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IV.

Wann ist Güstrow mit Stadtrecht bewidmet ?

Von

Dr. F. Techen , Wismar.


I n einem Aufsatze über die Gründung Wismars in den hansischen Geschichtsblättern 31 (1903) habe ich auf S. 128 f. zum Vergleiche die Jahre mitgeteilt, die für andere Mecklenburgische Städte überliefert sind, sei es für ihre Gründung, ihre Bewidmung mit Stadtrecht oder dessen Bestätigung. Dabei habe ich mich, ohne Berücksichtigung der von Böhlau, Mecklenb. Landrecht I, S. 32 f., gegebenen Zahlen lediglich an das Mecklenburgische Urkundenbuch gehalten. Das bedarf namentlich in Hinsicht auf Güstrow einer Rechtfertigung. Das M. U.=B. hat in Nr. 359 die Bestätigung des Güstrowschen Stadtrechts durch die Söhne Burwys II. Johann, Nikolaus, Heinrich und Pribislav nach einem Transsumpte vom Jahre 1305 zum Abdrucke gebracht und Wigger in der Anmerkung das Datum 1228 Nov. 1 (m° cc° xx° viij° kal. Nouembris) gegenüber der Annahme früherer Forscher gerechtfertigt und dabei behauptet, daß Bessers Angabe über das Vorhandensein einer Urkunde über die Erteilung des Stadtrechts von 1222 Okt. 25 unrichtig sein müsse, und daß jene Urkunde nur mit der hier transsumierten identisch sein könne.

Dagegen glaubt Böhlau, Zeitschr. für Rechtsgeschichte IX, S. 270 f., wo er die Daten seines Landrechts begründet hat, Einwendungen erheben zu können, und stellt die Ansicht auf, daß

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der Kanzler Westphalen noch das Original der Bewidmung durch Burwy gesehen habe, das vom Jahre 1222 datiert gewesen sei (a. a. O. S. 273).

Auf Grund eigener Einsicht der Originalurkunde Borwin II., sagt Böhlau, hat Westphalen die Zeitbestimmung des Subrektors Thomas (1220) als irrig bezeichnet und das Jahr 1222 substituiert (S. 272). Ist dem wirklich so? Westphalen druckt mon. ined. I. Sp. 2007 ff. septem fragmenta veteris juris Zvverinensis ab, und zwar an erster Stelle jura Suerinensia, quibus Burewinus II. civitatem Gustroviensem donavit a. 1222 d. 25. Octobr. e membranis archivi Gustroviensis. Dazu äußert er sich in der Anmerkung Sp. 2008: putat Fridericus Thomas in analect. Gustroviens. p. 50 . . . . . quod haec donatio facta sit a. 1220, sed minus rede, uti docet charta authentica ipsius donationis de a. 1222, quam sequimur et secuti sunt Latomus in Chron. Meckl. msc. p. 2 a. 1222, 1235 et Chemnitius in Epit. Hist. Meckl. msc. in vita Burewini. ipsa haec juris Suerinensis donatio confirmata est Gustroviensibus a Pribislao III et fratre anno 1228.

So bestimmt und überzeugend dies klingt. so kann doch bei der bekannten Unzuverlässigkeit Westphalens, die größer ist als Böhlau ihm zutraut, ohne Prüfung nicht für bewiesen gelten, daß er das Original, von dem er spricht, gesehen habe. Weder sagt er es mit dürren Worten, noch ist bekannt oder für wahrscheinlich anzunehmen, daß er selbst in Güstrow Forschungen angestellt habe. Weiter gibt er seine Urkunde als Bruchstück, während er andern Falls sicherlich den vollen Wortlaut mitgeteilt haben würde. Durchschlagend endlich ist das Datum, nicht 1222, sondern 1222, Okt. 25.

Thomas hatte unter falscher Abtrennung der Zahlen für die Bestätigung des Stadtrechts das Datuni m cc xx, viij kal. Nov., also 1220 Okt. 25 gewonnen, und nun sollte die Verleihung von m cc xxij ebenfalls viij kal. Nov. datiert gewesen sein? Das wäre ein seltsamer Zufall. Was sagt aber Westphalen in der Anmerkung? charta authentica ipsius donationis de a. 1222, quam sequimur et secuti sunt Latomus . . . et Chemnitius. Schlagen wir Latomus auf (Westph. mon. ined. IV Sp. 204). Da steht: derwegen hat er im folgenden Jahre am 25. Octobris die Stadt Güstrow mit dem Gebrauch des . . . Schwerinschen Rechts belehnet. Am Rande aber nach der auf einer chrono=

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logischen Theorie beruhenden Manier dieses Geschichtschreibers zwei Jahreszahlen: 1222 und darunter 1220. Also 1222 Okt. 25, daneben aber zur Wahl 1220 Okt. 25. Daß von beiden die untere diejenige ist, nach der gewöhnliche Menschenkinder rechnen, zeigt ein Blick auf die vorige Spalte, wo die Gründung Neuklosters (im vorangehenden Jahre) 1221 und 1219 datiert wird. Chemnitz, den Westphalen neben Latomus anführt, ist hier kein selbständiger Zeuge, vielmehr ist so gut wie gewiß, daß er auf Latomus baute, wenn er ihn auch nicht gerade zu der betreffenden Stelle (Westph. mon. ined. II Sp. 1642) zitiert. Zitiert er ihn doch kurz vorher (Sp. 1641) und nachher (Sp. 1644) * )

Demnach scheint mir der Sachverhalt der zu sein, daß Westphalen von Güstrow her die Rechtsartikel "aus dem Originale" erhalten und entweder er selbst oder sein Gewährsmann das Datum des Latomus dazu geschrieben hat. Eine anderweitige Nachricht von einer Bestätigung vom Jahre 1228 verwertete er dann, um über Verleihung und Bestätigung zu unterrichten. So genau nahm man es ja derzeit und auch später ** ) nicht.

Kurz Westphalen hat kein Original Burwys vorgelegen. Dagegen hat Latomus oder sein Gewährsmann das Datum der Bestätigung m cc xx viij kal. Nov. wie Thomas aufgelöst. Latomus hat zwei Jahre an den Rand gesetzt: 1222 und 1220. Seine Nachfolger haben unbesehen das obere gewählt, und so ist das Datum 1222 Okt. 25 zustande gekommen und einem nicht vorhandenen Original zugeschrieben. Eine glaubhafte Nachricht über die Bewidmungsurkunde (die zwischen 1219 und 1226 fallen muß) liegt nirgend vor.


*) In dem handschriftlichen Chron. Megapolense, dem größeren Werke des Chemnitz (Geh. u. Haupt=Archiv Schwerin) zitiert er Latom. 1ib. 2 zu der wörtlichen Abschrift der betr. Stelle über die Gründung Güstrows. (Grotefend.)
**) Vergl. die bestimmte. sicher in gutem Glauben abgegebene Versicherung Bessers (Beitr. I, S. 72), daß die Orig.=Urk. von 1222 Okt. 25 sich im Ratsarchive befinde. Westphalen hatte sie ja daher veröffentlicht, also mußte sie da sein. Ebenso hat Deecke, Jahrb. 10, S. 194-196, Inschriften von Lübischen Grabsteinen drucke lassen, die er einfach aus Melle, nicht aber von den Steinen abgeschrieben hat. Siehe Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 7, S. 59 Anm. Im Grunde ist es auch nichts anderes, wenn Zitate ohne nachzuschlagen weiter gegeben werden.
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Hinzufügen will ich der vorstehenden Auseinandersetzung noch zweierlei, nämlich einmal, daß aus Westphalens Texte nichts zu gewinnen ist (dazu sind der Möglichkeiten zu viele), weiter aber, daß es für Röbel und Penzlin sehr wohl denkbar ist, daß ihre Urkunden auf der Güstrower des Jahres 1228 beruhen und daß aus dieser mit der Arenga die Berufungen auf Burwy von Rostock stammen, daß also diese Stadtrechte keineswegs mit Sicherheit auf die Zeit von 1219 bis 1226 zurückzuführen sind.

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