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Fanny Tarnow
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V.

Fanny Tarnow.

Ein Lebensbild

von

Dr. Carl Schröder.

~~~~~~~~~~~~~

E s ist ein langes, an einzelnen Erfolgen nicht armes, aber doch unbefriedigtes Leben, von dem diese Blätter handeln sollen. In Wohlstand und Glanz aufgewachsen, sah sich Fanny Tarnow bald in die bittere Lage versetzt, sich ihr Brot verdienen zu müssen; auf der Höhe ihrer Schriftstellerischen Thätigkeit hatte sie doch zu klagen: "Wenn man nur keine Nahrungssorgen hätte!"

- und sie starb, eine Zweiundachtzigjährige, in Verhältnissen, die von Dürftigkeit nicht weit abstanden. "Ich bin als Schriftstellerin sehr geachtet und beliebt," konnte sie mit Recht von sich sagen; es war die Wahrheit, wenn sie in ihr Tagebuch schrieb: "Ich gelte für eins der geistreichsten Weiber unseres Zeitalters" - und doch gestand sie sich selbst: "Ich bin nicht geworden, was ich hatte werden sollen." Sie hatte wohl Augenblicke, wo sie zufrieden meinte: "So leicht wüßte ich mir kein angenehmeres Leben zu denken wie mein jetziges, - umgeben von gebildeten Menschen, von ihnen werth gehalten, im Besitze ihrer Achtung" - aber häufiger waren die Stunden, wo sie seufzte: "So geht das Leben hin. Es ist das rechte nicht . . . So ohne Ziel und Zweck zu sein, wie ich, das heißt nicht leben, es ist nur ein Lebenstraum." "Ich bin allein!" - das ist der immer wiederkehrende Refrain ihrer Selbstbetrachtungen, ihr tiefster Schmerz. Denn sie hatte von ihren Mädchenjahren an das brennende und doch immer ungestillte Verlangen, einem geliebten Manne sich zu eigen zu geben, im sicheren Schoße des ehelichen und Familienlebens beglückte und beglückende Tage hinzubringen. "Müßte ich als Hausfrau für Mann und Kinder arbeiten, so wüßte ich doch

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am Abend, daß ich mein Tagewerk gethan hätte und Gottes liebes Kind wäre . . . Als Hausfrau würde ich meinen Platz ausgefüllt haben; thätig, umsichtig, verständig und sparsam hätte ich mich erwiesen" - so träumte sie, und wenn sie aus diesen Träumen erwachte und inne wurde, daß sie "kein anderes Geschäft habe als zu schreiben und zu lesen und sich und Andere zu amüsiren" - da fühlte sie sich "matter und matter werdend" und mußte sich schließlich gestehen, "daß sie zu wenig Lebensverhältnissen noch tauge".

Die solche Gedanken und Empfindungen ihrem Tagebuche anvertraute, war am 17. Dezember 1779 zu Güstrow geboren 1 ) als erstes Kind des Johann David Tarnow, der (seit 1776) "immatriculirter Hof=Gerichts=Advocat beim herzoglichen Hof= und Land=Gericht" war und 1777 auf Verwendung seines Stiefvaters, des Landeseinnehmers Sievert, die Stelle als Aktuarius des herzoglichen Stadtrichters in Güstrow bekommen hatte. Von stattlichem Aeußeren und seinem Benehmen hatte der talentvolle, aber mittellose junge Advokat die Hand des Fräuleins Amalie v. Holstein gewonnen, deren Vater, der Landrath und Besitzer von Groß=Lukow Franz Heinrich v. Holstein seit 1761 außerordentlicher Assessor des Hof= und Land=Gerichts in Güstrow war. Im Jahre 1781 wurde Tarnow zugleich Adjunkt seines Oheims, des Stadtsekretärs Andreas Felix Tarnow (gest. 1795), 1785 erhielt er den Titel eines Kommissionsraths. Daß er nicht höher stieg, lag nicht an seinem guten Willen: unermüdlich bat er den Herzog um "Anwartschaftsertheilungen" auf ihm zusagende Stellungen: 1782 die des "Secretarii beym Hof= und Landgericht", 1790 schon kühner die des Postdirektors Stockart in Güstrow, in deroselben Jahre die des Amtshauptmanns Wendt zu Lübz und zugleich um Ertheilung des Charakters eines "Cammerraths", wurde aber allemal abschlägig beschieden.

Das Ehepaar Tarnow, dem in der Folge außer Franziska (die man nur Fanny nannte) noch drei Kinder, zwei Töchter und


1) Die Hauptquelle für Fanny Tarnow's Leben ist das nach deren (jetzt nicht mehr vorhandenen) Tagebüchern bearbeitete Buch ihrer Nichte Amely Bölte: Fanny Tarnow. Ein Lebensbild. Berlin 1865. - An Ungenauigkeiten leiden die biographischen Notizen bei C. W. O. A. v. Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts, 2. Th., Leipzig 1825, S. 354 f., bei H. Groß: Deutschlands Dichterinen und , Schriftstellerinen, 2. Ausg., Wien 1882, S. 40, und bei Goedeke: Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, 2. Aufl., Bd. VI, S. 432. - Ein Verzeichniß ihrer Schriften s. bei Goedeke a. a. O., doch vergleiche unten S. 185 Anm.
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ein Sohn, geboren wurden, hatte sich in der leichtlebigen Stadt Güstrow auf großem Fuße eingerichtet. Der Landrath v. Holstein, der seine Frau, eine geborene v. Lefort, schon vor längerer Zeit verloren hatte, gab nach der Vermählung seiner Tochter seinen Hausstand auf und zog zu dem jungen Paare. Die kleine Fanny, ein kluges, sehr aufgeregtes, leidenschaftliches Kind mit großen leuchtenden dunkelen Augen, ward sein besonderer Liebling. Ihre Entwickelung aber wurde zeitweilig gehemmt dadurch, daß sie, damals vier Jahre alt, aus einem Fenster des zweiten Stockes der elterlichen Wohnung auf die Straße stürzte und sich eine Gehirnerschütterung zuzog. Fanny war gelähmt und begann zu kränkeln. Die Aerzte verordneten einen Landaufenthalt und Fanny wurde nach Möllenhagen geschafft zu einer Kousine ihrer Mutter, Wilhelmine v. Lefort, die dort mit drei unverheiratheten Brüdern hauste. Unter der sorgfältigen Pflege dieser Tante erstarkte ihre Gesundheit, sie lernte langsam wieder gehen und wuchs schnell, blieb aber immer ein Gegenstand des Mitleids und wurde mehr verzogen als erzogen; an einen regelmäßigen Unterricht war nicht zu denken, an Umgang mit gleichaltrigen Kindern fehlte es und eine Betätigung in Kinderspielen verbot ihre Kränklichkeit: so griff sie zur Unterhaltung der Erwachsenen, zu Büchern, und las wahllos, was ihr in die Hände fiel.

Der Aufenthalt in Möllenhagen nahm ein Ende, als Fanny dreizehn Jahre alt war. Die Tante Minna verheirathete sich, bei den drei unvermählten Oheimen konnte das Kind nicht bleiben, und so kehrte Fanny in das Elternhaus zurück, dem sie ebenso wie ihren jüngeren Geschwistern durch die lange Abwesenheit entfremdet worden war. Wie in die Familie, so mußte sie sich auch in das Stadtleben wieder hineingewöhnen, und das letztere wurde ihr nicht leicht. Mit Kindern zu verkehren hatte sie nicht gelernt, von Erwachsenen fand sie sich übersehen: so stand sie ziemlich allein, flüchtete wieder zu den Büchern, die ihre Mutter aus der Leihbibliothek der Stadt bezog, und spann sich in eine phantastische Traumwelt ein. Sie suchte und liebte das Außergewöhnliche, kleidete sich auffallend und erhob, nachdem sie konfirmirt und in die Gesellschaft eingeführt worden war, Ansprüche darauf, beachtet zu werden, was sie vielfach lächerlich erscheinen ließ. sie hielt sich für schön, ohne es doch zu sein. Ihre ewig rege Phantasie zauberte ihr romanhafte Verhältnisse vor; ihr liebeglühendes Herz ließ sie in jedem jungen Mann, der ihr näher trat, einen Freier erblicken, ihre Gedanken beschäftigten

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sich so viel mit ihm, und ihre Träume gaukelten ihr so vertraute Beziehungen zu ihm vor, daß sie sich schnell am Ziel wähnte und sich gekränkt fühlte, wenn Jener, vom Spiel ihrer Phantasie nichts ahnend, ihr beim nächsten Begegnen nur höflich gegenübertrat. Dann schmollte sie wohl mit ihm oder machte ihm Vorwürfe, deren Sinn er nicht faßte, und so kam es leicht, daß der Gegenstand ihrer Neigung sich von ihr abwandte und sie dann über abgerissene Fäden, über Verrath an ihrem Herzen klagte, wo in Wahrheit die Neigung des Anderen sich durch nichts verrathen hatte.

Trotzdem würde sie bei der gesellschaftlichen Stellung, die die Ihrigen einnahmen, vielleicht in einigen Jahren sich verheirathet und in der eigenen Familie die ihr so nöthige innere Ruhe gefunden haben, wenn nicht um diese Zeit die Verhältnisse der Eltern eine Veränderung erlitten hatten, die von traurigen Folgen für Fanny sein sollten.

Der Kommissionsrath Tarnow hatte gleich so vielen Advokaten seiner Zeit 1 ) mehr in einträglichen Geldgeschäften und lohnendem Güterhandel als in der rechtsanwaltlichen Thätigkeit die Quellen seines Erwerbs gesucht. Nun wurde er 1793 mit dem Verkauf des Gutes Neu=Poserin beauftragt und da sich nicht gleich ein passender Käufer fand, übernahm er es einstweilen selbst und verbrachte dort mit seiner Familie den Sommer. Für den Winter nach Güstrow zurückgekehrt, wußte Tarnow das Gut vortheilhaft wieder zu verkaufen, erregte dadurch aber das entschiedenste Mißfallen der Seinigen, die schon fest auf einen neuen Sommeraufenthalt auf dem Lande gerechnet hatten und die Landluft nicht mehr glaubten entbehren zu können. Um sie Zu beschwichtigen, kaufte er ein Gehöft im Amte Güstrow, welches er seiner Frau zu Ehren Amalienhof nannte. Die Freude darüber war groß. Aber Amalienhof hatte nur ein kleines Wohnhaus, das, um die Familie bequem aufzunehmen, erst vergrößert werden mußte, der Garten war bescheiden, kein Park, kein Wald stieß daran - die Familie fand, daß man sich verschlechtert habe. Um den Fehler wieder gut zu machen, pachtete Tarnow die an Amalienhof stoßende Domäne Dalkendorf und wies diese seiner Familie als Sommerquartier an, bis Amalienhof ein neues Wohnhaus erhalten haben würde. Auf seine Beschäftigung beim Stadtsekretariat hatte er schon 1793 verzichtet, nun legte er 1794


1) Ueber die Advokaten in Meklenburg zu Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Boll: Geschichte Mecklenburgs, Bd. II, S. 378 ff.
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auch seine Stellung als Hofgerichtsadvokat nieder und verkaufte sein Haus in Güstrow, um sich ganz der Landwirthschaft zu widmen.

Mit dieser hatte er nun freilich kein Glück. 1796 mußte er Dalkendorf zurückgeben und sich auf Amalienhof beschränken, 1800 konnte er auch Amalienhof nicht mehr halten und gerieth in Konkurs. Wenige Monate zuvor war der Landrath v. Holstein gestorben, das von ihm hinterlassene Vermögen warf seine Tochter in die Masse, um den Bankerott nicht gar zu schimpflich erscheinen zu lassen, und das stimmte die Gläubiger so versöhnlich, daß sie der Frau Tarnow gestatteten, auf Amalienhof so lange wohnen zu bleiben, bis ihr Gatte einen andern Wirkungskreis gefunden habe. In der That erhielt er bald darauf die Stelle eines ritterschaftlichen Einnehmers des Amtes Bukow und nahm seinen Wohnsitz anfänglich in Kröpelin, siedelte aber im Laufe des Jahres 1801 nach Neubukow über.

Fanny hatte zuerst mit Feuereifer an der landwirthschaftlichen Thätigkeit ihres Vaters theilgenommen, als aber die erhofften glänzenden Erfolge ausblieben, kehrte sie zu ihren Büchern zurück und spann sich wieder in ihre luftigen Zukunftsträume ein. Aus diesen sah sie sich nun freilich durch die Katastrophe ihres Vaters unsanft auf den harten Boden der Wirklichkeit versetzt. Daß ihres Bleibens im Elternhause nun nicht sein dürfe, leuchtete ihr ein. Was der Vater verdiente, reichte kaum hin zur Bestreitung der Lebensbedürfnisse der verwöhnten Eltern, der beiden Schwestern und des Bruders, der 1797 Sekondlieutenant im meklenburgischen Militär geworden war. Fanny mußte sich selbständig zu machen suchen, und die Verbindungen ihrer Familie verschafften ihr bald eine Stelle als Erzieherin im Hause eines Herrn v. Schmiterlöw auf Neparmitz auf der Insel Rügen. Noch bevor ihre Mutter Amalienhof verlassen hatte, gieng Fanny an den Ort ihrer Bestimmung ab.

In einer Stelle ihres Tagebuches aus der Dresdener Zeit hat sich Fanny die Gabe Kinder zu erziehen abgesprochen. Vielleicht täuschte sie sich in dieser Beziehung über sich selbst, wenigstens ist sie vier Jahre in ihrer Stellung in Rügen geblieben, sorgsam an der Bildung der ihr anvertrauten Kinder wie an ihrer eigenen Weiterentwickelung arbeitend. Schmerzlich empfand sie freilich das Einerlei ihrer Tage. Fern von den Ihrigen fühlte sie sich doppelt liebebedürftig. In dieser Verfassung lernte sie den jungen unverheiratheten Lehrer des Ortes

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kennen, in dem sie ein Verlangen nach höherer geistiger Entwickelung zu bemerken glaubte. Sie lieh ihm gern an Büchern, was sie selbst besaß, sie war seine Begleiterin auf weiten Spaziergängen, sie gewöhnte sich an seine Gesellschaft und spielte mit dem Gedanken, wie es wohl sein würde, wenn sie zu ihm herabfliege in seine bescheidenen Verhältnisse und ihr Loos an das seinige kettete. Daß er sie liebe, daß er in ihr das Licht seines Lebens erblicke, daß nur die Scheu vor ihrer überlegenen Geistesbildung ihn hindere, seine Gefühle für sie offen zu bekennen - das stand ihr außer Frage, und sie war fest entschlossen, ihm das Opfer zu bringen. Wer beschreibt nun ihr Entsetzen, als eines Tages der junge Mann ihr ganz unbefangen ankündigte, daß er sich mit einem Landmädchen verlobt habe, das ihm ein paar hundert Thaler mitbringe und ihm sein Hauswesen gut versorgen werde. Fanny war sprachlos. Sie fühlte sich in tiefster Seele gekränkt und beleidigt, sah den nichts Ahnenden mit einem unbeschreiblichen Blicke an und ließ ihn stehen.

Die ihr hier geschlagene Wunde vernarbte schnell. Tiefer und nachhaltiger war ein anderer Liebesschmerz, den Fanny jahrelang mit sich herumtrug und mit dem sie - man kann es wohl nicht anders ausdrücken - zu kokettiren liebte. Sie hatte im Jahre 1802 Ernst Moritz Arndt kennen gelernt, der, in Rügen geboren, damals als Dozent in Greifswald lebte und nach kurzem Eheglück 1801 Wittwer geworden war. Daß eine Persönlichkeit wie Arndt auf Fanny's leicht entzündbares Herz tiefen Eindruck machte, ist begreiflich. Zu einer mehr als oberflächlichen Bekanntschaft zwischen Beiden kam es anscheinend nicht, aber Fanny phantasirte sich, wie das so ihre Art war, in eine heiße Liebe zu Arndt hinein, die von diesem wahrscheinlich gar nicht bemerkt wurde. "Warum mußte in Arndt mir der einzige Mann erscheinen, dem ich mich ganz hätte hingeben mögen?" - So sprich sie, nachdem sie Rügen bereits verlassen hatte, in ihr Tagebuch; sie war hochbeglückt, als Arndt, dem sie beim sammeln von Subskribenten auf die Sammlung seiner Gedichte (1811) behülflich gewesen war, einen freundlichen Brief an sie richtete: "Mein Herz war den ganzen Tag reiner Harfenton, der in jeder Empfindung leise wechselte, - ich war sehr glücklich - aber ich mußte vor Freude, Dank und Rührung viel weinen." Sie antwortete ihm in einem langen, sehr hübschen Briefe, der aber in dem Empfänger unmöglich die Vorstellung hätte wecken können, daß die Schreiberin eine glühende Liebe für ihn gehegt habe. War es vielleicht aus diesem Grunde, daß sie,

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nach einer Bemerkung ihres Tagebuches, unzufrieden mit ihrem Briefe war? Daß sie Arndt später, als sie Schriftstellerin geworden war, mit einer Rolle in ihrer "Natalie" bedachte, dem Roman, der die intimsten Selbstbekenntnisse enthält und in dem sie sowohl dem Ganzen wie einzelnen Abschnitten Aussprüche von Arndt als Motto vorsetzte, ist nicht erstaunlich. "Wird Arndt das Buch lesen?" fragte sie sich, "und wird er sich sagen: ja, sie hat mich geliebt und ich habe sie verkannt? Wird er Reue empfinden?" Immer wieder kam sie in ihren Briefen auf ihr eingebildetes Verhältniß zu Arndt zurück. Als sie gehört hatte, daß Arndt in Begleitung einer Baronin Munck in die Schweiz gegangen sei - wovon die Biographen Arndts nichts berichten - Schrieb sie an Rochlitz: "Das Gefühl, von Arndt nicht so zart behandelt worden zu sein, als mein Herz glaubte es um ihn verdient zu haben, hat mich in einer Art und in einem Grade erschüttert, für das ich früher keinen Maßstab hatte, und ich habe bis aufs Aeußerste gekämpft, ehe ich mir eingestanden habe, daß dem so sei. Jetzt, wo ich auf den Punkt früherer Resignation zurückgekommen bin, jetzt, wo nur noch ein stiller Schmerz in meiner Seele ist, wo ich ohne Heftigkeit, ohne Bitterkeit gegen mich still in dem Gefühle versenkt lebe, ihn mit voller Wahrheit geliebt zu haben, jetzt bitte ich sie, mein edler Freund, verkennen sie mich nicht in dem Ungestüm, den vielleicht mein letzter Brief ausgesprochen hat . . . Jch weiß freilich nicht mehr, was ich Jhnen letzthin geschrieben habe - aber es quält mich, daß es verworren gewesen sein muß, weil ich mich durchaus nicht überwinden konnte, Jhnen zu gestehen, daß ich mich von Arndt verletzt fühlte. Jch trage das jetzt still und ruhig - ein solches Unrecht lastet nur auf ein weibliches Herz als Schuld. - Arndt ist als Mann, als Bürger und Mensch so trefflich, so durchaus achtungswerth und edel, daß mein Geschick auch nicht den leisesten Schatten auf sein Bild werfen kann. - Und hätte er mich selbst da zertreten, wo er jetzt nur kalt vorüberging, so käme das nicht in Anschlag - was bin ich, ich armes, unbedeutendes, geknicktes Wesen neben solchem Manne? - Es gab einst eine Zeit, wo ich wähnte, auch den edelsten Menschen durch meine Freundschaft ehren zu können - aber wie lange ist das her! und welchen Spott hat das Schicksal mit diesen stolzen Träumen getrieben!" - Noch im Jahre 1836 schrieb Fanny an Gustav Kühne: "Wenn Sie meine Natalie gelesen haben, so wissen Sie, wie ich E. M. Arndt in meiner Jugend geliebt habe. Zehn Jahre lang war mein Leben ein stiller Gottesdienst

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dieser Liebe; da erfuhr ich, mein Jdeal sei nur ein Jdol gewesen." -

Es war nicht eine Unzufriedenheit mit den sie umgebenden Verhältnissen, sondern die Sehnsucht nach der Heimath, der Wunsch, ihrer Mutter nahe gerückt zu sein, was Fanny bewog, gegen das Jahr 1804 nach Meklenburg zurückzukehren. Sie fand zu Hause manches verändert: ihre Schwester Amalie hatte sich verheirathet mit dem Bürgermeister Johann Christoph Bölte in Rehna (gest. 18. Mai 1827), die jüngste, Betty, eben erwachsen, war allein noch um die kränkelnde Mutter; den Vater hatte das selbstverschuldete Unglück mißmuthig und verdrießlich gemacht, er verkehrte wenig mit seiner Familie. An Umgang fehlte es den Frauen nicht; besonders eng hatten sich die Beziehungen der Frau Tarnow zu der Landräthin v. Oertzen in dem nahen Roggow gestaltet, dort war auch Fanny bald ein häufiger und gern gesehener Gast, von der Landräthin wurde sie mit mütterlichem Wohlwollen behandelt, mit der Erzieherin der jüngeren Töchter, einer Französin Namens Charlotte Hochecorne, schloß sie eine enge Freundschaft. Aber so angenehm diese Verhältnisse waren, Fanny mußte doch wieder auf einen Erwerb bedacht sein und entschloß sich, eine Stelle als Erzieherin anzunehmen, die ihr in Rohlstorf im Hause des Herrn Christian Friedrich v. Both angeboten wurde, eines Mannes, der von seiner Frau, einer geborenen v. Barner, getrennt lebte und von seinen vier Kindern zwei Töchter, Sophie und Charlotte, bei sich hatte. Die Beziehungen zu Herrn v. Both wie zu dessen bei ihm lebendem unvermähltem Bruder Fritz, anfänglich förmlich und kalt, gestalteten sich bald freundlicher, als die Brüder, nicht ohne Sinn und Verständniß für Litteratur und Kunst, die ungewöhnlichen Eigenschaften der neuen Hausgenossin erkannten. Gemeinsames Lesen neuer Dichtwerke füllte die Abende, zu den Festen und Bällen, die im Winter den Landadel nach dem benachbarten Wismar führten, wurde Fanny mitgenommen, und es gelang ihr bald, sich in der dortigen Gesellschaft ihren Platz zu sichern. Zum Besuche des Rostocker Pfingstmarktes wurde ihr ein Urlaub gewährt, sie traf dort mit der Landräthin v. Oertzen zusammen, konnte mit ihrem in Rostock in Garnison stehenden Bruder verkehren und die lange entbehrten Vergnügungen einer größeren Stadt genießen. Herr v. Both trieb die Aufmerksamkeit so weit, Fanny's Mutter zum Besuche nach Rohlstorf einzuladen - kurz Fanny begann sich recht wohl zu fühlen und konnte sich der Täuschung hingeben, als sei sie der Mittelpunkt dieses Familienkreises.

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In diese Zeit fallen auch Fanny's schriftstellerische Anfänge. 1 ) Sie war darauf verfallen, Beurtheilungen neu erschienener Bücher und Aufsätze, die sie in stillen Stunden niedergeschrieben hatte, anonym durch Vermittlung der Stillerschen Buchhandlung in Rostock an verschiedene Zeitschriften einzusenden, und die wohlwollende Aufnahme, die diese Erzeugnisse ihrer Feder in den Redaktionsstuben gefunden hatten, ermuthigte sie nun mit einer größeren Erzählung "Allwina von Rosen" hervorzutreten. Sie sandte das Manuscript an Friedrich Rochlitz, der mit Wieland, Schiller und Seume das "Journal für deutsche Frauen" herausgab und konnte einige Zeit darauf in ihrem Tagebuch vermerken: "Der gestrige Tag war zu Ueberraschungen bestimmt. Spät Abends kam noch ein Brief mit einem R. im Petschaft; vorahnend öffnete ich ihn und fand, daß er von Rochlitz sei. Zum Anfang meiner schriftstellerischen Laufbahn brachte er mir den Kranz, welchen am Ziele zu finden ich mir kaum schmeichelte. Eine Badereise hatte ihn abgehalten, meine Allwina früher zu lesen; - er nennt sie meine seelenvolle treffliche Allwina, die er unter das schönste zähle, was nur jemals in Deutschland geschrieben sei. Wenn er sich hierin irre, so müßte sein Urtheil von seiner Empfindung bestochen worden sein, und das glaube er nicht befürchten zu dürfen. . . Grundsätzlich ermuntere er nie eine Dame zum Schreiben; ich sei die Zweite, der er seinen Glückwunsch sende und die Hand biete." Ihre Freude über diese Zuschrift wird man Fanny nachempfinden können. Die "Allwina" erschien wirklich in dem genannten Journal, fand vielen Beifall, und damit war der erste Schritt gethan auf einer Lauf=


1) Die Angabe bei v. Schindel a. a. O. S. 356, 359, die leider auch Goedeke a. a. D. übernommen hat, daß Fanny Tarnow in der Neuen Monatsschrift von und für Meklenburg, Jahrg. 1794 und 1795 "kleine Lieder und Aufsätze; auch über die Einführung eines neuen Gesangbuchs, von einem alten Landprediger" veröffentlicht habe, ist ganz thöricht. Einmal versichert Amely Bölte S. 50 ganz ausdrücklich, daß Fanny erst in Rohlstorf, und zwar um das Jahr 1804, angefangen habe zu Schriftstellern. Sodann ist es mehr als naiv anzunehmen, daß die Redaktion einer ernsthaften Zeitschrift, wie es die Neue Monatsschrift ist, über die Frage "Wie wir hier in Mecklenburg gar leicht zu einem neuen Catechismus und Gesangbuch kommen können" (denn so, und nicht wie Schindel angiebt, lautet der Titel des Aufsatzes im Jahrg. 1794 S. 311 ff.) einem dreizehnjährigen Mädchen das Wort ertheilt haben sollte. Der Aufsatz ist unterzeichnet - T. Gesetzt nun wirklich, der abgekürzte Name bedeute Tarnow, so könnte nur der 1812 gestorbene Oheim Fanny's, der Pastor Andreas Friedrich Tarnow in Klaber in Frage kommen. Vgl. F. Walter: Unsere Landesgeistlichen von 1810-1888. Penzlin 1889, S. 136.
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bahn, auf der Fanny noch viele Erfolge erringen und doch, Alles in Allem, keine volle innere Befriedigung finden sollte.

Es ist unnöthig und würde ermüden, hier von dem Inhalt der vielen einzelnen Werke Fanny's zu reden. Ihre Erzählungen sind durchaus Kinder ihrer Zeit, einer Zeit, die im Ganzen nicht zu den erfreulichsten Perioden der deutschen Litteratur zählt und in der zuerst die Frauen in großer Anzahl auf dem Plan erscheinen. Die fast unübersehbare erzählende Litteratur dieses Zeitraums kennt kaum einen anderen Zweck, als für müßige Stunden eine leichte Unterhaltung zu bieten. Kleine, aus dem Alltagsleben geschöpfte Vorgänge bilden den Hauptinhalt dieser Romane, Novellen und Erzählungen, die meist aller großen Gesichtspunkte ermangeln; mehr oder minder geistreiches Gerede soll über die Erfindungsarmuth hinwegtäuschen. Zu dieser Gattung gehören im Ganzen auch die Schriften von Fanny Tarnow; meist sind es Erzählungen, für die Wolfgang Menzel das bezeichnende Wort "Entsagungsromane" gefunden hat: ein edles Mädchen liebt, aber sie opfert die Befriedigung ihrer Neigung einer höheren Pflicht der Ehre auf und entsagt freiwillig; oder sie liebt, wird verrathen und rächt sich durch edelste Großmuth. Aber innerhalb dieses Genres ragt Fanny Tarnow hervor. Zwar sind auch bei ihr, wie sie selbst erkannte und bekannte, Neuheit und Reichthum der Erfindung die schwache Seite, aber in der psychologischen Entwicklung übertrifft sie die meisten ihrer schriftstellernden Mitschwestern. Eine gewisse kräftige Anlage ist unverkennbar; die Tugend erscheint bei ihr am anspruchlosesten, die Zärtlichkeit am wenigsten durch Prüderie bemäntelt. Im Mittelpunkt der Handlung steht in der Regel ein natürlich fühlendes, zärtlich gestimmtes Mädchen, das durch die Art, wie es sein Unglück edel erträgt, eines besseren Glückes werth zu sein beweist und uns ein herzliches Mitleid einflößt. In allen ihren Erzählungen steckt ein gutes Stück von Selbstbekenntnissen und Selbsterlebtem, und das bewahrt sie vor dem Schattenhaften und Wesenlosen so vieler anderer Werke jener Zeit; ihre Helden und Heldinnen sind lebendige Personen von Fleisch und Blut, mit denen man verkehren kann. Fanny selbst sah den Hauptwerth ihrer Schriften darin, "daß sie das Eigenthümliche weiblicher Sinnes= und Empfindungsweise in der vollen Wahrheit des selbstgedachten und selbstempfundenen aussprechen" - man wird diese Selbstkritik als treffend anerkennen müssen und begreifen, daß die Verfasserin Jahrzehnte hindurch eine Lieblingsschriftstellerin der weiblichen Lesewelt war.

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Als Fanny die erwähnte Zuschrift von Rochlitz erhielt, hatte sie bereits von einer zweiten größeren Erzählung oder einem Roman, wie man will, "Natalie" betitelt, einen Theil vollendet. Sie gieng jetzt ihr Manuscript noch einmal wieder durch und suchte das, was Rochlitz an der "Allwina von Rosen" gerügt hatte, zu verbessern; dann ließ sie die Blätter von einer Freundin zur andern gehen, damit deren Beifall oder Tadel ihrem eigenen kritischen Urtheil zu Hülfe komme. Was diese daran aussetzten, wurde abermals ausgemerzt, und nun erst unterbreitete sie das Werk den Augen eines männlichen Richters. Am Neujahrstage 1807 sandte sie den ersten Theil der "Natalie" an Rochlitz mit einem langen freundschaftlichen Brief, 1 ) an dessen Schluß es heißt: "Wenn sie einmal eine Stunde übrig haben, so bitte ich Sie die beigehenden Blätter zu lesen. . . Verübeln Sie mir diese Bitte nicht - Sie sind der Einzige zu dem ich das Vertrauen habe ihn um Belehrung zu bitten und wenn der Zirkel meiner kunstrichterlichen Bekannten auch noch so groß wäre, möchte doch wohl schwerlich Einer darunter sein, dessen Beifall mich so freuen, dessen Tadel mir so nützlich sein würde, als es mir der Jhrige ist. Wenn dieser Brief nicht schon so lang wäre, würde ich Jhnen Einiges über den zweiten Theil sagen, den ich schon ganz fertig im Kopfe habe. Mir ist diese Natalie lieb und sie muß es mir im zweiten Theil noch mehr werden - aber wenn Sie Jhnen mißfällt, wird es mir weiter keine Ueberwindung kosten sie zu vernichten." Wie ehrlich dieser letzte Satz gemeint ist, bleibt dahingestellt, denn wohl keiner ihrer Romane war Fanny so ans Herz gewachsen wie dieser. "Es sind stellen darin," schrieb sie in ihr Tagebuch, "die ich unter heißen Thränen geschrieben habe und die ich nie ohne Thränen werde lesen können. Jch bin nicht Natalie, - ihr Leben ist nicht das meinige - und doch kennt der, der sie gelesen hat, mein inneres Leben genauer, als Jemand, der Jahre lang mit mir, so wie ich jetzt bin, verkehrt."

Indessen verstrichen Jahre, bis die "Natalie" vollendet vorlag. Die Zeit war ruhigem, gesammeltem Arbeiten nicht günstig. Nach der Schlacht bei Jena drangen fliehende preußische Truppen, von den Franzosen verfolgt, in das neutrale Meklenburg ein, welches nun mit in das Verderben hineingerissen wurde. Kämpfend durchzog Blücher's Corps einen großen Theil des Landes und mußte am 7. November 1806 bei Ratkau die Waffen strecken;


1) Brief in meinem Besitz.
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an demselben Tage wurde der preußische General v. Usedom bei Wismar geschlagen. Die Franzosen häuften in Meklenburg wie in einem eroberten Lande, das 29. Bulletin der französischen Armee constatirte kaltblütig: "Meklenburg ist gleichmäßig von den französischen und preußischen Truppen verwüstet." Am 27. November rückte die Vorhut des VIII. französischen Armeecorps in das westliche Meklenburg ein, an demselben Tage übergab der bei den niedersächsischen Ständen beglaubigte französische Minister Bourrienne in Schwerin eine Note des Inhalts, daß Meklenburg von Frankreich nicht als neutrales Land angesehen werde, sondern wegen der Hülfe, die es den Feinden Frankreichs im dritten Koalitionskriege geleistet habe, so betrachtet werde, als wenn es mit denselben gemeinschaftliche Sache gemacht habe; am 28. nahm der General Michaud auf Befehl des Marschalls Mortier im Namen des Kaisers Napoleon Meklenburg=Schwerin in Besitz; am 13. Dezember traf General Laval als Gouverneur des Landes in Schwerin ein, am 8. Januar 1807 verließ der Herzog mit seiner Familie das Land und begab sich nach Altona. "Aller Herzen und Thränen begleiten ihn und Tausende unter uns würden mit Freuden den ärmlichen Rest ihrer geretteten Habe hingeben, um sein Schicksal zu erleichtern," schrieb Fanny und sprach damit allen ihren Landsleuten aus der Seele. Zwar wurde auf Verwendung des Kaisers Alexander im Tilsiter Frieden der Herzog in seine Staaten wieder eingesetzt und hielt am 11. Juni seinen feierlichen Einzug in Schwerin, aber bis zum Juni 1808 behielten die Seehäfen französische Garnisonen. 1809 durchzog Schill das Land; als seine Schaar auf dem Marktplatz in Wismar lagerte und Schill zu den seinen redete, befand sich unter der zuschauenden Menge auch Fanny Tarnow mit ihrer Freundin, der Schwester von Friedrich Christoph Dahlmann. "Mir ward wohl bei seinem Anschauen," berichtet sie in ihrem Tagebuch. "Jch stand lange neben ihm. . . Sein Blick faßte mich - es war ein Geistesgruß." Mit leidenschaftlicher Theilnahme verfolgte sie die weiteren Schicksale des Schill'schen Corps und schrieb, als dasselbe in den Straßen von Stralsund geendet hatte, wie vernichtet: "Schill ist todt - mit ihm fielen seine Braven. Keiner wollte den tapferen Anführer überleben. Warum kann ich nicht Blut statt Thränen weinen!" 1810 ließ Napoleon Meklenburg wieder besetzen, auch im folgenden Jahre wurde das Land nicht frei von ab= und zuziehenden fremden Truppen, im Frühjahr 1812 begann der Durchmarsch starker Corps, die sich gegen Rußland in Bewegung setzten, und im

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März brach auch das Kontingentsregiment dahin auf, von dem am Schlusse des Jahres nur ein paar Offiziere - darunter Fanny's Bruder - und nicht viel mehr Mannschaften beisammen waren. Am 14. März sagte der Herzog Friedrich Franz als der erste der deutschen Fürsten sich vom Rheinbunde los, am 25. März rief er sein Volk zu den Waffen; zwar mußte er im August nach Stralsund flüchten und die Hauptstadt seines Landes Davout und seinen Schaaren überlassen, aber im Herbst war Meklenburg wieder frei, seine Truppen kämpften jenseit der Grenze mit für Deutschlands Befreiung.

Die ganze Zeit der Erniedrigung und der Erhebung verlebte Fanny Tarnow in Meklenburg. Ihre Tagebuchblätter beweisen, daß sie ein Bewußtsein hatte von dem, was um sie her vorging. Trat ihr doch auch manches persönlich nahe. Bei dem ersten Einrücken der Franzosen waren ihre Eltern geflohen, sie wußte nicht wohin. Auch Fritz v. Both hatte das Weite gesucht, sein Bruder sah sein Rohlstorf geplündert und mit schwerer Einquartierung belegt; Fanny hatte ihr Zimmer räumen müssen, "an meinem friedlichen Schreibtisch," schrieb sie, "ruhen nun die Adler des Bataillons." Zwar die Einquartierung war nicht von Dauer, aber ungeheure Lieferungen für die Truppen wurden dem Lande auferlegt, der allgemeine Druck ließ auch in Rohlstorf kein rechtes Behagen aufkommen. Immerhin hatten die traurigen Zeitläufte das Gute, daß sich zusammenschloß, was zusammengehörte, daß die Bande der Familien und Hausgenossenschaften sich enger zogen, die Glieder des Hauses einander näher traten, als sonst wohl geschehen wäre. Fanny hatte trotz ihrer gelegentlichen Heftigkeit die Herzen ihrer beiden Zöglinge gewonnen; Herr v. Both hatte sich an ihre Gesellschaft so gewöhnt, daß er sie nicht mehr entbehren mochte, mit seinen Schwestern, der Frau v. Behr auf Greese, der Frau Oberstleutnant v. Preen in Wismar und der damals noch unverheiratheten Susanne v. Both, die sich oft Wochen lang in Rohlstorf aufhielt, stand sie auf dem vertraulichsten Fuße. Eine verständige Tageseintheilung gestattete ihr einige Stunden des Tages für sich zu erübrigen. Sie las viel, wieder ziemlich wahllos, damals griechische Dichter und Prosaiker, mit rührendem Eifer; sie war von den Reden des Lysias begeistert, erhob sich die Seele an Plato, aber schämte sich der Lektüre des Aristophanes "gerade so als wenn sie in schlechter Gesellschaft von einem Bekannten getroffen würde". Ihrer Feder gönnte sie mehr Ruhe - es entstanden zwar kleine Sachen wie "die Jllusionen" und

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"Lucie", aber "Natalie" rückte ihrer Vollendung nur langsam näher.

Für Fanny's damalige Stimmung ist bezeichnend, was sie um jene Zeit ihrem Tagebuch anvertraute:

"Es giebt Stunden, in denen man den Blick tief in sein Inneres richtet - solche Stunden sind jetzt keine Seltenheit für mich und jede verschönert und erheitert mir den Genuß meiner inneren Ruhe."

"Frieden mit der Vergangenheit, Zufriedenheit mit der Gegenwart, heiteres Vertrauen auf die Zukunft - wie genieße ich das Alles doppelt durch die kindliche Dankbarkeit, durch die allerinnigste Liebe gegen den, der es mir gab. Um keinen Preis möchte ich mein jetziges Alter wieder gegen die Jugend vertauschen, deren Verlust ich seit meinem achtzehnten Jahr nicht überleben zu können meinte."

"Unruhiges Streben, schmerzliche Sehnsucht zehrten stets an mir und raubten mir allen Frohsinn. Jch wollte das Gute, wollte es um jeden Preis, ohne alle Rücksicht auf Glück; zugleich aber hegte ich in mir ein Jdeal von Mädchenwürde und Mädchenreiz, das ich im Aeußern wie im Innern darzustellen bemüht war, und in dem Bestreben, es zu erreichen, gieng mir die naive Unbefangenheit verloren. Jetzt hat sich mein Charakter gebildet und ich lasse mich frei gehen. Früher wünschte ich zu gefallen, wie jedes Mädchen es wünscht, jetzt erlasse ich mir die Anstrengung, es zu wollen: es kommt von selbst. Jch genieße im ganzen Kreise meiner Bekannten die größte Achtung, man weist mir eine Stellung an, wie meine Verhältnisse sie nicht begehren durften, alles will mir wohl und das beglückt mich."

"Die schmerzende, zerstörende Sehnsucht nach Liebe schweigt. Mein Herz ist nicht kälter geworden, sondern es schlägt ruhiger. . . Jch danke Gott jetzt, daß er mich ehelos ließ, denn ich sehe in jeder Ehe eine Beschränkung der inneren Bildung, die ich jetzt ungestört zum höchsten Zwecke meines Lebens machen kann und die in einer Verbindung mit einem Manne - so wie die Männer sind - gehemmt werden muß."

"Dieser ungestillten Sehnsucht verdanke ich es, meinen Pflegebefohlenen mein ganzes Herz widmen zu können, das jetzt in dieser Liebe eine Befriedigung sucht und findet." -

Der Aufenthalt in Rohlstorf nahm ein unerwartetes Ende, es traten andere Aufgaben an Fanny heran. Frau v. Preen erkrankte schwer, und als sie ihr Ende kommen sah, sprach sie Fanny den Wunsch aus, diese möge sich nach ihrem Tode ihrer

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Kinder annehmen. Bald darauf lief die Nachricht von ihrem Hinscheiden (27. Dezember 1807) ein, und Herr v. Both mußte es geschehen lassen, daß Fanny Tarnow nach Wismar zu seinem Schwager zog.

Ihre neue Lage bot große Schwierigkeiten. Von den ihrer Obhut anvertrauten Kindern entwirft sie ein unerfreuliches Bild, sie begegneten ihr kalt, ja unfreundlich. Das ängstigte und quälte Fanny, ihre Stimmung war nicht mehr die innerlich befriedigte, wie in Rohlstorf. Dafür boten manche Annehmlichkeiten ihrer Stellung als Vertreterin der Frau vom Hause, die Bälle, Assembleen, Liebhabertheater und sonstigen gehäuften Vergnügungen, in denen sich jene Zeit besonders gefiel, als wollte sie sich berauschen und so hinwegtäuschen über das Elend des Vaterlandes - dafür bot das alles keinen vollen Ersatz. "Meine gesellschaftliche Stellung," lesen wir in Fanny's Tagebuch, "ist beneidenswerth, man sucht mich, vergöttert mich, bewundert mich, allein Liebe werde ich, so wie ich hier stehe, Niemand einflößen, es sind die Annehmlichkeiten meines Geistes, welche man bei mir sucht, sonst nichts. Und welchen Werth hat Bewunderung, wenn wir auf Liebe verzichten müssen." Bisweilen floh sie auf einige Tage nach Roggow zu der geliebten Frau v. Oertzen und fand dort momentan den Frieden wieder, allein dann kehrte das alte Unbehagen mit doppelter Gewalt zurück. Ihre Erholung waren die spärlich gemessenen Stunden, in denen sie lesen und schriftstellern konnte: "Bianca" und "Fanny Buttler", auch die "Blätter aus dem Nachlaß einer Frühvollendeten" und kleinere Sachen entstanden um diese Zeit und fanden willige Aufnahme in verschiedenen der zahllosen belletristischen Zeitschriften, Taschenbücher und Almanachs jener Tage. Aber Fanny betrachtete diese litterarische Thätigkeit nur als ein Nebenher; sie war damals noch weit entfernt davon zu denken, daß sie die Schriftstellerei je als Beruf betreiben könne. "Es ist gut," heißt es in ihrem Tagebuch, "daß meine Lage mich vom Schriftstellern abgehalten hat, denn ich tauge nicht dazu, ich habe kein schaffendes Genie, keine neuen Jdeen, es ist alles nur angeeignet. Das Interesse an Gegenständen zur Uebung der Denkkraft ist in mir, aber die Resultate derselben vermag ich nur anzunehmen, nicht hervorzubringen. Das Angeeignete kann ich aber, gut eingekleidet, für Andere wieder darstellen. Anders ist es mit dem, was sich auf Empfindungen bezieht! Hier bin ich Reich in mir selbst, durch mich selbst. Was ich denke, denke ich mir durch Empfindungen, und was ich nicht auf diesem Wege weiß, ist todtes Kapital." -

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Zu Anfang des Jahres 1811 schloß Herr v. Preen eine zweite Ehe, und damit war Fanny wieder auf sich selbst gestellt. Was sollte sie nun beginnen? Erspart hatte sie nichts in den zehn Jahren, seit sie von Hause gegangen war. Sie mußte also einen neuen Wirkungskreis suchen, ohne Neigung ihn suchen, bloß um das Leben zu fristen. Kein Wunder, wenn eine tiefe Muthlosigkeit sich ihrer bemächtigte. Ein Lichtblick in dieser trüben Zeit war es, daß Eduard Hitzig, der bekannte Schriftsteller und Kriminalist, der damals einige Jahre hindurch Besitzer einer Buchhandlung in Berlin war, in artigster Weise sich bereit erklärte, den Verlag ihrer "Natalie" zu übernehmen. So bot sich denn doch eine Aussicht. Fanny reiste nun zunächst zu verschiedenen Freunden, und nach einiger Zeit fand sie auch wieder eine Stellung als Erzieherin im Hause des Herrn Johann Andreas v. Müller auf Rankendorf, der den Winter in Lüneburg zu verleben pflegte und nur den Sommer auf seinem Gute zubrachte. Zu Pfingsten 1811 siedelte Fanny dorthin über.

Der Eintritt in diese Stellung in Rankendorf bedeutete für sie nun freilich ein Herabsteigen von früherer Höhe. In Rohlstorf wie in Wismar hatte sie die fehlende Hausfrau zu ersetzen gehabt, hier war sie nur die Erzieherin, die keine besonderen Rechte beanspruchen durfte. Man behandelte sie mit Güte, ihre Schülerin Adolphine wurde ihr sehr lieb, gleichwohl fühlte sich Fanny in diesem glücklichen Familienkreise unbehaglich, sie kam sich hier überflüssig vor. So zog sie sich denn gern zu ihren Büchern und an ihren Schreibtisch zurück. "Natalie" wurde nun vollendet; Fanny schrieb den zweiten Theil in wenigen Wochen nieder, "unter strömenden Thränen" wie sie sagt; sie nannte den Roman als litterarisches Produkt werthlos, meinte aber doch, er müsse, weil aus dem Herzen geflossen, auch zum Herzen sprechen; "ich habe nicht Nataliens Reize," schrieb sie in ihr Tagebuch, "nicht ihren Geist, nicht ihre Talente, aber ich habe ihr mein Herz und meine Liebe gegeben." Sie zitterte vor dem Tage, wo das Buch erscheinen sollte; als sie die ersten Exemplare erhielt, war sie sehr unzufrieden mit sich selbst, fand sich durch "die fehlerhafte Zusammensetzung des Ganzen und eine gewisse Ueberladung des Stils" unangenehm berührt, "kurz," schrieb sie, "meine Freude daran ist mir verkümmert worden!" Aber sie tröstete sich angesichts der glänzenden Aufnahme, die das Werk in der Lesewelt fand. Das sei kein Buch, schrieb ihr Hitzig das sei ein Herz. und welch ein Herz! Mit Befriedigung las sie eine begeisterte Rezension der "Natalie" aus der Feder

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Fouqué's, der sich dahin äußerte, daß er die Verfasserin unbekannter Weise wegen dieses Buches liebe. Auch Rochlitz, ob er gleich mancherlei Bedenken aussprach, meinte doch: er könne das Buch als Buch nur loben, er würde davon als von einer der interessantesten Erscheinungen unserer Litteratur tief ergriffen worden sein, auch wenn er die Verfasserin nicht gekannt hätte. Nun trat man auch von allen Seiten an sie heran und verlangte von ihr Beiträge für Zeitschriften: Cotta warb sie zur Mitarbeiterin an seinem hochangesehenen "Morgenblatt", Fouqué wünschte ihre Theilnahme an seinem Almanach. Wie hätten solche Lobsprüche von Männern, die in der Litteratur etwas galten, sie nicht erfreuen, nicht zu neuer Thätigkeit anspornen sollen? Sie ließ jetzt ihre schon 1807 geschriebene "Thekla", wohl die schönste ihrer Erzählungen, und die um diese Zeit entstandenen "Erinnerungen aus Graf Gustavs Jugendleben" hinausgehen und vermerkte mit Befriedigung in ihrem Tagebuch den Inhalt eines Briefes der Frau v. Fouqué, die unter dem Pseudonym Serena selber eine Reihe von gern gelesenen Romanen verfaßt hatte und die ihr schrieb, "Thekla" habe ihr einen Ehrenplatz unter Deutschlands Dichterinnen erworben; sie selbst urtheilte viele Jahre später in einem Briefe an Gustav Kühne über dieses Buch: "Jn Thekla werden sie die freudigste Todeslust ausgesprochen finden, die vielleicht je das Herz einer Frau bewegt hat. Meine ganze Jugend liegt in Thekla - so war ich." Für Fouqué, der sich noch viel enthusiastischer als seine Frau über die "Thekla" geäußert hatte, schrieb sie auf dessen Drängen "in zwei Tagen", wie sie sagt, "Augustens Tagebuch". Als sie im Frühjahr 1812 von Lüneburg aus eine Reise nach Meklenburg gemacht hatte, glaubte sie bemerkt zu haben, daß ihre Schriften ihr viel Anhang in der Heimath verschafft hätten und konstatirte mit Genugtuung, daß die Erbprinzessin Caroline, die Tochter Karl Augusts von Weimar, sie hatte sehen wollen. -

Inzwischen hatte Fanny ihre Aufgabe in Rankendorf, die Erziehung Adolphinens, gelöst. Den Antrag, auch deren jüngere Schwestern zu unterrichten, lehnte sie ab. Sie war nicht warm geworden in diesem Hause. "Jch lebe einsam, ohne allen Umgang," heißt es in einem Briefe an Rochlitz; "meine Hausgenossen sind liebe, achtungswerthe Menschen, mit denen ich aber nie von meinen Empfindungen und Schicksalen werde reden können." Und in ihr Tagebuch schrieb sie in jenen Tagen - frei nach Goethe's "Iphigenie" -:

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"Noch immer bin ich, wie am ersten Tage, fremd,
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher."

So schied sie im Herbst 1812 von Rankendorf und zog nach Neubukow zu ihrer Mutter, die, an unheilbarer Krankheit dahinsiechend, ihrer Hülfe bedurfte. Mit ihrer jüngsten Schwester Betty theilte sie sich nun in die Pflege der Kranken und die Leitung des Hauswesens, zugleich aber mußte sie die Geldmittel herbeischaffen, um bei der Familie mit fortleben zu können und den durch die Fortschritte der Krankheit verursachten Mehrbedarf zu decken. Von früh bis tief in die Nacht war sie nun thätig, in häuslichen Verrichtungen, mit der Nadel - denn sie war eine Meisterin in feinen Handarbeiten - und mit der Feder. Sehr zur rechten Zeit setzte ihr in diesen Tagen die Erbprinzessin ein kleines Jahrgeld aus, und wenn doch Hülfe noththat, so half die Landräthin v. Oertzen, "Mutter Oertzen", wie Fanny sie nannte. Es war eine entbehrungsreiche Zeit für Fanny angebrochen, und doch fühlte sie sich wohl in ihrer unermüdeten Thätigkeit, in ihrer Hingabe, Liebe und Aufopferung, ihr Leben hatte einen ihr bis dahin unbekannten Inhalt bekommen. "Jch habe nun nicht umsonst gelebt," schrieb sie an eine Freundin, als ihre Mutter gegen Ende 1814 nach langer Qual dahingegangen war, "mein Leben hat einen würdigen Zweck gehabt und Gott hat es mir vergönnt, das Glück treuer Pflichterfüllung zu kosten."

Ihr war mancher Trost, manches Zeichen der Teilnahme an ihrem Verlust geworden, aber sie sah sich nun wieder einmal vor die bange Frage gestellt: was nun? Eine leise Hoffnung für ihre Zukunft hegte sie wohl. Hitzig stand mit ihr in lebhafter Korrespondenz, sie glaubte zu fühlen, daß seine Briefe immer herzlicher wurden; nach dem Tode der Mutter sandte er ihr ein Gedicht von warmen Mitgefühls und kündigte ihr seinen Besuch an - Sollte seine Empfindung für sie nur Freundschaft sein? Er hatte seine Buchhandlung aufgegeben, war Kriminal= und Pupillenrath in Berlin geworden, war Wittwer und Vater von Töchtern - vielleicht daß er diesen wieder eine Mutter geben wollte. Hitzig kam; Fanny brachte ihm ein Herz voll Dankbarkeit und Verehrung entgegen, aber sie fühlte sich beengt in seiner Gegenwart, das Maßvolle, Gehaltene seines Wesens stand in scharfem Gegensatz zu ihrem leidenschaftlichen, sprühenden Geist, ihrer hingebenden Zärtlichkeit. Fanny und er verlebten einige Tage mit einander, sie führte ihn zu Oertzens nach Roggow, wo damals ihr Vetter Julius, späterer Domprediger in Güstrow, Hauslehrer war, sie zeigte ihm Doberan; dann trennten sie sich,

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warm wie sie sich begrüßt hatten, ihre Freundschaft blieb die gleiche, aber Fanny sagte sich, auch diese Hoffnung sei dahin.

Der Vater war für seine Familie immer unzugänglicher geworden, 1 ) bei ihm konnten und wollten die Schwestern nicht bleiben. Für Betty fand sich einstweilen ein Unterkommen: Ida v. Oertzen, die Tochter der Landräthin, hatte 1812 den Forstmeister v. Behr geheirathet, sie nahm Betty zu sich. Fanny richtete ihre Blicke ins Ausland. Ihre Herzensfreundin Charlotte Hochecorne lebte in Petersburg als Gattin eines Kaufmanns Henschel, zu der gedachte sie zunächst zu gehen, bis sie ein weiteres Unterkommen gefunden hätte; daß ihr das gelingen werde, daran zweifelte sie nicht, denn Kotzebue, der ein Verehrer ihrer Schriften war und sich vieler Verbindungen und großen Einflusses in Petersburg wohl nicht ganz mit Recht rühmte, hatte es übernommen, ihr dort eine Stelle als Gesellschafterin oder Vorleserin auszumitteln und dafür zu sorgen, daß sie sich durch Stundengeben ihren Unterhalt sichern könne. Aber bis zur Ausführung dieser Reise verstrich fast ein Jahr; mußten doch erst die Mittel zur Fahrt beschafft werden, was theils durch die Güte der Erbprinzessin, theils mit Hülfe eines von Cotta bereitwillig gewährten Vorschusses gelang. In der Zwischenzeit war für Betty Tarnow eine Stelle als Gesellschafterin in Hamburg gefunden, und Fanny begleitete ihre Schwester um so lieber dahin, als sie in der ihr bis dahin unbekannten Stadt einen Anhalt hatte an Susette v. Oertzen, die an den Handelsherrn Godeffroy verheirathet war. Es konnte nicht fehlen, daß Fanny hier in größere Kreise eingeführt wurde; sie machte die ihr wohlthuende Erfahrung, daß ihr Ruf weithin gedrungen war und Viele sich bemühten, ihre Bekanntschaft zu machen. Sie erhielt sogar eine Einladung zu längerem Verweilen von der Frau Elise Schleiden auf Ascheberg am Plauer See, einer schönen und geistvollen Frau, an deren gastlichem Tische die besten Männer der Kieler Universität und die Führer des Schleswig=holsteinischen Adels in heiterer Geselligkeit Zusammenzutreffen liebten. "Jch habe in Holstein die glücklichsten Tage meines Lebens verlebt," schrieb sie im Juni 1816 an ihren Bruder, "habe unvergleichliche Gegenden und herrliche Menschen gesehen und bin in ganz Holstein so achtungsvoll aufgenommen und als berühmte Schriftstellerin so gefeiert worden, daß es eine wahre Probe für mich gewesen ist, ob ich Anlage habe, von Lob


1) Der Kommissionsrath Tarnow starb 1827, der Ort seines Todes war nicht festzustellen.
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und Huldigungen aller Art schwindlich zu werden." Daß sie sich, wie das so ihre Art war, von Elisens Gatten, der ihr höflich begegnete, geliebt glaubte, sei hier nur beiläufig erwähnt. 1 )

In Ascheberg harrte Fanny der Nachricht, daß das Schiff nach Petersburg segelfertig sei. Auf die Kunde davon nahm sie thränenreichen Abschied von Schleidens und gieng in Travemünde an Bord. "Sehr glücklich trifft es sich jetzt mit meiner Reise," theilte sie ihrem Bruder mit, "einer der Reichsten und angesehensten Bankiers von Petersburg, Herr Schwarz, geht mit seiner Frau, mit der er eine große Reise gemacht hat, nach Petersburg zurück und nimmt mich mit, weil es ihm Spaß macht, sagen zu können, daß er mit Fanny Tarnow gereist ist. Er hat die Kajüte für uns ganz allein genommen, hat einen deutschen Koch und alle möglichen Bequemlichkeiten bei sich und so habe ich die Aussicht, die Reise so angenehm und bequem wie möglich machen zu können, ohne daß sie mir kostbarer wird; denn Schwarzens haben mich ein für allemal eingeladen, mit ihnen zu essen als ihr Gast, und ich bezahle also bloß meine Ueberfahrt. Es thut aber auch noth, daß sich alles so freundlich fügt, da mir das Herz jetzt bei der Nähe des Abschiedes von Deutschland viel, viel weher thut, als ich glaubte, daß es der Fall sein würde."

Als das Schiff in Kronstadt vor Anker gegangen und Fanny in Schwarz' Boot die Newa hinauf nach Petersburg gefahren war, da erlebte sie die erste Enttäuschung auf russischem Boden. Sie sandte gleich nach ihrer Landung einen Boten zu Henschel, um ihre Ankunft zu melden, und erfuhr nun, daß Henschel nicht in der Stadt sei, sondern auf dem Lande bei seiner Familie und erst am folgenden Tage zurück erwartet werde. so lange mußte ihr ungeduldiges Herz auf die Umarmung der Freundin warten. Dann fand sie zwar bei Charlotte innige Freundschaft, bei Henschel achtungsvolle Herzlichkeit und erfreute sich am Anblick von Charlottens Töchterchen, dessen Pathe sie war und das ihren Namen trug, aber sie fand auch beschränkte Verhältnisse, eine sehr enge Häuslichkeit, und darauf war sie nicht gefaßt gewesen. Sie war darauf angewiesen zu sehen und zu erleben, denn ihr war von Cotta die Korrespondenz aus Petersburg für das "Morgenblatt" übertragen worden - was sollte sie auf dem einsamen Landhause erleben und sehen?


1) Vergl. dazu Rudolf Schleiden: Jugenderinnerungen eines Schleswig=Holsteiners. Wiesbaden 1886, S. 93.
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Und als Henschels in die Stadt zogen, vermochten sie Fanny kein eigenes Zimmer zu bieten, "keinen Platz", wie sie in einem Briefe an Hitzig klagte, "wo ich einmal eine Stunde einsam lesen, einsam schreiben, einsam träumen kann, und diese Entbehrung wird mir immer neu, immer fühlbar bleiben." Es kam endlich so weit, daß sie eine eigene Wohnung miethen mußte, und diese Ausgabe lastete schwer auf ihr, zumal da einige Honorare, deren sie so dringend bedurfte, ausblieben. Diese fortdauernde Unruhe und die Sorge um die nächste Zukunft wirkten verderblich auf ihre reizbaren Nerven. "Jch habe hier mehr auf Erholung als auf Arbeit gerechnet," schrieb sie an Hitzig; "Sie glauben nicht, wie müde und matt mich die erlebte Trübsal gemacht hat. Jch habe das Gefühl eines Rehes, das nach kurzer Rast wieder zum Parforcejagen aufgehetzt wird."

Zum Glück gab es für Fanny aber auch des Interessanten und Anregenden eine Fülle. Ihre Petersburger Korrespondenzen im "Morgenblatt", ihre "Briefe auf einer Reise nach Petersburg an Freunde geschrieben", die sie nach ihrer Rückkehr 1819 erscheinen ließ, beweisen, daß sie auch gute Stunden an der Newa verlebte. Sie lernte die Stadt gründlich kennen, die Stadt und das Leben in ihr, das Leben auch der gelehrten und künstlerischen und der vornehmen Kreise. Es gab Monate, wo sie von Genuß zu Genuß eilte, sie wollte nichts von dem ungekostet lassen, was ihr geboten wurde. Sie lernte bedeutende Menschen kennen und freute sich der Aufmerksamkeiten, die man ihr, der geistvollen Fremden, erwies, der unleugbaren Erfolge, die sie in der vornehmen Welt errang. Unter den hervorragenden Männern, welche sie aufsuchten, machte ihr begreiflicher Weise den nachhaltigsten Eindruck Friedrich Maximilian Klinger, einer der charaktervollsten und markigsten deutschen Dichter, der sich aus den Verirrungen der Genialitätsepoche, aus der Sturm= und Drangperiode, die nach einem seiner Dramen ihren Namen bekommen hat, herausgearbeitet, der vom Sohn eines armen Frankfurter Stadtsoldaten und vom Theaterdichter der Seiler'schen Truppe aufgestiegen war zum russischen General, zum Direktor des Kadettenkorps in Petersburg und zum Kurator der Universität Dorpat. Ein freundlicher Zufall hatte ihm eine deutsche Litteraturzeitung in die Hände gespielt, die eine Recension von Fanny's damals eben erschienenem Roman "Thorilde von Adlerstein" enthielt, und er, der in stolzer Einsamkeit lebte, nie Besuche machte und in keiner Gesellschaft erschien, fand sich doch bewogen, die junge deutsche Schriftstellerin aufzusuchen. Dem ersten zwei=

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stündigen Besuche Klinger's folgten weitere, und bald wurde es Regel - wie Fanny behauptet -, daß er mehrmals in der Woche kam und einige Stunden blieb. Es bildete sich ein freundschaftliches Verhältniß zwischen ihnen beiden; "am Abend meines Lebens", äußerte er, "wird mir noch die nicht mehr gehoffte Freude, mich von Jhnen verstanden zu fühlen, wie mich nie ein Mann verstanden hat," und nach Fanny's Fortgang von Petersburg verschmähte er nicht, "ihre Briefe mit Auslassungen zu beantworten, die zu dem Werthvollsten gehören, das sich brieflich von ihm erhalten hat" und die zugleich dafür Zeugniß ablegen, wie hoch er Fanny schätzte: "Wahr ist es", schrieb er ihr am 2. April 1818, "ich rechne Sie zu den seltensten und edelsten Frauen, die mir begegneten, und danke Jhnen herzlich für das, was Sie mir geworden sind und mir immer bleiben werden." 1 )

Schon bei seinem ersten Besuche hatte Klinger ihr gesagt: "Jetzt, da ich Sie gesehen habe, muß ich Jhnen bei Jhrem zarten Aeußern, bei Jhrer poetischen Lebensansicht sagen: wenn Sie noch irgend eine Aussicht wissen, in Deutschland leben zu können, so gehen Sie dahin zurück. Sie dürfen hier nicht bleiben. Sie finden hier nichts, nichts, was Jhnen zusagt. Naturen, wie die Jhrige, bedürfen Sonnenlicht und Luft. Sie verschmachten in dieser dumpfen Atmosphäre." Dergleichen hatte sich Fanny ohne Zweifel schon selbst eingestehen müssen. Wir sind über ihre Erlebnisse in der Zarenstadt nicht völlig unterrichtet; sie hätte zweifelsohne, wenn sie gewollt hätte, verwunderliche Dinge berichten können, und ihre "Briefe aus Petersburg" deuten an, daß sie um die Jahreswende viel durchgemacht habe, und wohl das Herbste, das ihr im Leben auferlegt worden, daß Sie aber auch edle Menschen gefunden habe, deren Liebe und Theilnahme ihr, "todeswund und todesmatt" wie sie war, den nöthigen Trost schenkte. Ein in ihrem Nachlasse aufgefundener, überaus zärtlicher Brief des Grafen Sivers an sie, 2 ) dessen Einzelheiten freilich nicht alle verständlich sind, spricht von dem Antheil, den Kaiser Alexander an ihr nahm und wie sie seines Schutzes bedurfte, erwähnt die Absicht der Kaiserin=Mutter, ihr die Direktion des Katharinenstiftes anzutragen - ein plan, den


1) Briefe von Klinger an Fanny Tarnow s. bei M. Rieger: Friedrich Maximilian Klinger. Th. II, Briefbuch S. 196 ff. 199 ff. 203 f. 206 f. 215 f.
2) Abgedruckt bei Rieger a. a. O. Th. II, S. 557 ff. Vergl. überhaupt ebenda S. 556-565.
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Klinger, gerade weil er Fanny herzlich wohlwollte, zu durchkreuzen bemüht war, da er die schlimmen Seiten der Kaiserin kannte - und läßt erkennen, daß Fanny von allerlei Gefahren bedroht war. Sie ist diesen Gefahren glücklich entgangen, aber sie konnte das vielleicht nur, wenn sie Petersburg verließ, und der Entschluß, das zu thun, wurde ihr erleichtert, da sie unter dem Klima litt. So kehrte sie denn nach einjährigem Aufenthalt an der Newa, überhäuft mit Geschenken von Freunden und Freundinnen, nach Deutschland zurück.

sie nahm ihren Weg wieder über Travemünde, hielt sich nach der Landung kurze Zeit bei Elise Schleiden in Ascheberg auf, besuchte ihre Schwester Amalie in Rehna, ihren inzwischen zum Hauptmann aufgerückten Bruder Friedrich in Wismar, die Familie v. Oertzen in Roggow, wurde überall liebevoll aufgenommen und kam sich doch aller Orten so entbehrlich vor. "Wer bedarf überhaupt meiner?" fragte sie traurig. Da war es wieder der getreue Hitzig der ihr zu Hülfe kam und sie aufforderte, zu ihm nach Berlin zu kommen und mit ihm zu berathen, wie sie ihre Zukunft zu gestalten habe, damit Herz und Kopf und Kasse gleichmäßig zu ihrem Rechte kämen. Berlin zu sehen hatte Fanny längst gewünscht und doch nie ermöglichen können; so folgte sie gern der freundlichen Einladung, an die sie vielleicht nach ihrer Art wieder allerlei Hoffnungen knüpfte. Hitzig bewohnte ein eigenes Haus am Ende der Friedrichstraße, Fanny bezog in seiner Nähe ein Monatszimmer und wurde nun in seinen häuslichen Kreis eingeführt. Hitzig war, wie erwähnt, Wittwer; eine Freundin seiner verstorbenen Gattin, nicht jung, nicht hübsch, nicht geistreich, aber gut und verständig, stand dem Hauswesen vor und erzog die Kinder, Fanny erkannte bald, daß "Tante Lotte" von Hitzig geschätzt, von den Kindern geliebt wurde und Alle sich unter ihrer warmen selbstlosen Fürsorge wohl fühlten. Fanny empfand tiefen Schmerz darüber, daß sie wieder einmal eine Andere an der Stelle sehen mußte, die sie selbst so gern eingenommen hätte, und ihr Schmerz war um so herber, weil sie sich sagen mußte, sie habe sich mehrfach in gleicher Stellung befunden, aber nicht mit gleichem selbstvergessen ihre Aufgabe gelöst, sie sei weder im Bothschen noch im Preenschen Hause so bescheiden auf getreten, wie "Tante Lotte" und habe sich in der Rolle einer Gesellschaftsdame, die die Bewunderung der Männer herausforderte und jede erübrigte Minute zur Ausbildung ihres Geistes benutzte, schwerlich ebenso unentbehrlich gemacht.

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Hitzig wollte mit Fanny nicht nur rathschlagen, er wollte ihr auch helfen, für einige Jahre wenigstens. Er hatte eine Stieftochter, Betty Meyer, ein schönes, aber verwöhntes und eigensinniges Mädchen, das sich in seine häuslichen Verhältnisse nicht fügen wollte. Er schlug Fanny vor, dieses Mädchen mit sich irgendwohin zu nehmen und zu erziehen, gegen ein reichlich bemessenes Kostgeld, welches im Verein mit ihren Schriftstellerhonoraren ihr ein behagliches Hauswesen sicherte, und Fanny willigte ein. Einstweilen aber blieb sie noch ein paar Wochen in Berlin und gefiel sich in dem von allen litterarischen Größen der Stadt gern aufgesuchten Hitzig'schen Hause, wo man noch die heute selten gewordene Kunst übte, mit sehr geringem Aufwande doch eine reiche Geselligkeit zu pflegen.

Zu den Berühmtheiten, mit denen Fanny bei Hitzig in Berührung kam, gehörte auch Helmina v. Chézy. Die war eine Enkelin der Karschin; ihre Mutter hatte in zweiter Ehe, unglücklich wie die erste, einen Freiherrn v. Klencke geheirathet; als Helmina 1783 zur Welt kam, waren die Eltern schon wieder getrennt. Bei ihrer Großmutter aufgewachsen, eine frühreife Schriftstellerin, verheirathete sie sich 1799, noch nicht siebenzehnjährig, mit dem Freiherrn v. Hastfer, doch wurde die Ehe schon 1801 geschieden. Der Mittellosen nahm sich Frau v. Genlis an und lud sie zu sich nach Paris. Hier lernte sie im Hause Friedrich Schlegel's den Orientalisten Antoine Léonard de Chézy kennen, reichte diesem 1803 die Hand, trennte sich aber 1810 von ihm und führte nun ein unstetes Wanderleben. Die beiden geistreichen Frauen, Fanny und Helmina, schlossen alsbald eine begeisterte Freundschaft, trotz ihres völlig verschiedenen Wesens, eine Freundschaft freilich, die, wie wir sehen werden, wenige Jahre darauf ein jähes Ende nahm.

Fanny hatte als denjenigen Ort, wo sie mit ihrer Pflegebefohlenen sich niederzulassen gedenke, Lübeck bezeichnet und Hitzig war damit einverstanden. Ausschlaggebend war für Fanny bei dieser Wahl die Nähe von Ascheberg gewesen, sie legte Werth darauf, Elise Schleiden nahe zu sein. Ihre Schwester Betty nahm sie jetzt zu sich, die sollte dem Hauswesen vorstehen; so war sie nicht mehr allein und gewann dabei Zeit für ihre litterarischen Arbeiten. Glücklich fühlte sie sich auch in Lübeck nicht, aber wo gab es für sie überhaupt ein Glück, wenn ihr das eine, so glühend ersehnte nicht wurde? Gleichwohl würde sie wohl nicht daran gedacht haben, Lübeck zu verlassen, wenn ihr nicht in Hamburg die Aussicht auf eine Lebensstellung eröffnet worden wäre. Fanny

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hatte dort auf der Reise nach Lübeck einige Zeit verweilt und bei der Gelegenheit Amalie Schoppe, geb. Weise, kennen gelernt. Diese, damals 27 Jahre alt und im Begriff stehend, sich von ihrem Manne scheiden zu lassen, hatte kurz zuvor ihre litterarische Laufbahn begonnen, in deren Verfolg sie es dahin brachte, zwar durchaus nicht die beste, aber wenigstens die fruchtbarste deutsche Schriftstellerin zu werden. Mit überströmender Zärtlichkeit hatte sie sich der gleichfalls leicht erregten Fanny in die Arme geworfen, die Beiden hatten sich ewige Freundschaft geschworen und einen intimen Briefwechsel begonnen, vereint ließen sie 1820 einen Band "Erzählungen" erscheinen. Amalie empfand bald den Wunsch, ihre Freundin sich näher gerückt zu sehen; sie plante die Gründung eines Erziehungsinstituts für junge Mädchen, verbunden mit Pensionat, wie sie es später wirklich einrichtete, und machte Fanny den Vorschlag, sich zu diesem Zwecke mit ihr zu verbinden. Fanny verhielt sich nicht ablehnend und zog, um alle Einzelheiten des Unternehmens bequemer mit Amalie besprechen zu können, einstweilen mit ihrer Schwester und ihrem Pflegling nach Hamburg. Aber bei längerem Beisammensein mußten die beiden Freundinnen die Erfahrung machen, daß sie im Grunde doch nicht für einander geschaffen seien. Ohne die Verhandlungen noch abgebrochen zu haben, traf Fanny doch Anstalten zur Rückkehr nach Lübeck. Amalie mochte darin eine endgültige Absage erblicken und leidenschaftlich wie sie war ließ sie sich zu einem Benehmen hinreißen, welches allerdings den Bruch unvermeidlich machte. Dann kam ihr freilich die Reue. "Seien Sie menschlich, seien Sie vergebend," schrieb sie an Fanny. "Jch bekenne mit tiefster Zerknirschung mein Unrecht. . . Kann Reue Versöhnung bringen, so giebt Gott sie mir, und Sie, sein sterbliches Geschöpf, wollten sie mir versagen?" Ein offenes Schuldbekenntniß gewinnt leicht den Gekränkten. Auch Fanny, allezeit versöhnlich gestimmt, trug Amalie ihr Unrecht nicht nach, aber sie hielt es doch für besser, durch offene Aussprache einer etwaigen ferneren intimen Annäherung vorzubeugen. "Mit wehmüthiger Rührung", antwortete sie, "habe ich gestern Deine . . . Zeilen gelesen. Du bist mir sehr klar in Deiner Stimmung - aber daß die Verschiedenheit unserer Individualität so verletzend zwischen uns steht, ist tieftraurig und unabänderlich, da Du so wenig aufhören kannst Du zu sein, wie ich aufhören kann ich zu sein. Wäre ich Dir klar, wie Du es mir bist, so wäre alles ausgeglichen; aber ich bin es Dir nicht und werde es Dir in einigen Jahren vielleicht erst werden. . . Das gesellige Leben ist für mich immer ein

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glänzender Schauplatz gewesen und keine Art des Ueberdrusses hat mich je von ihm geschieden, nur das tief innere Bedürfniß von Einsamkeit und Liebe. Jch besuche daher keine großen Gesellschaften, erscheine an keinem öffentlichen Ort, vermeide alle neuen Bekanntschaften, fliehe allen gleichgültigen Umgang und fühle mich glücklich im Jdeenaustausch, im traulich geselligen Zusammenleben mit einigen geist= und gemüthvollen Menschen. Aber der Umgang mit diesen ist für mich unentbehrlicher geistiger Nahrungsstoff; ich verkümmere, wenn er mir fehlt. Die große Freiheit der Lebensgestaltung, die mir die Verhältnisse meiner letzten Lebensjahre vergönnt haben, hat mich durchaus unfähig zum Umgang mit gehaltlosen Menschen gemacht. . . Darin bist Du milder und weicher als ich - Du kannst bei aller Tiefe in Dir Dich doch einer leeren Unterhaltung weit mehr hingeben als ich; bedenkst Du aber, wie ich durch den Umgang mit den bedeutendsten Menschen verwöhnt worden bin, so vergiebst Du mir diese Ungeschicklichkeit gewiß . . . Jch glaube nicht eitel darauf zu sein; allein ich weiß es, daß mein Umgang, meine Unterhaltung für die geistreichsten Menschen eine Quelle der Erholung ist. Wollte ich mich also dem geselligen Umgange ganz entziehen, so hieße das mein geistiges Wesen selbst verkrüppeln. Mein Geist bedarf vielfacher Nahrung, vielfacher Anregung - zwischen Dir und mir giebt es sehr wenig geistige Berührungspunkte und daher diese Dürftigkeit des Stoffes zur Unterhaltung zwischen uns, die mich drückt und ängstigt. Mich interessiert das ganze unermeßliche Reich des Gedankens, das ganze Gebiet der Litteratur, doch vorzüglich und zunächst Geschichte der Menschheit - mir ist noch nie ein kenntnißvoller, gebildeter Mann vorgekommen, mit dem ich nicht einen uns Beide interessierenden Gegenstand zur Unterhaltung aufgefunden hätte, und magst Du gleich über meine ehrfurchtsvolle Werthschätzung der Philosophie lächeln, so ist sie doch unvertilgbar in mir. Jch bedarf erhabener Jdeen, um mein mattes Herz zu kräftigen, um mir Flügel zu geben, die mich über das Erdenleid und den Erdenschmutz emporheben - ich höre gern Männer über solche Gegenstände reden - es thut mir wohl, mich mit meiner Sehnsucht und den Ahnungen meiner dürstenden hoffenden Seele um einen höheren Geist, wie Epheu um die Ulme, zu ranken . . . Jch fühle es, ich müßte in keiner Beziehung ich sein, ich müßte durchaus und entschieden das, was alle meine Freunde und ich selbst auch als das Bezeichnendste und Beste meines Wesens achten, von mir sondern, um so zu sein, wie Du wünschest, daß

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ich sein möge, und das kann ich nicht und möchte es auch nicht wenn ich es könnte; denn woher sollte mir Ersatz kommen? . . . Liebste Amalie, wir können Beide nicht anders sein und werden wie wir nun einmal sind; aber wir lieben uns und wollen Beide das Gute. Laß uns also in Liebe und Frieden unsern gemeinschaftlichen Weg fortsetzen, ohne Klage, ohne Belehrungssucht, jede an der Anderen ehrend, was ihr fremdartig ist. Vielleicht macht es Dir doch noch einst Freude, an meinem geistigen Leben und den Freuden meines Umganges theilzunehmen und Du wirst mich dann auch in dem, was ich nicht aufgeben und entbehren kann, verstehen. So viele Menschen haben Freude an mir, so viele finden mich warm und liebevoll und nur Du, die Liebevolle, die wahrhaft Gute, Du solltest Recht haben über mich zu klagen? - Das verhüte Gott! Es quält mich unendlich, daß ich Dich nicht glücklich mache - das Uebel liegt eben in meiner Gesinnung, nicht in der That - über die letztere bin ich Herr - allein was die erstere anbelangt, kann Gott selbst wohl die Form zerbrechen, doch ohne mich zu vernichten nicht ändern, daß ich Jch bleibe. - Auch habe ich mich Dir von dem ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an nie anders gezeigt."

Damit war wieder ein Faden abgerissen, an den Fanny einen dauernden Lebensplan anzuknüpfen gedachte, und das bedrückte ihre Seele um so schwerer, als nun auch die zwei Jahre zu Ende giengen, die Hitzig für die Erziehung seiner Stieftochter durch Fanny bestimmt hatte. Die Schwester Betty wurde damit überflüssig und nahm die Stelle einer Gesellschafterin an. Was aber sollte Fanny beginnen? Diese Frage legte sich auch Hitzig vor; er bat Fanny, ihm persönlich seine Tochter zurückzubringen, sie wollten dann gemeinsam überlegen, was zu thun sei. Das Ergebniß dieser Ueberlegungen war, daß Fanny im Frühjahr 1820 nach Dresden zu Helmina v. Chézy gieng, zu der sie freundschaftliche Beziehungen aufrecht erhalten hatte und mit der sie um diese Zeit "Jduna. Schriften deutscher Frauen" (1820) herausgab.

Helmina hat später, als sie ihre Denkwürdigkeiten schrieb, die zwei Jahre nach ihrem Tode (1858) unter dem Titel "Unvergessenes" herausgegeben worden sind, sich sehr hart über Fanny ausgesprochen. "Jch hatte bei Eduard Hitzig", heißt es dort (Bd. II, S. 239 f.), "die beliebte Schriftstellerin Fräulein Fanny Tarnow kennen gelernt. Franz Horn nennt sie in seinem vielverbreiteten Werke über ,Deutsche Litteratur', und zwar zumeist wegen ihren Romans ,Thorilde von Adlerstein', eine

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nothwendige Schriftstellerin, Fanny Tarnow hat bekanntlich im Fach der kleinen Romane Ausgezeichnetes geleistet, dessen hat Franz Horn nicht erwähnt, dagegen die ,Thorilde von Adlerstein' sehr hoch gestellt. Fanny Tarnow ist eine der wenigen Personen, von denen ich mich wegwenden mußte, weil ich nichts in ihnen fand, was ihre störenden Eigenschaften versöhnend ausgewogen hätte. Jch will sie nicht schildern; ihr Bild kann Diejenigen, welche sie nicht kennen, nicht in hohem Grade interessiren, und denjenigen, welche sie kennen, würden ihre Züge nichts Neues bezeichnen. Es sind nun bald vierzig Jahre, daß ich sie kennen lernte und mich von dem Zauber ihrer Beredsamkeit hinreißen ließ. Jch trug sie wie ein Kleinod im Herzen. Jch möchte ihre Briefe, die ich noch besitze, 1 ) mit einem süßen Saft vergleichen, dessen Bestandtheile man nicht kennt und ohne Untersuchung hinunterschlürft."

Im Frühjahr 1820 stand die Freundschaft der beiden Damen noch in voller Blüthe. Helmina hatte sich, wie sie selbst sagt, unbeschreiblich gefreut, als Fanny ihr die Absicht ankündigte, sich mit ihr zusammenzuthun, sie hatte sogar, um der Freundin die Reise zu ermöglichen, namhafte Opfer gebracht, denn Fanny war wieder einmal ohne Mittel. Sie wohnte bei Helmina, wurde von dieser "gebührendermaßen zur Schau geschleppt", genoß mit ihr vereint, was Dresden an Schönheiten der Natur und der Kunst bot, und als Helmina bald darauf einen Sommeraufenthalt in Schandau nahm, begleitete Fanny sie dorthin. "Wir hatten", erzählt Helmina, "eine sehr freundliche Wohnung, ganz von Waldung umgeben, am Eingang des Kirnitzschgrundes, der heue schmale Fluß strömte an dem Fenster vorbei und spiegelte den Kirchthurm und die Tannenhügel an seinem Ufer anmuthig ab . . . Unser Wohnhaus stand angelehnt am Waldhügel, so daß wir gemächlich aus den Fenstern in den Wald gehen konnten." In dieser Umgebung fühlten sich die Freundinnen außerordentlich wohl, sie theilten ihre Zeit zwischen weiten Wanderungen durch die schönen Thäler der Sächsischen Schweiz und dichterischen Arbeiten: Helmina hatte eben "Die drei weißen Rosen" gedichtet, Fanny den "Connetable von Montmorency" geschrieben und schon giengen sie, jede in ihrer Weise, mit neuen


1) Die Briefe scheinen später doch vernichtet zu sein, wenigstens befindet sich, wie mir Herr Dr. G. Meisner freundlichst mittheilt, unter den überaus zahlreichen an Helmina gerichteten Briefen, die mit ihrem Nachlaß vor einigen Jahren von der Litteraturarchiv=Gesellschaft in Berlin erworben wurden, keiner von Fanny Tarnow.
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Plänen um. Die gesellschaftlichen Verhältnisse waren zwar einfach, denn Schandau war noch nicht wie heute ein großer Badeort und eine berühmte Sommerfrische, aber angenehm, die Honoratioren des Städtchens wußten die Ehre, zwei vielgenannte Schriftstellerinnen unter sich zu sehen, zu würdigen, luden sie zu ihren kleinen Festen und überhäuften sie mit Artigkeiten, was Fanny aber nicht hinderte, in ihrem Tagebuch ein boshaftes Wort eines Bekannten zu verzeichnen, der behauptet hatte: sie sei in Schandau ein Gegenstück zu Apollo unter den Schäfern, nämlich Minerva unter den Gänsen.

Das schöne Verhältniß zwischen Fanny und Helmina blieb nicht lange ungetrübt. Helmina's oft so wunderliches Wesen, ihre unglückselige Gabe zu verletzen, ihre Rücksichtslosigkeit auf mancherlei Vorschriften des gesellschaftlichen Herkommens - lauter Eigenschaften, die ihr eigener Sohn ihr nachsagt -, wohl auch litterarische Eifersüchteleien, das Alles mag zusammengewirkt haben, kurz, nach einer heftigen Szene zwischen Fanny und Helmina verließ Fanny die gemeinsame Wohnung, ließ ihre Siebensachen durch einen Träger abholen und miethete sich in einem andern Hause ein. Nach einiger Zeit vermißte sie ihr Tagebuch, in welchem sie ihre intimsten Gedanken niederzulegen pflegte, ihre Erlebnisse verzeichnete, sich über die Personen, mit denen sie in Berührung trat, in wohlwollender oder auch abfälliger Weise äußerte. Das Buch wurde gesucht und wieder gesucht, aber nicht gefunden. Da erfuhr Fanny, daß Helmina in einem kleinen vertrauten Kreise aus einem ihr wohlbekannten roth eingebundenen Buche vorgelesen und das Gelesene mit nicht sehr wohlwollenden Kommentaren begleitet hatte. Kein Zweifel: Helmina, bei der nach dem Zeugniß ihres Sohnes die Neugier eine wahre Leidenschaft war, die nichts verschweigen konnte und der ein erschnapptes Geheimniß vollends für gute Beute galt, hatte sich Fanny's Tagebuches bemächtigt, sei es durch Erbrechen von Fanny's Schreibtisch, wie diese behauptet hat, oder auf irgend eine andere Weise, und hatte den Inhalt des Buches unberufenen Augen preisgegeben. 1 ) Durch Vermittelung des Predigers an der reformirten Gemeinde in Dresden, Girardet, der in Schandau einen Sommeraufenthalt genommen hatte, kam sie zwar wieder in den Besitz ihres Eigenthums und hatte die Genugthuung, daß Helmina's Vertrauensbruch die schärfste Ver=


1) Vgl. die Darstellung dieses Ereignisses bei Wilhelm Chezy: Erinnerungen aus meinem Leben, 1. Buch, Schaffhausen 1863, S. 213 ff.
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urtheilung fand, daß man Fanny mit verdoppelter Freundlichkeit begegnete und der Kreis ihrer Bekannten sich immer mehr vergrößerte. Aber um das rechte Behagen war es doch geschehen. Beide Frauen flohen sich nun geflissentlich, aber in dem kleinen Orte konnten sie sich doch nicht ganz vermeiden, und jedes zufällige Zusammentreffen erhöhte dann die Mißstimmung.

Mit dem Vorrücken der Saison kamen allerhand Bekannte, auch Hitzig verweilte längere Zeit in Schandau. Als er wieder abgereist war, schrieb Fanny in ihr Tagebuch: "Jch tauge heute zu nichts in der Welt, ich kann nicht lesen, nicht schreiben, nicht arbeiten. Eine Stelle aus den Blättern, die ich jetzt für junge Mädchen schreibe, liegt mir sehr im sinn: ,Fühlst Du, daß die Liebe Dich lau und unfähig macht zum Gebete, daß das Bild des Geliebten der Götze jeder Deiner einsamen Stunden wird, so sei fest überzeugt, daß Deine Liebe das Unglück Deines Lebens gründet.' Dem Gesetze Gottes ist es nicht entgegen, zu lieben und Liebe zu suchen; nur Menschensatzungen sind es, welche hier hemmend ihre Linien ziehen. Willig würde ich mein Leben in Dresden mit allen seinen Kunstgenüssen, dem Kreise zahlreicher Menschen, den Huldigungen, die mir dargebracht werden, aufopfern und in diesem einsamen Thale leben, mit Jemand, dessen Herz mir gehörte, der durch das meinige beglückt sein sollte. Vielleicht ist es eine Jllusion - vielleicht nur ein schöner Traum - vielleicht blüht uns Frauen kein solches Glück auf Erden, wie wir es in unserer Sehnsucht danach hoffen; allein wo ist die Gewißheit, daß es kein solches gibt? Und nun die Furcht, es versäumt zu haben!" "Jch will nun wieder fleißig arbeiten", heißt es an einer anderen Stelle, "und einsam spazieren gehen. Das stimmt mich wehmüthig, verleiht mir aber mehr innere Ruhe." so gieng sie denn mit vermehrtem Eifer wieder an ihr Schriftstellerisches Tagewerk. Die "Erinnerungen aus Franziska's Leben", die sie natürlich "mit tausend Thränen" niederschrieb und von denen sie sagte: "Sie sind aus meinem innersten Leben und Empfinden genommen", in denen man aber doch sehr mit Unrecht eine Autobiographie hat erblicken wollen, wenngleich man in zwei Hauptpersonen der Erzählung unschwer Fanny's Mutter und Hitzig wiedererkennt, entstanden damals. Um dieselbe Zeit hatte sie die Freude, berichten zu können, daß die Rein'sche Buchhandlung in Leipzig eine Sammlung von Erzählungen, schon Gedrucktes mit Neuem vermischt, in Verlag nehmen wolle; die vier Bändchen erschienen demnächst unter dem Gesammttitel "Lilien" (1821-1823). "Gott hat mir wiederum

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geholfen", schrieb sie, "das sichert meine Existenz auf die beiden nächsten Jahre, und wie viel ist eine solche Gewißheit werth!"

Als der Herbst ins Land kam, verließ Fanny Schandau und ließ sich in Dresden nieder. Der Abschied wurde ihr trotz allem, was sie erlebt hatte, nicht leicht: "Liebes, liebes Schandau", meinte sie, "werde ich dich wiedersehen? Mit dankbarer Erinnerung Scheide ich von deinen Thälern, deinen Felsen, deinen quelldurchrauschten Gründen, deinen gutmüthigen Bewohnern! . . . Der Tag ist herrlich - in Duft und Schimmer glüht alles zum Abschied noch einmal. Ahnungen ziehen durch meine Brust, Ahnungen der Zukunft. Was wird, was kann Dresden mir bringen? Zerstreuungen, Genüsse, Erfolge? Jst das aber Glück - jenes Glück, wie es ein Frauenherz bedarf. Sucht, ewig sucht, und wenn nicht gefunden, ewig vermißt?"

In Dresden miethete sich Fanny eine bescheidene Wohnung. Der "Dreßdner Adreß=Calender" auf das Jahr 1823 verzeichnet sie als in der Moritzstraße wohnhaft. In den größeren Dresdener Verhältnissen konnte sie Helmina leichter aus dem Wege gehen, und 1823 siedelte diese ohnehin nach Wien über.

Bis zum Jahre 1829 hat Fanny in Dresden gelebt. Es war vielleicht ihre beste Zeit. Schon vor der Schandauer Reise war sie durch Helmina in die litterarischen und künstlerischen Kreise Dresdens eingeführt, hatte Einlaß gefunden in diejenigen aristokratischen Zirkel, die Werth legten auf den Verkehr mit Schriftstellern und Künstlern, und wußte sich in dieser Umgebung nicht nur zu behaupten. Sondern Anerkennung zu verschaffen. Zwar waren es keine Geister ersten Ranges, die sich in Dresden zusammengefunden hatten; außer Ludwig Tieck, der sie alle überragte, und vielleicht noch Christoph August Tiedge, dem vielgefeierten Sänger der "Urania", giengen sie über die behagliche Mittelmäßigkeit nicht hinaus. Aber es war ein angeregter geselliger Kreis, der diese gewandten federfertigen Talente umschloß: Leute, wie Graf Heinrich v. Loeben, der unter dem Namen Isidorus Orientalis mancherlei in Vers und Prosa geschrieben hatte und neben Fouqué der allseitigste Vertreter der neuesten Romantik war; Ernst v. d. Malsburg, der feinsinnige Uebersetzer Calderon's und Lope's; Karl Förster, der als Dichter wie als Uebersetzer des Petrarca und Tasso ein nicht unbedeutendes Formtalent zeigte; der Konferenzminister Gottlob Adolf Ernst v. Nostitz, in der schönen Litteratur als Arthur v. Nordstern bekannt, "ein Lyriker und Epiker von Phantasie, Vielseitigkeit des Geistes, schöner und reiner Empfindung und

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Feinheit des Geschmacks"; Friedrich Kind, von dessen Dichtungen heute wohl nur noch das Textbuch zum "Freischütz" bekannt ist; Graf Friedrich v. Kalkreuth, der mancherlei im romantischen Ton geschrieben hat; Wilhelm v. Schütz, "als Dichter und Aesthetiker auf den Bahnen Friedrich Schlegel's wandelnd und die Ueberschwänglichkeit der jüngeren Romantiker noch überbietend"; der Lutspiel= und Vaudevilledichter und Kritiker Theodor Winkler, bekannt unter dem Pseudonym Theodor Heu; Karl August Böttiger, der geraume Zeit hindurch wenn auch nicht der bedeutendste, so doch der bekannteste Kunstgelehrte in Deutschland war, u. A. Und neben den Schriftstellern standen Karl Maria v. Weber, die Malerinnen Gräfin Julie Egloffstein, Goethe's Liebling, und Therese aus dem Winkel, die zugleich Virtuosin auf der Harfe war, und ein Kranz vornehmer geistvoller Frauen, wie Tiedge's Herzensfreundin Elise v. d. Recke, Frau v. Quandt, die Gräfinnen Dohna, Finkenstein, Jaraczewska. Daß es an interessanten fremden Besuchern nicht fehlte, braucht nicht hervorgehoben zu werden; mit Rochlitz konnte Fanny alte Beziehungen erneuern, Friedrich Schlegel, Jean Paul, Wilhelm Müller, die unglückliche Dichterin Luise Brachmann lernte sie kennen.

Das ungefähr waren die Menschen, mit denen Fanny verkehrte. Einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt bildete der "Liederkreis", ein litterarisch=geselliger Verein, der alle 14 Tage sich versammelte um sich die neuesten Erzeugnisse seiner Mitglieder oder Gäste vortragen zu lassen. Auch hier fand Fanny Eingang, sie las zuerst ihre "Eudoria" vor. "Jch war", berichtet ihr Tagebuch, "als ich mich niedersetzte, so furchtsam, daß ich das Blatt nicht in der zitternden Hand zu halten vermochte. Allmählich wurde meine Stimme jedoch sicher, ich las gut und erhielt ausgezeichneten Beifall."

Es gab für Fanny jetzt wieder, wie einst in Petersburg, Wochen ununterbrochenen Genusses: Diners, Soireen, Konzerte, Theater, Dilettantenaufführungen, bei denen sie mitwirkte; sie freute sich der Aufmerksamkeiten, die man ihr mit Einladungen und Besuchen erwies, freute sich jeder Art der Huldigungen und vergaß nicht anzumerken, daß "die Hasse" jetzt ihr Portrait male, 1 ) daß bei einem Feste des Liederkranzes der Minister


1) Wer "die Hasse" war, habe ich nicht ermitteln können; vielleicht eine Familienangehörige des Fr. Chr. Aug. Hasse, der 1803-1828 Professor am Kadettenhause in Dresden war. S. Allgem. deutsche Biographie, Bd. 10, S. 754. - Das lebensgroße Oelbild Fanny's ist jetzt im Besitz ihrer Nichte, der Stiftsdame Fräulein Fanny Bölte; eine Nachbildung desselben ist diesen Blättern beigegeben.
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v. Nostitz sie zu seiner Dame erwählt, daß Graf Egloffstein und Tieck ihr die Hand geküßt hatten. Sie machte einzelne Ausflüge und Reisen: zu einer Freundin, der Frau von Zobeltitz auf Eichow bei Cottbus, und verzeichnete, mit wie viel Aufmerksamkeit man sie in der Lausitz aufgenommen habe; im Herbst 1821 nach Teplitz, wo sie mit Varnhagen von Ense und seiner Rahel zusammentraf, im Hause des Fürsten Clary die große und vornehme Welt sah und wiederum manches Angenehme erfuhr; 1822 zu Hitzig nach Berlin auf einige Wochen, die ihr in anregendstem Verkehr und in lebhaftester Geselligkeit im Umsehen verrauschten; um die Wende der Jahre 1825/26 nach Frankfurt und Weimar, wo sie über viele interessante Bekanntschaften berichten konnte und wie sie an letzterem Orte "durch die Bitten einer mich mütterlich liebenden Frau, der Oberkammerherrin v. Egloffstein, drei Wochen lang festgehalten wurde". Aber schon fand Fanny wohl: "Das gesellige Leben ist mir zuweilen zu lustig, es sind der Einladungen zu viele," und ein anderes Mal: "Diese Zerstreuungen tödten mein Talent." Sie zog allmählich kleine Kreise den rauschenden Festlichkeiten vor; über einen Abend bei Tieck schrieb sie zufrieden: "Es war recht angenehm und nur wenige Menschen, so daß man dazu kam mit Tieck zu sprechen und ihn sprechen zu hören." Sie hatte sich für ihre bescheidene Wohnung dieses und jenes kleine Hausgeräth angeschafft, sah jeden Sonnabend Abend ein paar nähere Bekannte bei sich und begleitete einmal die Notiz, daß Tieck, Frau v. Quandt und Gräfin Egloffstein bei ihr Thee getrunken hätten, mit der Bemerkung: "Es ist nirgends so gemüthlich wie bei mir."

Beruhigt würde sich Fanny diesem Eindruck des Behagens und der Gemüthlichkeit haben hingeben können, wenn nicht oft genug bald leise bald lauter die Sorge bei ihr angeklopft hätte. Sie sollte ihre sämmtlichen Bedürfnisse vom ersten bis zum letzten Pfennig von dem bestreiten, was ihre Feder ihr einbrachte, und das war nicht immer leicht. Sie mußte sich mehr als einmal eingestehen, daß sie Schulden habe, und sann und rechnete, wie sie diese durch gesteigerten Fleiß abtragen könne. "Jch habe kein Geld und werde auch vor dem Schluß der Messe nichts erhalten," klagt sie einmal, "so muß denn Manches unterbleiben, was ich sonst gern thäte." Eine gesicherte Existenz war ihr heißer Wunsch; "eine bestimmte jährliche Einnahme von 200 Thalern" schien ihr dazu genügend: "vielleicht hilft Gott mir auch dazu noch," schrieb sie. Diese Hoffnung sollte sich

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vorläufig nicht erfüllen. Zwar fanden sich Freunde, die ihr dann und wann großmüthig über dringende Verlegenheiten hinweghalfen, aber ein sorgenfreies Leben vermochten ihr Einzelne auf die Dauer nicht zu bieten, Fanny blieb nach wie vor auf ihre eigene Kraft angewiesen, und diese fühlte sie allmählich erlahmen. "Wie ängstigt mich diese Armuth an produktiver Kraft!" Schrieb sie in ihr Tagebuch. Mit Angst und Sorge merkte sie, daß nach und nach "eine grenzenlose Unlust zum Schreiben" sie beschlich, und was sollte werden, wenn diese einzige Quelle des Erwerbes ihr versiegte?

In diesen Aengsten richtete sich ihr Blick mehr und mehr nach innen. Das hatte sie nicht immer geliebt. "Jn sich selbst darf man auch nicht viel blicken", schrieb sie noch in der Dresdener Zeit, "besser, man gleitet darüber hinweg." Aber daß sie so dachte und empfand, wollte ihr selbst immer weniger gefallen. Noch hieng sie mit allen Fasern am Leben, sie wußte es, aber in diese Erkenntniß mischte sich doch hie und da ein Gefühl des Bedauerns darüber, daß es so sei. "Jch bin mit dem Leben mehr und inniger befreundet, denn je," bekannte sie. "Der gesellige Verkehr tritt zwischen Gott und mich und schadet meiner Seele; dennoch kann ich ihn nicht entbehren. Jch vergeude manche schöne Stunde, mein innerer Friede leidet dabei, und dennoch setze ich dies Spiel der Eitelkeit fort. Soll mich das nicht verdrießen?" "Es ist nicht mehr der rechte Ernst in mir, ich verlerne das leise Aufmerken auf das Flüstern des Gewissens." "Alles gut und angenehm in diesen Tagen, welche Rechenschaft soll man aber einst Gott von solchem Leben ablegen?" So stritten die Lust an der Welt und das Erkennen der Nichtigkeit des weltlichen Treibens in ihrer Seele. Wenn schließlich ihr Gottverlangen sich durchrang und nach schweren Kämpfen den Sieg behielt, so scheint das wesentlich dem Einfluß der Erbgroßherzogin Auguste von Meklenburg=Schwerin zuschreiben zu sein. Wann und wo Fanny's Beziehungen zu dieser bedeutenden und frommen Frau sich knüpften, vermag ich nicht zu sagen; auf mehr als flüchtige Berührungen deuten und tiefgreifende Einwirkungen der Prinzessin auf Fanny's Seelenzustände bekunden zwei erst kürzlich aufgefundene Briefe von ihrer Hand 1 ) an die Erbgroßherzogin, aus deren zweitem vom 25. Februar 1829 hier einige Stellen mitgetheilt seien:

"Jn meinem Herzen lebt die Ueberzeugung, daß der frommen Jüngerin unseres Heilands, an die ich diese Zeilen zu richten


1) Jetzt in der Regierungs=Bibliothek zu Schwerin.
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wage, das Heil meiner Seele nicht gleichgültig geworden ist und daß ich mich ihr in der Gemeinschaft des Glaubens und des Strebens getrost nahen darf, so groß auch für das äußere Leben die Kluft ist, die uns scheidet. Jhnen, verehrteste Herzogin und Frau, Jhnen allein danke ich nächst Gottes Gnade und durch diese, das unaussprechliche Glück, Zuversicht und Glauben an meinen Erlöser gewonnen zu haben. Oft habe ich den Wunsch empfunden, Jhnen von der Umgestaltung meines inneren Lebens und der allmählichen Entwickelung desselben Nachricht zu geben und es Jhnen auszusprechen, mit welchen heißen Dankesthränen, mit welcher Inbrunst ich Jhrer oft segnend und dankend vor Gott im Gebete und in einsamen Stunden stiller Sammlung gedacht habe - allein auf dem Wege, den ich geführt worden bin, war es mir viele Monate lang unmöglich Schreiben zu können. Auch jetzt kehrt mir erst auf einzelne Stunden die Fähigkeit dazu zurück, und von dem Vielen, Vielen, was ich Jhnen so gerne sagen möchte, wird nur Weniges Wort werden."

"Sie wissen um meinen früheren Seelenzustand - ich sehnte mich, klagte, irrte, fühlte daß ich nicht auf dem rechten Wege sei, daß alles das, was ich Tugend, Weisheit, Religion nannte, nicht ausreichte für die namenlose Sehnsucht meines Herzens nach einem unbekannten Etwas, von dem ich ahnend fühlte, es sei das Eine, was Noth sei. - Die Botschaft war an mich ergangen, aber der Glaube fehlte - da führte mich Gott Jhnen zu. Sie kamen mir mit der erbarmenden Liebe einer ächten Jüngerin des Heilands entgegen, und Gottes Gnade ließ Jhre Worte Eingang in mein Herz finden. Doch das Saatkorn konnte die harte Rinde nicht durchdringen, ich ahnte, wie unaussprechlich es beseeligen müsse, an den Herrn zu glauben und ihn zu lieben über alles, die Welt zu lassen, um sein zu werden mit allen Trieben, Wünschen und Hoffnungen - ich hatte auch Augenblicke, in denen meine Seele sich ihm zu nähern vermochte in einer ganz unaussprechlichen Freude und Andacht, von der ich mit vollster Verstandesklarheit fühlte, daß es etwas viel Höheres und Zuversichtlicheres mit ihr sei, als mit allem, was irdische Weisheit und natürliche Religion zu geben vermochten - doch diese Augenblicke erhellten nur flüchtig mein Dasein, und es zogen dann wieder schwere trübe Wolken auf, die alles um mich her finster machten und mich der Pein des Trotzes und der Verzagtheit preisgaben; ich konnte es nicht fassen, daß ich mich nicht frei fühlte von der Gewalt der Sünde, daß der Wille, der

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sich gläubig zu ihm gewandt hatte, wieder abzuweichen vermochte, daß Christus, wenn er mein Herz zu seinem Tempel eingeweiht hatte, nun noch die Verkäufer darin duldete. - Jch versündigte mich schwer - da sandte Gott mir Leiden mancherlei Art - ich wurde lahm, und davon geheilt verlor ich den Gebrauch meiner Augen - in der kurzen Zeit von fünf Wochen versank in sechs Gruben fast Alles, was ich auf dieser Erde am meisten geliebt hatte - ich mußte viel Unrecht erdulden - durch meine Krankheit außer Stande, mir mein Brot länger erwerben zu können, verarmte ich allmählich und hatte mit dem Druck von Nahrungssorgen zu kämpfen - durch alle diese Schmerzen von der Welt gewaltsam losgerissen, wandte sich das Auge, das bisher von ihr festgehalten worden war, nun auf mich selbst, die künstliche Färbung schwand, ich sah mich wie ich war, und entsetzte mich vor dem Verderben, vor der Sündhaftigkeit meines ganzen Wesens - ich erkannte, wie tief ich gefallen war und schrie in dieser hülflosen Noth zu Gott um Rettung und erkannte erst jetzt ganz, wie ich, ohne eine Erlösung durch Christi Blut, auf keine Gnade hoffen dürfe. - Jch habe in diesem Seelenzustand viel Jammer durchfühlt - aber es zogen durch diese Erkenntniß meines Elendes Ahnungen himmlischer Liebe und Gnade und sie umleuchteten mich heller und heller und ich weiß es jetzt, ich glaube und empfinde es mit jeder Ader meines Herzens: ich bin erlöset! ich darf ihn, den Sohn Gottes, ihn an den meine ganze Seele glaubet und allein auf ihn hofft, meinen Heiland, meinen Erretter und Erlöser nennen. Jeder andere Bewegungsgrund zum Guten, jeder andere Antrieb zur Besserung gilt mir nichts mehr gegen die heilige Macht der Liebe zu dem versöhnenden Jesus. Jch möchte laut jauchzen, indem ich diese Worte Schreibe und kann doch nur verstummen, weinen und anbeten." . . .

"Könnte ich doch statt dieses Briefes meine Seele vor Jhnen ergießen! Könnte ich doch Jhre Hand fassen und sie mit Thränen meines Dankes benetzen und an Herz und Lippen drücken! - Aber wenn wir uns einst dort vor dem Thron der Herrlichkeit wiedersehen und ich es dort vor unserm Herrn laut ausrufen und bekennen werde: Diese, o Herr, hat meine Seele gerettet! Diese hat mich gelehrt Dich zu suchen und Dich zu lieben! - dann - o dann! -"

Ein Stück Lebens= und Leidensgeschichte enthüllt uns dieser Brief. "Nur den Schmerz fürchte ich noch, und die Noth und das Unglück" hatte Fanny vor nicht langer Zeit in ihr Tage=

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buch geschrieben - nun war ihr auch davon ein redliches Theil geworden. Das Leben in Dresden war ihr allmählich verleidet. Sie hatte dort als Schriftstellerin und als Weltdame geglänzt - nun, da ihre Kraft zum Schaffen im Schwinden, da sie gebrechlich und innerlich eine andere geworden war, trieb es sie fort. Sie hatte schon 1828 daran gedacht, sich in Herrnhut niederzulassen, "nicht als Mitglied der Gemeine", wie sie schrieb, "aber ich würde dort unter Christen leben, würde ungestört dort aufmerken können auf den leisesten Ruf meines Herrn und hoffe auch mich dort durch die Stille und Einfalt des äußeren Lebens in Erkenntniß und Liebe gefördert zu fühlen." In Herrnhut aber verlangte man als Vorbedingung der Erlaubniß zur Niederlassung den Nachweis eines bestimmten Einkommens, und den konnte Fanny nicht erbringen. Auf Rath des Oberlanddrosten v. Lehsten in (Schwerin, der in dritter Ehe 1824 eine Jugendbekannte Fanny's, Susanna v. Both, geheirathet hatte, wandte sie sich mit einem Gesuch um Verleihung eines Jahrgehaltes an den Großherzog Friedrich Franz von Meklenburg, aber dieser Bitte scheint nicht willfahrt worden zu sein, denn Fanny gieng nicht nach Herrnhut. Dagegen regten sich nun ihre Freunde in Dresden und Leipzig: sie veranstalteten eine Subskription auf eine "Auswahl aus Fanny Tarnow's Schriften" und - ein Beweis dafür, welcher Beliebtheit sich Fanny als Erzählerin erfreute - diese Subskription hatte einen solchen Erfolg, daß der Verfasserin die Summe von 5000 Thalern eingehändigt werden konnte. Außerdem setzte ihr ein damals in Dresden lebender Freund, der Engländer Charles Wigram, eine Rente von 50 Thalern aus.

Wir sahen, wie Fanny über das Nachlassen ihrer Erfindungskraft zu klagen Grund hatte. Ihre Schriftstellerische Thätigkeit war von je her von ihrem eigenen Leben und Empfinden ausschließlich bestimmt worden, und als sie keinen Stoff mehr behandeln konnte, in den sie nicht Selbsterlebtes hineinzulegen vermochte, sah sie schließlich davon ab, mit eigenen Schöpfungen hervorzutreten. Im Vorwort zu der "Auswahl", die in 15 Bänden 1830 in Leipzig erschien, nahm sie Abschied vom Publikum. "Mit wehmuthsvoller Rührung", heißt es darin, "sehe ich jetzt am Ende meiner schriftstellerischen Laufbahn auf diese Erzählungen zurück, welche ich als ein Vermächtniß der Dankbarkeit und der Liebe in die Hände der mir Wohlwollenden und Befreundeten lege, die sich für die Beförderung ihrer Herausgabe mit eben so edler als mich ehrender Theilnahme verwendet haben. Wie gern hätte ich Manches darin geändert!

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Wie Vieles scheint mir einer Verbesserung benöthigt! Aber ein ganzes Leben liegt zwischen der Jugendzeit, wo ich den größten Theil derselben schrieb, und dem Zeitpunkt, wo sie jetzt wieder erscheinen, und es war mir in meiner jetzigen Stimmung nicht möglich, mich wieder in jene reiche Vergangenheit mit ihren Täuschungen, mit ihren Schmerzen und Freuden so lebhaft zurück zu träumen, daß ich in dem eigenthümlichen Geist dieser Darstellungen etwas daran zu ändern vermocht hätte. . . . Meiner Ueberzeugung nach habe ich keinen Anspruch auf dichterisches Talent zu machen. Mein Gefühl war meine Muse: daß ich tiefer und wahrer empfand als manche Andre; daß in jeder Beziehung und in jedem Verhältniß des Lebens Treue der Grundton meines Daseins blieb, gibt meinen Schriften den einzigen Werth, den sie in meinen Augen haben."

Dieses Vorwort ist aus Weißenfels datirt. Dort lebte seit einiger Zeit Fanny's Schwester Betty, die Mutterstelle an zwei verwaisten Kindern vertrat, und dorthin siedelte Fanny im Dezember 1829 über. Sie hatte gute Tage in Dresden verlebt und doch sich nie so recht von Herzen glücklich gefühlt. "So viele Menschen um mich", schrieb sie einmal, "ein so großer Kreis von Bekannten, so viele Freundlichkeit, und doch in der Tiefe meiner Seele das Gefühl dieser grenzenlosen Einsamkeit!" Aber wo wäre diese arme Seele jemals ganz glücklich gewesen, da ihr das Schicksal dasjenige Glück, welches sie am heißesten ersehnte, hartnäckig versagte?

Neben ihrer selbständigen Produktion hatte Fanny schon gelegentlich mit Beifall Uebersetzungen oder freie Bearbeitungen ausländischer Litteraturwerke veröffentlicht, und sie that sich etwas zu Gute auf diese Fertigkeit: "ich übersetze wirklich gut", heißt es in einem Briefe an Gustav Kühne, "und darf dies von mir selbst sagen, da ich das Verdienst, dies zu thun, nicht höher anschlage, als daß ich eine gute Naht genäht oder eine hübsche Stickerei gemacht hätte." Dieser Uebersetzerthätigkeit widmete sie sich in den nächsten Jahren, seit ihr schweres Augenleiden sich gebessert hatte, überwiegend, und da diese Uebersetzungen leidlich bezahlt wurden, so sah sich Fanny jetzt, wo sie in das Alter eingetreten war und von jüngeren Schriftstellern ihrer Bekanntschaft schon "Tante Fanny" genannt wurde, der Sorgen entledigt und konnte sich mit einer gewissen Behaglichkeit umgeben. Auch in Weißenfels gewann sie bald einen Kreis wohlwollender Menschen, besonders schloß sie sich mit mütterlichem Wohlwollen der Jugend an. An einem Abend jeder Woche empfieng sie junge Leute bei sich, die sich für Litteratur interessirten, und las

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mit ihnen. Zu ihren jungen Freundinnen, mit denen sie auf diese Weise verkehrte, gehörte Luise v. François, die nachmals eine große Schriftstellerin werden sollte.

Es kam mit den Jahren doch mehr Ruhe und Stille in Fanny's Seele. Sie fürchtete sich nicht mehr vor der "grenzenlosen Einsamkeit", die sie noch in Dresden empfunden hatte. "Mir ist unbeschreiblich wohl zu Sinn", schrieb sie um diese Zeit, "wenn ich so in guter Jahreszeit und in schöner Naturumgebung Tage und Wochen allein mit Gott und mit mir selbst verleben kann. Es ist um uns alle im Leben zu laut - die schönsten, feierlichsten Melodien bleiben unvernommen." Ihr quälendes Gichtleiden, zu dessen Linderung sie ab und an die Quellen in dem anmuthigen Freienwalde aufsuchte, ertrug sie mit großer Geduld. Nach einem besonders schweren Anfall ihrer Krankheit schrieb sie: "Nun ist es überstanden. Wenn Gott einem nicht das stille Glück des inneren Friedens und der zufriedenen Genügsamkeit schenkte, so wäre man zuweilen wohl übel daran; allein alle diese Dissonanzen des äußeren Lebens lösen sich für mich in einer namenlosen seeligen Stille auf, die mich auch körperlich immer wieder wunderbar kräftigt."

Wenn Fanny sich auch an größere selbständige Arbeiten nicht mehr recht heranwagte, so mochte sie doch nicht darauf verzichten, gelegentlich kleinere Aufsätze für Zeitschriften zu liefern, und diese Thätigkeit führte sie mit Gustav Kühne zusammen, den man gemeinhin dem jungen Deutschland zuzurechnen pflegt. Der hatte 1835 die Leitung der damals einflußreichen "Zeitung für die elegante Welt" übernommen und suchte sich Fanny's Mitarbeit an diesem Journal zu sichern. "Sie haben erst vor kurzem, hochverehrte deutsche Dichterin und Denkerin", so schrieb er ihr, "der ,Zeitung für die elegante Welt' einen so vortrefflichen Beitrag mit der Parallele zwischen Rahel und Bettina zugewandt, daß der Wunsch, sie zu größerer Theilnahme an dem Blatte zu gewinnen, um so lebhafter in mir entstehen mußte . . . Als Jhr gedachter Aufsatz erschien, war ich in Berlin und konnte Zeuge sein von der Wirkung, den derselbe auf die dortigen, für Rahel und für Bettina leidenschaftlich getheilten Zirkel hatte. Varnhagen ließ sich mehrere Exemplare Jhrer Abhandlung schicken und verbreitete sie, wie es seiner ausgebreiteten Connaissance möglich ist, nach allen Himmelsgegenden. Es giebt in Berlin ganze Gesellschaften, die sich einseitig und auf das Bestimmteste für Rahel oder für Bettina erklären: zur Ausgleichung solcher exorbitanten Stimmungen ist in der That Jhre feinsinnige Parallele zwischen beiden Erscheinungen

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wie geschaffen. Jch bin ein sehr eigennütziger Mensch, und so erlaube ich mir denn nochmals die ganz dringende Bitte, mir und meiner Zeitung Jhre Gunst recht reichlich zu schenken." Aus diesen geschäftlichen Beziehungen entspann sich ein lebhaft geführter Briefwechsel 1 ) und ein sehr freundschaftlicher Verkehr, der sich noch herzlicher gestaltete, als Kühne in verwandtschaftliche Beziehungen trat zu einer Freundin Fanny's, der Frau Auguste Harkort, der Gattin eines Leipziger Handelsherrn, einer hochgebildeten Frau, in deren Hause alle bedeutenden Persönlichkeiten Leipzigs verkehrten. Nicht nur von der lebendigsten Theilnahme an allen litterarischen Ereignissen zeugen Fanny's Briefe an Kühne, sondern auch eine wohlthuende Herzenswärme, eine treue Anhänglichkeit Fanny's an ihre Freunde spricht aus ihnen. Wie freut sie sich über jeden Erfolg ihres jungen Genossen, dem sie aber auch als erfahrene Rathgeberin und, wo es Noth thut, als Warnerin zur Seite tritt, wie sie denn einmal dem heißspornigen Kritiker die beherzigenswerthen Worte zuruft: "Schneiden Sie so tief Sie wollen in faules Fleisch hinein - lassen Sie aber die Lust an der Schärfe Jhres Messers und an der geschickten künstlerischen Handhabung desselben Sie nie dazu verleiten, auch in frisches Fleisch behaglich hinein zu schneiden. Jhnen sind mächtige, aber auch gefährliche Waffen anvertraut." Sie sparte dem Freunde gegenüber auch den Tadel nicht, wo sie ihn für nützlich hielt. Als Kühne später die "Europa" redigirte, schrieb sie ihm eines Tages: "Die Europa erhalte ich alle Sonntage ganz neu - sie haben sich die Sache aber auch mitunter leicht gemacht - lassen Sie es mich sagen: wohl zu leicht. Uebersetzungen französischer Erzählungen, die man gleichzeitig in 3-4 anderen Journalen fand, - Auszüge aus Büchern, die man selbst lesen wollte - darüber beklagen sich die Leser und Sie haben Recht, von Jhnen etwas Besseres zu erwarten." -

Einmal noch raffte sich Fanny zu einem größeren Werke auf. Im Jahre 1833, zwei Jahre nach Klinger's Tode, ließ sie erscheinen "Zwei Jahre in Petersburg. Ein Roman aus den Papieren eines alten Diplomaten" - anonym, weil sie sich selbst jetzt mißtraute. Als Roman betrachtet hat das Buch alle Schwächen der früheren Schriften der Verfasserin; eine Menge von Beschreibungen, Betrachtungen und Dialogen, an sich geistreich und die Schreiberin von ihrer besten Seite zeigend, sind durch


1) Einige der Briefe Fanny's an Kühne sind abgedruckt bei E. Pierson: Gustav Kühne, sein Lebensbild und Briefwechsel mit Zeitgenossen. Dresden und Leipzig 1890. Eine große Anzahl derselben besitzt Fräulein Fanny Bölte, die mir die Benutzung freundlichst gestattet hat.
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den losen Faden einer nicht eben spannenden Erzählung verbunden. Trotzdem brachte das Werk es zu einer zweiten Auflage, die dann 1848 unter dem Namen der Verfasserin erschien.

In dem "Zum Lebewohl an alle mir Wohlwollende" überschriebenen Vorwort der zweiten Auflage trat Fanny "mit ernster Wehmuth aus der stillen Abgeschiedenheit von allem litterarischen Verkehr, in der ich seit Jahren lebe, noch einmal hervor. . . . Auf einer mehr denn fünfzigjährigen" - wie sie mit einiger Uebertreibung sagt - "literarischen Laufbahn ist mir so viel Liebes und Freundliches zu Theil geworden, daß ich sie nicht verlassen kann, ohne den Lesern zum Abschied ein Wort des Dankes zu sagen, die sich meiner noch aus ihrer eigenen Jugendzeit erinnern. Das Lesepublikum, zu dessen Lieblingen ich einst gehörte, hat einem jüngeren Geschlecht Platz gemacht; die Zeit ist zur dauernden Theilnahme an einfachen Darstellungen aus der Gemüthswelt zu ernst geworden; die Jugend hat jetzt andere mächtigere Interessen, andere Sorgen, Schmerzen, Hoffnungen und Jllusionen als zu meiner Zeit; mir ist aber noch keine tiefe Kluft zwischen ihr und meinem Alter fühlbar geworden, und dankbar erkenne ich die Rücksicht - ich möchte es Pietät nennen - an, mit der mehrere unserer jungen Litteraten das Andenken an eine der Lieblingsschriftstellerinnen ihrer Mütter geachtet haben. Im Alter, wo man keine Hoffnungen für das eigne irdische Dasein mehr hat und nur auf Erinnerungen beschränkt ist, bedarf man mehr als in irgend einem früheren Zeitpunkte des Lebens der Kräftigung durch große Jdeen, und die Begeisterung für altes schöne und Große, die seit frühester Jugend die Seele meines Daseins war, ist für mich noch nicht versiegt und ich hoffe, daß sie bis zu meiner Todesstunde mir wie ein vermittelnder Pulsschlag mit den edlen Bestrebungen und Dichtungen der Neuzeit treu bleiben wird. Jch bin alt geworden, allein mein Herz bewahrt noch die Kraft zu glauben, zu hoffen und zu vertrauen, und so verklärt sich mir das Abendroth meines Lebens zum Morgenroth einer schöneren Zukunft für Deutschland und seine Söhne und Töchter."

Diese Worte schrieb Fanny in Dessau, wo sie seit dem Frühjahr 1842 ihren Wohnsitz genommen hatte. Als ihre Schwester Betty ihr Erziehungswerk in Weißenfels beendet hatte und nach Berlin gegangen war, um bei Hitzig's Enkeln, den Kindern des Generals Bayer, gleiche Pflichten zu übernehmen, mochte auch Fanny nicht in Weißenfels bleiben. Zwanzig Jahre noch hat sie in Dessau gelebt. Ihrer Feder gönnte sie nun Ruhe, im Jahre 1846 erschien die letzte ihrer Uebersetzungen.

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Allmählich wurde es still um sie her. 1855 schrieb sie an Kühne: "Ach Lieber, sie thun wahrlich ein gutes Werk, wenn sie mich wieder mit einiger Lektüre versorgen. Jch lebe ganz abgeschieden von der Welt, habe gar kein Geschick mehr zu alltäglicher Gesellschaftskonversation und bin in mir ganz heiter und zufrieden, wenn ich einsam bin und zur Abwechselung von ernster Geistesnahrung etwas Leichtes, Anmuthiges lesen kann." Ihr Gichtleiden fesselte sie mehr und mehr ans Zimmer; "ich muß mich darauf gefaßt machen", schrieb sie im Juni 1858, "ganz contract zu werden. . . . Ach wie sehne ich mich oft hinaus - wie herrlich müßte es sein, in diesen schönen Abenden einmal im Freien den Nachtigallen lauschen zu können." Aber sie murrte nicht, in ihr war Ruhe geworden: "Nie kann ich es dankbar genug anerkennen, welcher stille schöne Friede mich beglückt." Fanny hatte in Dessau die "heimliche Sterbestätte" gefunden, die zu suchen nach ihren eigenen Worten jedes lebende Wesen durch das Naturgesetz, durch den Instinkt angetrieben wird. Als am 20. Juni 1862 1 ) ein Gehirnschlag ihrem Leben ein Ende machte, war wohl auch ihr "der Tod nur die höchste, letzte Gabe des Vaters, der Bote, der die mühebeladene Seele emportrug zur himmlischen Freiheit" - so hatte sie einst an Kühne geschrieben. An ihrem Sterbelager stand die getreue, Betty, die inzwischen die Gattin des Kriegsraths Kauffmann in Berlin geworden war. Das kleine Kapital, welches seinerzeit für sie zusammengebracht worden war, hatte Fanny, seit ihre schriftstellerische Thätigkeit abgeschlossen war, ziemlich aufgezehrt; der Rest desselben und eine Spende der Schillerstiftung zu ihrem letzten Weihnachtsfeste reichte aus, um die Kosten der Beerdigung zu decken. Das Sandsteinkreuz auf ihrem Grabe ließ Mr. Wigram errichten.

Als eine "Verschollene" hatte sich Fanny in dem Vorwort zu den "Zwei Jahren in Petersburg" nicht mit Unrecht bezeichnet. Ihr Tod gieng ganz unbemerkt vorüber, selbst in Dessau, dem Ort ihres Hinscheidens, widmeten die öffentlichen Blätter ihr kein Wort des Nachrufs.

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1) Die Angabe bei Goedeke a. a. O. und in der Allgemeinen deutschen Biographie Bd. 37, S. 401, daß Fanny am 4. Juli gestorben sei, ist irrig. Der 20. Juni ist gesichert durch die von Fanny's Schwester und Schwager unterzeichnete Todesanzeige im Anhalter Staats=Anzeiger 1862 Nr. 94 vom 21. Juni.