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V.

Von einem über Wismar im Jahre 1637
beobachteten Wunderzeichen.

Von

Dr. F. Techen , Wismar.


E s ist bekannt genug, daß die Vorzeit auf Predigten und Zeichen Wert gelegt hat. Zeugen sind die nicht gerade dürftigen Aufzeichnungen darüber in Chroniken. Diese Berichte aber, mag ihre Reihe auch noch so lang sein, geben uns doch nur ein abgeblaßtes Bild von der Wichtigkeit, die derartigen Wahrnehmungen beigelegt ward, und ungleich lebendigere Wirkung erzielen Aktenstücke, die über ein solches Wunderzeichen angewachsen sind, mögen sie auch nur einen einzigen Fall betreffen. Solche Akten, Verhandlungen, Protokolle und Erachten umfassend, sind über ein über der Stadt Wismar am 21. Juni 1637 beobachtetes Wolkengebilde im Wismarschen Ratsarchive (Tit. XXI varia) und im Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin (Stadt Wismar, Wunderzeichen) vorhanden.

Fünf Bürger hatten sich an jenem Tage vor dem Tore ergangen und waren, nachdem sie in der Klußer Mühle Einkehr gehalten, gegen 7 Uhr abends zurückgekehrt. Auf dem Heimwege hatten sie über der Stadt krause Wolkenmassen beobachtet, worin sie den Weißen Berg von Prag und einen Löwen im Kampfe mit einem Adler, Festungswerke und Reiter und noch anderes Gebilde je nach dem Maße ihrer Phantasie mehr oder weniger deutlich und vollständig zu erkennen glaubten. Bei weitem am meisten

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hat der Sattler Paul Trop erkannt, der auch seine Begleiter auf das Wunder aufmerksam gemacht hat. Da sie zu Hause davon erzählten. so ward in der Folge vor dem Schwedischen Kommandanten vom Auditeur ein Verhör angestellt und Protokoll aufgenommen. Ein Auszug davon scheint an den Herzog Adolf Friedrich gelangt zu sein. Diesen, den schon um seine Stadt Wismar bangte, beschäftigte die Sache lebhaft, und unter Mitteilung jenes Auszugs erforderte er vom Bürgermeister Schabbel und vom Superintendenten Herzberg zu Wismar Untersuchung und Erachten über die Bedeutung der Zeichen.

Wollte man den Herzog darauf hin eines besonders krassen Aberglaubens reihen, so würde man ihn mit einem falschen Maßstabe messen, da man die Anschauungen seiner Zeit in Betracht ziehen muß. Und wie man es dem Friedländer nicht verdenkt, wenn er aus den Stellungen der Sterne die Zukunft ergründen wollte, so muß man auch dem Mecklenburgischen Herzoge das Recht zugestehen, der Bedeutung nachzuforschen, die der über seiner Stadt beobachtete Kampf eines Löwen und Adlers haben mochte. Gibt es doch jetzt noch Leute genug, die einen Kometen oder ein Nordlicht als Vorzeichen von Krieg, einen weißen Gänseknochen aber als Vorboten eines kalten Winters ansehen, von den Verehrern der Kartenlegerinnen und eines Schäfers Ast zu schweigen.

Auf Verlangen des Herzogs wurden also Paul Trop und seine Genossen sowohl von dem Superintendenten Joachim Herzberg, als auch von den Herren des Gewetts, der Behörde, die in Handwerker= und Polizei=Sachen kompetent war, aufs neue verhört, und Protokoll darüber aufgenommen.

Der Veröffentlichung schienen die Schreiben des Herzogs und die darauf eingegangenen Berichte durchaus wert, während es vollauf genügt, die anderen Stücke auf das kürzeste zu verzeichnen. Daß an der Schreibung, die in Anbetracht der Zeit sehr rein ist, nichts geändert ist, mag nicht überflüssig sein zu bemerken.

1.

1637. Juli 14. Schwerin. Hg. Adolf Friedrich sendet dem Wismarschen Bürgermeister Jak. Schabbel abschriftlich einen Bericht von jüngst über Wismar beobachteten Wunderzeichen, beauf=

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tragt ihn, genaue Erkundigungen darüber einzuziehen, und fordert sein Erachten ein.

Von gottes gnaden Adolph Friedrich herzog zu Mecklenburg, administrator des stiffts Schwerin etc. Vnsern gnedigen grus zuuor. Ehrnfester vnnd hochgelartter lieber getrewer, beikommend fugen wir euch in abschrifft zu vernemmen, was vns von etlichen wunderzeichen, so sich iungst verwichener tage vber vnserer statt Wißmar in der lufft sollen haben sehen laßen, vnterthenig anhero referiret worden. Wan wir nun von dem allen gerne grund vnd gewisheit haben möchten, hier vmb befehlen wir euch gnediglichen, ihr wollet daßelbft in loco euch mit fleis erkundigen, wie es hier vmb eigentlich beschaffen, vnd vns dauon die rechte Wahrheit nebenst eurem bedencken darvber furdersambst in schrifften anhero einschicken. An dem vollenbringet ihr vnsern gnedigen willen vnd wir seind euch mit gnaden geneigt. Datum Schwerin den 14. July anno 1637.

A. Frid. h. z. M. m. p.     

Dem ehrnfesten vnnd hochgelarten vnsern lieben getrewen Jacob Schabbelten * ) burgermeistern vnser statt Wißmar.

Original im Ratsarchive zu Wismar.

2.

1637. Juli 14. Schwerin Hg. Adolf Friedrich wie in 1. an den Wismarschen Superintendenten unter Einforderung seines und des geistlichen Ministerii Erachten über die Sache.

Adolph Friedrich etc. Vnsr[en] gn[edigen] grueß zuvohr. Ehrwurdiger und wolgelarter lieber andechtiger und getrewer, beykommend füegen wir euch in abschrifft zu vernemmen, waß vnß von ettzlichen wunderzeichen, so sich jungst verwichener tage uber vnsrer stadt Wißmar in der lufft sollen haben sehen lassen, untertheniglich anhero referiret worden. Wan wir nun von dem allen gerne grundt und gewißheit haben möchten, hirumb befehlen wir euch gnediglichen, ihr wollet daselbst in loco euch mit fleiß erkundigen, wie es hirumb eigenttlich beschaffen, vnd vnß davon die rechte Wahrheit nebenst ewrem und des gantzen minysterij bedencken darüber furdersambst in schrifften anhero einschicken. An dem vollbringt ihr vnsren gn[edigen] willen, und


*) Der Name ist nachgetragen.
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wir seint euch mit gnaden beygethan. Geben Schwerihn den 14. July 1637.

An den superintendenten zur Wißmar.

Nach dem Entwurfe im Hauptarchive zu Schwerin.

3.

Der Bericht (offenbar aus dem Protokoll des schwedischen Auditors über das am 21. Juni (Mittwoch vor Johannis) 7 Uhr nachmittags beobachtete Wunder umfaßt vier Folioseiten. der Anfang lautet:

1. Erstlich sein vor der statt gegen ihnen 3 berge sehr hoch entstanden, ihren anfang gehabt vom großen werck an bis vor das Mecklenburger thor vber an die maur der halber' weg nach dem Lübecker thor zu, also das sie, da sie doch nur 2 pistolenschuß von dem thor gewest, keine stat oder haus sehen können, drey spitzen aber von den turnen sein vber die borg ausgangen, dauon einer den Weißen turnen zu Prag ehnlich, vnd habe Wißmar eben ein solche gestalt vnd ansehen gehabt, das als Prag, so im grund liegt, mit ihrem turnen, spitzen vnnd bergen von fernen.

2. Zum andern sey nach dießen ein lew von norden heraus der sei gantz trutzig mit seinem schwantz auf den rugken tragent zwischen osten vnnd suden langsamb hingehend kommen usw.

Nach dem Exemplar des Wismarschen Ratsarchivs, ein anderes im Hauptarchive zu Schwerin.

4.

1637. Juli 21. Wismar. antwort des Bürgermeisters Schabbel.

Durchleuchtiger hochwürdiger hochgeborner furst. E. f. g. seint meine vnterthenige gehorsame dienste besten vermöegen nach beuor. Gnediger herr. Auff daß von e. f. g. an mich abgangenes gnediges schreiben, darin dieselbe, wie eß eigentlich mitt den außgesprengten wunderzeichen, so vber diese e. f. g. vnterthenigen statt in der lufft sich sehen laßen haben soll beschaffen, * ) mitt fleiß mich zu


*) Fehlt im Konzepte, ist in der Reinschrift nachgetragen.
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erkundigen vnnd dauon vnterthenigen bericht einzuschicken gnediglich anbefohlen, habe ich dieselbe, so sondere wißenschaft dauon gehapt vnnd eß erst außgesagt, vorbeschieden vnnd deren außage durch vnsern statt=secretarium verzeichnen laßenn vnnd thue solche dauon gethane außage e. f. g. ich hiebet vnterthenigk einschickenn, damitt e. f. g., so viell dauon zu uernehmen gewest, sich in gnaden darauß zu ersehen haben können. Meines theils befinde ich, daß woll etwas daran sein muß, stelle aber die bedeutung dem lieben gott anheimb vnnd thue ihn vmb den lieben friede vnnd vor e. f. g. gluckliche vnnd friedliche regierung von hertzen bitten, die ich damitt gottes obhutt getrewlich, zue f. gnade vnnd hulde mich aber vnterthenigklich empfehle. Signatum in e. f. g. vnterthenigen statt Wißmar den 21. July anno 1637.

e. f. g.                       
vntertheniger vnd gehorsahmer     
Jacob Schabbell manu propria.     

Dem durchleuchtigen hochwurdigen hochgebornen fursten vnnd hern hern Adolph Friedrichen hertzogen zue Mecklenburgk, fursten zue Wenden, administratori dess stiffts vnd graffen zue Schwerin, der(s) lande Rostogk vnd Stargardt hern, meinem gnedigen fursten vnnd herrn.

Nach dem Original im Hauptarchive zu Schwerin, von Schreiberhand, mit eigenhändiger Unterschrift. Konzept von der Hand des Stadtsekretärs Werner im Wismarschen Ratsarchive (unwesentlich abweichend).

5.

Zu 4. Abschrift des Protokolls des Gewetts, vom Stadtsekretär Werner beglaubigt, auf vier engbeschriebenen Folioseiten im Schweriner Archive; im Wismarschen das Original von Werners Hand.

6.

1637. Juli 23. Wismar. Bericht des Superintendenten M. Joachim Herzberg über seine Nachforschungen und sein und des geistlichen Ministeriums Erachten.

Durchleuchtiger hochwurdiger vnd hochgeborner furst, gnediger herr. Fur e. furstl. gn., deroselben hochgeliebten furstlichen gemalin, junger herschaft vnd frewlein sey mein schuldiges vnd andechtiges

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gebet zu dem allerhögsten gott in gehorsahmer Untertänigkeit bevor. Gnediger herr, e. furstl. gn. befelh sub dato Schwerin den 14. Julij, darin gnedig mihr anbefohlen worden wegen der wunderzeichen, so alhie in e. furstl. gn. untertänigen statt Wißmar sich sollen haben vermercken lassen, fleißige nachfrage anzustellen vnd darüber meine vnd des gantzen ministerij meinung in schriften untertänig einzuschickken, habe den 17. ejusdem ich mitt aller geburlichen reverentz empfangen. Vnd habe darauf e. furstl. gn. in untertänigkeit ich zu berichten, das noch selbiges tages ich das ministerium hieselbst convocirt vnd so woll e. furstl. gn. befelh alß auch die abschrift der vorhin eingeschickten relation demselben vorgelesen. Gleichwie nun aber vorhin ich von dem gantzen handell hie in loco mehr nit gehöret, ohn das der custer an s. Marien kirchen einesmalß berichtet, es wehren leute von Morhofs mule * ) kommen, die hätten wunderzeichen gesehen, welches ich anders nit geachtet den eine rede mussiger leute, in betrachtung das Morhofs mule ein ort, dahin an son= vnd werckeltagen das gemeine gesinde hauffenweise dem gesöff nachgehet, vnd was etwa außgespränget der trunckenheit zuzuschreiben sein möchte: also habe ich von meinen collegen auch verstanden, das sie der sachen gar unwissend vnd kaum einer oder ander das wenigste davon gehöret.

Weill aber gleichwoll e. furstl. gn. das werck mitt so mercklichen umbständen furgebracht, das kaum in den historien man dergleichen exempel wirt finden können, da auf eine zeitt vnd zu einem mall sich so gar viele unterschidliche dinge sollen begeben haben, habe ich nach aller mögligkeit mihr lassen angelegen sein die warheit zu erkundigen.

Derowegen 1. auß der ubersanten abschrift der relation gewisse articul ** ) gemacht, nach welchen die zeugen examinirt worden, wie im beyschluß sub litterâ A zu finden,

2. die zeugen vorbescheiden vnd einen iglichen absonderlich vnd fleißig ermahnet, das er die liebe warheit solle bekennen,

3. einen iglichen absonderlich von articul zu articul befragt vnd darauf die deposition mitt fleiß aufgezeichnet, davon auch copia sub litterâ B zu befinden,


*) Jetzt Mühle zur Kluß; ehedem Wotrenzemühle. S. Jb. 42 S. 118. Der Polyhistor Morhof gehörte der Familie an, von der diese Mühle zeitweise den Namen trug.
**) Nicht weniger als 60
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4. habe ich dem gantzen ministerio die depositionsm testium vorgelesen vnd haben wir im nahmen gottes die sache collegialiter erwogen.

Vnd können wir demnach anders nit sehen noch schließen, ohn das solcher handell sehr unrichtig vnd an der warheit der erzälten wunderwerke billig zu zweiflen sey.

Den 1. solche gantze narration * ) auf des einigen menschen des satlers aussage beruhet, welcher seiner deposition nach ad articul 59 sich noch mehrer vnd auch anderer gesichte rumbt vnd dem ansehen nach solchen dingen zu viell ergeben,

2. weill der zeugen aussage gar wieder einander leuft; vnd was der eine mitt vielen umbständen erzälet, davon will der ander nichts wissen,

3. ist nit woll gleublig, das so viele dinge alß die mangerley thier, derselben kampf vnd streit sambt engell vnd tott in so kurtzer frist alß einer viertell stunden haben können gesehen, unterschieden vnd erkant werden,

4. stehet auch zu bedencken: wan vnser herr gott durch solche wunderwercke etwas sonderliches vns menschen zum trost oder ermanung zeigen wollen, wurde er so geschwinde mitt denselben nit geeilet haben, sondern dieselbe lassen zuvor recht wahrnehmen, auch vermuthlich mehr leuten lassen sehen alß diesen funfen, die von der kannen zu hause gangen.

Dieses ist des hiesigen ministerij einfeltiges bedencken, welches e. furstl. gn. gnedig vermerken wollen.

Wir erkennen vns aber schuldig, dem' frommen getrewen gott von hertzen anzuruffen, das er bey der gegenwertigen gefärlichen zeitt e. furstl. gn. samt ihrem gantzen furstl. hause wolle in seinen väterlichen schutz vnd schirm nehmen; wenden von deroselben landen vnd leuten wie auch von dieser e. furstl. gn. untertänigen statt alles ungluck in gnaden ab, erzeigen sich mitten in der noth herlich vnd geben durch seine große almacht allen dingen einen viell bessern außgang, alß sichs lesset ansehen. Das habe e. furstl. gn. in untertänigkeit ich zur antwort wiederumb hinterbringen sollen, demütig bittend, e. furstl. gn. geruhen gnedig mein gnediger furst vnd herr zu bleiben, gegen dem mitt meinem schuldigen gebäte vnd allen gehorsahmen diensten ich in unter=


*) Das "gantze" ist zu betonen.
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tänigkeit mich wiederumb verbunden vnd verpflichtet erkenne. Geben in e. furstl. gn. untertänigen statt Wißmar den 23. Julij ao. 1637.

e. furstl. gn.             
gehorsahmer vnd unterthäniger
diener an' wort gottes      
M. Joachimus Hertzberg   
superintend.          

Dem durchleuchtigen hochwurdigen vnd hochgebornen fursten vnd hern, hern Adolph Friederich hertzogen zu Meckkelburg, fursten zu Wenden, administratorn des stifts vnd graffen zu Schwerin, der lande Rostogck vnd Stargard hern, meinem gnedigen landesfursten vnd hern.

Nach dem Original im Hauptarchive zu Schwerin.

7.

Zu 6. 60 Frageartikel auf 4 Folioseiten (Littera A) und Zeugenverhör darüber auf 23 Folioseiten (Littera B), beides von, Herzbergs Hand. Im Hauptarchive zu Schwerin.

 

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