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VIII.

Die Sternschanze bei Kleinen.

Von

Archivar Dr. Friedrich Stuhr.


N ordöstlich vom Dorfe Kleinen, nicht fern von dem Gabelpunkt der Eisenbahnlinien Kleinen — Wismar und Kleinen — Bützow liegt auf einer mit hohen Kiefern bestandenen Anhöhe am Schweriner See eine alte Befestigung. Im Süden und Osten wird sie von Wiesenflächen begrenzt, die sich an den See und den Schiffgraben anlehnen; im Norden und Süden fällt die Schanzenanhöhe zu festem Ackerland ab. Dichtes Gebüsch bedeckt die Abhänge, sodaß schon zu der Zeit, als der Fahrweg von Kleinen nach Warin unmittelbar an der Schanze vorüberführte (s. Meßtischblatt 845, aufgenommen in den Jahren 1877/79), wenige Vorübergehende auf das Werk aufmerksam geworden sein werden. Aber noch stiller ist es auf der Schanze geworden, seitdem der Weg geradegelegt und durch den Damm der Eisenbahn Kleinen — Bützow von der Schanze geschieden ist. Nur weidendes Vieh betritt sie noch hin und wieder. Und doch knüpfen sich auch an dieses weltvergessene Fleckchen Erde historische Erinnerungen, die einen Besuch der Schanze wohl verlohnen. Man kann sie vom Bahnhof Kleinen aus in 1/2 stündiger Fußwanderung bequem erreichen.

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Die Schanze ist in Form eines regelmäßigen sechsstrahligen Sterns erbaut, wie es die aus der Kartensammlung des Großherzoglichen Archivs stammende Zeichnung verdeutlicht. Sie ist noch heute vollständig erhalten, nur fehlen die Bauten im Innern.

Sternschanze bei Kleinen
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Drei Strahlen sind schmal und spitz, drei Strahlen laden an den Seiten noch etwas aus und verlaufen dann im stumpferen Winkel. Ein Erdwall, der oben abgeplattet ist, umzieht die ganze Anlage; er fällt in den Wallgraben etwa 6 m, nach dem Innern der Schanze etwa 2 m tief hinab. Man betritt die Schanze durch einen auf der Westseite befindlichen Walleinschnitt, in den früher der Weg vom Dorfe Kleinen her einmündete. Die Größenverhältnisse der Schanze entsprechen den Maßangaben auf der Zeichnung.

Um die Zeit der Erbauung dieser Befestigung zu bestimmen, war man bislang im Wesentlichen auf die Form der Anlage angewiesen. Die Schanze ist in Bastionsform aufgeführt, eine Befestigungsart, die in Italien zwar schon im 16. Jahrhundert weit verbreitet war, in Norddeutschland aber, aus den Niederlanden kommend, erst im 17. Jahrhundert üblich ward. So hat in Meklenburg Gerd Evert Piloot sie zur Anwendung gebracht, als er 1618 für den Herzog Adolf Friedrich einen Grundplan der Festung Poel entwarf. Auch der Befestigungsplan von Rostock, der 1624 von Johann v. Valkenburg gezeichnet, aber zum Schaden der Stadt nicht ausgeführt ist, weist einen Kranz von Bastionen aus und in den Jahren 1631-1646 hat Schwerin zu seiner Sicherung eine bastionirte Front vor dem Mühlen= und Schmiedethor erhalten. Daraus ließ sich mit Recht abnehmen, daß auch die Schanze bei Kleinen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts angehören mußte, eine Folgerung, deren Richtigkeit noch durch die Bezeichnung der Schanze im Volksmunde als Schwedenschanze und durch den Charakter der Schrift auf der Zeichnung bestätigt ward.

Aber wozu konnte die Schanze gedient haben? Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß man eine Kunstanlage vor sich hatte, die auf längeren Gebrauch berechnet war. Eine Schanze zu vorübergehender Vertheidigung oder Angriff, wie etwa die Tillyschanze vor Neubrandenburg, wäre nicht in solcher Regelmäßigkeit und Höhe nach bestimmtem Plan erbaut worden. Schlie bringt die Schanze in seinem Denkmälerwerk (II, 295) mit dem alten Schiffgraben in Verbindung und deutet an, daß sie vielleicht berufen gewesen wäre, Ein= und Ausfahrt aus dem Kanal zu schützen oder zu verhindern. Aber abgesehen davon, daß in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Kanal bereits wieder verfallen war und nicht mehr benutzt wurde, wird diese Ansicht doch auch ins Wanken gebracht, wenn man an Ort und

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Stelle sieht, daß die Schanze mehrere hundert Meter von dem Graben entfernt liegt. Es wäre zum mindesten der Platz unzweckmäßig gewählt. Und ebenso wenig will es nach der Lage der Schanze einleuchten, daß sie einem feindlichen Uebergang über den Schiffgraben hat wehren sollen. So würde man denn weiter im Unklaren bleiben, wenn nicht einige vor Kurzem aufgefundene Schriftstücke im Archiv über Bedeutung und genaues Alter der Befestigungsanlage helles Licht verbreiteten.

Am 18. Juni 1638 ertheilte Herzog Adolf Friedrich dem Leutnant Christoph von Kamptz den Befehl, sich nach der neu (also wohl Frühjahr 1638) verfertigten Schanze zu Kleinen zu begeben, und, "weil die Schanze mit beider kriegenden Teile Vorbewust und Belieben dahin gelegt, damit die reisenden Handelsleute zwischen Wismar und Kleinen desto sicherer reisen und, was sie zu Wismar kaufen, zu Schiff vollends anhero (nach Schwerin) bringen können", die Waarenzüge nach Wismar und wieder zurück auf die Schanze zu geleiten. * ) Der Herzog hatte bei der Erbauung der Schanze vor Allem eine bessere Verproviantirung Schwerins im Auge gehabt, wie es denn in einer anderen Verordnung von ihm heißt, daß der Residenzstadt an der Konservation der Schanze zum höchsten gelegen sei.

Die Besetzung der Schanze erfolgte von Schwerin aus. Es stellten der Oberstleutnant Johann Friedrich Eminga und der Major Hartwig v. Reden aus den beiden damals in Stadt und Schloß Schwerin liegenden Kompagnien je 24, zusammen also 48 Mann unter einem Offizier (Leutnant oder Fähnrich), die alle 14 Tage abgelöst werden sollten. Zur Aufnahme des Kommandos war die Schanze, wie sich aus der Zeichnung ersehen läßt, mit einem Offiziershaus von 24 Fuß Front ausgestattet, um das sich im gleichseitigen Dreieck zwei kleinere Häuschen von 12 Fuß Front, vielleicht zur Unterbringung der Unteroffiziere und der Munition bestimmt, und 20 niedrige Mannschaftszelte von je 6 Fuß Breite gruppirten.

Für ihre von Herzog Adolf Friedrich bezeichnete Aufgabe wird die Schanze als zweckmäßig erbaut gelten können. Sie lag gerade vor der Stelle am See, wo vermuthlich die Einschiffung


*) Akten des Geh. und Hauptarchivs, Civ. Schwerin, Militaria. Der Erbauer des Werkes ist vielleicht Gerrit Gerritz (Gerd Gerds), ein Niederländer, gewesen, der um 1638 als Ingenieur in herzoglichen Diensten stand und aus der Renterei besoldet wurde.
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der Waaren stattfand, konnte dabei also wirksamen Schutz gewähren. Ueberdies war das Lager selbst durch die Schanze zu erfolgreichem Kampf gegen herumstreifende Schaaren und Marodeure befähigt.

Daß Kamptz schon die Schanze bezogen hat, ist unwahrscheinlich, weil unter seinem Nachfolger die Einrichtung des Offiziershauses erst beendet wurde. Der am 14. Juli 1638 zum Kommandanten der Schanze ernannte Leutnant Bastian Molstorff fand darin weder Thüren noch Fenster vor und mußte bei der Regierung um Abstellung der Mängel vorstellig werden. Es ward darauf am 29. Juli der Hofglaser Brand Eickhorst beauftragt, die Fenster einzusetzen, und inzwischen dem Molstorff Quartier vom Magistrat zu Schwerin angewiesen. Vor dem August 1638 wird demnach die Besetzung der Schanze nicht erfolgt sein.

Leider wissen wir nichts darüber, wie die Befestigung sich bewährt und zur Sicherung des Verkehrs zwischen Wismar und Schwerin beigetragen hat. Auch wie lange sie bewohnt gewesen ist, vermögen wir nicht zu erkennen. Sehr lange kann es nicht gewesen sein, denn als die Schanze mehrere Jahrzehnte später nochmals aus dem geschichtlichen Dunkel auftaucht, da hatte man nur noch unklare Vorstellungen von ihrer Bedeutung. 1674 ward, nachdem schon mehrere frühere Versuche, die Vichelsche Fahrt wieder zu eröffnen, fehlgeschlagen waren, wieder einmal zwischen Wismar und der Regierung in dieser Sache verhandelt. Da erklärte sich die Regierung u. A. bereit, in Viecheln ein gutes Packhaus zur Niederlage der hin= und hergehenden Waaren zu erbauen, und stellte dabei zur Erwägung, ob es nicht zweckmäßig sei, das Packhaus "in eine daselbst beim See schon befindliche und vermutlich vor vielen Jahren zu diesem Zwecke schon aufgeworfene Redoute" zu legen. 1 ) Und in der Wismarschen Rathssitzung vom 27. Juli 1674 gab der Bürgermeister Caspar Schwartzkopf in seinem Bericht über den Erfolg seiner Schweriner Reise an, daß die Regierung ein Kaufhaus "na bei der gelegenen Schantze" bauen wolle. 2 ) Aber keins von beiden gelangte zur Ausführung. Schon im Frühjahr 1675 lag es in der Luft, daß es bald zum ernsten Kampf zwischen Schweden und Brandenburgern kommen werde, was sich für die Stadt Wismar in einem sinken des Kredits alsbald fühlbar machte. Da ließ man


1) Wism. Rathsarchiv Tit. VI., Nr. 2, Vol. 2.
2) Mekl. Jahrb. X, A 199.
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denn, wie in den Kanalakten des Wismarschen Rathsarchivs am 5. Mai 1675 notirt wurde, das Werk vor der Hand stecken und beschloß auf künftige bessere Zeiten zu warten.

Später ist, soweit man bis jetzt sehen kann, die Schanze zu Kleinen nicht wieder aus ihrer Ruhe aufgestört worden. Sie bleibt aber trotz ihrer kurzen Dienstleistung ein ehrwürdiges Denkmal aus den schlimmsten Jahren des dreißigjährigen Krieges, die mit Verwüstung, Hungersnoth und Pest über das Land dahinzogen.

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