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I.

Scheffel und die Brüder Eggers

Von

Johannes Proeltz = Stuttgart


I.

I n der "Deutschen Rundschau" konnte ich vor kurzem meinen früheren biographischen Arbeiten über den Dichter Joseph Victor Scheffel eine stattliche Reihe von Jugendbriefen des letzteren an einen Mecklenburger, den um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Kunsthistoriker und Herausgeber des "Deutschen Kunstblatts" zu so großer Bedeutung gelangten Rostocker Friedrich Eggers in biographischer Umkleidung folgen lassen. Die Briefe sind ein schönes Denkmal der Freundschaft zwischen einem national gesinnten deutschen Poeten vom Oberrhein und einem solchen vom Ostseestrand in der Zeit jener geistigen Mainüberbrückung, die der Gründung unseres neuen Reiches vorausging, und bilden eine lebensvolle Ergänzung zu dem Bilde, das sich aus Fritz Reuters burschenschaftlichen Beziehungen zu den Musensitzen am Neckar Alt=Heidelberg und Tübingen, aus Kußmauls Erinnerungen an die Heidelberger Studentenzeit des späteren Schweriner Bürgermeisters Karl Westphal und ähnlichen Überlieferungen ergibt. Sie enthalten viele Einzelheiten, die jeden Mecklenburger echt heimatlich berühren müssen, wie sie auch die denkwürdige Zeit der mecklenburgischen Verfassungsreform vom 1848/49 heraufbeschwören, während welcher Friedrich Eggers fast ein Jahr lang in Schwerin als Mitarbeiter des Professors Karl Hegel in der Redaktion der "Mecklenburgischen Zeitung" tätig war. Gestützt auf den der Literaturforschung bisher noch nie erschlossenen Briefwechsel der Brüder Fritz und Karl Eggers, der sich gleich den Briefen Scheffels an ersteren im Besitz von Frau Senator Dr.

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Eggers in Rostock befindet, will ich im Folgenden einiges aus diesen letzteren für die Leser der "Mecklenburgischen Jahrbücher" in eine intimere Beleuchtung bringen. Zur Einleitung empfiehlt es sich, die Bedeutung und Gemeinsamkeit beider Brüder, denen auch als poetischen Wiederbelebern der heimatlichen Mundart unter den Zeitgenossen und Freunden Fritz Reuters ein besonders hoher Rang zukommt, in großen Zügen zu schildern.

Sieben Brüder Eggers sind in den Jahrzehnten nach den Freiheitskriegen als Söhne des Rostocker Kaufmanns Christian Friedrich Eggers in der altberühmten Ostseestadt aufgewachsen, deren berühmtester Sohn der Feldmarschall Blücher ist. In die ersten Jahre der Ehe fiel die Errichtung des noch vor Blüchers Tode - im Jahre 1819 - enthüllten Rostocker Blücherdenkmals, bei dessen Gestaltung dem Meister Gottfried Schadow in Berlin die Ratschläge Goethes und die Büste zugute kamen, die der Arolser Christian Rauch, Schadows größter Schüler, 1815 im Auftrage des Kronprinzen Ludwig von Bayern vom "Marschall Vorwärts" nach dem Leben schuf. Rauch selbst ward dann der Schöpfer der Blücherdenkmäler für Breslau und Berlin.

Von den sieben Söhnen jenes Rostocker Kaufmanns Eggers, deren einzige Schwester Helene die Gattin des späteren Rostocker Landfundikus Dr. Heinrich Pries wurde, sind der zweite und der vierte, der 1819 geborene Friedrich und der 1826 geborene Karl, als Kunsthistoriker zu Ruhm und Ansehen gelangt, und ihre Namen sind für immer verknüpft mit dem Ruhm Christian Rauchs, des großen Meisters, dem Berlin auch das gewaltige Monument Friedrichs des Großen verdankt.

Wenn diesem großen deutschen Bildhauer der Epoche der Freiheitskriege, dem Schöpfer des Grabmals der Königin Luise von Preußen, für die Abgüsse seiner Werke in Berlin jetzt ein Museum eingerichtet ist, so hat dies sein Genius vornehmlich dem Eifer dieser zwei Rostocker Kunstforscher zu danken; ihrem feinen, im Geiste Goethes und Winckelmanns gebildeten Kunstverständnis, ihrer Begeisterung für die patriotische Kunstrichtung Rauchs verdankt die moderne Kunstwissenschaft in der großen fünfbändigen Rauch=Biographie ein Muster umfassender und erschöpfender Darstellung eines für die Geschichte einer ganzen Nation bedeutsamen Künstlerschaffens.

Friedrich Eggers, der schon als Student sich die Kunstgeschichte zum Fachstudium erkor, dessen erste größere biographische

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Arbeit Gottfried Schadow zum Helden hatte, war der Bahnbrecher dieses Wirkens für Rauch. Es entsprang aus seinem allgemeineren Wirken für die Pflege der Kunst in Deutschland, dessen Organ das von ihm in Berlin seit 1850 unter der Aegide seines Lehrers und Freundes Franz Kugler herausgegebene "Deutsche Kunstblatt" wurde, und aus seiner Tätigkeit als Professor der Kunstgeschichte an der Berliner Kunst= und der dortigen Gewerbeakademie, als Festredner und Festdichter zu Ehren Rauchs bei der Enthüllung des Großen Fritz=Denkmals und bei Rauchs Leichenbegängnis. Als er aber selbst, allzufrüh, am 11. August 1872, kaum daß er die Leitung des Kunstwesens im preußischen Kultusministerium von Minister Falk übertragen bekommen hatte, jählings einer Krankheit erlag, da zeigte sich sein jüngerer Bruder, der Jurist und frühere Rostocker Senator Dr. Karl Eggers, imstande, die von ihm wohl längst vorbereitete, aber erst angefangene Rauch=Biographie fortzusetzen und zu vollenden, was 1891 mit dem fünften Bande geschah. Es folgten noch die Schristen "Rauch und Goethe. Urkundliche Mitteilungen", "Briefwechfel zwischen Rauch und Rietschel" und "Das Rauchmuseum in Berlin". Der ähnlich seinem Bruder poetisch und literarisch Begabte konnte auch die Herausgabe der anmutschönen hochdeutschen "Gedichte" Friedrichs, die bisher nur zerstreut in Zeitschriften, Almanachen und Jahrbüchern erschienen waren, übernehmen, wie er - drei Jahre nach Friedrichs Tode - dessen stimmungsvollen plattdeutschen Gedichte mit einer Auswahl seiner eigenen in dem reichen Bande "Tremsen" vereinigt hat. In ihnen trat gar traulich zutage, was für echte Mecklenburger die beiden Brüder waren. Wie tiefste Innigkeit des Gemüts sich hier mit bezauberndem Humor und musterhafter Sicherheit in Form und Mundart verbindet, ist von dem berufensten Kenner, dem größten plattdeutschen Lyriker, Klaus Groth, gleich damals warm anerkannt worden.

Friedrich Eggers, dessen Asche auf dem Rostocker Friedhof ruht, hat der Vaterstadt bis ans Ende treue Anhänglichkeit bewahrt, und wenn sein Wissensdrang und sein starkes Verlangen, durch eigenes Schauen mit den schönsten Werken alter und neuer Kunst vertraut zu werden, ihn früh die heimatliche Universität mit Leipzig, München, Berlin vertauschen ließen, ihn nach Dresden, Nürnberg, Wien, Prag, Basel, Straßburg, Köln usw. führten, so hat er doch in Rostock, wo der Ästhetiker und Germanist Christian Wilbrandt, der Vater seines späteren Freundes Adolf Wilbrandt, sein Hauptlehrer war, dies Studium begonnen und

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auch als Student zum Abschluß gebracht. Die Wahl des Themas für seine Doktorarbeit "Von der erziehenden Macht der Kunst für die Jugend", die er am Schluß des Jahres 1847 einreichte, ist bezeichnend für sein späteres Wirken als Lehrer der Kunstwissenschaft an den Berliner Akademien, das stets von dem Glauben an die zum Guten erziehende Macht der Schönheit getragen war. Bis zu seinem Tode hat er in diesen Ämtern segensreich gewirkt. Sein Zusammenhang mit der mecklenburgischen Heimat, für deren politischen Aufschwung er vom September 1848 bis in den Juni 1849 als Redakteur der "Mecklenburgischen Zeitung" mit hoffnungsvoller Begeisterung gewirkt hat, welcher später fast Jahr für Jahr durch Besuche in der immermehr sich erweiternden Familie aufgefrischt wurde, gelangte im Frühjahr 1870 öffentlich zum Ausdruck, als er dem Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg in Rom und anderen Städten Italiens als Führer durch die Kunststätten dieselben Dienste leistete, die einst Lessing dem Prinzen Leopold von Braunschweig, und Goethe und Herder der Herzogin Anna Amalie von Weimar in Italien geleistet haben. Seinen "großen Tag" erlebte aber der von Jugend auf deutschnational gesinnte Mitgründer der "Verbindung für historische Kunst in Deutschland" nach so manchem Sieg als Poet in den Dichtervereinen "Tunnel" und "Rütli", im Technikerverein "Hütte" und am kronprinzlichen Hofe in Berlin, schließlich am 16. Juni 1871, dem Tage des Einzugs Kaiser Wilhelms I. an der Spitze der heimkehrenden Truppen in die zur deutschen Reichshauptstadt erhobene preußische Königsstadt! Da war die "Siegesstraße", wie es noch heute in dem schönen Prachtwerk des Rud. Hoffmannschen Verlags, das Karl Eggers herausgab, zu sehen ist, von den Künstlern Berlins in monumentalem Stil zur Via triumphalis umgewandelt und inmitten des fahnenumrauschten Lorbeerschmucks prangten die von Friedrich Eggers stammenden poetischen Begrüßungssprüche, darunter der seitdem so oft zitierte Kernspruch zu Ehren Deutschlands

"Nährhaft und wehrhaft,
Voll Korn und Wein,
Voll Stahl und Eisen,
Sangreich, gedankreich,
Dich will ich preisen,
Vaterland mein!"

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Von Friedrich Eggers war auch der Prolog zur Festaufführung im Berliner Schauspielhause am Tage der Enthüllung des Schillerdenkmals von Reinhold Begas, den 10. Oktober 1871, gedichtet.

Damals hatte sich, was der Text zu dem Prachtwerk "Die Siegesstraße in Berlin" von Karl Eggers bestätigt, dieser jüngere der Brüder in den Wirkungskreis des älteren schon völlig eingelebt. Nach Abschluß der juristischen Studien, denen er in Leipzig, Berlin und Rostock oblag, war er 1850 in seiner Vaterstadt zunächst Advokat geworden. Sein Versuch, sich auf Grund einer rechtsphilosophischen Abhandlung an der Rostocker Universität als Dozent zu habilitieren, scheiterte an dem Widerstand des gerade damals sehr reaktionären Schweriner Kultusministeriums. Bald danach - 1854 - wurde er als rechtskundiger Senator in den Rostocker Stadtrat gewählt. Schon 1856 erkrankte er aber schwer an einem Brustleiden und ging mit seiner Gattin Mathilde, einer Tochter des Rostocker Advokaten Dr. Georg Becker, zur Stärkung seiner Gesundheit nach Venedig, wo er die kunstwissenschaftlichen Studien seiner Berliner Universitätszeit wieder aufnahm; bald sah er sich imstande, mit interessanten Beiträgen für's "Deutsche Kunstblatt" seines Bruders Mitarbeiter zu werben. Ein mehrjähriger Aufenthalt in Meran, über dessen künstlerische Altertümer er mit seinem Verständnis und lebendiger Anschaulichkeit einen Vortrag hielt und herausgab, stellte seine Gesundheit wieder her; aber er blieb weiter ein amtsfreier Mann und schloß sich nun - 1862 - unternehmungsfrisch dem ihn mächtig anziehenden Berliner Lebenskreis seines Bruders Fritz an, in welchem er die beste Aufnahme fand. Einige Jahre nach dem Tod seiner zweiten Frau, einer gebornen Brandenburg=Schäffer, aus welcher Ehe die Gattin des Rostocker Stadtarchivars Dr. Ernst Dragendorff stammt, heiratete er 1886 seine Nichte Margarethe, die Tochter des langjährigen Kassen= und Rechnungsführers der Rostocker Sparkasse, Robert Eggers, welche Anstalt der Vater der sieben Brüder schon 1825 ins Leben gerufen hat. Totz der angesehenen Stellung und des anregenden Verkehrs, die er in Berlin als Kurator des Christian Rauch=Museums, als Mitglied des einst von seinem Bruder Fritz mit Franz Kugler, Paul Heyse, Theodor Fontane, Theodor Storm, Adolph Menzel, Moriz Lazarus, seinem Landsmann Carl Zöllner u. a. gegründeten "Rütli" genoß kehrte er doch im Herbst 1895 nach Rostock heim, wo er für sich und die seinen das Haus in der Kaiser Wilhelmstraße erbauen ließ, nachdem er schon vorher in Warnemünde am Strom das

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gastliche Sommerheim "Tweelinden" eingerichtet hatte. Hier ist er am 18. Juli 1900 gestorben.

Zu Denen, die mit beiden Brüdern gleich herzlich befreundet waren, hat auch ein dritter mecklenburgischer Dichter, dem Berlin zur zweiten Heimat wurde, gehört, Heinrich Seidel, der Erbauer der Anhalter Bahnhofhalle daselbst und der Schöpfer des "Leberecht Hühnchen" wie der köstlichen mecklenburgischen Binnensee=Robinsonade von "Reinhard Flemmings Abenteuern zu Wasser und zu Lande."

Der humorvolle Pastorsohn aus Berlin, der in seiner reizenden "Sperlingsgeschichte", ähnlich wie es von Adolf Wilbrandt im Roman "Fridolins heimliche Ehe" geschah, das mit Kunstschätzen und Zierpflanzen überfüllte und doch gemütliche Junggesellenheim von "Friede" Eggers in einem baumbeschatteten Hinterhause der jetzigen Königgrätzer Straße Berlins so anziehend zu schildern wußte, hatte als Student der Berliner Gewerbeakademie zu dessen Schülern und bald auch zu dem engeren Kreise von jüngeren Freunden gehört, die der mitteilsame joviale Kunst=Professor so gern des abends um seinen Tisch versammelt sah. In dem Buch seiner Jugenderinnerungen "Von Perlin nach Berlin" hat seine Dankbarkeit dem von ihm innig Verehrten dann persönlich ein Denkmal gesetzt. "Er war ein geborener Lehrer", heißt es dort, "wie ich wenige kennen gelernt habe. Er ging ganz in dieser Tätigkeit auf und wußte seine Zuhörer anzuregen, zu begeistern und mitzureißen. Seine Vortragskunst war außerordentlich, und lyrische Gedichte, die bekanntlich am schwersten zu rezitieren sind, habe ich von niemand besser gehört. Durch seine Vorträge hat er Tausende von jungen Leuten gefördert und angeregt. so manchem jungen Künstler hat er die Wege geebnet und auch ich kann wohl sagen, daß er mein Leben in eine Bahn geleitet, die meine ganze Zukunft beeinflußte. Durch ihn wurde der junge, obskure Student der Gewerbeakademie und spätere Fabriktechniker in Kreise eingeführt, die ihm sonst wohl verschlossen geblieben wären, durch ihn lernte ich seinen in Berlin lebenden Bruder, den Rostocker Senator a. D. Dr. Karl Eggers kennen, der mir, den gänzlich unbekannten Poeten, den Verlag meiner fünf ersten kleinen Bücher vermittelte, in dessen Familie ich meine zukünftige Frau kennen lernte, und in dessen freundlichem Hause auf dem Karlsbade 11 ich fünfzehn Jahre gewohnt habe. Ich habe nie einen Mann gekannt, der in aller Welt so viele Freunde hatte wie Friedrich Eggers. Und darunter waren viele mit Namen von hohem Klange. Ich will nur von den

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Poeten einige herausgreifen, wie z. B. Storm, Wilbrandt, Geibel, Heyse, Roquette, Fontane und Scheffel. Mit dem letztern, der ihm von der Studienzeit her befreundet war, stand er noch immer im Briefwechsel. An jedem 29. Februar setzten sich beide hin und schrieben einander über die Ereignisse der letzten vier Jahre."

Diese Angabe ist nun freilich etwas ungenau. Der "Anakreon" des Berliner "Tunnel" und der berühmteste Vertreter der Anakreontik echt süddeutscher Prägung, Friedrich Eggers und Joseph Scheffel, haben in der Tat seit ihrer Studentenzeit bis zum Tode des erstern mit einander zahlreiche Briefe vertraulichen Inhalts gewechselt. Sie hatten auch wirklich am 29. Februar 1844 mit noch zwei anderen Freunden verabredet, daß sie einander an jedem künftigen Schalttage, den sie erleben würden, über den Verlauf der letzten vier Jahre schreiben wollten. Doch ist das nur einige Male eingehalten worden, und die 52 bekenntnisreichen Briefe Scheffels an seinen "Fritz", die sich in dessen Nachlaß, samt verschiedenen aus der Feder von Scheffels poesiebegabter Mutter vorfanden, verteilen sich auf den Zeitraum von 1844 bis 1871 so, daß fast kein Jahr eine Lücke aufweist.

Ähnliche Äußerungen der Dankbarkeit wie sie Heinrich Seidel in die obigen Gedächtnisworte flocht, finden sich öfters in Scheffels Briefen an den Freund vom Ostseestrand, mit dem er, der jüngere (Scheffel war wie Karl Eggers 1826 geboren und noch "Fuchs" als er den sechs Jahre älteren Friedrich in München als Kanditaten kennen lernte), hier und in Berlin die Wohnung geteilt hatte. Nach dem Hinscheiden seines getreuen "Mentors" von damals schrieb der nun zu so außerordentlicher Beliebtheit in Nord und Süd des Vaterlandes gelangte Dichter des "Ekkehard" an Anton von Werner, den ihm kongenialen Illustrator seiner Werke aus der Mark Brandenburg: "ES ist mir, als wäre ein Stück von mir selber begraben, denn wir haben unsere Studienjahre in idealer Liebe zur Kunst und idealer persönlicher Freundschaft verlebt, und in München wie Berlin uns Stoffe und Gedanken gesammelt, die weit in das spätere Leben hineinreichten."


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II.

Ich habe an die Spitze dieses Rückblicks die Tatsache gestellt, daß in demselben Jahre 1819, in dem das Denkmal Blüchers von Schadow in Rostock errichtet wurde, hier der spätere Biograph Gottfried Schadows und seines großen Nachfolgers, Christian Rauchs, Friedrich Eggers, zur Welt kam.

Oft mag der heranwachsende Knabe auf seinen Wegen aus der Wokrenterstraße zur Realschule oder auf Besuch zu Verwandten vor dem Blücherdenkmal gestanden haben, vom Gefühle bewegt, daß es ein Herrliches sei, ein Volk in Waffen zum Sieg fürs Vaterland zu führen, aber auch ein Großes, solchem Helden ein ehernes Denkmal zur Bewunderung und Aneiferung für die Nachwelt aufzurichten. Manches altehrwürdige Bauwerk, vor allem die gotische Marienkirche und das gotische Rathaus der Vaterstadt, die Kirche in Doberan mit den alten Fürstengräbern, dann aber auch die Augenweide des vor dem Hafen Rostocks, dem Seebad Warnemünde, so schön umbuchteten und weit ausgebreiteten Meeres mußten gleichfalls anregend und bildend auf den früh geweckten Kunstsinn des Knaben wirken, während das von Linden umschattete Vaterhaus ihm, wie es scheint, solche Anregungen versagte.

Das Hauswesen der Eltern Eggers in der Wokrenterftraße trug einen fast ländlichen Charakter. Der Kaufmann Christian Friedrich Eggers (1788-1858) trieb Handel mit schwedischem Baumaterial, schwedischen Binsenbettstellen usw.; seine Frau, Sophie Lierow, war vom Lande, und so wurde auch in der Stadt etwas Landwirtschaft getrieben. Das ganze Anwesen bestand, wie mir Frau Senator Margarethe Eggers erzählte, aus zwei stattlichen Giebelhäusern mit großem Hof und Garten, mit Bleiche, Schafställen und Federviehhof. Es wurden so viel Schafe gehalten, daß die Mutter für die ganze Familie von der Wolle Strümpfe spinnen und stricken konnte, und die Aussteuer der Tochter Helene, der 1824 geborenen späteren Frau Landsyndikus Dr. Pries, wurde von eigenem Flachs selbst gesponnen und auf der eigenen Bleiche gebleicht. Die äußerst tüchtige Frau, deren warmes Gemüt aus verschiedenen, besonders innigen Gedichten ihres Lieblings "Fritz uns hell entgegenstrahlt, war 25 Jahre alt, als sie ihrem Ältesten, dem späteren Rendanten der Rostocker Bank, Heinrich Eggers, 1818 das Leben gab; 1835 kam der letzte der sieben Brüder, der musikalisch hochbegabte Gustav,

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zur Welt, der leider schon mit 25 Jahren als Komponist in Berlin verstarb.

Gerade als dieser jüngste Bruder die schon kinderreiche Familie ergänzte, mußte sich des zweiten Sohns Friedrich Berufswahl entscheiden. Sein ganzes Wesen drängte zum Studium, ohne ausgesprochene Vorliebe für einen Beruf. Der Vater entschied, er solle Kaufmann werden, und gab ihn in die Eisenwarenhandlung von Schau, die nun auch nicht mehr besteht, in die Lehre. Volle vier Jahre dauerte die Lehrzeit. Aber während derselben begann sich sein poetisches Talent so zu regen, daß noch vor ihrem Abschluß kleinere Dichtungen von ihm in der von Amalie Schoppe in Hamburg herausgegebenen Jugendzeitschrift "Iduna", die auch Hebbels Erstlinge brachte, und in anderen Blättern gedruckt erschienen. Mit großem Eifer vervollkommnete er sich in der Lehrzeit im Englischen und im Französischen und begann Italienisch zu treiben. Diese Kenntnis moderner Sprachen hat er dann als Student beim Erteilen von Privatunterricht, zu dem ihn sein schmaler "Wechsel" nötigte, verwerten können. Als er in München 1844 mit dem frisch vom Pennal gekommenen Studiosus juros Joseph Scheffel aus Karlsruhe befreundet wurde, der mit ihm bei Friedrich Thiersch, dem damals hochberühmten "Philhellenen", die Vorlesungen über griechische und neuere Kunst hörte, gab er ihm englischen Unterricht; auch Italienisch haben Sie zusammen getrieben in der schon damals von ihnen gehegten Hoffnung, einmal zusammen nach Rom, der hehren Kunst=Weltstadt, zu wallfahrten, einer Hoffnung, die sich leider nur jedem einzeln zu auseinanderliegenden Zeiten erfüllt hat.

Als der Entschluß in ihm reiste, trotz aller Bedenken des Vaters doch noch zu studieren - Altertums= und Kunstwissenschaft, die Poesie aller Zeiten, wofür es an der Rostocker Universität damals in Professor Christian Wilbrandt einen sehr anregenden Lehrer gab - war Heinrich Pries, sein späterer Schwager, ihm ein hilfreicher Freund. Nach langem Kampfe erwirkte er vom Vater die Erlaubnis, das Abiturium noch anzustreben. Das dafür erforderliche Griechisch war freilich kein geringes Pensum, aber Pries half ihm dabei und das Ziel wurde erreicht, fast ohne weitere Lehrer. Dieser geistige Krastaufwand, aus eigenem Entschluß und reiner Liebe zur Wissenschaft, trug später goldene Früchte: es war ihm zur Gewohnheit geworden, an jedem Tag ein starkes Arbeitsmaß zu bewältigen und der sichere Besitz der in so vorgeschrittenem Alter, gleichsam in einem Guß, erworbenen klassischen Bildung ist ihm, wie sein Französisch,

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Englisch und Italienisch als Redakteur des Deutschen Kunstblatts und als Biograph verschiedener Romwallfahrer unter den deutschen Künstlern sehr zustatten gekommen.

Jenes Ringen mit dem väterlichen Willen, bei dem die Mutter auf seiner seite stand, hatte aber viel Schmerzliches und Demütigendes für ihn, zumal sein nächstjüngerer Bruder Ernst, an dessen Aufgewecktheit er eine ganz besondere Freude hatte, vom Vater gleichzeitig genötigt ward, ein Handwerk zu ergreifen. Der Vater, ein gediegener, sparsamer Haushalter, als welcher er ja gerade zum erfolgreichen Begründer der Rostocker Sparkasse geworden war, wollte beim dritten Sohn das alte Sprichwort: "Handwerk hat einen goldenen Boden" zu Ehren bringen. Ernst wählte die der geistigen Interessenwelt so nahe stehende Buchbinderei. Merkwürdiger Weise hatte auch er, wie seine Brüder Fritz und Karl, zwischen denen er fröhlich aufwuchs, Talent zur Poesie. Und wenn er dann auch in Wien und während der sieben Jahre langen Wanderzeit es zur kunstgewerblichen Meisterschaft in seinem Handwerk brachte, so hat man doch, liest man die Briefe, die er aus der Fremde in die Heimat schrieb, das bestimmte Gefühl, er war zu etwas Höherem berufen. Auch Scheffel, der ihn durch Fritz persönlich kennen lernte und dem "wackeren Wandersmann" durch diesen manchen Gruß sandte, teilte dies Gefühl. Als der aus Italien heimkehrende Gesell 1847 bei ihm in Karlsruhe vorsprach, schrieb Scheffel dem Freund:

"Deinen wackern Bruder Ernst, der Dir wohl schon Nachricht gegeben hat über die paar Tage, die wir zusammen verlebten, habe ich wahrhaftig beneidet; er hat - in seiner gesunden und kräftigen Weise - ebensoviel von Italien gelernt und heimgetragen, als mancher deutsche Gelehrte." Der dann in Rostock zur Selbständigkeit Gelangte hat sich derselben leider nicht lange erfreuen können. In einer Mondscheinnacht des Winters 1858 stieg er auf den Boden, um eine versehentlich offen stehende Luke zu schließen, damit sein Geselle nicht am andern Morgen hinabfalle, - er tritt fehl, stürzt hinaus und zerschmettert unten auf dem Hofe.

Nach Friedrich Eggers' Tode ist in einzelnen der ihm von der Berliner Presse gewidmeten Nekrologe bedauert worden, daß seine Jugend in Rostock eine so trübe gewesen sei. Man hatte dabei jene inneren Kämpfe im Auge, auf die auch sein schöner "Lobgesang" zum Preise des Alterns zurückweist:

"Nicht mehr quält mich, was meine Jugend mir trübte,
Grausame Wahl des Berufs - nun bin ich berufen
Zu der schönsten Lebensarbeit - zum Lehren!"

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Schmerzlicher tönt die Klage aus dem gleichfalls erst später entstandenen Lied:

"Hinter mir, wie ein böser Traum,
Liegt meine arme Jugendzeit.
Schüttle den Baum, schüttle den Baum!
Kein süß Erinnern Blüten schneit.

Fallen so große Tropfen gleich,
Fallen wohl in das grüne Gras;
Tropfen vom Baum, Tropfen vom Zweig -
O, was sind meine Augen so naß!"

Das war ein Stimmungsbild, und man darf diese Klage nicht verallgemeinern. Sie hält in solchem Umfang nicht stand neben dem anziehenden Bilde, das Karl Eggers in seiner "Zuneignung" der "Tremsen" von der halbländlich behaglichen Häuslichkeit der Eltern gegeben hat:

"Uns Mooder was von'n Lann.
Se hett uns upbörnt mit de Kinnerleder,
De wit torügg gan in plattdütsche Tiden,
Un mit er eegen früntlich frame Red.
Dat Leben in de Stat bröcht dat jo mit sik,
Dat se ok hochdüt'sch spreken ded; doch wenn
Dat Hart mit uns to reden hadd, denn kem
Keen hochdüt'sch Wurt er up de Tung . . . .
Un as er Sprak so was er Doon un Driben."

Dort ist ihr fleißiges Walten in Haus und Hof, im Gemüse= und Blumengarten geschildert und als ihr schönstes Fest ein Gang ins Freie, "na den Pipendik", um nach dem Stand des Korns zu sehen . . .

"De leg in't frige Felt, von Kurn ümgeben,
Un unner hoge Böm in't grööne Gras
Dor lagerten wi uns de Reeg lang hen.
Uns Vater tröck sin korte Feltpip' rut,
Un Mooder mak't den groten Kober apen:
De was vull Semmel, un de Botterdos
Wir en Upeter, 1 ) den se uthölkt hadd


1) Upeter, Aufesser, eine große längliche Semmel im Werte von einem Schilling.
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Un vull mit Botter streken; hollannsch Kes
Un beten Rotwin in de lütte Feltflasch
De böden uns dat schönste Vesperbrot. -
Wo smeckt dat prechtich in de frische Luft! . . .
De Abentsünn vergollt dat ganze Felt,
De Lewark steg in'n roden Abenthimmel,
Heuspringer süng in't Kurn . . ."

Von solchem Ausgang brachte sich die Mutter stets einen vollen großen Strauß von "blage Tremsen" mit nach Haus, und nach diesem Brauche hat die Sammlung der plattdeutschen Gedichte ihrer Söhne Fritz und Karl, die übrigens Dr. Karl Nerger mit vortrefflichen sprachlichen Erläuterungen und einem Wörterbuche versah, ihren schönen Titel "Tremsen" erhalten. Wie ihres Herzens Sprache ihrem Fritz gerade in jenen Jahren der "grausamen Wahl des Berufs" wohltat, das künden uns gleichfalls Verse von ihm. Eins dieser Lieder gewann ihm als Dichter das Herz der Mutter Scheffels, dieser warmherzigen, für die Pflege der Kunst im Haus hochbegabten, echt süddeutschen Dichtermutter, die ihrerseits in der badischen Residenzstadt Karlsruhe als gute schwäbische Schultheißentochter aus der Schwarzwaldstadt Oberndorf den heimischen Dialekt nicht verleugnete und auch das rauhere Alemannisch des Gatten aus dem Kinzigtal in Festgedichten poetisch zu zwingen wußte. Auch Frau Josephine hat viel auszugleichen gehabt, als ihr reichbegabter Joseph, ihr Stolz, von dem der Vater eine Ministerlaufbahn erwartete, Maler werden wollte, aber Jurist werden mußte.

Kurze Zeit nach der Trennung, die dem Münchner Zusammenleben der Scholaren folgte, im Jahre 1845 schrieb Scheffel an seinen "vielgeliebten Friedrich", aus Heidelberg, wo es ihm zunächst nicht behagte: "Du bist freilich jetzt in andern Verhältnissen; Du bist zurückgekehrt in die Heimat und hast all die Plätze und Häuser, die Gegenstände Deiner Jugenderinnerungen und die Eltern und Freunde und das ganze gemütliche Familienleben wieder, nach dem Du Dich so oft gesehnt - und wenn Dich etwas drückt oder Dir fehlt, so machst Du Dir Luft durch Mitteilung an ein treues Herz. Ich hoffe nur, daß Dich mein Brief in voller Gesundheit und fideler Stimmung antrifft, daß Deine Wangen in der sorgsamen Pflege des Mütterleins und der Schwester in der Rostocker Luft wieder rot geworden sind und Du das neue Jahr noch doppelt so angenehm und nützlich zubringen mögest, als Du selber wünschest. Nimm die herzlichsten

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Grüße meiner Eltern und meiner Schwester und grüße ebenso herzlich in meinem Namen Deinen lieben Vater und Deine wackere Mutter und all Deine Angehörigen - und auch Deinen Freund Pries, den ich zwar nur aus Deinen Erzählungen kenne, der's aber nicht verschmähen wird, wenn ich als Unparteiischer ihm gratuliere, daß er Dich wieder hat und somit einen Freund besitzt, wie man ihn nicht leicht wieder findet (oder wie die Heidelberger Redensart heißt): "wie man ihn nicht auf Bildern sieht."

Jofeph Scheffel, der Sohn des badischen Oberbaurats und Genieoffiziers Jakob Scheffel und einer Mutter, die für die badischen Veteranen von 1814 und 1815 bei festlichen Gelegenheiten wiederholt sich als patriotische Dichterin öffentlich bewährte, stammte aus einem Haus, das in Karlsruhe zur Zeit als Architekt Hübsch dort die "Kunsthalle" baute, deren Direktor Maler Trommel wurde und die Moritz von Schwind ausschmücken half, den Mittelpunkt der Geselligkeit unter den Künstlern bildete. Er war, bei aller Sprödigkeit eines echten Jungen ein verwöhnter Muttersohn; nicht ohne Wissensstolz kam er als Erster der Prima vom Lyzeum; daß seine Sehnsucht, Künstler zu werden, in München wenigstens im Studium der vielen Kunstschätze, die König Ludwig I. dort vereinigt hatte, einen Trost finden konnte, war ein Beweggrund mehr, daß sein Herz mit dem des kunstbegeisterten Rostockers dort so innig zusammenwuchs. Die Eltern Scheffels, die mit ihrer Tochter Marie den Joseph in München besuchten, freuten sich seines Verkehrs mit dem älteren gediegenen Kameraden, den sie seinen "Mentor" nannten. Zu Ostern 1845 konnte Scheffel dem fernen Freund schreiben:

"Eine merkwürdige Sympathie herrscht doch, wie zwischen uns selbst, so zwischen unsern Müttern, die uns beiden einen so weiten Platz in ihrem Herzen eingeräumt haben. Wie ich von Heidelberg in die Heimat einrückte, da wartete Dein Brief schon auf mich. Alles wollte wissen, was darin steht; - ich verschob aber das Vorlesen bis nach Tisch, wo gewöhnlich über dies und das geplaudert wird. Mein Vater war diesmal sehr nobel und brachte mir zu Ehren eine kleine Flasche Champagner auf den Tisch und dazu las ich Deinen Brief vor und wir tranken gerührt wieder dazwischen und nach der dritten und vierten seite war das Fläschlein leer. Da sprach meine Mutter, "wenn das Dir zu Ehren geschieht, um wieviel mehr müssen wir jetzt Deinen lieben Freund da oben im Norden und sein ganzes Haus ehren"

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und ließ noch ein Fläschlein aufstellen und die Gläser für Euch Alle klingen - und wir freuten uns recht herzlich, wie ich am Ende Deines Briefes las, daß im Herzen Deiner verehrten Mama am 16. Februar" (das war Josephs Geburtstag) "ungefähr derselbe Gedanke aufgestiegen sei - und mein Vater zitierte nach seiner Weise das alte Sprichwort: Es gibt halt nichts Neues unter der Sonnen. - Und doch solls im Laufe dieses Jahres noch was Neues geben! Ich bin im Laufe der Ferien hie und da mit einer Andeutung herausgerückt und habe bald leis gewinkt, bald - wie unsere Landsleute sagen - mit der Holzart angeklopft, was meine Eltern davon hielten, wenn ich im Herbst mit Sack und Pack abzöge, vom Neckar an die Spree und mein fünftes Semester in Berolin zubringen wollte; und wiewohl meine Leute nicht recht darauf eingehen mochten, so hat mein Vater doch schon gesagt: "Nun denn, am Ende - eigentlich, wenn Du wieder mit Deinem alten Freund Eggers zusammenleben könntest und dieser, wie in München, über Dich leichtsinnigen Kerl sorgte und wachte, - so könnten wir Dirs vielleicht erlauben."

In diesem Zusammenhange ist, was Scheffel dem Freunde, als dieser seine Eltern verlor, zum Troste schrieb, von besonderem Interesse. Die geliebte Mutter verlor Fritz Eggers schon bald nachdem die Gründung des "Deutschen Kunstblatts" ihn in Berlin gegen Ende des Jahrs 1849 glücklich unter Dach und Fach gebracht hatte. Bereits am 20. Dezember 1850 wurden schlimme Nachrichten über das Befinden der wackeren Frau dem Rechtspraktikanten am Säckinger Bezirksamt zum Anlaß, den Freund zu trösten: "Ich weiß gewiß, daß Deine Befürchtungen nicht in Erfüllung gegangen sind, sonst hättest Du mirs mitgeteilt, denn auf Alles, was meinen Fritz tief schmerzlich bewegt, habe ich auch ein Anrecht, so gut wie auf seine Liebe. Und deswegen grüß ich Dich jetzt, und wenn Du beim Flimmern der Weihnachtskerzen im Heimathaus den Christabend feierst und Dich Deiner Mutter freust, wie dereinstmals als Kind, wo das Christkindlein selber den Weihnachtsbaum anzündete, so vermeld ihr auch meinen Gruß. Deine Mutter darf nicht weggehen von hier, bis sie den ersten Sohn meines Fritz auf ihrem Schoß gewiegt und den treuesten ihrer Söhne im Besitz von allem Glück gesehen hat, das ihm das Mutterherz wünscht. Die Familie ist eins der wenigen Dinge, die Einem heutzutag nicht untreu werden. Lebenspläne, Vertrauen auf andere Leute, politische Hoffnungen (daß Gott erbarm!) Alles verfliegt: ein rechtschaffenes Mutterherz fällt nicht vom Sohn ab."

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Leider war jene Hoffnung in doppelter Hinsicht vergeblich. Blieb doch Fritz Eggers zeitlebens unverheiratet. Am 10. Oktober 1851 schrieb Scheffel aus Karlsruhe:

"Liebe Seele - was in Freud und Leid Dir geschieht, das ist auch ein Stück von meinem Leben, und wie oft bin ich bei Dir gewesen, um Dich über den Verlust Deiner unvergeßlichen Mutter zu trösten, aber schreiben konnt' ich nicht - ich versteh' es nicht, einen teilnahmsvollen Zuspruch aufs Papier zu werfen und weiß zu gut, daß, was auch Einer aus der Ferne an wohlgemeintem Trost beibringen mag, es doch nichts zur Ausfüllung solcher Lücken im Herzen ausrichten kann. Du hast Dein Leid getragen als Sohn, als Mann - und wie ich Deinem Schreiben entnahm, in würdigerer Fassung, als ich sie selbst im Wust meiner Amtsgeschäfte und des ordinären Lebens in der Waldstadt Säckingen befaß. Was es heißt, jemanden aus der Familie zu verlieren, hab ich selbst bald darauf erprobt. Meine theure alte Großmutter, die Mutter meiner Mutter, seit den Tagen der Kindheit meine treueste Hüterin und Freundin, ist im Sommer plötzlich - nachdem sie noch des Abends wie sonst im Kreise der Ihrigen heiter und ohne Ahnung und Krankheit sich vergnügt hatte, einem Schlaganfall erlegen. Ich hab' in meiner Ferne nicht einmal an ihrem Totenbett stehen oder ihr die letzte Schaufel Erde als Gruß ihres Enkels ins Grab mitgeben können, zu spät erfuhr ichs. Der einzige Trost ist mir, daß ich wenige Wochen zuvor bei ihr war und mich ihrer alten Liebe erfreuen konnte, so daß ich mich versichert halte, sie hat mir ihren Segen - auch ohne daß ich sie in den letzten Augenblicken sah - dennoch gegeben."

Scheffels Großmutter Katharina Krederer, die Schultheißenwitwe aus Oberndorf am Neckar, war zu Rielasingen am Fuße des Hohentwiel als Tochter des dortigen Posthalters geboren. Von ihr hatte Joseph schon als Knabe die alten Sagen des Hegau erzählt bekommen.

Gegen Ende 1858 starb 70 Jahre alt der Vater unserer Brüder Eggers. Scheffel drückte seine Teilnahme dem Freund in folgenden Worten aus:

"Lieber theurer Fritz! Die heutige Post bringt mir die Kunde von der schweren Trauer, die Dich und Dein Haus betroffen. Ich drücke Dir die Hand; ich weiß aus unserem Zusammenleben in München und Berlin, was Dir Dein Vater war und that und wie hoch Du ihn gehalten. - Sei ihm die Erde leicht! Es ist

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doch nur eine Spanne Zeit mehr oder weniger, daß wir alle den gleichen, schweren, räthselenthüllenden Gang gehen werden. Dein Trost aber ist das rechtschaffene Bewußtsein, dem Vorausgegangenen ein treuer liebevoller Sohn gewesen zu sein."


III.

Herzinnige Freundschaften zwischen norddeutschen und süddeutschen Studenten waren in der Zeit des vormärzlichen Schwärmens für deutsche Einheit und Freiheit keine Seltenheit; das lag im Geiste der von Süddeutschland - Heidelberg - ausgehenden, um Preußens Führung werbenden "deutschen Bewegung" und der neuaufblühenden deutschen Burschenschaft. Die Verschiedenheit der Konsession war für Eggers nicht störend, denn sein Kunstinteresse strebte ja auch, die Stimmungswelt zu erfassen, welche einstmals zuerst die gotischen Dome gen Himmel türmte; da war ihm der vertraute Verkehr mit einem jungen aufgeklärten Katholiken, dessen Urahn ein Klosterstiftsschaffner im Schwarzwald gewesen war, gerade willkommen; während andrerseits der aufgeweckte Scheffel, im Geist des edlen Konstanzer Bischofs Wessenberg erzogen, sich auf Grund von Luthers Bibelübersetzung, der Werke unsrer Klassiker und andrer philosophischer und naturwissenschaftlicher Lektüre eine freiere Weltanschauung schuf. Goethes "Wenn wir in das Freie schreiten, auf den Höhen da ist der Gott!" war beiden, als sie zum erstenmal von München aus selbander in die Berge zogen, aus der Seele gesprochen.

Daß jeder mit ganz besonderem Stolz seiner besonderen Stammesart anhing, seinen heimatlichen Dialekt pflegte, wirkte bei der Anknüpfung der Freundschaft gleichfalls nur anziehend. Ueber die Art, wie sich die beiden in München kennen lernten, hat sich in der Eggerschen Familie eine humoristische Überlieferung erhalten. Die zwei Studenten sollen in einem schauderhaften Regenwetter mit den aufgespannten Schirmen zusammengestoßen sein. Sie drehten sich im gerechten Aerger nacheinander um; ein Wortwechsel entstand, und jeder suchte den andern scheltend zu überbieten. Wahrscheinlich hat der Rostocker sein geliebtes Platt, der Karlsruher das vom Vater ererbte Allemannisch zu Hilfe

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genommen. Dazu stimmt eine Stelle in dem Briefe Scheffels vom 5. Januar 1845 aus Heidelberg, bei der er ein Wiedersehn mit dem Freunde im Auge hatte: "Ich würde gewiß keinen kräftigen Fluch in die Welt schicken, wie damals bei unserer ersten Unterredung." Vorher hat er erwähnt, daß ihm im Colleg ein paar "Vandalen" in der Nähe sitzen, deren feine Sprechweise ihn an die des fernen Freundes erinnert hat. Das Korps "Vandalia" war von Franz Howitz aus Rostock mit einigen anderen Mecklenburgern und Niedersachsen 1841 in Heidelberg gegründet worden, und zu Scheffels Bundesbrüdern in der "Allemannia" gehörte der frühere "Vandale" Karl Westphal aus Schwerin, der später als Bürgermeister seiner Vaterstadt Abgeordneter im Deutschen Reichstag wurde.

Gerade für den Humor derb volkstümlicher Schimpfworte, wie sie in unseren deutschen Mundarten sich oft durch eine grandiose Bildlichkeit auszeichnen, waren Friedrich Eggers wie Scheffel bis an ihr Lebensende ganz besonders empfänglich. Letzterer hat ja, nachdem er als Rechtspraktikant zu Säckingen den "Chrüzdunnerwetter"=Flüchen der Hauensteiner Schwarzwaldbauern ihren komischen Reiz abgelauscht hatte, der Kunst des Schimpfens auch poetische Wirkungen abgewonnen, die, wie im "Ekkehard" Herrn Spazzos dröhnende Rechtsverwahrungen beim Reichenauer Abt und im "Gaudeamus" des Rodensteiners Verwünschungen der von ihm "veritrunkenen" Odenwalddörfer, in "feuchtfröhlichem" Krafthumor funkeln:

"Pfaffenbeerfurt, die duftige Mistfinkenhöhl',
Pfaffenbeerfurt, des Odenwalds Kronjuwel,
Pfaffenbeerfurt ist .... veritrunken!"

Von Friedrich Eggers, dessen ganzes Wesen als lyrischer Poet wie als Kunsthistoriker den Falstaffhumor eigentlich ausschloß, habe ich schon in der "Deutschen Rundschau" erzählt, daß er es vortrefflich verstand, auf die Tonart der verschiedensten Lebenskreise und Persönlichkeiten einzugehen, "Er konnte", wie sein Neffe Pastor Robert Pries in Rostock zu berichten weiß, "mit einer alten Marktfrau so behaglich sprechen, daß sie ganz begeistert von ihm war, und mit gleicher Unbefangenheit und herzlicher Wärme redete er mit seinem Fürsten, den er 1870 wochenlang in Italien begleitete."

Da sich die Freundschaft zwischen Scheffel und seinem Fritz so schön auf die beiderseitigen Familien übertrug, konnte es nicht

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fehlen, daß, gleichwie Bruder Ernst, der "wackere Wandersmann", auch der nächstjüngste Bruder, Karl, davon Vorteil zog, zumal dieser sich demselben Studium wie Scheffel, der Jurisprudenz, zuwandte, als Scheffel noch selbst Student war.

In der Osterzeit vor dem vierten Semester des letzteren (1845) mußte es sich entscheiden, wo Karl sein erstes Semester verbringen sollte. Scheffel, der ein zweites Semester in Alt=Heidelberg vorhatte, das er nun schon ganz als "Stadt fröhlicher Gesellen, an Weisheit schwer und Wein" höchlich zu schätzen wußte, schrieb aus Karlsruhe an den Freund in Rostock: "Wie freue ich mich auf den blütenreichen Mai und den ganzen Sommer am Neckar, in Wald und Gebirg. Da könnten wir aus volleren Zügen Natur kneipen, als im Englischen Garten; Du mußt wenigstens Deinen Bruder Karl nach Heidelberg schicken, daß ders für Dich genießen kann. Ich meinerseits bin fast ein wenig leichtsinnig geworden und werde mir kein großes Gewissen daraus machen, draußen im Freien grad so viel und gern herumzustreifen, als im Hörsaal festgebannt zu sitzen, und mein Skizzenbuch soll dieselbe Achtung genießen wie meine Collegienmappe."

Karl Eggers begann sein Studium in Rostock und blieb auch dort im folgenden Semester, obgleich Scheffel dem Fritz riet:

"Wenn es sich nicht unschwer machen läßt, so bring Deinen Bruder Karl mit nach Berlin. Ich meine, gerade am Anfang des juristischen Studiums bedarf es ausgezeichneter Collegien und anregender Vorträge, um die Luft an dem an sich einem jugendlich frischen Herzen wenig behagenden Stoff zu erregen, und diese mögen in Berlin doch wohl eher zu finden sein, als in Rostock; - abgesehen von den Vortheilen, die das Fernleben aus dem elterlichen Hause und das Umhertreiben in einer ganz neuen Welt für die Bildung des Characters bringt. Was ich Halbjurist ihm rathen und mittheilen kann, steht ihm natürlich zu Gebot."

Für Karl Eggers war es gewiß recht heilsam, daß er als Student der Rechte zunächst in der Vaterstadt heimisch blieb, wie seine spätere Laufbahn bestätigt. Dagegen hätte Fritz seine in so vieler Beziehung, auch für die gesamte Familie, ersprießliche Laufbahn nie gewinnen können, ohne den Studienaufenthalt in den beiden deutschen Kunsthauptstädten München und Berlin, ohne seine Reisen in die übrigen deutschen Museumsstädte und seine Wallfahrten zu berühmten Baudenkmälern kirchlicher und weltlicher Art, wie jene Wanderung durch Böhmen nach Schloß

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Karlstein und Prag, die Scheffel in einem seiner ersten Briefe erwähnt.

Eine Pfingstreise durchs bayrische Hochgebirge bis nach Innsbruck hinein hatten sie von München aus zusammen gemacht, und das gemeinsame Entzücken an der Alpenpracht, an den alten Burgen am Inn, den Kunstschätzen Innsbrucks hatte ihre Freundschaft vertieft. Scheffel hat in seinen Briefen wiederholt an diese Fußreise erinnert, besonders schön, als er im Spätsommer 1851 von Sackingen aus, diesmal mit dem Geschichtsprofessor Ludwig Häuffner, dem Präsidenten des "Engeren" in Heidelberg, wieder in Tirol gewesen war. "Im Tirol", schrieb er am 10. Oktober 1851 aus Karlsruhe an den Freund in Berlin, "ist auch wieder viel alte Liebe und Jugendlust in mir - wie ein Alpenglühen in die Dämmerung des Thals hinein - aufgegangen. Wie ich bei Straß am Eingang ins Zillerthal wieder stand, am Platze, wo wir Pfingsten 1844 uns lagerten und rathschlagten, ob wir hineinziehen wollten: da war mirs, als ob Berg und Felsen ringsum mir Deinen Namen grüßend zurufen sollten, - und bei den Burgen und Schlössern am Inn, an denen wir damals vorübergestreist und im Dom, zu Innsbruck, bei den kräftigen Erzstatuen um Maximilians Grab und bei Alexander Collins unvergleichlich feinen Marmorreliefs - überall bist Du, mein treuester Kamerad, bei mir gestanden." - "Was weiter aus mir wird," fährt er in dem Briefe fort, "ich weiß es nicht. Ich sollte einmal in recht hartes Pech gerathen, um mir selber heraushelfen zu müssen: dann würd ich meine Kräfte zu was Ganzem concentriren. so aber bin ich durch geschichtliche und juristische Studien - durch erlernten Beruf, durch Freude am Malen wahrhaft bei lebendigem Leib geviertheilt."

Ich habe in meinen Scheffelbiographien nachgewiesen, wie gerade aus dieser Zwiespaltigkeit oder vielmehr Vierspältigkeit von Scheffels Begabung der poetische Reichtum der historischen Kulturbilder herstammt, die wir in seinem Gang vom Oberrhein "Der Trompeter von Säkkingen", in dem Roman von der Schwabenherzogin Hadwig auf Hohentwiel mit seiner lebensvollen Schilderung des Lebens in den alten Abteien Sankt Gallen und Reichenau, in den historischen Erzählungen "Juniperus" und "Hugideo", in den historische Landschaft spiegelnden Wanderliedern des Wartburgpsalters "Frau Aventiure" und des "Gaudeamus" besitzen. Hier möchte ich hervorheben, daß er nach Abschluß seines Berliner Studienjahrs auch die vom Freund so gepriesene Ostseeküste aufgesucht und die Insel Rügen mit Wanderstab und

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Skizzenbuch durchzogen hat. Aus einem Brief an den Bundesbruder Schwanitz in Eisenach wissen wir, daß er ohne Begleiter auf der Insel war; aus einem Eintrag in Friedrich Eggers' Notizenbuch von 1845-47 scheint hervorzugehen, daß dieser ihn von Berlin über Stettin nach Stralsund begleitete, dort aber nach Rostock abbog. Näheres über Scheffels Wanderfahrt, die ihn von der Ostsee durch den Harz und den Thüringer Wald mit dem Kyffhäuser und der Wartburg als Stationen heimwärts führte, konnte ich nicht erkunden. Dagegen verdanken die frischesten der "Lieder eines fahrenden Schülers", die er 1847 in den Münchner "Fliegenden Blättern", ohne seinen Namen, erscheinen ließ, dem Nachgenuß seines Aufenthalts auf der Insel Rügen ihr Entstehen. Noch vor ihrem Erscheinen schrieb er an Friedrich Eggers aus Karlsruhe am 17. Oktober genannten Jahres: "Übrigens bin ich keineswegs ganz in Tendenz und Politik aufgegangen. Wenigstens im "wunderschönen Monat Mai", wo die Vögel wieder singen und dem Menschen die Wanderlust in die Glieder fährt, da ist mirs gegangen wie Dir, und weil ich nicht selbst wandern konnte, habe ich wenigstens ein paar Wanderlieder geschrieben, d. h. ich habe meine Erinnerungen von Rügen und vom Harz usw. auf dem Papier fixiert, aber in allgemein fideler Fassung... Wenn also einmal der fahrende Schüler in Holz geschnitten erscheint, so denk dabei an mich; - ich woll Dir hiermit den ganzen Burschen nachträglich dediciren."

In den Band "Scheffels Nachgelassene Dichtungen" habe ich eine Auswahl dieser Gedichte aufgenommen. Charakteristisch für den werdenden Dichter ist vor allem "Die Nacht am Hünengrab", deren Anfang also lautet:

"In wunderschöner Maiennacht
Da brauch' ich kein Wirtshaus;
In freier Luft, in frischem Gras
Da ruh' ich besser aus.

Ein Hügel steht am Meeresstrand,
Ein altes Hünengrab;
In seine heil'ge Erde pflanz'
Ich meinen Wanderstab.

Du grüner Hügel Dubberworth,
Laß ruhen mich auf dir;
Wo ruhig schläft der alte Held,
Da sei auch mein Quartier."

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Das Gespräch zwischen ihm und dem aus dem Grab hervorsteigenden Hünengeist offenbart Scheffels damalige burschenschaftliche Sehnsucht nach einem Mann, der dem deutschen Volke aus seinem politischen Elend ein starker Führer werde. - Der deutsche Burschentag auf der Wartburg im Juni 1848 sah die Freunde dann in der Siegesstimmung nach den "Märzerrungenschaften" wieder vereinigt. Sie haben beide, auch als Redner und Journalisten, einen starken Anteil gehabt an der Bewegung für eine Deutsche Reichsverfassung, Scheffel als "altes Haus" der Heidelberger Burschenschaft "Frankonia", die aus der "Allemannia" und "Teutonia" entstanden war, Friedrich Eggers als Vertreter der Berliner Burschenschaft "Germania". Der junge Doctor jur. Scheffel wurde in Frankfurt a. M. Legationssekretär beim Reichskommissar Welcker und begleitete diesen nach Holstein und Lauenburg; im Frühjahr 1849 redigierte er als Gegner von Hecker und Struve und Anhänger von Gervinus, Bassermann und Mathy in Karlsruhe zugunsten der neuen Reichsverfassung die "Vaterländischen Blätter für Baden". Der junge Dr. phil. Friedrich Eggers hatte in Berlin nach den Märzerrungenschaften als Gehülfe des Geheimrats Franz Kugler, der im Ministerium Ladenburg dem preußischen Kunstwesen vorstand, in volkstümlich liberalem Geist eine Denkschrift über die geplante Reorganisation der Kunstverwaltung im preußischen Staate ausarbeiten dürfen. Die Hoffnungen auf das Reichsverfassungswerk der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche standen in vollem Flor und in Mecklenburg waren auf Grund des neuen provisorischen Wahlgesetzes die Wahlen für den konstituierenden Landtag im Gange, als Friedrich seinen in Rostock schon auf den juristischen "Doktor" zusteuernden Bruder Karl aus Berlin meldete, Professor Hegel, der in Schwerin die Leitung der "Mecklenburgischen Zeitung" übernommen hatte, habe ihn eingeladen, die Stelle eines zweiten Redakteurs an dem Blatte und die Berichterstattung über die Verhandlungen des Landtags für dasselbe zu übernehmen. Karl Hegel, der älteste Sohn des berühmten Philosophen, hatte vorher als Professor in Rostock die Verfassungsgeschichte der Städte Italiens zu seinem Spezialstudium gemacht und war jetzt voll Eifer dabei, an der Gestaltung der im Werden begriffenen neuen Deutschen Reichsverfassung persönlich mitzuwirken. Die Berufung von Friedrich Eggers nach Schwerin vermittelte ihm ein gemeinsamer Freund, der Schweriner Advokat Eduard Hobein, der später mit beiden Brüdern als plattdeutscher Lyriker gewetteifert und in den sechziger Jahren dem von ihm heraus=

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gegebenen "belletristischen Jahrbuch aus Mecklenburg" "Vom Ostseestrand" einige der besten Proben ihrer humoristischen Poesie, wie "Gun Nacht", "Die Schildwach", einverleibt hat. Karl Eggers hatte die Märztage des Jahres 1848 als Student in Berlin mit Friedrich erlebt und gehörte seit seiner Rückkehr nach Rostock dem dortigen Reformverein an. Friedrich folgte dem Rufe Hegels nach Schwerin nur provisorisch; wie er dem Bruder schrieb, fühlte er sich eigentlich zum Politiker nicht berufen und Franz Kugler hatte schon damals vor, ihn an die Spitze eines von ihm zu gründenden Kunstblatts für das einige Deutschland zu stellen. Doch hat er im Dienste der Zeitung, für die er auch die Schauspielkritik übernahm, bis in den Juni 1849 ausgehalten, und als er, von Kugler nach Berlin dringend zurückberufen, aus Schwerin wieder schied, glaubte er noch an den Sieg der guten Sache, für die er sich opfermütig als Redakteur und Journalist eingesetzt hatte. Das bestätigt uns ein Gedicht, das er kurz vor dem Abschied seinem Chef Professor Hegel, am 7. Juni, zu einem Ehrentag zugleich im Namen des gesamten Zeitungspersonals in Prachtdruck, wie er an Karl schrieb, feierlich überreichte. Die ersten zwei Strophen des Gedichts, die auf die damaligen Sammlungen zum Bau einer deutschen Flotte Bezug nahmen, lauteten:

"Das ist des Kampfes Zeit, - zum Schwert! zur Feder!
So klingt der Werberuf durch alle Gauen,
Wenn selbst die zarten Jungfraun Flotten bauen,
Verläßt des Friedens stilles Werk ein Jeder.

Wir haben auch ein wak'res Schiff gezimmert,
Du stehst am Steuer, lenkst es unverdrossen,
Beim Segelwerk und bei den Bleigeschossen
Steht Deine Mannschaft Sturmesunbekümmert."

Wenn das Gedicht dem älteren Freunde zuversichtlich den Sieg in den Kämpfen der Zeit prophezeite, so erwies sich dies leider sehr bald als - verfrüht! Im März 1849 hatte Fritz auch ein Lied an den Großherzog Friedrich Franz II. gerichtet.

Hierüber schrieb er an Bruder Karl am 9. dieses Monats aus Schwerin: "Auch die deutsche Zeitung" - das war die Heidelberger, das Organ der badischen Liberalen - "hat die letzte Strophe aus meinem Liede an den Großherzog abgedruckt. Dagegen erfahre ich, daß die Hof= und Adelspartei hier großen

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Anstand daran genommen hat. Ich habe den festen Glauben, daß Serenissimus anders denkt. (s wär' sonst schad' um ihn!" Scheffel aber hatte Recht, als er gegen Ende dieses für die deutschen Patrioten so enttäuschungsreichen Jahres schrieb: "Ich bin überzeugt, daß Du die Politik schon längst an den Nagel gehängt hast, das ist kein Gebiet für einen objekiven künstlerischen Geist, und die Feuilletonthätigkeit ist zu fragmentarisch. Deßwegen adressir' ich auch diesen Brief nicht nach Schwerin, wo Du mitgezeitungt hast, denn ich habe eine Ahnung, daß Du anderswo hausest." Im "Deutschen Kunstblatt" aber mit seiner nationalen Tendenz hat dann die Schweriner journalistische Schulzeit seines Redakteurs reiche Früchte getragen.

Friedrich Eggers erwarb sich in jenen Jahren der Entwicklung Scheffels zum Dichter aber auch das Verdienst, dessen von ihm gleich anfangs richtig gewürdigtes poetisches Talent von dem verhängnisvollen Hang zur burschikosen Formlosigkeit zu befreien, der von dessen Tätigkeit als Kneipzeitungsredakteur seiner Heidelberger Verbindung herstammte. "Du bist's gewesen", schrieb letzterer nach seinen ersten wohlgelungenen Gedichten an den formgewandteren Freund, "der die feineren Saiten in mir vom Rost und allerlei Umhüllung gereinigt und spielbar gemacht hat, - und das ist mehr werth als aller toller Jubel, den ich sonst auch bei Anderen gefunden und, mehr als gut war, mitgemacht habe. Ohne Dich hätt' ich vielleicht nie einen Vers geschrieben; und wenn sie seither noch alle ziemlich schlecht ausfielen, so ist ein schlechter Vers für den inneren Menschen doch mehr werth als die beste juriatische Relation."

Als dann Scheffel, der nach seiner Dienstzeit am Bezirksamt in Säckingen als Maler jene Reise nach Rom und Capri machen durfte, die über seinen Beruf zum Dichter entschied, 1853 und 1855 mit dem "Trompeter von Säkkingen" und dem "Ekkehard" ins Feld rückte, war Friedrich Eggers derjenige, der diese schönen, so echt deutschen Werke in seinem Deutschen Kunstblatt am eingehendsten und verständnisvollsten besprach.

Ganz ähnlich hat aber auch Scheffel an Fritz Eggers gehandelt. Als kostbarste Gabe, die ihm die Musen mit auf den Weg gegeben, empfand dieser doch auch seine Begabung zum Dichter. Zugleich aber erkannte er früh genug die Schranken, die dieser Begabung gezogen waren, Er hatte als Kaufmannslehrling und als Student das Sichbiegen und Sichfügenmüssen

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gelernt, sich als Privatlehrer, als Kunstkritiker Geld verdienen müssen, um weiter studieren zu können. Als zu Anfang 1850 das Deutsche Kunstblatt von ihm bei T. D. Weigel in Leipzig glücklich gegründet war, unter Mitwirkung von Franz Kugler, Schnaase, Waagen in Berlin, Passavant in Frankfurt a. M., Wiegmann in Düsseldorf, Ernst Förster in München, Schulz in Dresden, Eitelberger in Wien, da begrüßte dies von Säckingen aus der Rechtspraktikant Scheffel wohl freudig: "Wie groß meine Freude war, aus Deinem Brief und dem Prospekt der Kunstzeitung zu ersehen, wie mein alter Fritz sich endlich durchgearbeitet hat zu dem Beruf, den ihm die Götter an seiner Wiege vorzeichneten, darüber sag ich nicht viel; erhole Dich unter dem reinen blauen Himmel der Kunst vom Nebel und Lärm des Tages und sei glücklich, das ist mein Hauptwunsch für Dich." Gleichzeitig mahnte er ihn aber auch an seinen Dichterberuf, indem er den Schlußvers aus dem damals bereits komponierten Liede des Freundes zitierte:

"Wie heißt denn das Lied auf Meer und Höhn,
Das Allen so wohl gefällt?
Der Anfang heißt: Die Welt ist so schön!"
Das Ende: "Du schöne Welt!""

Gegenseitig haben sie auf ihren poetischen Geschmack läuternd eingewirkt. Eggers, der musikalisch war und die Flöte virtuos spielte, hat wesentlich dazu beigetragen, bei dem unmusikalischen Scheffel den Sinn für das Melodische im deutschen Volkslied zu erschließen. Als Eggers auf Grund seiner schönen Übersetzungen von Gedichten Anakreons im Berliner Dichterverein "Der Tunnel über der Spree" den Namen "Anakreon" erhielt, konnte Scheffel die Bemerkung nicht unterdrücken, auch die echte Anakreontik müsse erlebt sein. Bei ihm war dies ja der Fall, und der Erfolg gab ihm Recht! Besonders hoch stellte er die plattdeutschen Gedichte des Freundes. Als 1854 die "Argo", ein von Kugler mit Theodor Fontane, Fritz Eggers, Paul Heyse, Bernhard von Lepel und anderen Dichtern des "Tunnels" herausgegebenes Jahrbuch erschienen war und Scheffel darin einige der plattdeutschen Erstlinge des Freundes entdeckte, schrieb er ihm:

"Dich selber als Poeten drin zu finden, war mir anziehend. Du hast Dein eigen Departement, wo Dir nicht viele beikommen können, das ist die behagliche Ausstaffirung gemüthlichen inneren

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Lebens, mit ein wenig Aengstlichkeit, aber herzgewinnender Feine. Daher haben mich Deine plattdeutschen Gedichte sehr angesprochen - das ist ein dankbarer Ton, der noch viel zu wenig cultivirt ist, - der Verstand wird immer universal, weltstrebend sein, das Herz, je höher es schlägt, desto particularer wirds und schafft sich provinciale Freuden."

Unter diesen Gedichten befand sich "Wedder to Hus".

"Ja, wenn een'n ierst so'n Johrer söß
De Wint üm de Uren pust,
Denn nasten kricht 'n doch so'n Zuch
Na Muddern un na hus."

Es findet sich in der Sammlung "Tremsen" unter dem Titel "Verennerung".

Als Studenten hatten sie sich beide mit jugendfrischer Begeisterung der Bewegung angeschlossen, welche die Einigung des großen Gesamtvaterlands vom Geiste der Freiheit erhoffte; jetzt in den Jahren der trübseligen Reaktion erquickte ihnen zum Troste die Poesie des Heimatlichen das Herz.

Während Fritz und Karl Eggers im Wetteifer mit Fritz Reuter und Klaus Groth sich und ihren Lesern auch jenseits der plattdeutschen Grenzpfähle "provinciale Freuden" schufen, feierte Scheffel "si Heimeth, s'allemannisch Land", wie es in seinem Jubiläumsgedicht auf Johann Peter Hebel im Dialekt der Feldbergtäler heißt, in den heiteren Rheinstrom= und Schwarzwaldidyllen seiner Säkkinger Trompeterdichtung, wie in den ergreifenden Liebesszenen auf den Bergen des Hegau und den Hunnenschlachten am Bodensee, die uns sein "Ekkehard" schildert. Im "Ekkehard" fand Scheffel auch Gelegenheit zu einer Neckerei auf das Obotritenland, das erst vom deutschen Süden her das Christentum und den - Wein empfing. Der Weinhandel, den der unter die Hunnen geratene Wanderschwab Snewelin aus Ellwangen dorthin betreibt, die auf den Bodensee angewandten Vergleiche mit Eindrücken, die Scheffel als Student auf Rügen empfing, sollten seinem Fritz besonderen Spaß bereiten. Sein urkräftiger Humor wahrte bei allem Scherz die freiheitlich nationale Tendenz seines Jugendschwärmens und nach den großen deutschen Errungenschaften des Jahres 1870/71 wurden

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diese echt süddeutschen Dichtungen die Lieblingslektüre der norddeutschen Jugend. Friede Eggers - so nannten ihn in Berlin seine Schüler - führte 1870 einen Sanitätszug ins Feld nach Frankreich. Dort war jetzt Scheffels "Teutoburger Schlacht" ("Als die Römer frech geworden") aus dem Jahr 1848 eins der beliebtesten Soldatenlieder. Als die Mecklenburger Truppen nach Frankreich zogen, da hatte Friede Eggers einen gleichgestimmten Humor gefunden für sein plattdeutsches Soldatenlied mit dem "gooden Rat":

"Sprekt plattdüt'sch mit Bazainen!
Un haut den Schelm von Mexico: -
Denn markt he, wat ji meenen.

Se leegen grof, se leegen fin,
Dat sik de Balken bögen!
Plattdüt'sch sal ok mal Weltsprak sin,
Un Plattdüt'sch kan nich leegen."

Beide Männer, Scheffel und Friedrich Eggers, hatten in ihrer Art eine besondere Gewalt, die gerade auf die Jugend jener großen Zeit des Sieges über Frankreich und der Errichtung des neuen deutschen Reichs bezaubernd wirkte. Eggers freilich vornehmlich als Redner innerhalb der Kreise seines Wirkens, während Scheffels Wirkung als Dichter eine viel weitere war. Theodor Fontane hat in seinem Erinnerungsbuch "Von Zwanzig bis Dreißig" gar ansprechend erzählt, wie sein Freund Friede Eggers während des Kriegs seine im Felde stehenden Schüler, darunter manchen Mecklenburgischen Landsmann, wie ein Vater mit Liebesgaben und Liebesworten versorgte. sein Triumph als Dichter der kunstgeschmückten Siegesstraße beim Einzug der heimkehrenden Truppen in Berlin war ein harmonisch schöner Abschluß seines Lebens.

Zehn Jahre nach seinem am 11. August 1872 erfolgten Tod veranstaltete der Berliner Technikerverein "Hütte" an seinem Geburtstag, den 27. November, ihm zu Ehren eine Gedächtnisfeier, bei welcher Max Krause und Adolf Slaby, Heinrich Seidel, Geh. Oberregierungsrat Duncker, Wilh. Oechelhäuser, C. Arndt, Moritz Lazarus Ansprachen hielten. Unter den Ehrengästen befand sich Dr. Karl Eggers. Max Krause verlas den aus Karlsruhe von Scheffel gesandten schriftlichen Gruß:

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"Wer das Andenken an
Friedrich Eggers

ehrt, der ehrt die Pflege der Künste und aller idealen und humanen Bestrebungen. In harter Jugendarbeit hat er sich auf die Höhe wissenschaftlicher, kunstgeschichtlicher Bildung emporgerungen, ein feines eigenes Empfinden hat ihm die Geheimnisse des Schönen erschlossen; in selbstloser Hingebung hat er seine Kenntnisse und Anschauungen den Schülern und Freunden mitgetheilt. Hochachtungsvollen Gruß daher dem Verein der Technischen Hochschule zum 27. November 1882

von Eggers Jugendfreunde          
Jos. Vict. v. Scheffel."   

Als im ersten Schaltjahr nach Fritz Eggers' Tode die großartige Feier von Scheffels fünfzigstem Geburtstag am 16. Februar, in ganz Deutschland hellen Widerhall gefunden hatte und der Schalttag dann nahte, da fühlte sich ein Sohn jenes Heinrich Pries, welcher einst aus Fritz Eggers Schulfreund dessen Schwager geworden war, der schon erwähnte heute an der Rostocker Heil. Geist=Kirche als Pastor amtierende Robert Pries gedrungen, dem von ihm hochverehrten Dichter in Versen sein Bedauern darüber auszusprechen, daß diesmal der "Schalttagsbrief" von Onkel Friedrich ausbleiben müsse. Zum Dank erhielt er von Scheffel darauf einen Band seines "Juniperus" mit folgender Widmung:

"Dem Neffen meines unvergeßlichen
Freundes Fritz Eggers
ein freundlicher Gruß.
Zum Schalttage 1876
vom
Verfasser und Jubilarius
Joseph Victor von Scheffel."

Wenige Tage später, am 3. März 1876, schrieb der Jubilar an Karl Eggers nach Meran: "(Ihr Herr Neffe Pries hat mir ein schönes Gedicht und A. von Heyden das Bild meines unvergeßlichen Friedrich Eggers gesendet, so daß er wie persönlich an diesen Festtagen bei mir anwesend war. Ich fange langsam an, mich aus einer Lawine von Glückwünschen, Adressen, Festsalamandern, Ehrengaben usw. ins ruhige gewöhnliche Leben zurückzuarbeiten. Freundlichen Gruß nach Meran, auf dessen Bergen und Burgen ich wie daheim bin."

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Ein jüngerer Bruder Friedrichs, der spätere Präpositus Wilhelm Eggers, welcher viele Jahre der Gemeinde Toitenwinkel bei Rostock vorstand, hat ihm bei der Bestattung im heimischen Boden die Grabrede gehalten. 28 Jahre später erfüllte an der Eggersschen Familiengruft den gleichen Liebesdienst sein Neffe Robert Pries dem Onkel Karl. Dieser war, gleich dem jüngsten der Brüder, auch musikalisch beanlagt und als die beste seiner Kompositionen ward in der Rede die schöne Vertonung gerühmt, die durch ihn Klaus Groths "Jck wull wi weern noch kleen, Johann" gefunden hat.

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