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V.

Die Napoleonische Kontinentalsperre in Mecklenburg.

(1806-1813).

Von

Archivar Dr. Friedrich Stuhr.


D ie Erwerbung Ostindiens durch die englisch=ostindische Kompagnie (1757-84) und die erfolgreichen Kämpfe der Engländer gegen Frankreich und Spanien bis zum Pariser Frieden (1763) haben die englische Vorherrschaft zur See begründet. Diese Vorherrschaft ist dann in dem wirtschaftlichen Leben der europäischen Kontinentalstaaten schwer fühlbar geworden. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ging das Streben der Engländer unverkennbar dahin, den ganzen überseeischen Handel und möglichst auch die Industrie in ihre Hand zu bringen und den Kontinentalmächten nur den Vertrieb ihrer Rohprodukte zu lassen. Später sind ihre Ansprüche weniger schroff geworden, aber noch heute üben sie, gestützt auf ihre Kriegsflotte, einen herrschenden Einfluß über See aus. Da ist es kein Wunder, daß es zu Versuchen kam, die lästigen Fesseln abzuwerfen. Man kann wohl zwei Hauptkampfperioden unterscheiden. Die erste ist die Zeit Napoleons, wo man es unternahm, den Engländern zur See entgegenzutreten und, als dies gescheitert war, durch eine Absperrung des Kontinents dem englischen Handel sein Hauptabsatzgebiet zu nehmen und so den englischen Volkswohlstand zu untergraben. In der zweiten Periode leben wir heute, doch sind die Waffen andere geworden. Die Kontinentalmächte denken nicht mehr daran, das englische Übergewicht durch einen Krieg oder durch handelspolitische Gewaltmaßregeln zu brechen, sondern wollen es durch emsigen Wettbewerb auf allen Gebieten des Handels und der Industrie allmählich ausgleichen. Und zweifellos sind sie jetzt auf dem

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richtigen Wege. Das beweist deutlich die alljährliche Handelsstatistik, die, besonders bei Deutschland und Frankreich, von ständigen Fortschritten berichtet.

In solcher Zeit des Erfolges kann man mit Genugtuung in die Vergangenheit zurückblicken und wird man sich gern einmal den Verlauf des früheren, erfolglos gebliebenen Kampfes vergegenwärtigen.

Man wird auf den ersten Blick geneigt sein anzunehmen, daß es Napoleons Gedanke war, den Kontinent durch eine umfassende Sperre gegen England abzuschließen. Das ist aber nicht zutreffend. In einer Studie von W. Kiesselbach über die ökonomisch=politische Bedeutung der Sperre ist bereits 1850 mit Recht darauf hingewiesen, daß sie ihre Vorläufer in dem Kampf gehabt hat, der während der französischen Revolution von neuem mit England entbrannte, und daß die gegenseitigen Kriegsmaßregeln zu einer weiteren Ausbildung eines solchen Abwehrmittels hindrängten. Die Kontinentalsperre wäre also auch ohne Napoleon gekommen, sie hätte aber nie die aus der Geschichte bekannten relativen Erfolge gezeitigt, wenn nicht die Tatkraft und das Genie eines Napoleon für sie eingetreten wäre.

Überblicken wir nun zunächst flüchtig den Verlauf des französisch=englischen Streites bis zu dem Zeitpunkt, wo seine Wellen auch nach Mecklenburg schlugen.

England hatte bis 1793 gegenüber den freiheitlichen Strömungen in Frankreich eine wohlwollende Haltung bewahrt. Weite Kreise von Einfluß auf die Regierung huldigten auch in England freieren Anschauungen. Überdies war England durch einen günstigen Handelsvertrag von 1786 eng mit den Interessen dieses Landes verbunden. Das änderte sich mit einem Schlage, als Ludwig XVI. der Revolution zum Opfer fiel, und bald darauf, am 1. März 1793, Frankreich den lästigen Vertrag kündigte. Da schloß sich England offen der Koalition gegen die Revolutionäre an.

Der Kampf begann mit wirtschaftlichen Schädigungen. Man verbot den Verkehr der feindlichen Handelsschiffe in den Häfen, kaperte die Schiffe und konfiszierte sich gegenseitig die Waren. Das Ergebnis für Frankreich war, daß sein überseeischer Handel lahm gelegt, seine Handelsflotte vernichtet wurde.

Da erklärte Napoleon am 23. Februar 1798 dem Direktorium, daß England nur auf dreierlei Weise besiegt werden könne:

  1. durch eine Landung an seiner Küste,
  2. durch Wegnahme Hannovers und Hamburgs,
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  1. durch eine Expedition in die Levante und Bedrohung des Handels mit Indien.

Es ist bekannt, wie er diese, Pläne zu verwirklichen suchte. Der abenteuerliche Zug nach Ägypten 1798 scheiterte kläglich. Nach dem Siege Nelsons bei Abukir war an erfolgreiche Unternehmungen der Landarmee nicht mehr zu denken. Sie mußte froh sein, auf englischen Schiffen später den Weg in die Heimat zurückzufinden.

Der Friede zu Amiens 1802 schuf eine kurze Zeit der Ruhe, aber schon 1803 standen sich die beiden Völker wieder gerüstet gegenüber. In den französischen Häfen wurde eine umfassende Landung in England vorbereitet. Gleichzeitig besetzte eine französische Armee Hannover und die Elb= und Wesermündung. Wenn nun die Wegnahme Hannovers auch zweifellos ein großer Erfolg Frankreichs war, so wurde er doch durch das Mißgeschick zur See alsbald wieder aufgehoben. 1805 erlitt der französische Admiral Villeneuve mit der Landungsflotte und vereint mit den Spaniern bei Trafalgar eine entscheidende Niederlage. Damit war Frankreichs Seemacht auf lange Zeit zurückgedrängt. Im März 1806 hatte England einen Schiffsbestand von 243 Linienschiffen und 219 Fregatten, dem Frankreich nur 19 Linienschiffe und ebensoviele Fregatten, alle europäischen Staaten (mit Frankreich) zusammen nur 239 Linienschiffe und 277 Fregatten entgegenstellen konnten. 1 ) Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatte also England die Machtstellung inne, die es noch heute aufrecht zu halten bemüht ist.

Von nun an ging Napoleons ganzes Streben dahin, möglichst viele Staaten durch Vertrag oder Gewalt zu einer gemeinsamen Abschließung gegen den englischen Handel zu bewegen, Sicher hat ihn dieser Gedanke bei dem Kriege gegen Preußen und bei der Besetzung der norddeutschen Uferstaaten (einschließlich Mecklenburgs) beherrscht. Als er Preußen bei Jena niedergezwungen hatte und in die Landeshauptstadt eingezogen war, hielt er den Zeitpunkt für gekommen, seinen Willen öffentlich kund zu geben.

Das Berliner Dekret über die Kontinentalsperre vom 21. November 1806 zerfällt in zwei Abschnitte. Der erste schildert das widerrechtliche Verfahren der Engländer und rechtfertigt zugleich die eigenen Maßnahmen. Er wirft den Engländern vor, daß sie friedliche Handelsschiffe wegnehmen, Privat=


1) Nach her List of the royal navy, angeführt bei Hitzigrath, Hamburg und die Kontinentalsperre. Hamburg 1900.
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eigentum mit Beschlag belegen und die Blockade wider Recht und Brauch unter Kulturvölkern auf ganze Küsten ausdehnen. (Dies letzte bezog sich auf die englische Blockade über die Küste von Brest bis zur Elbmündung). Deshalb, so schließt der erste Abschnitt, sollen die folgenden Bestimmungen als ein Fundamentalgrundsatz des Reiches solange beachtet werden, bis England sich zu einem anderen Vorgehen bekehrt hat.

Dann folgen die kurzen, gewichtigen Artikel des zweiten Abschnittes, wovon ich einige in Übersetzung anführen muß:

  1. Die Großbrittanischen Inseln werden für blockiert erklärt.
  2. Aller Handel und alle Korrespondenz dahin ist verboten. Briefe und Packete, die nach England oder an einen Engländer adressiert oder englisch geschrieben sind, werden aus den Posten angehalten.
  1. Alle Waren, welche England gehören oder aus englischen Fabriken und Kolonien stammen, werden für gute Prisen erklärt.
  1. Kein Schiff wird aus England oder seinen Kolonien in irgend einem Hafen zugelassen.

Wer noch Zweifel in den Ernst dieses Dekrets setzte, der wurde durch die nächsten Ereignisse bald eines Besseren belehrt. Spanien, Neapel, Holland, Etrurien und die anderen französischen Alliierten befolgten das Dekret ohne weiteres, Preußen und Rußland nahmen es im Frieden zu Tilsit (7. und 9. Juli 1807) an, auch Dänemark trat 1807 bei.

Unser Mecklenburg gehörte bei Erlaß der Kontinentalsperre zwar noch nicht dem Rheinbunde an, hatte aber strenge Neutralität in dem Kriege zwischen Frankreich und Preußen gewahrt. Es hatte deshalb ohne Zweifel Anspruch auf rücksichtsvolle Behandlung durch Napoleon. Daher kam es für Fürst und Volk völlig überraschend, als wenige Tage nach dem Berliner Dekrete, am 28. November 1806 1 ) der Generalleutnant Michaud, Kommandant der Avantgarde des 8. Korps, für Napoleon von Mecklenburg Besitz nahm und den Herzog auswies. Der Grund lag offenbar darin, daß Napoleon eine französische Verwaltung des Landes zur Durchführung der Kontinentalsperre für nötig hielt. Als willkommener, aber nichtiger Vorwand diente der Umstand, daß früher russische und schwedische Truppen ihren Weg durch Mecklenburg genommen hatten und mecklenburgische Prinzen in der russischen Armee dienten.


1) Mecklenb.=Schwerinsche Anzeigen 1806, 97. Stück.
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Am 8. Dezember 1806 1 ) verbot die Regierung auf Mortiers Befehl den Mecklenburgern jeglichen Verkehr mit England. Über die Ausführung des Verbots sollten die Post= und Zollämter, auch Steuerstuben, und die Magistrate zu Rostock und Wismar machen. Dann wurde am 12. Dezember bekannt gemacht, daß alle Einwohner binnen 24 Stunden die Waren aus England oder den englischen Kolonien anzeigen sollten. In Schwerin bei dem kaiserlichen Intendanten Bremont, in den anderen Städten bei dem französischen Kommandanten oder der Ortsobrigkeit.

Zunächst hatte die Bekanntmachung keinen durchschlagenden Erfolg. Es waren viele Leute der Ansicht, englische Waren, die ihr Eigentum wären, könnten unmöglich gemeint sein. So unterließen sie vorsichtigerweise noch die Anzeige. Erst als der Generalgouverneur Laval am 18. Dezember mit Nachsuchungen in den Häusern und militärischer Strafe drohte, kamen auch die letzten Waren ans Tageslicht.

Insgesamt wurden in jenen Tagen Waren im Werte von 159466 Taler für englische erklärt, nachdem der Generalintendant Daru entschieden hatte, daß es für die Konfiskation ganz gleichgültig sei, in welchen Händen sich die englischen Waren befänden. Diese wurden dann am 16. Januar 1807 den Meistbietenden von Bremont zu Kauf angeboten.

In solcher Form kam die Verwertung der Waren jedoch noch nicht zu Stande. Denn am 25. Januar 1807 2 ) erging ein neues Dekret Napoleons aus dem Palaste zu Warschau, das in die Verwaltung der riesigen Massen konfiszierter Güter die dringend erforderliche Ordnung brachte:

Alle der Konfiskation unterliegenden Waren sollen in ein besonderes Magazin geschafft und dort verzeichnet werden. Dann sind die Lebensmittel aus den Kolonien, die für die Manufakturen erforderlichen Haupterzeugnisse, die feinen Zeuge und verarbeiteten Sachen von Wert nach Auswahl des Finanzministers und zu seiner Verfügung nach Frankreich zu schicken. Eßwaren, flüssige Sachen und Zeuge, welche für die Armee nutzbar gemacht werden können, sollen in die militärischen Magazine gelangen. Nur die rohen Kaufmannswaren, wie Eisen, Holz Kohlen, Bier, Steingut, sollen in den Orten, wo sie konfisziert sind, verkauft werden. Es ist interessant zu sehen, wie Napoleon mit diesem Dekret bemüht war, seinem eigenen Lande die unangenehmen Folgen der Sperre möglichst zu ersparen.


1) Anz. 1806, 100. u: 101. Stück.
2) Anz. 1807, 16. Stück.
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Am 2. März 1807 1 ) begann auf Anordnung des Intendanten Bremont die Ablieferung der konfiszierten Waren oder des daraus gelösten Geldes an das Magazin zu Schwerin, wo sie der Magazinverwalter Larnière in Empfang nahm. Ein Restbestand von Waren wurde 1808 von dem französischen Gouvernement in Berlin dem Kommissär Fehr de Werdt für 34000 Fr. überlassen und von ihm zum Teil in Schwerin, sehr zum Nachteil der dortigen Kaufleute, verauktioniert.

Wahrend des Jahres 1807 verschärften sich nun die Gegensätze zwischen England und Frankreich mit seinen Verbündeten immer mehr. Der englische Geheime Rat untersagte am 7. Januar jeden Schiffsverkehr zwischen Häfen, die England verschlossen waren. Er erklärte am 11. November alle Häfen der an der Sperre beteiligten Mächte nochmals für blockiert und verfügte die Durchsuchung aller dahin bestimmten Schiffe. Dagegen suchte Napoleon am 11. Mai 2 ) die Wachsamkeit der Zollaufseher durch eine Prämie zu erhöhen, die ihnen mit 20 % des Wertes der Waren auszuzahlen sei. Außerdem sollte nach dem Mailänder Dekrete vom 17. Dezember jedes Schiff wie ein englisches behandelt werden, sobald es sich der englischen Blockadeordnung füge. Und Schweden verfiel am 11. November 3 ) gleichfalls den Sperrgesetzen gegen England, weil es sich dem Kontinentalbunde nicht anschließen wollte.

Ich komme nun zu den Maßnahmen, die an der mecklenburgischen Küste zur Durchführung der Sperre getroffen wurden. Sie bestanden in einer Postenaufstellung, in der Erbauung von Redouten zum Schutze der beiden Hafenplätze und in der Ausrüstung von Kaperschiffen.

I.

Über die französische Postenaufstellung längs der Küste bis Anfang 1808 sind wir nicht genau unterrichtet. Wir wissen aber, daß sie während der ganzen Zeit bestanden hat und der späteren mecklenburgischen Aufstellung zum Muster diente. Am 27. Juni 1807 4 )4) verfügte Napoleon in seinem Hauptquartier zu Tilsit auf Verwendung des Zaren die Wiedereinsetzung des vertriebenen Herzogs. Er ordnete zugleich an, daß die militärischen Befehls=


1) Anz. 1807, 18. Stück.
2) Anz. 1807, 48. Stück.
3) Anz. 1807, 99. Stück.
4) Anz. 1807, 54. Stück.
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haber, der Intendant und alle anderen Beamten ihre Amtsverrichtungen zu unterlassen und die mecklenburgischen Zivil= und Militärbehörden wieder in Funktion zu treten hätten. Trotzdem verzögerte sich die Zurückziehung der Truppen. Erst am 15. November 1 ) erhielt der frühere Gouverneur des Landes, General Laval, den Befehl, Mecklenburg endgültig zu räumen. Nur in Rostock sollte ein Kommando aus höchstens einem Bataillon zur Aufsicht über den Seeverkehr bleiben.

Dies wäre eine ganz erträgliche Einrichtung für Mecklenburg gewesen. Leider blieb sie jedoch nicht lange von Bestand. Anfang 1808 war in Paris das Gerücht entstanden, die Aufsicht an der mecklenburgischen Küste wäre mangelhaft. Namentlich in Wismar werde Handel mit englischen Waren getrieben und Kommunikation mit Schweden unterhalten. Der Erbprinz Friedrich Ludwig verhandelte damals geiade in Paris wegen des Anschlusses Mecklenburgs an den Rheinbund. Er meldete das Gerücht sogleich durch Kurier seinem herzoglichen Vater, und dieser ordnete alsbald die strengste Untersuchung in Wismar an. Obgleich dabei nichts Verdächtiges zutage gefördert wurde, zogen doch der Oberst Chossat mit seinem Stabe und ein Bataillon des 67. Linienregiments am 25. Februar 1808 in Wismar ein. Chossat ließ sogleich den Bürgermeister Fabricius verhaften, weil dieser angeblich Kondolenzbriefe seiner Schwester nach Stockholm weiterbefördert hatte. Es stellte sich jedoch heraus, daß die Briefe von Fabricius an einen Handelsfreund nach Kopenhagen geschickt waren und von dort nur dann weitergehen sollten, falls der Verkehr solcher unschuldigen Briefe dort statthaft wäre. So erhielt Fabricius Zwar seine Freiheit wieder, aber ein französischer Offizier hatte künftig im Postbureau alle Briese zu visitieren. Beschwerden des Rats über solche Gewalttat gegen das Stadtoberhaupt blieben bei der Regierung ohne Erfolg.

Inzwischen hatte der Herzog, gestützt auf den günstigen Ausfall der Untersuchung in Wismar, durch den Erbprinzen auf Zurückziehung der französischen Küstendetachements antragen lassen. Und wirklich gelang es diesem bei seinem diplomatischen Geschick, die maßgebenden Persönlichkeiten am Kaiserhof für sich zu gewinnen. Am 7. März 1808 teilte ihm der Kaiser mit, daß er die fernere Bewachung der mecklenburgischen Küsten und Häfen den herzoglichen Truppen anvertraue.


1) Anz. 1807, 97. Stück.
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Als diese erfreuliche Nachricht in die Heimat gelangte, begann sogleich eine rege Tätigkeit, um die Franzosen abzulösen. Die Kommandanten von Rostock und Wismar, Generalleutnant v. Pressentin und Oberstleutnant v. Bülow, mußten sich über die französische Postenaufstellung unterrichten. Dann erfolgte die Mobilmachung der Truppen. Eine Proklamation in den Anzeigen 1 ) befahl, alle im Lande seit der französischen Okkupation zerstreuten Armaturstücke gegen Bezahlung abzuliefern.

Schließlich am 24. März erging ein militärisches Regulativ über die Küstenbewachung:

Die mecklenburgischen Truppen besetzen die Hafenplätze und hauptsächlichen Landungs= und Beobachtungspunkte unter Aufsicht der Kommandanten zu Rostock und Wismar. Sie wachen Tag und Nacht darüber, daß keine Handelsschiffe anlegen oder Schlupfwinkel finden, wo sie Waren ausboten können. Ein Schiffsverkehr ist nur in den Häfen zu Rostock, Warnemünde und allenfalls zu Ribnitz gestattet. Die Schiffe sind bei Ankunft und Abfahrt von einem Offizier und Zollbedienten genau zu visitieren. Die Eigentümer oder Reeder haben Kautionen zu stellen. Damit haften sie solange, bis aus dem nächsten Abgangs= oder, Bestimmungsort die Richtigkeit der Ladung bestätigt ist. Bei Übertretungen wird Schiff und Ladung unerbittlich konfisziert.

Zunächst bereitete der Marschall Soult noch Schwierigkeiten. Er wollte nur die Küstenstrecke zwischen Rostock und Wismar, nicht aber diese Städte räumen, und ließ sich auch nicht bedeuten, daß der Herzog doch nicht eine Last erbeten habe, um es den französischen Garnisonen bequemer zu machen. Erst auf neue Weisungen aus Paris willigte er am 7. Mai in die gänzliche Räumung.

Die Postenaufstellung zerfiel in eine solche Wismarscher= und Rostocker=Seits. Nach einer Verordnung vom 23. Mai 1808 kamen von Wismar aus kleinere Kommandos

  1. nach Poel: in die 5 Orte Kirchdorf, Timmendorf, Kaltenhof, Golwitz, Fährdorf,
  2. an der westlichen Küste: nach Wieschendorf, Fliemstorf, Hoben, Tarnewitz, Boltenhagen, Elmenhorst,
zusammen 3 Offiziere und 158 Mann.

Von Rostock aus

  1. an der westlichen Küste: nach Warnemünde, Nienhagen, Heiligendamm, Kägsdorf,

1) von 1808, 25. Stück.
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  1. an der östlichen Küste: nach Wustrow, Ribnitz, Graal, Dierhagen,
zusammen 2 Offiziere und 132 Mann.

Dabei war der Grundsatz befolgt, daß sich die Küstenbesatzung nur gegen den verbotenen Verkehr zu richten habe. Bei einer größeren Landung der Engländer sollte das französische 4. Korps aus Pommern zu Hülfe eilen.

Am 4. Juni 1808 fand die Ablösung der französischen Posten auf der ganzen Strecke statt, worauf die Franzosen nach Schwedisch=Pommern abzogen. Es hielten nunmehr, einschließlich der Garnisonen in Rostock und Wismar, 960 Mann an der Küste Wacht, und zwar in Wismar das 2. Bataillon des Leibregiments und ein Schweriner Kommando, in Rostock das Regiment Erbprinz.

Bald darauf wurden die mecklenburgischen Truppen nach französischem Muster neu organisiert. Es wurde eine Brigade aus 4 Bataillonen gebildet, von denen das 2. nach Wismar, das 3. nach Rostock kam, beide verstärkt durch eine Kompagnie des 4. Bataillons, die als bleibende Besatzung der Stadt dienen sollte. Damit erreichte die Küstenbesatzung eine Stärke von 1124 Mann.

In der Folgezeit wurden die Postenstellungen mehrfach in unwesentlichen Punkten geändert, wenn man dadurch einen besseren Überblick über die See erreichen oder den Ortschaften die Einquartierungslasten abnehmen wollte. Darauf kann hier natürlich nicht näher eingegangen werden. Bedeutsamer sind nur wenige Veränderungen. Im August 1808 richtete man nach einer Küstenvisitation einen Posten auf dem sogenannten Kieler Ort ein und erbaute ihm eine feste Hütte. Es ist dies die Sandbank, die sich von der Wustrower Halbinsel aus in der Richtung auf Poel in die See erstreckt. Die Dörfer an dem Binnensee hielten nämlich große Boote zum Korntransporte. Es erschien nicht ausgeschlossen, daß sie dieselben in dunklen Nächten zum Schmuggel benutzen würden.

Auch nach Meschendorf kam damals ein neuer Posten. Dort hatte die See bis dicht ans Land wegen der Strömung eine bedeutende Tiefe, die das Herankommen großer Schiffe gestattete. Mehrfache Landungen der Engländer gerade an dieser Stelle bewiesen die Wichtigkeit des Postens.

Bei Eintritt des Winters bezogen die Strandwachen, soweit sie nicht feste Hütten hatten, Quartiere im äußersten Haus der besetzten Dörfer. Die Posten wurden bei Tage dann etwas näher

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an die Küste vorgeschoben, hatten auch fleißig zu patrouillieren. Überdies beritten Husaren, die fast alten Kommandos zugeteilt waren, die Küste.

Eine Ergänzung und weitere Ausbildung des militärischen Regulativs ging mit der Durchführung der Küstenbewachung Hand in Hand. Besonders die Bestimmungen über die Kautionsstellung bedurften noch einer genaueren Regelung. Durch Mandat vom 25. Juni ließ man eine hypothekarische Verpflichtung des Eigentümers zu, sobald ein bares Unterpfand oder ein Bürge nicht gestellt werden konnte. Überdies versprach man, den Eigentümer des Schiffes von der Kaution zu befreien, wenn er nachweise, daß das Schiff verunglückt oder durch Kaper aufgebracht sei. Dies Zugeständnis mußte jedoch bald wieder eingeschränkt werden. Man machte die Wahrnehmung, daß sich mehrere Schiffer zum Auslaufen meldeten, trotzdem sich englische Kriegsschiffe an der Küste zeigten. Da war der Verdacht eines Einverständnisses mit dem Feinde oder wohl gar eines verabredeten oder beabsichtigten Ausbringens nicht ganz unbegründet. Eine Verordnung vom 5. Juli 1808 suchte dem vorzubeugen. Es wurde darin der Nachweis gefordert, daß das aufgebrachte Schiff auch wirklich in einem feindlichen Hafen in aller Form kondemniert und konfisziert war.

Das Jahr 1809 leitete den Anschluß Schwedens an den Kontinentalbund ein. Es war die letzte nordische Macht, die bisher noch treu zu England gehalten hatte. Nach Instruktionen des Herzogs von Cadore vom 29. September 1809 waren Packetboote und Briefe aus Schweden vorläufig wieder zugelassen, auch durften unter neutraler Flagge schwedische Produkte eingeführt werden. Die ordentlichen Handelsverbindungen mit Schweden stellte dann der Friede vom 6. Januar 1810 wieder her.

Die Wache an der Küste konnte den größten Teil des Jahres 1809 und die ersten Monate von 1810 nur unvollkommen ausgeübt werden. Im März 1809 zogen die beiden Bataillone in Wismar und Rostock, zu einem 1. und 2. Batl. des Kontingentsregiments umformiert, nach Stralsund. Sie ersetzten dort die französischen Truppen, die nach dem österreichischen Kriegsschauplatz abgerufen wurden. Husaren und Kommandos der wenigen, zurückgebliebenen Truppen mußten für sie den Küstenschutz übernehmen. Für den Fall einer englischen Landung war es vorgesehen, die Schiffer und Matrosen zu Hülfe zu rufen. So behalf man sich, bis das Kontingentsregiment am 28. März 1810 die Wachen wieder besetzen konnte. Die Oberleitung lag fortan

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in der Hand des Obersten v. Fallois, desselben Offiziers, der später das mecklenburgische Kontingent nach Rußland führte.

Damit ist der letzte Abschnitt des Kampfes mit England erreicht. Alle bisherigen Maßregeln Napoleons, so fein sie auch erdacht und so streng sie durchgeführt waren, hatten die Einfuhr englischer Kolonialprodukte in die Länder der Verbündeten nicht zu verhindern vermocht. Der Schmuggel fand immer neue Wege, die französischen Sperrverordnungen zu umgehen. 1810 wurde festgestellt, daß die Engländer die nordamerikanische Flagge zur Einführung verbotener Waren mißbrauchten. Dies hatte zunächst zur Folge, daß alle nordamerikanischen Schiffe von den Häfen der Verbündeten, auch von Rostock und Wismar durch herzogliche Verordnung vom 29. Juli, 1 ) zurückgewiesen wurden. Dann holte Napoleon noch zu einem wuchtigen Schlage gegen den Gegner aus.

Am 5. August 1810 erschien der Tarif von Trianon, der auf die wichtigsten Kolonialprodukte, die seewärts einkamen und in den französischen oder verbündeten Staaten die Abgabe noch nicht entrichtet hatten, eine gewaltige außerordentliche Auflage legte. Der Zweck dieses Tarifs ist nicht ganz deutlich, Eine allgemeine Wiederzulassung des Handels mit Kolonialwaren war jedenfalls nicht beabsichtigt, denn die Dekrete von Berlin und Mailand blieben bei Bestand und waren noch wie vor zu befolgen. Wahrscheinlich ist, daß man die eingeführten gekaperten und konfiszierten Waren so belasten wollte, daß eine Verwertung derselben fast unmöglich wurde; und die Zahl dieser Waren hatte außerordentlich zugenommen, seit die Engländer die Wareneinfuhr unter fremder Flagge ausführten. Überdies sollte die neue Abgabe auch wohl den Etablissements zu gute kommen, die den Zweck verfolgten, den Kontinent von seinem Tribut an die Kolonien zu befreien.

Mecklenburg konnte sich der Aufforderung Frankreichs zur gleichmäßigen Einführung der Abgabe nicht entziehen, gestattete jedoch, daß alle übrigen Abgaben, welche die Kolonialwaren bei der Ein= und Ausfuhr an Akzise, Lizent, Transito oder sonst zu erlegen hätten, auf die neue tarifmäßige Kontribution in An=und Abrechnung gebracht würden. In der mecklenburgischen Ausführungsverordnung vom 6. Oktober 2 ) sind die französischen Tarifsätze auf Landesgewicht und =Münze umgerechnet. Die Höhe der Ansätze läßt klar erkennen, daß es sich künftig kaum noch


1) Anz. 1810, 61. Stück.
2) Anz. 1810, 81. Stück, Beil.
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lohnte, Kolonialwaren unter Umgehung der französischen Verbote auszuführen oder aus öffentlichen Versteigerungen zu erwerben;

wurde doch z.B. von einem Pfund Baumwolle aus Brasilien 1 Tlr. N2/3, Hutzucker 1/2 Tlr., besten Tee 11/8 Tlr., Kaffee 1/2 Tlr., Kakao 11/4 Tlr., Zimmt und Muskatnüsse gar 21/2 Tlr. gefordert.

Dieser Tarif war noch nicht durch die Mecklenburgischen Anzeigen veröffentlicht, als schon ein neues Dekret Napoleons herauskam. Am 2. Oktober verfügte er, daß noch weitere Warengattungen dem hohen Tarif unterliegen sollten, mochten die Waren nun in Kraft von Lizenzen oder Erlaubnisscheinen eingeführt werden oder von Prisen, Konsistationen und Saisies herrühren. Die Vorschrift erstreckte sich ohne Unterschied auf alle Kolonialwaren und Vorräte, die damals im einheimischen Handel waren; ihre Besitzer mußten sie binnen 10 Tagen nach Publikation des Edikts angeben. Auch dieses Dekret ist von der mecklenburgischen Regierung ohne weiteres durch Verordnung vom 14. Oktober 1 ) bekannt gegeben worden, weil es bei einer Weigerung die Douanen zweifellos unmittelbar vollzogen hätten. Die Landessteuerstuben hatten den Tarif zu erheben, besonders zu berechnen und den Betrag monatlich an die Renterei einzusenden. Anfang Dezember 1810 waren mit Einrechnung einiger Rückstände 14193 Tlr. Gold aufgekommen.

Die Bewachung der Küste überließ man französischerseits bei den schärferen Einfuhrbestimmungen nicht mehr allein dem mecklenburgischen Militär, zumal dieses sich bei der Abwehr englischer Landungen wenig erfolgreich gezeigt hatte. Unter dem Vorgeben, daß die Dekrete von Berlin und Mailand in den Häfen nicht ausgeführt wären und englische Konterbande dort offen geduldet würde, ließ man schon im August Truppen der französischen Division Morand ins Land rücken.

Das 13. Infanterieregiment unter Oberst Guyardet besetzte Wismar, das 17. unter Oberst Vasserot Rostock. Sie stellten zunächst ihrem Auftrage gemäß genaue Nachsuchungen nach englischen und Kolonialwaren an. Das Ergebnis war, daß in Wismar, Poel, Ribnitz und Warnemünde gar nichts, in Rostock aber einige Waren g gefunden wurden, die meist Hamburger Kaufleuten gehörten und teils mit gültigen Certifikaten eingeführt, teils von den öffentlich für französische Rechnung verkauften konfiszierten Prisenschiffen herrührten. Die französischen Militär=


1) Anz. 1810, 83. Stück.
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chefs waren, wie der Herzog dem Oberhofmeister nach Paris mitteilte, über diesen geringen Warenbefund sehr verwundert, da sie auf falsche Vorspiegelungen hin in den mecklenburgischen Häfen große Niederlagen erwartet hatten. Trotzdem stellten die Franzosen ihre Posten an der Küste aus, als wenn die Mecklenburger nicht vorhanden wären; erst als ihnen die starke Inanspruchnahme der Truppen selbst lästig wurde, ward am 22. November auf Vorschlag des Brigadegenerals d'Alton ein gemeinsamer Dienst eingerichtet und die Zahl der Truppen entsprechend verringert, Eine starke Kette französischer Douanen vervollständigte die Sicherungsanstalten. Auch ein umfangreiches Signalwesen wurde an der Küste eingerichtet. Am 28. November leuchteten bei einer Probeanzündung die Alarmstangen, die an der Spitze kleine Teertonnen trugen, von Fischland bis Markgrafenheide durch die Nacht. Der Herzog mußte sich allem fügen, wollte er nicht, daß seine Gruppen zurückgezogen und auswärts verwandt würden.

In den Seestädten richteten sich die Franzosen recht häuslich ein und führten ein unbequemes Regiment. In Rostock wurden die Tore und Strandpforten geschlossen und nur das Steintor für abgehende Frachtwagen offen gelassen. Kamen Waren an, so unterlagen sie Ende 1810 einer strengen Visitation. Häufig mußten Wagen 2 Tage und länger vor den Torwachen auf Abfertigung warten. Die französische Hauptwache befand sich auf dem Rathaus, von wo man die Posten vor den Wagenmagazinen und die Ehrenposten ausstellte. Als der Pfingstmarkt 1811 herannahte, richtete man im herzoglichen Palais ein Bureau zum Conseil special ein. Dieses nahm die Untersuchung der Waren vor, die zunächst in der Johanniskirche abzuladen waren. Die Feier der Taufe des Königs von Rom gestaltete sich am 9. Juni 1811 in Rostock zu einer imposanten Kundgebung der französischen Macht. Sie wurde mit einer katholischen Messe, einer Parade und einem Ball in der Societät begangen.

Die französische Besatzung der Seestädte bestand bis Ende 1811 aus je 1-2 Bataillonen Infanterie, die sich mehrfach ablösten. Dazu kamen die Artilleristen des Regiments, Chaffeurs und Douanen, sodaß ständig über 1000 Mann zu verpflegen waren. Wismar versuchte im Mai 1811 die Verlegung eines Teiles des mecklenburgischen Bataillons zu erreichen. Es wurde aber mit Recht abschlägig beschieden, weil eine solche Verlegung nur den Zuzug neuer anspruchvoller Franzosen nach sich ziehen würde.

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Bald danach trat eine Erleichterung der Einquartierungslast ohne Zutun der Städte ein. Es war im September 1811, als die in Mecklenburg=Schwerin stehenden beiden französischen Regimenter, das 33. Linien=Regiment und das 15. Regiment leichter Infanterie, außerdem das im Stargardischen Kreise befindliche 48. Linien=Regiment, nebst zugehöriger Artillerie bei Rostock zusammengezogen wurden, um in größeren Verbänden zu üben. Nahe dem Dorfe Barnstorf in der Richtung auf die Kayer Mühle zu ward ein großes Barackenlager errichtet, wofür das Land nicht nur die erforderlichen Materialien an Holz und an Dach= und Lagerstroh, sondern auch die Lebensmittel zu liefern hatte. Im Ganzen waren etwa 10000 Mann zu versorgen. Die Vorkehrungen wurden von einer Kommission getroffen, zu der die Allgemeine Landeskreditkommission und der Engere Ausschuß von Ritter= und Landschaft je zwei Delegierte entsandte. Die Geschäfte eines Lagerkommissärs verwaltete der Kammerherr von Oertzen. Die Kosten des Lagers wurden auf das ganze Land verteilt, sodaß sie von dem Einzelnen weniger schwer empfunden wurden. Die Truppen übten am 3. und 6. Oktober bei den Barnstorfer Tannen vor dem Marschall Prinzen Eckmühl und dem Erbprinzen Friedrich Ludwig. Erst in der Zeit vom 15. bis 20. Dezember wurden sie in die Ortschaften zurückverlegt.

Im Frühjahr 1812 zogen die Franzosen nach Rußland ab, und am 12. März folgte ihnen das mecklenburgische Kontingent von Rostock aus. Seitdem wurde der Küstenschutz bis zur Aufhebung der Sperre von Douanen, Kanonieren und den Kaperschiffen aufrecht erhalten. Sie fanden an durchpassierenden französischen Truppen einen Rückhalt.

II.

Eine wesentliche Verstärkung des Küstenschutzes bildeten die Forts, die den feindlichen Schiffen die Einfahrt in die beiden Häfen des Landes verwehren und den Kaperschiffen dort einen sicheren Zufluchtsort schaffen sollten.

Anfang April 1811 ordnete der Marschall Eckmühl den Bau von zwei Batterien bei Wismar und in Warnemünde an, die nach Art von Redouten in der Mitte ein Blockhaus, ringsherum Gräben erhalten sollten. Die Wismarsche Redoute entstand bei Wendorf auf einer Höhe nahe der Bucht, ca. eine halbe Meile von der Stadt entfernt. Ihr Erbauer war der mecklenburgische Artillerieleutnant v. Rhein. Die eigentlichen Schanzarbeiten be=

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gannen nach gehöriger Tracierung am 11. April, wozu die Stadt Wismar und die nahegelegenen Ämter 300 Bauern und Arbeiter zu stellen hatten. Am 14. Mai konnte Rhein bei Übersendung einer Zeichnung (s. Abbildung) an den Herzog berichten, daß das Blockhaus bis auf einen Teil des Kopfes fertig sei; ebenso Plattform, Brustwehr, Hauptgraben nebst Pallisaden bis auf Legung der Bettungen. Glacis, bedeckter Weg und Brücke befänden sich in Arbeit. Am folgenden Tage wolle man das Pulvermagazin in einer Ecke unter der Plattform eingraben; der Graben um das Blockhaus sei noch nicht ausgeworfen. Am 8. Juni war das ganze Werk vollendet.

Auf der Zeichnung befindet sich links ein Profil der Redoute. Es zeigt von außen nach innen das Glacis (die flache Abdachung ins freie Feld), Hauptgraben mit Pallisadenreihe, Brustwehr, Plattform, Graben um das Blockhaus mit Pallisadenreihe und das hölzerne Blockhaus mit Schießscharten. Das Blockhaus war offenbar nur als letzte Zuflucht gedacht, da ein Befeuern des Glacis von dort aus unmöglich war. Die Hauptverteidigungsstellung bildete augenscheinlich die Brustwehr.

Neben dem Profil der Redoute ist ein Grundriß gezeichnet.

Zur Armierung der Redouten hatte der General d'Alton schon am 5. April 1811 den Herzog um einige Stücke großen Kalibers gebeten. Dieser besaß aber seit der Plünderung des Depots in Dömitz durch den westfälischen General d'Albignac nur noch zwei sechspfündige Kanonen in Wismar und vier sechs= und vierpfündige Kanonen in Rostock. Von diesen kamen die Wismarschen Stücke nach Wendorf, wozu im Juli noch vier französische Zwölfpfünder geliefert wurden.

Die Besatzung der Schanze bestand Mitte 1811 aus einigen 20 Artilleristen unter einem französischen Offizier, nach dem Abmarsch der Franzosen ins Lager aus 40 Mecklenburgern, Anfang 1812 aus einem Detachement des französischen 33. Regiments. Im Februar hauste darin ein französischer Sergeant mit einigen ehemaligen Lübecker Stadtsoldaten. In Tätigkeit ist die Wendorfer Schanze nicht getreten.

Weitere Befestigungen wurden 1811 französischerseits auf Poel und dem Wallfisch geplant. Es gelang jedoch dem Kammerherrn v. Oertzen, den Artilleriekapitän Girardin, dem die Küstenforts unterstanden, davon zu überzeugen, daß solche Befestigungen gefahrvoll für die Garnison und völlig nutzlos wären. Ein hölzernes Blockhaus auf dem Wallfisch würde leicht durch die Schiffe in Brand zu schießen sein; ein solches auf Poel wäre

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leicht abzuschneiden. Und da Girardin in seiner Stellung von Einfluß auf die französischen Entschließungen war, wurde der Plan nicht verwirklicht.

Nur eine kleine Verschanzung entstand noch 1812 an der Wismarschen Bucht. Als sich im Mai d. J. englische Kriegsschiffe an der Küste zeigten, hielt der General Taraire es für wünschenswert, den Übergang nach Poel durch einen Brückenkopf zu sichern. Unter möglichster Sparsamkeit erbaute der Major von Colleville die Schanze Ende des Monats Mai. Er gebrauchte nur 8 Tage, um den tiefen Grund mit Erde auszufüllen, und weitere 8 Tage, um das eigentliche Werk errichten. Es stellte ein Fünfeck dar (s. Abbildung), maß im Umfang 274 Fuß und diente einem kleinen Infanteriekommando zum Aufenthalte.

Der verstorbene Bezirksvorsteher Lembke zu Fährdorf hat mir mitgeteilt, daß die Schanze dort lag, wo die frühere Brücke die Insel erreichte. Diese Brücke ist abgebrochen, als 1869 der Fährdorfer Damm fertig wurde. Von der Schanze ist jetzt nicht mehr viel zu erkennen. Am besten noch die Nordseite und die fünfeckige Form mit der Spitze nach dem Wasser zu. Teilweise ist die Schanze 1872-74 von einer Sturmflut weggerissen, teilweise ist sie auch wohl zu Wegebesserungen verbraucht.

Weit bedeutender war die Redoute zu Warnemünde. Ich kann mich hierbei aber auf die Hauptpunkte der Baugeschichte beschränken und im übrigen auf Dragendorffs Arbeit in den Rostocker Beiträgen 1 ) verweisen.

Die Redoute lag auf dem linken Warnowufer, nördlich vom Georginenplatz und reichte im Osten bis nahe an den Fluß heran. Die Bebauung an der Südseite des Georginenplatzes ist auf dem beigegenen Plan zu erkennen. Die Warnow war derzeit durch Steinkisten, wie die Profilzeichnung angibt, gegen Versandung geschützt. Heute noch erinnert die kleine Erhöhung südlich der Warmbadeanstalt und die Ortsbezeichnung "Auf der Schanze" für die dort erbauten Häuser an das längst verschwundene Werk.

Ursprünglich sollte nur ein einfaches Blockhaus errichtet werden, mit dessen Bau der mecklenburgische Artillerieleutnant Martius am 16. April 1811 begann. Die Gestalt des Blockhauses ist aus einem Plan ersichtlich, den Martius am 10. Mai dem Herzog einreichte. Es war dauerhaft auf Pfählen fundamentiert, aus Balken und Brettern zusammengezimmert, und hatte unten die


1) III, 3, S. 74 ff.
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Schießscharten für die Infanterie und trug oben auf der Plattform die Kanonen. In der Mitte befand sich das Pulvermagazin, wohin eine Falltür hinabführte. Ein pallisadierter Graben umgab das Blockhaus.

Als man im Mai hiermit ziemlich fertig war, mußte auf französischen Befehl die ganze Anlage umgebaut und erweitert werden. Das Ergebnis zeigt der von Martius entworfene Plan (s. Abbildung).

Außerhalb des Grabens wurde eine hohe Brustwehr aufgeschüttet und dahinter nach Norden zu 8 schwere Geschütze aufgestellt. Auf der Plattform des Blockhauses blieben nur 4 kleine Geschütze zum Schutz des Zugangs von Süden her. Ein zweiter, tiefer und pallisadengespickter Graben umzog die Brustwehr, jenseits desselben erstreckte sich ein weites Glacis hin. Das Pulvermagazin wurde aus dem Blockhaus entfernt und auf der Westseite vor dem inneren Graben unter einer starken Erdschicht sicher geborgen.

Die Warnemünder Chronik erzählt, daß vom 12. August ab besonders eifrig gearbeitet ist. Da wurden Soden von den Kanonieren in den Wiesen gestochen, Erde und Lehm wurde aus Diedrichshagen, Sträuche und Holz aus der Heide mühsam herbeigeschafft. So konnte sich die Redoute am 4. Oktober dem Fürsten Eckmühl und dem Erbprinzen bei einer Besichtigung als ein recht stattliches Werk präsentieren.

Bei dieser Gelegenheit wird sich Eckmühl davon überzeugt haben, daß das Geschaffene für den Schutz des Hafens und der Kaper völlig ausreiche. Er ließ daher weitere Bauten an der Redoute und eine kostspielige Einrichtung des Blockhauses, die Girardin anregte, nicht zu. sondern befahl Mitte November den Abbruch der Arbeiten. So konnte Martius am 22. November nach Rostock zurückkehren.

III.

Lange bevor die Redouten den Kaperschiffen einen sicheren Rückhalt boten, stand das Kaperwesen an der mecklenburgischen Küste in Blüte, weil die verbündeten Regierungen mit der Erteilung von Kaperbriefen nicht kargten und die Prisen einen reichen und verhältnismäßig mühelosen Gewinn abwarfen.

Die ersten Kaperschiffe, die an unserer Küste erschienen, waren dänischer Nationalität. Sie begründeten ihr Recht auf das königliche Reglement für die Kaperfahrt vom 14. September 1807. Danach mußten sie von einem Hafen unter dänischer

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Botmäßigkeit aussegeln und konnten Prisen in dänische, norwegische, schleswigsche oder holsteinische Städte einbringen. Verboten war ihnen, mit Prisen in fremde Häfen einzulaufen oder Schiffe auf dem Territorium befreundeter oder neutraler Mächte wegzunehmen. Als solches Territorium galt die See bis zu einer Seemeile von der Küste.

Gegen diese Bestimmungen schien der dänische Kaper Haabet zu verstoßen, der sich am 14. Juli 1808 beim Wallfisch vor Wismar zeigte. Er hatte vor kurzem ein Schiff von der Wismarschen Reede weggenommen und stand nun in dem Verdacht, einem nach Finnland bestimmten Kornschiff aufzulauern. Eine heftige Erregung bemächtigte sich der Schifferkompagnie, und Schiffer und Seeleute erboten sich auf das Boot Jagd zu machen. Da kam der Kaper ahnungslos in den Hafen. Sogteich verlangte die Schifferkompagnie die Beschlagnahme des Bootes. Aber der dänische Vizekonsul erhob Gegenvorstellungen und erreichte am 3. September die Freigabe des Bootes. So verlief die erste Begegnung der Kaper mit mecklenburgischen Behörden.

Im weiteren Verlaufe des Sommers 1808 fielen drei Rostocker Schiffe, die mit vorschriftsmäßigen Papieren versehen waren, den dänischen Kapern in die Hände und wurden von ihnen unter nichtigen Vorwänden aufgebracht. Da entschloß sich die mecklenburgische Regierung, gegen solchen Unfug einzuschreiten. Sie verordnete zunächst, daß alle in Wismar und Warnemünde einlaufenden dänischen Kaper solange anzuhalten seien, bis die mecklenburgischen Schiffe freigegeben würden, und ließ diese Verordnung in Anwendung bringen, als das dänische Kaperboot Maria Tender am 20. September wegen Beschädigung seines Mastbaumes in den, Wismarschen Hafen kam. Man hatte damit zugleich einen der Übeltäter gefangen, da die Maria Tender, wie das Protokoll ergab, zwei der weggenommenen Schiffe selbst gekapert hatte. Dann führte der Herzog durch sein Staatsministerium in Kopenhagen darüber Beschwerde, daß dänische Kaper eine Kontrolle und Aufsicht über die Schiffe seiner Untertanen ausübten. Der Verkehr mit England und Schweden sei in Mecklenburg ebenso streng verboten wie in Dänemark, doch könnte von den mecklenburgischen Untertanen unmöglich verlangt werden, daß sie sich nach den Vorschriften des dänischen Kaperreglements richteten, zumal dies hier weder bekannt noch offiziell mitgeteilt sei. Und wie für Mecklenburger die Verbote vom Herzog erlassen seien, so müßte auch die Bestrafung, wenn nötig, von ihm aus erfolgen. Deshalb wollte der Herzog zwar den dänischen Kapern

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das Recht zugestehen, mecklenburgische Schiffe anzuhalten, wenn sie Beweise für einen unerlaubten Verkehr mit dem gemeinsamen Feinde hätten, verlangte aber, daß sie die Untersuchung und Entscheidung darüber vor die mecklenburgischen Behörden brächten.

Trotzdem diesen Grundsätzen eine Berechtigung nicht abzusprechen war, gelang es dem Herzog nicht, ihnen in Kopenhagen Anerkennung zu verschaffen. Die dänische Regierung hielt an den Bestimmungen des Reglements von 1807 für ihre Kaper fest und faßte die Beschlagnahme der Maria Tender als ein tätliches Verfahren und eine beabsichtigte Repressalie auf. So mußte die herzogliche Regierung, als der schwächere Teil, alsbald einlenken. Der dänische Kaper wurde freigegeben. Dann einigte man sich in der Weise, daß das dänische Kaperreglement der mecklenburgischen Regierung offiziell mitgeteilt wurde, und daß diese die darin enthaltenen Vorschriften auch den mecklenburgischen Handelsschiffen auferlegte. Sie sollten künftig ihre Papiere in der Ordnung und Vollständigkeit beschaffen, wie es das Reglement vorsah, und erst danach die Erlaubnis zum Auslaufen erhalten. Am 18. Februar 1809 wurden das Gouvernementsbureau zu Rostock und das Kommandementsbureau zu Wismar entsprechend angewiesen. So war wenigstens einer willkürlichen Anwendung dieses Reglements gegen mecklenburgische Kauffahrteischiffe vorgebeugt und der nicht unbeträchtliche Handel, den die nachbarliche Lage zwischen den beiden Ländern trotz der damaligen schwierigen Umstände zuließ, gefichert. Als das angeführte dänische Reglement für die Kaperfahrt und die Prisenbehandlung am 28. März 1810 durch ein neues ersetzt wurde, mußten die Militärbureaus in Rostock und Wismar sich ebenfalls danach richten.

Mit Ende 1809 begannen dann französische Kaper ihr Wesen an der mecklenburgischen Küste zu treiben. Es waren Boote mit 1-6 Kanonen oder Drehbassen und einer Bemannung von 8-30 Mann; nur wenige Schiffe hatten 10-12 Kanonen und bis 50 Mann Besatzung. Im ganzen haben etwa 40 Kaperschiffe, einschließlich der dänischen, von 1809-1812 im Warnemünder Hafen verkehrt. Die meisten kamen von auswärts und hielten sich nur vorübergehend dort auf. Einige waren jedoch in Rostock erbaut und ausgerüstet. Diese kehrten von ihren Streifzügen ständig nach Warnemünde zurück und brachten dort regelmäßig ihre Prisen ein. Unter ihnen war der Kaper Wagram besonders berüchtigt

Bevor ich nun das Treiben der Kaper vor Warnemünde und ihre Zusammenstöße mit englischen Kriegsschiffen schildere,

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möchte ich ein paar Worte über die Namen der Kaper sagen. Viele brachten darin zum Ausdruck, daß sie mit Schnelligkeit, List und Wildheit auf den Gegner losgehen wollten. Da gab es Namen, wie Le Balayeur (Auskehrer), Le Tartare, Le Renard (Fuchs), Le Comet, L'épervier (Sperber), Le passe partout, Le vengeur (Rächer), L'aigle (Adler), L'impatient, Répresaille du Nord, und wie sie sonst hießen. Andere Schiffe gaben mit ihrem Namen kund, daß sie Glück in der.Kaperei hatten oder doch haben wollten, so L'heureux Toutou (Hund)/ L'heureux Henry. Eine gewisse Ironie verraten Namen wie L'aimable Virginie oder L'aimable Dervilly. Der Name Wagram erinnerte an den bekannten Sieg, den Napoleon im Juli 1809 über die Österreicher davongetragen hatte.

Englische Kriegsschiffe zeigten sich schon 1807, 1808 und im Sommer 1809, also vor dem Auftreten französischer Kaper, häufig vor Warnemünde. Wir erfahren aus den Aufzeichnungen des Pastors Schmiedekampf im Warnemünder Kirchenbuch, daß sie im August 1807 nahe vor dem Hafen lagen und am 23. August ein kleines holländisches Schiff beschossen und in den Hafen jagten. Im Mai 1808 wollten Rostocker Schiffe in See gehen und nahmen Ballast in Warnemünde ein. Sie mußten vor den Engländern umkehren und wieder nach Rostock hinaufsegeln. Auch im Juni und Juli sah man viele englische Schiffe, 20-30, einmal über 40. Sie verursachten aber keinen Schaden weiter, als daß sie die Netze aufzogen, die Fische wegnahmen, auch zuweilen die Netze zerschnitten. Einmal verfolgte eine Schaluppe ein Fischerboot, das sich an den Strand flüchtete, wo die Insassen entkamen. Das Boot wurde dann an das Kriegsschiff gebracht, entleert und dann im Hafen abgegeben. Die Engländer blieben bis spät in den Herbst in der Ostsee und brachten noch im September verschiedene Rostocker Schiffe auf, die nach Riga und Petersburg ausgingen.

Das Jahr 1809 brachte in den Verkehrsverhältnissen zur See keine Besserung. Die Engländer nahmen im Mai manche Rostocker Schiffe weg, die sich hinausgewagt hatten. Sie zeigten sich auch während des Sommers häufig an der Küste, ohne allerdings die Häfen zu blockieren. Sie pflegten die Handelsschiffe unter Konvoi ihrer Kreuzer zu nehmen und durch gefährdete Seestriche hindurchzugeleiten. Die Handelsschiffe erhielten dann zu ihrem Ausweis eine Konvoiflagge an die Spitze des Mastbaumes und zu ihrem Gebrauch eine Instruktion über die englischen Signale.

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Solange englische Kriegsschiffe in Sicht oder gar in der Nähe waren, wagten sich die französischen Kaper nicht weit aus dem Hafen heraus. Sie beschränkten sich auf Kapereien an der Küste. Diese warfen aber auch hinreichenden Gewinn ab, als die Kaper unter allerhand Vorwänden schonungslos auf ankommende und abgehende Schiffe losgingen. Ende 1809 waren bereits mehrere unerhörte Übergriffe vorgekommen. Das veranlaßte den Herzog, zu verbieten, daß ein Kaper vor 24 Stunden nach Abfahrt des letzten Schiffes in See stechen dürfe. Dies Verbot führte nun bald zu heftigen Streitigkeiten. Der französische Vizekonsul beschwerte sich im Interesse des Kapers Wagram beim Herzog. Er meinte, mit einem solchen Verbot könne man die Kaper tagelang aufhalten, wenn man nur in langen Zwischenpausen die Handelsschiffe abgehen lasse. Zwar entgegnete der Herzog, daß in dem Verbot selbstverständlich das letzte Schiff vor Ankündigung der Abfahrt der Kaper gemeint sei. Er schränkte aber doch, um Weitläufigkeiten zu vermeiden, das Verbot zu Gunsten der französischen Kaper ein. Sie durften künftig auch vor Ablauf der 24 Stunden in See gehen, wenn sie die Ursache dazu in jedem einzelnen Fall angeben würden.

Inzwischen hatte sich der Kaper Wagram vor den Hafen vor Anker gelegt und angefangen, eine Art Polizeiaufsicht über die Schiffahrt auszuüben. Der Vizekonsul erklärte auf die Beschwerde des Militärbureaus: Es sei in Warnemünde keine Reede bezeichnet, also auch keine zu beachten. Die Folge war, daß man am 7. und 8. Nov. 1809 die Warnemünder Reede maß und mit Tonnen bezeichnete. Diese wurden auf einer Linie verankert, die sich von der Spitze der Rostocker Heide, Heideort genannt, bis zur Stolteraa erstreckte und von Warnemünde eine mäßige halbe Meile entfernt war. Bei den Arbeiten wurde der Kapitän v. Colleville fast von einer englischen Schaluppe gefangen.

Recht anfechtbar war das Verhalten des Wagram bei seinen Kapereien. Davon nur einige Beispiele. Am 31. Oktober 1809 brachte er ein Rostocker Schiff "Die zwei Gebrüder" auf, mit einer Ladung schwedischer Kohlen und Eisen, das wegen widrigen Windes vor Warnemünde vor Anker gegangen war. Es stellte sich heraus, daß man dem Schiffer Versprechungen gemacht hatte, wenn er aussage, das Schiff wäre unter englischem Konvoi gefahren.

Am 25. November fiel dem Kaper das Schiff "Die Frau Anna" in die Hände, das eine wertvolle Ladung von Wein, Kaffee und Zucker von Schweden nach Wismar brachte. Das

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Schiff war bei Warnemünde auf Strand geraten und es war nicht ausgemacht, ob die Beschlagnahme nicht erst nach der Strandung geschehen sei.

Am 28. November brachte Wagram ein preußisches Schiff "Magdalena", mit Zucker, Pfeffer usw. nach Liebau bestimmt, ein. Es wurde zu Protokoll festgestellt, daß der Kaperkapitän dem Schiffer mehrmals 1500 Tlr. für eine günstige Aussage geboten hatte, die eine Beschlagnahme des Schiffes gerechtfertigt hätte.

Aue diese Vorfälle bestimmten den Herzog, am 2. Dezember 1809 eine Verordnung über die Prisenuntersuchungen zu erlassen. Diese sollten durch mecklenburgische Behörden erfolgen, 1. wenn es sich um mecklenburgische Schiffe oder Eigentum handele, 2. wenn die Rechtmäßigkeit der Prise unter Bezugnahme auf landesherrliche Rechte angefochten werde. Solche Rechte kämen in Frage, sobald das Schiff auf der Reede oder nach der Besetzung durch mecklenburgisches Militär genommen sei oder die Richtigkeit des Kaperbriefes bezweifelt werde. In allen anderen Fäden wollte man sich in die Untersuchung nicht einmischen.

Damit war jedoch dem französischen Vizekonsul Desbordes 1 ) in Rostock, der über Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Prisen in allen Fäden allein entscheiden wollte, wenig gedient. Als daher die Angelegenheit des Kapers Wagram vor das Conseil des Prises gebracht wurde, und ein gewisser Wolff, der sich als Armateur des Kapers ausgab, persönlich nach Paris reiste, um dort gegen Mecklenburg Stimmung zu machen, unterstützte ihn Desbordes auf das Bereitwilligste. Bald gingen in Paris schlimme Gerüchte über den Herzog um. Man erzählte sich, daß der Herzog französischen Behörden Vorschriften mache, daß eine Verständigung mit mecklenburgischen Behörden überhaupt nicht möglich sei, und daß häufig verbotene Waren auf Poel gelandet und von dort aus über Wismar eingeführt würden.

Es lag auf der Hand, daß diese Gerüchte in keiner Weise begründet waren. Der Herzog schrieb durchaus glaubhaft an seinen Vertreter in Paris, den Oberhofmeister v. Lützow, daß vielleicht in einzelnen Fällen von den Kaufleuten ein Warenschmuggel getrieben werde, dieser aber ohne jegliche Bedeutung


1) Vorher Sekretär des französischen Ministers de Bourienne, wird im Mai 1808 Vizekonsul in Rostock, stirbt 14. Mai 1810. Ihm folgt, nachdem der Konsulatssekretär Certain kurze Zeit provisorisch die Geschäfte geführt hat, der Vizekonsul Couteaur, der bis 1813 im Amte bleibt. Infolge des allgemeinen Abzugs der Franzosen verläßt auch er Rostock in der Nacht vom 13./14. März 1813.
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sei. Lasse man in der strengen Aufsicht über die Kaper nach, so wären sie es gerade, die sich mit den Kaufleuten verständigten, um Schiffe aufzubringen und so englische und Kolonialwaren ins Land zu schaffen. Auch der General Molitor konnte bezeugen, daß an keiner Küste mit solcher Strenge gegen Konterbande vorgegangen werde als an der mecklenburgischen. Trotzdem gelang es Lützow nicht, die von Desbordes und Wolff bearbeiteten Ministerien zu einer anderen Auffassung zu bringen und im Conseil des Prises einen Freispruch für die gekaperten drei Schiffe zu erlangen. Wo Lützow auch unter der Hand anfragte, überall wurde ihm der Rat zuteil, der Herzog möge die Aufsicht an der mecklenburgischen Küste nicht zu streng handhaben, sondern alles mehr als bisher gehen lassen; dann würden die Streitigkeiten mit französischen Konsuln und Behörden schon aufhören. Keineswegs aber möge man, wie der Herzog es wünschte, die Entscheidung des Kaisers darüber anrufen, wie der Herzog sich in der Kaperangelegenheit zu verhalten habe. Wäre seit Begründung des Rheinbundes eine Regelung der Seeangelegenheiten für deutsche Häfen bisher noch nicht erfolgt, so könnte jetzt leicht bestimmt werden, wie weit das französische Protektorat die landesherrlichen Rechte abändere und schmälere. Und weiter mußte sich Lützow davon überzeugen, daß das Conseil des Prises in seinen Urteilssprüchen keineswegs frei vorgehen konnte, sondern sich nach den Wünschen des Kaisers zu richten hatte. Am 21. März erfolgte die Verurteilung der "Magdalena"; und als Lützow am 7. Mai Gelegenheit fand, mit dem Generalprokurator des Gerichtshofes zu sprechen, da erfuhr er, daß auch die "Frau Anna" nicht zu retten sei, und daß man wegen der "Zwei Gebrüder" den Reedern dringend zum Vergleich mit dem Armateur des Kapers rate, bevor die Sache zum förmlichen Spruch beim Conseil des Prises komme.

Die Erklärung des Generalprokurators war wohl schon von der Stellungnahme des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten, Duc de Cadore, beeinflußt, der offiziell die Forderung erhob, den Vizekonsul in Rostock nach Belieben schalten und walten zu lassen. Nachdem er schon zu Anfang April gelegentlich eines Mahles, das er den Gesandten deutscher Fürsten der zweiten Bank gab, zu Lützow Andeutungen über die Unzufriedenheit des Kaisers mit dem Herzog gemacht hatte, schrieb er ihm am 18. April in ziemlich scharfen Ausdrücken, daß die mecklenburgischen Behörden sich in dreierlei Weise gegen die Regeln des Rechts vergangen hätten: Sie hätten in Warnemünde die

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Reede auf eine deutsche Meile ausgedehnt, während sie nur bis Kanonenschußweite reiche. Sie bereiteten dem französischen Konsul in Rostock fortgesetzt Schwierigkeiten bei Erfüllung seiner Pflichten, obgleich dem Staat, in dessen Namen und Auftrag die Prisen gemacht würden, ausschließlich das Recht zustehe, sie zu verwalten, d.h. über ihre Erhaltung zu wachen, über sie zu richten und nach der Verurteilung über sie zu verfügen. Schließlich verlangten die Behörden die Vorlegung der Kaperbriefe, wiewohl doch kein Kaper an der Ausführung seines Auftrages gehindert werden könne.

Inzwischen hatte das mecklenburgische Ministerium, von Lützow durch regelmäßige Berichte über die Ansichten in Paris unterrichtet, es für zweckmäßig gehalten, sich direkt mit dem Konsul in Verbindung zu setzen und die Streitigkeiten zwischen ihm und dem Militärbureau aus der Welt zu schaffen. Durch völliges Nachgeben auf Seiten des Herzogs wurde dann ein Übereinkommen erzielt, das in den neuen Verhaltungsbefehlen an die Militärbureaus vom 28. April 1810 seinen Ausdruck fand:

  1. Schiffe, die auf der Reede genommen werden, müssen zurückgegeben werden, worauf der Konsul gemeinschaftlich mit dem Militärbureau eine Untersuchung über die Rechtmäßigkeit der Prise anstellt. Als Reede ist nach den neuesten französischen Anordnungen die Tragweite eines Kanonenschusses, also ungefähr die Distanz einer halben französischen Lieue von der Küste anzunehmen.
  2. Ein Kaper, der zum ersten Mal in einen Hafen einläuft oder einen neuen Kaperbrief hat, soll diesen dem in dem Hafen kommandierenden Offizier vorzeigen, ohne ihn abzugeben. Der französische Konsul ist dagegen bereit, jedesmal nach der von ihm vorgenommenen Verifikation des Kaperbriefes seine Erklärung über die Gültigkeit und Richtigkeit desselben dem Militärbureau zugehen zu lassen.
  3. Über alle fremden Schiffe, die von französischen Kaperschiffen im offenen Meer gekapert sind, steht dem französischen Konsul eine ungehinderte Verfügung zu. Alle Reklamationen dagegen sind an das Conseil des Prises zu richten.
  4. Der Verkauf der vorstehenden Prisen wird lediglich von dem Konsul vorgenommen; jedoch muß davon vorher Anzeige beim Herzog oder bei den Militärbureaus durch den Konsul geschehen.
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  1. Sind die gekaperten Schiffe oder deren Ladung aber mecklenburgisches Eigentum, so geschieht die Instruierung des ganzen Verfahrens zwar auch von dem Konsul, jedoch nur mit Zuziehung eines Mitgliedes oder Deputierten vom Militärbureau. Bis zu erfolgter Entscheidung sollen die Aufsicht und die Sicherheitsverfügungen von dem Konsul in Gemeinschaft mit dem Militärbureau geschehen.
  2. Auslaufenden Schiffen wird überlassen, ein Certifikat vom französischen Konsul zu nehmen. Dieser hat bestimmt erklärt, daß solche Certifikate imstande sind, gegen alle Anfechtungen und Verfolgungen der französischen Kaper zu schützen.

So konnte der Herzog nach Eingang des Cadoreschen Schreibens sogleich nach Paris melden, daß alle Punkte bereits in der gewünschten Weise geregelt seien. Es stellte sich dabei heraus, daß das Ministerium in dem Wunsche, Desbordes durchaus zufrieden zu stellen, über das nötige Maß der Nachgiebigkeit hinausgegangen war; denn Lützow wurde aus dem Seedepartement kund getan, daß die Reede nach französischer Anschauung auf Kanonenschußweite reiche, was einer ganzen (nicht einer halben) Lieue de France oder einer halben deutschen Meile entspreche. Die ganzen Verhandlungen sind recht bezeichnend für die Ohnmacht unserer Regierung den französischen Machthabern gegenüber.

1810 entfalteten die Engländer an der Küste eine noch regere Tätigkeit als im Vorjahr. Es veranlaßte sie dazu das unverschämte Gebaren der französischen Kaper, die fast kein Handelsschiff ungeschoren ließen. Vor Warnemünde tummelten sich damals die Kaper Wagram, Juliana, Perpetua und Turet, von denen die Juliana am 29. April bei Alt=Gaarz den Engländern die Hände fiel. Die Kapermannschaft konnte sich nur durch eilige Flucht in den Booten retten. Mit den mecklenburgischen Truppen suchten die Engländer hingegen jeden unnötigen Zusammenstoß zu vermeiden. Das zeigt deutlich ein Ereignis, das sich am 22. Mai bei Kagsdorf zutrug. Dort waren zwei englische Kriegsschiffe vor Anker gegangen und hatten unter weißer Flagge 50 Mann Landtruppen und ebensoviel Matrosen gelandet. Sie wünschten ihren Trinkwasservorrat zu ergänzen. Obgleich sie nun leicht gegen das dortige kleine Kommando Gewalt hätten brauchen können, kehrten sie unverrichteter Sache um, als ihnen der Leutnant gemäß seiner Instruktion die Landung verbot. Die Franzosen hätten, wie General v. Fallois dem Herzog erklärte, zweifellos anders gehandelt. Sie wären

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nicht ohne frisches Wasser abgefahren und hätten nötigenfalls die ganze Gegend gesengt und geplündert.

Im Juni des Jahres verschuldete der Übermut der Kaper eine Landung in Warnemünde. Es war am 3. Juni abends ein leck gewordenes Schiff mit englischen Waren, von Philadelphia nach Petersburg bestimmt, auf der Warnemünder Reede angelangt und um Mitternacht von dem Kaper Turet aufgebracht worden. Da verlangten die Engländer am folgenden Tage unter Parlamentärflagge die Auslieferung des Schiffes und Kapers. Als dies verweigert wurde, kamen sie alsbald mit 7 stark bemannten Barkassen auf den Hafen zu. Der Leutnant v. Kardorff suchte ihnen mit seinen 27 Soldaten und den Kaperleuten die Landung zu wehren. Er mußte aber bald der Übermacht weichen, als die Engländer mit Kanonen feuerten, wobei ein Geschoß durch das Dach der Kirche schlug. Seine Mannschaft warf zum Teil Gewehre und Tornister fort und flüchtete kopflos auf die Dörfer. Mit dem Rest zog sich der Leutnant auf Gr.=Klein zurück. Sobald die Nachricht von diesen Ereignissen durch die Husaren nach Rostock gelangte, zog Fallois sogleich das ganze 2. Bataillon aus 140 Mann und 2 Feldstücken zusammen, um die Engländer wieder aus Warnemünde herauszuwerfen. Er kam aber nur bis Lütten=Klein. Da erreichte ihn die Meldung, daß die Engländer mit Prisen= und Kaperschiff auf und davon gefahren wären.

Wenige Tage später, am 10. Juni, griffen die Engländer abermals in großer Zahl das nur um einige Leute verstärkte Kommando in Warnemünde an. Sie warfen es zurück und bemächtigten sich eines dreimastigen amerikanischen Prisenschiffes, das seit 6 Wochen gelöscht, abgetakelt und ohne Steuerruder im Hafen lag. Man wollte verhindern, daß das Schiff als Kaper ausgerüstet werde. Damals fuhr eine englische Barkasse stromaufwärts bis zur Vogtei und hielt dort Haussuchung nach den Segeln und Tauen des Amerikaners; allerdings vergeblich, da diese sich in Rostock befanden. Bei dieser Gelegenheit erklärte der englische Offizier dem Vogt, er habe Befehl, wenn wieder Kaper ausgerüstet würden, sie herauszuholen und bei Widersetzlichkeit den Ort in Brand zu schießen. Im Munde der Leute vergrößerte sich dann die Gefahr zusehends. Es hieß, die Engländer könnten durch ein Signal leicht 50 Barkassen herbeirufen und wollten sich die Prisen selbst aus Rostock holen.

Da nun damals zwei Linienschiffe erster Größe, die Fregatte Fisguard, die den Angriff auf Warnemünde gemacht hatte,

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und eine Kutterbrigg vor dem Hafen lagen. so erschien bei günstigem Wind tatsächlich eine Expedition nach Rostock nicht unmöglich. Die Folge war, daß die Warnemünder aus Furcht vor einem Bombardement auf die Dörfer landeinwärts flohen. In Rostock organisierte der Major eiligst die Verteidigung. Des Nachts wurden Piketts in Marienehe und Gehlsdorf zum Rekognoszieren aufgestellt. Bei Tage waren ununterbrochen zwei Junker und ein Feldwebel auf dem Jakobiturm und beobachteten mit Fernrohren, was in der See und bei Warnemünde vorging. Je zwei Kanonen am Kröpeliner Tor und auf der Fischerbastion sollten den Eingang der Warnow beschießen. Die Garnison hatte scharfe Munition und war bereit, sich beim ersten Wink auf dem Alarmplatz einzufinden.

So war man am 11. und 12. Juni gegen einen Handstreich der Engländer gerüstet. Dann stellte sich heraus, daß englische Matrosen bei der Abfahrt aus dem Hafen aus Großtuerei von einem Zug gegen Rostock gesprochen und die ganze Aufregung verschuldet hatten. Die englischen Schiffe fuhren am 16. Juni in der Richtung auf den Darß ab.

Noch mehrmals sind die Engländer im Laufe des Jahres 1810 gelandet, so bei Rethwisch, Alt=Gaarz, zwischen Kieler Ort und Wustrow, auf Fischland, bei Brunshaupten, bei Fährdorf, Golwitz und Brandenhusen auf Poel und schließlich bei Boltenhagen. Ihre Absicht war, Proviant und Wasser zu erlangen. Und nicht selten erreichten sie dieselbe. Auf Poel erbeuteten sie bei einer Landung 2 Stück Rindvieh, 70 Gänse und einen Kahn mit Holz. Zu einem Gefecht ist es nur einmal noch gekommen. Bei Boltenhagen hatte ein englischer Kutter zwei Kauffahrteiboote auf den Strand gejagt und wollte sich ihrer bemächtigen, als die verstärkten Kommandos von Boltenhagen und Tarnewitz ihn befeuerten. Da antwortete der Kutter mit Kartätschen, zog sich aber schnell zurück.

Auch in den beiden folgenden Jahren 1811 und 1812 stand das Kaperunwesen an der mecklenburgischen Küste in Blüte. Das Aufbringen der Handelsschiffe und die Wegnahme einiger waghalsiger Kaper durch die Engländer bietet aber zu wenig interessante neue Momente, als daß eine Besprechung verlohnte.

IV.

Von den schädlichen Wirkungen der Kontinentalsperre auf das wirtschaftliche Leben unserer Heimat macht man sich eine ganz falsche Vorstellung, wenn man annimmt, daß die Schiffahrt

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während der ganzen Zeit so gut wie völlig geruht habe. Schon die Erwägung, daß dauernd nur englische und Kolonialwaren, dazu zeitweise schwedische, verboten waren und erst von Ende 1810 ab allgemein die Ausfuhr von Landesprodukten verhindert wurde, während im übrigen dem Seehandel keine gesetzlichen Hindernisse entgegenstanden, sollte dem widersprechen. Endgültig wird aber eine solche Ansicht widerlegt, wenn man die Aufzeichnungen prüft, die damals über Schiffahrt und Handel gemacht sind. Daraus ergibt sich, daß der mecklenburgische Seehandel sich für verschlossene Absatzgebiete sofort neue gesucht hat, daß er in den Jahren 1809 und 1810 sogar eine gewisse Blütezeit erlebte und erst von Ende 1810 an ziemlich lahm gelegt ist.

Für Wismar konnte ich dank dem Entgegenkommen G. G. Rats die Rechnungen über die städtische Akzise von Mariä Geburt (8. September) 1805-14 benutzen, die auf losen Zetteln die aus= und eingehenden Schiffe notiert und die Abgaben an Akzise und Hafengeld verzeichnet haben. Leider sind die Jahrgänge 1806-7 und 1811-12 im Rats=Archiv bisher nicht aufzufinden, sodaß man nur für 1808-10 und 1813 den ganzen Umfang des Seeverkehrs erkennen kann. Überdies ist in den Akziserechnungen über einlaufende Schiffe anscheinend eine Anzahl mit Ballast oder Transitogut beladene Schiffe fortgeblieben, weil sie das Hafengeld erst bei der Ausfahrt erlegt haben; so würde sich jedenfalls die Differenz zwischen den Zahlen der aus= und einfahrenden Schiffe am leichtesten erklären. Trotz dieser Mängel bilden die Akziserechnungen ein sehr schätzenswertes statistisches Material, dessen Angaben über die Zahl der Schiffe (bei den angekommenen Schiffen als Mindestzahl), über ihre Bestimmung und Herkunft, über die Warengattungen und über die Menge des ausgeführten Getreides wohl zu beachten sind.

Zur Bestimmung des Rostocker Seehandels waren mir nur die im Großh. Haupt=Archiv aufbewahrten Berichte des Militärbureaus, das eine scharfe Aufsicht über den Handel ausübte, zugänglich. Die Berichte reichen nur über die kurze Zeit vom 6. Juni 1808-25. Juni 1810, haben aber, nach den Überschriften zu urteilen, ebenfalls alle Schiffe aufgeführt. Das Getreide ist hier nach den einzelnen Sorten auseinandergehalten.

Die Tabellen der Anlage sind auf Grund der Akziserechnungen und der Berichte der Militärbureaus aufgestellt. Sie lassen erkennen, daß der mecklenburgische Seehandel während der Absperrung Schwedens vom Kontinent vollen Ersatz in den Ostseeprovinzen Rußlands und in dem damals von russischen Truppen

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besetzten Finnland fand. Die Ausfuhr dahin erreichte 1809 mit 60 Wismarschen und 81 Rostocker Schiffen seinen Höhepunkt. Dieser russische Verkehr bildete aber nur eine Ausnahme. Kaum war die Schiffahrt nach Schweden anfangs 1810 infolge des Friedensschlusses wieder freigegeben, so schlug der Handel wieder seine altgewohnten Wege dorthin ein. 1810 gingen von Wismar schon 48 Schiffe, 1813 gar 111 Schiffe und in den ersten 6 Monaten 1810 von Rostock aus 43 Schiffe nach Schweden ab, während gleichzeitig der russische Handel ganz bedeutungslos wurde.

Auffallend ist der rege Verkehr in den letzten Monaten von 1809 bis in den Herbst 1810 hinein. Nach Mitteilung des Ratsarchivars Dr. Techen erwarben in dem einen Jahr 1809 28 Schiffer, darunter 22 fremde, in Wismar das Bürgerrecht, was ganz erheblich gegen die voraufgehenden und nachfolgenden Jahre absticht; auch sah sich der Rat veranlaßt, am 13. November 1809 zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Hafen das Löschen und Laden der Schiffe durch eine Interimsverordnung genau zu regeln. Für diesen Aufschwung des Seehandels wird der Hauptgrund in der Wiedereröffnung des Verkehrs mit Schweden liegen. Außerdem wird zur Belebung des Küstenhandels zwischen Mecklenburg und dem benachbarten Schleswig=Holstein und Dänemark die Abstellung der Übergriffe der dänischen Kaper zu Anfang 1809 viel beigetragen haben; gingen doch 1809 37 und

1810 gar 132 kleine Schiffe und Boote meist mit Ballast aus dem Wismarschen Hafen hinaus, um von Neustadt, Heiligenhafen, Kiel, Flensburg Transitogüter und Holz zu holen, und ist auch für Rostock in dieser Zeit eine erhebliche Zunahme des Verkehrs dorthin nachweisbar.

Die Regierung hat bei jeder Gelegenheit dem Seehandel aufzuhelfen gesucht. Zu Beginn 1809 lagen sieben Rostocker Schiffe in Gothenburg und anderen schwedischen Häfen, die das Kontinentalverbot von der Heimat fernhielt Da nun ihre Rückkehr damals um so größere Vorteile bot, als der schwedische Import in allen benachbarten Ländern ohne Zweifel bis zum bevorstehenden Friedensschluß mit Schweden untersagt bleiben würde, so mußte der Gesandte v. Lützow die Angelegenheit in Paris vortragen. Er erreichte wirklich von Napoleon am 7. April 1809 die Erlaubnis zur Rückkehr dieser Schiffe mit schwedischer Ladung, worauf die Regierung noch dänische Geleitbriefe erwirkte.

Durch diesen Erfolg ermutigt, wünschte die Kaufmanns= und Schifferkompagnie zu Wismar, der Herzog möge sich dafür ver=

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wenden, daß der Verkehr mit Schweden allgemein wieder hergestellt werde. Korn und Wolle, so stellte die Kompagnie am 27. Juni 1809 vor, haben früher einen sicheren Absatz in Schweden gehabt. Die von dort bezogenen Waren, wie Teer, Eisen und Holzwaren, werden gegenwärtig mit Gold aufgewogen. Die Folge davon ist, daß die Kaufleute verarmen, danach auch die Gutsbesitzer und Pächter, wie die vielen Güterkonkurse und Bitten um Pachterlaß klar beweisen.

Der Herzog mußte dies Gesuch wegen der damaligen politischen Lage, gewiß sehr gegen seinen Wunsch, abschlagen. Es dauerte dann aber nur noch drei Monate, bis die französische Regierung selbst den Verkehr mit Schweden unter gewissen Einschränkungen vorläufig wieder zuließ.

Die größte Notlage für Mecklenburg entstand gegen Ende 1810, als neben der schweren Belastung der eingeführten Kolonialwaren die Ausfuhr der Landesprodukte unterbunden wurde. Das führte zu ernstlicher Vorstellung der Regierung sowohl in Paris als beim Conseil special in Hamburg. Mit Ergebung und selbst bereitwillig, so schrieb am 7. Dezember 1810 der Freiherr v. Brandenstein, haben wir den Stillstand des Handels ertragen, solange er sich auf die Kolonialwaren und die englischen Fabrikwaren beschränkte. Denn deren kann sich ein mäßiges Volk, wie die Mecklenburger, leicht begeben. Seit aber der Stillstand den Handel mit den Naturprodukten des Landes ergreift, sehen wir mit Schrecken die Hülfsquellen versiegen, aus denen der Staat sein Leben fristet Wir sehen aus dem Lande das letzte Stück Geld herausgehen, ohne Mittel zu finden, es zu ersetzen.

Mecklenburg bedarf vieler Dinge absolut notwendig. Es hat nötig aus Frankreich Seidenwaren, Tuche, Biberfelle, Wein, Öl und anderes, aus Schweden und Rußland Bauholz, Eisen, Kupfer, Vitriol, Teer und Hanf. Und das Land hat kein Mittel, sich das Geld zum Erwerb dieser Gegenstände zu verschaffen, als den Verkauf seiner Naturprodukte, Wolle, Pferde und besonders Getreide.

Es ist unmöglich, Getreide auf Wagen auszuführen (die alle anderen Kaufmannswaren fortschaffen, selbst Weine von Bordeaux bis zum Norden Deutschlands), weil es den Fuhrlohn nicht tragen kann. Wenn die Häfen uns geschlossen bleiben, wird der Preis des Getreides fast gleich null, und unser einziges Unterhaltungsmittel wird für uns unnütz.

Hoffentlich, so schloß Brandenstein, wird der Conseil special sich davon überzeugen, daß der Getreidehandel über See die Aus=

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führung der Sperrdekrete nicht stören kann, - solange der Handel beschränkt ist auf Holland, Dänemark, Norwegen und Schweden und nicht mißbraucht wird.

Über den Erfolg dieser Gesuche sind wir nicht unterrichtet. Es wird aber wenig dabei herausgekommen sein. Denn als Graf Compans, der Präsident des Conseils, im Februar 1811 nach Paris reisen wollte, hat der Erbprinz unter Bezugnahme auf jenes Schreiben Brandensteins ihn von neuem um seine Verwendung. Es war damals die Zeit der Lizenzen angebrochen, durch die Napoleon - wider seine eigenen Verordnungen - in Einzelfällen den Handel selbst nach England gestattete. Natürlich gegen eine ziemliche Gebühr. Der Erbprinz meinte, von Lizenzen könne der mecklenburgische Handel seiner Natur nach keinen Gebrauch machen. Diese seien für den direkten wertvollen Handel mit Eengland berechnet.

Am 27. Februar 1811 sandte der Erbprinz dem Prinzen Eckmühl auf dessen Erfordern eine eingehende Denkschrift wegen der Ausfuhr einheimischer Produkte. Leider habe ich diese Denkschrift bisher nicht gefunden. Sie würde jedenfalls wichtige Aufschlüsse über die damalige wirtschaftliche Lage des Landes geben.

Im Juli 1811 neigte man in Ermangelung eines Besseren auch in Mecklenburg dazu, französische Lizenzen zu nehmen. Man hatte in Erfahrung gebracht, daß der Kaiser Lizenzen zur Getreideausfuhr über See den Departements der Elb= und Wesermündung bewilligt habe, und wünschte nun die Ausdehnung dieser Wohltat auch aus Mecklenburg. Dort hatten die Armut und die Bankerotte der Landbewohner dem Herzog selbst ungeheure Verluste gebracht. Er war zu den peinlichsten Einschränkungen gezwungen, um die Gagen und Pensionen seiner Diener bezahlen und den Staatsausgaben genügen zu können.

Inzwischen hatte bereits der Gesandte v. Lützow erfolgreich bei dem französischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Duc de Bassano, gewirkt und konnte darüber am 19. und 20. Juli nach Hause berichten. Der Kaiser wollte die Ausfuhr von Getreide aus Danzig, Schwedisch=Pommern, Mecklenburg und den Hansestädten auf Lizenzen gestatten, deren Preis nach der Größe des Schiffes auf Tonnen und Lasten, nicht nach der Ladung berechnet wurde. Zur Ausfuhr war Korn bestimmt. Die Schiffe durften an Rückfracht nordische Produkte nehmen, welche zum Schiffsbau gebraucht werden, da man beabsichtigte, Schiffswerfte bei Hamburg und Lübeck anzulegen. Kolonialwaren durften in Rückfracht nicht angenommen werden, ebensowenig englische

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Fabrikate, falls das lizenzierte Schiff Korn nach England brachte. Man verkannte französischerseits zwar nicht, daß dadurch ein Handel mit England in beschränktem Umfang wieder entstand. Aber der Kaiser wollte, daß England seinen Bedarf an Getreide nur mit einem möglichst hohen Preis decken könne. Den Nutzen von den Lizenzen sollten die verbündeten Souveräne und ihre Kassen haben. Am 9. August übersandte Lützow drei solcher Lizenzen in blanco zur Verteilung an die Kaufmannschaft in den Seestädten. Sie fanden sogleich Absatz, konnten dann aber nicht benutzt werden, weil die französischen Douanen dem Auslaufen der Schiffe Hindernisse in den Weg legten. Neue Vorstellungen in Paris hatten Anfang Oktober 1811, womit unsere Akten abbrechen, noch keinen Erfolg gehabt.

Wenig stimmte zu dem ganzen Lizenzsystem die Härte, mit welcher die Franzosen bei vermuteten oder wirklichen Übertretungen der Sperrgesetze gegen die Übeltäter vorgingen. Ich mochte zum Beleg nur den Fall Mann anführen. Im Mai 1811 wurden der dänische Konsul Johann Bernhard Mann und sein Neffe Vincent Sigismund plötzlich verhaftet und als Staatsgefangene erst nach Hamburg, dann auf die Festung Wesel, schließlich nach Paris geschleppt. Gründe für die Verhaftung: Der Konsul sollte für englische Rechnung Getreide ausgekauft und 1810 auf einer englischen Fregatte vor Warnemünde gewesen sein. Dem Neffen warf man vor, er habe die Insel Anholt zu verproviantieren beabsichtigt und sich auch sonst an den Handelsunternehmungen seines Onkels beteiligt. Die Haussuchung förderte nichts Verdächtiges zu Tage, doch hatte der Konsul keine Geschäftsbücher vorzulegen und sie vielleicht vorher vernichtet. Das gesamte Getreide der beiden Kaufleute wurde vor dem Spruch konfisziert und an die 2. französische Division in Stettin abgeliefert.

Die Untersuchung in Paris zog sich trotz der Bemühungen Lützows ein ganzes Jahr hin; dann erstattete die Untersuchungskommission einen günstigen Bericht über beide Männer an den Kaiser. Dieser verfügte jedoch mit lakonischer Kürze auf dem Schriftstück: qu'on renvoye le neveu, qu'on garde l'oncle. Und so geschah es. Der Konsul mußte weiter im Gefängnis schmachten, bis Lützow im Februar 1813 feine Überführung in ein Krankenhaus durchsetzte. Im Februar 1814 schlug dann auch seine Befreiungsstunde, nachdem sich seine völlige Unschuld herausgestellt hatte. Einen Ersatz für seine erheblichen Verluste konnte er jedoch nicht von der französischen Regierung erlangen.


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Lange bevor dies letzte mecklenburgische Opfer der Kontinentalsperre in Freiheit gesetzt wurde, war das ganze System in sich zusammengebrochen. Als im Oktober 1812 die Nachricht von dem Brande Moskaus nach Mecklenburg kam, ergriff die Truppen der Küstenwacht schon eine merkliche Unruhe. Man fürchtete täglich die Landung der Engländer. Deshalb versah man die Posten mit geeigneten Signalen, um die Ankunft des Feindes rechtzeitig melden zu können. Des Nachts sollten Bäume entzündet werden, die mit Stroh umwunden waren und an der Spitze Teertonnen trugen; am Tage sollten sie 2 weiße Fahnen aufziehen. Aber die befürchtete Landung blieb aus.

Am 19. Dezember 1812 verstand sich die Regierung auf den Wunsch des französischen Obersten Ducasse nochmals dazu, das Verbot des Schleichhandels zu erneuern. Ja, man übte die Rücksicht noch soweit, daß man aus der Verordnung einen Satz fortließ, der von der bevorstehenden Aufhebung der französischen Küstenbesetzung sprach, weil man nach Ansicht des Geh. Rats=Präsidenten damit möglicherweise die Franzosen verletzt hätte.

Anfang 1813 wurde es dann wirklich Ernst mit dem Abmarsch. Vorbereitungen fanden bereits im Januar statt: Das Lager bei Barnstorf wurde dem Amtshauptmann Steinfeld übergeben und von Bauern bewacht. Dazu wurden die letzten konfiszierten Waren aus der Heil. Geistkirche von Douaniers fortgeschafft. Im Februar trafen die 4 metallenen Kanonen des Herzogs aus Warnemünde wieder in Rostock ein. Die Garnison erhielt scharfe Patronen. 30 vierspännige Wagen mußten täglich auf der alten Reitbahn bereit stehen und die großen Ställe hinter dem Palais wurden zum Biwak für 200 Mann hergerichtet.

Am 10. März des Nachts gegen 1 Uhr, so meldet die Pfarrchronik, zogen die Franzosen in aller Stille von der Redoute in Warnemünde ab, nachdem sie die Kanonen vernagelt, Munition und überflüssigen Proviant zerstört und das Douanenboot versenkt hatten. In Rostock schloß sich das Kommando an die dortige Garnison an, die auf ihrem Rückzuge am 13. März die Truppen aus Wismar aufnahm. In der Wendorfer Redoute wurde eine Tagelöhnerwache eingerichtet.

Mit dem Abmarsch der Franzosen fielen die Gründe weg, weswegen man in den letzten beiden Jahren jegliche Schiffahrt unterdrückt hatte. Dem Feinde die militärischen Operationen zu verbergen, war nicht mehr nötig. So erlaubte das Militärbureau in Rostock am 15. März 1813 zum ersten Mal wieder das Auslaufen dänischer Schiffe nach heimischen Häfen. Am 23. März

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hob ein landesherrliches Reskript alle bisherigen Verordnungen und Einrichtungen gegen den Seehandel auf. Es gestattete den freien Handel mit allen Nationen, die mit Rußland nicht im Kriege lagen. Das war hauptsächlich Frankreich. Gleichzeitig gingen die militärischen Bureaus in Rostock und Wismar ein.

In Rostock kam es auf die Kunde von der Aufhebung der Handelsbeschränkungen am 24. März zu großen Freudenkundgebungen. Die herzogliche Schaluppe setzte mittags 12 Uhr Flaggen und feuerte alle Stunde Salut, was von den übrigen Schiffen im Hafen voll Jubel nachgeahmt wurde. Abends 8 Uhr war die ganze Stadt illuminiert. Matrosen mit mecklenburgischen, russischen und preußischen Flaggen durchzogen unter fortwährenden Hurrahrufen die Stadt und warfen die Fenster ein, die garnicht oder nicht ganz erleuchtet waren. Dabei unaufhörliches Schießen und Feuerwerk. Nachts 12 Uhr hatten sich auf dem Alten Markt einige tausend Menschen angesammelt, die unter Pauken= und Trompetenbegleitung gemeinsam das Lied "Nun danket alle Gott" fangen.

Von der neuen Handelsfreiheit konnten die Kaufleute jedoch noch nicht ohne weiteres Gebrauch machen. Sie mußten noch zuvor versichert sein, daß ihre Schiffe weder von den Engländern noch von den dänischen Kapern gefährdet wurden. Auf Veranlassung des Herzogs wandte sich deshalb der russische Oberst v. Tettenborn an den russischen Gesandten in London, damit dieser sofort durch eine Note beim englischen Ministerium die größte Sicherheit für die mecklenburgische Flagge erwirke. Ein gleiches ward bei dem dänischen Geschäftsträger in Hamburg offiziell vorgestellt.

Gleichzeitig, am 26. März 1813, sandte die Kaufmannskompagnie in Rostock den Kaufmann Bollmann mit einem Jachtschiffe nach der englischen Flotte aus. Er traf den Admiral am 28. März unter Malmoe und wurde freundlichst aufgenommen. Da die Veränderung in Mecklenburg aber so plötzlich gekommen war, hatte der Admiral noch keine Anweisungen seiner Regierung. Er versprach, sich zu erkundigen und der Kaufmannskompagnie Bescheid zu senden. Ein Rehbock und einige Waldschnepfen, die Bollmann zum Geschenk überbrachte, besiegelten die neue Freundschaft.

Im Juli 1813 verlangte der mit seinem Admiralschiff vor Warnemünde liegende schwedische Admiral v. Cederström auf Befehl des schwedischen Kronprinzen die Auslieferung sämtlicher im Rostocker Hafen zurückgebliebenen französischen Kaperfahrzeuge

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und ihrer Ausrüstung, weil man fürchtete, daß sie bei einer Rückkehr der Franzosen wiederum gegen den schwedischen Handel möchten gebraucht werden. Der Herzog hatte diese Schiffe bereits mit Beschlag belegt und weigerte sich zunächst, sie herauszugeben, willigte dann aber nach weiteren Unterhandlungen mit dem Kronprinzen darin, daß die Kaper an Schweden gegen bare Entrichtung des taxierten Wertes überlassen würden. Es waren dies die folgenden: L'impatient, L'aigle, der Nordstern (oder Passe partout, Epervier), La boinne Cecilie, Le Balayeur, die Schwalbe und die Maria, von denen die letzten beiden noch neu und als Kaper noch nicht benutzt waren. Der Wert dieser sieben Kaperfahrzeuge wurde am 2. August 1813 durch eine gemischte Kommission auf 5191 Taler ermittelt. Diese Schiffe sind dann alsbald fortgeführt, ohne daß es zu einer Bezahlung des Taxationswertes gekommen zu sein scheint. Den größten Verlust hatte das Kaufhaus Burchard, dessen dreimastiger Lugger Maria allein auf 2600 Taler abgeschätzt war. Noch 1829-30 machten die Burchardschen Erben Ersatzansprüche bei der Großherzoglichen Regierung geltend.

Zu einer Zerstörung der Warnemünder Redoute hatte sich der Rostocker Rat im April 1813 nicht entschließen können. Sie erfolgte erst am 26. August durch Mannschaften der englischen Flotte, weil seit dem 22. Gerüchte von einer Rückkehr der Franzosen umliefen: Nach Pastor Schmiedekampfs Darstellung wollte man anfänglich das Werk sprengen, gab es aus Rücksicht für den Ort aber auf. Man grub dann die Erde nieder, zerschlug das Holz, entzündete drinnen Pulver, richtete aber wenig aus, weil alles zu fest war. Erst als Leute aus den Dörfern und Alt und Jung in Warnemünde zu Hülse gerufen wurde, kam man vorwärts. Anfang September war alles zerstört.

Fast gleichzeitig erfüllte sich das Geschick der Wendorfer Redoute. Im März 1813 hatte sich der Magistrat zu Wismar geweigert, die Batterie durch Bürger bewachen zu lassen. Es hatte deshalb ein von der Landeskreditkommission angenommener Arbeiter dort die Aufsicht gehabt. Später hatte die Offiziersstube vorübergehend einem schwedischen Zeugmeister zum Schlafen gedient, auch waren im Blockhaus mehrfach Patronen verfertigt. Im August war die Bewachung wieder recht schlecht, aber höchst nötig, weil die Wendorfer Bauern Sehnsucht nach den Pallisaden bekamen und die Schiffe auf der Reede das Holzwerk zum Kochen benutzen wollten.

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Am 10. und 11. September 1813 ließ der schwedische Kommandant Mohrmann zu Wismar die Batterie zerstören. Vier Kanonen, die von den Franzosen vernagelt zurückgelassen waren, wurden in die Stadt hinabgebracht. Gleich darauf erschienen englische Matrosen von den Schiffen vor Wismar und legten auf Befehl ihres Admirals im Blockhaus Feuer an. Es brannte alles über der Erde ab. Was übrig blieb, wurde den Leuten aus der Umgegend hingegeben.

So verschwanden die sichtbaren Wahrzeichen der Franzosenzeit. Nur die kleine Befestigung auf Poel vergaß man; an ihr holte, wie schon gesagt ist, eine Sturmflut bald nach dem deutsch=französischen Kriege das Versäumte nach. Wir aber, die wir in diesem Jahre die hundertste Wiederkehr des Tages erleben werden, an dem Napoleon durch sein Berliner Dekret jene Schreckenszeit einleitete, können mit gutem Grund hoffen, daß uns das neue Reich vor einer Wiederholung solcher traurigen Zustände kraftvoll bewahren wird.


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Plan der Redoute bei Wendorf 1811
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Plan der Redoute und des Blockhauses bei Warnemünde gebaut im Jahr 1811
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Plan der Schanze bei Fährdorf auf Poel 1812
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Anlage

Ausfuhrhandel Wismars.

1. Zahl der abgegangenen Handelsschiffe.

Tabelle: Zahl der abgegangenen Handelsschiffe

2. Bestimmungsort (=Land) der abgegangenen Handelsschiffe.

Tabelle: Bestimmungsort (=Land) der abgegangenen Handelsschiffe

3. Ausgeführtes Getreide.

1806 [507] Last.
1807 [172] "
1808 262 "
1809 2040 "
1810 3789 "
1811 [0] "
1812 [0] "
1813 4026 "

4. Hauptausfuhrartikel.

Schweden: Getreide, Obst, Kartoffeln.
Norwegen: Getreide.
Rußland: Obst, Branntwein, Wolle.
Finnland: Getreide, Butter, Fische, Obst.
England, Holland: Getreide.
Amerika: Getreide, Hanf, Leinsaat.

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Einfuhrhandel Wismars.

1. Zahl der angekommenen Handelsschiffe.

Tabelle: Zahl der angekommenen Handelsschiffe

2. Herkunftsort (=Land) der angekommenen Handelsschiffe.

Tabelle: Herkunftsort (=Land) der angekommenen Handelsschiffe

3. Haupteinfuhrartikel.

Schweden: Eisen, Teer, Bretter, Kupfer, Gothl. Kalk, Kohlen, Salz, Allaun, Tran, Pech, Heringe.
Norwegen: Tran, Fische.
Dänemark: Töpferwaren, (Eisen, Pech, Kreide, Kaffee, Reis, Wein.
Schleswig=Holstein: 1810 besonders aus Neustadt und Kiel Transilogut und Holz in kleinen Schiffen geholt.
Rußland: Talg, Pottasche, Lichter, Leinsaat, Eisen, Getreide.
Finnland: Bretter.
England: Kohlen, Salz, Rum, Kaffee.

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Ausfuhrhandel Rostocks.

1. Zahl der von Warnemünde abgegangenen Handelsschiffe.

Tabelle: Zahl der von Warnemünde abgegangenen Handelsschiffe

2. Bestimmungsort (=Land) der abgegangenen Handelsschiffe.

Tabelle: Bestimmungsort (=Land) der abgegangenen Handelsschiffe

3. Ausgeführtes Getreide.

Tabelle: Ausgeführtes Getreide

4. Hauptausfuhrartikel.

Schweden und Norwegen: Getreide.
Dänemark: Getreide, Öl, Obst, Schiffsholz, Papier, Branntwein, Kartoffeln, Tabak.
Rußland: Getreide, Käse, Öl, Obst.
Bremen: Getreide.
Holland: Getreide, Leinsaat.

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Einfuhrhandel Rostocks.

1. Zahl der in Warnemünde angekommenen Handelsschiffe.

Tabelle: Zahl der in Warnemünde angekommenen Handelsschiffe

2. Herkunftsort (=Land) der angekommenen Handelsschiffe.

Tabelle: Herkunftsort (=Land) der angekommenen Handelsschiffe

3. Haupteinfuhrartikel.

Schweden: Bretter, Teer, Kohlen, Zucker, Kaffee.
Rußland: Lichter, Talg, Hanf, Öl, Tabak, Leinsamen, Pottasche.
Dänemark: Kaffee, Zucker, Rum, Reis, Tee, Syrup, Fische.
Schleswig=Holstein: Käse, Rapssaat, Butter, Fische, Töpfergut.

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