, Besoldung usw. fehlte, so daß Salvius "die Haare zu Berge standen", und er den Herzögen die bittersten Vorwürfe wegen ihrer lässigen Fürsorge machte. 40 ) Obwohl die Erfolge Arnims und


37) Chemnitz II, S. 271 ff.
38) A. S.: Inv. host. Vol. XVI.
39) Salvius au Adolf Friedrich d. d. Hamburg, 1. Sept., 17. Okt., 24. Okt., 9. Nov. und 28. Nov., d. d. Warnemünde, 12. Nov. 1633. Orig. A. S.: Suec.
40) Bericht aus Wismar, d. d. 5. Nov. 1633. Kop A. S.: Suec.
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Baners die Gefahr bald abgewendet hatten und auch im Süden die schwedisch-evangelischen Waffen siegreich waren, mußte es doch im schwedischen wie im Interesse der niedersächsischen Stände liegen, für alle Fälle gerüstet zu sein und zunächst unter sich eine feste Kriegsorganisation zu gründen. Diesem Zwecke sollte ein Ende des Jahres 1633 zum 27. Januar 1634 nach Halberstadt ausgeschriebener niedersächsischer Kreistag dienen.

Es muß befremden, daß Adolf Friedrich, so sehr er doch eine Konjunktion der Evangelischen befürwortete und zu fördern suchte, diesem Kreistage zunächst ablehnend gegenüberstand. Erst als ihm der ausschreibende Fürst des niedersächisischen Kreises, Friedrich Ulrich von Braunschweig, mitteilte, daß Oxenstierna persönlich in Halberstadt anwesend sein werde, fertigte er seine Gesandten ab. 41 ) Maßgebend kann für sein Zögern nur die Besorgnis gewesen sein, sich ohne Wissen und Einwilligung des Reichskanzlers vor dem Frankfurter Konvent in Verhandlungen einzulassen. Ein Kreistag, der zum 24. Januar 1633 nach Lüneburg ausgeschrieben gewesen, aber gegen Wissen und Willen Oxenstirnas veranstaltet und dann auf seinen Einspruch hin angeblich wegen Unsicherheit der Straßen abgesagt worden war, mag ihm vor Augen gestanden haben. 42 )

In den ersten Februartagen des Jahres 1634 trafen die Fürsten bzw. Gesandten der niedersächsischen Stände außer von Holstein, Lübeck und Hamburg in Halberstadt zusammen. Mecklenburg-Schwerin war durch den Kanzler Theodor Reinking und den Geheimen Rat Hartwig von Passow, Hans Albrecht von Güstrow durch von der Lühe und Hans Zacharias von Rochow vertreten. Am 3. Februar erschien auch Oxenstierna und am Tage darauf wurden die Verhandlungen eröffnet. Des Reichskanzlers Streben ging dahin, die niedersächsischen Kreisstände erst unter sich, dann mit den vier Oberkreisen und Schweden in einen engeren Zusammenschluß zu bringen und zu ferneren Verhandlungen mit dem obersächsischen und westfälischen Kreise zu bewegen. Der Kreistag sollte somit eine Vorbereitung für den in Aussicht stehenden Frankfurter Konvent sein, dessen Zustandekommen ihm nun nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Wallenstein ganz


41) Adolf Friedrich hatte sogar die Absicht, persönlich zum Konvent zu reisen, wurde aber durch den Tod seiner Gemahlin am 4. Febr. daran gehindert. Adolf Friedrich an Lohausen d. d. Schwerin, 2. u. 8. gebr. 1634. Konz. A. S.: Hausarch., Briefwechsel mit Lohausen.
42) A. S.: Kreiss.
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besonders am Herzen lag. Sein Hinweis auf die drohende Kriegsgefahr, die Macht des Feindes und die Notwendigkeit einer kräftigen Kriegsorganisation, ferner die Betonung des Friedens als letzten Zieles aller Bündnisse und Unternehmungen, die Berücksichtigung der Wünsche jedes einzelnen Standes, - alles das, dazu der persönliche Einfluß des Reichskanzlers, machte die Stände trotz des Widerstandes einiger von ihnen dem Kanzler in allem willfährig. Schon am 17. Februar wurde der Abschied unterzeichnet. 43 ) Darin wurde in erster Linie die Beteiligung des Kreises am Frankfurter Konvent ausgesprochen, wo die weiteren Verhandlungen über das Bündnis mit Schweden und den anderen evangelischen Kreisen sowie über die dänische Interposition stattfinden sollten. Zur Verteidig ing des Kreises wurde an Truppen nach Maßgabe der Kreismatrikel aus ein Jahr der 18fache Römerzug vereinbart, an Geld monatlich der 12fache. Den Oberbefehl über die Kreisarmee erhielt Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg mit Baner als Feldmarschall. Zur Belagerung von Wolfenbüttel und Hildesheim, die noch in kaiserlichen Händen waren, wie zur Errichtung von Magazinen trug jeder Stand noch eine besondere Quote bei. Dagegen sollten "alle andern in den particular Alliancen verglichene Subsidia und Contribution aufhören". Um auch die nicht erschienenen niedersächsischen Stände diesem Abschied zu unterwerfen, wurde Mecklenburg mit einer Gesandtschaft an Friedrich von Holstein, Lübeck und Hamburg betraut 44 ), während Braunschweig-Lüneburg es unternahm, Kursachsen, das zwar vor dem Konvent seiner schwedenfeindlichen Haltung getreu an die Stände ein Warnungsschreiben vor zu engem Anschluß an Schweden erlassen hatte, doch noch zur Teilnahme am Frankfurter Konvent zu bewegen; denn die Nichtbeteiligung dieses wichtigen evangelischen Reichsstandes schien den Niedersachsen für den Erfolg der Friedensverhandlungen doch bedenklich. Den Kurfürsten von Brandenburg wollte der Reichskanzler persönlich besuchen und einladen. Der Kreistag begnügte sich damit, ihn in einem Schreiben auf ein wünschenswertes Zusammengehen mit dem obersächsischen Kreise hinzuweisen. 45 )


43) Proposition und Abschied bei Londorp IV, S. 371 ff. Vergl. Chemnitz II, S. 300 ff.; im übrigen A. S.: Kreiss.
44) Die Gesandtschaft übernahm der Rat Johann Gothmann. Instr. d. d. 18. Febr. 1834. Orig. A. S.: Kreiss. Die Antworten aller drei Stände lauteten ausweichend: d. d. 28. März (Holstein), 3. April (Lübeck) und 9. April (Hamburg). Orig. A. S.: Kreiss.
45) d d. Halberstadt, 18. Febr. 1634. Kop. A. S.: Kreiss.
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Der Halberstädter Tag bedeutete einen neuen Erfolg Oxenstiernas und nach dem Heilbronner eine Etappe auf dem Wege zum Ziel. Es blieb zwar bei der alten Kreisverfassung und einer Verteilung der Armee auf die Stände hinsichtlich Ver-pflegung und Ergänzung nach der Kreismatrikel; auch reichten die bewilligten Mittel nicht ganz für die Armee Herzog Georgs aus 46 ), aber der Reichskanzler hatte die niedersächsischen Stände doch vermocht, sich in ein näheres Verhältnis wegen eines Bündnisses mit Schweden einzulassen. Namentlich die Gewinnung Friedrich Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel für diesen Beschluß mußte von Wichtigkeit sein, da dieser Fürst seit Gustav Adolfs Tode sichtlich bemüht gewesen war, sich von Schweden ab zu Kursachsen zu wenden und so auch dessen Friedensplänen seinerzeit rückhaltlos zugestimmt hatte. 47 )

Mit der gleichen Bereitwilligkeit, mit der die mecklenburgischen Herzöge, nachdem sie von Oxenstiernas persönlichem Erscheinen unterrichtet waren, den Kreistag beschickt, hatten sie auch dessen Beschlüsse in des Reichskanzlers Sinne gefördert. Sie waren für eine Vereinigung der beiden sächsischen mit dem westfälischen, unter "fleißiger Korresponidenz mit den vier Oderkreisen", die Beschickung des Frankfurter Konvents, ja sogar für Eintritt in den Heilbronner Bund und ein schwedisches Direktorium "in militaribus" eingetreten. 48 )

Diese Willfährigkeit der Herzöge, auf Oxenstiernas Intentionen einzugehen, war in diesem Falle indessen außer den oben erwähnten Motiven wohl zum guten Teil von einer rein persönlichen Interessenfrage diktiert, deren vorteilhafte Erledigung sie vom Reichskanzler erhofften. Es handelte sich um die bereits mehrfach nachgesuchte Einräumung des Bistums Schwerin zugunsten Adolf Friedrichs.

Nach dem Tode des ersten evangelischen Administrators des Bistums, des Herzogs Ulrich (I.) von Mecklenburg, 1603, war auf Betreiben seiner Tochter Sofie, der Gemahlin König Friedrichs II. von Dänemark, ihr Sohn Ulrich (II.) zum Administrator gewählt, und noch zu dessen Lebzeiten hatte Christian IV. von Dänemark es verstanden, das Bistum seinem


46) von der Decken, Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg, 4 Teile, Hannover 1833-34, 2. Bd. S. 210 f.
47) Ebenda S. 126 f.; Struck a. a. O. S. 189.
48) Instr. d. d. Schwerin, 23. Jan. 1634, d. d. Güstrow, 22. Jan. 1634. Ong. A. S.: Kreiss.
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Hause zu erhalten, indem er erst seinen ältesten Sohn Friedrich, dann dessen jüngeren Bruder Ulrich (III.) zum Koadjutor und künftigen Administrator wählen ließ. 49 ) Schon seit dem Jahre 1622 war es nun Adolf Friedrichs Bestreben gewesen, das Stift seinem Hause zu sichern. Anfangs bemühte er sich selbst um die Koadjutorstelle, sodann aber, nach dem Tode Ulrichs II. 1624, für seinen erst einjährigen Sohn Christian, und diesmal mit Erfolg. Am 26. August 1625 wurde Christian zum Koadjutor gewählt, natürlich unter Vormundschaft seines Vaters, dem auch im Falle eines vorzeitigen Todes des Kindes das Nachfolgerecht zugestanden wurde. 50 ) Der junge Ulrich III war erst drei Jahre Administrator, als ihn die Stürme des dreißigjährigen Krieges vertrieben. 1627 besetzte; iArnim als friedländischer Oberst das Stift, dann folgte die kurze Periode der Herrschaft Wallensteins, welche die der Schweden ablöste. Nach dem Tode Ulrichs III, der am 12. August 1633 im Felde meuchlings erschossen wurde, war Christian der rechtmäßige Administrator des Bistums, aber die Schweden dachten vorläufig nicht daran, herauszugeben, was sie jure belli besetzt hatten. Abolf Friedrich unterließ natürlich nichts, seine Rechte geltend zu machen. Schon bei Gelegenheit der Kondolenzgesandtschaft an Orenstierna im Dezember 1632 hatte er seinem Gesandten von Passow eine Sonderinstruktion mitgegeben und um Vollmacht zur Administration des Stiftes gebeten, weil dort die größte Unordnung und Mißstände herrschten. 51 ) Aber Oxenstierna war vor der Hand zu keinem Entgegenkommen geneigt. Er wollte die Hand auf dem Bistum behatten, um so einen Druck auf die Herzöge auszuüben. Auch alle Bitten bei Salvius um Vermittelung waren vergebens. Es drang sogar zu Beginn des Jahres 1633 das Gerücht durch, General Tott, der alte Gegner der Herzöge, sollte das Stift als Belohnung erhalten, und versetzte Adolf Friedrich in große Aufregung. 52 )

Jetzt endlich, auf dem Halberstädter Konvent, sollte sein Wunsch in Erfüllung gehen. Wohl mochte die Verwendung des


49) Schildt, Das Bistum Schwerin in der evangelischen Zeit, II. Teil, M. Jbb. 49, Schwerin 1884, S. 145 ff.
50) Diese Anwartschaft auf das Stift Schwerin hatte seiner Zeit nicht zum wenigsten auch auf die Stellung Adolf Friederichs zu Dänemark im niedersächsischen Kriege gewirkt; vergl. Opel a. a. O., III. Bd., S. 45 f.
51) d. d. Schwerin, 15. Dez. 1632. Orig. A. S.: Suec.
52) Adolf Friedrich an Salvius d. d. Schwerin, 9. Jan. 1633. Konz. A. S.: Suec.
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mecklenburgischen und schwedischen Generalmajors und Geheimen Kriegsrats Lohausen, der in Halberstadt zugegen war 53 ), oder auch das Anbringen Passows, der vor dem Konvent beim Reichskanzler in Magdeburg gewesen war 54 ), dazu beigetragen haben. Die Hauptursache ist doch in der Politik Oxenstiernas zu suchen, der sich gerade jetzt vor dem Frankfurter Konvent die Mecklenburger verplichten wollte. 55 ) Am 15. Februar 1634 beauftragte er Salvius mit der Übergabe, die am 24. März in Bützow stattfand und auf Adolf Friedrichs Wunsch nach eifrigem Anhalten bei Oxenstirna am 19. Juli von der schwedischen Regierung bestätigt wurde. Am 19. Mai war nach längeren Verhandlungen mit dem Kapitel auch seine formelle und rechtskräftige Wahl zum Administrator erfolgt. Nur Hans Albrecht protestierte gegen diese Abtretung, beanspruchte für sich die Hälfte und behielt sich für den bevorstehenden Konvent weitere Schritte vor. 56 )

Der Erwerb des Bistums Schwerin war der einzige Lichtblick in dieser Zeit und die einzige Frucht, die der Halberstädter Kreistag für Mecklenburg brachte; denn im übrigen gab er nur Veranlassung zu neuen Lasten und Unruhen. Dem Halberstädter Schluß gemäß hatte Mecklenburg 720 Reiter und 1206 Fußknechte zu stellen, das Stift Schwerin außerdem 144 Reiter. Wegen Mangels an Fußvolk sollten nun für 100 Reiter 300 Fußknechte geworben werden, so daß Mecklenburg 620 Reiter und 1506 Fußknechte zu liefern hatte, von denen zurzeit nur 150 Reiter präsent waren. Der monatliche Geldbeitrag eines 12fachen Römerzuges betrug für Mecklenburg 6680 Reichstaler, der Anteil an den Getreidelieferungen für das Braunschweiger Magazin 1948, für das Magdeburger 370 Malter, der Anteil des Stiftes 233 bzw. 44 Malter. Für Zwecke der Artillerie und andere Kriegsvorrichtungen waren noch einmalig 5194 Reichstaler beizusteuern. Diese recht erheblichen Lasten wären für das Land unerschwinglich gewesen, wenn nicht durch Artikel 5 des Halberstädter Abschiedes alle bisherigen aus Partikularallianzen herrührenden Subsidien aufgehoben wären. Unter diese fielen


53) Lohausen an Adolf Friedrich d. d. Halberstadt, 12. Febr. 1634. Orig. A. S.: Suec. Vergl. v. Schaumburg, General Wilhelm v. Kalckum, genannt Lohausen, ein Bergischer Kriegsmann, Zt. d. Berg. Geschichtsvereins 3, Bonn 1866.
54) Tagebuch Adolf Friedrichs sub 29. Jan. 1634: Schreiben von Passow, hat in Magdeburg Audienz bei Oxenstierna gehabt. A. S.: Hausarch.
55) Vergl. Chemnitz II, S. 305.
56) Schildt, M. Jbb. 49, S. 198 ff.
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auch die nach dem schwedisch-mecklenburgischen Bündnisvertrag zahlbaren monatlichen 10000 Reichstaler. So schien der Halberstädter Schluß also Mecklenburgs Kriegslasten auf den ersten Blick eher verringert zu haben. Das war aber nur scheinbar der Fall. Zunächst waren nämlich die Subsidiengelder an Schweden so unregelmäßig bezahlt worden, daß man noch mit nahezu 60000 Talern im Rückstande war, auf deren Bezahlung Salvius bereits seit längerer Zeit energisch drang und worüber endlich am 28 März in Güstrow ein Vergleich zustande kam. Außerdem waren die schwedischen Besatzungen von Wismar und Warnemünde in Stärke von 12 Kompagnien zu unterhalten. Hinzu kam noch, daß die Halberstädter Abmachungen nicht streng berücksichtigt wurden, indem einerseits Schweden von Mecklenburg ohne Berechtigung Hülfstruppen verlangte, während andererseits Georg von Lüneburg auf Erfüllung der vertragsmäßigen KreisverpfIichtungen drang. Dies hatte seine Ursache in der Stellung Baners als niedersächsischer Feldmarschall, wie sie auf Betreiben Oxenstiernas der Halberstädter Tag geschaffen hatte. Baner glaubte sich nun berechtigt, und Oxenstirna bekräftigte ihn darin, neben Georg selbständig Verfügungen über Ouartierverteilung usw. im niedersächsischen Kreis zugunsten seiner schwedischen Hauptarmee treffen zu können. 57 ) So sahen sich auch die mecklenburgischen Herzöge in Zwiespalt versetzt, als sowohl Georg wie Baner die beiden mecklenburgischen Regimenter Ilefeld und Dewitz nebst der Domitzer Besatzungskompagnie für sich verlangten, bis Baner, gestützt auf die Stendaler Abmachungen mit Kurbrandenburg vom Februar 1634, seinen Willen durchsetzte. 58 ) Die einzigen nennenswerten Truppen, über die Mecklenburg noch verfügte, mußten zur schwedisch-brandenburgischen Armee stoßen, wohin sie freilich bereits früher bestimmt gewesen waren. 59 )

Schon die Ausrüstung und Ergänzung dieser beiden Regimenter verursachte die größten Schwierigkeiten. Nachdem bereits im Januar ihr Abmarsch verheißen war, konnte Adolf Friedrich doch erst am 15 Juni an Lohausen schreiben, daß seine 700


57) von der Decken a. a. O., II Bd. , S 211.
58) Adolf Friedrich hatte an dieser Zusammenkunft zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und Oxenstierna anfangs auch teilnehmen wollen, wurde aber durch Krankheit gehindert. Adolf Friedrich an Lohausen d. d. Schwerin, 22 Febr 1634. Konz. A. S.: Hausarch., Briefwechsel mit Lohausen.
59) Chemnitz II, S. 308.
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Mann aufgebrochen seien. 60 ) Auch andere Kriegslasten, wie Truppendurchmärsche, Winterquartiere und eigenmächtige Grenzüberschreitungen schwedischer und niedersächsischer Soldaten mehrten sich stetig. Erst der Durchmarsch finnischer Reiter von Pommern nach Wolfenbüttel im März 1633, sodann die Ankunft und Weiterbeförderung 8 frischer schwedischer Kompagnien im November desselben Jahres von Wismar aus und endlich der Transport von 36 bei Lützen eroberten Geschützen brachten Kosten und Übelstände genug. 61 ) Im Dezember 1633 langte sodann Oberst Mitzlaff im Auftrage Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar in Mecklenburg an und ersuchte um Bewilligung eines Werbeplatzes für 2-300 Mann. Trotz heftigen Sträubens mußten die Herzöge endlich einwilligen und bestimmten Waren als Musterplatz, wodurch der Stadt und Umgebung die Verpflegung der neu gewordenen Truppen zufiel und arge Ausschreitungen vorkamen. 62 ) Die Anrechnung dieser und ähnlicher Unkosten auf die schwedischen Subsidiengelder durchzusetzen gelang nicht. - Durch Einquartierungen geschädigt wurden besonders die südlichen Ämter Zarrentin, Grabow, Neustadt und Parchim, als Teile der Banerschen Armee von Westen her in die Mark rückten. 63 ) Indem nun den Untertanen der erlittene Schade auf ihre Kontribution angerechnet wurde, hatten auch die Herzöge nie genügend Geld zur Verfügung, die rückständigen Subsidien, wovon allein im April 1634 nach der mit Salvius getroffenen Vereinbarung 30000 Taler fällig waren, zu zahlen, geschweige denn die schwedischen Garnisonen mit Sold und Vorräten zu versehen. Für diese Zwecke waren allein noch 6000 Taler zu zahlen. Ja selbstdie Besoldung der Beamten, besonders auswärtiger Agenten und Offiziere, wie die Ausrüstung der häufigen Gesandtschaften, machten bereits Schwierigkeiten. 64 )


60) Adolf Friedrich an Lohausen d. d. 5. Jan., 22. Jan., 6. April, 14. April, 10. Juni und 15. Juni. Hans Albrechts Truppen werden schon in einem Schreiben Lohausens an Adolf Friedrich d. d. 24. Mai als vor Frankfurt a. O. angekommen gemeldet. Konz. bezw. Orig. A. S.: Inv. host., Suec. und Hausarch., Briefwechsel mit Lohausen.
61) A. S.: Inv. host. Vol. XXII.
62) Der Rat der Stadt Waren an Adolf Friedrich d. d. 11. Febr. 1634. Orig. A. S.: Inv. host. Vol. XVI.
63) Sieben Kompagnien Reiter (Baners Leibregiment) unter Oberstleutnant Bomsdorf verursachten in den letztgenannten Ämtern an 6000 Taler Schaden. A. S.: Inv. host. Vol. XVI. Vergl. Balck, Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege, M. Jbb. 68, S. 94.
64) So bezog Lohausen als mecklenburgischer Geheimer .Kriegsrat ein Gehalt, um das er aber ständig vertröstet wurde. Dagegen ging mit Geschenken an Fremde, namentlich schwedische Gesandte und Generale, (  ...  )
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Wohl erteilten die Herzöge Anweisungen auf Ämter, Städte, Zölle und dergleichen, aber bares Geld kam nicht ein. Bitter klagte der Kommandant von Wismar, die Schanzarbeiter könnten nicht bezahlt werden, nicht einmal Schubkarren wären genügend dort, die Soldaten bekämen seit 7 Monaten keinen Sold mehr und begännen fortzulaufen, auf Vorstellungen beim Herzog aber "folgen lauter Ja, und kommt doch nichts". 65 )

Obwohl im Vergleich mit den Leiden Mecklenburgs nach 1635 diese Lasten und Mißstände geringfügig erscheinen müssen, genügen sie doch, begreiflich zu machen, daß die Herzöge schon jetzt im Interesse ihres Landes sehnsüchtig den Frieden herbeiwünschten und nichts unversucht ließen, sein Zustandekommen zu fördern. Mit Spannung verfolgten sie daher die Nachrichten, die über sächsisch-kaiserliche Friedensbestrebungen seit Ausgang des Jahres 1633 wieder im Umlauf waren. Den Friedensvorschlägen des Kaisers, die dieser im Januar 1634 durch den Herzog Franz Julius von Sachsen-Lauenburg den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg machen ließ, scheint Adolf Friedrich jedoch wenig vertrauensvoll gegenübergestanden zu haben und noch weniger den Verhandlungen, die der Bruder, Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, in Wallensteins Auftrag zur gleichen Zeit mit Kur-Sachsen und Arnim führte und die auch Gegenstand der Reise des letzteren nach Berlin in den ersten Februartagen bildeten. 66 ) Es läßt sich nicht ersehen, inwieweit Adolf Friedrich von diesen Verhandtungen überhaupt unterrichtet war und ebensowenig, ob seine Quellen ihm bei den damaligen Verkehrsverhältnissen und infolge der großen Entfernungen sich bildenden Gerüchten immer die Wahrheit berichtet haben. Jedenfalls wußte er, daß etwas im Gange war und daß Wallenstein wieder seine Hände im Spiel hatte. Von einem durch Wallensteins Vermittelung geschlossenen Frieden konnte man in Mecklenburg aber unmöglich etwas Gutes erwarten, da der Friedländer seine Ansprüche auf das Land nie aufgegeben hatte und ihm diese vom Kaiser beim Antritt seines zweiten Generalats ausdrücklich bestätigt waren. 67 ) Gerüchte, die


(  ...  ) viel Geld auf. Salvius erhielt einmal eine goldene Kette mit Diamanten im Werte von 1012 Talern, und Baner bedankte sich im Mai 1634 für ein Roß mit köstlichem Zeug.
65) Oberst Salzburg an Lohausen d. d. Wismar, 15. Juli 1634. Kop. A. S.: Inv. host. Vol. XVI.
66) Irmer a. a. O. Bd. II und III, Aktenbeilagen Nr. 348, 349, 378, 379, 390, 391, 406 und 516. S. 122 ff.
67) Grotefend, M. Jbb. 66, S. 266 f.
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noch dazu von glaubwürdiger Seite an Adolf Friedrich gelangten, nach denen Kursachsen bereits einen Separatfrieden mit dem Kaiser geschlossen und Wallenstein Niedersachsen und vor allem Mecklenburg wieder bedrohte 68 ), mußten die Befürchtungen des Herzogs von dieser Seite her nur verstärken und ihn an seinem Standpunkt festhalten lassen, daß im Augenblick nur an der Seite Schwedens solchen Ansprüchen zu begegnen und nur im Einverständnis mit dieser Macht ein allgemeiner und segensreicher Friede möglich wäre. Seine Haltung deckte sich so wieder mit der Kurbrandenburgs, das den Anträgen Wallensteins und Kursachsens mit großem Mißtrauen gegenübergetreten war, Mitteilung an Schweden für nötig erachtet und auf den Frankfurter Konvent als die beste Gelegenheit, über einen Frieden zu verhandeln, verwiesen hatte, obgleich man doch gleichzeitig wegen der schwedischen Ansprüche auf Pommern durchaus keinen Grund hatte, sehr schwedenfreundlich zu sein. 69 ) Die Ermordung Wallensteins am 15./25. Februar 1634 zu Eger befreite die Mecklenburger zwar von einer Gefahr von dieser Seite her, änderte aber an ihrer Politik augenblicklich nichts, vor allem nicht ihren Entschluß, den Frankfurter Konvent zu beschicken, dessen Erfolg nun nach des Friedländers Tode noch gesicherter erschien, indem die sächsischen Separationsbestrebungen wieder einen jähen Abbruch erfahren hatten.



68) Geheimer Rat Johann Witte an Adolf Friedrich d. d. Lübeck, 15. u. 22. Febr. 1634. Orig. A. S.: Hausarch., Briefwechsel m. Witte.
69) Protokoll der Beratungen im brandenburgischen geheimen Rat über Arnims Anbringen. 7. u. 8. Febr. 1634 bei Jrmer a. a. O. Bd. III Nr. 430 und 432, S. 219 und 229 ff. Kurbrandenburgs Resolution d. d. Cöln, 8. Febr. 1634 bei Gädeke a. a. O. Nr. 122, S. 246 ff.
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II. Der Frankfurter Konvent 1634.

Der Konvent war von Oxenstierna als ein allgemeiner evangelischer zum 1. März 1634 nach Frankfurt a. M. ausgeschrieben worden, aber erst sehr allmählich langten die Gesandten an. 70 ) Sehr zahlreich waren die vier Oberkreise vertreten, auch von den sächsischen Ständen waren die bedeutendsten, voran Kurbrandenburg, erschienen. Selbst Kursachsen war durch die jüngsten Ereignisse bestimmt worden, den Konvent nicht ganz unbeachtet zu lassen. 71 ) Seine Gesandten sollten sich freilich an den Beratungen nicht aktiv beteiligen, indem sie nur ad audiendum et referendum instruiert waren. 72 ) - Am 28. März eröffnete Oxenstierna im Römer den Konvent und verlas vor den versammelten Ständen sein Programm. Schon jetzt konnte man deutlich erkennen, daß die eigentlichen Friedensverhandlungen und die dänische Interposition, obwohl an den Anfang der Proposition gestellt und immer wieder als letzter Zweck des Konvents ge-priesen, erst in zweiter Linie Gegenstand der Beratungen werden würden. Hauptsächlich kam es dem Reichskanzler darauf an, eine Kriegsorganisation aller evangelischen Stände unter schwedischer Leitung zu begründen und die noch außerhalb des Heil-


70) Eine neuere ausführliche Darstellung des Frankfurter Konvents fehlt. Manches bringt Helbig, Der Prager Friede. Raumers historisches Taschenbuch, Leipzig 1858; Bär, a. a. O., gibt im Anhang S. 463 ff. eine Darstellung vom rein pommerschen Gesichtspunkt aus; im übrigen sind immer noch Chemnitz II S. 364 ff. und das Aktenmaterial bei Londorp IV S. 375 ff. zu berücksichtigen. Ich folge hier hauptsächlich den Akten des Schweriner Archivs.
71) Schon den niedersächsischen Gesandten, die auf Beschluß des Halberstädter Tages nach Dresden gekommen waren, hatte der Kurfürst in seiner Resolution vom 20 März 1634 die Entsendung einer Gesandtschaft nach Frankfurt in Aussicht gestellt, gleichzeitig aber vor einem zu engen Bündnis mit Schweden und anderen auswärtigen Mächten gewarnt und seine Besorgnis vor schwedischen Ansprüchen betont Kop A. S.: Kreiss.
72) Helbig a. a. O. S. 576.
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bronner Bundes stehenden Kreise, wenn möglich, ganz in diesen einzugliedern. Weitere Verhandlungspunkte bildeten die schwedische Satisfaktionsfrage, die Einräumung Philippsburgs zugunsten Frankreichs, die Pfalz-Neuburgische Neutralität und endlich Bündnisse mit auswärtigen Mächten. So mußte der Konvent also wieder zu einem Kampfe der schwedischen Bünbnispolitik und den in Oxenstiernas Augen hemmenden dänischen Friedensvorschlägen werden, die von kursächsischer Seite naturgemäß die lebhafteste Unterstützung fanden. Es mußte sich zeigen, ob es dem Reichskanzler gelingen würde, die übrigen evangelischen Stände wieder an seine Politik zu fesseln.

Die Verhandlungen gingen mit der größten Langsamkeit vor sich, so daß die mecklenburgischen Gesandten, als sie am 31. März in Frankfurt eintrafen, noch nicht viel versäumt hatten. Es waren dies von Schweriner Seite Hartwig von Passow und Dr. Reinking, von Güstrowischer Seite die Geheimen Räte Paschen von der Lühe und Hans Zacharias von Rochow. Wie in Halberstadt, vertraten die Mecklenburger auch hier den Standpunkt, daß zur Erreichung eines vorteilhaften Friedens zunächst Fortsetzung des Krieges und zu diesem Zwecke eine starke Kriegsorganisation der Evangelischen nötig wäre. Man war bereit, nach einer Verständigung mit dem obersächsischen und westfälischen Kreis sich den vier Oberkreisen und Schweden unter gewissen Formen, die wohl dem Heilbronner Bund entlehnt sein könnten, anzuschließen. Die Gesandten waren bereits über Einzelheiten, wie das Direktorium, das Consilium formatum, Leistungen der Mitglieder usw., instruiert. Als letztes Ziel schwebte wieder der Friede vor Augen, über dessen Bedingungen man schon aus dem Konvent nach erzielter Einigung Verhandlungen erwartete, um sodann sich mit der Gegenpartei in Verbindung zu setzen und ihr durch ein geeintes und überlegenes Auftreten gewissermaßen den Frieden zu diktieren. Als Grundlagen eines solchen Friedens galten den Herzögen die Herstellung des Zustandes vor 1612, die Aufhebung des Restitutionsedikts, Satisfaktion Schwedens ex hostico und demzufolge Rückgabe von Wismar und Warnemünde. Als Entschädigung für die Wallensteinische Epoche beanspruchte Mecklenburg eine Geldsumme aus den hinterlassenen Gütern des Herzogs von Friedland, das Stift Schwerin und die Komtureien Nemerow und Mirow. 73 ) Diese Instruktion zeigt deutlich Adolf Friedrichs letztes Ziel und zugleich seinen Optimismus, wenn er meinte, diese doch nicht


73) Instr. d. d. Schwerin, 12. März 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
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eben geringen Forderungen durchsetzen zu können. Daß seine Politik ihn nicht zu diesem Ziele führte, war nicht seine Schuld, wenn man auch zugeben muß, daß sie, wie die der meisten evangelischen Fürsten jener Zeit, in erster Linie von partikularen Interessen geleitet war und größere Gesichtspunkte nicht kannte. 74 )

Die Art und Weise der Verhandlungen zu Frankfurt verlangsamte den Fortgang außerordentlich. Erst unterhandelten nämlich die einzelnen Kreise oder gar nur einige Stände unter sich, dann mit den anderen Kreisen, gaben endlich im Plenum ihr Votum ab, um über Oxenstiernas Antworten von neuem in obiger Weise zu beraten. Noch immer blickten auch die sächsischen Stände nach Dresden, von wo die Gesandten erst am 22. April in Frankfurt eintrafen. Die Niedersachsen waren nämlich keineswegs gewillt, bedingungslos in den Heilbronner Bund einzutreten, und eine Besprechung mit den obersächsischen Ständen über derartige Bedingungen schien ihnen da höchst wünschenswert. 75 ) Bereits hatten zwischen Pommern, Kurbrandenburg und Mecklenburg wieder Sonderberatungen darüber stattgefunden, wobei jedenfalls auch die Schwedische Satisfaktion wieder eine Rolle spielte; doch kam man überein, erst die kursächsischen Gesandten abzuwarten.

Kursachsens Stellung zu einer Vereinigung der sächsischen mit den vier Oberkreisen unter schwedischem Direktorium war von vornherein durch die ständig wachsende Eifersucht auf die führende Stellung Schwedens unter den deutschen Evangelischen, durch seine Ansprüche auf das von den Schweden besetzte Erzbistum Magdeburg und endlich nicht zum mindesten auch durch seine engherzige und intolerante Haltung gegen alles, was reformiert hieß, - und unter den oberdeutschen Ständen befanden


74) Bemerkenswert ist eine Nebeninstruktion Adolf Friedrichs vom gleichen Tage (12. März), die gegen die Calvinisten gerichtet ist, von einem undedingten Zusammengehen mit diesen nichts wissen will, den Fürsten das Recht abspricht, Kirchen und Schulen im calvinistischen Sinne zu reformieren usw. Man darf dieser Instruktion jedoch keine zu große Bedeutung beilegen, da sie einzig und allein ihre Spitze gegen seinen Bruder kehrt, mit dem er beständig in Unfrieden lebte. Nun war aber Hans Albrecht 1617 zur reformierten Kirche übergetreten und machte bekanntlich Ansprüche auf einen Teil des Stiftes Schwerin. Diesen zu begegnen war zweifellos diese Nebeninstruktion berechnet, und vielleicht hat sie dazu beigetragen, daß Hans Albrecht keinen Erfolg mit seiner Beschwerde hatte und die schwedische Regierung Adolf Friedrich allein den Besitz des Bistums bestätigte (S. oben Anm. 56).
75) Der westfälische Kreis wird überhaupt nicht mehr erwähnt. Er war jedenfalls gar nicht oder sehr schwach vertreten.
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sich viele Calvinisten - bestimmt. 76 ) Es war daher weder etwa an ein Zusammengehen der sächsischen Kreise unter kursächsischem Direktorium, wie es die übrigen Stände ihm einzuräumen bereit gewesen wären, und noch viel weniger an eine Vereinigung aller sechs Kreise mit Einschluß Kursachsens zu denken, als die kursächsischen Gesandten am 3. Mai ihren Standpunkt einer Deputation der Stände klargelegt hatten. 77 ) Wurden die Stände nämlich durch dies Verhalten Kursachsens einerseits in ihrem Willen, unter gewissen Bedingungen sich dem Heilbronner Bund anzuschließen, irre gemacht, so mußten sie andererseits erkennen, daß Kursachsen die ihm naturgemäß zustehende Führung der deutschen Evangelischen zu übernehmen weder bereit noch fähig wäre und sie so den militärisch überlegenen Schweden sich in die Arme zu werfen gezwungen sähen. Die von Kursachsen immer betonte Notwendigkeit eines Friedens wurde auch von den übrigen Ständen aufs lebhafteste in den Vordergrund gestellt und die Lösung dieser Frage bekanntlich als Endziel des Konvents betrachtet, aber doch erst nach vollzogener Konjunktion, während Kursachsen aus bekannten Gründen gleich mit den Friedensverhandlungen beginnen wollte. Die sich um diese Zeit wieder anbahnenden Unterhandlungen des Kurfürsten mit Wien spielen dabei schon hinein. 78 ) - Dem gegenüber vertraten nun die Stände in ihrer Antwort vom 31. Mai die Notwendigkeit einer Vereinigung aller sechs Kreise, und zwar vor Beginn der Friedensverhandlungen, die ihnen durch die Annahme der dänischen Interposition burch Oxenstierna ohnehin gesichert genug erschienen. 79 ) Daß die sächsischen Stände gewillt waren, dabei ihre Bedingungen zu stellen, war schon erwähnt. Es bot sich hier eine günstige Gelegenheit, alle Beschwerden und Klagen, die man gegen Schweden auf dem Herzen hatte, vorzubringen und eine vorteilhafte Erledigung zu verlangen. In erster Linie vertraten die Niedersachsen zum größten Mißvergnügen Oxenstiernas diese Politik.

Schon am 17. Mai hatten Sie dem Reichskanzler acht Punkte "Gravamina" vorgelegt, bei denen ihre Kriegslasten, und unter diesen die Abberufung der mecklenburgischen Regimenter zur schlesischen Armee sowie der Unterhalt Wismars und seiner Garnison die Hauptrolle spielten, Beschwerden, die indessen bei Oxenstierna wenig Gehör gefunden hatten. Ihre Wünsche bei


76) 76) Vergl. Helbig a. a. O. S. 581 ff.
77) Chemnitz II S. 371 f ; Londorp IV S. 380 f.
78) S. unten.
79) Chemnitz II S. 375 f ; Londorp IV S. 384 f.
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Aufrichtung einer allgemeinen Kriegsverfassung kamen des näheren, und zwar wieder im Gegensatz zu den Zielen des Reichskanzlers, in den Plenarverhandlungen des 23. und 24. Mai zutage. Es kam schließlich darauf hinaus, daß sie sich bereit erklärten, nach der Kreisverfassung und ihrer Matrikel für Zwecke des allgemeinen Bundes eine bestimmte Truppenzahl aufzustellen, die aber nur innerhalb des Kreises Verwendung finden, während fremde Regimenter aus ihm entfernt werden sollten. Die Verfügung über die Truppen sollte nächst den einzelnen Ständen nur dem Kreise als solchen zustehen. Weiter verlangte man Verminderung der Besatzungen von Wismar und Buxtehude, Vermeidung von Durchmärschen und Einquartierungen ohne vorherige genaue Abmachungen u. a. m.

Diese ohne Frage von partikularistischem Geiste getragenen Forderungen, die den Ständen ihre Selbständigkeit gegenüber einem schwedischen Direktorium und seinen Ansprüchen garantieren sollten, stießen aber bei Oxenstierna auf Widerstand. Nach seiner Auffassung war eine starke Kriegsverfassung, die ihren Zweck, nämlich den Feind zum Frieden zu zwingen, erfüllen könnte, nur möglich, wenn eine einzige Armee gebildet, diese aus einer gemeinsamen Kasse erhalten und einem Direktorium unterstellt würde, in dem Schweden die Majorität besitzen müßte, um sie nach einem einheitlichen Operationsplan und ohne Rücksicht auf kleinliche Sonderinteressen der deutschen Stände zu leiten. Es entsprach dies vollständig seiner stets vertretenen Politik, den Krieg mit deutschen Mitteln zu führen, und sein Drängen auf Beschleunigung der Konjunktion sowie auf einstweilige schnelle Beschaffung von Kriegsmitteln für die westfälische Armee konnte das den Ständen unmöglich länger verborgen bleiben lassen. Gegen eine solche conjunctio armorum verwahrten sich aber die sächsischen Stände aufs entschiedenste. Die Niedersachsen erklärten offen, sie würden nie ihre Truppen hergeben, damit diese in Oberdeutschland föchten, solange sie selbst noch Feinde im Lande hätten. Nach ergebnislosen Verhandlungen reiste Oxenstierna Ende Mai unmutig nach Mainz. 80 )


80) Die von Helbig S. 583 zitierte Bemerkung aus einem Berichte der kursächsischen Gesandten vom 30. Mai: "nur Anhalt und Mecklenburg-Schwerin sind noch nicht durch die calvinistischen Prätensionen verführt," die von ihm dahin gedeutet wird, daß diese Stände die meisten Bedenklichkeiten gegen eine Vereinigung aller 6 Kreise" gehabt hätten, ist doch wohl nur als unter dem Eindruck eben dieser Verhandlungen erklärlich. Mir scheint sie nur zu beweisen, daß Adolf Friedrich, (  ...  )
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So erschien die Lage schon jetzt geradezu hoffnungslos, und eine am 2. Juni gehaltene zweite kursächisische Proposition trug nicht gerade dazu bei, sie aussichtsreicher zu gestalten. 81 ) Vielleicht hatte man dort gerade diesen Zeitpunkt gewählt, Schweden wegen seines Verhaltens in den von Kursachsen beanspruchten Stiftern Magdeburg und Halberstadt anzuklagen und aufs neue vor Bündnissen mit fremden Mächten zu warnen. Noch mehr mußte die Forderung des Kurfürsten, ihn für seine Mühen mit Kriegsmitteln zu unterstützen, die übrigen Stände stutzig machen. so trat denn ein, was kommen mußte. Die sächsischen Stände beschlossen, ohne Kursachsen in eine Verbindung mit dem Heilbronner Bund zu treten.

Noch bevor die Oberkreise am 17. Juni die kursächsische Proposition zurückgewiesen und auf einer Konjunktion bestanden hatten 82 ), waren die sächsischen Stände bereits über einen Konjunktionsentwurf zu einer Einigung gelangt, den sie am 13. den Oberkreisen zugehen ließen. Der Anstoß dazu ging von den Niedersachsen aus. Bereits im Mai hatten sie sich über gewisse Hauptpunkte geeinigt, auf Grund deren sie mit dem obersächsischen und den Oberkreisen in Verhandlung zu treten geneigt wären. War schon vordem bei dem niedersächsischen Memorial über die Kriegsverfassung der mecklenburgische Einfluß durch eine starke Berücksichtigung seiner Wünsche und Beschwerden unverkennbar, so trat er jetzt hierbei noch deutlicher zutage. Die Bedingungen z. B., unter denen die niedersächsischen Stände Frieden schließen wollten, entsprachen fast in allen wesentlichen Punkten der Instruktion, die Adolf Friedrich seinen Gesandten darüber mitgegeben hatte. Die Aushebung des Restitutionsedikts, die Festsetzung des Jahres 1612 als Normaljahr für den Besitzstand geistlicher Güter, des Jahres 1619 für den weltlicher Territorien, ferner die Gleichheit der Konfessionen im Kammergericht, allgemeiner Landfriede und die Wahrung der Reichsinstitutionen waren die Hauptforderungen. Die Frage der schwedischen Satisfaktion sollte bereits beim Bündnis ihre Erledigung finden. Wie man sich die Kriegsverfassung, die Verteilung der Lasten auf die Bundesmitglieder und dergleichen dachte, hatten die niedersächsischen Stände ihrer im Mai vertretenen Ansicht gemäß dem Reichs-


(  ...  ) der im übrigen durchaus für eine solche Vereinigung eintrat, unter den niedersächsischen Ständen die meisten günstigen Bedingungen dabei erzielen wollte; denn daß jene anticalvinistische Nebeninstruktion Adolf Friedrichs hier eine Rolle gespielt hat, ist ziemlich unwahrscheinlich.
81) Chemnitz II S. 410 f.; Londorp IV S. 387 f.
82) Chemnitz II S. 420 f.; Londorp IV S. 389 f.
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kanzler gleichzeitig dargelegt. Auch dabei spielten wieder Beschwerden und Sonderinteressen die Hauptrolle, wurden aber von Oxenstierna ausweichend oder abweisend beantwortet. 83 )

Mit den obersächsischen Ständen kam man bald zum Schluß. Hier war es vornehmlich ein Punkt, der mehr und mehr in den Vordergrund trat und dessen Aufnahme in die Bündnisbedingungen von ihnen verlangt wurde: die Frage der schwedischen Satisfaktion, woran Brandenburg und Pommern ja in erster Linie ein berechtigtes Interesse hatten. 84 ) Die Niedersachsen traten dem bei, und so konnte der gemeinsame sächsische Bündnisentwurf von 45 Punkten den Oberkreisen übergeben werden. 85 ) Obwohl ihnen der Standpunkt des Reichskanzlers bereits bekannt sein mußte, hatten sie sich ihm doch in nichts anbequemt. Davon ausgehend, daß das Bündnis nur zum Zwecke des Friedens und Herstellung des Zustandes vor dem Kriege geschlossen werden sollte, "wollten sich beide sächsischen Kreise außer solchem Friedenszweck oder abgedrungenen Defension (man nämlich der Feind zu keinem ehrbaren, unbetrüglichen Universalfrieden sich verstehen würde) zu keiner weiteren conjunction Verpflichten" und sich mit den Oberkreisen über die Friedensbedingungen einigen, "wobei man pro extremo zu verharren gemeinet". "Ehe und zuvor aber hierin ein einmütiger Schluß gemachet, wollten sie an alle übrige Handlungen unverbunden sein." 86 ) Bei der Kriegsverfassung war auf möglichst gleiche Belastung der Bundesmitglieder gesehen. Die Truppen der einzelnen Kreise waren nur diesen verpflichtet und von ihnen abhängig, fremde Truppen im Kreise waren entweder abzuberufen oder, wenn zur Hülfe geschickt, vom Eigentümer zu unterhalten. Es kam den sächsischen Ständen vor allem wieder darauf an, ihr Partikularinteresse zu wahren und dem Reichskanzler so sehr wie möglich die Hände zu binden. Zu dem Zweck befaßte sich fast die Hälfte aller 45 Artikel damit, Besoldung, Durchmärsche, Kontributionen usw. zu regeln und vertraglich festzulegen. Die Partikularbündnisse sollten zwar "in ihrem Wesen" bleiben, jedoch so weit, "daß solche keinem evangelischen Stande zu praejuditz oder Nachteil wieder seine vor diesem Kriege gehabte und noch habende possessiones, Recht und Ge-


83) Chemnitz II S. 413 u. 424 f.
84) Bär a. a. O. S. 470 f.
85) Chemnitz II S. 414 f.; Londorp IV S. 419 f.
86) Artikel 3.
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rechtigkeiten gereicheten". 87 ) Dagegen sollten alle aus solchen Bündnissen erwachsenen Subsidien, Unterhaltungen von Garnisonen und dergleichen verschwinden. Aufrecht erhalten war die Forderung von besonderen Kreiskassen statt einer allgemeinen und das Streben nach größerer Gewalt der von den Ständen verordneten Kriegsräte beim Bundesdirektorium. Artikel 43 endlich besagte über die schwedische Satisfaktion und deren Erledigung beim Bündnisvertrage: "und wollen die ober- und niedersächsischen Kreise, bis in demselben (Punkt) etwas gewisses beschlossen und verglichen, an die übrigen Handlungen unverbunden sein". Über die Organisation des Consilium generale und des Direktorium ließen sich die sächsischen Kreise bald darauf gleichfalls im einzelnen aus. Auch hier gingen sie darauf aus, durch möglichsten Einfluß jedes einzelnen Standes bei der Leitung des Bundes und der Armeen ihre Sonderinteressen zu wahren und die Gewalt Schwedens zu beschneiden. 88 ) Wer wollte es den Ständen auch verdenken ?

Soweit Mecklenburg bei diesem Entwurf in Frage kam, entsprach sowohl die Behandlung der Friedensfrage und ihr Verhältnis zum Bündnis vollkommen der bisherigen Politik und den Forderungen der Herzöge. Durch Artikel 14 wäre der Besitz der von Schweden besetzten mecklenburgischen Plätze für den Fall des Friedens dem Lande gesichert gewesen, und Artikel 15 hätte es schon jetzt von allen Kriegsleistungen Schweden gegenüber befreit. Die Frage der Garnisonen erledigten Artikel 33, 34 und 38 auch in Anwendung auf Mecklenburg durchaus zu seinem Vorteil. Der wichtige Artikel 43 endlich, wenn auch wohl in der Haupt-sache durch den Einfluß Pommerns und Brandenburgs eingefügt, 89 ) mußte für Mecklenburg von gleichem Interesse und Vorteil sein. Daß die mecklenburgischen Gesandten bei allen diesen Verhandlungen, vor allem innerhalb des niedersächsischen Kreises, einflußreich und im Sinne der Instruktion ihrer Herzöge tätig gewesen sind, geht aus den Akten und dem Gange der Verhandlungen ohne weiteres hervor. Adolf Friedrichs Politik war ja einzig und allein darauf gerichtet, sein Land möglichst unversehrt durch die Gefährnisse des Krieges zu führen und ihm Lasten und Leiden nach Möglichkeit zu ersparen. Daß er dabei, so sehr er sich auch bemühte, mit Schweden in gutem Einvernehmen zu bleiben und


88) Der beiden sächsischen Kreise Gedanken, betr. Direktorium und consilium formatum. dict. Frankfurt, 16. Juli 1634. Kop. A. S.: Fr. C.
89) Bär a. a. O. S. 471.
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auf dem allein möglichen gütlichen Wege sein Ziel zu erreichen, mit Oxenstierna in Widerspruch geriet, liegt auf der Hand. so sehr der Herzog immer für ein Zusammenhalten der Evangelischen mit Schweden eingetreten war und noch eintrat, ja sogar Kursachsen noch durch Gewährung eines Römerzuges als Unterstützung gewinnen zu hoffen glaubte 90 ), so sehr fürchtete er die Forderungen Oxenstiernas und die aus einem Bündnisse in dessen Sinne hervorgehenden Lasten für sein Land. Er wollte sich in dem Falle lieber mit einer "guten Korrespondenz" zwischen den 6 Greifen begnügen. 91 )

Die Antwort der Oberkreise auf die sächsischen Vorschläge lautete nicht eben ungünstig, obwohl die prinzipiellen Gegensätze auch hierin wieder zutage traten. 92 ) Einverstanden waren sie mit einer vorherigen Besprechung der Friedensbedingungen, wie es Artikel 3 des Entwurfes vorschrieb, doch wollten sie das Zustandekommen des Bündnisses nicht undedingt von deren völligen Erledigung abhängig machen. Sie ließen durchblicken, daß bis zum Frieden doch wohl noch eine geraume Zeit vergehen könnte. Bei der Kriegsverfassung bestanden sie auf stärkerer Zentralisation, als Sitz des Direktoriums forderten sie in ihrem Interesse Frankfurt a. M., während die sächsischen Kreise Erfurt vorgeschlagen hatten. Der heikle Artikel 43 sollte das Bündnis nicht aufhalten, doch kamen sie dem Entwurf insoweit entgegen, als sie im Prinzip mit vorheriger Beratung einverstanden waren und vorschlugen, den Reichskanzler um Äußerungen über die Art und Weise der schwedischen Satisfaktion zu ersuchen.

Oxenstierna war Ende Juni aus Mainz zurückgekehrt, fand aber die Verhandlungen nur recht langsam fortgeschritten. In einer Plenarsitzung vom 1. Juli beschwerte er sich vor den Ständen über diese Saumseligkeit, sprach sich aber über den sächsischen Bündnisentwurf nicht näher aus. Daß er darin einen ganz anderen Standpunkt einnehmen werde, war vorauszusehen. Am 10. Juli erfolgte seine Antwort vor versammelten Ständen. Er lehnte den Entwurf kurz und bündig ab, weil darin nur Sonderinteressen behandelt seien, und forderte die sächsischen Kreise schlechthin zum Eintritt in den Heilbronner Bund auf.


(  ...  ) Artikel 14.
90) Adolf Friedrich an die Gesandten d. d. Schwerin, 25. Juli 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
91) Desgl. d. d. Schwerin, 14. u. 22. Juni 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
92) 29. Juni 1634. Chemnitz II S. 424.
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Aber die Sachsen ließen sich durch dies energische Auftreten des Reichskanzlers nicht einschüchtern und lehnten sein Ansuchen rundweg ab. Wohl oder übel sah sich Oxenstierna nun gezwungen, den Entwurf noch einmal im einzelnen durchzugehen. Zwei Tage darauf teilte er seine Ansichten darüber mit. 93 ) Seine Sprache lautete hier freilich schon anders; in vielen Punkten zeigte er Entgegenkommen, aber gerade die wichtigsten suchte er ausweichend zu beantworten oder zu verschieben. Im allgemeinen wahrte er seinen prinzipiellen Standpunkt. Aufgabe der Sonderinteressen, starke Zentralisation der Kriegsverfassung, bedeutende Vollmacht des Direktoriums unter vorwiegend schwedischem Einfluß blieben seine Forderungen. Zur Beratung der Friedensbedingungen empfahl er den Ständen, eine Deputation zu wählen, desgleichen eine zur Besprechung der näheren Bestimmungen der Kriegsorganisation. Ablehnend verhielt er sich dem Wunsche nach Verminderung der Garnisonen gegenüber, vornehmlich in Anwendung auf die pommerschen und mecklenburgischen Seehäfen. Ganz unbefriedigend aber und ausweichend beantwortete er die schwedische Satisfaktronsfrage. Oxenstierna war sich wohl bewußt, wie das Hineindringen dieses Punktes in den Bündnisvertrag das ganze Unternehmen gefährden könne, besonders wenn Schweden dem Drängen der Stände nachgeben und vor Abschluß des Bündnisses seine Forderungen in der Hinsicht offen erklären müßte. Und den Reichskanzler hierzu zu zwingen, war ja das Ziel vornehmlich Brandenburgs und Pommerns, denen sich Kursachsen nur zu gerne anschloß. - Nachdem zuerst dem Vorschlag der 4 Oberkreise gemäß eine gemeinsame Deputation aller 6 Kreise den Reichskanzler vergeblich um nähere Mitteilung gebeten hatte, drangen die sächsischen und vornehmlich die odersächsischen Stände von neuem wiederholt in ihn. Am 15. Juli ließ er endlich den Kreisen eine Erklärung zugehen, die aber in der Hauptsache wieder gänzlich unbestimmt gehalten war, die Verdienste Schwedens ungemein hervorhob und daraus die Notwendigkeit einer zufriedenstellenden Satisfaktion ableitete. Über nähere Angaben wurden sie wieder auf später vertröstet. 94 )

Zwecks Beratung und Beantwortung dieser Erklärung kamen die sächsischen Stände am 17. Juli zusammen. Es gelang hier den Brandenburgern und Pommern, die Niedersachsen, die anfangs


93) Oxenstiernas Bedenken bei den 45 Konjunktionspunkten, dict. Frankfurt, 12. Juli 1634. Kop. A. S.: Fr. C.
94) Bär a. a. O. S. 471.
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die Satisfaktionsfrage bis zu den Friedensverhandlungen zu verschieben geneigt gewesen waren, zu überzeugen, daß eine vorherige Erledigung der Frage unbedingt notwendig wäre. Schon erklärten die Brandenburger geradezu, sich vorher auf kein Bündnis einlassen zu können, weil Schweden die Anwartschaft des Kurfürsten auf Pommern nicht ohne weiteres anerkannt hätte und sich auf jenen Artikel 14 im schwedisch-pommerschen Bündnis beriefe. 95 ) In einer Versammlung aller 6 Kreise am 18. Juli wurde die Satisfaktionsfrage noch einmal eingehend beraten und das Resultat in einer Denkschrift an den Reichskanzler zusammengefaßt. 96 ) Es gab nach Ansicht der Stände 3 Möglichkeiten, Schweden abzufinden: die Einräumung von Land und Leuten, Abschluß eines Trutz- und Schutzbündnisses und endlich Zahlung einer Geldsumme. Die erste Möglichkeit wurde sogleich verworfen, namentlich eine Entschädigung an evangelischem Besitz, die an feindlichem zum mindesten als sehr schwierig und zurzeit noch nicht diskutierbar bezeichnet. Die Obersachsen hatten noch auf die Möglichkeit einer Satisfaktion aus geistlichem Gut hingewiesen, doch wurde dieser Vorschlag nicht in die Denkschrift aufgenommen. 97 ) Über die beiden anderen Arten der Satisfaktion erklärten sich die Stände bereit, mit Oxenstierna zu unterhandeln und baten ihn, sich näher zu äußern. Der Schwerpunkt lag also in dem Streben der Stände, vornehmlich der obersächsischen, den Reichskanzler zu einem direkten Verzicht auf evangelische Länder zu bewegen und davon ihren Eintritt in den geplanten Bund abhängig zu machen. Wie sehr das auch im Sinne Mecklenburgs liegen mußte, das immer noch wegen Wismar besorgt war, braucht nicht mehr betont zu werden.

Die Satisfaktionsfrage war somit immer mehr und mehr in den Vordergrund gerückt. Schon kam der Gedanke auf, daß an ihr der Anschluß des obersächsischen Kreises an den Bund scheitern würde, und die Niedersachsen warfen bereits die Frage auf, ob für sie unter diesen Umständen ein Bündnis mit den Oberkreisen geboten wäre, in der Voraussetzung, daß Oxenstierna kein Entgegenkommen mehr zeigen würde. 98 )


95) S. o. Anm. 35.
96) Bericht der Gesandten an Adolf Friedrich d. d. 25. Juli 1634. Orig. A. S.: Fr. C.; vergl. Chemnitz II S. 434 f.; Londorp IV S. 425 ff.
97) Aus der Darstellung bei Bär S. 272 f. geht diese letzte Tatsache nicht deutlich hervor.
98) Bericht der Gesandten an Adolf Friedrich d. d 19. Juli 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
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Des Reichskanzlers Antwort auf die letzte Eingabe der Stände lautete denn auch wieder sehr allgemein und offensichtlich ausweichend. 99 ) Nur soviel konnte man daraus entnehmen, daß Schweden nur mit einer in Landerwerb bestehenden Satisfaktion gedient sein könnte, und zwar des weiteren nur mit Ländern, die für Schweden einen wirklichen Machtzuwachs bedeuteten. Aus dem Grunde kamen natürlich nur Gebiete im Norden Deutschlands in Betracht, und es war unschwer zu erraten, worauf der Reichskanzler zielte. Er ließ auch bereits durchblicken, daß, es sich nur um evangelische Länder handeln könnte, weil die feindlichen zu entlegen wären, daß aber die betroffenen evangelischen Fürsten aus ihnen nahegelegenem feindlichen Besitz entschädigt werden könnten.

Dieser Bescheid konnte die Stände wieder nicht vollkommen befriedigen, da es ihnen doch um eine unumwundene Erklärung zu tun war, mußte aber andererseits ihr Mißtrauen aufs höchste steigern. Nach einer vorangegangenen Besprechung der pommerschen und brandenburgischen Gesandten, wobei wieder der Plan eines Sonderbündnisses mit Einschluß Mecklenburgs auftauchte, ersuchten sie am 31. Juli den Reichskanzler nochmals um eine unzweideutige Erklärung, ob er Ansprüche auf Pommern machte. 100 ) Wieder suchte Oxenstierna anfänglich die ihm so unangenehme Frage ausweichend zu behandeln, weil ihm schon seit längerem immer mehr klar geworden war, wie der ganze Erfolg des Konvents scheitern würde, wenn es ihm nicht gelang, diese Angelegenheit bis nach dem Abschluß des Bündnisses hinzuziehen. 101 ) Dem Drängen der Gesandten gegenüber mußte er sich aber doch bequemen, zuzugeben, daß ihm mit Pommern als Reichslehen am besten gedient sein würde. Eine ganz bestimmte Forderung ließ er freilich auch jetzt noch nicht laut werden. Seine Haltung entsprach auch ungefähr den Weisungen, die er aus der Heimat erhalten hatte. Der Reichsrat hatte ebenfalls keine fest normierten Forderungen gestellt, sondern nur den Erwerb von Küstenländern oder Häfen an der Ostsee für wünschenswert erklärt, dem Reichskanzler in allen Einzelheiten aber freie Hand gelassen. 102 )


99) Chemnitz II S. 438 f.; Londorp IV S. 427 f.
100) Bär S. 475 f.
101) Oxenstierna a. d. schwedische Regierung d. d. Frankfurt, 22. u. 30. Juli 1634. Handlingar rörande Skandinaviens historia 30 u. 32 S 83 und 91.
102) Der schwedische Reichsrat an Oxenstierna d. d. 11. März 1634. Handlingar 29 S. 232 ff.
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Durch Oxenstiernas letzte Erklärung war wenigstens einigermaßen Klarheit geschaffen. Jedenfalls faßten die Obersachsen, und mit Recht, die Lage so auf, daß Schweden auf Pommern nicht verzichten wollte. Eine Abtretung Pommerns aber, und somit auch der Eintritt in das Bündnis war für sie unmöglich. Noch aber gaben sie die Hoffnung nicht auf, den Reichskanzler von seinen Forderungen abzubringen. Schon bei einer mündlichen Besprechung hatten die obersächsischen Gesandten, namentlich der brandenburgische Rat Götzen, den Reichskanzler ersucht, einen offiziellen Verzicht auszusprechen. Nunmehr kam es darauf an, auch die übrigen Stände zu dieser Forderung zu vereinen, um einen noch stärkeren Druck auf den Reichskanzler auszuüben, wenn man mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte.

Am 4. August kamen die 6 Stände zusammen, um über die Beantwortung der Erklärung des Reichskanzlers, die er nunmehr auf Ersuchen der Stände auch schriftlich abgegeben hatte, zu beraten. Entgegen dem Antrage Brandenburgs, durch eine Abordnung an den Reichskanzler energische Verwahrung gegen jegliche Ansprüche auf Pornmern einzulegen, wurde schließlich schriftlich im Namen der beiden sächsischen Kreise eine Antwort verfaßt. 103 ) Man verlangte hierin kurz und bündig eine direkte Verzichtserklärung. Sodann aber war man bereit, sogleich über das Bündnis, gemeinsame Kriegsverfassung usw. zu unterhandeln und nicht vor Erledigung der schwedischen Satisfaktion überhaupt Frieden zu schließen. Brandenburg und Pommern fügten noch eine weitläufige Darstellung der brandenburg-pommerschen Beziehungen sowie die Erklärung hinzu, daß aus allen angeführten Gründen Brandenburg Pommern auf keinen Fall aufgeben würde.

Noch mehr als vorher bildete nun in den nächsten Wochen die Satisfaktionsfrage den Hauptpunkt aller Verhandlungen.

So sehr Oxenstierna und die Oberkreise sich bemühten, die Frage hinauszuschieben und erst das Bündnis zustande zu bringen, einmal ins Rollen gebracht, ließ sie sich nicht mehr aufhalten. Darunter litten natürlich alle anderen Verhandlungen. Die Beratungen über eine gemeinsame Kriegsverfassung aller 6 Kreise wurden nur nebenher und äußerst langsam fortgesetzt. Die gesonderte Stellung Kursachsens und seine dauernd schwedenfeindliche Haltung in Frankfurt trug nicht dazu bei, die Stände bereitwilliger zu machen. Bei allen diesen Verhandlungen trat außerdem immer wieder der prinzipielle Gegensatz zwischen dem Heil-


103) Chemnitz II S. 497 ff.
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bronner Bund und den beiden sächsischen Kreisen über die Art der Waffengemeinschaft zutage. Noch am 8. August hatten die Oberkreise den sächisischen Ständen ein neues Konjunktionsprojekt überreicht, das schlechthin Anschluß an den Heilbronner Bund forderte. Die Sachsen machten aber zu dem Entwurf derartige Änderungsvorschläge, die einer Ablehnung nahe kamen, ja Adolf Friedrich bezeichnete ihn geradezu als unannehmbar und beleidigend. 104 ) Nebenher gingen weiter fortwährend die Beschwerden der einzelnen Stände an den Reichskanzler über unerträgliche Belästigung ihrer Länder durch Ausschreitungen und Plünderungen schwedischer Soldaten, Anmaßungen und Erpressungen der Befehlshaber inner- und außerhalb der Garnisonen usw. Von seinem Standpunkt aus sagt der schwedische Geschichtsschreiber des Krieges, Philipp Bogislav von Chemnitz nicht mit Unrecht: "In Summa, ein jedweder wollte bei diesem Kriege das meiste ausgestanden und gelitten, das meiste getan und aufgewandt haben; hingegen ins künftige das wenigste auszustehen, zu leiden und aufzuwenden vermögen oder schuldig sein: sollte schon das gemeine evangelische Wesen darüber zu Trümmern gehen." 105 ) Ähnlich lauten die Klagen des Reichskanzlers in den Berichten an seine Regierung. 106 ) Die Art und Weise, wie Oxenstierna solche Beschwerden behandelte, indem er sie entweder gar nicht oder erst nach langer Zeit und dann auch noch ausweichend beantwortete, machte die Stände nur noch mißtrauischer.

Auch an der Friedensliebe des Reichskanzlers mußten die Stände irre werden; denn seine Behandlung der dänischen Interposition, die doch eigentlich den Kernpunkt und das Endziel des Konvents bilden sollte, ließ bald keinen Zweifel mehr aufkommen, daß es dem Reichskanzler zurzeit nicht um Frieden zu tun war, er im Gegenteil die dänischen Vermittelungsversuche als lästige Einmischung in seine Bündnispolitik ansah. Wohl führte er den Frieden noch beständig im Munde, aber er vermochte damit die Stände über seine wahren Absichten nicht mehr hinwegzutäuschen.

Dänemark hatte trotz seiner früheren Mißerfolge den Gedanken einer Friedensvermittelung nicht aufgegeben. Noch im Herbst 1633 hatte sich König Christian von neuem bemüht und diesmal den schwedischen Reichsrat in Stockholm für seine Pläne zu ge-


104) Adolf Friedrich an die Gesandten d. d. Schwerin, 26. Aug. 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
105) Chemnitz II S. 431.
106) Handlingar 30 und 32.
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winnen gesucht. Als aber seine Gesandten auch hier nur wieder Friedensbeteuerungen und allgemein ausweichende Phrasen zur Antwort erhielten, wandte er sich an den Reichskanzler und unterbreitete ihm neue bestimmte Vorschläge hinsichtlich Ort und Zeit eines Friedenskongresses. Statt des von den Heilbronner Verbündeten nachträglich noch abgelehnten Breslau brachte er nunmehr Mühlhausen, Marburg oder Lübeck in Vorschlag. Oxenstierna aber war keiner dieser Orte genehm und er antwortete, ohne die Vermittelung direkt abzulehnen, bezeichnend genug mit einer Einladung zum Frankfurter Konvent. 107 ) Diese freilich schlug der König aus, angeblich in Rücksicht auf die katholische Partei, aber durch eine weitere Sendung an den Reichskanzler und die Stände nach Frankfurt fuhr er fort, seine Vermittelung zu empfehlen. 108 ) Das alte Spiel begann von vorne. Auf der einen Seite der Reichskanzler, bestrebt, die sächsischen Stände dem Heilbronner Bund anzugliedern und in jedem Friedensangebot nur feindliche Machinationen sehend, auf der anderen Dänemark, dahin zielend, dies Bündnis zu hindern. Zwei Monate vergingen, bis die Abfertigung des dänischen Kuriers erfolgte. 109 ) Aus verschiedenen Eingaben der Stände geht mit voller Sicherheit hervor, daß die offensichtliche Verschleppung nur durch Oxenstierna veranlaßt wurde, der seine alte Politik hier nur fortsetzte. 110 ) Die Stände dagegen, auf deren Friedenssehnsucht Dänemark nicht umsonst spekuliert hatte und die den Eintritt in die Verhandlungen sobald wie möglich wünschten, drängten heftig auf Abfertigung und gingen in ihrer Antwort an den König vom 30. Mai bereits auf Einzelheiten und vorbereitende Formalitäten, Geleitsbriefe, Vollmachten u. dgl. ein. 111 ) Als Kongreßort schlugen sie neben Erfurt, Worms und Speier namentlich Frankfurt selbst vor. Umgehend erfolgte die dänische Antwort. Der König zeigte den Vorschlägen der Stände gegenüber ein großes Entgegenkommen, empfahl den


107) König Christian an Oxenstierna d. d. 21 Okt 1633, Oxenstiernas Antwort d. d. 9. Dez. 1633, Chemnitz II S 232 f.
108) König Christian an den Reichskanzler und die Stände d. d. 10. bezw. 27. Febr. 1634, Chemnitz II S. 315 ff.
109) Er traf am 28. März in Frankfurt ein; die Antwort der Stände ist vom 30. Mai datiert, nachdem sie am 5. April eine Vorantwort hatten abgehen lassen und Dänemark am 19. April ein weiteres Schreiben an sie gerichtet hatte. Londorp IV S. 395 f.
110) Die Stände an Oxenstierna wegen Abfertigung des dänischen Kuriers d. d. 29. April, 12., 14. und 28. Mai 1634. Londorp IV S. 396 f.
111) Londorp IV S. 398 ff.
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l. Oktober 1634 als ungefähren Termin für den Beginn des Kongresses und verwies im übrigen auf die zu erwartende Antwort des Kaisers. dem die Meinungen der Frankfurter Stände inzwischen übermittelt waren. 112 ) - Während nun die Stände, voll der schönsten Hoffnungen, schon am 19. Juli dem Könige zustimmend antworteten, erfolgte der kaiserliche Bescheid erst am 23. August und wurde den Ständen durch Dänemark am 26. September übermittelt, erreichte diese aber nicht mehr in Frankfurt. Die Gründe, die den Kaiser damals bewegen, die dänische Interposition zu vernachtässigen, werden wir später kennen lernen. Oxenstierna war zweifellos sehr damit gedient, aber die Art und Weise, wie er von vornherein die Friedensfrage behandelt hatte, mußte auf die Stände notwendig verstimmend wirken; denn die Friedenssehnsucht gerade der kleineren Fürsten und Stände war zu groß, als daß sie mit der schwedischen Politik ganz hatten einverstanden sein können.

Die Verhandlungen in Frankfurt nahmen unterdes ihren Fortgang und drehten sich fast nur noch um die leidige Satisfaktionsfrage. Der Reichskanzler zögerte aus begreiflichen Gründen ungewöhnlich lange mit einer Antwort auf die letzte brandenburg-pommersche Venwahrungsschrift gegen schwedische Ansprüche auf Pommern. Die Gesandten dieser beiden Stände veranlaßten daher auch die übrigen nunmehr zu einer Abordnung an Oxenstierna, die ihm am 26. August mitteilte, daß einzig und allein die Satisfaktionsfrage dem Abschluß des Bundes, über dessen wesentlichste Punkte man sich geeinigt habe, noch im Wege stände. Man bat ihn, durch eine geeignete Erklärung dies Hindernis zu beseitigen. 113 ) Oxenstiernas Antwort betonte aufs neue die Notwendigkeit einer ausreichenden Satisfaktion für sein Vaterland; er ersuchte die Stände, ihm statt Pommern ein anderes Gebiet zu nennen, das für Schweden in gleicher Weise günstig gelegen sei und die Bedingungen einer genügenden Satisfaktion erfüllte. Zu weiteren Verhandlungen bestimmte er seinen Sohn und zwei andere Räte.

Die Abgeordneten der Stände, unter denen der kurpfälzische und der kulmbachische das Wort führten, gaben sich in den Verhandlungen des folgenden Tages zwar die größte Mühe, die Gegensätze auszugleichen, aber vergebens. 114 ) Die Schweden blieben


112) König Christian an die Stände d. d. Kopenhagen, 22. Juni 1634. Loudorp IV S. 401 ff.
113) Bär a. a. O. S. 478.
114) Bär a. a. O. S. 478 ff. und Anmerkung 4.
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auf ihrem Standpunkte, daß die Betohnungs- und Kriegsentschädigungsfrage, von der der Thronfolger in Pommern untrennbar wäre, d. h. also, daß sie das Erbrecht Brandenburgs nicht anerkennen wollten. Von einem anderen Lanbe war keine Rede mehr. Kein Teil war zu Konzessionen geneigt, so daß die Verhandlungen am 28. August als völlig gescheitert und damit der Erfolg des Konvents überhaupt in Frage gestellt anzusehen waren. Von einem Bunde aller 6 Kreise konnte unter diesen Umständen keine Rede mehr sein, nachdem nun auch Kurbrandenburg und Pommern nicht mehr in Betracht kamen und einige andere obersächsische Stände zu Kursachsen hielten.

Somit sah sich der niedersächsische Kreis nun wirklich vor die Frage gestellt, ob er allein mit den Oberkreisen in ein Bündnis treten sollte. Und auch hier kamen nicht mehr alle Sände in Betracht. Die braunschweigischen Gesandten waren wegen des Todes ihres Herrn, des Herzogs Friedrich Ulrich, bisher ausschreibenden Fürsten des niedersächsischen Kreises 115 ), schon am 21. August abgereist 116 ); die Lüneburger hatten keine genaue Instruktion, so daß von den anwesenden Gesandten nur die von Bremen und Mecklenburg übrig blieben. Diese erkannten die Schwierigkeit ihrer Lage sehr wohl und namentlich den Umstand, daß sie durch einen engeren Auschluß an den Heilbronner Bund neben den Halderstädtern neue Verpflichtungen eingingen und ohne Beteiligung aller seiner Mitglieder den niedersächsischen Kreis geradezu zerrissen. Es war indessen nicht mehr Zeit, darüber die Instruktionen ihrer Fürsten einzuholen. Kriegerische Ereignisse drängten zur Entscheidung.

Am 26.-27. August/5.-6. September war die Nördlinger Schlacht geschlagen, die schwedischen Heere unter Horn und Bernhard von Weimar vernichtet. Am 30. August teilte Oxenstierna den anwesenden Gesandten die Unglücksbotschaft mit, und unter ihrem Drucke, und während schon viele Abgeordnete, auf ihre eigene Sicherheit bedacht, fluchtähnlich Frankfurt verließen, erfolgte am 3./13. September der Schluß des Konvents. 117 ) Der Haupt-


115) 11. August 1634.
116) Bericht der mecklb. Gesandten d. d. 23. Aug: 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
117) Schnell, Der große Krieg S. 81, setzt die Schlacht irrtümlicherweise auf den 6./16. September und kommt daher auch S. 80 zu einer unrichtigen Beurteilung der Bedeutung des Frankfurter Abschiedes und des Konvents überhaupt. - Der Abschied ist gedruckt bei Londorp IV S. 442 ff.
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abschied wurde am 7. September von folgenden Ständen unterschrieben: Kurpfalz, Pfalz-Simmern, Pfalz-Zweibrücken, Pfälzische Vormundschaft, Kulmdach-Ansbach; nebengesetzt: Bremen, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Güstrow, rheinisch, schwäbisch, fränkische Grafen, Ysenburg, konföderierte Freie und Reichsstädte. Auch Oxenstierna vollzog die Unterschrift. 118 )

Nach einer gespreizten Hervorhebung der Verdienste Gustav Adolfs und der Schweden überhaupt um die deutschen Protestanten sowie einer Würdigung der Bedeutung des Heilbronner Bundes und des Halberstädter Kreistages stellte der Abschied fest, daß sich nunmehr die beiden sächsischen Kreise "zuförderst unter sich selbsten und den ... löblichen 4 Oberkreisen als Glieder eines Reiches und folgens mit der hochlöblichen Kron Schweden in ein Christliche, aufrichtige, beständige und feste Conjunction und Bündnuß ... freiwillig und wissentlich begeben ..." hätten. Als Zweck wird die Fortsetzung des Krieges bis zu einem allgemeinen Frieden, wobei der dänischen Interposition und ihres Fortgangs gedacht wird, Sowie Sicherstellung der Evangelischen angegeben; vorher sollte sich kein Mitglied des Bundes ohne Wissen und Willen seiner Mitverbündeten in Sonderverhandlungen einlassen dürfen. Ferner hatten "die sämptliche Evangelische konföderierte Stände gegen die höchstgemelte löbliche Kron Schweden wie zuvor nochmalen, allbereit hiebevor geschehen, aller gebührender Dankbarkeit und billig mäßiger Satisfaktion halben sich erklärt und vernehmen lassen, daß S. Exc. auf diesmal damit content und zufrieden gewesen". Hinsichtlich der Bundes- und Kriegsorganisation wird auf einen Nebenabschied verwiesen.

Man sieht sofort, daß dieser Abschied ohne jede positive Bedeutung sein mußte und nur den Zweck habe konnte, dem Feinde gegenüber in dieser Zeit des Sinkens der schwedisch-evangelischen Machtstellung den Anschein zu erwecken, als ob das Ziel einer Einigung aller 6 evangelischen Kreise erreicht wäre. In Wirklichkeit waren es doch außer den Heitbronner Verbündeten nur Bremen und Mecklenburg, die dem Bündnis geneigt waren, wenigstens den Abschied unterschrieben, auch sie vielleicht und höchst wahrscheinlich nur aus den oben genannten Gründen. 119 ) Jedenfalls ist das scheinbare Resultat der Frank-


118) Protoc. Frankfurt. Orig A. S.: Fr. C.
119) Bericht der mecklb. Gesandten d. d. 2. Sept. 1634. Orig. A. S.: Fr. C.
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furter Verhandlungen nie in die Wirklichkeit umgesetzt worden. Wie bittere Ironie klingen sogar einige Bestimmungen dieses Abschiedes, wenn man den Gang der Verhandlungen und die zutage getretenen Gegensätze kennt. Namentlich die Erklärung der Stände über die schwedische Satisfaktion und Oxenstiernas Zufriedenheit damit muten uns nach dem Vorangegangenen seltsam an.

Nicht besser steht es mit dem erwähnten Nebenabschied, der vom 6./16. September datiert ist und gleichfalls am 7. September nur von den Oberkreisen sowie von Bremen und Mecklenburg unterschrieben wurde, während die obersächsischen Stände außer Pommern und Altenburg zwar damit einverstanden waren, aber mit Rücksicht auf Kurbrandenburg die Unterschrift ausschlugen. Am bedeutsamsten jedoch war es, daß nachträglich auch der Reichskanzler seine Unterschrift verweigerte und dadurch den Erfolg des Konvents gänzlich illusorisch machte. 120 ) Der Nebenabschied bedeutete nämlich eine Einigung der 6 Kreise über eine Kriegsverfassung vom Standpunkt der sächsischen, namentlich des niedersächsischen Kreises aus, zu dem sich die Oberkreise ohne Zustimmung des Reichskanzlers herbeigelassen hatten. Wohl sollte die ganze evangelische Armee, die auf 80000 Mann berechnet war, unter schwedischem Direktorium und einem Bundesrat stehen, dessen Residenz zu bestimmen man dem Reichskanzler überlassen wollte, daneben aber sollten die Kreisverfassungen bestehen bleiben mit ihren eigenen Kassen, Magazinen usw. Das Kriegsvolk war lediglich für den Kreis, dem es unterstellt war, bestimmt und durfte nur im Notfall, wenn das eigene Land vom Feinde befreit und ein anderes Bundesmitglied in Not wäre, daraus entfernt werden. Kein Bundesverwandter durfte mit fremden Mächten ohne Einwilligung der gesamten Stänbe Verhandlungen eingehen oder Krieg beginnen. Partikularbündnisse innerhalb des Bundes wurden nicht aufgehoben, wohl aber die davon herrührenden "Subsidien, Exactionen, Assignationen, rekruiren, Musterplätze und mehr fotane onera". Durchzüge sollten nach Möglichkeit vermieden oder wenigstens geregelt, die Garnisonen verringert und Winterquartiere möglichst in Feindesland genommen werden. Zum Unterhalt der Bundesräte und sonstigen Beamten verpflichteten sich die sächsischen Kreise, monatlich einen halben einfachen Römerzug, für Proviant und Munition im richtigen Verhältnis zu den Oberkreisen und nach der Kreismatrikel ihr Teil beizusteuern.


120) Protoc. Francfurt. Orig. A. S.: Fr. C. - Der Nebenabschied, aus 31 Artikeln bestehend, ist gedruckt bei Chemnitz II S. 509 ff.
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Ferner war des Kurfürsten von Sachsen gedacht, ihn nach Möglichkeit zu einer "Conjunction" oder "guten Korrespondenz" zu bewegen, und endlich garantierten sich die Konföderierten gegenseitig ihren Besitzstand, wie er vor dem Kriege gewesen war. Diese Abmachungen waren also in Wirklichkeit nur eine ängstliche Wahrung von Sonderinteressen, ein Versuch namentlich der niedersächsischen Stände, ihre Selbständigkeit Schweden gegenüber aufrecht zu erhalten und alle Lasten möglichst abzuwälzen, Bestrebungen, die der Reichskanzler, wie wir sahen, während des Konvents aufs heftigste bekämpft hatte. Die Oberkreise hatten ihn darin freilich anfangs unterstützt, bis sie in den letzten Tagen des August nachgaben, um überhaupt eine Einigung zu erzielen. Für Oxenstierna waren diese Abmachungen jedenfalls unannehmbar und außerdem praktisch wegen der Kleinlichkeit und Umständlichkeit, womit verfahren war, undurchführbar. Der Nebenabschied ist ebensowenig wie der Hauptschluß jemals in Kraft getreten.

Somit, kann man getrost behaupten, war der Frankfurter Konvent gescheitert. Das nur zu berechtigte Mißtrauen der sächsischen Stände gegen die Ansprüche Schwedens und seine Friedensliebe, die Peinlichkeit und Engherzigkeit der einzelnen Fürsten bei der Wahrung ihrer Sonderinteressen, die schweden-feindliche Haltung Kursachsens und seine Friedensbestrebungen sowie endlich die beginnende Einmischung Frankreichs machten es dem Reichskanzler unmöglich, sein Zisl zu erreichen. Die militärischen Ereignisse gaben dem Unternehmen nur noch den letzten Stoß.


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III. Der Friede zu Pirna.

Während Oxenstierna sich in Frankfurt vergebens bemühte, unter den protestantischen Ständen eine Einigung herzustellen, gingen an einem anderen Orte Verhandlungen vor sich, die einem entgegengesetzten Zwecke dienten und Separatverhandlungen zwischen einem Teil der protestantischen Stänbe und der kaiserlichen Partei zum Ziele hatten. Die kursächsischen und dänischen Friedens-bestrebungen waren in Wien von vornherein als äußerst willkommen angesehen und benutzt worden. Auch des Kaisers Streben ging ja dahin, durch Sonderverhandlungen mit den deutschen Evangelischen eine Trennung unter ihnen herbeizuführen, um dann desto sicherer seine katholische Politik in Deutschtand durchführen zu können. Da der Kaiser Kursachsens Stellung zu Schweden und seine Neigung, eine Aussöhnung mit der kaiserlichen Partei zustande zu bringen, kannte, war er im Verlauf des Jahres 1633 verschiedentlich mit Friedensanerbieten an den Kurfürsten herangetreten. Wenn die beiderseitigen Bestrebungen, denen die dänische Vermittelung und der Gedanke eines allgemeinen Konvents als Deckmantel dienen sollte, damals nicht zum Ziele gelangten, so lag das einmal an den politischen und militärischen Erfolgen Schwedens, der Haltung Kurbrandenburgs und den oft recht bedenklichen Vorschlägen Wallensteins. 121 ) Indessen mußte die stetig wachsende Abneigung Kursachsens gegen Schweden sich notwendig einmal mit den Plänen des Kaisers begegnen; denn mehr noch vielleicht, als alle äußeren Motive, wie die Besorgnis um Magdeburg und der Neid auf Schwedens Vormachtstellung, war für diese sächsische Annäherung die Tradition des kurfürstlichen Hauses maßgedend, das immer gute Beziehungen zum kaiserlichen Hof unterhalten hatte und seit nahezu einem Jahrhundert stets geneigt gewesen war, von den Glaubensgenossen gesonderte Wege zu gehend. 122 )


121) Struck, Johann Georg und Oxenstierna a. a. O. Kap. XI S. 200 ff.
122) Vergt. Dürbeck, Kursachsen und die Durchführung des Prager Friedens. Diff. Leipzig 1908, S. 14 f.
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Die Katastrophe Wallensteins, der ja in erster Linie Träger der kaiserlichen Friedensvorschläge gewesen war, schien freilich alle Verhandlungen mit Wien zunächst ins Stocken gebracht und jede Hoffnung auf Frieden vernichtet zu haben. Aber nur für kurze Zeit; denn der Kaiser kannte die Stimmung des Kurfürsten sehr wohl und hoffte durch einen Separatfrieden mit ihm und Gewährung persönlicher Vorteile diesen wichtigen Reichsfürsten von der allgemeinen evangelischen Sache und Schweden abziehen zu können. Er übertrug daher nach Wallensteins Ermordung zugleich mit dem militärischen Oberbefehl seinem Sohne Ferdinand, dem König von Ungarn und späteren Kaiser, die Vollmacht, mit Kursachsen weiter zu verhandeln. 123 ) Als Unterhändler bediente man sich kaiserlicherseits desselben Mannes, der schon im Januar Träger der Vorschläge bei Kursachsen und Brandenburg gewesen war, des Herzogs Franz Julius von Sachsen-Lauenburg. Gleich nach der Achtung Wallensteins begab dieser sich von Prag nach Wien und war Mitte März wieder in Dresden, wo er dem Kurfürsten im Auftrage des Königs von Ungarn den Vorschlag unterbreitete, zu Leitmeritz in neue Verhandlungen über den Frieden einzutreten. 124 ) Derselbe Vorschlag wurde Kurbrandenburg übermittelt. Während aber Georg Wilhelm die Aufforderung mit Hinweis auf den Frankfurter Konvent und die dort zu verhandelnde dänische Vermittelung ablehnte 125 ), ging Johann Georg bereitwilligst darauf ein, nachdem ihn der Tod Wallensteins von dessen Friedensanträgen und der Sorge, daß diese ihn in einen Gegensatz zum Kaiser hätten bringen können, befreit hatte. 126 ) Die Verhandlungen sollten jedoch vorläufig nur einer Verständigung dienen über den später unter dänischer Vermittetung abzuschließenden allgemeinen Frieden und so gewissermaßen den Frankfurter Konvent unterstützen 127 ); wenigstens ließ der Kurfürst dies den in Frankfurt versammelten Ständen durch seine Gesandten mitteilen. 128 )


123) Ritter III S. 577 f.
124) Franz Julius an Johann Georg d. d. Prag, 17./27. Februar 1634. Irmer III Nr. 500 S. 306.
125) Georg Wilhelm an Franz Julius d. d. Cöln, 19. März 1634. Irmer III Nr. 526 S. 339 f.; vergl. Helbig, Prager Friede S. 577.
126) Diese Besorgnisse des Kurfürsten kommen klar zum Ausdruck in den am 17. Jan. 1634 Arnim vorgelegten Fragen (Irmer III Nr. 390 S. 173 ff.) und den Verhandlungen des sächsischen geheimen Rats v. 17./27. Jan. (ebenda Nr. 391 S. 175 ff.).
127) Helbig S. 577 f.; Ritter III S. 588.
128) Helbig S. 584 und 586.
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Erst am 2. Juni machten sich die sächsischen Räte Gebhard von Miltitz und Dr. Johann Georg Oppel auf nach Leitmeritz, wo bereits im März 1633 Verhandlungen des Landgrafen Georg von Hessen mit kaiserlichen Abgeordneten stattgefunden hatten. 129 ) Am 4. Juni trafen sie dort ein und hatten am folgenden Tage mit den kaiserlichen Gesandten, dem Grafen von Trautmannsdorf, Freiherrn von Questenberg und Dr. Gebhard die erste Konferenz. Es kann hier nicht der Ort sein, alle Einzelheiten der Verhandlungen, sondern nur den Gang der Beratung im allgemeinen und im Zusammenhang mit den Ereignissen des Krieges und der politischen Lage überhaupt darzustellen und im besonderen Mecklenburg dabei zu berücksichtigen.

Gestützt auf die damals für die Evangelischen günstige Kriegslage in Süddeutschland wie auch auf dem östlichen Kriegsschauplatz, wo durch das Vordringen Baners und Arnims und des letzteren Sieg bei Liegnitz Anfang Mai die Erfolge Wallensteins in der Neumark, Lausitz und Schlesien wieder verloren gegangen waren 130 ), traten die sächsischen Bevollmächtigten mit sehr weit-gehenden Forderungen ihres Kurfürsten in die Verhandlungen ein. Außer den privaten Forderungen Johann Georgs, einer durch die Zinsen auf mehr als 6 Millionen Taler angewachsenen Summe als Entschädigung für seine Hülfe im bömischen Kriege, der erblichen Abtretung beider Lausitzen und endlich Überlassung der Stifter Magdeburg und Halberstadt waren die Hauptbebingungen der den Gesandten mitgegebenen 30 Punkte 131 ): Herstellung des Besitzstandes der evangelischen geistlichen Stände von 1612 mit Einschluß aller später rechtmäßig erfolgten Wahlen und Postulationen, Aufhebung des geistlichen Vorbehalts und des Restitutionsedikts, allgemeine Amnestie, Zuziehung der katholischen Stände zur schwedischen Satisfaktion, Freiheit der Augsburger Konfession nach dem status quo 1612, das ius reformandi evangelischer geistlicher Fürsten, Ausgleich der Pfälzer Sache und die Restitution von Mecklenburg und Hildesheim. Dem Kurfürsten mögen diese Forderungen selbst zu hoch erschienen sein, da er den Gesandten ein Zurückgehen auf Bedingungen anheimgab, die anläßlich des Frankfurter Kompositionstages vom Jahre 1631 aufgestellt waren und in denen als Normaljahr das Jahr 1620 und die Überlassung


129) Vergl. Irmer II Nr. 129 und 130 S. 88 ff. und Nr. 137 a S. 397.
130) Ritter III S. 579.
131) Gedruckt in: Pirnische und Pragische Friedenspakten 1636 S. 291 ff. Vergl. Dürbeck a. a. O. S. 14 Anm. 4.
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strittiger geistlicher Güter auf 50 Jahre mit Sicherstellung eines gütlichen Ausgleiches gefordert wurden.

Bei den kaiserlichen Abgesandten stießen die kursächsischen Räte, wie vorauszusehen, in allen Punkten auf den heftigsten Widerstand. Man war dort nicht im geringsten zu einem Entgegenkommen bereit, namentlich nicht in religiösen Fragen, auch dann nicht, als man sächsischerseits auf die Frankfurter Bedingungen zurückging. Nur für die Privatsatisfaktion des Kurfürsten bot man die Anwartschaft auf einige kleinere Reichslehen und etwa ein von den Herzögen von Mecklenburg zu zahlendes Strafgeld an und ließ auch wohl die Möglichkeit einer Abtretung der Lausitzen durchblicken. In der mecklenburgischen und pfälzischen Sache hofften die kaiserlichen Räte von ihrem Herrn einen gütlichen Ausgleich erwirken zu können.

Über Mecklenburg wurde in der Session vom 28. Juni verhandelt. Nach einer sächsischen Verwendung für die Herzöge beriefen sich die kaiserlichen Räte zunächst auf den Regensburger Kurfürstentag von 1630. Hier hatte der Kaiser dem Kurfürstenkollegium auf ihre Eingabe zugunsten Mecklenburgs geantwortet, daß die Absetzung der Herzöge durchaus zu Recht geschehen und ihre nachträgliche Verteidigungsschrift unzulässig gewesen wäre. Er hatte sich aber bereit erklärt, die Angelegenheit noch einmal untersuchen zu lassen, ohne jedoch von einer Strafe absehen zu wollen. 132 ) Hierin sei jetzt nichts geändert, der Kaiser durch die Herzöge gar sehr "benachteilt und damnificiert". Durch die gewalttätige Wiederbesetzung des Landes hätten sie sich aufs neue "vergriffen". Trotzdem sei der Kaiser nicht abgeneigt, ihnen auf "vorgegangene Submission und Intercession" des Kurfürsten oder eines "anderen vornehmen Standes" und Zahlung eines Strafgeldes, etwa zum Unterhalt der ungarischen Festungen, "Gnade und Pardon" zu gewähren. Am Schlusse der Erklärung heißt es: "Es erfolge nun hierinnen, was da wolle, weren sie doch nicht bedacht die Friedenstraktaten, wenn man sonst einig werde, deswegen zerschlagen zu lassen." Voraussetzung war natürlich gänzliche Lösung des Bündnisses mit Schweden. 133 )

Der Kaiser trug also von vornherein kein Bedenken, die Herzöge zu restituieren. Jetzt nach dem Tode Wallensteins hatte das Land ja nicht mehr die frühere Bedeutung, und wenn er durch


132) Londorp IV S. 67.
133) Bericht der sächsischen Gesandten d. d. 29. Juni 1634. Kop. A. D.: Pr. Fr. 1.
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die Restitution sich dem Kurfürsten gegenüber entgegenkommend zeigte, durch eine Aussöhnung die Mecklenburger an sich fesselte und damit Schweden einen wichtigen Stützpunkt entzog, hatte er noch dazu einen Erfolg erzielt. Daß er von einer rechtlichen Herstellung nichts wissen und die Wiedereinsetzung nur auf dem Gnadenwege vollziehen wollte, hatte seine Ursache in der selbstbewußten und oft anmaßenden Art und Weise der kaiserlichen Partei.

Im übrigen wurde in den Verhandlungen zu Leitmeritz vom Kurfürsten nicht viel erreicht, da die Kaiserlichen den sächsischen Forderungen gegenüber fest blieben und auch die sächsischen Räte zähe an den Frankfurter Bedingungen festhalten und höchstens auf die Stifter verzichten, dem Kaiser das Reformationsrecht in seinen Erblanden außer Schlesien einräumen und mit einem 40jährigen Besitz der nach dem Restitutionsedikt von den Katholiken beanspruchten geistlichen Güter bis zum Ausgleich zufrieden sein sollten. Diese letzte Instruktion traf die Gesandten jedoch nicht mehr in Leitmeritz an. Kriegerische Ereignisse störten die Verhandlungen.

Das sächsische und schwedische Heer unter Arnim und Baner hatte sich nach anfänglichen Zwistigkeiten über die Besetzung Schlesiens und der Oderpässe auf einen gemeinsamen Zug nach Böhmen geeinigt, um Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar aus dem oberdeutschen Kriegsschauplatze Luft zu machen. Beider Feldherren Blick war dabei auf die Leitmeritzer Verhandlungen gerichtet. Arnim wollte sie durch einige Erfolge im sächsischen Sinne beeinflussen, Baner durch einen entscheidenden Schlag vereiteln. So rückte dieser Anfang Juli über das vom Kurfürsten besetzte Zittau, von Arnim vergebens aufgehalten, gegen Prag vor. Sein Weg ging natürlich nicht ohne Absicht über Leitmeritz, und am 7. Juli mußten die Gesandten vor den anrückenden Schweden den Ort verlassen, um sich auf Einladung des Kurfürsten nach Pirna zu begeben. Hier wurden die Beratungen fortgesetzt, während Arnim, der, teils um den Schweden nicht völlig freie Hand zu lassen und eine zu heftige Offensive zu vermeiden, teils um den Kaiser einzuschüchtern, sich mit Baner vereinigt hatte und am 16. Juli mit diesem vor Prag stand. Nach wenigen Tagen wurde freilich der Rückzug angetreten, weil eine Eroberung Prags aussichtslos und Arnim außerdem nicht dazu geneigt war, jedoch blieben die Heere in Nordböhmen und Schlesien stehen.

Man hätte meinen sollen, daß unter dem Eindruck dieser Verhältnisse der Kaiser nunmehr eher zu Konzessionen geneigt gewesen wäre. Dem war aber nicht so. Den kaiserlichen Gesandten

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war der Zwiespalt zwischen Schweden und Sachsen bei ihren militärischen Operationen nicht entgangen, und ebensowenig, daß der schwache Vorstoß nach Böhmen nicht den geringsten Einfluß auf den bayerischen Kriegsschauplatz zugunsten der evangelischen Heere gehabt hatte. Der Fall von Regensburg am 16. Juli öffnete der kaiserlich-bayerischen Armee den Weg Donau aufwärts, am 6. August fiel Donauwörth, und wenige Tage später stand sie vor Nörblingen, dem Schlüssel des fränkischen Kreises. 134 ) Unter diesen Umständen war an ein Nachgeben des Kaisers schwerlich zu denken. Dem Kurfürsten wollte er zwar jetzt die Lausitz als erbliches böhmisches Lehen, sowie 4 Ämter des Stiftes Magdeburg und die Administratur daselbst für seinen Sohn August einräumen. Dagegen sollten die strittigen geistlichen Güter nach dem Stande vom 2./12. November 1627 auf 40 Jahre im Besitze der jetzigen evangelischen Inhaber bleiben. Die Ausübung der Augsburger Konfession wurde gleichfalls nach dem Stande von 1627 den Reichsstädten und der Ritterschaft, nicht aber, außer Breslau und den Ständen, den Schlesiern trotz ihrer Aussöhnung mit dem Kaifer und der Bestätigung ihrer Privilegien im Dresdener Akkord von 1621 zugestanden. 135 ) Obgleich Arnim in einem Gutachten diese Vorschläge heftig bekämpfte und auf die Anmaßungen der Kaiserlichen in Form und Inhalt aufmerksam machte, der Kurfürst auch in seinem Sinne die Gesandten instruierte, war nicht viel mehr zu erreichen. Auch der Versuch des Landgrafen Georg von Hessen, durch seinen persönlichen Einfluß und eine Reise nach pirna die Verhandlungen zu beeinflussen, war ohne Erfolg.

Unter diesen Umständen mußte auch eine neue Verwendung des des Kurfürsten für die mecklenburgischen Herzöge, um ihnen bei ihrer Restitution, die der Kaiser im Prinzip allerdings bereits zugestanden, wenn möglich noch günstigere Bedingungen zu verschaffen, wenig aussichtsreich erscheinen. Und doch meinte man hier noch einen kleinen Erfolg erzielen zu können. Auf eine weitere kurfürstliche Resolution vom 21. September gaben die kaiserlichen Räte nämlich eine neue Erklärung ab, in der sie die Bereit-


134) Vergl. Jacob, Von Lützen nach Nördlingen, Straßburg 1904, Kap II.
135) Vergl. Palm. Die Konjunktion der Herzöge von Liegnitz, Brieg und Oels, sowie der Stadt und des Fürstentums Breslau mit den, Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und der Krone Schweden in den Jahren 1633-35). Zt. d. Ver. f. Gesch. u. Altert. Schlesien, 3. Bd. 2. Heft, Breslau 1861.
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willigkeit des Kaisers, die Herzoge zu restituieren, offiziell wiederholten und ihnen zwei Wege eröffneten, auf denen eine Aussöhnung erfolgen könnte. Die mecklenburgische Angelegenheit solle nämlich entweder auf Verlangen der Herzöge von neuem rechtlich untersucht werden, oder es solle bei einer Restitution auf dem Gnadenwege verbleiben. Voraussetzung war in beiden Fällen, daß sie sich dem Frieden fügten und im zweiten außerdem eine noch zu vereinbarende Satisfaktion leisteten. Der Kurfürst nahm sich der Sache weiter an und wies vor allem darauf hin, daß eine gütliche Beilegung der mecklenburgischen Angelegenheit und eine glimpfliche Behandlung der Herzöge viel dazu beitragen würde, auch die übrigen niedersächsischen Stände dem Frieden geneigt zu machen. Darauf erklärten denn die kaiserlichen Räte endlich, "daß ein billiger modus bedacht werden sollte, durch welchen gemeldete Herzöge mit gebührendem respect der kaysl. Maj. ihre völlige Aussöhnung erlangeten und aufs neue von der kaysl. Maj. mit ihren Fürstentümern ehist beliehen werden möchten." 136 ) Nicht durchsetzen können hatte der Kurfürst eine Entschädigung der Herzöge für ihre Vertreibung in der Höhe von 1000 Talern. 137 )

Immerhin schien die eine Möglichkeit, die den Herzögen nunmehr offen stand, nämlich den so lange angestrebten Rechtsweg beschreiten zu können, einen Erfolg zu bedeuten. Doch war das wirklich nur scheinbar der Fall. Schon der geschraubte und unbestimmte Wortlaut der Erklärung ließ erkennen, daß eine neue Beschreitung des Rechtsweges kaiserlicherseits zum mindesten wenig erwünscht wäre und also auch geringe Aussichten auf Erfolg haben würde. Dem Kaiser lag offenbar daran, seine Autorität zu wahren und das etwa Unrechtmäßige der Absetzung der Herzöge nicht offen einzugestehen. Daß sein Entgegenkommen nur ein scheinbares war, sehen wir noch deutlicher aus der Form, in der dann die mecklenburgische Restitution endgültig in den Pirnaer Frieden ausgenommen wurde. 138 ) Wieder finden sich hier zwar die beiden möglichen Wege für die Herzöge, ihr Land wiederzuerhalten, aber in der nachfolgenden Erklärung: "Nachdem aber S. Ch. D. usw. ..." ist nur noch die Rede davon, "es woltte J. K.M. aus kaiserlichen Gnaden Sie die beiden Herzöge ... bey Land und Leuten ganz ruhig verbleiben lassen." Und noch klarer tritt das in dem Memorial zutage, zu dem sich die Herzöge


136) Ohne Datum. Kop. A. D.: Pr. Fr. 2.
137) Georg von Hessen an Adolf Friedrich d. d. Leipzig, 22, Nov. 1634. Orig A. S.: Fr.
138) S. Beilage Nr. 1.
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gleichzeitig verpflichten mußten. 139 ) Man verlangte hierin bis zum 25 Februar 1635 a. St. ein "alleruntertenigstes Schreiben", worin die Herzöge "mit gebührendem repect bitten" sollten, ,,J. K. M. wolten geruhen, Ihnen allergnedigst zu condonieren alles, was irgend J. K. M. zuwieder und dero mißfallen vorgegangen ... und fortan Ihr allergnedigster Kayser und Herr zu sein und zu bleiben. Ferner forderte der Kaiser eine dreifach ausgefertigte Annahmeerklärung und endlich als Satisfaktion die Zahlung von 100 000 Talern in 4 Terminen. Im Falle der Nichtbefolgung des Memorials sollten sie als Reichsfeinde behandelt werden.

Auch in allen übrigen Punkten gelang es dem Kurfürsten nicht, Vorteile von irgend welcher Bedeutung zu erzielen. Die Niederlage von Nordlingen, der dadurch bedingte Rückzug Baners nach Thüringen und das Scheitern des Frankfurter Konvents mußten die Verhandlungen noch mehr zugunsten des Kaisers beeinflussen. Am 14 /24 November sah sich der Kurfürst genötigt, den Pirnaer Frieden unterzeichnen zu lassen. Die Ratifikation sollte am 3./13.Januar 1635 in Aussig vorgenommen werden.

Betrachtet man den Inhalt des Friedensschlusses 140 ), so muß man bekennen, daß die katholisch-habsburgische Politik des Kaisers einen ganzen Erfolg errungen hatte. Abgesehen von den Zugeständnissen an Kursachsen und einigen anderen, namentlich norddeutschen Ständen gegenüber, die sich dem kaiserlichen Einfluß doch stets mehr entzogen hatten, war in allen prinzipiellen Fragen, kirchlichen wie politischen, der Kaiser aus der ganzen Linie Sieger geblieben. Schon bald nach Beginn der Konferenzen hatte man kaiserlicherseits auch den Deckmantel praparatorischer Verhandlungen unbeschadet der dänischen Vermittlung fallen gelassen, und das Resultat zeigt, daß es sich nicht um einen bloßen Separatfrieden zwischen Kaiser und Kurfürst handelte. Der Pirnaer Friede sollte den deutschen Ständen, die man wegen der Kriegsgefahr und dringender Friedensnotwendigkeit leider nicht hatte hinzuziehen können, ohne weiteres diktiert werden. Schweden und Frankreich sollten ein-


139) S. Beilage Nr. 3.
140) Gedruckt in: Pirnische und Pragische Friedenspakten S. 9 ff. Ein Sonderdruck des Pirnaer Friedens existiert nicht. Vergl Hitzigrath, Die Publizistik des Prager Friedens, Halle 1880, S. 42 Anm. 1 - Die neueste Darstellung bei Ritter III S. 588 ff.
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geschlossen sein, wenn sie den Frieden annähmen und sofort den Boden des Reiches räumten. Mit Schweden wollte man freilich außerdem noch nach einem besonderen Memorial verhandeln. Zur etwaigen gewaltsamen Durchführung des Friedens wurde eine Reichsarmee von 80 000 Mann aufgestellt, zu der alle Stände den 80fachen Römerzug beisteuern sollten. Dem Kaiser stand das Kommando über 50 000, dem Kurfürsten das über 30 000 Mann zu. Beitrittserklärungen nahmen die katholischen Kurfürsten, der Kaiser und Kursachsen bis zum 15./25. Februar 1635 an, und am 8. März n. St. sollten die beiderseitigen Räte über die eingelaufenen Resolutionen beraten. Eine allgemeine gegenseitige Amnestie und Restitution alles Eroberten wurde zwar im Prinzip vom Kaiser zugestanden, in Wirklichkeit aber durch Ausnahmebestimmungen sehr beschränkt, und "die böhmischen Händel", wie "etliche wenige Personen und Güter, wovon noch später special-Communica-tion schriftlich erfolgen soll", von vornherein ausgenommen. Ausgangspunkt der Amnestie war das Jahr 1630, für den niedersächsischen Kreis 1625. Gerade die wichtigsten Territorialstreitigkeiten, wie die hessische, pfälzische, hildesheimische und lothringische, waren in höchst ungenügender Weise für die rechtmäßigen Besitzer geregelt, indem sie auf spätere Entscheidung gestellt wurden. Unter gewissen Bedingungen sollten ferner auch die Restitutionen von festen Plätzen in den Oberkreisen, Regensburg, Donauwörth und endlich Mecklenburg erfolgen. Die Frage des Besitzes der geistlichen Güter wurde sehr zugunsten der Katholiken entschieden. Alle reichsunmittelbaren Stifter fielen demnach den Ständen zu, die sie bis zum 2./12. November 1627 besessen hatten, und zwar auf 40 Jahre. Dieser Termin lag allerdings vor dem Restitutionsedikt, aber in manchen norddeutschen Bistümern waren die Besitzer von 1627 nicht mehr vorhanden, und als Nachfolger wurden nun die während der Restitution gewählten katholischen Bischöfe prä-sentiert. Protestantischen Administratoren wurde das Reformationsrecht versagt und Sitz und Stimme auf Reichs- und Deputationstagen entzogen. Religionsfreiheit war zwar im Prinzip den Reichsständen nach dem Normaljahr 1627 eingeräumt, aber gleichzeitig bei manchen durch Sonderbestimmungen stark beschränkt. Gänzlich verwehrt wurde sie in den kaiserlichen Erblanden, obgleich sich der Kur-fürst gerade für die Schlesier am angelegentlichsten verwendet hatte. Nur der Stadt Breslau und den Herzögen von Liegnitz, Brieg und Oels wurde,

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wenn sie sich unterwerfen würden, die Ausübung der ungeänderten Augsburgischen Konfession gestattet. Von einschneidender Bedeutung war ferner die Aufhebung und das dauernde Verbot sämtlicher bestehenden Sonderbündnisse der Reichsstände untereinander wie mit fremden Mächten, außer dem Kurfürstenverein und den Erbeinungen: ein letzter Versuch, die absolute Reichseinheit zu wahren. Der Privatsatisfaktion war endlich in der von den Kaiserlichen zuletzt vorgeschlagenen Weise Genüge getan.

Somit hatten denn die Bestrebungen des Kaisers und des Kurfürsten zum Ziele geführt, freilich zu einem Ziele, das dem Ideal des Kurfürsten recht wenig entsprach. Aber ein Zurück auf dem einmal eingeschlagenen Wege gab es nicht mehr. Durch die Ungunst der Verhältnisse sah sich der Kurfürst dem Kaiser plötzlich in die Arme getrieden, nachdem er mit Schweden endgültig gebrochen hatte. Freilich bedeutete der Abschluß einen diplomatischen Sieg über Oxenstierna, umsomehr, als dieser in Frankfurt sein Ziel nicht zu erreichen vermocht hatte, und wir sehen jetzt auch ein, wie die kaiserlich-sächsischen Verhandlungen auf die Frankfurter lähmend einwirken und endlich den Kaiser euch zur Aufgabe der dänischen Interposition veranlassen mußten.

Alles hing jetzt davon ab, ob es den beiden Verbündeten gelingen würde, die übrigen deutschen Stände hinter sich her zu ziehen. Nur dann konnte man hoffen, einen Frieden herzustellen, der auch von den auswärtigen Mächten anerkannt werden mußte.

Wir sahen, wie groß bei den deutschen Ständen, namentlich denen der sächsischen Kreise, die Friedenssehnsucht war, und wie auf der anderen Seite Oxenstierna sich auf dem Frankfurter Konvent die obersächsischen Stände gänzlich, die niedersächsischen zum wenigsten stark entfremdet und die Oberkreise endlich Frankreich in die Arme getrieben hatte. Wie würde nun dieser neue energische Versuch, den Frieden herbeizuführen, von den Ständen wie von Schweden aufgenommen werden? Würde sie der Einfluß der neuen Verbündeten, das sinkende Kriegsglück der schwedischen Waffen, die Friedenssehnsucht sowie eine genügende Sicherstellung und Befriedigung ihrer Ansprüche vermögen, dem Frieden beizutreten, würden sich Schwedens Ansprüche und seine Stellung in Deutschland damit vereinigen? Fragen, die auch für die Mecklenburger ausschlag- und richtunggedend werden mußten,

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Als die mecklenburgischen Gesandten Frankfurt verlassen hatten, mußten sie sich sagen, daß ihre Reise (zu der sie bis zum 25 August 2069 Taler verbraucht hatten) umsonst gewesen war. Sie waren im Sinne ihrer Fürsten für einen bedingungsweisen Anschluß des niedersächsischen Kreises an den Heilbronner Bund und ein Zusammengehen aller Evangelischen mit Schweden bis zu einem unter dänischer Vermittlung zu schließenden Frieden eingetreten. Sie hatten in Rücksicht auf den Feind den Hauptabschied unterzeichnet, der doch in Wirklichkeit zu nichts verpflichtete. Sie hätten endlich durch den Nebenabschied bei der Kriegsorganisation und den Verpflichtungen gegen Schweden wie gegen den Kreis Bedingungen erreicht, die, falls Oxenstierna den Vertrag ratifiziert hätte, ihr Land von manchen Lasten befreit und den schwedischen Einfluß bedeutend eingeschränkt haben würde.

So aber blieb alles beim alten; die schwedische Allianz und die Halberstädter Beschlüsse blieben weiter die rechtlichen Grundlagen der mecklenburgischen Kriegsverpflichtungen. Die Gesandten brachten daher aus Frankfurt wieder nur neue Mahnungen Schwedens wie des Kreises mit, den Verpflichtungen nachzukommen. 141 ) Die Nördlinger Schlacht verlieh solchen Klagen über nicht eingehaltene Verpflichtungen noch größeren Nachdruck, und die von allen Seiten einlaufenden schriftlichen Bitten, Mahnungen und Drohungen mehrten sich ständig; denn Mecklenburg war mit seinen Zahlungen arg im Rückstand.

Als die Gesandten in der Heimat eintrafen, verhandelte der Landtag in Sternberg schon geraume Zeit über die Geldforderungen der Landesherrn, die ihren Ständen jetzt erst die Halberstädter Beschlüsse vorlegen konnten, weil ein auf den 15 Juni angesagter Landtag auf Ersuchen der Stände wegen der Ernte bis zum 9 September aufgeschoben war. Abgesehen von bedeutenden Mitteln zur Bezahlung herzoglicher Schulden und den noch restierenden Subsidiengeldern an Schweden 142 ), forderten die Herzöge zur Kreishülfe laut Halberstädter Beschlüsses für Juli und August den 12fachen Römerzug,


141) Von "Frankfurter Forderungen" im Sinne von Schnell a. a. O. S. 81 kann nicht die Rede sein; denn der im Nebenabschied bewilligte halbe monatliche Römerzug, 278 Taler 8 Gr. für die Besoldung der Bundesbeamten sowie Beiträge zur Munition und Proviant, sind nie gefordert worden, weil der Abschied nicht in Geltung trat.
142) Noch ca. 20000 Taler. Königin Christine an Adolf Friedrich d. d. 25. Sept. 1634. Orig. A. S.: Suec.
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13360 Taler, für Munition 5 149 Taler, für Legationen 556 Taler 16 Groschen, für Proviant (2 318 Malter) 8 123 Taler. Nach Abzug der bereits von den Landesherrn bezahlten Summen und 4 000 dem Kommandanten von Wismar bereits angewiesenen, aber noch nicht bezahlten Talern, blieben noch 5 098 Taler. Nicht berücksichtigt war eine außerordentliche niedersächsische Forderung von 30 000 Maltern Getreide, die von den Frankfurter Gesandten nur ad referendum angenommen war. Endlich gingen die Fürsten damit um, zur besseren Verteidigung des Landes eigene neue Truppen zu werben, die man freilich, falls Oxenstierna sich darauf einlassen würde, von den restierenden schwedischen Hülfsgeldern unterhalten wollte. Nach langwierigen Verhandlungen, die sich bis kurz vor Weih- nachten hinzogen und in denen sich die Stände wie die beiden Herzöge untereinander und gegenseitig über die Form der neuen Steuern stritten und die Stände die Gelegenheit benutzten, ihre ungezählten "gravamina" anzubringen, bewilligte man endlich die geforderten Mittel. 143 )

Es war wie ein Tropfen auf den heißen Stein; denn während des Landtages mehrten sich fast täglich die Lasten. Auf dem Kreistage zu Uelzen im Oktober 1634 wurde wieder lebhaft Klage geführt, namentlich von Seiten des Kreisobersten, Herzogs Georg von Braunschweig-Lüneburg, der über den schlechten Zustand der niedersächsischen Armee Beschwerde führte und energisch auf Befolgung der Halberstädter Beschlüsse drang. Mecklenburg erklärte, es an nichts fehlen lassen zu wollen und war sogar bereit, an der Lieferung der 30 000 Malter Getreide sich zu beteiligen, wenn die anderen Stände das gleiche täten. Man beschloß, daß die restierenden Gelder in 4 Wochen aufgebracht sein müßten, und erteilte endlich noch Mecklenburg den heiklen Auftrag, beim Reichskanzler wegen ausgebliebener Leistungen der unter schwedischer Herrschaft stehender Stifter Magdeburg und Halberstadt vorstellig zu werden. 144 )

Daß man es mit den Beschlüssen aber nicht so genau nahm, zeigte sich auf dem nächsten Kreistage zu Lüneburg, im Dezember 1634. Hier war die Schuld Mecklenburgs an den Kreis bereits auf 43 716 Taler angelaufen. Man suchte dies in erster Linie


143) Spalding, Mecklenburgische öffentliche Landesverhandlungen, II. Bd, Leipzig 1795, S. 270 ff. Vergl. Frank, Altes und neues Mecklenburg, Güstrow u. Leipzig 1756, XIII Buch, S. 155.
144) Kreisabschied d. d. 21. Okt. 1634. Kop. A. S.: Kreiss.
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mit der Unterhaltung der schwedischen Garnisonen in Wismar und Warnemünde zu entschuldigen, für die man vom Januar bis Oktober 1634 49 993 Taler aufgewendet habe. Nun betrug in der Tat nach der schwedischen "Ordnung für den Unterhalt der Völker in Deutschland" der Aufwand für die 12 Kompagnien etwa 4 000 Taler monatlich ohne Munition, Befestigungen usw., die zunächst von der Landeskontribution bezahlt und nachdem aus der Kreiskasse ersetzt werden sollten. Nach mecklenburgischer Behauptung erreichte die Summe aller zum Unterhalt von Truppen bezahlten Gelder, wozu Mecklenburg in der Höhe des 18fachen Römerzuges verpflichtet war, einschließlich der schwedischen Garni- sonen eine Höhe von 28 Römermonaten. Um diese doppelte Last abzuwälzen, schlugen die Herzöge vor, 2 000 Taler von den Kreishülfsgeldern an die Wismarer Garnison zahlen zu dürfen, womit aber wiederum der Kreis nicht einverstanden war. 145 ) Aus diesem Zirkel sich herauszuwinden, war für die Herzöge in ihrer Geldnot nicht leicht. Die Lieferungen an Wismar ließen denn auch, wie wir aus zahlreichen Mahnschreiben Oxenstiernas, des Residenten Grubbe und der schwedischen Regierung sehen, viel zu wünschen übrig.

Zu alledem nahte mit einbrechendem Winter wieder die Sorge vor Einquartierungen im Lande. Schon im September hatte Baner vom böhmischen Kriegsschauplatze aus um einen Werbeplatz in Mecklenburg angehalten, den ihm Adolf Friedrich jedoch mit Rücksicht auf seine beabsichtigten eigenen Werbungen abschlug. Nunmehr bat er Mitte Oktober um Ergänzung der mecklenburgischen Regimenter Ilefeld und Dewitz. Er wollte diese selbst nicht entlassen 146 ), ersuchte aber dagegen um Aufnahme der in der Nähe befindlichen 12 Kompagnien des Oberstleutnants Oesterling. Trotz der beweglichsten Gegenvorstellungen Adolf Friedrichs bei Oesterling, der sich auf den direkten Befehl berief, im Stift Bützow Quartier zu nehmen, rückten die schwebischen Völker schon Anfang November in die südlichen Ämter Dömitz und Lübtheen ein und hausten dort ziemlich gewalttätig. 147 ) Beschwerden bei Baner und Grubbe hatten nicht den geringsten Erfolg. Im De-


145) Adolf Friedrich an Hans Albrecht d. d. Lübz, 20. Nov. 1634; dgl. an den schwedischen Residenten Grubbe. Konz. A. S.: Suec.
146) Wir finden sie im Nov. 1634 in Herschleben bzw. Altenburg. Quartierzettel der Banerschen Armee. A. S.: Inv. host. Vol. XVI.
147) Die Herzogin-Witwe Sofie klagt bereits am 30. Sept. in einem Schreiben an Adolf Friedrich über Beunruhigung ihres Witwensitzes Lübz. Orig. A. S.: Inv. host. Vol. XVIII.
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zember finden wir Oesterling Baners Befehl gemäß in Warin. - Im November hatten nun auch 12 Kompagnien niedersächsischen Volks den Befehl erhalten, in Mecklenburg Winterquartiere zu nehmen, und zwar 6 Kompagnien Fußvolk unter Oberst Kriechbaum und 6 Kompagnien Reiterei unter Oberst Wurm. Da die Herzöge laut Halberstädter Schlusses zur Aufnahme und Verpflegung dieser Truppen verpflichtet waren, zögerten sie nicht, die nötigen Anweisungen ergehen zu lassen. Dagegen wendete Adolf Friedrich alles auf, die schwedischen Völker, die aus Eigenmächigkeit Baners ins Land gekommen waren und die Ein- quartierungslast unerträglich machten, wieder zu entfernen. Georg von Braunschweig-Lüneburg und die niedersächsischen Befehlshaber unterstützten ihn dabei. Kriechbaum erhielt die Anweisung, die Quartiere im gegebenen Falle mit Gewalt zu behaupten, und im Januar 1635 sogar den direkten Befehl, die schwedischen Völker vertreiben zu helfen Es wäre fast zum offenen Kampfe gekommen, als der niedersächsische Oberst mit Wissen und im Einverständnis Adolf Friedrichs und Georgs einen Anschlag auf Warin plante. Das Ende war, daß Adolf Friedrich endlich doch sich genötigt sah, dem Oberst Oesterling, mit dem er persönlich zusammentraf, Ouartiere im Stifte Schwerin anzuweisen. Das geschah freilich erst im März 1635, nachdem den ganzen Winter hindurch die Reibereien fortgedauert und schwedische wie niedersächsische Truppen dem Lande reichlichen Schaden zugefugt hatten. Namentlich die Ämter Gadebusch, Parchim, Dömitz und Wittenburg waren davon betroffen. Die Niedersachsen zogen im März, die Schweden erst im April 1635 ab. 148 )

So lagen schon gegen Ausgang des Jahres 1634 die Dinge in Mecklenburg recht wenig erfreulich, als die ersten näheren Nachrichten über die Pirnaer Verhandlungen eintrafen, die sowohl in Leitmeritz wie in Pirna mit der größten Heimlichkeit betrieben worden waren. Man wußte im Reiche wohl, daß etwas, nicht aber, was im Gange wäre. Gerüchte verbreiteten sich in Menge, die teils das Beste hoffen, teils das Schlimmste befürchten ließen. Getadelt wurde auf evangelischer Seite vor allem, daß die übrigen Stände nicht zu den Verhandlungen hinzugezogen wären, wo es


148) Oesterling soll allein für seine Person in Warin vom 28. Dez. 1634 bis 18 Jan. 1635 4 000 Talei aufgebraucht haben. Georg von Braunschweig Lüneburg setzte den Unterhalt des niedersächsischen Volkes für eine Kompagnie Reiter auf monatlich 724 Taler, für Infanterie auf 366 und für die Stäbe auf 500 bzw. 249 Taler fest. - Baner verlangte für jede Kompagnie 800 Taler Werbegeld. A. S.: Inv. host. Vol. XVII u. XVIII.
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doch ein allgemeiner Friede werden sollte. 149 ) Auch aus den Bewegungen der sächsischen Truppen, die Böhmen und Schlesien verließen und die schwedischen in ihren Quartieren in Thüringen und Magdeburg bedrängten, schloß man auf den Fortgang der Verhandlungen. 150 )

Die mecklenburgischen Herzöge hatten nach dem Scheitern des Frankfurter Konvents und der dänischen Vermittelung, wodurch die Aussicht auf Frieden von dieser Seite wieder in weite Ferne gerückt wurde, ihr Augenmerk bereits auf die Pirnaer Verhandlungen gerichtet. Sie hatten an den Kurfürsten von Sachsen geschrieben, sich für die mecklenburgische Sache beim Kaiser zu verwenden und ihnen besonders Mitteilung von den Beratungen zugehen zu lassen. Dieselbe Bitte erging an Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt, um dessen vermittelnde Tätigkeit, vielleicht auch seine Reise nach Pirna, man wußte. 151 ) Wie und mit welchem Erfolge sich der Kurfürst in der Tat der Herzöge annahm, sahen wir bereits.

Die ersten bestimmten Nachrichten von den Mecklenburg betreffenden Artikeln des Pirnaer Friedens gingen Adolf Friedrich am 3. Dezember durch eine vertrauliche Mitteilung Georgs von Hessen zu. 152 ) Hans Albrecht kannte die Bestimmungen bereits am 23. November. Die übrigen Artikel wurden noch nicht mitgeteilt. Nur einige allgemeine Bemerkungen hatte der Landgraf hinzugefügt, die aber sehr rosig gefärbt waren, die Verdienste des Kursürsten um das Zustandekommen des Friedens über Gebühr hervorhoben und die Sache so darstellten, als ob der Kaiser anfangs Mecklenburg überhaupt nicht in den Frieden habe aufnehmen wollen und es nur der unermüdlichen, aufopfernden und selbstlosen Tätigkeit des Kurfürsten zu verdanken gewesen sei, daß bei Gefahr des Scheiterns der Verhandlungen an dieser Frage für Mecklenburg soviel erreicht wäre.


149) Adolf Friedrich an Lohausen d. d. Sternberg, 8. Okt., u. Schwerin, 6. Nov. 1634. ,Konz. A. S.: Hausarch., Briefwechsel mit Lohausen.
150) Baner an Oxenstierna d. d. Erfurt, 7., 26. und 30. Okt. 1634. Rikskansleren Axel Oxenstiernas Skrifter och Brefvexling. VI. Johan Baners Bref 1624-1641, Stockholm 1893, S. 152 ff.
151) In erster Linie war es Hans Albrecht, der am 30. Sept., 1. und 6. Nov. 1634 derartige Briefe nach Dresden richtete. Adolf Friedrich schloß sich erst am 6. Nov. seinem Bruder an. Orig. A. D.: Pr. Fr. 2 u. 3.
152) Georg von Hessen an Adolf Friedrich d. d. Leipzig, 22. Nov. 1634. Orig. A. S.: Fr.
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Das entsprach nun, wie wir sahen, nicht den Tatsachen. Es geht aber daraus hervor, wie sehr man sich in Dresden Mühe gab, den Frieden im günstigsten Lichte erscheinen zu lassen, um seine Annahme von Seiten der evangelischen Stände zu befördern. In diesem Sinne gingen denn auch des Kurfürsten Schreiben aus, den Frieden bei den evangelischen Fürsten zu empfehlen und sie gleichzeitig zu einer auf den 30. Dezember angesetzten Konferenz nach Dresden einzuladen, wo er in vertraulichen Unterhandlungen etwaige Bedenken einzelner Fürsten gegen den Friedensschluß zu zerstreuen hoffte. 153 ) Denn daß solche laut werden würden, sagte sich der Kurfürst wohl selbst. Und in der Tat erhoben sich bei dem allmählichen Bekanntwerden der Friedensartitel, die außerdem noch burch einseitig gefärbte Darstellungen oder Übertreibungen in Zeitungen u. dgl. Bestürzung erregten, fast überall im evangelischen Lager mehr oder weniger laute Stimmen der Entrüstung über allgemeine oder spezielle Bestimmungen des Friedens. Wo näheres nicht bekannt war, herrschte zum mindesten Mißtrauen vor. 154 )

Auch in Mecklenburg waren die Herzöge mit den Bestimmungen, die sie in Sonderheit angingen, durchaus nicht zufrieden. Die rechtliche Restitution ihres Landes hatte ihnen im Falle des Friedens eine Selbstverständlichkeit gedünkt, wo sie doch nach der Wallensteinschen Episode durch Gustav Adolfs Eingreifen schon ununterbrochen im tatsächlichen Besitz gewesen waren und nach dem Tode Wallensteins auch niemand außer ihnen rechtliche Ansprüche mehr erheben konnte. Die Achtung Wallensteins, des "Verräters", war ihnen ein weiterer Beweis für das Unrechtmäßige ihrer Vertreibung. Daher wollten sie die Aussöhnung nicht als kaiserliche Gnade, wie es der Frieden doch trotz Erwähnung und scheinbaren Zugeständnisses des Rechtsweges darstellte, sondern als ihr gutes Recht aufgefaßt wissen. So erschienen ihnen die Forderungen des Kaisers, demütige Abbitte und Zahlung eines Strafgeldes, sowohl ungerecht und beleidigend, wie materiell beschwerend. Sie hatten im Gegenteil eine Entschädigung für ihr 4jähriges Exil, währenddessen ihnen Wallenstein ihre Einkünfte entzogen hatte und sie sich in Schulden hatten stürzen müssen, für angebracht gehalten. Wenn sie darauf nun


153) Johann Georg an Adolf Friedrich d. d. Dresden, 25. Dez. 1634. Orig. A. S.: Fr.c Dgl. an Hans Albrecht, die sächsischen Herzöge, Pommern, Anhalter Fürsten, Hessen u. a. Konz. A. D.: Pr. Fr. 3.
154) Vgl. Hitzigrath, Publizistik des Prager Friedens S. 8 f.
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auch, um den Frieden nicht zu stören, verzichten wollten, schien ihnen doch die bedingungslose Restitution ihres Landes und die Anerkennung ihres guten Rechts als das Mindeste, was sie verlangen konnten. Prinzipielle Bedenken gegen den Frieden hatten sie dagegen, soweit er ihnen bekannt war, nicht, weil sie hofften, daß er allgemein zur Durchführung kommen und so ein Ende des Krieges bedeuten würde. Vor allem erwarteten sie bestimmt eine genügende Berücksichtigung Schwedens; denn ein Friedensschluß ohne oder gar gegen Schweden verbot sich im Hinblick auf die schwedisch-mecklenburgische Allianz nach wie vor von selbst. So empfahl denn auch der Schweriner Kanzler Cothmann, der gleich nach Eintreffen des kurfürstlichen Schreibens vom 25. November von Adolf Friedrich um seine Meinung befragt wurde, mit ausdrücklichem Hinweis auf die Artikel 4, 17 und 18 des Bündnisses die größte Vorsicht und vorläufig eine abwartende Haltung; denn in jenen Artiteln wurde ganz unzweideutig jeder Partei die Möglichkeit genommen, sich ohne Wissen und Einwilligung der anderen in Unterhandlungen mit dem Feinde einzulassen oder gar Frieden zu schließen. 155 ) Adolf Friedrich folgte dem Rate seines Kanzlers, mit dem er am 28. Dezember eine persönliche Konferenz hatte 156 ), und verhielt sich der Aufforderung des Kurfürsten wegen Abfertigung einer Gesandtschaft nach Dresden gegenüber zunächst ablehnend, um alles zu vermeiden, was bei Schweden Anstoß oder Verdacht erregen könnte.

Hierbei geriet er aber in eine Meinungsverschiedenheit mit seinem Bruder, der eine solche Gesandtschaft zur Vertretung der mecklenburgischen Interessen in Dresden für unbedingt erforderlich hielt und, als Adolf Friedrich seine Entschließung über diese Frage hinausschob, ohne diese abzuwarten, am 30. Dezember seinen Rat Hans Zacharias von Rochow nach Dresden abfertigte. Dieser sollte sich vor allem von sämtlichen Artikeln des Friedens Kenntnis verschaffen und sodann versuchen, die Mecklenburg belastenden Bestimmungen, wenn nicht zu hindern, so doch zu mildern, besonders aber auf eine "justificatio ex Apologia" zu dringen. Auch das Schwedische Interesse und die notwendige Rücksichtnahme auf das mecklenburgische Bündnis sollte er betonen und in Erinnerung bringen, falls dies im Frieden nicht in genügender Weise geschehen wäre.


155) Cothmann an Adolf Friedrich d. d. Neustadt, 24. Dez 1634. Orig. A. S.: Fr.
156) Tagebuch Adolf Friedrichs. Orig. A. S.: Hausarch.
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Adolf Friedrich war über die Eigenmächtigkeit seines Bruders äußerst erzürnt und wollte sich aus den erwähnten Gründen auch nicht zu einer nachträglichen Instruktion, deren Vereinbarung Hans Albrecht ihm vorschlug, verstehen. 157 ) Er richtete indessen an den Kurfürsten ein vertrauliches Handschreiben, das seine obigen Einwendungen gegen die Friedensbedingungen enthielt, namentlich für Mecklenburg die Restitution per viam justitiae verlangte und den Kurfürsten um weitere dahingehende Verwendung bat. 158 ) Gleichzeitig ging an dieselbe Adresse eine offizielle Antwort auf die Mitteilungen des Kurfürsten, die ihm für seine Bemühungen um den Frieden dankte, das Ausbleiben seines Gesandten mit zu spätem Eintreffen der Einladung entschuldigte und endlich der Hoffnung Ausdruck gab, daß der Friede ein allgemeiner werden und das Interesse aller evangelischen Stände, vor allem aber das der Krone Schweden für ihre treuen Dienste gewahrt würde.

Dies letzte Schriftstück hatte jedoch nur den Zweck, in Abschrift neben der des kurfürstlichen Schreibens vom 25. November an Oxenstierna geschickt zu werden und durch die darin zutage tretende völlig unverfängliche Aufnahme der Mitteilungen des Kurfürsten zu zeigen, daß Mecklenburg sich seiner Pflichten gegen Schweden wohl bewußt wäre. 159 ) Das Eingehen auf den Frieden im Handschreiben zeigt andererseits, wie Adolf Friedrich sich auch nach der Seite hin alle Wege offen halten wollte. Er teilte aber nicht die Ansicht seines Bruders, daß in dem Friedensschluß und seiner Annahme zugleich "finis belli et foederum", und also kein Bruch der schwedischen Allianz läge. Diese Auffassung Hans Albrechts widerlief doch unzweifelhaft dem Artikel 4, der das Verbot jeglicher Verhandlungen "nisi auctore rege Sueciae" aussprach. Mit Recht fürchtete Adolf Friedrich, durch eine Gesandtschaft nach Dresden in dieser Sache bei Schweden Anstoß zu erregen, und überließ, die Verantwortung dafür seinem Bruder.

Mitbestimmt wurde er für seine Haltung durch die anderen niedersächsischen Fürsten, namentlich den ausschreibenden Herzog


157) Am 3. Jan. 1635 fanden hierüber in Sternberg ergebnislose Verhandlungen zwischen Schweriner und Güstrower Räten statt. Protokoll Orig. A. S : Fr.
158) Adolf Friedrich an Johann Georg d. d. Schwerin, 30. Dez. 1634. Konz. A. S.: Fr.'
159) So wurde auch die für Oxenstierna berechnete Abschrift des kurfürstlichen Schreibend von dem an Hans Albrecht gerichteten Exemplar genommen, weil hierin nicht von den vertraulichen Eröffnungen des Landgrafen von Hessen die Rede war.
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August von Braunschweig-Lüneburg, der ebenfalls eine abwartende Stellung einnahm und von einer Gesandtschaft nach Dresden absah. Auf dem Lüneburger Kreistag vertrat er dann die auch durchdringende Ansicht, man müsse erst genaue Kenntnis von den Friedensartikeln haben und Kursachsen bitten, zwecks näherer Verhandlungen darüber einen gemeinsamen Konvent der beiden sächsischen Kreise zu berufen. Johann Georg kam jedoch diesem Wunsche nicht nach, weil ihm die Einladung an einige Fürsten, ihre Gesandten nach Dresden zu schicken, zu genügen schien und er ja zu Verhandlungen mit den evangelischen Ständen über die Friedensbedingungen gar nicht berechtigt war.

Die Gesandten der nach Dresden eingeladenen Stände, nämlich der Herzöge von Sachsen, Mecklenburg-Güstrow, des Fürsten von Anhalt, des Landgrafen Wilhelm von Hessen und des Markgrafen Christian von Brandenburg-Kulmbach waren gegen Ende Dezember 1634 und Anfang Januar 1635 dort eingetroffen. Hier erfuhren sie zunächst, daß die Ratifikation des Friedens vom Kaiser auf den 3./13. Februar verschoben wäre, weil die Gutachten der Kurfürsten von Mainz und Köln noch nicht eingelaufen wären. Der Kurfürst selbst war nicht anwesend, und so fanden Verhandlungen der Gesandten mit seinen Räten statt, die aber nicht etwa in einer Besprechung der einzelnen Artikel, sondern lediglich nur in einer Zurückweisung der von den Gesandten im Namen ihrer Fürsten vorgebrachten Beschwerden, Einwände und Änderungsvorschläge bestanden. Es handelte sich nach der Auffassung des Kurfürsten für die Stände nur noch um Annahme oder Ablehnung des Friedens. Die Möglichkeit irgendwelcher Änderungen schien ihm völlig ausgeschlossen.

Der Gesandte Hans Albrechts, der später als die übrigen eingetroffen war, hatte am 16. Januar eine Konferenz mit Dr. Tüntzel und Timäus, wobei er die Bedenken seines Herzogs über den Frieden vorbrachte, aber auch nichts weiter erreichte, als daß ihm, wie den anderen Gesandten, die Friedenspunkte mit Ausnahme einiger Nebenrezesse zur Abschrift überlassen wurden. 160 ) Obgleich der Kurfürst, wie die Räte versicherten, mit ihm noch über das Handschreiben Adolf Friedrichs sprechen wollte, trat er nach einigen Tagen die Rückreise an. Auch die übrigen Gesandten drangen auf Abfertigung, und nur wenige traf der Kurfürst bei seiner Rückkehr Ende Januar noch an. Sie bekamen die Bitte


160) Protokoll A. D.: Pr. Fr. 3.
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mit auf den Weg, "zur Annahme des Friedens getreulich zu kooperieren". 161 )

Nunmehr verbreitete sich die genauere Kenntnis der Pirnaer Artitel durch weitere sogenannte "vertrauliche Kommunikation" der in Dresden vertreten gewesenen Fürsten an andere Stände schneller und trug nicht dazu bei, sie dem Frieden geneigter zu machen, zumal da einer der bedeutendsten Reichsstände, der Kurfürst von Brandenburg, auf dessen Gewinnung es vor allem ankommen mußte, eine ablehnende Haltung einnahm.

Johann Georg hatte in den ersten Tagen des Januar 1635 eine besondere Gesandtschaft an den Berliner Hof abgefertigt, um ihn zur Annahme des Friedens zu bewegen, und zwar ebenfalls ohne weitere Verhandlungen. Georg Wilhelm aber wollte von einer solchen bedingungslosen Annahme nichts wissen und forderte zum mindesten eine Verschiebung des Ratififationstermins, damit vorher alle evangelischen Stände eine Mitteilung der Friedensartikel erhalten und darüber verhandeln könnten. Ebenso schien ihm eine vorherige Verständigung mit Schweden und Frankreich unbedingt notwendig, obwohl ihm der Pirnaer Friede im Falle der Annahme den unangefochtenen Besitz Pommerns garantierte. Er mochte das vielleicht nicht mit Unrecht als ein Lockmittel ansehen. 162 ) Die Sendung Arnims nach Berlin hatte keinen besseren Erfolg; der Kurfürst brachte nur immer neue Bedenken über einzelne Punkte des Friedens vor, die in Dresden aber ihre Ablehnung fanden. 163 )

Nicht besser erging es den Vorstellungen anderer deutscher Stände, so Pommerns und Wilhelms von Hessen oder denen der französischen Botschafter. Der Kurfürst fürchtete ängstlich, durch Verhandlungen mit den Evangelischen über den Frieden die kaiserliche Ratifikation zu verscherzen und dadurch das Friedenswerk zum Scheitern zu bringen, während der Kaiser den endgültigen Abschluß immer wieder verschob, weil seine Verhandlungen mit den katholischen Ständen noch nicht zu Ende gediehen waren.

Inzwischen war es am 18. Februar 1635 in sicherer Erwartung des definitiven Friedensschlusses zu einem Waffenstillstand zwischen den kaiserlichen und kursächsischen Truppen gekommen,


161) Helbig a. a. O. S. 606 f.
162) Kurfürstliche Resolution d. d. Cöln, 28. Jan. 1635. Kop. A. S.: Fr.
163) Helbig a. a. O. S. 608 f.
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in den auch Kurbrandenburg, Wilhelm von Weimar, wenn er sich unter des Kurfürsten von Sachsen Kommando begebe, sowie Georg von Lüneburg als General des niedersächsischen Kreises eingeschlossen werden sollten. 164 ) Damit war den Kämpfen an der sächsisch-böhmischen Grenze, die trotz der Friedensunterhandlungen nicht aufgehört und dem Kurfürsten manchen Abbruch getan hatten, ein Ende gemacht, die Winterquartiere geregelt und angedeutet, welche Mächte oder Führer man künftig als Feinde anzusehen habe.

Es handelte sich vor allem um Wilhelm von Hessen und Schweden, von denen man schwerlich einen Anschluß an den Frieden erwartete. Während man mit ersterem aber später noch zu unterhandeln geneigt war, wurden die Truppen Baners mehr und mehr in ihren Quartieren bedrängt. Schon im Januar hatte der Kurfürst von ihm die Räumung des ganzen obersächsischen Kreises verlangt, und nur mit Mühe behauptete er sich in den Stiftern Erfurt und Magdeburg. Einzelne Regimenter suchte er wohl in die Altmark oder den niedersächsischen Kreis abzuschieben, wogegen dann wieder die betroffenen Fürsten, namentlich Georg von Lüneburg, protestierten. 165 ) Auch Mecklenburg widersetzte sich, wie wir sahen, schwedischer Einquartierung. So gestaltete sich die Lage Schwedens immer mißlicher. Auf dem süddeutschen Kriegsschauplatze hatte die Schlacht bei Nördlingen den katholischen Heeren den Weg nach Franken, Schwaben und an den Rhein gebahnt. Württemberg war das erste Opfer der überall dem sieg- reichen Heere auf dem Fuße folgenden katholischen Restitution. Baden und die rechtsrheinische Pfalz hatten dasselbe Schicksal. Überall wurden die von Schweden wieder eingesetzten und mit Schenkungen auf Kosten katholischer Stände reich bedachten evangelischen Fürsten von neuem vertrieben, der kirchliche Besitzstand des Jahres 1629 wieder hergestellt. Einige feste Plätze hielten sich länger. So fiel Augsburg erst am 3. März, Heidelderg am 17. Juni, Mannheim und das linksrheinische Frankenthal noch später. 166 )

Oxenstierna hatte den Leitmeritz-Pirnaer Verhandlungen begreiflicherweise von vorneherein mit dem größten Mißtrauen gegenübergestanden. Sie waren ihm freilich von den kursächsischen Gesandten in Frankfurt als Vorverhandlungen zu dem beabsich-


164) Gedruckt bei Londorp IV S. 456 f.
165) Baner an Oxenstierna a. d. Egel, 11. und 27. Jan., 4. und 10. Febr. und 6. März 1635. Oxenstiernas Skrifter VI S. 175 ff.
166) Ritter III S. 582 f.
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tigten allgemeinen Konvent gepriesen worden, und Oxenstierna mußte sie als solche in der Öffentlichkeit wohl oder übel gutheißen, weil er doch die dänische Vermittelung auf alle Weise fördern wollte und nicht als Friedensstörer erscheinen durfte. Aber wie er letztere in Wirklichkeit verschleppte, warnte er die deutschen Stände immer wieder vor allen "Sondertraktaten". Die ängstliche Geheimhaltung der Verhandlungen, nicht minder die Behandlung der dänischen Vermittelung durch den Kaiser und die Truppenbewegungen der verhandelnden Parteien bestärkten den Reichskanzler bald darin, daß es sich um mehr als "präparatorische" Verhandlungen handelte und daß für Schweden nichts Gutes dabei herauskommen werde.

Nähere Nachrichten über die Bestimmungen des Friedens erhielt Oxenstierna erst nach längerer Zeit durch Georg von Hessen, der aber auch nur die wichtigsten Artikel nannte, ohne mit einer Abschrift des gesamten Vertrages herauszurücken. 167 ) Weiter erfuhr der Reichskanzler einiges durch Baner und Landgraf Wilhelm von Hessen, und wußte so bald genug, um sich ein Bild von dem Frieden machen und ermessen zu können, was er für Schweden bedeutete. 168 )

Nicht mehr und nicht weniger wurde in diesem ohne Beteiligung einer der wichtigsten kriegführenden Mächte vereinbarten Frieden verlangt, als ihn ziemlich bedingungslos bis zum 25. Februar 1635 anzunehmen, auf alle errungenen Erfolge zu verzichten und in bestimmter Frist den deutschen Boden zu räumen. Damit wäre der deutsche Krieg, der den Schweden viel Geld und Blut, der ihnen das Leben ihres Königs gekostet hatte, Zu einer bloßen Episode, einem Abenteuer herabgedrückt worden. Ganz abgesehen von den weitreichenden Plänen Gustav Adolfs wäre auch nicht der geringste positive Erfolg erzielt worden und nur der "hohe Nachruhm" geblieben. So sehr sich auch nach dem scheitern des Frankfurter Konvents, der Nördlinger Schlacht und ihren Folgen der Gedanke beim Reichskanzler befestigt hatte, sich sobald wie möglich mit Ehren und einigem Gewinn aus diesem Kriege herauszuwickeln 169 ), einem solchen Frieden gegen-


167) Oxenstierna an seine Regierung d. d. Mainz, 6. u. 8. Jan. 1635. Handlingar 33, S. 20 und 44 ff.
168) Baner an Oxenstierna d. d. Erfurt, 7., 26. u. 30. Okt. und 3. Dez. 1634, Egel, 27. Jan., 4. Febr. und 6. März 1635. Oxenstiernas Skrifter VI S. 151 ff. Wilhelm v. Hessen an Oxenstierna d. d. Kassel, 29. Dez. 1634, 13. u. 27. Jan. 1635, ebenda VII S. 572 ff.
169) Oxenstierna an seine Regierung d. d. Mainz, 28. Okt. 1634. Handlingar 32, S. 257.
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über konnte sein Standpunkt keinen Augenblick zweifelhaft sein. Nichts als eine Geldentschädigung war in dem Friedensvertrage für Schweden in Aussicht gestellt, alle Satisfaktionsansprüche aber an Land und Leuten als des Reiches unwürdig abgewiesen. Mit einer Summe, die man zunächst auf 4 Tonnen Goldes bemessen, dann eventuell bis auf 10 Tonnen (eine Million Gulden) erhöhen wollte, sollte Schweden abgefunden werden. Dies war der Inhalt eines aus der sächsischen Kanzlei stammenden Memorials: "Was die Kurf. Durchl. zu Sachsen mit dem Schwedischen Herrn Reichskanzler wollte reden lassen," das Landgraf Georg dem Reichskanzler zustellen ließ. 170 )

Dieser aber war trotz aller Friedenssehnsucht noch durchaus nicht geneigt, den Gedanken an eine Landerwerbung schon aufzugeben, und seine Regierung wies eine Geldentschädigung einstweilen gleichfalls als unwürdig zurück. 171 ) Er wollte jedenfalls abwarten, wie die deutschen Stände den Frieden aufnehmen würden, und bemühte sich zunächst, die Verbündeten vor den Pirnaer Abmachungen zu warnen und sie an sich zu fesseln. Alle Diplomatie aber blieb ohnmächtig gegenüber dem Zwange, den die Gewalt der Waffen ausübte. Die Nördlinger Schlacht und die Erfolge, welche die siegreiche Armee weiter erfocht, trieb die oberdeutschen Stände, da sie an Schweden keinen Schutz mehr fanden, ein Friede mit dem Kaiser aber ihre völlige Unterdrückung bedeutete, in die Arme Frankreichs.

Die kluge und vorsichtige Politik Richelieus war zu dem Punkte gelangt, wo sie ihr Ziel, der schwedischen Vorherrschaft unter den deutschen Ständen der Rheingegenden und der Festsetzung der schwedischen Macht den Einfluß Frankreichs an die Seite, ja entgegenzusetzen, erreichen und offen in den Krieg ein-greifen konnte. 172 ) Schon im Jahre 1633 waren die 4 Oberkreise dem erneuerten französisch-schwedischen Subsidienvertrage von 1631 beigetreten, hatten aber bei dem vorherrschenden Einfluß Schwedens keine einigermaßen selbständige Stellung eingenommen. 173 ) Jetzt, wo Schwedens Stern im Sinken war, gelang


170) Gedruckt in: Pirn. u Prag Friedenspakten S. 287 ff.
171) Oxenstierna an seine Regierung d. d. Mainz, 6. Jan. 1635. Handlingar 33, S. 23 ff. Regierung an Oxenstierna d. d. Stockholm, 22. März 1635, ebenda 34, S. 63.
172) Die französische Politik nach dem Tode Gustav Adolf behandelt im Zusammenhang F. W. Barthold, Geschichte des großen Krieges, 2 Bde., Stuttgart 1842-43.
173) Ritter III S. 479 u. 553 f.
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es eher, die Oberkreise zu einem am 1. November 1634 abgeschlossenen Vertrage zu bringen, der ihnen die Hülfe eines französischen Armeekorps gegen Einräumung mehrerer Plätze im Elsaß zusicherte. 174 ) Es war dies das Werk des französischen Gesandten Marquis Feuquières, der schon während des Frankfurter Konvents die Stände in seinem Sinne zu beeinflussen gesucht hatte. 175 ) Dieser Vertrag fand aber durchaus nicht die Billigung des Reichskanzlers, obwohl Schweden darin gleichfalls als vertragschließender Teil erschien und der bisherige französisch-schwedische von 1631 bzw. 1633 dadurch aufgehoben sein sollte. Oxenstierna erkannte die Absichten Frankreichs sehr wohl und verweigerte auf dem Wormser Konvent der 4 Oberkreise die Ratifikation. Freilich unterzeichneten nicht alle Stände den Vertrag, aber Frankreich hatte bereits mit den Waffen eingegriffen. Aus Not vor den katholischen Armeen vom Rheingrafen Otto Ludwig herbeigerufen, hatten die Franzosen nach einem Vertrage mit dem schwedischen Residenten im Oktober 1634 verschiedene Plätze im Oberelsaß besetzt und nahmen zunächst defensiv, bald aber offensiv am Kriege gegen den Kaiser teil. 176 )

So war der Heilbronner Bund seiner Auflösung nahe, und der nur sehr mangelhaft besuchte Konvent zu Worms vom November 1634 bis März 1635 vermochte sie nicht aufzuhalten. Vergebens wurde über eine sehr notwendig gewordene Reorganisation der Kriegsverfassung beraten; die Stände wollten von dem französischen Bündnis nicht ablassen, und der französische Gesandte le Grange bestärkte sie darin. Auch die Pirnaer Friedensverhandlungen bildeten einen Gegenstand der Beratungen. Da man aber noch gar nichts näheres darüber wußte, begnügte man sich damit, auf alle Fälle an die niedersächsischen Stände und Kurbrandenburg Warnungsschreiben vor Sondertraktaten zu erlassen, Kursachsen aber um nähere Mitteilungen über seine Abmachungen mit dem Kaiser zu bitten. 177 ) Denn ganz unberücksichtigt wollte man die sächsisch-kaiserlichen Verhandlungen, obwohl man sich in Erinnerung an eine ähnliche Situation im Jahre 1633 wenig davon versprach, unter den obwaltenden Umständen und namentlich im Hinblick auf die Kriegstage doch nicht lassen. Letztere war neben der wirtlichen Friedenssehnsucht der


174) Gedruckt bei Londorp IV S. 444 ff.
175) Barthold I S. 153 ff.
176) Ritter III S. 587.
177) Oberkreise an die niedersächsischen Stände und Kursachsen d. d. Worms, 16. Febr. 1635. Londorp IV S. 454.
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Stände auch die Ursache, daß man sich noch einmal an Dänemark mit der Bitte wendete, seine Interposition fortzusetzen 178 ), obwohl man im Dezember die endlich eingetroffene Antwort des Kaisers, die in schroffer Weise die Vorschläge der Evangelischen zurückwies und kurzer Hand Bamberg als Verhandlungsort forderte, abschlägig beschieden und damit die dänische Vermittelung eigentlich begraben hatte. 179 )

Als nun aber im März die näheren Bestimmungen des Pirnaer Friedens in Worms bekannt wurden, bemächtigte sich der Gemüter eine große Erregung. Die Bedingungen mußten die Stände sofort erkennen lassen, daß von diesem Frieden für sie nichts zu hoffen wäre und nur an der Seite Frankreichs gegen den Kaiser ihr Platz sein könnte. Noch einmal schrieben sie an die niedersächsischen Stänbe und baten sie dringend, auch ihrerseits die Waffen in der Hand zu behalten und sich nicht auf diesen Separatfrieden zum Schaden der Allgemeinheit der Evan-gelischen einzulassen. Auch an Kursachsen erging schriftlich wie durch die in Dresden noch anwesenden Gesandten des Markgrafen von Kulmbach und der Stadt Nürnberg die dringliche Vorstellung der Gefährlichkeit und Unmöglichkeit eines solchen Friedens. 180 )

Gleichzeitig hatte Oxenstierna eine rege Tätigkeit entfaltet, um die evangelischen Stände auf alle Weise von diesem Frieden abzuhalten. Selbst an Kursachsen schrieb er in ähnlichem Sinne wie die Oberkreise. 181 ) Seines Bleibens war jedoch nicht mehr in Oberdeutschland, seitdem durch die stetig wachsenden Erfolge der Kaiserlichen und das Eingreifen Frankreichs nichts mehr zu hoffen war und der Heilbronner Bund sein Ende gefunden hatte. Schon in den letzten Briefen des Reichskanzlers war auf eine Reise Bezug genommen, die ihn auf dem Wege über Frankreich und Holland in die sächsischen Kreise führen sollte, um hier persönlich bei der von dem kaiserlich-sächsischen Separatfrieden drohenden Gefahr seinen Einfluß für Schweden geltend zu machen. Als einen verlorenen Posten verließ der Reichskanzler Mitte März Oberdeutschland, um sich an die Küste zu begeben, deren Behauptung eine Lebensfrage für die schwedische Stellung in Deutschland werden mußte.


178) Oberkreise an Dänemark d. d. Worms, 16. Febr. 1635. Londorp IV S. 454.
179) Chemnitz II S. 570.
180) Oberkreise an Kursachsen und die niedersächsischen Stände d. d. Worms, 19. März 1635. Londorp IV S. 455.
181) Oxenstierna an Kursachsen d. d. Worms, 22. März 1635. Londorp IV S. 455.
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Alles kam nun darauf an, wie sich die deutschen Bundesgenossen Schwedens in Mittel- und Niederdeutschland, die nicht, wie Kursachsen, dem schwedischen Bündnis stets widerstrebt hatten und nicht, wie die oberdeutschen, durch die Waffenerfolge der katholischen Heere zersprengt und Frankreich in die Arme getrieben waren, sich der veränderten Lage gegenüber verhalten würden.

Als sich im Oktober 1634 mehr und mehr die Gewißheit verbreitete, daß an dem Abschluß des Friedens zwischen Kursachsen und dem Kaiser nicht mehr zu zweifeln wäre und verschiedene Fürsten schon begannen, Neigung zu einem Anschluß zu zeigen, gab es eine andere Reihe von Fürsten, die eine sehr ablehnende Stellung einnahmen und sogar mit dem Gedanken umgingen, sich im Gegenteil noch enger mit Schweden zu verbinden. Es waren dies in erster Linie die weimarischen Brüber Wilhelm und Bernhard sowie Landgraf Wilhelm von Hessen, und ihr Grund wohl die geringen Erwartungen, die sie angesichts ihrer Stellung zum Kaiser von dem Frieden hegen durften. Unter den Fürsten, die man ferner fest an Schwedens Seite zu halten hoffte, wurden nächst Georg von Lüneburg auch die mecklenburgischen Herzöge genannt, und noch im Februar geht Baners Meinung dahin, daß letztere sich nicht zu dem Frieden verstehen würden. 182 ) Auch auf Anhalt glaubte er rechnen zu können. 183 ) Anders lautete sein Urteil schon einen Monat später, als immer mehr Nachrichten einliefen, die erkennen ließen, wie verschiedene evangelische Fürsten Neigungen zur Annahme des Friedens bekundeten, "... und ist demnach kein Fürst und Stand, der sich nicht allbereits durch Kursachsen hatte verleiten lassen, außer Landgraf Wilhelm, der allein noch wohl gern etwas bei der Sachen tun möchte, da sich nur seine Kräften so weit extendieren wollte." 184 ) Freilich war die Hoffnung, Wilhelm von Weimar und Georg von Lüneburg zu gewinnen, noch nicht aufgegeben. Mecklenburg fehlte also im März schon in Baners Liste der bundestreuen Stände. Und das mit Recht.

Obwohl die mecklenburgischen Herzöge, und namentlich Adolf Friedrich, wie wir sahen, mit der größten Vorsicht nur auf


182) Baner an Oxenstierna d. d. Erfurt, 26. u. 30. Okt. 1634. Oxenstiernas Skrifter VI S. 157 u. 161.
183) Baner an Oxenstierna d. d. Egel, 4. Febr. 1635. Oxenstiernas Skrifter VI S. 185.
184) Baner an Oxenstierna d. d. Egel, 6. März 1635. Oxenstiernas Skrifter VI S. 191.
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Kursachsens Anträge eingegangen waren, um Schwedens Verdacht nicht zu erregen, mochte die Entsendung eines Gesandten nach Dresden und vielleicht auch die Haltung Adolf Friedrichs gegenüber den Quartierforderungen Baners genügen, die Stellung Mecklenburgs zum Frieden vom schwedischen Standpunkt aus als nicht einwandsfrei erscheinen zu lassen. Adolf Friedrichs Bedenken gegen jenen Schritt seines Bruders erwiesen sich als nur zu berechtigt. Hans Albrecht hatte dem Reichskanzler gegenüber freilich seine Gesandtschaft nach Dresden als völlig harmlos und unverfänglich hingestellt 185 ); doch witterte Baner, als er davon erfuhr, sofort Verdacht und fragte darum bei den Herzögen an, die darauf umständlich ihre Handlungsweise zu rechtfertigen und entschuldigen suchten. 186 )

Daß die Herzöge in der Tat frühzeitig mit der Absicht umgegangen sind, trotz ihrer Entrüstung über die beschwerenden Artikel dem Frieden beizutreten, unterliegt keinem Zweifel. Findet sich doch ein bereits vom 9. Februar, also gleich nach der Rückkehr Rochows mit der Abschrift des Friedens aus Dresden, datierter und in Güstrow verfaßter Entwurf einer Annahmeerklärung an den Kaiser, der jedenfalls auch Gegenstand der Beratungen am Schweriner Hofe bildete, wo Rochow am 10. Februar Audienz hatte 187 ); denn das Konzept eines gleichfalls nicht abgegangenen Briefes Adolf Friedrichs an Georg von Sachsen, in dem ebenfalls die Bereitwilligkeit zur Annahme des Friedens ausgesprochen und nur mit Rücksicht auf den hinausgeschobenen Ratifikationstermin um eine Verlängerung der Annahmefrist gebeten wird, ist vom 11. Februar datiert. Während man weiter über die Fassung des Schriftstückes verhandelte, das dem Pirnaer Frieden gemäß bis zum 15./25. Februar abzuschicken war, traf die Nach-richt von dem weiteren Aufschub des endgültigen Abschlusses ein, und die Absendung unterblieb demgemäß.

Im Prinzip aber mußten beide Fürsten bereits entschlossen gewesen sein, ihren Beitritt zu erklären. Wie dachten sie sich nun die Gestaltung ihres Verhältnisses zu Schweden? Daß


185) Oxenstierna an seine Regieruug d. d. Worms, 1. Febr. 1635. Handlingar 34, S. 9.
186) Baner an Adolf Friedrich und Hans Albrecht d. d. Egel, 8. Febr. 1635. Orig. A. S.: Fr. Die Antwort der Herzöge ist vom 12. Febr. datiert, aber bedeutend später abgegangen, da die beiden Herzöge noch am 23. bis 26. Febr. über die Fassung korrespondierten. Konz A. S. : Fr.
187) Tagebuch Adolf Friedrich. A. S.: Hausarch.
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Schweden so, wie es verlangt wurde, den Pirnaer Frieden annehmen und ohne weiteres oder mit einer Geldentschädigung den deutschen Boden räumen würde, wagten sie sichtlich nicht zu glauben, und Beurteilungen des Friedens aus dem schwedischen Lager, die zwar meist nur sehr allgemein und vorsichtig gehalten waren und vor der Krone Schweden "präjudizierlichen Sondertraktaten" warnten, ließen keinen Zweifel aufkommen, daß die Annahme des Friedens einen Bruch mit Schweden bedeuten würde. Auch über die etwaigen Folgen eines solchen Schrittes waren sich die Herzöge durchaus klar: Mecklenburg, dessen Seehäfen in schwedischen Händen waren, das überhaupt ganz in der schwedischen Machtsphäre lag, wurde dadurch aus einem Bundesgenossen zu einem Gegner Schwedens. Ja, es mußte seine Hülfe zur Durchführung des Friedens, d. h- eventuell zu einer gewaltsamen Vertreibung der Schweden leihen, einem Kampfe, dessen Ausgang bei den noch immer beträchtlichen Machtmitteln Schwedens zum mindesten zweifelhaft war. Siegte Schweden, so konnte das Land leicht zum Gegenstand Schwedischer Satisfaktionsansprüche werden, ein Gedanke, der keineswegs neu war.

Alle diese Erwägungen haben die Herzöge ohne Frage beschäftigt, denn sie lagen greiflich nahe. Wenn sie trotzdem in der Annahme des Friedens das kleinere Übel sahen, so lag diese Meinung vor allem in der Hoffnung, ja festen Zuversicht begründet, daß der Friede nicht so, wie er zu Pirna geschlossen, durchgeführt, sondern Mittel und Wege gefunden werden müßten und würden, um Schweden den Beitritt zu ermöglichen und somit für Mecklenburg jene Gefahren in das Reich der Unmöglichkeit gerückt zu sehen. Die Klausel des Pirnaer Vertrages wegen besonderer Verhandlungen mit Schweden hat zweifellos dazu beigetragen, jene Hoffnungen zu bestärken.

Maßgedend für ihre Politik war die Hoffnung, daß der Friede ihnen die immer ersehnte Aussöhnung mit dem Kaiser und die Befreiung von dem längst als lästig empfundenen schwedischen Bündnis bringen würde, mochten auch an dessen Stelle zwar neue Verpflichtungen treten, die immerhin minder drückend waren. Auch glaubten sie, die Mecklenburg speziell betreffenden Bedingungen noch mildern zu können. Vor allem aber ließ sich etwaigen schwedischen Satisfaktionsansprüchen in Mecklenburg an der Seite des Kaisers und der übrigen deutschen Stände am besten begegnen. Die für manche Territorien so wichtige Frage des Besitzes der geistlichen Güter erledigte sich für Mecklenburg sehr leicht, da im Stift Schwerin das Restitutionsedikt nie durch-

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geführt war und die protestantischen Administratoren, abgesehen von der kurzen Wallensteinschen Herrschaft, sich ununterbrochen behauptet hatten. Adolf Friedrich war somit rechtmäßiger Besitzer des Bistums, und der Friede bestätigte ihn darin. 188 ) Der Gedanke einer bewaffneten Mittelstellung zwischen Schweden und dem Pirnaer Frieden, wie sie etwa Wilhelm von Hessen, dem Weimarer und Lüneburger Herzog vorschwebte, verbot sich im Augenblick für Mecklenburg in Rücksicht auf seine militärische Schwäche von selbst, so sehr er Adolf Friedrich auch sonst zusagen mochte.

Waren die Herzöge somit zu dem Resultat gekommen, den Frieden anzunehmen, so verfuhren sie doch nicht etwa voreilig;

namentlich Adolf Friedrich warnte seinen Bruder wiederholt vor unüberlegten Maßregeln und empfahl, die Haltung der übrigen protestantischen Fürsten abzuwarten. Sein Hauptstreben ging naturgemäß dahin, die Vorbedingung aller seiner Hoffnungen, eine genügende Berücksichtigung Schwedens, herbeizuführen. In allen seinen vielen Schreiben dieser Zeit über den Frieden, an Kursachsen, Kurbrandenburg und andere deutsche Fürsten, wird immer wieder die Notwendigkeit von Unterhandlungen mit Schweden betont, wird die ganze große Gefahr dargestellt, in die bei Unterlassung dieses Schrittes der Erfolg des Friedens überhaupt gerate. Diese Überzeugung suchte er namentlich dem Kurfürsten von Sachsen beizubringen und ihn zu veranlassen, beim Kaiser und beim Reichskanzler die nötigen Schritte zu tun, wie es der Pirnaer Artitel in Aussicht stellte. Auch Georg von Hessen sollte dabei mitwirken. Adolf Friedrichs Bemühungen waren in der Tat ehrlich und entsprachen an Emsigkeit der großen Bedeutung, die ein Erfolg oder Mißerfolg für Mecklenburg im Hinblick auf Schweden haben mußte. Ob Sie zum Ziele führen würden, mußte die Zeit lehren; denn die bisher aus Dresden gekommenen Antworten lauteten ziemlich allgemein, vertröstend oder ausweichend, doch nicht gerade aussichtlos.

Der Kaiser war indessen, vielleicht ohne seinen Willen, durch die weitere Aufschiebung der Ratifikation einem Wunsche der evangelischen Fürsten nachgekommen, welche nun nicht gezwungen waren, den Frieden in zu kurzer Frist annehmen zu müssen, und Zeit gewannen, mit anderen Fürsten in Verhandlung zu treten. Als nun auch der zweite Ratifikationstermin verflossen


188) Ritter III S. 591.
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war, ohne daß man sichere Nachricht hatte, wann denn nun der endgültige Abschluß stattfinden sollte, beschlossen die mecklenburgischen Herzöge nun doch, einen Gesandten nach Dresden zu schicken. Hierzu ward der güstrowische Geheimsekretär Achatius Salveldt ausersehen, der über Berlin am 10. März in Dresden eintraf. 189 ) Sein Auftrag lautete dahin, die mecklenburgischen Interessen wahrzunehmen und vor allem die Ratifikation sofort nach Schwerin zu melden, damit die Frist der Annahmeerklärung nicht versäumt würde. Er ahnte bei seiner Ankunft nicht, daß er länger als 3 Monate hier verweilen würde.



189) Kreditiv d. d. 18., Instruktion d. d. 22. Febr. 1635. Konz. A. S.: Fr.
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IV. Der Prager Friede und seine Annahme.

Als der mecklenburgische Geschäftsträger in Dresden eintraf, fand er hier eine größere Anzahl von Abgeordneten verschiebener Fürsten und Mächte vor, die ähnliche Missionen zu erfüllen hatten. Teils waren sie bereits seit Januar hier und warteten auf die Ratifikation, um dies sofort in die Heimat melden zu können, teils reisten sie ab und zu und trugen die Ansichten und Bedenken ihrer Fürsten über die Friedenspunkte vor. Es waren anwesend schlesische und anhaltische Gesandte, ferner Graf Schwarzenberg aus Berlin; abgereist waren soeben die Pommern, denen bald der Gesandte Herzog Augusts von Braunschweig-Lüneburg folgte. Vertreten waren ferner Frankreich und Georg von Braunschweig-Lüneburg, dem sich bald ein weimarischer Gesandter zu Verhandlungen über den Waffenstillstand hinzugesellte. Bald erfuhr der mecklenburgische Gesandte aus Konferenzen, die er mit den kurfürstlichen Räten sowie den Lüneburgern und Brandenburgern hatte, daß der Kurfürst sich nach wie vor in keinerlei Verhandlungen über die Friedensartikel einzulassen geneigt wäre. So wurde der brandenburgische Gesandte soeben mit einer sehr ungenügenden Erklärung auf seine vorgebrachten sehr gewichtigen Bedenken, in denen die Berücksichtigung Schwedens eine große Rolle spielte, entlassen. Auch der Franzose, Freiherr von Porté, richtete mit Drohungen eines bewaffneten Eingreifens seiner Krone nichts aus.

Nach Ansicht des Kurfürsten stand der Friede auf Annahme oder Ablehnung; erst nach erfolgter Ratifikation war er eventuell bereit, "gütliche Traktaten vorzunehmen", und zwar in erster Linie mit Schweden, wie es im Pirnaer Frieden vorgesehen war. Doch hörte man gleichzeitig in Dresden die Ansicht vertreten und ausgesprochen, daß man Schweden wohl wenig zu Willen sein werde, da sie ja "den hohen Nachruhm hätten, die bedrängten Evangelischen von dem päpstlichen Joche befreit zu haben, was mehr wert sei, als viel Geld, dessen sie ohne das aus dem römischen Reich genugsam weggeschafft!" Auch versprach man

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sich vieler Orten nicht viel von Verhandlungen, die erst nach der Ratifikation und unter der Bedingung vorläufiger Annahme mit Schweden geführt werden sollten.

Inzwischen war aus Wien endlich die Nachricht gekommen, daß der Kaiser zum Abschluß bereit wäre und seine Gesandten schon nach Prag, wo statt in Außig die letzten Verhandlungen stattfinden sollten, abgesandt habe. Auch die kurfürstlichen Gesandten rüsteten zur Abreise und verließen am 18. März Dresden, um am 22. in Prag einzutreffen, wo die kaiserlichen wie die hessen-darmstädtischen Räte, die wieder teilnehmen wollten, sie bereits erwarteten. Obgleich der Kurfürst nicht anders meinte, als daß die Ratifikation ohne Schwierigkeit und ohne jede Änderung von beiden Seiten erfolgen werde, hatte er den Gesandten doch für alle Fälle die Akten mitgegeben, in denen die Bedenken und Beschwerden der evangelischen Fürsten und Stände über den Frieden niedergelegt waren. Es sollte wenigstens versucht werden, bei den Kaiserlichen noch einiges zu erreichen. So hatten z. B. auch die Klagen der mecklenburgischen Herzöge über die schweren Bedingungen ihrer Restitution den Erfolg gehabt, daß sie den Gesandten mitgegeben wurden. Auch die brandenburgischen Bedenken sollten gelegentlich erwähnt und so manche Bestimmung, wenn nicht augenblicklich, so doch vielleicht aus einem künftigen Reichstage günstiger zu gestalten versucht werden. Nach der Ratifikation glaubte er auch die schwedische Angelegenheit in die Hand nehmen zu können, für die als Grundlage das oben erwähnte Memorial dienen sollte, welches der Kurfürst nun auch kaiserlicherseits zur Anerkennung bringen wollte; denn letzteres war in Pirna nicht geschehen. Das Schriftstück wurde den Gesandten zu diesem Zwecke ausdrücklich empfohlen.

In Mecklenburg war man nach Salveldts Abreise nicht weniger der Meinung, daß die Nachricht von der erfolgten Ratifikation in kurzer Zeit eintreffen werde. Um auf solchen Fall gerüstet zu sein, ging man unter Zugrundelegung der früheren Entwürfe an die Abfassung der nötigen Schriftstücke an den Kaiser und Kursachsen, wie sie das Memorial verlangte. Sie sollten dem Gesandten in Dresden mit der Weisung zugeschickt werden, sie nach erfolgter Ratifikation und unter der Voraussetzung, daß im Frieden nichts zu Ungunsten der Herzöge verändert wäre, abzuliefern. 190 ) Während aber zwischen Güstrow und Schwerin


190) Entwürfe zu Schreiben an Kursachsen und Salveldt sind v. 19. März datiert, dem an den Kaiser wurde der Entwurf vom 9. Febr. zugrunde gelegt. Konz. A. S. : Fr.
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die Verhandlungen über Form und Inhalt ihren Verlauf nahmen, trafen die beunruhigenden Berichte Salveldts bei Adolf Friedrich ein. Namentlich bereitete ihm die Haltung des Kurfürsten den vorgebrachten Bedenken der evangelischen Stände gegenüber, besonders soweit sie Verhandlungen mit Schweden forderten, große Sorge. Noch einmal suchte Adolf Friedrich den Kurfürsten zu seinem Standpunkt hinüberzuführen. Er legte seine Gründe in einem persönlichen Schreiben an Johann Georg, sowie einem Memorial von 8 Punkten nieder, das Salveldt in Dresden überreichen sollte. 191 ) Hierin suchte er dem Kurfürsten zu beweisen, daß ein allgemeiner und sicherer Friede ohne vorausgegangene Verständigung mit Schweden unmöglich wäre. Er befürchtete namentlich, daß die besonders eng mit Schweden alliierten Fürsten sich vom Frieden ausschließen und dadurch der Krieg fein Ende nehmen, sondern in erster Linie den sächsischen Kreisen zur Last fallen würde. Er dachte hierbei vor allem an die Weimarer Fürsten, Wilhelm von Hessen und Georg von Lüneburg, die noch im Besitz namhafter Truppen waren und auf die sächsisch-kaiserlichen Forderungen bisher durchaus noch nicht eingehen wollten, wie es sich bei den Verhandlungen über ihren Anschluß an den Waffenstillstand bereits gezeigt hatte. Der Ausgang eines neuen Kampfes aber, in dem Schweden, Frankreich und ein Teil, wenn nicht alle evangelischen Fürsten, gegen Sachsen und den Kaiser stehen würden, müßte zum mindesten zweifelhaft sein. Selbst ein Sieg des Kaisers mit sächsischer Hülfe über das evangelische Deutschland könnte dem protestantischen Kursachsen hinterher verderblich werden. Daß Adolf Friedrich hier durchaus richtig sah, sollte die Zukunft zeigen.

Adolf Friedrich scheint wirklich gehofft zu haben, mit seinen Vorstellungen durchzudringen. Für den anderen Fall aber hatte er damit einen Beweis in Händen, daß er sich um Schweden alle Mühe gegeben habe. Denn stets blieb seine Sorge darauf gerichtet, vor Schweden gerechtfertigt zu erscheinen, "damit wir bei der Krone Schweden kein Verweis der Undankbarkeit und daß wir


191) Adolf Friedrich an Johann Georg d. d. Schwerin, 31. März 1635. Konz. A. S.: Fr. Das Schreiben ist aber bedeutend später abgegangen und erst am 12. Mai in Dresden angekommen. Bezeichnenderweise trägt das Konzept den Vermerk: "da es Hans Albrecht diffikultieret, ist dies Schreiben von Adolf Friedrich allein abgegangen". Das Original (A. D.: Pr. Fr. 4) bestätigt das. - Das Memorial: Zu gedenken, ob auch ohne vorhergehende Traktaten mit der Krone Schweden ein beständiger und sicherer Frieden könne geschlossen werden? ist datiert Bützow, 9. April 1635. Konz. A. S.: Fr.
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uns ihrer nicht genugsam angenommen, auf uns laden, sondern uns gegen alle ungleiche Beschuldigungen desto mehr verantworten können." 192 ) Damit war zugleich ausgesprochen, daß man im gegebenen Falle, d. h. auch wenn Schweden nicht in der gewünschten Weise berücksichtigt wurde, in Mecklenburg trotzdem dem Frieden beitreten werde. An dieser Absicht hielt man auch vorläufig fest.

Nicht wenig trug zu diesem Entschluß der augenblickliche Zustand des Landes bei, der die Sehnsucht nach Frieden selbst um hohen Preis erklärlich genug machte. Noch lagen Oesterlings 12 Kompagnien im Lande, als weitere niedersächsische wie schwedische Truppen Mecklenburg durch Quartiere, Durchmärsche usw. beunruhigten. So war im Januar der niedersächsische Oberst Brünecker auf Befehl Georgs trotz aller Gegenvorstellungen Adolf Friedrichs mit seinem Regiment in die südlichen Ämter eingerückt und verübte hier unerhörte Erpressungen: nur gegen Erstattung von 13 000 Talern wollte er abziehen. Vergebens boten ihm die Herzöge 6 000 Taler. Er blieb bis zum April im Lande und richtete überall ungeheuren Schaden an; auf 40 000 Taler wurde dieser berechnet, als man später versuchte, von der Stadt Lübeck die von Brünecker erpreßten Gelder, die er dort hinterlegt hatte, zurückzuerhalten. 193 ) Im Februar begehrte sodann der schwedische Oderstleutnant Person mit 500 Mann und ebensoviel Pferden Durchmarsch nach Wismar. Gleichzeitig marschierten 2 weitere schwedische Regimenter unter Oberst Moltke und Gustavson von Pommern über Plau, Malchin und Parchim bezw. Waren und Mirow nach Dömitz und begingen bis in die Gegend von Goldberg und Crivitz arge Ausschreitungen. 194 ) Zwei andere schwedische Regimenter, Bilefeld und Boy, hielten sich vom Februar bis April im Lande auf und schädigten namentlich die Gegend von Gadebusch, Rhena und Grevesmühlen. Im Südwesten ließen sich Truppen der zu Baners Armee gehörenden Abteilung des Herzogs Franz Heinrich von Sachsen-Lauenburg manche Übergriffe zu Schulden kommen, und im März und April endlich wollten wieder vier schwedische Regimenter des Generalmajors Stallhans durch das Herzogtum ziehen. Hier gelang es den Herzögen, durchzusetzen, daß gegen eine Geldsumme der größte Teil zu Schiff nach Stralsund befördert wurde. Im übrigen aber nützten die Beschwerden der Herzöge bei Grubbe, Baner, Oxenstierna oder Georg nichts oder


192) Adolf Friedrich an Hans Albrecht d. d. Bützow, 14. April 1635. Konz. A . S. : Fr.
193) A. S.: Inv. host. Vol. XVIII.
194) A. S.: Inv. host. Vol. XVII.
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nur sehr wenig. Hinzu kamen noch die Unterhaltung der Wismarer Garnison, die Leistungen an die Kreiskasse für Munition, Proviant usw. und endlich die Zahlung einer längst restierenden größeren Summe an Schweden, um die Grubbe wiederholt und dringend anhielt. Am 31. März kam hierüber zwischen ihm und herzoglichen Räten in Sternberg eine Einigung zustande, wonach bis zum 24. April 10 000 Taler zu zahlen waren. 195 ) Im Mai verlangte Grubbe aufs neue 15 000 Taler für Kriegsbebürfnisse. 196 ) Daneben mußten die Kreisräte, Gesandten, Agenten usw. besoldet werden, während es überall an barem Gelde fehlte, weil von den unter den Kriegslasten leidenden Untertanen keine Kontribution zu erhalten war. Unter diesen Umständen ist es begreiflich, wenn alle jene Ereignisse die Fürsten in ihrem Entschluß, um jeden Preis Frieden zu haben, nur bestärken mußten.

Die Korrespondenz zwischen den beiden Brüdern und ihren Räten über die Abfassung der Submissions- und Annahmeerklärungen nahmen demgemäß ihren Fortgang. Als gegen Mitte April aus Dresden die Nachricht gekommen war, der Kurfürst und Georg von Hessen wollten sich noch einmal für die Änderungen der mecklenburgischen Artikel des Friedens verwenden, ging man sogar an eine doppelte Ausfertigung der nötigen Schriftstücke, um auf beide Möglichkeiten vorbereitet zu sein und durch das Warten auf bestimmte Nachrichten und erneute Sendung nach Dresden keine Zeit zu verlieren. Man erwartete jetzt, nach der Abreise der sächsischen Gesandten nach Prag, jeden Tag die Ratifikation. Das eine Exemplar der Annahmeerflärung trug die Aufschrift: Dieses Schreiben an die kaiserliche Majestät soll alsdann den kursächsischen geheimen Räten zugestellt werden, wenn unserer Sekretär vorher richtige Gewißheit erlanget, daß auf des Herrn Kurfürsten Ld. fernere Unterhandlungen die uns sonderlich betreffenden conditiones erlassen sind. Hierin war der Hinweis auf diese "conditiones" und die 3 geforderten Submissionspatente, wie ihn die andere Ausfertigung enthielt, fortgelassen und dafür auf eine allgemeine und bedingungslose Amnestie Bezug genommen. 197 ) Mit den nötigen Weisungen an Salveldt und den Begleitschreiben an Kursachsen wollte Hans Albrecht soeben einen


195) Protok. A. S.: Suec.
196) Grubbe an Adolf Friedrich d. d. Lübeck, 6. Mai 1635. Orig. A. S.: Suec.
197) Das verschlossene und versiegelte, aber nicht abgegangene Original fand sich im A. S.: Fr. Es entspricht im übrigen dem Entwurf vom 9. Febr.
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Trompeter nach Dresden absenden, und Salveldt war dies bereits gemeldet worden 198 ), als in den ersten Tagen des Mai Nachrichten eintrafen, die den Herzog veranlaßten, mit der Sendung zu warten. 199 )

Gleich nach Beginn der Beratungen in Prag hatte nämlich der Kurfürst zu seinen nicht geringen Schrecken erfahren, daß der Kaiser durchaus nicht ohne weiteres abzuschließen gedächte, sondern mit einer großen Zahl von Änderungsvorschlägen hervorgetreten wäre. 200 ) Am 14. April waren Sebottendorf und Dr. Oppeln mit dem neuen kaiserlichen Entwurf nach Dresden gekommen, nachdem er schon auf Drängen der hessischen und sächsischen Räte nach Wien zurückgeschickt, dort in einigen Punkten gemildert und darauf in Prag in 5 Konferenzen durchberaten war. Diese Botschaft traf nun zunächst ohne nähere Angaben auch in Mecklenburg ein, genügte aber, die Herzöge von einem voreiligen Schritt abzuhalten und sie zu veranlassen, erst nähere Nachrichten abzuwarten.

Die neuen kaiserlichen Vorschläge verrieten deutlich den Einfluß der Gutachten der katholischen Stände, die ja auch den Termin der Schlußverhandlungen verzögert hatten, sowie die Wirkung der kaiserlichen Waffenerfolge. 201 ) In kirchlichen wie weltlichen Sachen waren fast überall die Bestimmungen des Pirnaer Friedens, soweit sie ein Entgegenkommen gegen die Evangelischen bedeuteten, fortgelassen oder eingeschränkt, neue Artikel eingeschoben, der Wortlaut anderer in zweideutiger Weise verändert, kurz, der neue Entwurf war durchaus nur eine Begünstigung der katholischen Partei. 202 ) Der Ton war anmaßend und selbst gegen den Kurfürsten von Sachsen herablassend.

Die Restitution Mecklenburgs war am 7. und 9. April Gegenstand neuer Beratungen gewesen. Es war hier aber bei den Pirnaer Bestimmungen geblieben, nachdem sich die sächsischen und hessischen Räte vergebens um mildere Bedingungen bemüht und die kaiserlichen erklärt hatten, es sollte bei den 100 000


198) Diese gleichfalls nicht abgegangenen Schreiben sind die an Kursachsen vom 19. März, dgl. an Salveldt mit postscriptum vom 15. April. Orig. u. Konz. A. S.: Fr.
199) Bericht Salveldts d. d. Dresden, 21. April 1635. Orig A. S.: Fr.
200) Helbig a. a. O. S. 612 ff.
201) Ritter III S. 590 ff.
202) Vergl. Helbig a. a. O. S. 613 und 620 f., Ritter III S. 594 f.
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Talern statt der anfangs geforderten doppelten Summe bleiben. Auch von einer Erneuerung der Reichsbelehnung und einer Verkürzung des Termins für die Abzahlungen war kaiserlicherseits die Rede gewesen, doch hatte man diese Forderung auf Vorstellung Kursachsens wieder aufgegeben. 203 ) Schweden gegenüber war der Kaiser durchaus nicht zu Konzessionen geneigt. Ihm stand nach wie vor der Beitritt unter den Pirnaer Bedingungen offen; jede weitere Auseinandersetzung aber über Entschädigungsansprüche u. dgl. wollte er allein den Evangelischen überlassen, wenn diese es für nötig befänden. Die Klausel des Pirnaer Friedens über besondere Verhandlungen mit Schweden war gestrichen, und somit auch das Memorial des Kurfürsten hinfällig geworden.

Johann Georg, der sich in 14 Tagen endgültig erklären sollte, sah sich durch die kaiserlichen Änderungen in eine äußerst mißliche Lage versetzt. Aber die Würfel waren für ihn schon in Pirna gefallen; so blieb ihm - und so rieten ihm die meisten seiner Räte - kaum noch etwas anderes übrig als nachzugeben; nur der einzige Arnim vertrat unverholen eine durchaus ablehnende Meinung. 204 ) Am Ende entließ der Kurfürst die Gesandten mit einer sehr gewundenen Erklärung, die ihnen gebot, auf jede Weise zu versuchen, die neuen Vorschläge zu mildern, im äußersten Falle jedoch abzuschließen.

Die Nachrichten von den Einzelheiten der kaiserlichen Änderungsvorschläge trafen in Mecklenburg ein 205 ), als man am 13. Mai schon wieder alles vorbereitet hatte, die erforderlichen Schriftstücke betreffend Annahme des Friedens an Salveldt nach Dresden zu schicken, freilich mit der Weisung, sie nur im Falle der Ratifikation des unveränderten Pirnaer Friedens abzugeben. 206 ) Die letzten Berichte veranlassen die Herzöge aufs neue, erst das Weitere abzuwarten. Unter den jetzigen Umständen schien es nicht angebracht, sich schon endgültig zu entscheiden, besonders da mit Sicherheit zu erwarten stand, daß neue Verhandlungen die Folge der kaiserlichen Änderungsvorschläge sein und die Ratifikationen weiter verzögern würden. Aber auch die veränderten Bestimmun-


203) Pragisches Protokoll A. D. : Pr. Fr 4. Bericht Salveldts d. d. Dresden, 26. Mai 1635. Orig. A. S.: Fr.
204) Wortlaut seines Schreibens an den Kurfürsten bei Helbig a. a. O. S. 617.
205) Salveldts Berichte d. d. Dresden, 24. u. 28. April 1635 mit Beilagen. Orig. A. S.: Fr.
206) An Kursachsen d. d. 13. Mai, postscr. zu den Schreiben an Salveldt vom 19. März d. d. 13. Mai. Konz. A. S.: Fr.
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gen selbst mußten die Herzöge höchst stutzig oder gar in ihrem schon gefaßten Entschlusse wankend machen. An eine Milderung der Mecklenburg treffenden Sonderbedingungen war fortan kaum mehr zu denken, und ebenso mußte die Berücksichtigung Schwedens vor dem Abschluß des Friedens nach den Erklärungen des Kaisers als aussichtslos angesehen werden. Eine nachträgliche Einigung aber mit Schweden auf der Grundlage des Friedens, die noch dazu allein den evangelischen Ständen überlassen werden sollte, konnte Adolf Friedrichs Voraussetzung unmöglich erfüllen und seine Sorge vor schwedischen Ansprüchen in Mecklenburg zerstreuen.

Die Verhandlungen in Prag hatten indessen Anfang Mai ihren Fortgang genommen, nachdem die kaiserlichen Gesandten die kurfürstliche Resolution auf den veränderten Friedensentwurf als eine ungenügende Vollmacht zurückgewiesen und der Kurfürst am 5. Mai eine neue bestimmter lautende ausgefertigt hatte. Den sächsischen Gesandten wurde darin noch einmal befohlen, wenn irgend möglich, günstigere Bedingungen in einer Reihe namhaft gemachter, besonders wichtiger Punkte anzustreben. Es waren dies die hildesheimische und pfälzische Sache, für die der Kurfürst im Interesse der Lüneburger Herzöge und des kurpfälzischen Hauses sich nochmals verwenden wollte 207 ); auch Bremen war genannt. 208 ) Mit Schweden wollte er sich wenigstens vor Beginn der Feindseligteiten auseinandersetzen können. Vor allen Dingen aber wollte der Kurfürst für die Schlesier den Dresdener Akkord von 1621 aufrecht erhalten wissen, der ihnen die freie Religionsausübung zugesichert hatte, und ferner die Durchführung einer undedingten allgemeinen Amnestie erreichen.

In der Frage der Berücksichtigung Schwedens blieb der Kurfürst somit seinem Standpunkt getreu, und wenn er diesen Punkt überhaupt noch mit in die Reihe der wichtigsten stellte, so dürften das Wohl die Vorstellungen der sächsischen Stände mit bewirkt haben, unter denen das mecklenburgische Memorial an erster Stelle steht. Adolf Friedrichs Vorstellungen waren freilich in einem sehr ungeeigneten Augenblicke - als man in Dresden die kaiserlichen Änderungsvorschläge durchberiet - den


207) In der Pfälzer Sache war die in Pirna in Aussicht genommene gütliche Beilegung gestrichen und die endgültige Abtretung der Kurwürde und der sämtlichen rechtsrheinischen Länder an Bayern angeordnet, in Hildesheim aber das Recht des katholischen Erzbischofs Ferdinand anerkannt.
208) Bremen sollte dem Erzherzog Leopold Wilhelm zufallen, während andererseits der dänische Prinz Friedrich als Koadjutor darauf Ansprüche machte.
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Räten zugegangen 209 ), aber am 2. und 6. Mai fanden neue Besprechungen zwischen Salveldt und Timaeus darüber statt. Hier ward ausdrücklich erklärt, daß der Kurfürst das Memorial in Betracht gezogen und seinen Gesandten in Prag empfohlen habe. Dem Kaiser mußte es ja nun sehr gleichgültig sein, ob und wie sich der Kurfürst und die anderen evangelischen Fürsten mit Schweden einigen würden, wenn nur den Bestimmungen des Friedens Genüge getan wurde und die Schweden unter Aufgebung aller Eroberungen den Boden des Reiches räumten. In diesem Sinne gaben denn auch die kaiserlichen Gesandten in Prag ihre Erklärung über diese Frage ab. Im übrigen waren sie, von einigen Kleinigkeiten abgesehen, durchaus zu keinen Zugeständnissen bereit, und am entschiedensten gerade verweigerten sie die Religionsfreiheit und Begnadigung der Schlesier sowie eine allgemeine Amnestie. Es blieb bei den Bestimmungen des Pirnaer Friedens, und nun kam auch in Gestalt eines Nedenrezesses zum Entsetzen des Kurfürsten die dort noch offen gelassene Liste der von der Amnestie ausgeschlossenen Stände ans Licht. Sie war reichhaltiger, als man erwartet hatte, und nannte neben anderen, namentlich oberdeutschen Ständen, auch den Herzog von Württemberg und den Markgrafen von Baden. 210 ) Ausdrücklich wurde dagegen nochmals die Restitution Mecklenburgs unter den bekannten Bedingungen hervorgehoben.

Die schlesische und die Amnestiefrage waren bis zum Abschluß der Verhandlungen diejenigen Punkte, über die noch ernsthaft beraten wurde, da der Kurfürst wirklich auf alle Weise versuchte, zu seinem Ziele zu gelangen. Die schwedische Frage wird keine große Rolle mehr gespielt haben. Sie hat jedenfalls die Verhandlungen nicht aufgehalten, wie behauptet wurde 211 ), so lieb es dem Kurfürsten auch gewesen wäre, wenn die katholischen Stände mit zur schwedischen Satisfaktion, die sich nicht mehr vermeiden ließ, hinzugezogen wären. Johann Georg mußte endlich einsehen, daß seine Bemühungen, noch irgend günstigere Bedingungen zu erzielen, aussichtslos blieben, und nach längerem Schwanken gab er endlich seine Einwilligung zum Abschluß, der am 20./30. Mai 1635 auf dem Schlosse zu Prag stattfand. Am


209) Salveldt hatte in der Angelegenheit am 22., 23. u. 24. April Audienz bei Dr. Timaeus. Bericht d. d. Dresden, 24. April 1635. Orig. A. S.: Fr.
210) Vergl. Helbig a. a O. S. 622.
211) Bericht Salveldts d. d. Dresden, 15. u. 19. Mai 1635. Orig. A. S. : Fr.
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5. /15. Juni wurden die Originale ausgewechselt. Nur dem Nebenabschied wegen der Amnestiefrage versagte der Kurfürst die Ratifikation. 212 )

Der Prager Friede stellte sich so unzweifelhaft als ein eminenter Erfolg der in ihrer Konsequenz gewiß bewundernswerten habsburgisch- katholischen Politik dar, als ein Versuch, unter kluger Ausnutzung der Lage und mit Hülfe eines protestantischen Kurfürsten Europa den Frieden zu diktieren und die Erfolge der Waffen schnell zugunsten der katholischen Interessen in geistlichen wie weltlichen Dingen zu befestigen. Die Konzessionen den Evangelischen gegenüber waren aus kaiserlichen Gnaden gewährt und in ihrer wirklichen Bedeutung durch vielfache Ausnahmen sehr beschränkt oder wieder aufgehoben. An vielen Stellen ließ der Wortlaut eine doppelte Deutung zu und gab dabei den Katholischen in höherem Grade die Möglichkeit, sie in ihrem Sinne auszulegen, als den Evangelischen. Die Reformierten waren überhaupt nicht erwähnt. Üerwiegend katholisch wurden die wichtigsten Reichsorgane, der Reichstag, der Deputationstag und das Kurfürstenkolleg durch Übertragung der Pfälzer Kur an Bayern und die Ausschließung der evangelischen Bistumsadministratoren im Frieden besetzt. Auch Hofrat und Kammergericht wurden dem evangelischen Einfluß entzogen.

Bei alledem bedeutet der Prager Friede aber doch einen recht bedeutsamen Versuch, die Ordnung im Reiche wiederherzustellen und zwar aus Grund der alten Reichsverfassung und vor allem unter Wahrung der unbedingten Reichseinheit, die hier zum letzten Male aufrecht zu erhalten versucht wurde. So war eine neue Organisation der Reichskriegsversassung, eine einzige Reichsarmee, zu der alle Stände den 120fachen Römerzug beisteuern und wovon der Kaiser 60 000, der Kurfürst


212) Außer in vielen Einzeldrucken aus den Jahren 1635-36 (vergl. Hitzigrath a. a. O. S. 11 f.) ist der Friedensschluß ediert bei Londorp IV S. 458 ff. und Lünig, Teutsches Reichsarchiv, Pars specialis I S. 104 ff., die von den Nebenrezessen aber nur die über Schlesien und die von der Amnestie ausgeschlossenen Evangelischen bringen. Ebensowenig vollständig ist der Druck in den Pirnischen und Pragischen Friedenspakten, die beide Fassungen einander gegenüberstellen, aber von den 10 bei Brockhaus, Der Kurfürstentag zu Nürnberg im Jahre 1640, Leipzig 1883, S. 3 ff. Anm. 3 ausgeführten Rezessen und Memorialen bringen sie nur 7. Es fehlt hier z. B. das Memorial wegen Aussöhnung der Herzöge von Mecklenburg. Eine Artikelzählung hat nur Londorp.
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20 000 Mann kommandieren sollte 213 ), vorgesehen. Alle Bündnisse der deutschen Stände mit auswärtigen Staaten wie untereinander sollten aufgehoben, fortan unzulässig und nur der Kurverein und einige Erbverbrüderungen noch gültig sein.

So hätte der Friede, den wir heute, weil wir seinen Erfolg kennen, einen Separatfrieden nennen, bei allgemeiner Anerkennung eine ungeahnte Stärkung der kaiserlichen Gewalt und damit des Katholizismus, sowie eine Unterdrückung des Protestantismus und der Entwicklung von Territorien zu größeren selbständigen Staaten herbeigeführt. Wenn es aus den verschiedensten Ursachen, namentlich einer Überspannung der habsburgisch-katholischen Ansprüche, der Haltung der deutschen Stände und vor allem der Nichtbeachtung der auswärtigen Mächte Schweden und Frankreich zu keinem allgemeinen Frieden auf der Prager Grundlage gekommen ist, so war es doch ein hochbedeutsamer Versuch und ein wichtiges Moment für die Gruppierung der Mächte in dem noch folgenden dreizehnjährigen Kampf, der noch nötig war, den großen Krieg zum Abschluß zu bringen. Nie hatten bisher Friedensbestrebungen, die freilich die ganze Dauer des Krieges begleiteten, zu einem solchen Ergebnis geführt, so daß wir wohl berechtigt sind, im Prager Frieden den wirksamen Anstoß und die eigentliche Einleitung zum großen westfälischen Friedenswerk zu erblicken.

Die Beurteilung des Friedens zu Prag ist freilich bis heute immer eine sehr verschiedene, weil meist einseitige, gewesen. Auf der einen Seite preist man die Friedensliebe des Kaisers und die deutsch-nationale Gesinnung des Kurfürsten 214 ), auf der anderen verurteilt man die Schwäche und den Egoismus Johann Georgs, der es zu einem derartigen Frieden kommen ließ. 215 ) Zwischen diesen Extremen schwankt das Urteil. Zurückzuweisen oder garnicht ernst zu nehmen ist die Auffaffung,


213) Der Pirnaer Friede hatte nur den 80fachen Römerzug verlangt. Das Verhältnis der vom Kaiser und vom Kurfürsten zu kommandierenden Truppenzahl, war dort 5 zu 3 gewesen.
214) So Hurter, Die Friedensbestrebungen Kaiser Ferdinands II, Wien 1860, S. 57 f., mit einseitig katholischer Tendenz, und Barthold, Geschichte des großen Krieges a. a. O. 1. Bd. S 257 ff.
215) Droysen, Geschichte der preußischen Politik III, 1, 2. A. Leipzig 1870, S. 94 ff. Auch Helbig a. a. O. S. 629 neigt zu dieser Auffassung. Eine kritische Würdigung des Friedens bringen in neuerer Zeit Blockhaus a. a. O. S. 6 f., Ritter III S. 593 f. und Dürbeck a. a. O. S. 8 ff.
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als ob der Kaiser aus lauterer Friedensliebe zu seiner Politik getrieben wäre. Seine katholisch-habsburgische Tendenz tritt so sehr überall zutage, daß man in dem Frieden sofort nichts als eine Machtprobe erkennt. Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß den Kurfürsten deutsch-nationale Gesichtspunkte zum Frieden mit der Spitze gegen die fremden Eroberer bestimmt haben. Ein solches Gefühl gab es damals überhaupt noch nicht. Einseitig ist aber auch die Auffassung, als ob der Kurfürst lediglich aus persönlich-dynastischen Gründen die allgemeine evangelische Sache verraten habe. Unzweifelhaft hat die Privatfatisfaktion des Kurfürsten bei den Verhandlungen eine große Rolle gespielt und manche Forderung im allgemein evangelischen Interesse nachteilig beeinflußt, doch haben noch eine Menge andere Momente mitgewirkt, die es dem Kurfürsten im Interesse seines Staates als ratsam erscheinen lassen mußten, den Frieden einzugehen. Da ist zunächst die Stellung Kursachsens zum Kaiser einer-, zu Schweden andererseits, wie sie sich im Laufe des Krieges gestaltet hatte, von großer Bedeutung. Das Bestreben, zum Kaiser in einem guten Verhältnis zu stehen und auch nach dem durch Schwedens Eingreifen vollzogenem offenen Bruch wieder Frieden und Vor-söhnung anzubahnen, entsprach nur der konservativen politischen Überlieferung im kursächsischen Staate und verband sich mit einer eifersüchtigen Rivalität gegen Schweden zu jener Politik, welche die schwedischen Erfolge hemmen oder vernichten wollte. So ergriff denn Sachsen jede Gelegenheit, mit Wien in Friedensverhandlungen einzutreten, und da man hier jene Bestrebungen kannte und klug ausnutzte, wurde es der habsburgischen Politik immer mehr zugetrieden, je weiter die Kluft ward, die es von Schweden und den evangelischen deutschen Ständen trennte. Dazu kamen die stetig wachsenden kriegerischen Erfolge der kaiserlichen Heere und das Scheitern der schwedischen Bündnispolitik, um den an sich schon zaghaften Kurfürsten den stetig wachsenden Forderungen des Kaisers gegenüber noch nachgiebiger zu machen.

Die Hauptaufgabe der neuen Verbündeten war fortan, die deutschen Stände, sei es durch Verhandlungen oder Waffengewalt, zum Anschluß zu bewegen. Die Vorbereitungen dazu waren ja schon lange vor dem endgültigen Abschluß, namentlich von Kursachsen aus, eifrig betrieben worden, denn dem Kurfürsten fiel es zu, die deutschen Protestanten dem Frieden geneigt zu machen und sich mit Schweden auseinanderzusetzen.

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Daß beides nicht so leicht werden würde, hatte Johann Georg schon aus der Stimmung der deutschen Stände während der Verhandlungen entnehmen können, und er mußte sich hiervon noch mehr überzeugen, als sich nach der Veröffentlichung des Friedens überall im evangelischen Lager Stimmen erhoben, die ihn für unannehmbar, unvereinbar mit einem evangelischen Gewissen erklärten und gegen den Kurfürsten die schwersten Angriffe namentlich wegen seiner Nachgiebigkeit in der Amnestie-und schlesischen Frage erhoben. Schon am 4. Juni hatte Arnim um seine Entlassung gebeten, weil er den neuen Kurs der sächsischen Politik nicht mitmachen wollte. Der mecklenburgische Geheime Rat Witte in Lübeck schrieb an Adolf Friedrich über den Frieden mit den Worten des Sallust: Verbis pax nuntiabatur, ceterum re bellum asperrimum. Ähnliche Urteile liegen in Menge von anderen protestantischen Staatsmännern und Heerführern vor. Die beiden schnell verbreiteten und mehrmals nachgedruckten offiziellen Publikationen des Friedens zu Wien und Dresden riefen alsbald eine ganze Literatur von Streitschriften hervor, die auch meist gegen den Frieden gerichtet waren. 216 ) Und trotz dieser dem Frieden durchweg so ungünstigen Stimmung sehen wir im Laufe des Sommers 1635 einen evangelischen Fürsten nach dem anderen sich für ihn erklären und seine allgemeine Durchführung endlich nicht eigentlich an der ablehnenden Haltung der evangelischen Stände scheitern, sondern an dem Grundschaden der habsburgisch-sächsischen Friedenspolitik, die stark genug zu sein vermeinte, auch den in Deutschland eingedrungenen fremden Mächten auf diese Weise den Frieden diktieren zu können.

Wie die Stimmung über den Frieden in Niedersachsen war, haben wir bereits an dem Beispiel der mecklenburgischen Herzöge gesehen; und die übrigen Stände dachten nicht anders darüber, obwohl sie sich doch Schweden gegenüber fast in gleicher Lage befanden. Alle diese Fürsten, in erster Linie die Welfen, standen seit dem Bekanntwerden der Friedensverhandlungen in Beziehungen zu Kursachsen und waren von vorne-


216) Hitzigrath, Publizistik des Prager Friedens, beschreibt 64 Druckschriften, die sich auf den Frankfurter Konvent, den Pirnaer und Prager Frieden beziehen. Darunter sind nur wenige, die für den Frieden sprechen, und diese dann offiziell beeinflußte Rechtfertigungen aus Dresden. Die bedeutendste aller dieser Flugschriften sind die mehrfach erwähnten Pirnischen und Pragischen Friedenspakten. (Vergl. Hitzigrath S. 41 ff.)
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herein zur Annahme geneigt. Wohl tauchte auf die dringenden Vorstellungen der Oberkreise hin der Gedanke an einen zusammenschluß auer Evangelischen mit der Spitze gegen den Frieden, vielleicht auch Schweden, auf, doch gewann bald die Überlegung die Oberhand, daß bei der Lage der Dinge ein Eintreten für die Oberdeutschen, namentlich für die Pfälzer, eine große Gefahr für den Kreis bedeutete, insofern sie dadurch in Gegensatz zum Kaiser gerieten. Dies trat deutlich aus dem Kreistage hervor, der zum 26. Mai 1635 nach Braunschweig berufen war. 217 ) Es handelt sich hier vornehmlich darum, ob die nieder-sächsische Kreisarmee noch vor der Ratifikation des Friedens, von der man ja, obgleich sie bereits erfolgt war, noch keine Nachricht hatte, dem von Kursachsen angebotenen Waffenstillstand beitreten sollte 218 ), und ferner um die Stellung zum Frieden überhaupt, zu den Oberkreisen und Schweden. Man verhandelte durchaus noch auf der Grundlage des Pirnaer Friedens und kam zu dem Entschluß, ihn nach seiner Ratifikation anzunehmen und bis dahin dem Waffenstillstand beizutreten. 219 ) Daß mit Schweden und Frankreich Verhandlungen angeknüpft würden, erwartete man mit Bestimmtheit und schrieb in diesem Sinne an Kursachsen. Gleichzeitig aber wurde beschlossen, zur weiteren Unterhaltung der niedersächsischen Armee auf 3 Monate den 12fachen Römerzug und 15 000 Malter Korn zu bewilligen.

Man wird annehmen müssen, daß diese Braunschweiger Beschlüsse zum größten Teil unter dem Einfluß Herzog Georgs zustande gekommen sind, denn sie zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit denen der Nordhäuser Zusammenkunft Georgs mit Wilhelm von Weimar und dem Landgrafen Wilhelm von Hesse. Diese Fürsten hatten sich zwar auch im Prinzip für den Frieden erklärt, aber mancherlei Änderungsvorschläge getan und beschlossen, vor allem eine abwartende und zwar bewaffnete Haltung einzunehmen. 220 ) Die Hauptsache war somit für Georg die Aufrechterhaltung einer militärischen Macht auch im nieder-


217) Proposition vom 29. Mai und Abschied vom 9. Juni bei Chemnitz II S. 723 ff. Dürbeck S. 20 Anm. 1 nennt versehentlich Lüneburg als Versammlungsort.
218) Georg von Lüneburg hatte den Waffenstillstand durchaus noch nicht am 28. Febr. angenommen, wie Schnell S. 82 behauptet. Vergl. v. d. Decken, Georg von Braunschweig-Lüneburg Bd. 2 S. 246 ff.
219) Damit war aber keineswegs eine bindende Annahme des Prager Friedens ausgesprochen, wie v. d. Decken Bd. 2 S. 260 behauptet.
220) Vergl. Dürbeck S. 21.
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sächsischen Kreise, um diese im gegebenen Falle, sei es gegen den Kaiser, sei es gegen Schweden, gebrauchen zu können. 221 )

Adolf Friedrichs Abgesandter in Braunschweig, Reinking, hatte zwar mit Rücksicht auf die Armee Baners, die Oberdeutschen und Wilhelm von Hessen, die nach einem Waffenstillstand der Niedersachsen mit dem Kaiser notwendig von der kursächsisch-kaiserlichen Armee würden angegriffen werden, gegen eine solche Waffenruhe zumal vor der Ratifikation, wohl aber für die Annahme des Friedens gesprochen. Zwar hatte Adolf Friedrich aus den Berichten seines Geschäftsträgers in Dresden bereits von der Umgestaltung der Pirnaer Artikel erfahren und vor allem die Gewißheit erlangt, daß Verhandlungen mit Schweden vorläufig nicht stattfinden würden, doch machte ihn das trotz großer Bedenken nicht an seiner Absicht irre, seinem Lande auf jeden Fall den Frieden wiederzugeben. Er lebte nach wie vor der Hoffnung, daß sich auch jetzt noch ein Ausweg, Schweden zufriedenzustellen, finden lassen werde, wenn nicht mehr vor, so nach dem Abschluß des Friedens.

In den ersten Tagen des Juni kam endlich die Nachricht vom definitiven Friedensschluß und bald auch von der erfolgten beiderseitigen Ratifikation. 222 ) Nicht viel später, am 24. Juni, gelangte durch Herzog August von Braunschweig-Lüneburg eine authentische Abschrift der Friedenspunkte nach Schwerin. Am nächsten Tage folgte ein Abdruck aus der kursächsischen Hof- buchdruckerei, vom Kurfürsten vertraulich übersandt, mit der gleichzeitigen Nachricht, daß an Baner zwecks Anknüpfung von Verhandlungen bereits geschrieben wäre. Die offizielle Mitteilung im Auftrage und mit dem Patent des Kaisers vom 2./12. Juni traf mit einem Begleitschreiben Johann Georgs vom 20. Juni und der Aufforderung, binnen 10 Tagen nach Empfang den Frieden anzunehmen, durch einen kursächsischen Kammerdiener am 3. Juli in Güstrow, am 7. bei Adolf Friedrich in Hagenow ein. 223 ) Man erfuhr zwar wenig Neues daraus, da ja die meisten und wichtigsten Bestimmungen, auch


221) Vergl. Ritter III S. 600.
222) Berichte Salveldts d. d. Dresden, 24. Mai u. 5. Juni 1635. Orig. A. S.: Fr.
223) Alle Aktenstücke im Original A. S.: Fr. - Die Mitteilung Helbigs S. 632, wonach das Friedenspatent mit dem Hauptfriedensschluß erst nach d. 21. Juni von Dresden aus verschickt sei, steht damit in Widerspruch. Vergl. Dürbeck S. 28 Anm. 2. - Das kaiserliche Patent ist gedruckt bei Londorp IV S. 473.
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die wesentlichen Prager Änderungen, bereits bekannt waren, aber man hatte nun doch die offizielle Bestätigung und, was Mecklenburg betraf, den endgültigen Wortlaut des Artikels im Hauptfriedensschluß wie den des Memorials. 224 )

Ein Vergleich der Prager Fassungen mit den Pirnaern zeigt, daß im Rechtsinhalt kein Unterschied eingetreten, sondern die Bedingungen der Restitution der Herzöge die gleichen geblieben waren. Wohl aber sind in der Form für den Ton des Prager Friedens sehr bezeichnende Abweichungen zu entdecken. So ist zunächst an Stelle der langen "Erklärung" im Pirnaer Hauptfriedensschluß, in der gleichzeitig von einer Restitution auf dem Rechtswege sowie aus kaiserlichen Gnaden die Rede ist, die kurze Bestimmung des Prager Friedens getreten, die einfach "aus angeborener Güte" die Herzöge wieder "zu kayserlichen Hulden und Gnaden" aufnimmt. Im Hinblick aber aus den tatsächlichen Wert jener Pirnaer "Erklärung" ist diese Verkürzung und Auslassung der Rechtswegklausel nur konsequent, und wir können dem Kommentator in den "Pirnischen und Pragischen Friedenspakten" nicht zustimmen, wenn er darin eine arge Benachteiligung der Herzöge sieht. 225 ) Das Memorial endlich trug in seinem veränderten Wortlaut nur den veränderten Terminen Rechnung und verlangte innerhalb 10 Tagen a die notitiae eine Annahmeerklärung und innerhalb eines Monats das "alleruntertenigste Schreiben" an den Kaiser. Im übrigen blieb es bei der Zahlung von 100 000 Talern in

4 Terminen. 226 )

Obwohl die Herzöge längst ihren Entschluß gefaßt hatten, den Frieden anzunehmen, so kam ihnen doch jetzt, wo sie wirklich davor standen, das Folgenschwere ihres Vorhabens noch einmal


224) Siehe Beilagen Nr. 2 und 4.
225) Es heißt hier S. 123: " ...welche via juris aber nunmehr ihnen den Herzögen abgeschnitten ist und sie also ohne einige Widerrede sich für Reos erkennen, gratiam culpae suchen und depreciren sollen."
226) de Beehr, Rerum Meclenburgicarum 1. VII, 3 p. 1304 gibt als Strafsumme 40 000 Taler an, die an den früheren Statthalter Wallensteins, Wingiersky, zu zahlen seien, der sie den Ständen damals vorgeschossen habe. Franck, Altes und neues Mecklenburg, 13. Buch S. 171 folgt ihm darin. Schnell S. 81 spricht von 300 000 Talern, zahlbar in 3 Jahren, während die Pirnischen und Pragischen Friedenspakten, die er S. 171 Anm. 48 zitiert, daß betreffende Memorial gar nicht enthalten. Richtig erwähnen die Bedingungen Grotefend, M. Jbb. 66 S. 268 und Chemnitz II S. 610.
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deutlich zum Bewußtsein. Gerne hätten sie die Angelegenheit von den niedersächsischen Ständen gemeinsam beraten und erledigt gesehen, und das Bedürfnis nach einem neuen Kreistage spricht sich in mehreren ihrer Schreiben aus, da doch die Braunschweiger Beschlüsse nur provisorisch gewesen waren. 227 ) Aber die Zeit war zu kurz, und Antworten auf schriftliche Anfragen, die man an benachbarte Fürsten ergehen ließ, um deren Entschluß zu erfahren und sich danach zu richten, waren teils ausweichend und unbestimmt gehalten, teils gelangten sie zu spät in die Hände der Herzöge. So wußte man vor allem nicht genau, wie Kurbrandenburg sich endgültig stellen würde, da seine Verhandlungen mit Kursachsen noch schwebten. 228 ) Auch Herzog Georgs Stellungnahme war noch nicht klar, seitdem der Plan eines Zusammengehens mit Wilhelm von Hessen, Wilhelm von Weimar und Baner gegen den Frieden an den Interessengegensätzen gescheitert und ein heftiger Gegensatz zu Schweden entstanden war, der durch Oxenstienas Mißtrauen noch verschärft wurde und endlich dazu führte, daß die schwedischen Regimenter in Georgs Armee abberufen und dem General Speerreuter unterstellt wurden. 229 ) Andererseits hielt ihn von der Annahme des Friedens wieder die Hildesheimer Angelegenheit zurück.

So sahen sich die mecklenburgischen Herzöge schließlich doch auf ihre eigene Entscheidung gestellt, wenn sie den Termin nicht verstreichen lassen wollten. Das aber schien ihnen aus Sorge, in dem Falle des Friedens überhaupt verlustig zu gehen, zu gefährlich. Es bedeutete, aufs neue mit dem Kaiser in Konflikt zu geraten, noch einmal den Besitz des Landes aufs Spiel zu setzen und sich Schweden gänzlich in die Arme zu werfen, dessen Stern einmal im Sinken war und mit dessen Bundesgenossenschaft man ferner so schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Außerdem war ein gütlicher Ausgleich mit dem einstigen Alliierten ja noch nicht ausgeschlossen. Am 11. Juli fand in Güstrow, wo sich anläßlich der Hochzeit einer Tochter Hans Albrechts mit dem Herzog August von Braunschweig-Lüneburg auch Adolf Friedrich befand, eine Zusammenkunft der beiderseitigen Kanzler unter Zuziehung der ständischen Landräte statt, da die Berufung


227) Adolf Friedrich an August von Braunschweig-Lüneburg d. d. Schwerin, 28., an Kurbrandenburg d. d. 30. Juni, an Hans Albrecht d. d. Hagenow, 6. Juli 1635. Konz. A. S. : Fr.
228) Vergl. Dürbeck S. 23-25 u. 32 ff.
229) v. d. Decken II S. 264 ff. und Aktenbeilagen Nr. 164 u., 172 S. 397 ff.
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eines Landtages, die anfangs beabsichtigt war, sich wegen der Zeit verbot. Es kam nochmals zu einer Erörterung aller Bedenken. Da aber die Landräte den Frieden in seinen Einzelheiten noch nicht kannten und die Verhandlungen sich in die Länge zu ziehen drohten, wurden sie abgebrochen und "durch unterschiedliche Unterredung beiderseits Räte, wozu I. F. Gn. Ihre Landräte allezeit mit zugezogen, geschlossen." 230 ) Das Resultat war, daß am 13. Juli die verlangte Annahmeerklärung im Namen beider Herzöge ausgefertigt und mit einem Begleitschreiben an den Kurfürsten von Sachsen 3 Tage darauf durch einen Trompeter nach Dresden abgeschickt wurde. 231 ) Das Submissionsschreiben, das erst 4 Wochen nach der Publikation des Friedens fällig war, wurde später durch eine besondere Gesandtschaft in Dresden überreicht. Die Annahmeerklärung trug die Form der ursprünglichen Fassung ohne die auf Erlaß der Mecklenburg treffenden Bedingungen anspielende Klausel. Der Kurfürst von Sachsen wurde noch einmal dringend gebeten, die Unterhandlungen mit Schweden aus den bekannten, hier noch einmal deutlichst und umständlich wiedergegebenen Gründen nun auch wirklich in die Wege zu leiten. Die Akzeptation des Friedens für das durch Adolf Friedrich als Administrator vertretene Stift Schwerin erfolgte, nach Verständigung mit dem Kapitel, erst etwas später und wurde Mitte August durch die damals am kurfürstlichen Hofe weilende mecklenburgische Gesandtschaft überreicht. 232 ) Am 21. August schickte der Kurfürst zusammen mit anderen auch die mecklenburgische Annahmeerklärung nach Wien, von wo dann am 26. September vom Kaiser an die Herzöge ein Antwortschreiben vom 1./11. September einlief, in dem es unter anderem heißt:


230) Protokoll des Schweriner Geheimsekretärs Gabriel zur Nedden. Orig. A. S.: Fr.
231) Originale im A. D.: Pr. Fr. 8. - Von einem Beitritt der Herzöge zum Frieden, wovon v. d. Decken II S. 257 und Barthold I S. 254 als am 25. April geschehen sprechen, kann keine Rede sein. Es kann sich höchstens um eine Versicherung der Friedensliebe und der Absicht, im gegebenen Fall den Frieden anzunehmen, handeln, wie ich sie freilich unter diesem Datum nicht gefunden habe. - Die Bemerkung bei Stehmann, Beiträge zur Geschichte des Herzogs Adolf Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin in den Jahren 1636-1646, Dissertation, Schwerin 1906, S. 9 Anm. 1, die Herzöge hätten sich beeilt, ohne weiteres Abwägen ihren Beitritt zu erklären, ist nach dem Gesagten nicht zutreffend. Auch die Darstellung bei Grotefend, M. Jbb. 66 S. 268, erfährt einige Berichtigungen.
232) Sonderinstruktion Adolf Friedrichs für Joachim v. Lützow d. d. 29. Juli 1635. Orig. A. S.: Fr.
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". . . so nehmen Wir E. L. L. hiermit wiederum zu kayserlicher Huld und Gnaden auf und an, und soll dasjenige alles, was vorübergangen, gänzlichen vergessen sein, wollen auch fürder E. L. L. gnädigster Herr und Kayser verbleiben. Versehen Uns auch hingegen und ermahnen dieselbe hiermit gnädigst, E. L. L. werden in Kraft vorangezogenen Friedensschlusses daran sein, wie die Schweden aus dero Landen kommen und Sie Ihre Festungen und Seeporten mächtig werden, und solche zu unserer, des hl. Reichs und E. L. L. selbst eigenen Versicherung in guter Wahrung haben möchten ....." 233 ) Am 30. September endlich wurde von Bützow die Veröffentlichung des aus Celle den niedersächsischen Ständen mitgeteilten kaiserlichen Mandatum avocatorium, inhibitorium et relaxatorium vom 21./31. Juli in allen Ämtern verfügt. 234 ) Dem am 22. Juli in Güstrow zu- sammentretenden Landtage teilten die Herzöge in der Proposition die vollzogene Annahme des Friedens mit und stellten den Ständen die nähere Mitteilung der Akten nach Regelung der Kontributionsangelegenheit in Aussicht. Von den Bedingungen des Friedens war weiter keine Rede, und auch die versprochene Aushändigung des Aktenmaterials, woran die Stände verschiedentlich erinnerten, ging auf dem Landtage jedenfalls nicht mehr vor sich. 235 ) Die Haltung der Stände zeigt aber auch später keine Opposition gegen diese Politik der Fürsten. In diesem Punkte waren die Interessen auf beiden Seiten die gleichen, und man wird sich erinnern dürfen, daß die Stände schon zur Zeit des dänischen Krieges immer für Frieden mit dem Kaiser eingetreten waren.


233) Orig. A. S.: Fr.
234) Orig. A. S.: Fr.
235) Spalding, Landtagsprotokolle II S. 337 ff.
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V. Die Folgen.

Somit hatte Mecklenburg seinen Frieden mit dem Kaiser gemacht. Die Herzöge waren wieder anerkannt und im rechtlich gesicherten Besitz ihres Landes. Das Streben nach dieser Aussöhnung, die Aussicht auf Frieden überhaupt nach fast 20jähriger Kriegszeit, die besonders in den beiden letzten Jahren das Land schon recht hart mitgenommen hatten, ferner die Hoffnung auf Befreiung vom schwedischen Bündnis und die Furcht vor einer dauernden schwedischen Festsetzung in Mecklenburg waren die Hauptmotive gewesen, welche die Herzöge zu ihrem Schritt veranlaßt hatten. Freilich entsprach der Friede durchaus nicht in allen Punkten ihren Wünschen, aber alles übrige machte ihnen weniger Kopfzerbrechen als die schwedische Frage, von deren glücklicher Lösung nunmehr das fernere Schicksal Mecklenburgs abhing. Die Hoffnungen Adolf Friedrichs waren dahin gestellt, Schweden selbst irgendwie den Anschluß zu ermöglichen. Und die Berechtigung dazu schien sich bestätigen zu wollen, als der Kurfürst in seiner Empfangsbestätigung der Annahmeerklärung bereits von dem Beginn der Unterhandlungen berichten konnte, der am 18. Juli in Magdeburg durch eine kursächsische Gesandtschaft an Oxenstierna stattgefunden hatte. 236 )

Oxenstierna war nach den für ihn wenig erfolgreichen Verhandlungen mit Frankreich in Compiegnè über den Haag Anfang Juni auf niederdeutschem Boden in Stade angekommen. Über den Gang der Prager Verhandlungen war der Reichskanzler ohne Zweifel unterrichtet. Die Bedingungen zu beeinflussen hatte er keine Macht und er gab sich auch wohl kaum der Hoffnung hin, daß die aus Worms von den Ständen und ihm nach Dresden gelangten Vorstellungen irgend welchen Erfolg haben würden. Gleich bei der Ankunft in Stade erhielt er die Nachricht vom definitiven Friedensschluß, und nicht viel später wurden ihm


236) Johann Georg an Adolf Friedrich d. d. Leipzig, 24. Juli 1635. Orig. A. S.: Fr.
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auch die Artikel mit Ausnahme einiger Nebenrezesse bekannt. 237 )

Die Stellung des Reichskanzlers zum Frieden lernten wir schon bei Gelegenheit des Wormser Konvents kennen, und sie konnte seitdem keine andere geworden sein, besonders nachdem er Gewißheit hatte, wie der Friede die deutschen Verhältnisse regeln wollte. Wohl war er sich bewußt, daß seine früheren Forderungen oder gar die Pläne seines königlichen Herrn nicht aufrechtzuerhalten wären. Er sah ein, daß ein ehrenvoller Friede, der seinem Staate einen einigermaßen angemessenen Gewinn brächte, nicht mehr von der Hand zu weisen wäre. Der Gedanke an eine Landerwerbung war dabei noch durchaus nicht aufgegeben. Hierauf ließ nun freilich der Friede wenig Aussicht, aber wie die Dinge lagen, durfte sich der Reichskanzler ihm gegenüber nicht so gänzlich ablehnend verhalten, wie das anfangs wohl den Anschein haben konnte. Er mußte zum mindesten, wenn auch widerstrebend und ohne innerliche Überzeugung und Hoffnung auf Erfolg, auf die Verhandlungen eingehen, die der Kaiser dem Kurfürsten mit Schweden zu führen zugestanden hatte. Zwar ersuchte er den Kurfürsten nach seiner Ankunft in Magdeburg in einem wie bittere Ironie klingenden Schreiben um offizielle Auskunft über die Friedensbestimmungen, da die ihm zu Augen gekommenen Drucke ganz gewiß Fälschungen der Feinde wären, weil sie nichts von Schweden enthielten 238 ), aber sein Verhalten zeigt doch schon seit dem Scheitern des Heilbronner Bundes deutlich, daß er über den Frieden, dessen Bestimmungen und Tendenz ihm nur zu gut bekannt waren, zu verhandeln bereit wäre. Das bewies er jetzt durch seine Reise nach Magdeburg, nachdem freilich der Kurfürst die Notwendigkeit eines gütlichen Ausgleichs mit Schweden erkannt, durch ein Schreiben an Baner vom 4. Juni auf dessen Anfrage Mitteilung von dem Friedensschluß gemacht und jetzt neuerdings durch seine Gesandtschaft an den Reichskanzler den unmittelbaren Anstoß zum Eintritt in die Verhandlungen gegeben hatte. 239 )

Die Nachricht, daß Verhandlungen über den Beitritt Schwedens zum Frieden eingeleitet wären, mußte die mecklenburgischen Herzöge


237) Oxenstierna an seine Regierung d. d. Stade, 6. Juni 1635. Handlingar 35, S. 21 ff.
238) Oxenstierna an Kursachsen d. d. Magdeburg, 6. Juli 1635. Londorp IV S. 487 f.
239) Baner an Johann Georg d. d. Egel, 14. Mai 1635. Johann Georg an Baner d. d. Dresden, 4. Juni 1635. Londorp IV S. 457 und 486.
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wesentlich beruhigen. Noch blieb ihnen aber die Sorge, ob der Kurfürst dem Reichskanzler soweit entgegenkommen würde, um diesem den Beitritt zu ermöglichen, ja, ob es Schweden mit seinem Einlenken überhaupt ernst wäre? Man wußte, daß in Oxenstiernas Umgebung noch recht wenig freundlich über den Frieden geurteilt wurde.

Adolf Friedrich hatte auf die verschiedenen Warnungsschreiben des Reichskanzlers immer äußerst vorsichtig geantwortet und, ohne sich über seine Ansicht über den Frieden näher auszulassen, von dem "sehr bedenklichen und gefährlichen Zustand unseres geliebten Vaterlandes" gesprochen, sowie von der Notwendigkeit "eines allgemeinen und ehrbaren Friedens", worin "der hohen meriten der Kron Schweden mit gebührender Satisfaktion" gedacht werden müßte. 240 ) Dagegen konnte Oxenstierna nichts einwenden. Doch meinte er vom Prager Frieden, daß er "eher Trennung und dissolution als die ersehnte coalescierung aller Mitinteressierten" erreiche. Lohausen gegenüber äußerte er die Hoffnung, Adolf Friedrich werde "sich mit der Annahme des pragerischen, hoch- schädlichen, gefährlichen und präjudicierlichen Friedens nicht eilen", während er an den Herzog selbst nur schreibt, er hoffe, er werbe wie die übrigen Fürsten hinsichtlich des Friedens den richtigen Entschluß fassen. 241 ) Dagegen erklärte Baner dem niedersächsischen Kreisrat Dannenberg, er habe nicht verhofft, "daß Fürsten und Stände einen solchen gefährlichen, der Kron Schweden und ihnen selbst disreputierlichen Frieden in Ewigkeit hätten einzugehen gedenken sollen, als er jetzt von gewissen Orten mit Bestürzung vernehme." 242 ) Adolf Friedrich hätte gerne eine persönliche Zusammenkunft mit dem Reichskanzler gehabt, und dieser hatte anfangs denselben Wunsch, um auf den Herzog nachdrücklicher einwirken zu können, doch riefen ihn die Ereignisse bald nach Magdeburg. 243 ) Eine vorherige Verständigung über


240) Adolf Friedrich an Oxenstierna d. d. Schwerin, 28. Juni 1635. Konz. A. S.: Fr.
241) Oxenstierna an Adolf Friedrich d. d. Hamburg, 14. Juni, d. d. Magdeburg, 8. Juli 1635, Lohausen an Adolf Friedrich d. d. Magdeburg, 4. Juli 1635 über eine Unterredung mit Oxenstierna in Gardeleben vom 2. Juli.
242) Dannenberg an Adolf Friedrich d. d. Hildesheim, 29. Juni 1635. Orig. A. S.: Fr.
243) Oxenstierna an Adolf Friedrich d. d. Hamburg, 14. Juni, Adolf Friedrich an Oxenstierna d. d. Schwerin, 28. Juni, Lohausen an Adolf Friedrich d. d. Hildesheim, 29. Juni. Orig. bezw. Konz. A. S.: Fr.
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den Frieden war also nicht mehr möglich gewesen, obgleich Adolf Friedrich noch einen Tag vor der Abfassung seiner Annahmeerklärung Lohausen gegenüber diese Absicht geäußert und ihm angezeigt hatte, daß er vorläufig eine "dilatorische" Antwort an den Kurfürsten habe abgehen lassen, d. h. sich also noch nicht für den Frieden entschieden habe. 244 ) Lohausen hatte dem Reichskanzler auch bereits hiervon Mitteilung gemacht und Adolf Friedrichs Entschluß gepriesen 245 ), aber inzwischen hatte dieser es doch vorgezogen, den Termin nicht zu versäumen und seinen Anschluß zu vollziehen.

Dem Reichskanzler nun in der geeigneten Weise hiervon Mitteilung zu machen, war die Aufgabe einer besonderen Gesandtschaft, die aus Cothmann und Rochow bestand und am 25. Juli in Magdeburg eintraf. In der Audienz, die sie am 31. bei Oxenstierna hatten, setzten sie ihm auseinander, daß die Herzöge sich genötigt gesehen hätten, den Frieden anzunehmen, aber keineswegs aus Feindschaft gegen Schweden, sondern vielmehr in der Hoffnung, dadurch ihr Land zu retten und der Krone Schweden auch künftig noch nützen zu können. Einen Bruch des schwedischen Bündnisses sollte ihre Handlungsweise nicht bedeuten, da die Herzöge doch nicht mit dem Feinde traktiert hätten, sondern "metu majoris et pro evitando extremo periculo" dazu gezwungen worden wären. Sie betonten, daß Mecklenburg sich stets die größte Mühe gegeben habe, Schweden in die Verhand- lungen hineinzuziehen und diese auch künftig auf alle Weise unterstützen werde, um Schweden zu einer genügenden Satisfaktion zu verhelfen. 246 ) Diese Darstellung war also darauf berechnet, die Annahme des Friedens seitens der Herzöge im günstigsten Lichte erscheinen zu lassen. Oxenstiernas Antwort lautete ziemlich maßvoll, da die Notlage ihn zwang, den deutschen Fürsten, an deren Beitritt zum Frieden er doch nichts mehr ändern konnte, nicht allzu schroff gegenüberzutreten, denn die offenbare Umgehung, ja Entstellung der Tatsachen seitens der Gesandten konnte ihn doch unmöglich täuschen. Er billigte im allgemeinen den Schritt der Herzöge, beklagte sich aber mit einem deutlichen Seitenhiebe gleichzeitig bitter über den Undank der Evangelischen und wies


244) Adolf Friedrich an Lohausen d. d. Güstrow, 12. Juli 1635. Orig. A. S.: Hausarch. Sie "dilatorische Antwort" v. 7. Juli an Kursachsen. Konz. A. S.: Fr.
245) Lohausen an Adolf Friedrich d. d. Magdeburg, 19. Juli 1635. Orig. A. S.: Fr.
246) Instruktion d. d. 15. Juli 1635. Orig. A. S.: Fr.
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auf die Gefahr und Nachteile hin, die der Friede notwendig den deutschen Ständen bringen müßte. Doch sei das ihre Sache. Seine Aufgabe wäre es, wie er "sein Vaterland aus diesem Beschwer mit Ehre und Reputation herausziehe möchte", wozu er einstweilen wenig Mittel und Wege sähe. Er ließ ferner ziemlich unzweideutig durchblicken, daß Schweden sich an die Küste werde zurückziehen müssen, um sich dort im Notfalle aufs äußerste zu verteidigen, und sich "gleich wie ein Hund auf die Hinterbeine setzen und um sich beißen würde", wobei freilich "diejenigen an selbigem Ort und die in der Mitte säßen, hart betroffen" würden. Von den Verhandlungen mit Sachsen schien er sich also wenig zu versprechen. 247 )

Diese Aussicht mochten die Herzöge mit recht gemischten Gefühlen vernehmen, zumal als wenig später Lohausen sich gleichfalls dahin äußerte, wie er wenig Hoffnungen auf Erfolg der Verhandlungen habe und im Falle eines erneuten Krieges gerade Mecklenburg zum Schauplatz werden müsse. 248 ) Wenn die Herzöge also nicht schon vorder die Absicht gehabt hätten, den Gang der Verhandlungen auf alle nur mögliche Weise zu fördern und namentlich Kursachsen zum Entgegenkommen in der Satisfaktionsfrage zu veranlassen, so hätten diese Nachrichten ihnen die Notwendigkeit eines vermittelnden Eingreifens ganz unzweifelhaft machen müssen. Aber schon am 7. August waren in Leipzig, wo sich der Kurfürst damals aufhielt, die mecklenburgischen Räte von Lützow und Gehstedt eingetroffen. 249 ) Ihre Instruktion lautete neben Überreichung des Submissionsschreidens und der Annahmeerklarung für das Stift Schwerin in der Hauptsache eben dahin, den Kurfürsten noch einmal eindringlich auf die Notwendigkeit einer genügenden Satisfaktion Schwedens hinzuweisen, die nach Meinung der Herzoge in einer "Realsatisfaktion" bestehen müßte. Über deren Art äußerten sie sich freilich nicht weiter, doch muß man darunter wohl eine Satisfaktion an Land verstehen. Sodann sollten sie darauf aufmerksam machen und den Kurfürsten um Weitergabe an den Kaiser bitten,


247) Bericht der Gesandten d. d. Magdeburg, 5. Aug. 1635. Orig. A. S.: Fr.
248) Lohausen an Adolf Friedrich d. d. Magdeburg, 11. Aug. 1635. Orig. A. S.: Fr. Es heißt hier u. a.: das Werk stehet gefährlich und sieht seltsam aus. Pax non pax, sed belli fax.
249) Der anfangs für die Gesandtschaft ausersehene Oberst Ilefeld entschuldigte sich damit, daß er das Submissionsschreiben nicht übergeben könnte, weil er stehts gegen den Frieden gewesen wäre. Adolf Friedrich an Reinking d. d. Bützow, 23. Juli 1635. Konz. A. S.: Fr.
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daß Mecklenburg unter dem Drucke Schwedens die Garnison in Wismar auch künftighin unterhalten müßte, d. h. also den Bedingungen des Friedens nach der militärischen Seite hin nicht nachkommen könnte. Es deckte sich dieses mit der Versicherung Oxenstierna gegenüber, daß man Schweden nicht zum Feinde haben wollte, nur daß dort die Feindschaft gegen Schweden, hier seine Machtstellung als Motive für das passive Verhalten der Herzöge galten.

Die Antwort des Kurfürsten, die sich, wegen der gleichzeitigen Verhandlungen mit dem Reichskanzler und der Anwesenheit des brandenburgischen Gesandten Grafen Schwarzenberg etwas verzögerte, lautete wenig aussichtsreich und tröstlich für die Herzöge. Sie erfuhren hieraus wie aus den zahlreichen, den Gesandten mitgegebenen Aktenstücken, daß der Kurfürst sich undedingt auf den Boden des Prager Friedens stellte und höchstens von einer Geldentschädigung für Schweden etwas wissen wollte. Er bedeutete die Herzöge ihren Vorstellungen gegenüber mit wörtlicher Anführung jenes Artikels des Friedens über die "auswärtigen Potentaten" recht unsanft: "Und dieses nun ist der klare und eigentliche Inhalt des Friedensschlusses, welchen I. F. Gn. acceptieret." Über die Ausführung der militärischen Bestimmungen des Friedens in Mecklenburg äußerte er sich gar nicht. 250 ) Nicht schroffer konnte es den Herzögen gesagt werden: Ihr habt den Frieden angenommen, tragt nun auch die Folgen! Der Versuch, fördernd in die Verhandlungen einzugreifen, konnte als gescheitert gelten, und die Herzöge mußten mit großer Sorge auf den Ausgang blicken.

Dagegen sahen sie sich wenigstens der Zweifel enthoben, die sie noch zur Zeit ihrer Annahmeerklärung wegen des Beitritts der übrigen evangelischen Stände hegen mußten. Abgesehen von Bernhard von Weimar, der bereits ganz in die Arme Frankreichs getrieben war, und Landgraf Wilhelm von Hessen, der auf dem besten Wege dazu war, hatten bis Mitte August alle evangelischen Stände ihren Beitritt vollzogen. 251 ) Am hartnäckigsten waren Georg von Braunschweig-Lüneburg und der Kurfürst von Brandenburg gewesen. Ersterer war vor allem nicht gewillt, seine militärische Selbständigkeit aufzugeden, und erst als sein Bruch mit Schweden vollzogen und seine Brüder August und Friedrich ihm mit Entziehung der Erbschaft des verstorbenen Friedrich Ulrich


250) Instrustrion d. Gesandten d. d. 20. Juli, kurfürstliche Resolution d. d. Leipzig, 15. Aug., Bericht d. Gesandten d. d. Güstrow, 27. Aug. 1635. Orig. A. S.: Fr.
251) Vergl. die Zusammenstellung bei Dürbeck S. 29 Anm. 2 und 4.
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drohten, legte er sein schwedisches Generalat nieder und trat mit gewissen Einschränkungen dem Frieden bei. 252 ) Kurbrandenburg endlich hatte, nachdem es überzeugt war, das Oxenstierna in der pommerschen Frage unnachgiebig wäre, nach längeren, anfangs durch Arnim, dann durch Graf Schwarzenberg geführten Verhandlungen am 8. August eine gleichfalls eingeschränkte Beitrittserklärung an Kursachsen überreicht. 253 ) Damit war der Abfall von Schweden im ober- und niedersächsischen Kreis vollendet.

Unter diesen Umständen wäre es eigentlich überflüssig gewesen, daß, nachdem alle niedersächsischen Stände bereits bis Ende Juli den Frieden angenommen hatten, am 4. August noch ein Kreistag in Lüneburg zusammentrat, um darüber zu verhandeln. Die Annahme wurde hier nur noch einmal namens des Kreises ausgesprochen. Indessen war der Tag angesagt, als von einer so allgemeinen Annahme des Friedens noch wenig bekannt war, und zwar anfangs auf den 13. Juli. Oxenstierna selbst hatte daher die Absicht gehabt, in Person zu erscheinen und noch einen Versuch zu machen, die niedersächsischen Fürsten für sich zu gewinnen. 254 ) Die Aussicht auf eine Zusammenkunft mit dem Reichskanzler bestimmte jedenfalls auch Adolf Friedrich, sich nach Lüneburg zu begeben. Als er jedoch erfuhr, daß weder Oxenstierna noch irgend ein Fürst persönlich anwesend wäre, machte er in Celle Halt und wartete hier den Verlauf der Tagung ab. 255 )

Obwohl Oxenstierna inzwischen die Stellungnahme der niedersächsischen Stände erfahren haben mußte, wollte er trotzdem nicht müßig bleiben und fertigte den Hofrat Dr. Steinberg zum Kreistage ab, der noch einmal versuchen sollte, die Fürsten vom Frieden zurückzuhalten. 256 ) Dies doch bereits in der Wurzel aussichtslose Unternehmen kennzeichnet die Notlage des Reichskanzlers, der kein Mittel unversucht lassen wollte, die Niedersachsen wenigstens von offenen Feindseligkeiten gegen Schweden abzuhalten.


252) v. d. Decken III S. 1 ff., Aktenbeilagen Nr. 178 und 180 S. 205 ff. Georgs Annahme-Erklärung d. d. Celle, 31. Juli 1635. A. S.: Kreisf.
253) Dürbeck S. 32 ff. - Georg Wilhelm teilte seinen Beitritt am 27. Aug. dem Reichskanzler, am 28. den Herzögen von Mecklenburg mit. Kop. bzw. Orig. A. S.: Fr.
254) Lohausen au Adolf Friedrich d. d. Magdeburg, 19. Juli 1635. Ong. A. S.: Fr.
255) Adolf Friedrich an Oxenstierna d. d. Dannenberg, 19. Aug. 1635. Konz. A. S.: Fr. Tagebuch Adolf Friedrichs, 11.-18. Aug. A. S.: Hausarch.
256) Instruktion für Steinberg d. d. Magdeburg, 13. Aug 1635. Kop. A. S. : Fr. Vergl. Chemnitz II S. 782 ff.
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Steinberg kam indessen zu spät nach Lüneburg; der Kreistag war bereits am 13. August geschlossen. Nunmehr nahm der schwedische Gesandte seinen Weg zu den einzelnen Ständen selbst. So war er am 2. und 3. September auch bei Adolf Friedrich und Hans Albrecht in Neustadt, um hier sein Anliegen vorzubringen. 257 ) Was sollten die Herzöge ihm antworten? In einer längeren Resolution setzten sie nochmals die Notwendigkeit der Annahme des Friedens auseinander und erklärten, daß sie damit keineswegs den vollständigen Bruch mit Schweden hätten bezwecken wollen, sondern auch weiter für eine genügende Satisfaktion Schwedens Sorge tragen wollten. Sie unterließen nicht, gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß zurzeit gerade Abgesandte des niedersächsischen Kreistages bei Kursachsen wären, um in diesem Sinne zu wirken. 258 )

Im Hinblick nämlich auf die wenig guten Nachrichten vom Fortgang der Verhandlungen in Sachsen hatte der Kreistag nicht ohne Betreiben Adolf Friedrichs 259 ) den Beschluß gefaßt, durch eine Gesandtschaft an den Kurfürsten von neuem die dringende Notwendigkeit eines gütlichen Ausgleiches mit Schweden durch eine ausreichende Satisfaktion auseinanderzusetzen. Den Kreistag bewog zu dieser Maßregel vor allen der drohende Einfall der immerhin noch recht beträchtlichen schwedischen Kriegsmacht in die lüneburgischen und mecklenburgischen Gebiete. Die Satisfaktion Schwedens dachte man sich in Geld bestehend, das nicht nur die evangelischen, sondern namentlich die "neutralen" Stände zu tragen hätten, doch ließ man durchblicken, daß Schweden sich hiermit vielleicht nicht zufrieden geben werde. Nebenbei sollten sodann die Gesandten versuchen, den Erlaß der den mecklenburgischen Herzögen auferlegten Strafsumme von 100 000 Talern sowie der


257) Adolf Friedrich und Hans Albrecht an Oxenstierna d. d. Neustadt, 3. Sept. 1635. Konz. A. S.: Fr. Tagebuch Adolf Friedrichs, 2. und 4. Sept. A. S.: Hausarch. Vergl. Chemnitz II S. 788 ff.
258) Die Resolution erfolgte erst nach mehrfachen Mahnungen Steinbergs am 20. Sept. Konz. A. S.: Fr. Sie war Gegenstand verschiedener Erörterungen zwischen den Brüdern, da Adolf Friedrich glaubte, daß sie mit in die Sammlung der Aktenstücke über die Verhandlungen Schwedens mit den deutschen Fürsten, deren Druck die schwedische Regierung plante, ausgenommen werden könnte. Aus dem Grunde wurde z. B. noch nachträglich der Ausdruck "Feind", der bei der Darstellung des Krieges seit Gustav Adolfs Erscheinen von der kaiserlichen Partei gebraucht war, vorsichtshalber geändert. Adolf Friedrich an Hans Albrecht d. d. Bützow, 21. Sept. 1635. Konz. A. S.: Fr.
259) Instruktion f. d. Gesandten Reinking u. Flotow d. d. Dannenberg, 8. Aug. 1635. Konz. A. S.: Kreisf.
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den Lüneburgern den Tillischen Erben zu zahlen befohlenen 400 000 Talern zu bewirken. Sie sollten ferner erklären, daß den Kreisständen die Erlegung der im Frieden vorgeschriebenen 120 Römermonate unmöglich wäre. Auch die Ausdehnung der Amnestie auf alle Evangelischen gehörte zu den Wünschen der Niedersachsen. 260 ) Am 22. August brachten die Gesandten ihr Anliegen in Leipzig vor. Erst am 9. September erfolgte vom Hauptquartier Barby aus, wohin sich der Kurfürst inzwischen begeben hatte, die Antwort, die, abgesehen von der Amnestiefrage, deren sich der Kurfürst bereits beim Kaiser angenommen hatte, nichts weniger als entgegenkommend lautete. Der Kurfürst verwies wieder auf die noch schwebenden Verhandlungen mit Schweden und gab den Gesandten Abschriften der Aktenstücke mit, lehnte aber einen Erlaß der mecklenburgischen und lüneburgischen Strafgelder sowie der Kriegsbeihülfe als beim Kaiser undurchsetzbar ab. 261 ) Dagegen fragte er, der Kurfürst, an, wie es eigentlich mit der Konjunktion der 7 niedersächsischen Regimenter mit seiner Armee stände, die dem Frieden nach unter kursächsischen Oberbefehl treten sollten?

Diese "Konjunktion der Waffen" war der Punkt, der sowohl in der Annahmeerklärung Wilhelms von Weimar ein Gegenstand der Einschränkung war, als auch bei den Verhandlungen mit Brandenburg eine Rolle spielte. 262 ) Ebensowenig war, wie wir bereits sahen, Georg von Lüneburg geneigt, die Waffen ganz aus der Hand zu legen. So besagte auch seine Annahmeerklärung über diese Frage nichts, und der Kurfürst hatte bereits in seiner Empfangsbestätigung darauf aufmerksam gemacht, daß der Kaiser daran Anstoß nehmen würde, was sich ihm in der Folge bestätigte. 263 ) Trotzdem blieb der Herzog entschlossen, als General des niedersächsischen Kreises diesem seine Truppen zu erhalten, "womit der Kreis sich ... wider alle kriegende Teile, welche sonsten demselben mit Sammel-Laufplätzen, Einquartierungen und anderen Kriegsbeschwerden zusetzen .... sich schützen .... und auf den Notfall wider den berührten Friedensstörer sich konjugieren


260) Kreisabschied vom 13. Aug. 1635, Instruktion für die Gesandten Engelbrecht (Braunschweig) und Reinking (Mecklenburg) d. d. Lüneburg, 12. Aug. Kop. A. S.: Kreiss. Vergl. Chemnitz II S. 785 ff.
261) Reinking hatte indessen Gelegenheit, einem kaiserlichen Abgesandten in Leipzig die Bitte seiner Herzöge um Erlaß der Strafsumme vorzutragen. Bericht an Adolf Friedrich d. d. 1. Sept. Orig. A. S.: Fr.
262) Dürbeck S. 30 und 36 f.
263) v. d. Decken III S. 8.
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könnte." 264 ) Die schwierige Frage war nur die des Unterhalts. Georg hatte den Kreisständen in Lüneburg den Vorschlag gemacht, zu diesem Zweck die Summen, die man seiner Ansicht nach doch noch an Schweden zu dessen Satisfaktion werde zahlen müssen, an ihn abzuliefern, da er noch von dort 41 000 Taler rückständige Werbegelder zu fordern hätte. Die Abgesandten wichen einer Antwort aus, da sie nicht instruiert seien. 265 ) Der Vorschlag hätte aber sicherlich bei den Ständen selbst wenig Gegenliebe gefunden. Immerhin sprach sich der Kreistag im Prinzip für die Erhaltung der Armee aus und bestätigte die Braunschweiger Beschlüsse, d. h. die Bewilligung des 12 fachen Römerzuges auf 3 Monate. Dieser Beschluß stand in einein merkwürdigen, aber bezeichnenden Gegensatz zu der Beteuerung dem Kurfürsten gegenüber, man könnte keine Mittel für den Krieg mehr aufbringen, wie sie der Prager Frieden verlangte.

Adolf Friedrich, der in Celle persönlich mit Georg zusammengekommen war, billigte dessen Absichten durchaus, ja, er hatte sich sogar bereit erklärt, einen Teil der niedersächisischen Truppen ins Land zu nehmen, um nach Möglichkeit die festen Plätze zu besetzen. Die Forderungen des Braunschweiger Tages für die niedersächisische Armee hatte er vordem bereits, kaum 10 Tage nach der Annahme des Friedens, vom Landtage bewilligen lassen. 266 ) Auch später hat Georg den Herzog wieder dringend ersucht, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen, und ihm die Notwendigkeit einer bewaffneten Macht zum Schutze des eigenen Landes gegen jedermann vor Augen gestellt. Wir dürfen nicht zweifeln, daß Adolf Friedrich darauf eingegangen ist, wenn ihn auch der Zustand seines Landes verhinderte, eine irgendwie bedeutende Truppenzahl aufzustellen oder zu unterhalten. 267 ) Einstweilen hoffte er ja noch immer, daß es nicht zum äußersten kommen, die Verhandlungen zwischen Kursachsen und Schweden zu einem glücklichen Ereignis führen und ihn so aus aller Not befreien würden.

Diese Hoffnung sollte sich jedoch bald als trügerisch erweisen.


264) Memorial Georgs an den niedersächsischen Kreistag zu Lüneburg d. d. 4. Aug. 1635. v. d. Decken III Nr. 181 S. 209 ff.
265) v. d. Decken. III S. 7 f.
266) Spalding, Landtagsprotokolle II S. 336 und 345.
267) Georg an Adolf Friedrich d. d. Hildesheim, 18. Aug. 1635. Orig. A. S.: Fr. (v. d. Decken III Nr. 184 S. 212 ff.). - Am 20. Aug. bittet Georg zur Erleichterung des Verkehrs um Ernennung einer vertrauten Vermittelungsperson in Lüneburg, was auf intime Verhandlungen schließen läßt. Adolf Friedrich sagt das zu d. d. Grabow, 31. Aug. Orig. Staatsarch. Hannover.
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Schon aus den Berichten seiner Gesandten über ihre wenig erfolgreiche Mission beim Kurfürsten und aus dem Aktenmaterial, das sie mitbrachten oder auch Oxenstierna ihm laufend zuschickte, konnte der Herzog erkennen, daß die Verhandlungen kaum zum Ziele führen würden. Der Vormarsch der sächsischen Armee gegen die Elbe bestätigte, daß der baldige offene Bruch zwischen beiden Parteien höchst wahrscheinlich wäre. Es ist erklärlich, wenn Adolf Friedrich unter dem Einbruck dieser beunruhigenden Nachrichten auf den Gedanken kam, eine neue und einflußreichere Vermittelung einzuleiten. Er dachte hierbei an Dänemark und England, dessen Monarchen doch wegen Bremen bzw. der Verwandtschaft mit dem pfälzischen Hause ein Interesse an den deutschen Angelegenheiten hatten. Herzog August von Braunschweig-Lüneburg, den er für diesen Plan zu gewinnen suchte und der die nötigen Schritte vom niedersächsischen Kreise aus tun sollte, ging aber nicht darauf ein, und so unterblieb die Ausführung dieses Planes. 268 )

Die Verhandlungen nahmen unterdes in den beiderseitigen Hauptquartieren Barby und Magdeburg ihren Fortgang, ohne zu besseren Ergebnissen zu führen. Die Nachricht endlich von der plötzlichen Ankunft des Reichskanzlers in Dömitz am 21. September, von wo er nach Wismar weiterreiste, konnte keinen Zweifel mehr an dem Scheitern der Verhandlungen aufkommen lassen. Oxenstierna verwies zwar den darum desorgt anfragenden Adolf Friedrich auf die auch nach seiner Abreise noch fortwährenden Verhandlungen, die unter dem vermittelnden Einfluß Kurbrandenburgs in Schönebeck noch eine Weile fortgesetzt wurden. Aber auch hier wurde kein Übekeinkommen erzielt. Am Ende des Monats mußten die Versuche, den Frieden zu erhalten, als endgültig gescheitert gelten.

Obwohl der Reichskanzler den Frieden gewollt hatte und in seinen Forderungen bebeutend derabgegangen war, auch seitens seiner Regierung die weitgehendste Vollmacht besaß, glaubte er sich doch nicht mit dem zufriedengeben zu dürfen, was Johann Georg ihm bot, der seinerseits an der einmal eingeschlagenen Politik des Prager Friedens mit der größten Zähigkeit festhielt. Im Hintergrunde stand dazu die unnachgiebige Haltung des Wiener Hofes. 269 ) Wenn man auf schwedischer Seite die Schuld an


268) Adolf Friednch an Herzog August d. d. Eldena, 6. Sept. August an Adolf Friedich d. d. Celle, 12. Sept. 1635. Konz. bzw. Orig. A. S.: Fr.
269) Vergl Hurter, Friedensbestrebungen Ferdinands II. S 159 ff.
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dem Scheitern der FriedensVerhandlungen allein dem starrsinnigen Verhalten-des Kurfürsten zuschreiben wollte und dies aktenmäßig zu belegen suchte, so vergaß man eben die schwierige Stellung Johann Georgs den letzten Endes doch immer wieder auf eine Festsetzung Schwedens in Norddeutschland hinzielenden und somit dem Prinzip des Prager Friedens widersprechenden Forderungen des Reichskanzlers gegenüber. Die Verbindlichkeit dieses Friedens aber hatte er zusammen mit dem Kaiser soeben feierlichst verkündet, und fast alle deutschen Stände sich für ihn erklärt. 270 )

Die nächste Folge des Abbruchs der Verhandlungen war naturgemäß die, daß der Kurfürst, da Schweden sich dem Prager Frieden nicht fügen wollte, den Kampf eröffnen mußte. Am 2. Oktober brach er aus seinem Hauptquartier Barby auf und folgte zunächst Baner, der bereits am 23. September von den allmählich sich vorschiebenden Sachsen in seinen Quartieren bedrängt, Lohausen mit 2 Regimentern in Magdeburg zurücklassend, ins Lüneburgische gerückt war. 271 ) Am 6. erfolgte der offizielle Befehl an die Armee, die sogenannte "Blutorder", die Feindseligkeiten zu beginnen. 272 ) Die westliche Route verfolgte der Kurfürst indessen nur wenige Tage, um sich dann nordwärts in die Altmark zu wenden und die Elbpässe zu gewinnen. Es gelang ihm in der Tat, die wichtige, von den Schweden nur schwach besetzte Werbener Schanze zu erobern. Als er jedoch unterhalb von Dömitz bei Schnakenburg den Elbübergang vollziehen und zu dem Zwecke auch jene wichtige Festung einnehmen wollte, erreichte ihn die erste empfindliche Niederlage. Baner hatte nämlich auf die Nachricht von der Marschwendung des Kurfürsten seinen Weg gleichfalls nach Norden genommen, um den Elbübergang zu gewinnen, die Küste zu besetzen und nach Osten hin Fühlung mit den durch den polnischen Waffenstillstand vom 2. September frei gewordenen und nun heranrückenden schwedischen Regimentern unter Torstenson zu bekommen. Er hatte den Generalleutnant


270) Die neueste Darstellung der schwedisch-sächsischen Verhandlungen von 1635 bei Dürbeck, Kap. 3 u. 4 nach den Akten des Dresdener Archivs. Gedruckt ist reiches Material bei Londorp IV S. 487 ff. und in der von der schwedischen Regierung herausgegebenen: Nachricht und Information wegen der im Namen der Königl. Maj. zwischen deroselben Kanzlern .... Herrn Axel Oxenstirn .... und dann den Durchlauchtigsten Herrn Johann Georgen .... eine zeithero verübten Akten und Trastaten. 1635. Vergl. Hitzigrath S. 60 f.
271) Barner an Oxenstierna d. d. Oldenstadt bei Uelzen d. d. 5. Okt 1635. Oxenstiernas Skrister VI S. 216 f.
272) Chemnitz II S. 849.
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Ruthwen mit der Kavallerie vorausgeschickt, und diesem gelang es am 22. Oktober, den sächsischen General Baudissin vor Dömitz zu schlagen. 273 ) Während die Sachsen sich nach Werben zurückzogen, hier über die Elbe gingen und die Gegend von Havelberg und Sandau besetzten, rückte Baner, der in der Nähe von Lauenburg die Elbe überschritten hatte, über Dömitz und Grabow ins südliche und östliche Mecklenburg.

So war denn das lange Befürchtete in der Tat eingetreten:

Mecklenburg war Schauplatz des Kampfes zwischen den Schweden und Sachsen geworden. Die eine Partei stand bereits im Lande, die Sachsen lagen drohend und zum Angriff bereit im Süden, während von Osten her Torstenson Vereinigung mit Baner und der kaiserliche General Morazin solche mit dem Kurfürsten suchte. Die mecklenburgischen Herzöge waren nach dem Friedensvertrage gezwungen, sich auf Seite der Sachsen zu stellen und am Kampfe gegen die Schweden teilzunehmen.

Schon vor Baners Anrücken hatten die Schweden in Mecklenburg alle Anstalten zum äußersten Widerstand getroffen. Wir erinnern uns, daß Adolf Friedrich sich zur Übernahme eines Teils der niedersächisischen Truppen erboten hatte, um mit ihnen seinerseits die festen Plätze zu besetzen, und zwar nicht so sehr im Interesse der anrückenden Sachsen, als namentlich zu seinem eigenen. Das mußte ihn aber notwendigerweise in einen Gegensatz zu den schwedischen Absichten bringen, so sehr er das stets zu vermeiden suchte. Am 22. September war das Regiment des Obersten Johann Dietrich von Ehlen in Dömitz angekommen, um diesen Platz zu besetzen und den Elbübergang zu vollziehen, als ihm eine Abteilung des schon einige Zeit im Lande weilenden schwedischen Regiments Wachtmeister unter Oberstleutnant Goldstein zuvorkam und sowohl den Übergang wie die Besetzung der Festung hinderte, die nun mit schwedischem Volk belegt wurde. Ehlen sah sich genötigt, eine Strecke unterhalb von Dömitz, bei Hitzacker, überzusetzen. Seine Truppen besetzten sodann das Schweriner Schloß, Bützow und Rostock, letzteres mit 6 Kompagnien, zum


273) Baner an Oxenstierna d. d. Artlenburg, 23. Okt. 1635 Oxenstiernas Skrifter VI S. 230 ff. - Zur Berichtigung von Balck, M. Jbb. 68 S. 96, und nach ihm Schnell, S. 173 Anm. 38 sei gesagt, daß umgekehrt die Eintragung Adolf Friedrichs zum 22. Nov. irrtümlich ist und zum 22. Okt. gehört, während die zum 24. Okt unverständlich ist. Vielleicht ist das Treffen bei Lenzen vom 24./25. Okt. gemeint. Vergl. Baner an Oxenstierna d. d. Grabow, 6. Okt. Oxenstierna Skrifter VI S. 234 ff. und Tagebuch des Oberst Bitzthum von Eckstädt, Märkische Forschungen Bd. 16 S. 319 ff.
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größten Mißvergnügen Oxenstiernas. 274 ) Indessen war nach Oxenstiernas Ankunft in Wismar die Insel Poel unter Demolierung des dortigen herzoglichen Hauses von den Schweden besetzt worden. 275 ) Gleichzeitig wurden Vorkehrungen getroffen, Wismar stärker zu befestigen und das nötige Material, Geld und Arbeitskräfte, ohne weiteres von den Herzögen gefordert. Die Folgen des Prager Friedens begannen sich bemerkbar zu machen. Am 25. September erschien sogar in Schwerin eine Kompagnie Reiter vom Regiment Wachtmeister unter dem Major Vietinghoff, dem nach 4 Tagen der Oberst selbst mit 7 weiteren Kompagnien folgte. Adolf Friedrich legte sofort dringende Beschwerde beim Reichskanzler ein und erreichte auch wirklich, daß Oxenstierna den Befehl erteilte, die Truppen aus Schwerin zu nehmen und im Lande zu verteilen, sowie überhaupt den beiden Residenzstädten Schwerin und Güstrow Befreiung von Einquartierung zusicherte. Aber Wachtmeister dachte nicht daran, dem Befehl nachzukommen. Er verlangte endlich sogar für seinen Abzug außer den Unterhaltsgeldern, die sich monatlich auf 11 280 Taler beliefen, noch 10 000 Taler von den Einwohnern Schwerins. Als ihm nur die Hälfte bewilligt wurde, setzte er kurzerhand den Kanzler Reinking und den Geheimen Rat von der Lühe gefangen und ließ sie nach Wismar bringen. Sie wurden zwar nach 14 Tagen wieder entlassen, mußten aber versprechen, in die Haft zurückzukehren, wenn das verlangte Geld nicht in 6 Wochen bezahlt wäre. Erst Anfang November zog Wachtmeister ab. 276 ) Man sieht nicht, daß Oxenstierna den Übergriffen des Obersten energisch gewährt hätte.

Daß Adolf Friedrich unter diesen Umständen darauf bedacht war, wirksamere Mittel und Wege als nur Bitten und Vorstellungen zu suchen, das Unheil, das täglich ärger zu werden drohte, wenn möglich noch vor dem Beginn des offenen Kampfes zwischen Baner und den Sachsen auf mecklenburgischem Boden abzuwenden, finden wir begreiflich. so dachte er anfangs daran, noch mehr von Georgs niedersächsischen Truppen an sich zu ziehen


274) Adolf Friedrich an Georg d. d. Bützow, 1. Okt. 1635. .Konz. A. S.: Inv. host. Vol. XVII. - Oxenstierna ließ der Stadt Rostock drohen, sie würde aller Schiffe und Güter in Schweden verlustig gehen, falls sie Ehlen aufnähme.
275) Nach Chemnitz II S. 822 geschah dies, weil die Herzöge Anstalten machten, die Insel ihrerseits zu befestigen und zu besetzen, "damit man zu Wismar keine solche Brille auf die Nase bekäme".
276) Er hatte in Schwerin für 46 504 Taler Schaden verursacht, davon 12 360 in bar erhalten. A. S.: Inv. host Vol. XVII.
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und sich mit ihnen der Übergriffe der Schweden, im Notfall auch der Sachsen, zu erwehren. Er schrieb auch in der Tat kurz hintereinander dringend um Übersendung von Soldaten und empfahl als Übergang über die Elbe Winsen, weil alle übrigen Plätze bereits besetzt waren. 277 ) Hierzu kam es nun freilich nicht, hauptsächlich weil Georg seine Regimenter selbst zum Schutze seines Landes brauchte und Baner außerdem den Weg sperrte. Nicht viel später fand sodann seine Zusammenkunft mit Johann Georg statt, bei der er endlich seinen Anschluß an die kursächsisch Armee versprach. 278 ) So blieb dem Herzog denn nichts anderes übrig, als noch einmal den Versuch zu machen, die beiden Parteien miteinander zu versöhnen. Die Not seines Landes trieb ihn dazu, diesen seinen Lieblingsgedanken, der bisher immer gescheitert war, mit noch größerer Energie als bisher wieder aufzunehmen und nunmehr seine eigene Person dazu anzubieten. 279 )

Gleich nach Oxenstiernas Ankunft in Wismar wurden zu diesem Zwecke 2 Räte abgesandt, die dem Reichskanzler neue Friedensverhandlungen unter dänischer Vermittelung empfehlen und die Hülfe ihrer Herzöge dabei anbieten sollten. Kursachsen suchte man gleichzeitig für die Wiederaufnahme der Verhandlungen und eine neue dänische Vermittelung zu gewinnen. 280 ) Aber


277) Adolf Friedrich an Georg d. d. Bützow, 8. u. 9. Okt. 1635. Konz. A. S.: Inv. host. Vol. XVII.
278) v. d. Decken III S. 28 ff.
279) Die mecklenburgische Vermittelung behandelt eingehend Dürbeck Kap. V S. 86 ff.
280) Instruktion für H. v. Passow u. H. Z. v. Rochow an Oxenstierna d. d. Doberan, 25. Sept. 1635. Orig. A. S.: Verm. - Hans Albrecht an Johann Georg d. d. Güstrow, 27. Sept. Orig. A. D.: Pr. Fr. 10. - Hiernach berichtigt sich ohne weiteres die Darstellung bei Schnell S. 85 f., die doch, wie schon Dürbeck S. 89 Anm. 7 u. S. 90 Anm. 4 hervorhebt, den Eindruck erwecken muß, als ob die Initiative zu den neuen Verhandlungen von Oxenstierna aufgegangen wäre. Immerhin mag hier eine Stelle aus einem Schreiben Oxenstiernas an Adolf Friedrich aus Magdeburg vom 9. Sept. 1635 (Orig. A. S. Fr.) Erwähnung finden, wo es heißt: ,,.... daß man (Kursachsen) gewillt ist, uns an die Küste zu drängen und die moles belli auf E. F. G.- und Nachbarländer zu wälzen, so stelle ich deroselben wegen ihrem hierunter versierendem Interesse anheim, ob Sie sich belieben lassen will, sich durch allerhand dienliche Mittel nochmalig zu interponieren..." Auch Anerbieten der Herzöge, den Frieden zu befördern, auf die sich nach Schnell nunmehr Oxenstierna besonnen hätte, finden sich genug; sie gehören aber ebenso wie Oxenstiernas obige Äußerung einer Zeit an, wo die Verhandlungen mit Sachsen noch Erfolg versprachen. Nunmehr, nach dem Abbruch jener Verhandlungen, bedeutete die Gesandtschaft der Herzöge ein vollkommen (  ...  )
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weder Johann Georg noch Oxenstierna wollten von Dänemark, der Kurfürst überhaupt von neuen Verhandlungen nichts wissen, während der Reichskanzler im übrigen die Anträge bei Gesandten günstig aufnahm und den Kurfürsten von Brandenburg wie Adolf Friedrich von Mecklenburg vorschlug, in Person die nötigen weiteren Schritte zur Einleitung erneuter Unterhandlungen zu tun. 281 ) Sogleich suchte Adolf Friedrich den Kurfürsten von Brandenburg für den Plan zu gewinnen, aber dieser lehnte jede Vermittelung ab und riet dem Herzog, den Reichskanzler zu veranlassen, sich mit den von Kursachsen zuletzt gebotenen 25 Tonnen Goldes als Satisfaktion zu begnügen und "den Bogen nicht zu straff zu spannen". 282 ) Kaum hatte Adolf Friedrich diese Absage erhalten, als er die Räte zum zweiten Male nach Wismar sandte, um den Reichskanzler zu ersuchen, "etwas prudenter zu cedieren", "den gefaßten rigorem fallen zu lassen", und "die geschehen Offerten zu acceptieren und totam molem belli zu beenden". 283 ) Gleichzeitig weilten pommersche Gesandte in Wismar, die ebenfalls den Auftrag hatten, den Reichskanzler zum Frieden und Nachgeben zu bewegen, weil ihr Land ein noch höheres Interesse daran hatte als Mecklenburg. 284 ) Von einem einseitigen Nachgeben wollte nun freilich Oxenstierna nichts wissen, wohl aber ersuchte er die Gesandten, ihre .Herzöge zu einer direkten Vermittelung zwischen Kursachsen und seiner Krone aufzufordern. Als leitende Grundsätze ließ er durchblicken, daß er durchaus neue, und zwar direkete Verhandlungen zwischen ihm als schwedischen und dem Kurfürsten als kaiserlichen Bevollmächtigten verlangte und ferner, daß er mit der bisher gebotenen Satisfaktion nicht zufrieden sein könnte. Mit Freuden vernahm Adolf Friedrich diese Aufforderung, und während die Pommern sich an der Vermittelung nicht weiter beteiligten 285 ), unternahm er es, persönlich die Verhandlungen


(  ...  ) neues Stadium ihrer Vermittlungstätigkeit, wozu sich die Initiative aus der ganzen Situation unmittelbar für sie allein ergab. Jene Äußerung des Reichskanzlers vom 9 Sept. mag sie vielleicht ermutigt haben, wie dies später auch die Mission Straßburgers tat. (S. flg. S. )
281) Bericht der mecklenbg. Gesandten d. d. 6. Okt 1635. Orig. A. S.: Verm.
282) Georg Wilhelm an Adolf Friedrich d. d. Cöln, 7. Okt 1635. Orig. A. S.: Verm.
283) Instruktion d. d. Bützow, 12. Okt. 1635. Orig. A. S.: Verm.
284) Bär a. a. O. S. 115 ff. Bericht der pommerschen Gesandten vom 27. Okt. Nr. 163 S. 317 ff.
285) Ebenda S. 324.
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mit dem Kurfürsten einzuleiten und sich in dessen Hauptquartier zu begeben. 286 )

Am 29. Oktober traf Adolf Friedrich in Sandau ein, wo am nächsten Tage die Verhandlungen begannen. Der Verlauf der mecklenburgischen Vermittelung ist hier nicht zu verfolgen. Adolf Friedrich scheute bei der wachsenden Not des Landes keine Mühe, sein Ziel zu erreichen. Von Sandau eilte er im November nach Stralsund, wohin sich der Reichskanzler begeben hatte, von dort im Dezember zurück nach Mecklenburg zum Kurfürsten, der in Parchim stand, und wieder nach Stralsund. Im Januar 1636 war er zum dritten Male beim Kurfürsten, in Bernau in der Mark, und im März endlich zum letzten Male bei Oxenstierna in Wismar. Aber der Erfolg war trotz mancher Annäherungen wieder ein negativer, zumal die kriegerischen Ereignisse bereits zu stark auf den Gang der Verhandlungen einwirkten und ein im Dezember 1635 von Adolf Friedrich angestrebter Waffen-stillstand wegen der hohen Forderungen Baners nicht zustande kam. Im Januar 1636 konnten die Verhandlungen als gescheitert gelten, obwohl der Herzog sich noch weiter bemühte, später auch die ebenso ergebnislosen Vermittelungsversuche Dänemarks und des Markgrafen Sigismund von Brandenburg 1636/37 unterstützte und endlich noch einmal im Spätsommer 1637 beim Nahen des kaiserlichen Heeres selbst wieder die Vermittlerrolle übernahm, bis im Februar 1638 die Ratifikation des neuen schwedisch-französischen Bündnisses von 1636 allen Friedensaussichten fürs erste ein Ende machte. 287 )

So trafen denn die Folgen, die der Prager Friede und die Stellungnahme der Herzöge zu ihm mit sich bringen mußte, die Herzogtümer mit aller Schwere. Für Schweden war Mecklenburg


286) Adolf Friedrich teilte Oxenstierna seinen Entschluß am 22. Okt. mit, der ihn am 23. billigte und guten Erfolg wünschte. Konz. bzw. Orig. A. S.: Verm. - Zwischen den beiden mecklenburgischen liegt eine Gesandtschaft des Reichskanzlers an die Herzöge in Person des Kriegsrats Dr. Straßburger, der über die bisherigen Verhandlungen mit Kursachsen eingehend berichten und die Meinung der Herzöge kennen lernen sollte. Den Anstoß zu der mecklenburgischen Vermittelung hat er jedenfalls nicht gegeben. Auch die zweite mecklenburgische Gesandtschaft war bereits vor seinem Eintreffen beschlossen, denn ihre Instruktion ist vom 12. Okt. datiert, während Straßburger erst am 16. bei den Herzögen war. Vergl. Handlingar 37, S. 120 f. und Dürbeck S. 91 Anm. 1.
287) Über die neue dänische Interposition vergl. Chemnitz II S. 924 ff. Die sog. zweite mecklenburgische Vermittelung bei Stehmann a. a. O. Kap. 3 S. 39 ff.
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fortan ein feindliches Land, so sehr sich die Herzöge bemüht hatten, diese Tatsache zu verbergen. Der Umstand, daß der Vormarsch des Kurfürsten die Schweden nötigte, sich an die Küste zurückzuziehen, mußte dies Verhältnis noch bedeutsamer und verhängnisvoller machen. Zwar hatte Schweden schon vordem zu Zeiten des Bündnisses mit Mecklenburg das Land in nicht geringem Maße zu den Kriegslasten herangezogen; nun aber fielen auch die letzten Rücksichten, die man auf einen Bundesgenossen vielleicht noch hätte nehmen können. Die Herzöge waren den sich täglich mehrenden Übergriffen der Schweden gegenüber vollkommen machtlos, nachdem auch die wenigen Truppen, die sie noch gehabt hatten, unter schwedische Regimenter gesteckt 288 ) und nur noch das Schweriner Schloß und Rostock von ihnen besetzt waren. Sie gaben sich daher klugerweise alle Mühe, ihren Bruch mit Schweden nicht zur Geltung und zum Bewußtsein kommen zu lassen. 289 ) Nach wie vor unterhandelten sie mit den schwedischen Befehlshabern, bewilligten diese und jene Forderungen und beschwerten sich bei Baner, dem Reichskanzler, ja selbst der Regierung in Stockholm über Exzesse der Truppen und andere schwedische Übergriffe. Oxen-stierna mochte die Vermittlertätigkeit Adolf Friedrichs bestimmen, die Herzöge nicht schlechtweg als Feinde zu behandeln. Rücksichten nahm freilich auch er nicht, wohl aber ging er doch zuweilen auf die vielfachen Beschwerden ein und erließ Befehle zu ihrer Abstellung. Um die Ausführung kümmerte er sich allerdings nicht weiter, so daß am Ende das Verhalten der Schweden im Lande wohl als ein feindliches zu bezeichnen ist.

Ob aber Adolf Friedrich dem Anrücken des Kurfürsten, wie er im November endlich in Mecklenburg einzog, Plau eroberte und dann wieder um Parchim und Goldberg liegen blieb, als einem Befreier entgegengesehen hat 290 ), erscheint höchst zweifelhaft. Die Sachsen brachten doch nur neue Lasten und verlegten den Kriegsschauplatz unmittelbar ins Land. Auch von einer Bevorzugung oder Förderung der sächsischen Armee seitens der Herzöge ist wenig zu spüren, wie überhaupt die militärischen Bedingungen des Prager Friedens hier wie anderswo aus Furcht vor Schweden


288) Balck, M. Jbb. 68 S. 96
289) So ist es z. B. nicht erwiesen, daß im Dezember herzogliche Beamte die Schuld an der Aufhebung einer schwedischen Kompagnie durch den sächsischen Major Taube in Grabow getragen haben. Oxenstierna an Adolf Friedrich d. d. Stralsund, 24. Dez. 1635, Adolf Friedrich an Oxenstierna d. d. 8. Febr. 1636. A. S.: Inv. host. Vol. XVII.
290) Wie Balck, M. Jbb. 68 S. 96, meint.
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nur sehr unvollkommene Erfüllung fanden 291 ) Die Sachsen nahmen gleichfalls, was Sie brauchten, ohne zu fragen, wenn auch die vom Kurfürsten für verschiedene Amter erteilten Salvaguardien durchweg beachtet wurden und die Goldateska nicht gar so schlimm hauste Von einer Befreiung aber kann schon deshalb leine Rede sein, weil der Kurfürst einen energischen Versuch, die Schweden ganz aus Mecklenburg zu verdrängen, niemals unternommen hat.

Nicht viel anders war es, als später kaiserliche Truppen, also gleichfalls Bundesgenossen, ins Land rückten. Seit dem Prager Frieden hausten Freund und Feind in gleicher Weise. Mit geringen Unterbrechungen war Mecklenburg die nächsten 3 Jahre hindurch der Schauplatz von kleineren und größeren Kämpfen, Durchzügen, Einquartierungen, Plünderungen usw, wobei es freilich die Schweden an Grausamkeiten allen zuvor taten. Die Jahre 1635-38 sind die schwersten gewesen, die Mecklenburg im ganzen Kriege erlebt hat, und sie genügten, seinen Wohlstand auf Jahrzehnte zu vernichten, große Gebiete in Ein-öden zu verwandeln und die Einwohnerzahl vieler Orte zu dezimieren. 292 ) Nur ein solch trostloser Zustand des Landes konnte schließlich Adolf Friedrich bewegen, immer wieder zu versuchen, den Frieden zu vermitteln, so gering auch am Enbe die Aussichten dafür sein mochten. Die Furcht vor einer dauernden Festsetzung Schwedens im Lande kam hinzu, denn weder den Sachsen noch später den Kaiserlichen gelang es, Schweden für immer aus den festen Plätzen Mecklenburgs zu vertreiben. Schwedens Stellung begann sich vielmehr seit dem Ende des Jahres 1635 wieder zu bessern, nachdem Baner den Kurfürsten nach mehreren kleinen Gefechten aus Mecklenburg verdrängt hatte, ihm. in die Mark Brandenburg folgte und weiter nach Sachsen und Thüringen


291) Auch die weitere Bedingung des Memorials, die .Bezahlung der 100000 Taler, scheint nicht eingehalten zu sein. Zum mindesten wurde der erste Termin (Michaelis 1635) versäumt, indem der Kaiser zweimal, im Okt. Nov., die Herzöge deswegen ermahnte. (Adolf Friedrich an Hans Albrecht d. d. 16. Nov. u. 6. Dez. 1635. Konz. A. S.: Fr.) Aber auch in den nächsten Jahren sind keine Zahlungen nachzuweisen. Möglich ist freilich auch ein nachträglicher Erlaß der Strafsumme auf die angelegentlichen weiteren Bitten der Herzöge; denn der mecklenburgische Agent in Wien, Jeremias Pistorius, berichtet am 2./12. März 1636, daß die kaiserlichen Räte in der Frage ihr Gutachten zugunsten der Herzöge abgegeben hätten. Orig. A. S.: Viennensia.
292) Vergl. Balek, M. Jbb. 68 S. 85 ff., Groth, M. Jbb. 6 S. 132 ff., Schnell, Kap. VI S. 83 ff., Stehmann, Kap. 1 S. 8 ff. und Franck, Altes und neues Mecklenburg, 13. Buch, Kap. 20 - 23, S. 178 - 222.
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vordrang. Der Sieg bei Wittstock im September 1636 befestigte Schwedens Stellung im Norden von neuem. Im Sommer 1637 folgten wieder kaiserliche, kursächsische und brandenburgische Truppen dem von Süden sich nach Pommern zurückziehenden Baner, besetzten unter furchtbaren Verheerungen Mecklenburg, eroberten auch Dömitz, Plau und Warnemünde, aber im folgenden Jahre mußten sie wieder den Schweden weichen, die außer Dömitz, das erst 1643, und Plau, das im August 1639 in ihre Hände fiel 293 ), alle festen Plätze sogleich zurückeroberten. Seitdem blieb Mecklenburg fast unbestritten in schwedischen Händen, und der Krieg entfernte sich von seinen Grenzen. Auch jetzt noch hatte das Land freilich genug von den schwedischen Besatzungen zu leiden, aber die Schreckenszeit der vergangenen Jahre war doch vorüber.

Der große Krieg tobte indessen draußen im Reiche weiter, und erst gegen Ende des Jahres 1644 konnte Mecklenburg seinen Gesandten Dr. Abraham Kayser nach Osnabrück entsenden, wo er dann am 14./24. Oktober 1648 den Frieden mit unterschrieb, in dem die Herzöge Wismar, Poel, Walfisch sowie Neukloster und die Seezölle an Schweden abtreten und außerdem eine große Summe Geldes zahlen mußten. Als Entschädigung erhielten sie die Stifter Ratzeburg und Schwerin, die Komtureien Mirow und Nemerow und endlich die Exspektanz auf 4 Kanonikate an den Domkirchen zu Magdeburg, Halberstadt und Straßburg. 294 )

Ganz von selbst drängt sich am Schlusse unserer Betrachtungen die Frage auf, ob das überaus harte Los, das Mecklenburg nach dem Prager Frieden traf, durch eine anders gerichtete Politik seiner Herzöge hätte abgewendet werden können, d. h. ob die Annahme des Friedens all das Elend und Unglück herausbeschworen hat? Wir haben die mecklenburgische Politik vom Tode Gustav Adolfs an verfolgt. Sie gipfelte in dem Streben, durch den Zusammenschluß aller Evangelischen unter Schwedens Führung einen günstigen Frieden zu erkämpfen. Dadurch glaubte man sich gleichzeitig aus der Umklammerung dieser Macht zu befreien, wie sie die Expedition Gustav Adolfs ,als notwendig mit sich gebracht hatte, ein Verhältnis, das sich bald als äußerst drückend erwies. Auf eine gütliche Auseinandersetzung mit Schweden durch das Mittel eines allgemeinen Friedens blieb also das Bestreden der


293) Plau wurde während dei Jahre 1635 - 39 nicht weniger als 8 mal belagert und erobert. Lisch, Geschichte der Stadt Plau, M. Jbb. 17 S. 196 ff.
294) Schnell S. 112 ff.
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Herzöge gerichtet, so oft ihnen auch, und namentlich Adolf Friedrich, der Gedanke an eine bewaffnete Sonderstellung, eine "dritte Partei", kam. Das Land war aber militärisch zu schwach, Schweden zu fest im Besitz der beherrschenden Punkte, als daß eine bewaffnete Neutralität mit Erfolg hätte durchgeführt werden können. Daß Adolf Friedrich bei seinem Streben nach Frieden wichtige Faktoren übersah, liegt auf der Hand. Er unterschätzte namentlich die gewaltigen zu überwindenden Interessengegensätze, rechnete mit dem ihm eigenen Optimismus zu sehr nur mit Möglichkeiten und ließ sich endlich oft auch von kleinlichen und partikularistischen Gesichtspunkten leiten. Daneben war das Gegenspiel zu stark, das von beiden Seiten seinem Ziele entgegenarbeitete und im Frankfurter Konvent seinen vollendeten Ausdruck fand. Auf der einen Seite wollte ja Kursachsen zwar auch den Frieden, aber mit direkt feindlicher Spitze gegen Schweden und also nicht Adolf Friedrichs Ziel entsprechend, während andererseits der Reichskanzler überhaupt alle Friedensbestrebungen hintertrieb, um seine Stellung in Deutschland erst noch mehr zu befestigen. So mußte eine Einigung notwendig scheitern, denn Adolf Friedrich und einige andere sächsische Fürsten, die etwa auf seiner Seite standen, waren zu schwach, ihr Ziel mit Erfolg zur Geltung bringen zu können.

Und nun kam die Zeit des Niedergangs der schwedischen Macht. Sachsen begann ernstlich mit dem Kaiser zu unterhandeln, Kurbrandenburg entfremdete sich Schweden wegen der pommerschen Frage mehr und mehr, der Heilbronner Bund löste sich auf und die kaiserlichen Heere drangen nach der Nördlinger Schlacht unaufhaltsam vor. Da traten Kursachsen und der Kaiser mit einem unter der Einwirkung dieser Verhältnisse geschlossenen Friedensvertrage hervor und forderten die deutschen Stände auf, sich ihnen anzuschließen. Auch die mecklenburgischen Herzöge sahen sich vor die Frage gestellt, ob sie diesen Frieden annehmen sollten, der ohne die übrigen evangelischen Stände vereinbart war, der die katholische Partei einseitig begünstigte, ihrem Lande noch besondere Bedingungen auferlegte und vor allem von einer Berücksichtigung Schwedens nichts enthielt? Aber andererseits war es doch ein Friede, und allein schon die Idee eines solchen, als von zwei maßgebenden Faktoren im Reiche geschlossen, mußte nach so langer Kriegszeit anziehend wirken. Und dann brachte er den rechtlich gesicherten Besitz des Landes und die Befreiung vom schwedischen Bündnis. Das glaubten die Herzöge nicht ausschlagen zu dürfen, und als es sich nun auch bestätigte, der Kurfürst sei zu Verhand-

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lungen mit Schweden zwecks Anschluß an den Frieden bereit, da sandten sie ihre Beitrittserklärung ab, in der festen Überzeugung, daß diese Verhandlungen zum Ziele, d. h. zu einer Befriedigung der schwedischen Ansprüche führen würden.

Konnten die Herzöge anders handenn? Durften sis. den Frieden ausschlagen, der eigentlich alle ihre Wünsche befriedigte, durften sie es wagen, dem Kaiser zu widerstreben und noch einmal den Besitz des Landes aufs Spiel zu setzen? Dann hätte man sich Schweden in die Arme werfen müssen, dessen Bundesgenossen-schaft man doch gerade entrinnen wollte. Und hatte Schweden in seiner eigenen mißlichen Lage Mecklenburg in diesem Falle genügend schützen können? Alle diese Erwägungen sprachen für den Frieden. Und bestätigte nicht die Stellungnahme der übrigen norddeutschen evangelischen Stände die Richtigkeit solcher Politik der Herzöge? Daß Schweden an dem Frieden aber teilhaben müßte, daß es als Feind noch verderblicher werden würde, wie vordem als Freund, sahen sie von vorneherein, und ebenso, daß mit der Erfüllung dieser Voraussetzung ihre Hoffnungen fallen oder stehen müßten. Daher Adolf Friedrichs unermüdliches Streben, durch Eingreifen in die große Politik die Parteien einander zu nähern und einer Einigung zuzuführen. Daß ihm das nicht gelang, war nicht seine Schuld. Die Gegensätze zwischen den Kämpfenden waren zu scharf, als daß ein Friede auf allgemeiner Grundlage schon jetzt hätte erzielt werden können.

Mit dem Scheitern dieser Einigung war auch Mecklenburgs Schicksal besiegelt. Es wurde zum Spiel stärkerer Mächte, das sich trotz aller Bemühungen des Herzogs nicht aufhalten ließ. Tragisch in der Tat mutet uns das Geschick des Landes und seines Fürsten an, der vergeblich aus dem Labyrinth der potitischen Verwickelungen einen Ausweg gesucht hatte und sich schließlich doch zu der Rolle eines Kornes zwischen zwei Mühlsteinen verurteilt sah. Widerstand gegen den Prager Frieden hätte das Land nur in die gleiche, wenn nicht in eine weit gefährlichere Lage gebracht; es wäre ebenso von den großen kriegführenden Parteien erdrückt worden, ohne daß ein schwedisches Bündnis ihm wirklich Schutz hätte angedeihen lassen können. Der Umstand, daß sich die Friedensverhandlungen in dem Moment zerschlugen, als Schwedens Kräfte erschöpft waren, als es den Frieden um verhältnismäßig geringeren Preis eingehen wollte, brachte Mecklenburg unter den wesentlich veränderten Verhältnissen des westfälischen Friedens um jene wichtigen Besitzungen, deren Verlust es immer befürchtet hatte.


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Beilagen


Nr. 1. Nr. 2.
Artikel betr. Mecklenburg im Pirnaer Frieden vom 14./24. November 1634. Artikel betr. Mecklenburg im Prager Frieden vom 20./30. Mai 1635.
Collat. Cop. A. S: Fr. Collat. Cop. A. S.: Fr.
Gedruckt in: Pirnische und Pragische Friedenspakten S. 36 f. Gedruckt in: Pirnische und Pragische Friedenspakten S. 122 f.
und Londorp IV S. 463 (Art. 14).
Soviel die beide herzogen zu Mechlenburg anbetrifft, ist an seiten der R. K. M. diese Erklerung erfolget: J. K. M. hetten sich Anno 1630 beim Regenspurgischen Convent gegen dem hochlöblichen Churfürsten collegio dahin erboten: Wan die herzogen vermeineten, daß ihnen unrecht geschehen, J. K. M. Sie nochmals hören und alsdan der Sachen anderweit einen gerechten Ausschlag geben wolten, darbei es J. K. M. auf denselben Fall, und wan gedachte herzogen die restitution per modum justitiae zu behaupten gedachten, nochmals verbleiben ließe. Im fall aber sie per modum gratiae vel pacis solche zu erhalten gemeinet, so erboten sich J. K. M. zu der gnad, jedoch kegen gebührender submission und satisfaction, Wegen der Herzoge zu Mechlenburg haben J. K. M. sich um gemeinen Friedens willen und aus höchst angeborner Güte, auch um J. Ch. D. zu Sachsen beharrlichen intercession willen erklert, es wolten J. K. M. Sie, die beide Herzoge (wofern Sie gegenwertigen Friedensschluß dankbarlich und würklich acceptiren und sich solchem gemes verhalten, auch dem ihrethalben sonderbaren begriffenen memorial gebührend nachkommen werden) wiederum zu Kayserlichen Hulden und Gnaden aufnehmen und bey Land und Leuten ganz ruhig verbleiben lassen.
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deren man sich entweder itzunder sobalt, oder auf der nechsten Zusammenkunft würde zu vergleichen haben. Nachdem aber S. Ch. D. darkegen hinwiederum allerhand repraesentiren lassen und bei J. K. M. mit ihrem underthenigsten suchen immerfort je lenger je emsiger angehalten, J. K. M. auch aus angeborener güte für sich selbst darzu geneigt gewesen, ist endlich diese Kayserliche resolution erfolget, es wolten J. K. M. aus Kaiserlichen gnaden Sie, die beide Herzogen (wofern sie kegenwertigen Friedensschluß dankbarlich und würklich in untenbestimmter Zeit acceptiren und sich solchem gemes verhalten, auch dem sonderdaren begriffenen Memorial gebührend nachkommen werden) bey Land und Leuten ganz ruhig verpleiben lassen.  
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Nr. 3. Nr. 4.
Memorial darauf sich im Friedensschluß bezogen wurde. Memorial wegen Aussöhnung der Herzöge zu Mchlenburg.
(Pirnaer Fassung) (Prager Fassung)
Collat. Cop. A. S: Fr. Collat. Cop. A. S.: Fr. und A D: Pr. Fr. 6.
Nachdem zwischen der Römischen Kays. auch zu Ungarn und Böhmen Königl. Majt, Unsere allergnedigste Herrn, und Churf. Durchl. zu Sachsen vermittelst göttlicher Verleihung heut dato ein gemeinsamer Friedensschluß getroffen, darin unter anderen eines sonderbaren begriffenen memorials, dem die beiden Herzogen zu Mechlenburg nachkommen solten, gedacht worden: So ist diese gegenwertige Schrift eben dasselbige Memorial und sollen nun an J. K. M. Sie, die Herzoge, noch vor dem 25. Februarii Neuen Kalenders, Anno 1635, ein alleruntertenigstes Schreiben einschicken und darin mit gebührendem Respect bitten, J. K. M. wolten geruhen, Ihnen allergnedigst zu condoniren alles, was irgend J. K. M. zuwider und dero mißfallen vorgegangen, auch dahero dieselbe Ungnade schöpfen mögen, und fortan Ihr allergnedigster Kay= Nachdem zwischen der Röm. Kays. auch zu Hungarn und Böheim Königl. Majt., Unsere allergnedigste Herrn, und Churf. Durchl. zu Sachsen vermittelst Göttlicher Verleihung heut dato ein gemeiner Friedensschluß getroffen, darin unter anderen eines sonderbar begriffenen Memorials, dem die beide Herzogen zu Mechelnburg nachkommen solten, gedacht worden: So ist die gegenwertige Schrift eben dasselbige Memorial und sollen nun sie, die Herzoge, alsbald nach publicierung des Friedensschlusses nicht allein sich zu demselben, wann sie dessen genießen wollen, innerhalb zehen tagen a die notitiae wirklich bekennen, sondern auch darneben unverzüglich und zum lengsten innerhalb eines Monats ein allerunterteniges schreiben an J. K. M. zu dero Kaiserlichen Handen einschicken und darin mit gebürendem respect bitten, J. K. M. wolten
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ser und Herr zu sein und zu bleiben. Dagegen sie sich jederzeit, wie gehorsamen treuen Reichsfürsten gebühret, zu erzeigen so bereitwilligst als schuldigst erkenneten. Ferner ein offenes in triplo ausgefertigtes Patent, darin ermelte Herzoge dankbarlich und würklich acceptiren den Friedensschluß mit untertenigster erbietung, sich demgemes zu verhalten.
Und dan, weil die K. M. sich allergnedigst schon erkleret, auch hiermit nochmals erklere, Sie, die Herzogen und ihre Man, Leibs, Lehns Erben bey ihren Landen und Leuten allerdings vermöge der alten von Römischen Kaysern und Königen und dem heiligen Reich habenden Lehnbriefen zu lassen, sollen die Herzoge sich aus allerhand motiven und Ursachen anerbieten, der K. M. Reichshofkammer in vier Terminen abzustatten Einmal hundert Tausend Reichsthaler in specie als und dergestalt, daß davon Sie, die beiden Herzoge, einen vierten teil, benantlich Fünf und Zwanzig tausend Reichsthaler zu handen J. K. M. Bevollmechtigten zu Leipzig in der Michaelis Meß des 1635. Jahres, wiederum Fünf und Zwanzig tausend Rchther. in der Leipziger Michaelis Meß des darauf folgenden 1636. Jahres, ferner Fünf und Zwanzig tausend Rchther. in der Leipziger Michaelis Meß des 1637.
geruhen, Ihnen Allergnedigst zu condoniren alles, was irgend J. K. M. zuwider und dero mißfallen vorgeqangen auch dahero dieselbe ungnade schöpfen mögen und fortan Ihr Allergnedigster Kayser und Herr zu sein und zu bleiben. Dagegen sie sich jederzeit, wie gehorsamen treuen Reichsfürsten gebühret, zu erzeigen so bereitwilligst als schuldigst erkenneten.
Und dann, weil die K. M. in eventum obigen erfolgenden gehorsamster ersuchung sich Allergnedigst schon erkleret, auch hiermit nochmals erkleren, Sie, die Herzogen, und Ihre Menliche Leibs Lehns=Erben bey Ihren Landen und Leuten allerdinqs vermöge der alten von Römischen Kaysern und Königen und dem Heil. Reich habenden Lehnbriefen zu lassen, sollen sie, die Herzoge, sich aus allerhand motiven und ursachen anerbieten, der K. M. in vier Terminen abzustatten Einmal hundert Tausent Reichsthaler in specie zuhanden I. K. M. Gevollmechtigten zu Leibzig in der Michaelis Messe des 1635. Jahres, ferner 25: m Rthr. in der Leibziger Michaelis Messe des darauf folgenden 1636., wiederum 25. m Rthr in der Leipziger Michaelis Messe des 1637. und dan den übrigen und letzten Rest der 25: m Rthr. in der Leibziger Michaelis Messe des 1638. Jahres ohnfeilbar bar erlegen wolten. Da sie
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Jahres und dann den übrigen und letzten Resto der Fünf und Zwanzig tausend Rchther. in der Leipziger Michaelis Meß Armo 1638 unfeilbar erlegen wolten. So sie aber solches unterließen, so bleibt es alsdan bey dem, was in solchem Fall wider diejenigen, die den allgemeinen Friedensschluß zu hindern gemeint, in den Haupttractaten verhandelt, und hat diese kayserliche alleruntertenigste erklärung keine Kraft noch Wirkung. aber solches unterließen, so bleibt es alsdann bei dem, was in solchem Fall wider diejenigen die den allgemeinen Friedensschluß zu hindern gemeinet, in den Haupt=tractaten verhandelt, und hat die Kayserliche Allergnedigste erklerung keine Kraft noch wirkung. In Urkund mit J. K. M. Canzlei Secret versiegelt. Geschehen zu Prag den 30. May An. 1635.
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Verzeichnis der benutzten Akten.

I. Akten des Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archivs zu Schwerin. (A. S.)

1. Fr.: Akten, die Friedenshandlung während des dreißigjährigen Krieges in Deutschland betreffend. Fasz. 1 und 2.

2. Verm.: Akten, die durch Vermittlung des Herzogs Adolf Friedrich . . . . zwischen Kursachsen . . . . und dem Königl. Schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna vorgegangene Friedens=Traktaten betreffend.

3. Suec.: Suecica Vol. IV.

4. Inv. host.: Acta invasionum hostilium Vol. XV-XIX.

5. Kreiss.: Niedersächsische Kreissachen. Religionssachen Vol. VII-XII. Dreißigjähriger Krieg Vol. V-X.

6. Hausarchiv: Briefwechsel Adolf Friedrichs mit Lohausen, Hans Albrecht u. a./ Tagebücher Abolf Friedrichs.

7. Fr.C.: Religionssachen Vol. VI und VII: Frankfurter Konvent.

II. Akten des Königlich Sächsischen Hauptstaatsarchivs zu Dresden. (A. D.)

Pr. Fr.: 1.-12. Buch Pragerischen Friedensschlusses. Locat Nr. 8113-16.

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III.

Die Münzen des Bistums Ratzeburg.

1. Herzog Christoph zu Mecklenburg.

Von

M. Bahrfeldt.

 

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D as Bistum Ratzeburg wurde durch Erzbischof Adelbert von Hamburg im Jahre 1054 gegründet. Nach fast 600jährigem Bestande wurde es durch den westfälischen Frieden im Jahre 1648 säkularisiert und fiel als weltliches Fürstentum an Mecklenburg. Von seinen Bischöfen sind in münzgeschichtlicher Beziehung nur wenige hervorgetreten und auch nur in der letzten Zeit des Bestehens des Bistums. Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, daß auch in älterer Zeit geprägt worden ist und daß eine ganze Anzahl der vielen stummen Brakteaten mit Darstellungen von Kirchengebäuden, geistlichen Herren, Heiligen usw., die wir zeitlich, mehr aber noch örtlich, bis jetzt nicht unterzubringen wissen, hierher gehört. Verwunderlich wäre es, wenn für Ratzeburg damals nicht auch schon geprägt sein sollte, da doch vieler Orten der Münzhammer lebhaft geschwungen wurde und die Ausübung des Münzrechtes zu allen Zeiten als ein sehr schätzbares Privilegium galt, als Ausdruck der Macht, mehr aber noch, weil es eine nicht unerhebliche Einnahmequelle darstellte. So glaubt Dr. H. Buchenau im Münzfunde von Seega (Marburg 1905, S. 64 fg.), einen Schriftbrakteaten entdeckt zu haben, den er dem jüngeren Grafen Bernhard von Ratzeburg (um 1195) beilegen möchte. Vielleicht werden hier weitere glückliche umfangreiche Münzfunde, deren sorgfältigem vergleichenden Studium wir besonders in letzter Zeit viele schöne Entdeckungen aus dem großen Gebiete der mittelalterlichen Hohlpfennige zu verdanken haben, später einmal Klarheit schaffen. Soweit unsere sichere Kenntnis aber bis jetzt reicht, sind tatsächlich nur die Bischöfe Christoph zu Mecklenburg und August d. ä. zu Braunschweig = Lüneburg als Münzfürsten hervorgetreten.

Eine Folge dieser spärlichen Münzprägung ist auch die wenig eingehende literarische Bearbeitung, die das Ratzeburgcr Münzwesen bis jetzt gefunden hat. Evers, in seiner geschätzten Mecklenburgischen Münzverfassung, 2 Bde., Schwerin 1798/99, berührt die Münzprägung Christophs nur ganz kurz

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und nur, weil er dem mecklenburgischen Fürstenhause angehörte. Umfangreicher und dem Stande der damaligen Kenntnis entsprechend, behandelte sie Archivrat Pastor Masch in einem kleinen, mit guten Abbildungen versehenen Aufsatze in den Jahrbüchern des Vereins für mecklenburgische Geschichte usw., 29. Bd. 1864, S. 253 - 257. Masch hatte auch eine ausführliche Beschreibung aller Ratzeburger Münzen vordereitet. Das Manuskript, datiert vom Jahre 1874, befindet sich in der großherzoglichen Bibliothek zu Neustrelitz, wohin es nach seinem Tode im Jahre 1878 mit seiner nicht undedeutenden Spezialsammlung Ratzeburger Münzen gelangt ist. Ich konnte es durch Gefälligkeit des Archivars Dr. G. v. Buchwald einsehen und benutzen. Der im Jahre 1904 verstorbene Buchhändler Max Schmidt in Ratzeburg, Verfasser der tüchtigen Arbeit über die Münzen und Medaillen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, 1884, zu der im Jahre 1888 im Archiv des Vereins für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg, Bd. II, Heft 2, ein wichtiger Nachtrag erschien, beabsichtigte eine Herausgabe dieses Manuskriptes. Darauf bezieht sich die Notiz in den Berliner Münzblättern N. F. 1902, S. 276, über eine bevorstehende Bearbeitung der Ratzeburger Münzen und Medaillen. Es kam jedoch nicht dazu, denn wie Schmidt mir noch Ende 1902 schrieb, konnte er keinerlei Zuschuß für die Drucklegung erwarten und war nicht imstande, sie selbst zu übernehmen. Er deschränkte sich daher darauf, unter Benutzung der Arbeit von Masch in einem kurzen Artikel "Zur Münzkunde des Bistums und Fürstentums Ratzeburg", erschienen im erwähnten Archiv für Lauenburgische Geschichte, Bd. V, Heft 3, S. 66 - 73, nur einen gedrängten Überblick über die Münzprägung zu geden.

Nachdem ich nun das Manuskript durchgesehen habe, muß ich ehrlich gestehen, daß ich die nicht zustande gekommene Herausgabe nicht beklagen kann. Bei den historischen Nachrichten, mehr noch bei den Münzverzeichnissen, vermißt man vielfach die so notwendige Kritik und das Ganze entbehrt doch sehr einer einheitlichen Durcharbeitung. Immerhin ist mir die Kenntnis der Arbeit von Nutzen gewesen und das erkenne ich dankdar an.

Wenn ich von einzelnen gelegentlichen Beschreibungen Ratzeburger Münzen absehe, so finden sich nur noch bei Leitzmann , Wegweiser auf dem Gebiete der deutschen Münzkunde, Weißensee 1869, S. 363 fg. und bei R. Serrure, Traité de numismatiqne moderne et contemporaine I, Paris

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1897, S. 278 fg. kurze Abhandlungen. Beide sind aber unvollständig, teilweise auch unrichtig und daher ohne Wert. Ein Münzverzeichnis endlich erschien in der Numismatischen Zeitung, 39. Jahrgang 1872, Nr. 24 - 26. Die Beschreibungen sind aber in den wenigsten Fällen nach Urstücken gegeben, sondern meist nach ungenauen und unvollständigen Angaben älterer Verzeichnisse.

Sehr zu bedauern ist der große Mangel an archivalischem Material. Die Original-Münzakten des ehemaligen bischöflichen Archivs sind nicht mehr nachzuweisen und wohl endgültig als verloren anzusehen. Masch berichtet darüber, daß man zwei Bunde Münzakten des Ratzeburger Archivs im Jahre 1740 nach Neustrelitz eingefordert habe. Sie seien aber weder zurückgesandt worden, noch auch jetzt dort vorhanden. Darauf bezieht sich wohl auch die Bemerkung von Evers, Bd. I, S. 227, wo er den Mangel an Münzakten beklagt: ". . . Man war zu willfährig bei Mittheilung, aber auch zu sorglos bei Zurückforderung der Urkunden und Acten und daher der unersetzliche Verlust so vieler und wichtiger, die Landesverfassung betreffender Nachrichten. Aus diese Art sollen nun auch, dem Vernehmen nach, fäst alle im Jahre 1755 einer Commission anvertraute Mecklenburg - Strelitz'sche Münz - Acten leider von Händen gekommen sein."

Ich habe mich bemüht, den verschollenen Münzakten nachzuspüren, jedoch vergeblich, sie sind weder in Schwerin oder Neustrelitz, noch in Ratzeburg und Schöneberg nachzuweisen. Auch die Archive in Hannover, Schleswig, Magdeburg, Wölfenbüttel und Berlin, wohin die Akten schließlich durch Zufall gelangt sein könnten, ergaben nicht das Geringste.

Dennoch ist es mir gelungen, eine Reihe von Nachrichten beizubringen, die teils das großherzogl. Geh. und Haupt-Archiv zu Schwerin lieferte, dessen zahlreiche Münzakten mir vorlagen, teils auch das alte, jetzt im Staatsarchiv Magdeburg befindliche, Niedersächsische Kreisarchiv in seinen Berichten über die Kreis und Münzprobationstage. Sie lassen uns in ihrer Gesamtheit doch ein ziemlich abgeschlossenes Bild von der Münzprägung unter den beiden Bischöfen Christoph und August gewinnen.

Unter den Sammlungen, die Beiträge geliefert haben, muß ich besonders die großherzoglichen Münzkabinette zu Neustrelitz und Schwerin nennen. Ein Verzeichnis der sonst noch benutzten Sammlungen befindet sich am Schlusse.

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I.

Christoph, Herzog zu Mecklenburg

Administrator des Stifts 1554 - 1592.

Christoph, Sohn Herzog Albrechts VII. von Mecklenburg, geb. 30./6. 1537, wurde am 5./10. 1554 Bischof von Ratzeburg. Nach mancherlei Fährlichkeiten und ausländischen Abenteuern in der ersten Hälfte seines Lebens führte er, vom Jahre 1569 an, geruhig und friedlich die Regierung seines Ländchens, dessen Einkünfte durch Abtretung der Gefälle der Ämter Gabebusch und Tempzin seitens seines Bruders Johann Albrecht vermehrt wurden. Er residierte zumeist in seinem "Stiftshause" zu Schönderg, einem kleinen Städtchen, 15 km östlich von Lübeck belegen. Christoph besaß regen Sinn für allerlei Wissenschaften, für Chemie und Mechanik und betätigte sich persönlich darin. 1 ) Mit ihm beginnen die nachweisbar ersten Münzen für das Bistum, und zwar hat er sie aus Freude an der Sache zumeist selbst zubereitet und eigenhändig geprägt.

Die erste Anregung zur Münzprägung gab der nachstehende Brief:

1574, 17./10. Johannes Koler 2 ) zu Gabebusch an Herzog Christoph.

Euren fürstlichen Gnaden kann ich uneröffnet nicht lassen, daß gegenwertiger Geselle, wellicher des Müntzmeisters zu Lübeck Sohn und albereit ein Müntzmeister in der Steiermark gewesen, Golt, Silber und allerlei Ertz gar wol probiren könne, bei mir gewesen und sich wegen E. f. Gn. Stift alhir zu müntzen erpoten, mit Bitten, E. f. Gn. ich solliches in Unterthenigkeit anmelden sollte. Und wan E. f. Gn. dann wegen des Stifts zu müntzen von keimandts nicht kann gespert werden und E. f. Gn. nicht ein Geringes des Jahre über davon haben konnte, ohne was Belustigunge E. f. Gn.,


1) Vergl. G. T. F. Lisch, Mecklenb. Jahrücher, 7 Jahrg. 1842, S 61 fg "Des Herzogs Christoph Bemühungen um Erzgewinnung".
2) Sekretär des Herzogs Christoph, gestorben kurz vor Mai 1599.
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Münzen des Bistums Ratzeburg
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sintemal Sie sonderlich zu den Dingen geneiget, davon haben mochten, der Müntzmeister zu Lübeck auch den Verlagk thun nnd Bürge vor seinen Sohn werden, auch den Wechsel halten wolte, also daß E. f. Gn. ohn Schaden sein solten: demnach were meins Erachtens nicht ungeraten, doch uf E. f. Gn. und mehrer verstendiger Leute reifer Bedenken, E. f. Gn. hetten deswegen ein Handel mit ihm getroffen, dann der Müntzmeister selbst sich an E. f. Gn. begeben und mit derselben allenthalben schließen und handeln will.

Auf der 3. Seite steht der Vermerk:

Ist dem Münzmeister zur Antwort gegeben, daß mein gn. F. und Herr im Stift eine Müntz nach des Reichs Müntzordnung anzustellen nicht ungeneigt were. S. f. Gn. wolten aber die Sache noch einen Monat lang in Bedenken ziehen, unter des würde Sr. f. Gn. des itzigen Kreistages Abschied auch zukommen. Woferne nun S. f. Gn. in der Meinung, derer sie itzo weren, beruhen würden, so were S. f. Gn. solche ihre Müntz ihme für andern zu gestatten, nicht ungeneigt. Darumb solte er etwa in einem Monate bei Sr. f. Gn. wieder anhalten und seinen Vater mitbringen.

Original. Geheimes und Haupt-Archiv Schwerin i. M.. Acta monetaria S. 88, 2.

Der im Briefe nicht genannte Münzmeister von Lübeck war Joachim Dalemann, der dort vom 2./2. 1559 bis 19./2. 1580 in Diensten stand. Nach seinem Tode folgte ihm sein hier erwähnter Sohn Haus Dalemann, der aber schon kurz darauf Michaelis 1580 starb.

Allem Anscheine nach hat sich damals die Sache zerschlagen, denn die Prägung begann erst zwei Jahre darauf, 1576. Es sind folgende Stücke:

1. 1576. Reichstaler. - Tafel I, Nr. 1.

CRIST o DEI GRA o ADMI o RAZEN o DVX o MEGA Blumenvignette
(Cristoferus dei gratia admimstrator Razenburgensis dux Megalopolensis.) Wappenschild quadriert, von der Bischofsmünze bedeckt: 1. Mecklenburg, 2. Rostock, 3. Stargard, 4. Wenden, Mittelschild Schwerin, dahinter hervorragend zwei gekreuzte Bischofsstäbe. Zu den Seiten 15 = 76

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MAXIMIL o D G o ROMA o IMPE o SEMP AVGV

(Maximilianus dei gratia Romanorum imperator semper augustus). Gekrönter Doppeladler, bescheint, auf der Brust Reichsapfel mit 3Z (Schillinge).

Dm 43 Mm, Gew. 29.04 Gr.

Großherzogl. Münzkabinett Schwerin i. M., aus dem herzogl. Münzkabinett Gotha herstammend. Bisher einzig bekanntes Exemplar und noch nirgends beschrieben.

2. 1576. Halber Reichstaler. - Tafel I, Nr 2.

GRIST o DEI GRA ADMIN o RAZEN o DVX o MEG Blumenvignette
Wappenschild usw. genau wie aus dem ganzen Taler.

MAXIMIL o D G o ROMA o IMPE o SEM o AVGV
wie der ganze Taler, jedoch im Reichsapfel I6 (Schillinge).

Dm 35 Mm. , Gew 14 45 Gr.

Großherzogl. Münzkabinett Neustrelitz. Bisher einzig bekannter Exemplar, früher in der Sammlung Masch befindlich und von ihm mit guter Abbildung in den Mecklenb. Jahrbüchern 29. Bd. 1864, S 254, zuerst beschrieben.

Beide Stücke tragen keinerlei Zeichen eines Münzmeisters Die Mitwirkung Joachim Dalemanns, der eine kleine Dohle als Zeichen und zugleich redendes Wappen auf den von ihm geprägten lübeckischen Münzen führte, ist daher nicht in Anspruch genommen worden.

Auf diese Prägung bezieht sich der Bericht des Generalwardeins des Niedersächsischen Kreises, Georg Stumpfeldt, erstattet zum Münzprobationstage zu Lüneburg am Montag nach Quasimodogeniti (15/4) 1577, über die von ihm seit Michaelis 1576 vorgenommenen Revisionen der Münzstätten des Nieder-sächsischen Kreises 3 ) Darin sagt er u. a. folgendes:

"Herr Christofer, des Stifts Ratzeburg Administrator, Herzog zu Meckenburg, haben zum Schönenberg ein Münzwerk angeordnet und aufgerichtet, lassen alda itziger Zeit Thaler, halbe und Örterthaler münzen. Und Wie ich berichtet, so haben Seine fürstlichen Gnaden auch Stöck und Obereisen zu keinem Gelde schneiden und derselben Bedacht,


3) Original: Staatsarchiv Magdeburg. Niedersächsisches Kreisarchiv, Münzsachen Vol VI, 2 Fol. 314 fg.
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münzen zu lassen. S. f. Gn. haben aber noch zur Zeit keinen Münzmeister und Wardein bestellet, wie ich auch ferner bericht, so seindt S. f. Gn. in der Kunst des Probierens und Rechnens ziemlich geübet und erfahren, haben solche Thaler eigener Person beschicket, probieret und lassen ausgehen. Als bei S. f. Gn. durch derselben Kanzler unterthäniglich mich anzeigen und mein tragend Amt vermelden lassen, mit angehängter unterthäniglicher Bitte, ob S. f. Gn. gnädiglich mir zulassen wollten, das Geld, so S. f. Gn. lassen münzen, aufzuziehen, zu probieren und auf vorstehendem Probationstage davon Bericht einzubringen, da haben S. f. Gn. durch erwähnten Kanzler zu gnädiger Antwort mir lassen vermelden, daß I. f. Gn. itziger Zeit nicht münzen, sondern still halten und darneben einen I. f. Gn. gemünzten Thaler zustellen lassen, welchen ich aufzuziehen, probiren und davon Bericht thun und einbringen möge.

Habe solchen Thaler aufgezogen und befunden, daß dieser Thaler 8 8/255 Stück eine Mark wägen und am fein haften 14 Loth 3 1/2 Grän, nach Anzeigung der Stadt Lübeck Waradin, welchem 1/2 Stück zukommen, prodiert und diesen Halt befunden. Dann ich dies Stück, so durch mehrgemelten Kanzler mir zugestelet worden, nicht probieren wöllen, aus Ursachen, sintemaln derselden nicht mehr zu erlangen und es eines neuen Münzstandes Münz, das der nicht zerschlagen, sondern aus diesen Prodationstag sein Wappen und Umschrift dargethan werden möge. Da es alsdann noch probiert werden soll, kann es alhier zur Stätte wol geschehen. Wägen demnach 803 7/51 Stück 100 Mark, seindt also diese Reichs-thaler am Schrot 800 Stück, als 100 Mark, über das zugelassene Remedium um 2 7/51 Stück zu leicht und am Korn um 1/2 Gren zu geringe."

Der in dem Berichte erwähnte, aber nicht genannte Wardein der Stadt Lübeck war Hans Wessel, dessen Name anderweitig auch in hochdeutscher Namensform als Wechsel vorkommt. Er verließ seinen Dienst in Lübeck schon im Jahre 1577 und wurde durch Jürgen Rothusen ersetzt, blieb in Lübeck wohnen und wird uns später noch einmal begegnen.

Nach der aus dem Reichstage zu Augsburg im Jahre 1566 beschlossenen Münzordnung sollte die aus 14 Lot 4 Grän beschickte Mark Silber in 8 Stück Taler vermünzt werden. Jedes Stück war genau zu justieren, doch war als Remedium, d. h.

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als Schwankung, ohne daß Münzmeister und Wardein sich straffällig machten, erlaubt: auf 100 Gewichtsmark oder 800 Taler 1 Stück und im Feingehalt 1 Grän.

Hier nun wurden die Taler im Korn, d. h. im Feingehalt, 1/2 Grän zu gering befunden, was innerhalb der gesetzlichen Grenze blieb, im Schrot, d. h. im Gewicht, dagegen über das zugelassene Remedium um 2 7/55 Stück auf 100 Mark. Das normale Gewicht des Talers sollte betragen 29.232 Gramm, es wurde defunden 29.123 Gramm. Man sieht also, daß das geringe Mindergewicht von nur 0.109 Gramm zu einer Beanstandung führte. Daß der Taler oben Nr. 1 gar nur 29.04 Gramm wiegt, hat seinen Grund wohl in der geringen Abnutzung, die das Stück im Laufe der Zeit doch erlitten hat. Die im Berichte auch als geprägt aufgeführten Örter == Viertel Taler sind bis jetzt noch nicht zum Vorschein gekommen, ebensowenig kleine Münzsorten, für die angeblich die Stempel auch schon geschnitten sein sollten.

Auf dem Münzprobationstage zu Lüneburg wird dieser Prägung merkwürdigerweise mit keiner Silbe Erwähnung getan, obschon der Abschied vom 17./4. 1577 sonst an der Ausprägung anderer Münzstände mancherlei auszusetzen hat, wie z. B. bei der des Administrators des Erzstiftes Magdeburg, Christian Wilhelm, der Herzöge zu Braunschweig - Lüneburg Wolfgang und Philipp, der Städte Lübeck, Hamburg, Rostock, Magdeburg und Hameln. Infolgedessen ist der dem Georg Stumpfeldt vom Herzog Christoph eingehändigte Taler auch nicht prodiert worden, sondern in seinem Besitze verblieben. Ich glaube, daß dieser Taler und der oben aus dem Schweriner Münzkabinett beschriebene Taler, ein und dasselbe Stück sind. Stumpfeldt, Generalwardein des Nieder- und zugleich auch des Obersächsischen Kreises, wohnte zu Freiberg in Sachsen und starb dort im Jahre 1584. Sein Verwandter (Schwiegersohn?) und Nachfolger im Amte, Christof Biener, wird das Stück geerbt haben und schließlich wird es in die herzogliche Kunstsammlung zu Gotha gelangt sein. Deren älteste Kataloge sind leider nicht mehr vorhanden, nachweisbar ist das Stück daselbst aber seit dem Jahre 1730, doch ist es sicherlich schon sehr viel länger dort. Vor einigen Jahren ist der Taler von Gotha durch Tausch nach Schwerin gelangt und damit nun wieder nahe seiner Heimat.

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Erst fünf Jahre nach der nur sehr beschränkten Ausprägung des Jahres 1576 trat der Herzog einer erneuten Prägung näher. Der nachstehende Brief zeigt, daß beabsichtigt war, Doppelschillinge zu schlagen.

1581, 6./9. Herzog Christoph an Herzog Ulrich zu Mecklenburg.

Wir geben E. Lbdn. hiermit freundlich zu erkennen, daß wir aus etlichen Silberkuchen, so wir aus dem Reiche Schweden anhero gebracht, duppelte ß schlagen zu lassen bedacht seindt.

Nachdem wir aber uns zu erinnern wissen, daß E. Lbdn sowohl unsere Stadt Rostock und Wismar vor dieser Zeit etliche haben schlagen lassen, welche 7 Lot halten und aber wir berichtet worden, daß Ao 72 aus dem zu Luneburg gehaltenem Kreistage die Niedersechs. Stende sich dahin vergiechen und die Anordnunge gethan, daß henfürder die duppelte ß 12 Lot 14 Gren halten sollen und wir nach überlegter Rechenschaft befinden, daß solches ohne Schaden nicht geschehen kann, als haben wir nicht umbgehen können, uns bei E. Lbdn. deswegen Raths zu erholen. Gelanget demnach an E. Lbdn. unser freundtlichs Bitten, dieselbte uns ihren brüderlichen Rath mitteilen wöllen, ob wir die duppelte Schilling den alten an Korn und Schrot gleich, welche 7 Lot halten, dürfen schlagen lassen oder ob wir uns nach der neuen Ordnung, so zu Lüneburg wie obberürt gemacht, verhalten müssen, dann wir nicht gerne wolten, daß uns ein Schimpf oder solches Müntzen an unserer, wegen des Stifts Ratzeburg habenden Müntzgerechtigkeiten zu Nachtheil gereichen sollte.

Datum auf unserm Stiftshause Schöneberg den 6. Septemb. Ao. 81.

Original, praes. 8./9. Geh. und Haupt-Archiv Schwerin. Acta monelaria S. 88, 2.

Die in diesem Briefe über das Korn der Doppelschillinge gemachten Angaben sind nicht ganz zutreffend. Auf dem Kreistage zu Lüneburg am 31. /1. 1568 wurden neue Festsetzungen über Schrot und Korn der kleinen Sorten getroffen und dabei für die Doppelschillinge bestimmt, daß davon 60 Stück aus der auf 7 Lot 11 Grän beschickten Mark geprägt werden sollten. Aber schon auf dem Kreistage zu Lüneburg am 26. /4. 1572

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wurde diese Münzordnung abgeändert und nunmehr für die Doppelschillinge 114 Stück aus der auf 12 Lot 13 1/2 Grän beschickten Mark festgesetzt. Diese Bestimmung war aber so scharf, daß, wie in dem abgedruckten Briefe auch gesagt wird, eine Ausprägung der Doppelschillinge nach diesem Fuße ohne Schaden nicht möglich war und tatsächlich sind auch, wie die mir vorliegenden Prägeregister ausweisen, von keinem Münzberechtigten in den Jahren von 1572-81 Doppelschillinge geprägt worden. Auch Herzog Christoph wird die Prägung von Doppelschillingen unterlassen haben, wenigstens sind keine solchen Münzstücke bekannt geworden. Dagegen aber kennen wir Reichstaler vom Jahre 1581.

3. 1581. Reichstaler. - Tafel I, Nr. 3.

a) CRIST • DEI • GRA • AD • MI • RAZEN • DVX • MEGA Blumenvignette

b) ----------- • ADMI • ----------------

Wappenschild usw. genau wie auf dem Taler Nr. 1 von 1576, zu den Seiten jedoch I5 = 8I

a b) RVDOLPHVS • II • D • G • IMP • SE • AVGV

Gekrönter Doppeladler, bescheint, auf der Brust Reichsapfel mit 32 • Dm. 42 Mm.

a) Königl. Münzkabinett Berlin 28.94 Gr., K. K. Münzkabinett Wien, Hamburger Kunsthalle 28.44 Gr., Neustrelitz (früher Masch, Mecklenb. Jahrbücher, 29. Bd., S. 256), 28.90 Gr.

b) Schwerin 28.91 und 28.98 Gr. (dieser aus der Rostocker Universitätssammlung), Gotha, Sammlung Vogel in Chemnitz 29.00 Gr.

Schultheß = Rechberg Thalerkabinett Nr. 4706; Madai Nr. 1348; Evers, Mecklenb. Münzverf. II, 1799, S. 32; Köhne, Zeitschrift für Münz=etc. Kunde, 2. Bd. 1842, S. 165 fg.

Dieser an sich zwar seltene Taler kommt doch verhältnismäßig häufig auf Versteigerungen und im Handel vor, wobei allerdings dahin gestellt bleiben muß, in wieweit hier dieselben Exemplare wiederholt erscheinen. Ich führe nur an: Katalog Schultheß Nr. 2720 und 2721 (31.50 und 26 Mk.); O. Helbing München, Aukt. Katal. 1888, Nr. 264, desgl. 1899 Nr. 3165 = 13. Verzeichnis von 1900, Nr. 1442 (150 Mk.); A. Heß, Frankfurt a. M., Katal. Reimmann 3892, Nr. 2753 (135 Mk.); L. u. L. Hamburger, Frankfurt a. M., Katalog Pogge, 2. Teil 1903, Nr. 1600; A. E. Cahn, Frankfurt a. M., Gräflich S...'sche Sammlung 1905, Nr. 210 (105 Mk.); Edm. Rappaport, Berlin, Num. Osserten=Blatt 1909, Nr. 2184 (120 Mk.) u. a.

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Auch mit dieser Prägung von 1581 beschäftigte man sich aus dem Prodationstage. Der schon erwähnte General-Kreis-wardein Georg Stumpfeldt berichtete zum Münzprobationstage Ascens. dom. (24./5.) 1582 zu Braunschweig über seine Revision der Münzstätten und sagte dabei:

"Herr Ulrich, Herzog zu Mecklenburg, s. Gn., lassen itziger Zeit nicht münzen. Es hat aber J. s. Gn. Herr Bruder, Herr Christofer, Herzog zu Mecklenburg, unlangst ein Gießkammer, Glühofen und Schmitten zum Schöneberge, zwo Meil wegs von Lübeck bauen lassen und verrückter weniger Zeit daselbst 1500 Mark sein Silber ohne Münzmeister und Waradin in Thaler vermünzt, allein den Hans Wechsel, ein Goldschmidt in Lübeck, welcher vor diesem der Stadt Lübeck Waradin gewesen, itzo aber, wie ich berichtet, nicht öffentlich, etwa der Religion halber, in gedachter Stadt Lübeck sein darf, des Orts erfordern lassen, welcher erwentes Silder probiret, beschicket, vergossen und vermünzet, mir auch diese Anzeigunge gethan, aldieweil ich ihme zu Rede gesetzt, daß es ihme nicht gebühren wöllen, ohne Eidesleistung der Obrigkeit und zuvörderst der löblichen dieses Niedersächsischen Kreises Ständen in Münzsachen etwas vorzunehmen, daß I. f. Gn. ihme zugesagt, S. f. Gn. wollten ferner nichts münzen lassen, er sei aber bericht, daß J. S. Gn. kürzlich noch 300 Mk. vermünzt haben. Dasjenige, was er probiret, beschickt, vergossen und vermünzt, dafür will er haften, daß es am Schrot und Korn des heiligen Reichs Münz- und Probierordnung gemäß ausgangen, dasjenige aber so I. f. Gn. hernacher vermünzt, dafür könne er nicht Rede und Antwort geben. Was in diesem Fall des heil. Reichs und dieses Niedersächs. Kreises Münzedict, Ordnunge und Abschiede nottürftig und wol versehen, werden die anwesende Räthe sich günstiglich zu berichten wissen."

Dementsprechend lautet Punkt 4 des Abschiedes vom 29. Mai wie folgt:

"4. Als berichtet worden, daß Herzog Christof zu Meckelnburg neulicher Weile eine neue Münzstedt zum Schoneberge erbauen und alda in kurzer Zeit in die 1800 Mark sein Silder durch einen Goldschmied von Lübeck, welcher doch diesem Niedersächs. Kreise nicht präsentiret, noch die gewonliche Eide und Pflicht inhalts der Probierordnung geleistet, vormünzen lassen, welches aber keineswegs

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(weil es allen Reichs und Kreisordnungen und Abschieden zuwider lauft) nachzuhangen noch zu gestatten, so ist derenwegen an S. f. Gn. von hinnen aus geschrieben und Gr. f. Gn. die Notturft zu Gemüt geführt, wie aus der Notel mit Q signirt zu befinden "

Der von den Kreisräten als Anlage Q zum Abschiede aufgesetzte Entwurf eines Schreibens an Herzog Christoph ist dann von den ausschreibenden Fürsten vollzogen worden:

Beilage Q, zum Kreisabschiede zu Braunschweig.

1582, 8. /6. Administrator Joachim Friedrich und Herzog Julius
       an Herzog Christof von Mecklenburg.

. . . Wir seind von unsern aus dem jetzigen zu Braunschweig gehaltenen Probationtage abgesandten Räthen zu ihrer Anheimkunst unter Anderm berichtet, daß aus des Geneialkreiswardeins gethanen Relation, wie er die Münzen im Umreiten dies vorgangene Jahr über befunden, vormerkt, welchergestalt E. Lbdn. unlangst eine neue Münzstädt zum Schonberge, zwo Meilen von Lübeck erbauen und in weniger Zeit daselbst in die 1800 Mark fein Silbers ohne Münzmeister und Gewardin durch Hansen Wechsel, Goldschmieden von Lübeck, in Thaler vermünzen und beschicken lassen. Und als er derentwegen vom Generalkreisgewardin zu reden gesetzt und ihm dabei angezeigt, daß ihm solches ohne Erlaubniß dieses Niedersächs. löbl. Kreis Stände, denen er vermöge der Ordnung nicht präsentirt, noch die gewohnliche Eide inhalts derselben geleistet, keineswegs gebüret hätte, zu seiner Entschuldigung dargegen solle fürgewendet haben, E. Lbdn. hätten ihm in dem schadelos zuhalten und zu verandtworten zugesaget. Wann aber solchs E. Lbdn. ungebührlich Münzen allen Reichs- und Kreismünordnungen und Abschieden zuwiderlauft und gegen die Röm. Kaiserl. Maj. und gemeine Reichsstände nicht kann, noch mag verandtwortet werden, so zweifeln wir garnicht, E. Lbdn. werden sich solcher Ordnunge und Abschiede selbst zu erinnern und es mit Ihrem Münzen also anzustellen wissen, daß E. Lbdn. kein Schimpf oder Nachtheil daraus entstehen möge.

Datum den 8. Juni Anno 82.

Konzept St.-A. Magdeburg. Niedersächsisches Kreisarchiv, Münzsachen Vol. VI, 3, Fol. 447.

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Wenn in diesem Schreiben die Münzprägung Christophs als ungebührlich, allen Reichs- und Kreismünzordnungen zuwiderlaufend und unverantwortlich bezeichnet wird, so bezieht sich dies nicht auf das Recht zu prägen überhaupt, das stand ihm als Bischof und damit als Reichsfürst undedingt zu, sondern auf die Einrichtung einer besonderen Münzstätte, auf das Prägen ohne einen dem Kreise vorgestellten Münzmeister und Wardein, auf das unterlassene Besuchen der Probationstage u. a.

Die zunehmende Münzverschlechterung im Reiche schob man nicht mit Unrecht auf die große Zahl der vorhandenen Münzstätten. Da das Edelmetall knapp war, so folgte aus dem Wettbewerbe zu seiner Erlangung ein Steigen des Silberpreises und daraus wiederum ergab sich eine Verminderung des Gewinnes an der Münzprägung. Die Lohne stiegen, die allgemeinen Unkosten wurden größer, so daß eine gesetzmäßige Ausprägung der kleinen Münzen nur mit Verlust verknüpft war. Da ihn aber weder der Münzherr zu tragen geneigt war, noch auch dies dem Münzmeister zugemutet werden konnte, der ja aus der möglichst vorteilhaften Verwaltung seiner Stelle sein Brot hatte, so wurde entweder schlechter als vorgeschrieben gemünzt, d. h. in geringerem Feingehalte, häufiger aber in größerer Stückzahl, oder aber die Prägung der Verlust bringen den kleinen Sorten wurde eingestellt, wie dies in Niedersachsen gerade besonders in den Jahren um 1581 der Fall war. Hieraus folgte für den taglichen Verkehr ein großer Mangel an kleiner Münze, den auswärtige Münzherren sich zunutze machten, um ihre minderwertigen Sorten einzuführen.

Dem Allen vorzubeugen, war zuletzt noch auf dem Deputationstage zu Frankfurt a. M. im Abschiede vom 1./10. 1571, § 27, bestimmt worden, 4 ) daß die Kreise sich auf 3 oder 4 Münzstätten zu einigen hätten, auf denen alle münzberechtigten Stände und Städte - abgesehen von denjenigen Ständen mit eigenen Silberbergwerken und damit eigenen Münzstätten - ihre Ausprägungen vornehmen lassen sollten, wobei es ihnen unbenommen war, eigene Stempel zu verwenden. Für den Niedersächsischen Kreis waren dementsprechend zuerst als Münzstätten bestimmt: Lübeck, Bremen, Magdeburg und Braunschweig, zu denen durch Beschluß des Kreistages vom 26./4.


4) Hirsch, Reichs-Münzarchiv, Bd. II, S. 101 fg.
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1572 zu Lüneburg noch Hamburg und eine mecklenburgische - die Wahl zwischen Rostock und Wismar wurde freigestellt --traten.

An diese Bestimmungen hat sich, je länger je weniger, kein Münzstand gehalten. Bei der eigenartigen Zusammensetzung des Kreises und bei der Rivalität der einzelnen Glieder blieben Eigenmächtigkeiten ungeahndet, nur den politisch Schwachen ließ man es zuweilen entgelten. Der Münzstätten wurden immer mehr, bis dann schließlich in den Jahren 1619-22 der Krach erfolgte.

Auch Christophs münzordnungswidrige Ausprägung von 1581 ist ohne weitere Folgen geblieben, ebenso wie der Brief vom 8./6. 1582 ohne Antwort. Wenn er 1800 Mark sein Silber vermünzt hat, so sind das 16 200 Stück Taler gewesen, eine Zahl, die die verhältnismäßig geringe Seltenheit dieses Talers erklärt. Halbe und viertel Taler sind nicht geschlagen worden, nirgends erwähnt und auch jetzt nicht bekannt. Auch kleine Sorten nicht, aus den oben erwähnten Gründen.

Die Münzpronbationstage waren seit dem Jahre 1582 mehrmals ausgefallen, teils weil keine Abgesandten der zu deputierenden Stände erschienen waren, teils auch weil der General-Kreiswardein Georg Stumpfeldt im Jahre 1584 gestorben und daher die Bereisung der Münzstätten unterblieben war. Infolgedessen wurde auf dem Kreistage zu Halberstadt am 3./8. 1585, zur Beseitigung allerlei inzwischen eingerissenen Unregelmäßigkeiten im Münzwesen, ein Generalprobationstag auf den 19./10. 1585 zu Braunschweig angesetzt. Mit der Revision der Münzstätten wurden Christof Biener und Steffen Brüning, die Wardeine des Administrators von Magdeburg, Joachim Friedrich, und des Herzogs Julius zu Braunschweig Lüneburg provisorisch beauftragt. Beide berichten über ihre in der Zeit vom 4./8.-18./10). ausgeführten Besichtigungen und erwähnen dabei auch eine neue Ausprägung des Herzogs Christoph.

Biener sagt:

"Herr Christof, Herzog zu Meckelnburg, haben zum Schöneberg durch Hans Wechsel, Goldschmied, wohnhaftig zu Lübeck, etliche Silber in Thaler, halbe und Örterthaler, welche des heilg. Reichs Münz- und Probations-Ordnung gemäß sein sollen, lassen vermünzen. Als ist gedachter Hans Wechsel derenthalben besprochen und ihm angezeigt worden,

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daß er auf vorstehendem Probationstag, dieweil er seinem Anzeigen nach Schwachheit halber nicht persönlichen kundt zur Stätte kommen, von solchen Münzen die Proben zur Stätte verschaffen, welcher sich erboten, daß er solches seinem gnädigsten Fürsten und Herren vermelden wolle, damit hierin kein Mangel sollte erfolgen. Dieweil auch solch Münzen ohne Wardein verricht, hat er angezeigt, daß solch gethan Münzen nicht groß gewesen, hätte aber solches zu Lübeck probiren lassen."

Brüning gibt einige weitere Nachrichten:

"Der durchlauchtige usw. Herr Christof, Administrator des Stifts Ratzeburg, Herzog zu Mecklenburg, haben etzlichc Werk Thaler auf dem Hause Schönenberg durch Hansen Wechsel und Hansen Kewel verfertigen lassen. Dieweil es dann ganz abgeschafft und von den Schroten nichts fürhanden, als ist gleichwol diesen beiden Hansen Wechsel und Hansen Kewel angezeigt, daß sie sich auf diesem Generalprobationstage mit ihren Proben einzustellen und dasselbe Geld zu verantworten werden wissen."

Die gesamten umfangreichen Verhandlungen auf diesem Generalprobationstage liegen mir vor. Mit keiner Silbe wird darin dieser Münzprägung weiter gedacht, weder Hans Wechsel, noch auch Hans Kewel - über dessen Persönlichkeit und Amt ich nichts feststellen konnte - sind zu dem Tage erschienen, noch auch haben sie Münzproben und Prägeregister eingeschickt. Auch Münzen mit der Jahrzahl 1585 sind nicht bekannt geworden. Ich bin daher auf den Gedanken gekommen, daß diese ganze Nachricht sich vielleicht noch aus die Prägung des Jahres 1581 bezieht, denn auch Brüning sagt "dieweil es dann ganz abgeschafft", oder aber es ist mit den alten Stempeln von 1581 geprägt worden, so daß beide Ausmünzungen sich äußerlich nicht von einander unterscheiden. Ob ferner wirklich halbe und viertel Taler geprägt worden sind, wie Biener berichtet, steht dahin Brüning spricht nur von ganzen Talern.

Tatsächlich aber ist einige Jahre darauf, im Jahre 1588, von neuem geprägt worden. Wir haben darüber eine sehr amüsante Korrespondenz, in der die Freude zum Ausdruck kommt, die Christoph an der persönlichen Ausübung der zu seiner Belustigung dienenden Münzprägung hatte, dann aber auch zeigt, wie klein und bescheiden doch die ganzen Verhältnisse

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waren, in denen der fürstliche Bischof sich bewegte. Ich lasse den Briefwechsel von 1588-90 hier folgenen, er spricht für sich selbst:

a) 1588, 3. /8. Herzog Christoph an Herzog Ulrich.

Wir mügen E. Lbdn. nit bergen, daß uns berichtet worden, als solleten dieselbigen ein Werk, damit man Schillinge und Sechslinge drucken kann, haben. Wann wir nun dasselbig zu besichtigen begierig sein, sintemal wir hiebevorn desgleichen nit gesehen, gelanget darauf an E. Lbdn. unser freundliches Bitten, daß dieselbigen angedeutetes Mützwerk uns bei Zeigern dies, Meister Peter Jachenow, zuschicken wollen. Alsdann wollen wir E. Lbdn. dasselbig ehistes Tages unverseriget und unverletzet bei demselbigen wiederumb übersenden.

Datum Gadebusch den 3. August Ao. 1588.

Original. Geh. und Haupt-Archiv Schwerin. Acta monetiari S: 88, 2: Ebendort befinden sich auch sämtliche folgende Stücke.

b) 1588, 9. /8. Herzog Ulrich an Christoph.

Ob wir nun wol nicht ungeneigt, E. Lbdn. in Ihrem freundlichen Suchen, fintemal nicht ohne, daß wir ein solch Instrument, da man Schilling und Sechsling mit drucken kann, haben, brüderlich zu wilfaren, weil uns aber dies E. Lbdn. Schreiben allererst eben auf itzo, wie wir im Aufzuge von hinnen gewesen, überantwortet und niemandts gehabt, dem wir zeigen konten, wie gemeltes Instrument zu gebrauchen, dann Meister Peter Jachenow sich numehr mit dem Gesichte nicht behelfen kann, als bitten wir freundlich, E. Lbdn. wolle uns für diesmal, daß wir ihr dasselbe nicht zuschicken, freundlich entschuldiget halten, seint aber des freundl. Erpietens, wann wir, wils Gott, wiederumb dieser End kommen und es E. Lbbn. alsdann gelegen were, einen Müntzer anher zu schicken, der sich darauf vorstende, daß wir Ihr alsdann bemelt Instiument gerne zuschicken und mitteilen wollen.

Datum Güstrow den 9 Augusti Ao. 88.

Konzept.

c) 1588, 30. /9. Herzog Christoph an Ulrich.

Dankt für die Geneigtheit, "das Instrument, darmit man Schilling und Sechslinge drücken kann," leihen zu wollen.

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"Wann wir dann Jemandt etzliche Müntz zu Probe darmit zu versuchen und machen zu lassen, als haben wir genenwartigen Goldschmidt Hansen Riken, wanhaftig alhir, zu dero Behuf abgefertigt und bitten freundlich, E. Lbdn. wolle nicht allein ihm Anweisung des Instruments, wie es zu gebrauchen sei, thun, besonder auch dasselbige unbeschweret anhero volgen lassen. Sobaldt wir es besichtigt und etzliche Proben darmit gemacht seindt, wollen wir E. Lbdn. dasselbige unversehret freundlich widerumb zu fertigen".

Datum Gadebusch den 30. Septbr. Ao. 88.

Original.

d) 1588, 4./10. Herzog Ulrich an Christoph.

.... "Überschicken demnach bei gegenwertigem Ihren anhero Abgefertigten das bewuste Instrument und haben ihm zeigen lassen, wie er dasselbe gebrauchen und damit umbgehen soll. Es ist etwas mangelhaft geworden, so wir fürerst daran wiederumb haben richtig machen lassen."

Datum Güstrow den 4. Oktobris Ao. 88.

Konzept.

e) 1588, 28./10. Herzog Christoph an Ulrich.

Dieweil uns auch E. Lbdn. auf unser Bitten das Müntzwerk zugeschickt und geliehen, so lange wie wir dann im Werke sein, ein anderes darnach machen lassen und bisweilen zur Lust etliche halbe Schillinge, wie wir E. Lbdn. hiebei einen Abdruck zuschicken, 5 ) machen lassen, als bitten wir, weil noch mehr Stücke, als ein Ziehewerk und was mehr dazu gehörig, noch hinderstellig ist, damit das ganze Werk wir desto richtiger und vollenkommer können nachmachen lassen, E. Lbdn. wolle uns die übrige Stücke auch zuschicken, so wollen wir so baldt solch unser Werk verfertigt, E. Lbdn. das Ihre ungeseumbt und unverdorden wieder zuschicken.

(ohne Ort)

Konzept.

f) 1588, 2./11. Herzog Ulrich an Christoph.

Das Münzwerk belangend, ob wir wol die begerte Ziehebanke, Zieheeisen wie auch den Einguß gerne zuschickcn wölten, so mögen wir doch E. Lbdn. freundlich unvermeldet


5) Liegt dem Briefe nicht mehr bei.
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nicht lassen, daß wir bei Erkaufung angeregtes Werkes deren Instrumenten keines überkommen, wenigers darzu geprauchet, haltens aber dafür, wann E. Lbdn. ein Ziehebank haben will, daß dieselbe leicht nach Art, wie sie die Goltschmiede haben, gemachet werden kann. Sonsten wann wir etwas daraus gefertigt haben, so haben wir die Materie aus der Hand schmieden, plat schlahen und zu Remen, so breit als es hat sein sollen, schneiden lassen, daß wir dieselbe durchs Wergk haben pringen und den Abdruck nach unsern Willen verfertigen können und also weder Einguß, Ziehebank, noch Zieheeisen, wie obgemeldt, gepraucht.

Datum Güstrow den 2. Novembris Ao. 88.

Original.

g) 1589, 15./5. Christoph an Ulrich.

E. Lbdn. Schreiben, 6 ) das Datum stehet Dargun den 11ten hujus, haben wir heutigs Tags allhier endpfangen und seines Inhalts, welchergestalt E. Lbdn. einen Meister bekommen, der die Zangen machen kann, so man zum Ausschneiden bei dem Münzwerk gebrauchet, aber dieselben nicht verfertigen konne, er habe dann zuvor andere gesehen, mit angehefter Bitte, E. Lbdn. Ihre Zangen auf die Sechslinge bei diesem Boten wiederumb zuzuschicken, mit mehrerm daraus freundtlich vernommen. Mügen darauf E. Lbdn. freundtlich nicht verhalten, ob wir wohl deroselben itzo gantz gerne angedeute Zangen wiederumb wolten zuschicken, so ist es doch an deme, daß wir eine zimbliche Anzahl Silberzehen für wenig Tagen haben beschicken und gießen lassen, dieselbe ferner auszuschlagen und unsers Lusts halber mit der Zangen Sechslinge darfon zu schneiden undt also derselben itzo, ehe solche Sechslinge gefertigt sein, gar übel entraten konnen, besondern noch eine geringe Zeit bei uns zu Verfertigung der Sechsling behalten wollten. Bitten derwegen freundlich, E. Lbdn. solches nicht unfreundlich vermerken noch aufnehmen, sondern zu vorhabender Arbeit uns mehrberührte Zang solche Zeit über vorgonnen und lassen wolle. Damit aber der Meister, so die Zangen fertigen, nicht verseumet werden müge, überschicken wir E. Lbdn. hierbei ein Muster der Zangen, so wir nach der andern von Holz haben


6) Fehlt in den Akten, der Inhalt ergibt sich aber aus dem Eingang des Schreibens vom 15./5.
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auf einfache Schillinge machen lassen, versehen uns, er werde nach derselben eine ja sowohl, als wenn er die andern von Eysern bei sich hette, machen konnen. Sobaldt wir nun die Sechslinge, so wir fürhaben, gefertiget, soll E. Lbdn. Ihre Zange mit dem ganzen Instrument von uns freundlich wiederumb übersendet werden.

Datum auf unserm Stiftshaus Schönenberg den 15. Mai Ao. 1589.

Original.

h) 1590, 30./11. Christoph an Ulrich.

Wir seindt zweifelsohn, E. Lbdn. werden unvergessen sein, was wir bei derselben unlengst durch den Erbarn unsern Ambtmann zum Schönenberge und lieben getreuen Jochim . ? . des Müntzwerks halber, so E. Lbdn. uns für dieser Zeit, darfür wir noch freundtlich dankbar, auch gelenet haben. Nachdem wir dann desselben itzo wiederumb benötigt, wie wir dann darzu albereit etzlich Poyment haben zurichten und bereiten lassen, als bitten wir E. Lbdn. hirmit brüder- und freundtlich, dieselbe wolle sich unbeschwert erzeigen und uns angedeut Druckwergk, etzliche Sechsling zur Lust damit zu müntzen, zum lengsten auf eine Monatsfrist freundlich vergonnen und folgen lassen, soll E. Lbdn. fürdersamst und noch müglich noch für diesen anstehenden Weihnachtsfeiertagen unverferigt wiederumb zugefertigt werden.

Datum auf unserm Stiftshause Stove den 30. Novembris Anno 90.

Original.

i) 1590, 4./12. Ulrich an Christoph.

Wir haben E. Lbdn. Schreiben vom letzten Novembris zu Henden empfangen etc. Nun wollten wir E. Lbdn. in Ihrem freundlichen Suchen mit Darleihung angeregten Müntzwerks gerne willfahren, weil es aber an dem, daß wir dasselbe itzo nicht bei der Hand, sondern zu Alten Stargardt nuf unserm Hause daselbst an einem gewissen Orte stehen haben, von dannen es ohne unser Beisein durch andere nicht kann abgeholet werden, wollen geschweigen, daß es auch dermaßen bruchfellig worden, indem wir darauf selbst gemüntzet, daß man es nicht gebrauchen kann, ehe dann es wieder fertig gemacht, so bitten wir demnach freundlich uns daher

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für diesmal brüderlich entschuldiget zu nehmen und weil wir auch hiebei bedenken, daß gedachts Müntzwerk nicht E. Lbdn., sondern unsere Namen drucket, als lassen wir uns bedunken, es sollte besser und E. Lbdn. treglicher sein, da dieselbe bedacht, Sechslinge zu machen, Sie hette bei dem Meister zu Dresden dergleichen Münzwerk auf Ihren eigenen Namen machen und fertigen lassen, dessen sie hernacher allezeit Ihrer selbst eigenen und guten Gelegenheit und Gefallen nach zu gebrauchen.

Datum Neucloster den 4. Decemb. Ao. 90.

Konzept.

Der Inhalt der Briefe ist also kurz dieser: Christoph hat gehört, daß Herzog Ulrich ein Münzdruckwerk besitze, Schillinge und Sechslinge damit zu verfertigen. Er entleiht es und münzt damit im Oktober 1588 Sechslinge, wovon er eine Probe übersendet, beabsichtigt im Frühjahr 1589 eine weitere Ausprägung, will auch Anstalten zur Verfertigung von Schillingen treffen, doch kommt sie und eine gewollte erneute Ausmünzung von Sechslingen im Jahre 1590 nicht zustande.

Von den Sechslingen nun sind einige wenige Stücke mit der Jahrzahl 1588 erhalten geblieben. Wenn im Frühjahre 1589 die beabsichtigte Sechslingprägung tatsächlich erfolgt sein sollte, (vergl. den Brief vom 15./5. 1589), dann ist sie, nach der ganzen Lage zu urteilen, mit den alten Stempeln für 1588 ausgeführt worden, so daß man Sechslinge mit der Jahrzaht 1589 nicht erwarten darf.

4. 1588. Sechsling. - Tafel I, Nr. 4.

CHRISTOF . EPS . RAZ (Christof episcopus Razenburgenis).

Der gekrönte mecklenburgische Stierkopf mit Halsfell und Nasenring, darüber schwebend die Bischofsmütze zwischen den Enden der gekreuzten Bischofsstäbe. Zu den Seiten 8-8

DVX = MEG = POL = SIS (Dux Megalopolensis). Großes, die Umschrift teilendes Lilienkreuz, dessen Arme durch Doppelfäden gebildet sind. In den Winkeln D = D = E = F Dm. 20 Mm.

a) Königl. Münzkabinett Kopenhagen, 1 33 Gr.; b) und c) Schwerin, 1 10 und 0.86 Gr. (beide früher in der Rostocker Universitätssammlung); d) Neustrelitz, 0.88 Gr. (früher Masch).

Zuerst bekannt gemacht von Masch aus seiner Sammlung in den Mecklenb Jahrbüchern 12. Bd. 1847, S. 490, dann mit Abbildung wieder-

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holt ebenda 29. Bd. 1864, S. 256, wo auch die ehemals Rostocker Exemplare erwähnt werden. Auf das sehr gut erhaltene Stück in Kopenhagen machte mich Dr. H. Buchenau in München aufmerksam.

Die Münze wird von Masch und anderen irrig Schilling genannt, davon hätte schon das Gewicht abhalten sollen. Daß es Sechslinge sind, ergeben die urkundlichen Nachrichten. Von den zu dieser Zeit auf der Münze in Wismar geprägten Schillingen gingen 131 Stück auf die köln. Mark, wogen also rund 1.79 Gr., die von Wismar und Rostock geprägten Sechslinge dagegen waren zu 186-189 Stück aus der Mark geschrotet, hatten daher nur ein Gewicht von rund 1.25 Gr.

Die Buchstaben D = D = E = F in den Winkeln des Kreuzes sind noch unerklärt. Ich wiederhole, in Ermangelung von etwas Besserem, hier die Auflösung D e D eo E st F ortitudo , die Masch in den Mecklenb. Jahrbüchern 12. Bd. 1847, S. 490, gab, die ihn aber selbst nicht befriedigte, da dieser Spruch sich urkundlich nicht nachweisen läßt. Bischof Christoph folgte darin der Mode seiner Zeit denn wir finden ähnliche Sprüche auf etwas älteren und anderen gleichzeitigen mecklenburgischen Münzen:

G = W = B = E Gottes Wort bleibt ewig, Herzog Heinrich V.,

V = T = I = O Verbum tuum in ore, Herzog Johann Albrecht,

V = G= G = V Ans Gott Gnade verleih, Herzog Ulrich.

Christoph nennt sich auf diesen Sechslingen EPi scopu S RAZ enburgensis , anstatt ADMI nistrator RAZEN burgensis , wie er sich auf seinen früheren Münzen und in Urkunden bezeichnet. Eine Erklärung dafür finde ich nicht, es fei denn, daß der Platz auf der kleinen Münze nicht ausreichte für den längeren Titel, wie man ja auch das sonst nie fehlende DEI GRA tia hier vermißt.

Die hinter dem Wappenschilde auf den Münzen Nr. 1-3 und hinter dem Stierkopfe auf Nr. 4 erscheinenden beiden Bischofsstäbe "sollen", wie Evers II, S. 32/33 meint, "auf die resp. Erz- und Bisthümer Riga und Ratzeburg abzwecken". Nun hatte Christoph auf Riga längst, im Jahre 1569, verzichtet und die Erinnerung an ehemals darauf gemachte Ansprüche wird im Jahre 1588, wo die gekreuzten Bischofsstäbe noch erscheinen, nicht mehr sehr rege gewesen sein. Inful und Bischofsstab sind Andeutungen der geistlichen Würde ganz

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allgemein, daß hier zwei Stäbe gekreuzt angebracht sind, wird ohne jede Beziehung, lediglich aus Gründen des besseren Aussehens und der Symmetrie wegen geschehen sein.

Die Prägung von 1588/89 wird weder in den "Visitationsberichten" der General-Kreiswardeine erwähnt, noch kommt sie irgendwie sonst auf den Münzprobationstagen zur Sprache, deren nächster erst wieder im August 1589 zu Lüneburg stattfand, da der für 1588 ausgefallen war.

Damit endet diese interessante Episode der Münztätigkeit des Bistums. Schon wenige Jahre darauf, 1592, segnete Herzog Christoph das Zeitliche.

 

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IV.

Die ehemalige
Großherzoglich Mecklenburgisch-Schwerin'sche
Militär-Bildungsanstalt

(nach archivalischen Quellen)

von

Graf v. Haslingen, Oberst z. D. und Kommandeur des Landwehrbezirks Schwerin.

 

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U nter dem 26. Januar 1840 erging an das damalige Großherzoglich Mecklenburg - Schwerin'sche Brigade-Kommando von Sr. Königl. Hoh. dem Großherzog Paul Friedrich nachfolgender Erlaß:

"Wir haben schon längst die Notwendigkeit erkannt, daß für die Ausbildung der auf Avancement zum Offizier dienenden Unteroffiziere - wenn sie vollkommen den Anforderungen entsprechen sollen, welche an einen wissenschaftlich gebildeten und tüchtigen Offizier gemacht werden - mehr geschehen müsse, als es unter den bisher gegebenen Mitteln und Verhältnissen möglich war.

Es ist daher Unsere Absicht, eine Militair-Bildungsanstalt einzurichten, welche den Zweck hat, die jungen Militairs nicht allein wissenschaftlich und praktisch soweit auszubilden, daß sie mit allen Kenntnissen und Fähigkeiten eines gebildeten, brauchbaren Offiziers, wie ihn der höhere Standpunkt, auf welchem sich das Kriegswesen in neuerer Zeit erhoben hat, bedingt, versehen sind, wenn sie zum Offizier befördert werden wollen;

sondern, daß sie auch in dieser Anstalt diejenigen Eigenschaften sich aneignen können, welche der Militairstand erfordert, daß sie also auch in dem wahren militairischen Geiste zu Soldaten erzogen werden und mit Ehrgefühl, Zuverlässigkeit und Gehorsam, als den Haupteigenschaften des Soldatenstandes ausgerüstet, zu ihrem ehrenvollen Beruf befähiget werden.

Wir haben von dem Flügel - Adjutanten, Hauptmann v. Hirschfeld, den anliegenden Entwurf ausarbeiten lassen, wollen aber denselben - um einen so wichtigen Gegenstand von mehreren Seiten beurtheilt zu wissen - von einer Commission in seinem ganzen Umfange und mit Berücksichtigung Unserer Militairverhältnisse, prüfen lassen, welche ihre etwaigen Bemerkungen in einem Berichte zusammenfassen soll. Zu dieser Commission bestimmen Wir

den Oderstlieutnant v. Bilguer,
den Major v. Raven II,
den Hauptmann Scheffer und
den Flügel-Adjutant, Hauptmann v. Hirschfeld,

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und hat das Brigade - Commando die betreffenden Offiziere hiezu zu befehligen, ihnen den anliegenden Entwurf mitzutheilen und den Bericht dieser Commission mit den noch etwa nötig erachteten Bemerkungen versehen, demnächst ehemöglichst bei Uns einzureichen.

Schwerin, den 26. Januar 1840.

gez. Paul Friedrich,            
Großherzog von Mecklenburg = Schwerin.

Der in dem angeführten Erlaß erwähnte Entwurf des Hauptmanns v. Hirschfeld, getragen von der edelsten Auffassung von den Pflichten des Offizierstandes, begründet die Notwendigkeit der Gründung einer militärischen Bildungsanstalt damit, daß die Leistungen der Offiziere nicht annähernd den zeitgemäßen Anforderungen entsprechen. Er sagt: "Erwägt man, daß bei den jetzigen Ansprüchen - der wissenschaftlichen Ausbildung garnicht einmal gedacht - ein junger Unteroffizier nach einer halbjährigen Dienstzeit, wenn er die geringen wissenschaftlichen Bedingungen erfüllt, schon Offizier werden kann, diese Zeit aber kaum hinreichend ist, einen Soldaten in seinem Dienstkreise notdürftig auszubilden, so läßt es sich nicht verhehlen, daß unmöglich ein Offizier seinen Standpunkt als Lehrer und Vorgesetzter gehörig ausfüllen kann, nicht gedacht des drückenden Gefühls, welches in ihm erwachen muß, wenn er sich in vielen Dienstzweigen von seinen untergebenen Unteroffizieren übertroffen sehen muß".

Die Verhandlungen über die Organisation der Militär-Bildungsanstalt erfuhren durch erhebliche Differenzen in den Ansichten der Kommissionsmitglieder und durch eingehende Erkundigungen nach den Einrichtungen ähnlicher Art in anderen Staaten störenden Aufschub. Zwei Jahre nach dem ersten Schritt, unter dem 14. Februar 1842, erfolgt die Allerhöchste Willensmeinung, daß mit dem 1. Juli 1842 die militärische Pflanzschule für Offiziere im dazu umgedauten Domanial-Kranken-Hause in der Bergstraße - Nr. 29, heute Großh. Statistisches Amt - einzurichten sei. Leider war es dem hochherzigen Gründer, Großherzog Paul Friedrich, nicht mehr vergönnt, diesen bemerkenswerten Tag zu erleben. - Die Bildungsanstalt nahm 18 Kadetten auf und bildete sie in dreijährigem Jahres-kursus soweit, daß sie die durch eine Prüfung darzulegende Reife zum Offizier erlangen konnten. 6 Stellen waren für

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Vollpensionäre, 6 für Halbpensionäre, 6 für Freikadetten, deren Kosten Se. Kgl. Hoh. der Großherzog selbst trug. Hauptsächlich sollten die Söhne von unbemittelten Staatsdienern Berücksichtigung finden. Die Bewerber, welche nicht unter 15 und nicht über 17 Jahre alt sein durften, hatten sich einer strengen wissenschaftlichen Prüfung ihres Wissens zu unterziehen. Die Fächer, welche gelehrt wurden, waren:

Deutsche Sprache, Militärgeschäftsstil, alte, mittlere und neuere Geschichte, Geographie, Militärgeographie, Mathematik, (Arithmetik, Geometrie, Stereometrie, Trigonometrie, Theorie der krummen Linien), militärische Dienstvorschriften, Waffenlehre, elementare und angewandte Taktik, Feldfortifikation, topographisches und fortifikatorisches Zeichnen, französische Sprache, von 1845 noch Englisch; an praktischen Übungen:

Militärgymnastik, Exerzieren mit dem Gewehr und am Geschütz, Scheibenschießen, Fechten, Reiten, Voltigieren, Schwimmen, Tanzen. Artilleristische Kenntnisse für diejenigen, welche sich für die Artillerie, Pferdekenntnis für die, welche sich für die Kavallerie bestimmt haben. 1 ) Vor Beginn der 1. Klasse konnten die Zöglinge ihre Wünsche für die Waffengattung äußern, die nach der Maßgabe erfüllt werden, daß unter den 18 Kadetten in der Regel nicht mehr als 3 Kavalleristen und 2 Artilleristen sich befinden dürfen. Die Verteilung der Lehrfächer fand derart statt, daß in den beiden unteren Klassen die allgemeinen, in der 1. Klasse die militärischen Wissenschaften überwiegend getrieben wurden. Die Kommission für die Austrittsprüfung bestand aus dem Direktor der Militär - Bildungsanstalt als Präses, 2 Militär- und 2 Zivillehrern. Es wurden angefertigt: Ein deutscher Aufsatz, eine Meldung oder ein Bericht, dem Geschäftsleben des Militärs entnommen, eine Mathematik-Arbeit, eine geschichtliche oder literaturgeschichtliche Abhandlung, eine Übersetzung aus dem Lateinischen ins Deutsche, eine solche aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche, eine Ausarbeitung aus den militärischen Wissenschaften. (Dienstkenntnis, Wassenlehre, Taktik, Terrainlehre, Fortifikation und Artillerie). Dazu kam eine Prüfung in der Fertigkeit und Gewandtheit im militärischen Zeichnen und Geländeaufnehmen sowie im Schnell- und Schönschreiben. Nach bestandenem Offizier - Examen erhielten die Militärschüler das Feldwebel-Portepee und wurden den verschiebenen Truppenteilen zur Dienstleistung zugeteilt,


1) Es erhielten in Wirklichkeit diesen Unterricht alle Zöglinge.
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wobei bei der Infanterie die Wahl des Bataillons möglichst berücksichtigt wurde. Bei der Truppe taten diese Kadetten-Unteroffiziere 9 Monate bis 1 Jahr Dienst, um alle Einzelheiten desselben kennen zu lernen. Diejenigen ehemaligen Zöglinge, welche Frei-Kadetten gewesen waren, rückten entweder in vakante Unteroffizierstellen ein und wurden mit Bekleidung, Löhnung, Brot usw. versehen oder mußten über den Etat angestellt werden. Die "Pensinärs" hingegen, die in der Militär-Bildungsanstalt gegen Zahlung von 300 bezw. 200 Taler Erziehungsgeld aufgenommen worden waren, mußten sich auf ihre Kosten in der Truppe bis zur definitiven Anstellung als Offiziere erhalten. Die Frei-Kadetten übernahmen die Verpflichtung, 6 Jahre als Offiziere im Großherzoglichen Korps zu dienen. Wenn die Kadetten-Unteroffiziere die gesetzliche praktische Dienstleistungszeit beendet hatten und von dem Offizierkorps ihrer Truppe 511 Offizieren würdig erkannt worden waren, konnten sie zu Offizieren Sr. Kgl. Hoh. dem Großherzog in Vorschlag gebracht werden.

Während ihres Aufenthaltes in der Militär-Bildungsanstalt erhielten die Zöglinge freie Bekleidung, Ausrüstung und Verpflegung sowie monatlich 1 Taler 24 Schillinge Taschengeld, wofür die Schreib- und Zeichen - Materialien gehalten werden mußten. Beim Eintritt in das Institut hatte jeder Zögling 12 Hemden, 12 Taschentücher, 12 paar Strümpfe, 2 paar Stiefeln mitzubringen. Die Militär - Bildungsanstalt stand unter der Oberleitung des Brigade-Kommandos, General-Major v. Elderhorst 2 ), das die Gesuche der Bewerber und die


2) Hartwig v. Elderhorst, geb. 9. Oktober 1789, Großherzoglich Mecklenburgischer Page, trat
1805 in Kurhessische Dienste beim Regiment v. Wurmb,
1806 Sekondleutnant im Kurhessischen Garde-Regiment,
1809 Premierleutnant,
1810 Hauptmann, 1813 zum 9. Preußischen Regiment, Feldzug nach Rußland, dann Abschied, trat Ende
1813 als Bataillons-Chef ins 7. Preußische Infanterie-Regiment,
1815 in Meckleuburgische Dienste als Major und Kommandeur des Grenadier-Garde-Bataillons,
1825 Oberstleutnant,
1837 Oberst,
1839 Brigade-Kommandeur,
1840 General-Major,
1841 zur Bundes-Inspektion nach Württemberg kommandiert,
1849 Abschied bewilligt,
1871 gestorben in Schwerin.
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Ergebnisse der Eintrittsprüfung Sr. Kgl. Hoh. dem Großherzog vorzulegen hatte. Die außerordentliche Fürsorge des erhabenen Landesherrn für die so wichtige Vorbereitungsschule für das Offizierkorps geht aus jedem Blatt der alten Akten hervor, und es berührt uns, wenn wir sehen, wie er dem Fortschritte jedes einzelnen der Zöglinge sein wärmstes Interesse entgegenbringt. Zunächst wurde nur, aufbauend, die unterste, 3. Klasse, gebildet, 6 Kadetten machten den Stamm des neuen Hauses aus, an dessen Spitze Se. Königliche Hoheit seinen um das Zustandekommen des Ganzen so überaus verdienstvollen Flügeladjutanten, nunmehrigen Major v. Hirschfeld 3 ) stellte, der aber schon nach kaum 3 Monaten aus seiner Stellung durch den Tod gerissen wurde. Ihn ersetzte Hauptmann und Flügeladjutant v. Zütow 4 ), sein Stellvertreter war der Brigadeadjutant Hauptmann Oldenburg. Unter ihm fungierte als Aufsichtsoffizier Leutnant Baron August v. Stenglin 5 ) vom Garde-Gren.-


3) Ludwig v. Hirschfeld , geb. 15. März 1803 auf Gut Priesholz in Schleswig-Holstein,
1821 Premierleutnant bei der Artillerie,
1832 Adjutant der Großherz. Brigade,
1834 kommandiert zu Sr. Kgl. Hoh. dem Erbgroßherzog,
1835 Kapitän und Generalstabs-Offizier,
1837 Flügeladjutant Sr. Kgl. Hoh. des Großherzogs,
1840 Major,
1840 Oktober gestorben.
4) Hermann Hans Rudolph Christian Maximilian v. Zülow, geb. 12. April 1806 zu Nortorf i. Holstein,
1825 Sekondleutnant im Grenadier-Garde-Bataillon,
1835 Premierleutnant und Brigadendjutant,
1836 Stabskapitän,
1840 Kapitän,
1842 Flügeladjutant und Direktor der Militär-Bildunsanstalt,
1844 Major,
1849 zum Militär-Departement kommandiert,
1850 Oberstleutnant,
1852 Direktor der Ministeriail-Abteilung für Militärsachen,
1853 Oberst unter besonderer Anerkennung seiner Verdienste,
1856 Chef des Militär-Departements mit Generalsrang,
1858 General-Major, Geueral-Adjutant und Chef der Gendarmerie,
1864 den Rang eines Geheimen Rates in Anerkennung seiner guten Dienste, General-Leutnant,
1874 General der Infanterie,
1879 14. Januar gestorben zu Schwerin.
5) August Bar. v. Stenglin , geb. 20. September 1816 zu Gelbensande,
1835 Sekondleutnant im Grenadier-Garde-Bataillon,
1842 Aufsichtsoffizier bei der Militär-Bildungsanstalt,
(  ...  )
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Bataillon. Die Kadetten trugen die Uniform ähnlich der des jetzigen Füsilier-Regiments Nr. 90, Litewken von blauem Tuch, roten Vorstößen, weißen Achselklappen, graue Tuchhosen mit roten Biesen, blautuchene Mützen und Tschakos mit Pompon und weißer Fangschnur, schwarze Tuchwesten, graue Uniformmäntel mit roten Kragen, Turnjacken aus Drillich. Sie hatten Gewehre und an sonstigen Waffen und Ausrüstungsstücken Säbel mit Bandelier, Tornister und Kochgeschirr.

Der Ökonom Arfert, mit Feldwebelrang und militärisch gekleidet, mit einem Gehalt von jährlich 162 Taler bei freier Station, sorgte für die Verpflegung, ein Unteroffizier als Furier hatte das Mobiliar unter sich, zwei Aufwärter besorgten die Reinigung der Kleider und des Schuhwerks. Der Etat belief sich im ersten Jahre auf 1736 Taler, im zweiten 2136 Taler, von da ab mit 18 Zöglingen im Etat auf 2800 Taler. Die erste Veranschlagung konnte nur auf theoretischer Grundlage geschehen, nach und nach erhöhten sich die Bedürfnisse und bereits 1845 reichte die letztgenannte Summe nicht annähernd. Dabei erreichte die Zöglingszahl selten die Etatshöhe. Es ist dies nur dadurch zu erklären, daß infolge der strengen Eintrittsprüfung bei den damals noch wenig entwickelten Schulverhältnissen viele Anwärter abgewiesen werden mußten und daß das Erziehungsgeld für die damalige Zeit als ein sehr hochbemessenes angesehen werden mußte, das zu zahlen, manchem zu schwer gefallen ist. Wiederum mußte der Staat auch mit den verfügbaren Mitteln rechnen, und die Wirtschaftsführung ließ sich billiger, als es geschah, wohl nicht einrichten. Das Persona! war im Verhältnis zu der Zahl der Zöglinge zu zahlreich, es umfaßte mit den Zivillehrern 14 Personen und konnte doch, weil drei Lehrklassen bestanden, nicht wohl verringert werden. Dazu kam, daß ein älteres, ziemlich dauernd reparaturbedürftiges Gebäude überwiesen worden war.

Im Gründungsjahre der Militär - Bildungsanstalt ging das bisher vorhandene Großherzogliche Pageninstitut ein, und die Pagen erhielten vielfach anstelle der ihnen gewährten Pagen-


(  ...  ) 1849 Hauptmann und Kompanie-Chef im 2. Musketier-Bataillon,
1858 Major, etatsmäßiger Stabsoffizier im 4. Bataillon und zum Direktor der Divisionsschule ernannt,
1860 z. D. gestellt und Distrikts-Oberst bei der Gendarmerie-Brigade in Güstrow,
1871 27. Juli gestorben zu Schwerin.
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stellen Freistellen in der neu geschaffenen Kadettenschule. Aus ihr wurde dann in der Folge die Pagen wieder genommen, wenn man ihrer Dienste bedurfte. Die Zivillehrer waren nur im Nebenamt an der Militär-Bildungsanstalt beschäftigt, der Aufsichtsoffizier und zwei von der Brigade dazu befohlene Offiziere erteilten die militärischen Disziplinen gegen ein besonderes Honorar von 300 Talern. Schon im Mai 1843 verfügt eine Ordre die Erweiterung des Exerzier- und Turnplatzes, daß der "früher zu Bauplätzen reservierte Teil des ehemaligen Hospitalgartens noch dazu genommen werden solle, ohne jedoch die Bebauung desselben für immer unmöglich zu machen". Den Turn- und Fechtunterricht erteilte bis 1843 der Schweriner Fechtmeister Steuerwald, von da ab der aus Kgl. Sächsischen Diensten übergetretene Sergeant Laufer, der auch den Offizieren der Garnison als Lehrer gegeben wurde zur Anlernung der Truppen in diesem Dienstzweige. Auch wurde ihm gestattet, gegen eine jährliche Vergütung von 80 Talern die gymnastischen Übungen am Schweriner Gymnasium zu leiten. Von 1844 ab waren die drei im Organisationsprogramm vorgesehenen Lehrklassen gebildet und die Zöglinge der obersten Klasse, die Kadetten-Unteroffiziere, deren Uniform die Abzeichen des Dienstgrades trug, traten in ihre Funktionen als Träger des guten Geistes. Die jüngeren Militärschüler waren ihnen subordiniert, im 2. Jahre konnten Zöglinge mit tadellosen Leistungen zu Gefreiten ernannt werden. Jeder Kadett hatte die Befolgung der für die Bildungsanstalt erlassenen "Dienstartikel" bei seinem Eintritt dem Direktor durch Handschlag zu geloben. Die Erziehung baute sich auf die Entwickelung eines regen Ehrgefühls auf. Als Mittel zur Einwirkung galt zuförderst das gute Beispiel, von Strafmitteln waren vorgesehen Rügen, Verweise ohne Zeugen oder in öffentlicher Versammlung, Entziehung des Urlaubs und von Vorrechten, sowie Arreststrafen. Es wurden verhängt: Stubenarrest bis zu 14 Tagen, wobei dem Arrestaten der Säbel abgenommen wurde, gelinder Arrest im Arrestzimmer bis zu 8 Tagen, während dessen aller Iunen- und Außendienst verrichtet werden mußte. Bei strengem Arrest, der durch den Brigade-Kommandeur verhängt wurde und eine Höchstdauer von 4 Tagen hatte, verblieb der Arrestat in dem Arrestzimmer eingeschlossen und erhielt nur einen um den anderen Tag warme Kost. Bei allen Arrestarten wurde die Auszeichnung, den Säbel zu tragen, entzogen. Wenn ein Kadett fortwährend

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schlechte Sitten, Trägheit im Lernen an den Tag legte, so konnte, unter der Voraussetzung, daß 2/3 der Lehrer damit einverstanden war, der Direktor auf dessen Entlassung antragen. Vorhergegangen mußten aber zwei Verwarnungen sein, die erste von seiten des Direktors in Gegenwart des Aufsichtsoffiziers und eines Lehrers der Anstalt, die zweite von seiten des Brigadekommandeurs in Gegenwart des Direktors. Den Lehrern war eine Strafgewalt nicht gegeben. Kadetten der 2. Klasse wurden bei guter Führung zu Kadettengefreiten, solche der 1. Klasse zu Kadetten-Unteroffizieren auf Vorschtag des Direktors durch das Militär = Departement ernannt. An Kadetten - Unteroffiziere konnte auch als außerordentliche Auszeichnung "die Würde eines Feldwebels" verliehen werden.

Der Anfsichtsoffizier war die ausführende Instanz aller vom Direktor erlassenen Anordnungen, das erziehende Element;

er wohnte in dem Institutsgebäude, durfte verheiratet sein, hatte aber, wenigstens in den ersten Jahren noch, die Verpflichtung, die Mittags- und Abendmahlzeiten mit den Zöglingen einzunehmen. Er erhielt neben seinem Dienstgradsgehalt noch 300 Taler jährlich, freie Wohnung von 4 Zimmern und Heizung.

Nachdem im dritten Jahre des Bestehens der Bildungsanstalt die Hauptschwierigkeiten überwunden waren, durfte man hoffen, daß nun in ruhiger, stetiger Arbeit an dem jungen Nachwuchse des Offizierkorps würde vorangeschritten werden können. Die Kurse gaben den leitenden Behörden die Überzeugung von der Zweckmäßgkeit der Organisation und die shönen Erfolge einer von idealer Auffassung getragenen Erziehung ließen viel erwarten. In erster Linie durften sie wohl den Männern zugeschrieben werden, welchen durch das Allerhöchste Vertrauen die Leitung übertragen worden war. Offiziere, edeldenkend, begeistert für ihre Aufgabe, voll befähigt, sie zu lösen. Es waren Generalmajor v. Elderhorst, Major v. Zülow, Leutnant Frhr. v. Stenglin. So kam das Jahr 1848 heran und mit ihm der Reif, der die junge Pflanze bis zur Wurzel berühren sollte. Eine der wesentlichsten Zeitfragen war die Aufhebung oder gänzliche Umgestaltung der militärischen Erziehungsanstalten, der § 62 des Entwurfs einer Deutschen Wehrverfassung sprach bereits die Aufhebung aller einseitigen Anstalten solcher Art aus. Da trat die Frage an die Regierungsgewalt, welche den Strömungen der Zeit schon

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an anderen Stellen nachgegeben hatte, heran, wie sie sich der jungen, mit Sorgen und Mühen erstandenen Schöpfung gegenüber stellen wolle. Es war sicherlich eine schwere Entscheidung, die in dieser Zeit getroffen werden mußte. Bei ihr handelte es sich um Sein oder Nichtsein einer aus landesväterlicher Fürsorge entsprossenen, vielen Familien segensreichen Stiftung. Großherzog Friedrich Franz II. befahl unter dem 20. Januar 1849 eine derartige Reorganisation der bisherigen Militär - Bildungsanstalt, daß sie für die Folge vorzugsweise Fachunterrichts- weniger Erziehungsanstalt sein solle. Man gab also gerade das auf, was man s. Zt. zu erreichen erstrebt hatte: die Anwärter aus den Offizierberuf für die besonderen Eigenschaften, die er verlangt, noch in jugendlichem, der Einwirkung nachgehenden Alter, systematisch zu erziehen. Zu Ostern 1849 schon wurden keine neuen Zöglinge für die 3. Klasse mehr aufgenommen, sondern nur solche, welche die Reise für die Prima eines Mecklenburgischen Gymnasiums nachweisen konnten, sie bildeten den Anfang der neuen militärischen Fachschule (Divisionsschule). Die noch aus der alten Organisation stammenden 8 Kadetten erhielten zunächst weiter den bisherigen Unterricht. Nach dem am 22. Mai 1849 erfolgten Abschluß der Konvention mit Preußen trat das Großherzoglich Mecklenburgische Militärdepartement mit dem preußischen Kriegsministerium in Verbindung zum Zwecke, einer Anzahl von Landeskindern die Möglichkeit zu geben, in den Kadettenanstalten Preußens ihre Ausbildung zu erhalten. Preußen bewilligte 18 Stellen in seinen Kadettenanstalten an Landeskinder Mecklenburgs, das aus seinen Etatsmitteln jährlich 1 200 Taler dafür als Zuschuß gab. - Durch die Vermittelung der Großherzoglichen Regierung ist dann in der Zeit von 1850-1856 eine ganze Schar von Söhnen Mecklenburgs, reich unterstützt durch staatliche bezw. Schatullen-Mittel, in den preußischen Kadettenvoranstalten und in der Hauptanstalt zu Berlin zu Offizieren gebildet worden. Die größere Zahl von ihnen nahm das Kadettenhaus Potsdam auf. Mit Ende Juni 1850 hört die erste Großherzoglich Mecklenburgische Militär-Bildnngsanstalt auf zu bestehen. In die Räume zieht nun die Divisionsschule, spätere Kriegsschule, welche nach dem Muster der Preußischen Anstalten gleicher Art eingerichtet wird; sie hat daselbst bis zur Wiedereinrichtung der Militär-Bildungsanstalt im Jahre 1856 bestanden und ist im Jahre 1860 mit dieser organisch vereinigt worden.

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Der ersten Kadettenschule war nur ein kurzes Blühen vergönnt gewesen. Erstanden aus edelsten Beweggründen, haben ihre Leiter sich treu und mit hohem Verständnis befleißigt, tüchtigen Nachwuchs dem kleinen Offizierkorps des Landes zu erziehen; noch waren nach und nach hervortretende Mängel abzustellen, der wissenschaftliche Standpunkt blieb vor allem zu erhöhen. Nun, nach schönem Anlauf, hieß es, das mit Mühe Erreichte aufzugeben. Und doch war dies vielleicht für den Augenblick das Richtigste. Eine landesherrliche Verfügung hatte gestattet, daß junge Leute, die sich dem Militärstande widmen und auf Beförderung zum Offizier dienen wollten, als Freiwillige eintreten, sich außerhalb der Militär-Bildungsanstalt die nötigen Kenntnisse erwerben und nach gründlicher Erlernung des praktischen Dienstes zur Ablegung des Offizier-Examens melden könnten. Dieser kürzere und weniger kostspielige Weg zur Erreichung des Endzieles war dem längeren und teureren mehr und mehr vorgezogen worden. Die zur Unterhaltung der Militär-Bildungsanstalt notwendigen Geldmittel hatten seitdem nicht mehr in einem richtigen Verhältnisse zu den gewonnenen Resultaten gestanden. Die Reorganisation der militärischen Institutionen der deutschen Staaten ließ aber eine Zurückziehung des in der beregten Verfügung gestatteten kürzeren Weges damals nicht zu. Der tätige, wahrlich mit allen Fasern seines Wesens mit der jungen Anstalt verbundene Direktor, Major v. Zülow, mußte selbst Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog den Vorschlag unterbreiten, das Kadetteninstitut eingehen zu lassen. Ihm wurde unter dem 9. Juli 1850 in einem huldvollen Allerhöchsten Handschreiben die warme Anerkennung und der Dank seines erhabenen Landesherrn ausgesprochen für die große Hingabe an seine ihm zugewiesene Ausgabe.

Das Anstaltsleben während der ersten Periode des Bestehens der Militär-Bildungsanstalt trug, bei aller Betonung einer militärischen Erziehung, einen familiären Charakter. Der Aufsichtsoffizier war diejenige Person, auf welcher die ganze Last und die Verantwortung ruhte, von seiner Zuverlässigkeit, seinem Eifer und seinem Verständnis für die Aufgabe hing im Grunde der Erfolg der Erziehung ab. Er ordnete alle Einzelheiten des inneren Dienstes an und beaufsichtigte ihn, empfing die Pensionsgelder, war Mitglied der Kassenkommission, zahlte das monatliche Taschengeld an die Zöglinge, verwaltete die Vergnügungskasse, kontrollierte die Ausgabenbücher und

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hatte die erste Strafgewalt. War er verhindert, so vertrat ihn für kurze Zeit der Furier, ein aus der Truppe abgegebener Unteroffizier, bei längerer Abwesenheit befahl die Brigade einen Offizier. Das von den Aufsichtsoffizieren geführte, in den Akten vorhandene Tagebuch gibt interessante Einblicke in das Getriebe des kleinen Staates. Bei der großen Sparsamkeit, welche erforderlich war, um hohe Zuschüsse zu vermeiden, mußte sorgsam gewirtschaftet werden, das alte Haus bedurfte fortdauernder Reparaturen, und vielfach muß Notwendiges lange entbehrt werden. Am Vormittage waren meist 4 Stunden, am Nachmittage 2 Stunden wissenschaftlicher Unterricht, gegen Abend wurden die Aufgaben für den folgenden Tag erledigt, dazwischen fielen Spaziergänge oder gymnastische sowie Exerzierübungen. Da die Zöglinge, die aus dem Kindesalter heraus, von nicht bedeutendem Altersunterschied waren, so gestaltete sich auch das Zusammenleben harmonisch, Quälereien Älterer Jüngeren gegenüber gehörten zu den Ausnahmen, trotzdem die Schüler der beiden niedersten Klassen nach den Vorschriften diejenigen der höchsten Klasse als ihre Vorgesetzten anzusehen hatten. Die Aufsichtsbehörde konnte aber auch wenig damit rechnen, von dieser höchsten Klasse wesentlich unterstützt zu werden, denn auch sie waren noch recht unfertig und erziehungsbedürftig. Der Furier, ein für seinen Stand zwar recht gebildeter, aber wie es scheint, wenig verlässiger Mann, konnte keine wesentliche Hilfe bei der Erziehung sein und war es auch nicht, denn die Zöglinge sahen ihn nicht als voll an und schlugen ihm, der noch dazu hochgradig kurzsichtig war, oft genug ein Schnippchen. Mit väterlicher Liebe überwacht der Aufsichtsoffizier seine Zöglinge, sieht auf die Individualität derselben einzuwirken, mahnt, lobt, straft und sucht die mancherlei auftretenden Fehler zu bekämpfen, Charaktere zu erziehen. Übermut, Mangel an Pflichtgefühl, Trotz und Ungehorsam seiner Zöglinge machen dem treu und zielsicher seines Amtes waltenden ersten Aufsichtsoffizier das Leben nicht immer ganz leicht. Die meisten der jungen, bereits konfirmierten Leute hatten unter verhältnismäßig großer Freiheit die Zivilschulen bis zum Eintritt in die Militär-Bildungsanstalt besucht, die ehemaligen Pagen waren durch ihre Stellung und ihre freiere Sondererziehung am Hofe verwöhnt worden, nun sollten sie sich unter dem Zwang militärischer Zucht fügen und in scharf auf die Minute geregelter Tageseinteilung ihre Pflichten erfüllen. Manch einem Jünglinge ist das Einleben nicht leicht geworden, um so mehr, als in

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den ersten drei Jahren bis zum völligen Zusammenschweißen der drei Klassen die Disziplin besonders scharf gehandhabt wurde. Doch nicht klösterlich streng von der Außenwelt abgeschlossen leben die Knaben, sie dürfen, natürlich mit Urlaub, je nach der Stufe, auf der sie sich befinden, in den dafür gesetzten Schranken freien Gebrauch machen von ihren Mußestunden. Sie gehen in die Stadt, oder hinaus in die reizvolle Umgebung, besuchen Verwandte. Mit ihrem Mentor machen sie Ausflüge, Spaziergänge, Ruderfahrten. Besonders bevorzugt dafür sind Lankow und das schöne Friedrichsthal, bei gering bemessener Zeit ist der Werder oder der Zeltenberg das Ziel, wo im Freien Gesellschaftsspiele oder Wettlauf die muntere Schar zusammenhält und diszipliniert. Man geht zum Angeln, Kegelschieben, zum Erdbeeressen zum Gärtner Lobedanz, in den Großherzoglichen Weinberg zur Traubennachlese, zum Nüssesammeln nach dem Kaninchenwerder, im Winter wird auf dem Pfaffenteiche eifrig dem Schlittschuhlauf gehuldigt. Dabei wird aber die wissenschaftliche Fortbildung nicht hintangesetzt, die Zöglinge besuchen Experimentalvorträge in Physik und Chemie, sind zugegen, wenn berühmte Reisende vor dem Schweriner Publikum die Ergebnisse ihrer Forschungen dartun, und sind ständige Zuhörer bei den Festfeiern in der Aula des Gymnasiums. Die Theaterintendanz gibt einige Freiplätze, zu Zeiten abonnieren die Kadetten aus den Mitteln ihres Taschengeldes von monatlich 32 Schillingen (ca. 2 Mark in unserem heutigen Gelde) auf Plätze im Parkett und haben dadurch die Gelegenheit manch schönen Genusses, wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß die Theateraufführungen vielfach ablenkend einwirkten und eine oder die andere auch den Jüngeren und Unreiferen nicht förderlich war. Den Paraden der Garnison, den Exerzierübungen und Feldmanövern der Schweriner Garnison bezw. der auswärtigen Truppen, wenn sie in der Nähe stattfanden, durften die jungen Marssöhne hie und da beiwohnen. Das war jedesmal besondere Freude, hatte doch auch fast ein jeder von ihnen bei den Truppen Verwandte, die dann die Gelegenheit wahrnahmen, den kleinen Bruder oder Vetter recht zu verwöhnen. Da der Stundenplan selbst der untersten Klasse bereits militärische Wissenschaft an die Kadetten dieser ersten Periode heranbrachte, so betrachteten sie sich bereits ein klein wenig zur Armee gehörig. Kleidung und Ausrüstung war ja, wie schon erwähnt, ganz militärisch, die oberste Klasse schoß sogar bereits mit der Büchse auf 100 und 150 Schritt auf dem Werder. Die

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gymnastischen Übungen sind früher, als dies aus den Preußischen Kadettenanstalten der Fall war, in der Militär-Bildungsanstalt gepflegt worden. Das Florett-Papier-Gewehrfechten und das Fechten Gewehr gegen Lanze fand im großen Speisesaale statt. Die im Pagenkorps erzogenen Kadetten hatten darin vor den übrigen einen Vorsprung, da sie dort schon im Hieb- und Stoß-fechten ausgebildet worden waren. Die älteren Kadetten, die der 1. Klasse angehörten, erhielten im Großherzoglichen Marstall unentgeltlich dreimal wöchentlich Unterricht im Reiten und zweimal in der Pferdekenntnis. Ein Sergeant des Garde-Grenadier-Bataillons, und zwar derselbe, welcher Se. Kgl. Hoh. den Großherzog "ausexerziert" hatte, exerzierte die Kadetten und manchmal gings sogar zu Solchen Übungen nach dem Alten Garten, wozu dann stets Säbel und Tschako angelegt werden mußten. Kleinere Tiraillierübungen, kürzere und längere Marschübungen, sogar mit Abkochen, wurden immer gern gesehen. Eine solche, bei der aber auch das Vergnügen zu seinem Recht kommen durfte, fand im Mai 1844 nach Ludwigslust statt. In Turnjacken, den Tornister mit einigem Mundvorrat beschwert, den Säbel umgeschnallt, ohne Gewehr wurde um 11 Uhr vormittags abgerückt. Ein einspänniger Wagen, der die bessere Garnitur enthielt und auf dem, wenn nötig, auch wohl einer oder zwei Fußkranke befördert werden konnten, begleitete die kleine Truppe. Im Haselholz wurde der erste Halt gemacht, im Ortkrug, halbwegs Ludwigslust, fand um 4 Uhr nachmittags die größere Pause zur Mittagsmahlzeit statt, Nachtlager war in Dreenkrögen festgemacht, wo die muntere Schar auf Stroh in der Wirtsstube gebettet wurde. Am anderen Morgen ging es frisch gestärkt zu Körners Grab und kurz vor Ludwigslust wurde "große Toilette" gemacht, der Marschanzug mit der besseren Garnitur - Litewka und weiße Beinkleider - vertauscht, um beim Einrücken in die Residenz einen günstigen Eindruck zu machen. Drei Zimmer im Hotel Weimar waren bestellt worden. Das Besehen der öffentlichen Bauten, insbesondere des Großherzoglichen Schlosses, der Kavalleriekaserne, nahm den halben zweiten und dritten Tag in Anspruch. Am vierten Tag 5 Uhr vormittags wurde der Rückmarsch angetreten und bereits um 2 Uhr 30 Min. nachmittags traf man, ohne einen Maroden zu haben, trotzdem sich das Schuhzeug als für derartige Märsche ;zu fein erwiesen hatte, in der Bildungsanstalt wieder ein. Die Kosten hatten sich für den Kadetten auf 1 Taler 6 Schillinge belaufen, sie wurden zum Teil von der Vergnügungskasse

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getragen, zu der jeder vom Taschengeld beisteuerte. - Die Freude an der Natur, an harmlosen Vergnügungen wurde bei allen sich darbietenden Gelegenheiten geweckt und zu erhalten gesucht. Bei Ausflügen kehrt man wohl hier und da einmal ein, ist aber genügsam, dicke Milch und Krebse, die damals geringen Preis hatten, kamen auf die Tafel, bei festlicher Gelegenheit wird wohl einmal eine Bowle aus leichtem Wein gemacht, besonders dann, wenn die oberste Klasse nach bestandenem Examen den unteren Klassen - wie üblich - "einen Satz gab".

Das Prinzip bei der Verteilung der Zöglinge auf die Stuben zu "Stubengemeinschaften" war: die defreundetsten auseinander zu bringen, den Gewissenhaftesten und Ordentlichsten die größte Zahl Untergebener zuzuweisen, um auf diese günstig einzuwirken. Das Untergebenenverhältnis der Jüngeren zu den Älteren wurde von der Leitung von Anfang an als ein Mangel angesehen, man täuschte sich auch nicht über die Gefahren, die es hervorbringen konnte, aber man sah in ihm doch wieder eine Vorschule für die spätere Zeit und für den militärischen Beruf insonderheit, dem sich die Knaben widmen wollten. - Die Kadetten mußten ihre Uniformen und Ausrüstungsstücke selbst reinigen, beim Morgenappell wurde die "Propretät" durch den Offizier oder den Furier einer eingehenden Prüfung unterzogen, die "propren" Kadetten genossen das Vorrecht der Befreiung von dieser Musterung. Die Verpflegung war eine reichliche, sehr kräftige und schmackhafte, sie bestand aus 5 Mahlzeiten am Tage und, wenn, wie in dem Tagebuch des Aufsichtsoffiziers, darüber Klage geführt wird, daß an einem Tage das Mittagessen, bestehend aus Suppe, Bratfischen, Frikandellen mit Kartoffeln, "zu frugal" gewesen sei, so kann man füglich den Rückschluß machen, daß die Ernährung dem voll entsprach, was einem im Wachstum begriffenen Knaben notwendig ist. Zuerst war es Vorschrift, viermal wöchentlich gebratenes Fleisch zu Mittag zu verabreichen, später reduzierte man es auf dreimal und gibt einmal ein Fischgericht. Des Sonntags gab es stets drei Gänge. - Der Gesundheits-zustand ist ein auffallend guter, ein Truppenarzt hat den Sanitätsdienst, die Mittel sind natürlich, entsprechend dem damaligen Standpunkt der ärztlichen Wissenschaft oft recht drastische, Blutegel, Purgative und Brechmittel nehmen dabei die erste Stelle ein. Zu Beginn der Einrichtung der Militär-Bildungsanstalt war kein besonderes Krankenzimmer vorhanden,

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die Unterbringung schwerkranker oder an übertragbaren Krankheiten leidender Zöglinge aber wegen der zu mangelhaften Einrichtungen des Garnisonhospitals unmöglich; später - gegen 1846 - trat auch hierin ein Wandel ein, wenn auch es mit der Hygiene dann immer noch schlimm genug stand. - Groß ist stets die Freude, wenn die Militär-Bildungsanstalt durch den allverehrten Landesherrn besichtigt wird. Großherzog Paul Friedrich war es nur noch vergönnt, die für das Institut, seine eigenste Schöpfung, bestimmten Räume anzusehen, sein Heimgang wurde schmerzlich empfunden. Seinem Nachfolger war die Stiftung seines erlauchten Vaters ein wertvolles Vermächtnis. Er ließ es sich nicht nehmen, die Kadettenschule in allen ihren Aufgaben persönlich unter seinen Schutz zu nehmen, sorgte in der weitgehendsten Weise für die, bei den damals so knapp fließenden Geldmitteln, schwer zu leistenden Zuschüsse und hatte Interesse für jeden einzelnen Zögling. Er behielt sich die Entscheidung über Aufnahme und Entlassung vor und griff selbst in die Leitung ein, wenn er dies für erforderlich erachtete. Oft erscheint er unangemeldet, besucht den Unterricht, das Fechten und Exerzieren und wohnt den wissenschaftlichen Abschlußprüfungen bei. Er sah es gern, wenn der junge Nachwuchs des Offizierkorps bei den an Sonn- und Festtagen stattfindenden Kirchenparaden erschien, oder in den im Frühjahr und Sommer errichteten stehenden Feldlagern, in denen die Ausbildung der Truppen stattfand. Aus den Zöglingen der Militär-Bildungsanstalt wählte er die am Hofe benötigten Pagen, zu denen natürlich nur solche in Frage kamen, welche sich durch Tüchtigkeit und tadellose Führung hierfür qualifiziert gemacht hatten.

Bereits im Jahre 1853 werden von mehreren Seiten Sr. Königl. Hoh. dem Großherzog Vorschläge unterbreitet, die dahin zielen, die Militär - Bildungsanstalt wiedererstehen zu lassen, und zwar unter Aushebung der Divisionsschule. Ganz hervorstechend beteiligt daran waren der damalige Direktor der Divisionsschule und der Kommandeur der Division, Oberst v. Witzleben. Als Gründe dafür geben die f. Zt. eingereichten Berichte, "einmal die durch die Erfahrung begründete Notwendigkeit, namentlich in kleinen Kontingenten, die Offizier-Aspiranten nicht nur in möglichst kurzer Zeit zum Examen über kein militärische Disziplinen vorzubereiten, sondern die sich dem Militärstande widmenden jungen Leute wirklich militärisch zu erziehen, und zum anderen, dem Kontingente eine möglichst regelmäßige Ergänzung des Offizierkorps in Ausstcht stellen

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zu können." Die Verhandlungen über diese Angelegenheit nehmen fast drei Jahre in Anspruch, es galt, genaue Informationen einzuziehen über die Organisation solcher Bildungsanstalten in anderen Staaten mit ähnlicher militärischer Einrichtung und von ziemlich gleicher Größe wie Mecklenburg, aber auch Bewährtes größerer Staaten auf das kleinere Land zweckmäßig anzuwenden. Die Zeitläufte hatten sich gewandelt, es lag keine Notwendigkeit vor, den großen Grundgedanken für die Errichtung der ersten Militär-Bildungsanstalt aufzugeben:

Systematische Heranbildung des Offizierersatzes in besonders dafür eingerichteten Instituten. Verband man zudem die beiden hierfür in Frage kommenden Einrichtungen allmählich organisch, so konnte man hoffen, daß die dafür ausgeworfenen Geldmittel eine nicht erhebliche Belastung des Staatssäckels darstellen würden. Am 10. März 1856 bestätigt Großherzog Friedrich Franz II. das Reglement für die neue Bildungsanstalt und defiehlt, daß es mit Ostern, bezw. 1. Mai desselben Jahres, in Kraft zu treten habe. Danach unterstand die Bildungsanstalt direkt dem Militär-Departement, erhielt die gleichen Räume wieder zugewiesen, welche sie von 1842 - 1850 inne gehabt hatte. Sie bestand aus drei Klassen, Tertia, Sekunda, Prima, entsprechend in allen wissenschaftlichen Anforderungen genau den Vorschriften des Preußischen Kadettenkorps. Am Schluß des Prima-Jahres erfolgte die Ablegung der Portepeefähnrichs-Prüfung vor der aus den Lehrern der Militär-Bildungsanstalt bestehenden Prüfungskommission. Wer diese Prüfung bestanden hat, trat mit der Aussicht auf Beförderung zum Portepeefähnrich und Zulassung zur Divisionsschule in die Truppe ein. Unter dem 29. April 1856 wird Major Köhler, der bisderige Direktor der Divisionsschule, zum Direktor der zweiten Militär-Bildungsanstalt ernannt. Er war unstreitig nach seiner Persönlichkeit und seiner Vorbildung in hohem Grade geeignet, die Reorganisation durchzuführen. Geb. 15. Januar 1812 zu Dresden, 1834 Leutnant im Kgl. Sächs. Ingenieurkorps, 1836 - 1844 Lehrer an der Kgl. Militär - Bildungsanstalt, 1840 Oderleutnant, 1845 - 1848 praktischen Dienst bei der Pionier- und Pontonier-Kompanie und zur Landesaufnahme, zugleich von Ostern 1844 bis 16. Mai 1846 Lehrer der Königlichen Prinzen, 7. April 1848 unter Ernennung zum Hauptmann der erbetene Abschied bewilligt. Am 14. April 1848 als Hauptmann im Generalstabe in Großherzogl. Mecklenb. Dienste getreten, 1849 Feldzug in Baden, 1850 zur Dienstleistung bei der Ministerialabteilung

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für Militärangelegenheiten kommandiert, 1850 - 1856 Direktor der Divisionsschule. Der erste Aufsichtsoffizier, Premier-Leutnant v. Conring 6 ), war von 1846 - 1849 Zögling der ehemaligen Militär - Bildungsanstalt gewesen. Sein Nachfolger, Premier-Leutnant Bruns, der bis zum Schluß bleiden sollte, hatte, wie Hauptmann Köhler, eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Geboren 15. Februar 1821 zu Minden i. Westf., 1839 in das Preußische Infanterie-Regiment Nr. 15 eingetreten, 1841 Sekond-Leutnant, 1846 - 1847 zur Allgemeinen Kriegsschule in Berlin, 1849 Feldzug gegen Dänemark, 1851 die Erlaubnis zur Auswanderung erteilt, unter Ernennung zum Premier-Leutnant der Abschied bewilligt, angestellt als Premier-Leutnant und Kompanie-Kommandeur im Hamburgischen Infanterie-Batallion, 1854 der Abschied bewilligt, von 1854 - 1858 lebte er als Privatmann in Hamburg, wird am 1. April 1858 in Großherzoglich Mecklenburgischen Diensten angestellt. - Zum ersten Kursus in der untersten Klasse meldeten sich neu 6 Anwärter, dazu traten diejenigen Zöglinge Mecklenburgischer Herkunft, welche im Kadettenhaus Potsdam aufgenommen worden waren und dort die Reise der Tertia erlangt hatten. Nach und nach, von unten aufbauend, bildete man die drei Klassen, doch gelangte die in Aussicht genommene Verbindung der Divisionsschule mit der Militär-Bildungsanstalt vorerst nicht zur Ausführung. Der Grund dafür ist aus dem mir zugänglichen Aktenmaterial nicht ersichtlich geworden. Die Einrichtungen bezweckten zunächst nur, die Zöglinge zur Ablegung des Portepeefähnrich-Examens zu fördern, die Verbindung der wissenschaftlichen Fächer mit den militärischen fand, auch nur in ganz geringem Umfange, allein in der 1. Klasse statt, in welcher 1 Stunde Taktik, 1 Stunde Dienstkenntnis, 1 Stunde militärisches Zeichnen in


6) Enno v. Conring,
1846 - 1849 Mecklenburgischer Kadett,
1849 Sekondleutnant im Grenadier-Garde-Bataillon,
1856 Premierleutnant,
1857 - 1858 Aufssichtsoffizier an der Divisionsschule,
1858 - 1860 zur Allgem. Kriegsschule (Kriegs-Akademie) zu Berlin,
1860 Hauptmann,
1861 Generalstabs-Offizier der Division,
1868 Major und Flügeladjutant,
1870 ins Preußische 5. Thür. Infanterie-Regiment Nr. 95 und dann ins Preußische Königin Elisabeth-Regiment versetzt,
1873 Oberstleutnant,
1876 Oberst und Kommandeur des Infanterie-Regiments Nr. 81,
1882 z. D. Offizieren v. d. Armee versetzt.
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den Stundenplan aufgenommen war. Der Unterricht in den Wissenschaften fand nur an den Vormittagen statt, zwischen 7 und 1 Uhr, mit einer ganzen Stunde Freizeit, in welcher das zweite Frühstück eingenommen wurde. Zwischen 1 und 2 Uhr war das Mittagessen, zwischen 3 und 5 Uhr der praktische Dienst, wie Gymnastik, Fechten, Exerzieren, Tanzen, zwischen 6 30 und 8 30 Uhr die Arbeitsstunde in den Wohnzimmern, um 9 30 Uhr ging man zur Ruhe. Die Zöglinge bewohnten zu 4 oder 5 ein Zimmer und hatten ein gemeinschaftliches Schlafzimmer, diejenigen der odersten Klasse, die sogenannten Kadetten-Unteroffiziere, fungierten als Stubenälteste. Die ganze Pension betrug 300 Taler, die ermäßigte 200 und 100 Taler. Beim Eintritt mußte jeder Zögling mitbringen: die normalmäßigen Großmontierungsstücke eines Soldaten, 2 Paar Tanzstrümpfe, 1 Paar Tanzschuhe, 1 Paar Badehosen, 3 Halsbinden und die vorschriftsmäßigen Lehrbücher, bezw. 35 Taler, aus denen dann das Erforderliche zur ersten Ausstattung bestritten wurde. Die pekuniären Anforderungen an die Eltern der Zöglinge müssen als recht hoch bezeichnet werden. Bei einer so geringen Schülerzahl war die Wirtschaftsführung naturgemäß eine sehr kostspielige, man kannte dies ja bereits von der ersten Periode zwischen 1842 und 1850, und wußte doch nicht, Rat zu schaffen.

Mit dem 20. April 1860 beginnt ein drittes Stadium in der Geschichte der Militär-Bildungsanstalt. Unter diesem Datum befiehlt Se. Kgl. Hoh. der Großherzog die Vereinigung der Militär-Bildungsanstalt mit der Divisionsschule. Gewiß werden Zweckmäßigkeitsgründe, wesentlich im besonderen die dadurch gegebene Möglichkeit mitgespielt haben, die Kosten zu verringern, welche dem Staat durch die beiden militärischen Erziehungsanstalten aufgebürdet waren. Man stieß die unterste Klasse ab, dadurch, daß man vom Jahre 1861 keinen neuen Schüler dafür aufnahm und fügte oben die Selekta an, welche der gleichen Klasse der Preußischen Institute dieser Art entsprechend, das Ziel zu verfolgen hatte, die Zöglinge auf das Offizier-Examen vorzubereiten. Die Divisionsschule hatte in den letzten Jahren vor der Allerhöchsten Verfügung über die Vereinigung beider militärischer Institute nur eine ganz kleine Zahl von Schülern gehabt; nun verließ sie die ihr im Arsenal zugewiesen gewesenen Räume und siedelte in das Lokal der Militär-Bildungsanstalt über und verschmolz mit ihr. Der Etat ist nunmehr mit der Selekta 24 Zöglinge. Nach Abschluß der 1. Klasse machen die Schüler der Bildungsanstalt vor ihren

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Lehrern das Examen zum Portepeefähnrich, treten dann 5 - 6 Monate zur Truppe und setzen darauf in der Selekta ihre theoretischen Studien der Militärwissenschaften fort. Die Division kommandierte diese jungen Leute vom Truppenteil ab, nachdem die Kommandeure sich günstig über deren praktische Dienstleistung, die in der Zeit zwischen Ostern und 1. Oktober stattfand, ausgesprochen hatten. Die Einrichtung hatte unstreitig viel Gutes dadurch, daß die Zöglinge der Militär-Bildungsanstalt nach Beendigung der eigentlichen allgemeinwissenschaftlichen Schulzeit vor Eintritt in die speziell militärischen Fächer Einblick in den praktischen Truppendienst erhielten, sie wurden für das Verständnis der Theorie, welche dann gelehrt wurde, in wertvoller Weise vorbereitet. Eine nicht zu übersehene Schwierigkeit lag darin, daß diejenigen jungen Leute, welche nicht vorher in der Militär-Bildungsanstalt erzogen worden waren, nun nicht mit Kameraden von gleichem Dienstgrad, sondern mit viel jüngeren 10 Monate lang in ziemlich enger Gemeinschaft und scharfem Institutszwang zu leben hatten. Wenn man dem auch durch mancherlei Freiheiten, die man den Selektanern zubilligte, Rechnung trug, so blieben die Mängel des Systems bestehen. Die "jungen Herren" traten den jüngeren Schülern der zwei unteren Klassen doch stets als Vorgesetzte gegenüber, und gerade das, was im heutigen Leben des Fähnrichs auf der Kriegsschule so wichtig ist: das gegenseitige "Abschleifen" unter Gleichaltrigen, die Bildung des Charakters hierdurch, ließ sich nicht genugsam herausarbeiten. Wiederum fand sich der bisherige Militärschüler, nachdem er ein halbes Jahr die größere Freiheit außerhalb des Dienstes während seiner Bekanntschaft mit der militärischen Truppe gekostet hatte, nicht immer schnell wieder in die engeren Erziehungsinstitutsregeln, dies umsomehr, weil er in die gleichen Räume zurückkehrte, die er vor kurzem - noch ein halbes Kind - erst verlassen hatte. Hie und da werden auch in den Vierteljahreszeugnissen, die der Aufsichtsoffizier ausstellte, Klagen laut, daß Selektaner sich den Institutsgesetzen nicht unterworfen haben, wiederum hat die Freiheit, welche man diesen jungen Leuten doch ab und an glaubte gewähren zu müssen, zu mancherlei Ausschreitungen geführt. Da die Division nunmehr nach der Verbindung der Divisionsschule mit der Militär-Bildungsanstalt naturgemäß erheblich interessiert dafür war, welche Fortschritte die von ihr in die Selekta kommandierten Fähnriche machten, so war der Militärschule ein höherer Offizier der Division bei-

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gegeben. In allen der gemeinsamen Beratung unterworfenen Gegenständen sollte er zu dem Direktor der Anstalt in einem kollegialischen Verhältnisse stehen, so zwar, daß bei den Fragen, die sich auf die Erziehung und den Unterricht der Zöglinge bezogen, seine Wünsche und Anträge eine vorzugsweise Berücksichtigung fänden. Aber über diesen Rahmen hinaus ging man durch die Festsetzung, daß selbst bei Verwaltungsmaßnahmen wichtiger Art der Direktor eine Vereinbarung mit diesem Offizier zu treffen hatte, der den Direktor allerdings in Fällen der Behinderung zu vertreten hatte. Letzterer mußte durch diese Bestimmung erheblich in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit zum Zweck der Leitung des militärischen Erziehungsinstitutes gehemmt werden. Die Division befahl diejenigen Offiziere, welche als Lehrer der Selekta Verwendung finden sollten und beantragte mit oder auch gegen den Wunsch des Direktors bei der Allerhöchsten Stelle deren Wiedereintritt in die Truppe. Diese Lehrer erhielten einen Zuschuß zu ihren sonstigen Emolumenten von 300 Talern jährlich, sie übten in der Zeit zwischen dem Schluß des Selektakursus (1. August) und dem Wiederbeginn desselben (1. Oktober) bei ihrem Truppenteil. Durch die auch für die Selekta geltenden Ferienzeiten der Militär-Bildungsanstalt genossen sie, den anderen Offizieren voraus, weiteren Vorteil. Die Selektaner wohnten zuerst mit den Kadetten zusammen, später in einer besonderen Abteilung, Primaner und Sekundaner bildeten dann Stubengemeinschaften für sich. Dem ältesten Portepeefähnrich wie den Kadetten-Unteroffizieren, die aus den Primanern genommen wurden, lagen besondere Aussichtspflichten ob. Zunächst war vorgesehen, daß der Aufsichtsoffizier, dem doch die wichtige Pflicht der Anleitung und Erziehung oblag, Wohnung im Anstaltsgebäude erhalten solle. Wegen der beschränkten Räume aber mußte bereits im ersten Kursus davon abgesehen werden, gewiß nicht zur Förderung des Erziehungswerkes. Denn nun war die Folge eine wohl anfangs nicht in dem Maße beabsichtigte Erweiterung der Autorität des ältesten Fähnrichs und der Kadetten-Unteroffiziere, deren Charakter doch noch nicht genügend gereift waren, um, bei allem guten Willen, die Einwirkung eines gereiften Mannes ersetzen zu können. Der dem Auffichtsoffizier als Stütze beigegebene Feldwebel vermochte bei seiner anerkannten Tüchtigkeit wohl dazu mitbeizutragen, daß Übertretungen der Institutsvorschriften unterblieden, nicht aber Ersatz zu bieten für die Einwirkung auf ethischem Gebiete. -

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Dem Aufsichtsoffizier war eine Strafgewalt von den Verweisen bis zum Stubenarrest in der Dauer von 4 Tagen eingeräumt worden, der älteste Portepeefähnrich hatte die Autorität über alle Zöglinge der Militär-Bildungsanstalt, die Kadetten-Unteroffiziere nur über diejenigen der beiden untersten Klassen. Wurden ihre Anordnungen nicht respektiert, so hatten sie dem Aufsichtsoffizier Meldung zu erstatten, der dann das Erforderliche anordnete. Die erhöhte Strafgewalt lag in der Hand des Direktors, die Selektaner, als Soldaten, unterstanden der Gerichtsbarkeit ihrer Truppe, disziplinarisch der Direktion der Bildungsanstalt. In administrativer Hinsicht mit Bezug auf Löhnung und Bekleidung blieden sie ebenfalls ihren Truppenteilen zugeteilt, deren Uniformen sie auch in der Militär-Bildungsanstalt trugen. Als Beitrag zu den Kasernierungs-und Verpflegungsunkosten empfing die Anstalt monatlich von der Division pro Kopf vorauszuzahlen 12 Taler. Die Divifion berechnete sich den etatsmäßigen Servis einschl. Feuerungsgeld nach dem Dienstgrade der Selektaner und zog den Rest von den Angehörigen der betreffenden Zöglinge ein. Gegen den Schluß des Primajahres wurde von den Zöglingen ein Tentamen abgelegt und je nach dessen Ausfall die Zulassung oder Zurückstellung bezw. Entlassung durch das Militär-Departement angeordnet. Wer die Hauptprüfung bestand, trat mit dem Zeugnisse der Reise zum Portepeefähnrich und Aussicht auf Beförderung bei der Division ein; wer sie nicht bestand, wurde je nach dem Vorschlage der Examinationskommission entweder entlassen, oder zur Erfüllung der Bedingungen auf eine zweite und letzte, nach 1/2- oder einjähriger Frist abzulegende Prüfung verwiesen. Die Einstellung in die Truppe hing in diesem Falle von der Allerhöchsten Bestimmung ab, die Dienstzeit hatte aber immer erst von dem Zeitpunkt ab zu rechnen, zu welchem der Aspirant die Prüfung bestand. Zusammen mit den Primanern der Militär-Bildungsanstalt durften sich auch Freiwillige aus der Truppe prüfen lassen, die auf Beförderung eingetreten waren.

Die rein militärischen Fächer, sowie seltsamerweise deutsche Sprache, bei der stilistische Übungen vorgenommen wurden, waren die obligatorischen in Selekta, es traten noch als nicht obligatorisch Französisch, Mathematik und Naturkunde hinzu. Die an den preußischen Militär-Bildungsanstalten eingeführten Lehrbücher und die aus den Programmen dieser Anstalten ersichtlichen Penseneinteilungen sollten in allen Klassen zugrunde gelegt werden. Die Einnahmen des neuorganisierten

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Instituts setzten sich aus den Beiträgen für die Selektaner und den Pensionen der Kadetten zusammen und betrugen 3840 Taler, denen aber die Ausgaben vvn 9840 Talern entgegenstanden. Die Staatskasse hatte daher immerhin noch einen Jahreszuschuß von 6000 Talern zu zahlen.

Die Selektaner waren im Erdgeschoß des Institutsgebäudes untergebracht, wohnten in drei Zimmern und hatten ebensoviele Schlafräume. Im ersten Odergeschoß befanden sich die Lehrzimmer und die Wohnräume der Kadetten, nach Klassen getrennt, im zweiten Odergeschoß der Schlafsaal und die Wohnung des Feldwebels und des Furiers. Die tägliche Verpflegung, die damals 18 Schillinge für den Kopf kostete, bestand aus dem ersten Frühstück: zwei Tassen Milch oder schwachen Kaffee mit zwei "Dreiling-Semmeln", dem zweiten Frühstück, bei welchem Butterbrote im Gewicht von ca. 10 Lot oder Brot mit Obst gereicht wurde. Das Mittagessen sollte bestehen aus einem tiefen Teller voll Fleischbrühe oder einer gleich nahrhaften Suppe, einem Gericht Fleisch von 3/4 Pfund mit Kartoffeln oder Gemüse, Brot ca. 6 Lot. Zur Vesper wurde ein Butterbrot gegeben und zur Adendmahlzeit eine Milch-, Bier- oder Fruchtsuppe und Butterbrot im Gewicht bis 10 Lot. Das Fleisch mußte ungeschnitten auf den Tisch kommen, es wurde vom Aufsichtsoffizier zerlegt und wie auch die Zukost den Zöglingen vorgelegt. Jeder Stube war ein Stubenältester vorgesetzt, dessen Anordnungen unweigerlich Folge zu leisten war. Sollte einem Zögling irgend eine Forderung ungerecht erscheinen, so durfte er bei dem nächsten Vorgesetzten descheiden anfragen, zuvor mußte er aber das Verlangte ohne Widerrede ausführen; dies galt namentlich von den eigentlichen Kadetten den Selektanern gegenüber.

4 Anstaltsdiener mit freier Wohnung, soldatischer Bekleidung, sowie mit Verpflegung bei jährlich 30 Taler Lohn, stellte der Direktor auf vierteljährige Kündigung an, sie waren weder pensions- noch zivilversorgungsberechtigt.

Die Tageseinteilung war in diesem Zeitraume die folgende:

6 1/2 - 7 1/2 Aufstehen, Ankleiden, 1. Frühstück,
7 1/2 - 10 1/2 Wissenschaftlicher Unterricht,
10 1/2 - 11 Pause für das 2. Frühstück,
11 - 1 Wissenschaftlicher Unterricht,
1 - 2 Exerzieren, die Selektaner hatten freies Ausgehen,

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2 - 3 Appell und Pause zum Mittagessen,
3 - 6 meist praktisch militärische Ausbildung, an einigen Tagen findet noch für einzelne Klassen, und zwar höchstens eine wissenschaftliche Unterrichtsstunde statt.
6 1/2 - 81/2 Arbeitsstunde,
8 1/2 Abendessen,
9 - 10 Selbstbeschäftigung, Ordnen der Zimmer, Zubettgehen.

Der einzelne Zögling verfügte über eine angemessene Zeit für Erholung von der Arbeit, besonders günstig muß es genannt werden, daß man es damals schon erreicht hatte, die wissenschaftlichen Unterrichtsstunden auf die Vormittage zusammenzulegen, was in manchen Unterrichtsanstalten zur damaligen Zeit noch nicht durchgeführt worden war. Den Reitunterricht erhielten die Selektaner, später auch die Primaner, durch den Stallmeister v. Passow im Großherzoglichen Marstall unentgeltlich zweimal in der Woche sowie Pferdekenntnis bei dem Oberroßarzt Viereck. Tanzunterricht war nur für die Sekundaner und Primaner vorgesehen, ihn erteilte der Ballettmeister Bernardelli. Der Speisesaal im Erdgeschoß mußte auch den Tanz-und Fechtübungen dienen, welch letztere nach wie vor der Feldwebel Laufer leitete.

In dem in den vorangegangenen Blättern kurz geschilderten Rahmen hat nun die Militär - Bildungsanstalt noch 8 Jahre segensreich für das Mecklenburgische Truppenkontingent gewirkt. Die Selektaner besahen zu ihrer militärischen Ausbildung mit Genehmigung des Preußischen Kriegsministeriums die Einrichtungen und Institute Spandaus, im Jahre 1862 hebt ein Allerhöchster Erlaß die Bestimmung aus, wonach stets ein höherer Offizier der Division als Vertreter des Direktors beigegeben sein solle. 1866 machen 7 Selektaner als Unteroffiziere den Feldzug mit, nach dessen Beendigung sie wieder in der Militär-Bildungsanstalt die Schulbank drücken müssen, was ihnen anscheinend nicht sonderlich behagt. Ein Bericht des Aufsichtsoffiziers, Hauptmann Bruns, vom Dezember dieses Jahres, spricht sich dahin aus, "daß der Fleiß noch sehr zu wünschen lasse, da die allzu lebhafte Erinnerung an den vergnüglichen Feldzug nach Nürnberg, den mitzumachen sie die Ehre hatten, noch nicht so weit überwunden werden konnte, daß der Geschmack am Lernen sich ungeschwächt wieder eingestellt hätte".

Infolge der organischen Bestimmungen für die Armee des Norddeutschen Bundes, insbesondere das Militär - Erziehungs-

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und Bildungswesen betreffend, war die Aufhebung der Großherzoglichen Militär-Bildungsanstalt zur Notwendigkeit geworden. Am 22. Dezember 1867 verfügt sie das Militär-Departement mit Ende des Osterquartals 1868. Den Angehörigen beider Großherzogtümer Mecklenburg werden 23 Plätze in den Preußischen Kadettenhäusern, 4 zu 150, 7 zu 100, 6 zu 60, 6 zu 30 Talern und eine Ganzpensionärstelle zu 260 Talern, reserviert. Für die Zöglinge bis zum Alter von 15 Jahren wird die Voranstalt Plön vorgesehen, bei vorgerückterem Alter werden sie in die Zentralanstalt in Berlin aufgenommen. Eltern und Vormünder, deren Söhne oder Mündel nach den gegebenen Preußischen Aufnahmebedingungen keinen Anspruch auf etatsmäßige Stellen oder auf Stellen zu ermäßigter Pension erheben können, haben sich, wenn sie sich dazu für berechtigt halten, wegen Zubilligung einer Mecklenburgischen Staatsunterstützung mit ihrem Gesuche an das Militär-Departement zu wenden.

Mit Ostern 1868, nach erfolgter Prüfung, traten die bisherigen Sekundaner der Militär-Bildungsanstalt in die Prima des Berliner Kadettenhauses über, die Auflösung beginnt. Das Inventar, die stattliche, schon bis zu 1500 Bänden herangewachsene Bibliothek, werden fortgegeben und verteilt. Vieles davon erhält das Gymnasium und die Realschule in Schwerin, Pläne, Zeichnungen, Modelle, geodätisch - physikalische Instrumente die Landesvermessungskommission bezw. das Artillerie - Abteilungs - Kommando. Den Lazarettkommissionen zu Schwerin, Rostock, Wismar, Ludwigslust und Parchim wurden die meisten der der Unterhaltungsbibliothek der Kadetten angehörenden Bücher überwiesen als Bestände der Lazarettbibliotheken.

Ein kurzer Akt in der Geschichte in der Militärorganisation des Großherzogtums hatte abgeschlossen. Mit einem klaren, weiten Blick für die Notwendigkeit eines immer engeren Anschlusses an die anderen Mächte des Norddeutschen Bundes und einer einheitlichen Wehrmacht zur Wahrung seiner Interessen, verzichtete Großherzog Friedrich Franz II. auf Rechte, deren Ausübung sein Stolz und seine Freude gewesen waren. Wo es galt, das Reich auszubauen, da sind die Herrscher des Landes stets mit ihrem Beispiel vorangegangen. Nun löste sich das Institut auf, das Großherzog Paul Friedrich aus warmfühlendem Herzen heraus geschaffen, das sein Nachfolger, von Anfang seiner Regierung an, mit väterlicher Liebe selbst bis

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ins kleinste unter seine Obhut genommen hatte und das, trotz der mehrfachen Organisationsänderungen, unter tüchtigen, einsichtsvollen Männern, Proben abgelegt hatte davon, daß der eingeschlagene Weg zu den hohen Zielen der richtige war. Stetig hatten sich die Erfolge erhöht, und die aus dem Institut hervorgegangenen jungen Leute waren als brauchdare, kernhafte Offiziere der Truppe wertvoll geworden. Gar mancher von den Kadetten hat auf den Schlachtfeldern von 1870/71 den Beweis geliefert, daß in der Großherzoglichen Militär-Bildungsanstalt diejenigen Tugenden großgezogen worden waren, die der Offizier vor allem braucht: Vaterlandsliebe, Pflichttreue, Willensstärke. Eingereiht in das große Heer des neuen Deutschen Reiches, haben diese Söhne des schönen Mecklenburger Landes, vielfach unter den Augen ihres erhabenen Landesherrn, des siegreichen Heerführers, sich bewährt und dadurch ihrer alten Erziehungsanstalt das beste Zeugnis ausgestellt. Sie hat, war auch ihr Wirken nur auf kurze Zeit bemessen, mitgeholfen zur Einheit des Deutschen Reiches, und ihre Geschichte verdient, nicht ganz in den Akten vergraben zu bleiden.

Direktoren:

  1. Major und Flügeladjutant v. Hirschfeld, 1842.
  2. Hauptmann, dann Major und Flügeladjutant v. Zülow, 1842 - 1850.
  3. Major, dann Oderstleutnant Köhler, 1856 - 1862.
  4. Major v. Lützow, 1862 - 1863.
  5. Major, dann Oderstleutnant Schmidt, 1863 - 1868.

Auffichtsoffiziere:

  1. Leutnant, dann Premierleutnant Freiherr A. v. Stenglin, 1842 - 1849.
  2. Premierleutnant v. Pritzbuer, 1849 - 1850.
  3. Premierleutnant v. Conring, 1850 - 1858.
  4. Premierleutnant, dann Hauptmann Bruns, 1858 - 1867.

Militärlehrer:

  1. Stabskapitän, dann Hauptmann Schumacher, 1842 - 1844.
  2. Premierleutnant v. Bilgner, 1842 - 1848.
  3. Sekondleutnant v. Hafften, 1844.
  4. Sekondleutnant, dann Premierleutnant v. Pritzbuer, 1844 - 1849, s. Aufsichtsoffiziere.
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  1. Premierleutnant Meltzer, 1860 - 1862.
  2. Premierleutnant v. Zülow, 1860.
  3. Premierleutnant v. Schultz, 1860 - 1864.
  4. Premierleutnant Wiedow, 1861 - 1866.
  5. Premierleutnant v. Vietinghoff, 1862 - 1863.
  6. Premierleutnant v. Matthießen, 1862 - 1866.
  7. Sekondleutnant v. Kühlewein, 1863 - 1868.
  8. Premierleutnant Paschen, 1864 - 1868.
  9. Premierleutnant v. Sell, 1866 - 1868.
  10. Premierleutnant v. Below, 1866 - 1868.

Zivillehrer:

  1. Prorektor Reitz, 1842 - 1850 und 1856 - 1863.
  2. Kandidat Dr. Müller, 1842 - 1844.
  3. Sprachlehrer Villatte, 1842 - 1850 und 1856 - 1868.
  4. Schreiblehrer Peters, 1842 - 1844.
  5. Lektor, Sprachlehrer Danne, 1843 - 1850.
  6. Schreiblehrer Schmidt, 1844 - 1848.
  7. Dr. Dippe, 1844 - 1850.
  8. Dethloff, 1844 - 1847.
  9. Dr. Kirchstein, 1846 - 1850 und 1856 - 1859.
  10. Berner, 1847 - 1849.
  11. Dr. Wedemeier, 1849 - 1850.
  12. Dr. Wigger, 1856 - 1857.
  13. Dr. Overlach, 1856 - 1857.
  14. Dr. Hartwig, 1856 - 1860.
  15. Kandidat Sellin, 1857.
  16. Kandidat Voß, 1857.
  17. Dr. Ebeling, 1857.
  18. Kandidat Dolderg, 1857 - 1861.
  19. Kandidat Dr. Krüger, 1858 - 1868.
  20. Dr. Adam, 1859 - 1860.
  21. Bolle, 1861 - 1868.
  22. Zehlicke, 1863 - 1865.
  23. Dr. Volz, 1865 - 1868.
  24. Tanzlehrer, Ballettmeister Bernardelli.
  25. Fechtmeister Laufer.

Ärzte:

  1. Oberarzt Dr. Rennow, 1842 - 1843.
  2. Oberarzt Dr. Wilcke, 1843 - 1850.
  3. Oberstabsarzt Dr. Meyer von 1856 an.
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V.

Autobiographisches von Fanny Tarnow.

Nachtrag zum Jahrbuch 68 (1903)

Mitgeteilt von

Dr. G. Kohfeldt

 

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D er 68. Band dieser Zeitschrift hat aus der Feder Carl Schröders einen Aufsatz gebracht, der für das Leben und Wirken Fanny Tarnows die Hauptquelle ist und dies jedenfalls auf lange Zeit hinaus bleiben wird. Es ist deshalb wohl berechtigt, an dieser Stelle auch eine kleine autobiographische Skizze die Schröder anscheinend nicht zu Gesicht gekommen ist, die aber in dem Gesamtbild der Dichterin nicht gut fehlen kann, festzuhalten. Es handelt sich um eine briefliche Mitteilung, die Fanny Tarnow dem Rostocker Universitätsbibliothekar Dr. .Koppe für das von ihm geplante, dann allerdings nicht zustande gekommene mecklenburgische Schriftstellerlexikon gemacht hat. Der Brief befindet sich in dem Koppeschen handschristlichen Nachlaß der Universitätsbibliothek. Er lautet:

Hamburg, d. 20sten Mey 1816.

Wohlgeborner,

Hochzuverehrender Herr Doctor!

Erst gestern habe ich den Brief erhalten, mit dem Ew. Wohlgeboren mich beehrt haben, und dies wird die scheinbare Verspätung seiner Beantwortung bei Ihnen rechtfertigend entschuldigen. - Dankbar erkenne ich die gütige Meinung, die Sie von mir darin aussprechen, und bedaure es daher umsomehr, daß ich Ihrer Aufforderung, Ihnen von meinem litterarischen Leben Nachricht zu geben, nur sehr unvollkommen entsprechen kann, da ich mich des etwanigen Talentes, das man mir zutraut, wie einer Naturgabe so unbewußt erfreue, daß ich durchaus nicht darüber zu reflectiren vermag. - Also nur in historischer Hinsicht kann ich Ihnen darüber etwas sagen.

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Ich bin in Güstrow geboren und erzogen. Ein Sturz aus dem Fenster des zweiten Stockwerkes unseres Hauses erschütterte, ohne sichtbare Verletzung, bei meinem zarten Alter - es war in meinem 4ten Jahre - die edleren Lebenstheile so, daß ich aus einem blühend gesunden Kinde ein so kränkliches ward, daß mir jedes Spiel, jede frohe Ergötzlichkeit der Kindheit unbekannt blieb. - So von der Außenwelt abgezogen, richteten sich alle Kräfte meines Gemüths nach innen, und die tiefe Fühlbarkeit, die meine Freunde und das litterarische Publikum als die bezeichnendste Eigenthümlichkeit meines Wesens anerkennen, ward schon früh entwickelt und durch ein sehr trübes äußeres Schicksal gereist. - Das erste, was von mir unter meinem Namen erschien, war (1806) Allwine von Rosen. Die Herausgeber des Journals für deutsche Frauen, Schiller, Rochlitz, Wieland und Seume, nahmen die ihnen unbekannte Verfasserin mit mehr als Güte, mit wahrer Herzlichkeit auf, und diese Kleinigkeit, die ich selbst nur als eine sehr ephemere Erscheinung für die kurze Lebensdauer einer Zeitschrift geeignet glaubte, hatte das Glück, von einem unserer ersten Dichter, der zugleich als der Scharfsinnigste Kritiker unsrer Zeit bekannt war, im Morgenblatt auf eine Art erwähnt zu werden, die mir die Beachtung mehrerer ausgezeichneter Menschen gewann. - Im folgenden Jahr erschien meine Ottilie und dann 1811 Natalie. Jene früheren Dichtungen, Allwine und Ottilie, haben ein Jugendkolorit, das ihnen für mich den Werth der Erinnerung giebt und in seiner Frische ihnen auch wohl den Beifall gewonnen hat, aus den sie sonst durch nichts berechtigt sind Anspruch zu machen. Natalie ist ernster. Recensirt wurde diese letztere in der Hallischen Litteraturzeitung, den Musen von Fouquè, der Leipziger Litteraturzeitung und dem Journal des Luxus und der Moden. Auch ist sie noch in einem österreichischien und einem rheinischen Journal recensirt, die ich aber nicht genauer anzugeben weiß. AUe diesc Recensionen waren günstig - die gründlichste von ihnen ist wohl die Fouquèsche in den Musen - die am mehrsten besprochene die in der Hallischen Litteraturzeitung - theils weil sie Natalie mit Werthers Leiden zusammenstellte und dann, weil sie unzart den Namen eines Mannes nannte, dessen Bild freilich als das eines der bedeutendsten Menschen unsrer Zeit der Geschichte angehört, der aber doch nie, auch wo das Bild erkannt wurde, hätte genannt werden müssen. Na-

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talie erhielt dadurch eine Art von Berühmtheit, die die Verfasserin ihr nie wünschen konnte, wenn sie es gleich dankdar anerkennt, daß sie der Erscheinung dieses Buches viele der reinsten Freuden ihres Lebens verdankt, aus das es in vielfacher Hinsicht erfreuend und tröstend einwirkte.

Im Jahre 1812, während der drückenden Gewitterschwüle, die damals auf Deutschland lastete, erschien in Halle bei Eberhard meine Thekla. Es ist eine sehr auffallende Erscheinung, daß diese die westphälische Zensur unverstümmelt ließ, während in Berlin die Zensur die auf Schill sich beziehenden Stellen in Natalie so strenge wegstrich, daß nur eine Andeutung davon vergönnt blieb. Ich darf selbst kein Urtheil über Thekla haben, allein ich sende Ihnen zu beliebigem Gebrauch 2 Briefe von La Motte Fouquè mit, davon er einen an einen Freund schrieb, der ihm das...mitgetheilt hatte, und den anderen später an mich. Thekla gehört gewissermaßen der Geschichte an, da das Bild des Prinzen Louis Ferdinand so sehr ähnlich gerathen sein soll. - Dies ist wenigstens das Urtheil aller derer, die ihn näher kannten, und auch seiner Schwester, der Fürstin Radzivil. - 1814 erschien bei Dümmler in Berlin ein Band Erzählungen von mir, dann 1815 Augustens Tagebuch und in dieser letzten Ostermesse Thorilde Von Adlerstein - von dieser letzteren sind zwei Recensionen erschienen, wie ich höre - eine im 2ten Heft der Frauenzeitung und eine in der Hallischen Litteraturzeitung.

Recht sehr muß ich aber bitten, diese Uebersicht meiner Dichtungen nicht als von mir selbst erhalten anzugeben. - Auch würde ich Ihnen die baldige Zurücksendung der beiden Fouquèschen Briefe sehr dankbar wissen.

Im Anfang des künftigen Monats denke ich mich einzuschiffen und werde mit ausgezeichnetem Vergnügen die Briefe, die Sie mir zur Besorgung anvertrauen wollen, mitnehmen und gewiß sicher und bald befördern.

Mir fällt eben ein, daß in dem Hamburger Morgenblatt im September oder Oktober des vorigen Jahres ein Aufsatz über deutsche Schriftstellerinnen in Bezug auf das Werk der Frau v. Stael befindlich ist, den ich nicht gelesen habe, von dem man mir aber gesagt hat, daß er eine Charakteristik meines schriftstellerischen Karakters enthalten soll, die

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Ew. Wohlgeboren vielleicht benutzen können. Ich habe ihn noch nicht gelesen und weiß also nicht, inwiefern er für Ihren Zweck brauchbar sein wird.

Hochachtungsvoll empfehle ich mich

Ew. Wohlgeboren

ganz ergebenst

Fanny Tarnow.

Adresse: Jungfernstieg Nr. 7.

In einem zweiten kurzen Brief vom 18. Juni 1816 bittet Fanny Tarnow um die Rücksendung der Fouquèschen Briefe und versichert noch einmal, daß sie gern die ihr von Dr. Koppe anvertrauten Briefe und Aufträge in Petersburg besorgen werde.

 

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VI.

Die Geburtstage

der Herzoge Ulrich und Georg.

Von

Dr. F. Techen - Wismar.

 

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Ü ber den Geburtstag Herzog Ulrichs gehen die Angaben auseinander. Die in Güstrow wahrscheinlich am Hofe des Herzogs in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts zusammengestellten Daten von Geburts-, Hochzeits- und Todestagen aus dem mecklenburgischen Fürstenhause und dem dänischen Königshause verzeichnen: anno 1527 den 5. Martii ist hertzogk Ulrich zu Meckelenburgk geboren, 2 stundt 35 minuten nach mittage. Dagegen ist der Herzog nach einer "Angabe" im Großherzoglichen Hauptarchive zu Schwerin, die Wigger, Jahrb. 50 S. 288 anführt, am 22. April (wohl des Jahres 1528) geboren. Endlich berichtet Lambert Slaggert in seiner Chronik des Klosters Ribnitz, Mecklenburgische Geschichtsquellen I S. 159, zum Jahre 1528: in dessem jar frowe Anna, hertich Albrechtes tho Mekelenborch eeghemal unde vorstynne, heft erem heren ghetelet eynen jungen heren, ghenomet hertich Ulrich, welker tho kerken g[ynk) des Diuxtedages in deme Pinxten (Juni 2). Dazu ist anzumerken, daß Glaggert ursprünglich Jurgen statt Ulrich geschrieben hatte. Als Wigger in seiner Gencalogie des großherzoglichen Hauses sich über diese Daten zu entscheiden hatte, bevorzugte er, durch Glückwunschbriefe des Schweriner Archivs geleitet, die an erster Stelle genannte Quelle. Die Nachricht aus dem Kloster Ribnitz, auf dessen Übtissinenstuhl eine Tochter des mecklenburgischen Fürstenhauses die andere ablöste, und wo deshalb die Genealogie der landesherrlichen Familie eifrig erörtert und gepflegt ward, wurde um so eher beiseite gesetzt, als von vornan eine gewisse Unsicherheit unverkennbar war und sie für den jüngem Bruder Georg durchaus zutraf. Damit schien auch das Urteil über die Angabe des Archivs mit dem 22. April gesprochen zu sein. Und doch ist dieser 22. April, freilich des Jahres 1527, der Geburtstag Ulrichs. Das wird einwandfrei durch die in gleichzeitiger Abschrift im Reichsarchive zu Christiania, Münchensche Sammlung Nr. 2137, erhaltene Geburtsanzeige des Vaters erwiesen. Sie wird hier nach dem Abdruck

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im Diplomatarium Norwegicum (das überhaupt über alle seine Bände zerstreut eine große Zahl Schreiben von Herzog Albrecht und an ihn enthält) XIV (1895) Nr. 566 S. 525 wiederholt:

[Herzog Albrecht VII] zeigt [seinem Schwager K. Christian II von Dänemark] die am gegenwärtigen Tage erfolgte Geburt eines Sohnes [Herzogs Ulrich] an. - 1527 Apr. 22.

Wir verkunden e. k. w. mit sunderlicher frolockung unsers gemuts, das der almechtig gott die hochgeborne furstin, unser hertzfreuntlich lieb gemahel, fraw Anna, geborne margkgreffin zu Brandenburgkh etc., hertzogin zu Megkelenburgkh etc., irer frawlichen burden, gott lob, allenthalben hewt dato des morgens frue zu sechs horen genedigk vnd glucklich entbunden vnd ire lieb vnd vns mit einem jungen herrn, wollgestaltlich an allen seinen gelidtmassen, erfrawet vnd begabet hat. Weilhs wir also e. k. w. als vnserem lieben herrn oheymen vnd shwageren, der solh erfrawlichen geburt vngezweiflich hochlich erfrawet sein wirdt, im bessten freuntlicher wolmeynu[n]g nicht haben wollen verhalten. E. k. w. wollen auch solhs der hochgebornen furstin, vnser freuntlichen lieben fraw mutter, der churfurstin von Branddenburgk etc., mit frolichem gemut anzeigen. Datum montangs in den heiligen Ossterfeyrtagen anno etc. XXVII.

Nicht minder als bei Herzog Ulrich erweisen sich die Güstrower Daten über Herzog Georg als falsch unterrichtet und irreführend. Denn während sie mit Bestimmtheit melden:

Anno 1528 den 22. Februarii ist Hertzogk Georg zu Meckelenburgk geboren 1 Stunde 20 minuten nach mittage, ist laut Anzeige des Vaters an König Christian von 1528 Apr. 23 dies Kind am 21. April morgens zwischen 7 und 8 auf die Welt gekommen. Auch diese in der Münchenschen Sammlung im Reichsarchiv zu Christiania im Original (Nr. 2453, Einlage Nr. 3819) erhaltene Anzeige wird hier nach dem Drucke im Diplomatarium Norwegicum XV (1900) Nr. 370 S. 413 f. mitgeteilt;

die Unterschriften sind von des Herzogs Hand:

Herzog Albrecht von Mecklenburg zeigt König Christian von Dänemark die 1528 April 21 morgens zwischen 7 und 8 erfolgte Geburt eines Sohnes an, ladet den König zur Taufe ein und teilt in einer Einlage seine Absicht mit, auch die Städte Lübeck, Hamburg und Lüneburg dazu zu laden. - Schwerin, 1528 Apr. 23.

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Dem durchleuchtigsten fursten, hern Christiern, zu Denmarcken, Sweden, Norwegen, der Gotten vnd Wennden thonnigk, zu Schleszwigk, Holstein Stormarn vnd der Ditmarschen hertzogen, graffe zu Oldenburgk vnd Delmenhorst, vnserm freunthlichem lieben hern oheimen vnd szwager.

Durchleuchtigster khonig, vnser gutwillig vnd freuntlich dinst sein ewer koniglich wirde alltzeit zuuor. Liber her oheim und swager, wir geben ewer khoniglich wird mit sunderlicher frolockung vnsers gemuts guter, dinstlicher vnd freuntlicher mehnung zu erkennen, das die hochgeborn furstin, vnser freuntlich lieb gemahel fraw Anna, geborn marggrefin zu Brandenburgk etc., hertzogin zu Megkelnburg etc., durch schickung gottes almechtigen dinstags nach Quasimodogeniti morgens zwischen sieben und acht horen vns einen jungen son, wole gestalt an allen seinen gliddmassen, got lob, zur wellt bracht hatt, welhen wir vermittelst gotlicher verleihung nach christlicher ordnung auffen heilgen Phingstag schirst khommend 1 ) alhir zu Swerin zu den heilgen sacramenten des glaubens und tauffung bringen zu lassen willens. Demnach an ewer khoniglich wird, als vnsern sunderlichen lieben hern oheim vnd swager, vnser gar dinstlich vnb freuntlich bit ist, sie wollen zunor am heilgen Phingstabent 2 ) aldar zu Swerin ankhommen, volgenden tags denselbigen vnsern jungen son zum heilgen christlichen glauben vnd der tauffe beneben andern vnsern hern vnd freunden, die wir auch gleicherweise gebetten, helfen zu bestettigen vnd sich ye hierin zu disem christlichen loblichen werk, wie wir vns des gentzlich vnd vntzweiflich zu ewer khoniglichen wird versehen, gutwillig vnd vndeszwerlich ertzeigen. Das seint wir hinwider vmb ewer khoniglich wird allzeit vnsers hogsten vermögens freuntlich zu uerdienen gantz willig vnd vnuerdrossen. Datum Swerin Dornstags nach Quasimodogeniti anno etc. XXVIII°.

Von gots gnaden Albrecht, hertzog zu Megkelnburgk, furst zu Wenden, Grasse zu Swerin, Rosstock vnd Stargarden der lande herre

E. k. w. s[wogeir] vnd deinneir
   A., h. zu Meigkleinn. etc.,
  manu propria subscripsit


1) Mai 31.
2) Mai 30.
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Einlage:

Wir wollen auch e. k. w. nicht bergen, das wir e. k. w. zu dienstlichem und freuntlichem gefallen, wie es derfzelben nicht entkegen, die von Lubeckh, Hamburgkh vnd Lunenburgkh auf die schirst kunftige Pfingsten neben e. k. w. vnd andern vnsern herrn vnd freunden zu geuattern zu bitten woll gneigt weren, ob ethwas alsdan, dweil sie szelbs zur stett, das e. k. w. zum pessten vnd zw gutt gereychen vnd gedeyen, von andern e. k. w. herrn vnd freunden verhandelt vnd beredt werden mocht. Wie nun e. k. w. dasselbig gedunkt geratten vnd vor gueth ansehn, auch derselben nicht entkegen fzein will, das ethwas fruchtbarlichs vnd e. k. w. zu gute mocht vorhandelt werden, wollen e. k. w. vns des mit dem erssten vnd furderlichsten wissen lassen vnd schristlichen vorstendigen, dan e. k. w. zu bedenken, das es vasst kurtz vnd nicht viel zeitts, wo es e. k. w. nicht entkegen sie zu genattern zu bitten vor gutt ansehn, vderlanffen will. E. k. w. wollen vns solchs alles aufs eylentzt vormelden, das wir alszo zu e. k. w. auf ir gefallen, was sie in dem vor gurth ansehn, dinstlich vnd freunthlich wollen gestellt haben; dan derszelben nach vnserm hogsten vormugen zu wilfaren szein wir al zeit willig vnd gneigt. Datum vt supra.

Manu propria subscripsit.

 

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VII.

Mechtilde von Werle.

Von

Gymnasialprofessor Dr. M. Wehrmann-Stettin.

 

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W igger führt in in seiner Genealogie des mecklenburgischen Fürstenhauses (Jahrbücher 50, S. 234) eine Tochter des Fürsten Heinrich II. von Werle mit Namen Mechtilde auf. Sie ist bisher nur aus einer Urkunde vom 3. Januar 1356 (Meckl. Urk.-Buch XTV Nr. 8178) bekannt, in der sie als Priorin des Nonnenklosters in Pyritz (Pommern) erwähnt wird. Wenige Tage nach diesem Datum muß sie gestorben sein, wie aus einer Urkunde oom 12. Mai 1356 (im Königl. Staatsarchiv Stettin: Bistum Cammin Nr. 108) hervorgeht.

Der Herzog Barnim III. von Pommern-Stettin war am 12. September 1355 von dem Bischofe Johann I. von Cammin exkommuniziert und sein Gebiet mit dem Interdikt belegt worden, weil der Fürst den Geistlichen verboten hatte, ein von dem Bischofe ausgeschriebenes subsidium caritativum zu entrichten (vergl. Balt. Stud. XLVI, S. 23). Barnim kehrte sich an den Bann und das Interdikt garnicht, deshalb erneuerte der Bischof am 12. Mai 1356 die Kirchenstrafe. In der hierüber ausgestellten Urkunde macht er dem Herzoge die heftigsten Vorwürfe über Prosanierung der Gottesdienste, Kirchenraub u. a. m. Unter anderm heißt es dort: Dux sub anno domini M. tircentesimo (!) quinquagesimo sexto, ipso die Agnetis virginis, in monasterio sanctimonalium prope opidum Piritze interdicto, et ubi interdictum per dictas moniales fuerat observatum, corpus nobilis domicellae de Werle, priorissae ibidem, in ecclesia eiusdem monasterii per nos interdicta mandavit solempniter sepeliri. Hieraus geht hervor, daß die Priorin Mechtilde von Werle am 21. Januar 1356 in der Kirche des Nonnenklosters zu Pyritz begraben worden ist.

 

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