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IV.

Der Güstrowsche Erbfolgestreit.

Von

Oberlehrer Dr. Richard Wagner.

(Schluß.)

~~~~~~~~~~~~~~~~

IX.

Die Hamburger Kommissionsverhandlungen bis zu ihrem Abbruch im März des Jahres 1700.

Die erste und zweite Tagung der Kommission (bis Ende 1698).

Mit der Einsetzung der Hamburger Kommission trat endlich der Güstrower Erbfolgestreit, nachdem er bereits 10 Jahre gewährt hatte, in dasjenige Stadium ein, in welchem er seinen Abschluß finden sollte, freilich erst nach Verhandlungen, die, wenn man vom Erscheinen der Einsetzungs=Reskripte an rechnet, noch mehr als 3 Jahre in Anspruch nahmen. Ihren Gang zu schildern, ist die Aufgabe der letzten Abschnitte dieser Arbeit.

Die kaiserlichen Reskripte vom 27. Januar 1698 wurden den 6. März durch einen Expressen nach Schwerin überbracht, zugleich mit Kopien, durch welche der Schweriner Hof vorläufig von ihrem Inhalt Kenntniß erhielt. Von Schwerin aus sandte man die Originale den 7. an den Grafen Eck, auch gingen den 10. März schreiben an die drei bei der Kommission betheiligten Höfe, Kopenhagen, Wolfenbüttel und Eutin, ab mit dem Ausdruck der Freude des Schweriner Hofes, daß Kaiserl. Majest. die betreffenden Höfe mit der Kommission betraut habe, und mit der Bitte, sie zu übernehmen und einen Termin für den Beginn der Verhandlungen zu bestimmen.

Graf Eck befand sich gerade in Osnabrück; er meldete den 13. März den Empfang und die Wiederabsendung der Reskripte nach Schwerin, wobei er zugleich das an Adolf Friedrich und das an die Ritter= und Landschaft adressirte, außer dem für Friedrich Wilhelm bestimmten Original diesem zur Weiterbeförderung zusandte. Den 24. März erhielt Adolf Friedrich das seinige.

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Von den Mitgliedern der Kommission antwortete zuerst der Bischof von Eutin (d. 4. April), darauf der König von Dänemark (d. 9. April), die beiden Wolfenbütteler Herzöge erst den 5. Mai. Alle erklärten ihre Bereitwilligkeit, die Kommission zu übernehmen. Von Dänemark ward der Geh. Rath v. Lenthe zum Subdelegirten für die Kommission bestimmt, von Wolfenbüttel der Kanzler Probst v. Wendhausen, von Eutin der schon in den meklenburgischen Angelegenheiten bewanderte Geh. Rath John. Nachdem vorerst allerlei Präliminarfragen geordnet waren, unter denen auch eine Präcedenzfrage (zwischen Wolfenbüttel und Eutin) nicht fehlte, ward der Beginn der Verhandlungen auf den 27. September d. J. anberaumt.

Friedrich Wilhelm beeilte sich auf die Anzeige davon, zu erwidern (d. 9. August), daß er rechtzeitig Abgeordnete senden werde, und bestimmte für diesen Zweck den Geh. Rath Taddel und den Kammerdirektor Vermehren. Adolf Friedrich dagegen zögerte lange, sich der Kommission zu unterwerfen, da dies ein Aufgeben seines bisher konsequent festgehaltenen Standpunktes zu der Rechtsfrage zu bedeuten schien. Der kaiserliche Auftrag an die Kommission lautete nämlich dahin, beide streitende Theile "auf ein zulängliches dem Herzogthum Güstrow proportionirtes appanagium" zu vergleichen. Also nicht die Frage, wem das Herzogthum Güstrow zukomme, war der Gegenstand der Verhandlungen, der Kaiserhof blieb dabei, daß diese bis zu etwaiger weiterer Verhandlung im Prozeßwege zu Gunsten Friedrich Wilhelms entschieden sei, sondern es handelte sich nur um eine zulängliche Abfindung für Adolf Friedrich.

Er beklagte sich darüber in zwei Schreiben vom 4. Juni an den König von Dänemark und die Herzoge von Wolfenbüttel, wobei er zugleich auch die Beschwerde vorbrachte, daß ihm auch diesmal wieder der Katholik Graf Eck als Kommissar aufgedrungen werde, zu dem er ohnehin wegen seiner bekannten großen Vertraulichkeit und Familiarität mit Friedrich Wilhelm wenig Vertrauen hegen könne. Er fragte dann um Rath, wie er sich verhalten solle. Als aber beide Höfe zur Beschickung der Kommission riethen, vor der er sich ja seine Befugnisse reserviren könne, entschloß er sich zu einem Mittelwege. Er theilte seinen Entschluß, die Kommission zu beschicken, dem Grafen wie den drei Höfen d. 23. August mit, ersuchte um eine Erklärung vor Beginn der Verhandlungen, daß dieselben "keinen andern Vorsatz hätten, alß die gantze Sache, wie sie an sich selbst, und ihrer Natur nach beschaffen, ohne einige reflexion, was in derselben eine Zeit nach ein ander ergangen, auszunehmen, und pro ob-

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jecto Commissionis zu setzen, keineswegs aber lediglich und allein auf eine apanage die Handlung anzustellen."

Durch dieses Schreiben, über welches erst von Wien aus Entscheidung einzuholen sei, ward Wolfenbüttel veranlagt, einen Aufschub des Beginns der Verhandlungen bis zum 7. November vorzuschlagen, zog aber auf entschiedene Remonstration Friedrich Wilhelms seinen Vorschlag wieder zurück. Die Schweriner Räthe kamen den 26. September in Hamburg an, am 27. auch Graf Horn, der zwar den 7. Oktober wieder abreiste, aber bis an den Schluß der Verhandlungen häufig auf kurze oder längere Zeit wieder kam, wenn er selbst oder der Herzog es für erforderlich hielt. Die beiden Strelitzer Deputirten Gutzmer und Knegendorf langten den 7. Oktober an und traten in die Verhandlungen ein, obgleich Adolf Friedrichs Begehren, die Aufgabe der Kommission anders zu stellen, nicht erfüllt war und auch unerfüllt blieb. Aus ihrer Instruktion war das Wichtigste, daß Adolf Friedrich nicht von der Forderung der Reichsstandschaft abgehen werde.

Die Schweriner Instruktion (datirt vom 20. September) schrieb den Deputirten vor, 150000 Rth. als Abfindungssumme anzubieten, wovon 100000 nach Aussterben der männlichen Descendenz von Adolf Friedrich wieder zurückfallen, 50000 zur freien Disposition für Prinzessinnen oder sonst erblich verbleiben sollten; falls die Strelitzer Abtretung von Aemtern wünschten, so seien zu denen, die Adolf Friedrich schon habe, Fürstenberg und Wesenberg auf Abschlag der Zahlung der Abfindungssumme in Vorschlag zu bringen; sollte auch das noch nicht ausreichen, sondern Adolf Friedrich bis zur gerichtlichen Entscheidung eine Erhöhung seiner Apanage beanspruchen, so seien ihm zu den 7000 Rth., die er schon habe, noch ebenso viele anzubieten, unter der Bedingung, daß Friedrich Wilhelm der völlig freie Besitz des Herzogthums Güstrow eingeräumt werde. Von einem Reichsvotum war nicht die Rede: ein solches konnte nach Ansicht des Schweriner Hofes überhaupt nicht Gegenstand der Verhandlungen bilden. Bei dieser Sachlage war die Aussicht für das Zustandekommen des Ausgleichs im Beginn der Verhandlungen nicht eben groß.

Die Sitzungen der Kommission wurden d. 12. Oktober Morgens 10 Uhr eröffnet und fanden im Hause des Grafen Eck statt. Um die Präcedenzfrage zwischen dem regierenden Friedrich Wilhelm und dem an Jahren älteren Adolf Friedrich zu umgehen, ward das Verfahren beliebt, daß beide Parteien gesondert vorgefordert wurden; ferner traf die Kommission die Einrichtung, daß die Eingaben beider im Allgemeinen nicht dem Gegner mit=

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getheilt werden sollten. Die Kommission nahm sie zur Kenntniß und arbeitete darnach ihre eigenen Vorschläge aus.

Gleich in der ersten Sitzung schlug sie den Schwerinern vor, Adolf Friedrich eine Art von Regierung mit dem Recht der Reichsstandschaft zu geben, die Schweriner lehnten dies entschieden ab und boten eine Geldsumme an. Die Kommission versuchte darauf, die Strelitzer zum Aufgeben des Votums zu bewegen; es ward ihnen vorgestellt, "wie genereus es wäre, wenn außer dem Regierenden Herrn die anderen vom Hause sich mit einem fürstlichen Unterhalt begnügten, und das Haus zum splendor und gloire kommen ließen, als es durch divisiones zu schwächen." Die Strelitzer blieben aber derlei Erwägungen gegenüber taub. In der dritten Sitzung (d. 14. Oktober) schlug die Kommission vor, Friedrich Wilhelm möge, um Strelitz vom Votum abzubringen, jährlich 50000 Th. bewilligen, was die Schweriner ebenfalls ablehnten. Nachdem so die Kommission mündlich mit beiden Parteien einige Tage verhandelt hatte, schritt sie den 18. Oktober zur Vorlegung eines ersten schriftlichen Vergleichsprojektes (datirt vom 27./17. Oktober) mit folgender Alternative: Es möge Adolf Friedrich entweder soviel Landes angewiesen werden, daß er jährlich 30000 Th. daraus heben könnte, die 7000 Th., die er schon vom Schweriner Antheil genieße, miteinbegriffen, mit voller Landeshoheit und Jurisdiktion, ausgenommen nur die Reichsstandschaft, auch Freiheit von Steuern solle er genießen mit Ausnahme der Reichs=, Kreis= und Fräuleinsteuern oder, wenn er das Votum nicht fahren lassen wolle, so möge man ihm dieses überlassen und so viel Land, daß es, inkl. seiner jetzigen Apanage, 20000 Th. einbringe, mit allen Hoheitsrechten, doch habe er sich zu verpflichten, mit seinem Votum niemals von den übrigen meklenburgischen Votis abzugehen oder auch mit Auswärtigen in Traktaten sich einzulassen, noch weniger aber fremde Truppen in seine Residenz und sein Land einzunehmen.

Auf diese Vorschläge hin holten die beiderseitigen Deputirten erst Instruktion von ihren Höfen ein. Die Schweriner Antwort, die Graf Horn selbst (d. 24. Oktober a. St.) nach Hamburg überbrachte, ward d. 1. November in schriftlicher Form (datirt Hamburg 4. November/25. Oktober) der Kommission übergeben. In diesem Schriftstück bot Friedrich Wilhelm 20000 Th. an Einkünften, wovon die Hälfte aus den Domänen angewiesen werden solle, über diese solle, Mirow ausgenommen, Adolf Friedrich die Jurisdiktion unter Vorbehalt der Appellation an das Parchimer

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Landgericht erhalten. Ritterschaft und Städte seien nicht in die Abtretung einbegriffen, da diese nicht separirt werden könnten. Ein Votum könne nicht abgegeben werden, da das Herzogthum Güstrow überhaupt nur eins habe. Die Strelitzer beharrten indessen auf dem (Güstrower) Votum und forderten dazu wenigstens 20000 Th.

In ihrer Relation vom 1. November, worin die Schweriner Räthe dies melden, riethen sie zugleich zu größerer Härte Strelitz gegenüber, da dieses die Nachgiebigkeit nur benutze, um seine Forderungen noch weiter zu steigern. Friedrich Wilhelm, der den sehnlichsten Wunsch hatte, den ärgerlichen Handel bald beendigt zu sehen, um wieder in den Besitz des Güstrower Landes zu gelangen, entschloß sich indessen zu einem entgegenkommenden Schritte. Er schrieb den 2. November an die Räthe:

"Weil wir gemeint sein, Gott zu ehren, dem ruhestand des publici, und unserm lande zum besten, S. Kayserl. Maytt. aus der bisherigen Brouillerie mit bem Crais-directorio, so viel an unß zu ziehen, - so ist unser gnäd. wille, daß ihr, wenn die Sache nicht auf leidtlicherem wege zum ende gebracht werden mag, absque voto et sessione an Strelitz, bis an die dreyßig tausendt Rth. und cum voto, et sessione zwantzig tausendt Reichsthaler, accordiren - möget." Er sehe indessen gerne, daß das votum auf Lebzeiten des Herzogs Adolf Friedrich beschränkt und daß ihm das schwerinsche votum zugestanden werde. Sei aber auch die erste Bedingung nicht zu erreichen, so müsse es ohne Beschränkung zugestanden werden, jedoch dergestalt clausulirt, daß dadurch Herzog Adolf Friedrich kein Recht an dem Herzogthum Schwerin erlange, sondern ihm nur der Gebrauch des Votums bei dem gelassen werde, was in dem stargardischen ihm bewilligt werde, und daß auch Adel wie Städte Schwerin vorbeholten blieben. Lieber wolle er indessen 25000 oder auch 30000 Th. jährlich ohne Votum geben als 20000 mit demselben. 1 )


1) Friedrich Wilhelm kam dann einem Wunsche, den die Kommission gleich im Beginn der Verhandlungen geäußert hatte, zufolge den 7. Nov. selbst nach Hamburg. Er wohnte dort in einem Hause, das er i. J. 1694 für sich hatte kaufen lassen. Mancherlei "divertissements" verkürzten dem jungen lebenslustigen Fürsten den Aufenthalt. Auch Adolf Friedrichs Anwesenheit wünschte die Kommission, damit in Gegenwart beider Fürsten die Verhandlungen schneller gefördert werden könnten. Allein Adolf Friedrich entschloß sich damals noch nicht zu der Reise, zu der die Mittel aufzubringen ihm schwer wurde. Somit hat Friedrich Wilhelms damaliger Aufenthalt in Hamburg keinen merkbaren Einfluß auf die Verbandlungen gehabt.
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Das Schreiben bedeutete ein Nachgeben in dem entscheidenden Punkte, der bisher vom Beginn des Streites an stets der Einigung im Wege gestanden hatte, der Forderung des Reichsvotums. Allein die Räthe waren vorsichtig genug, von diesem Zugeständniß vorläufig noch nichts merken zu lassen, als ihnen in einer Sitzung am 5. November unter einigen andern Fragen auch die vorgelegt wurde, ob man schwerinischerseits von dem Votum abstrahiren werde. Auch den Strelitzern wurden an demselben Tage diese Fragen vorgelegt, sie antworteten darauf den 7./17. November in einer Eingabe, in der sie weit höhere Forderungen stellten, wie noch am 1. Sie gingen davon aus, daß das gesammte Herzogthum Güstrow Adolf Friedrich zukomme, um des lieben Friedens willen sei er erbötig, ein oder zwei Aemter davon an Friedrich Wilhelm abzugeben, und auf die Schweriner Apanage und die noch ausstehenden Schuldforderungen von über 80000 Th. zu verzichten. Obgleich dies einem Abbruch der Verhandlungen so ziemlich gleich kam, so formulirte doch die Kommission den 18./8. November einen zweiten schriftlichen Vorschlag.

Dieser stellte folgende Alternative:

1. Adolf Friedrich erhält den Stargarder Distrikt mit besonderer Investitur und mit Adel und Städten, doch ohne Votum; was an 30000 Th. Einkünften, in die die Schweriner Apanage nicht miteinzurechnen ist, fehlt, ist aus dem Boizenburger Zoll zu affigiren oder

2. er erhält das Votum mit 20000 Th. jährlich, ungerechnet die Schweriner Apanage und 8000 Th. einmaliger Zahlung zum Bau eines Residenzschlosses.

Er dürfe indessen die Appellation an das Landgericht nicht hindern, kein jus armorum, fortalitiorum et foederum ausüben, auch keiner andern Mächte Truppen ins Land einnehmen, müsse in publicis dem Interesse des Herzoglichen Gesammthauses attachirt bleiben und dürfe keine "separate mesures" nehmen und keine Allianzen schließen. Friedrich Wilhelm habe ihn in seine Schutzbündnisse einzuschließen. Streitigkeiten seien durch Deputirte zu entscheiden; das Primogeniturrecht sei durch ein Statut festzustellen.

Da die Strelitzer über diese Vorschläge wieder Instruktion einholen zu müssen erklärten, so wurden die Verhandlungen auf 14 Tage abgebrochen und her Wiederbeginn auf den 28. November verabredet. Gutzmer bat zwar den 18. November von Strelitz

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aus, bis zum 3. Dezember Anstand zu gewähren, erhielt aber auf Betrieb der Schweriner einen Abschlag (5. Dezember/25. November). Die Antworten beider Parteien wurden dann den 17./7. Dezember schriftlich übergeben, aber beide von der Kommission zurückgewiesen, da sie von ihren Vorschlägen erheblich abwichen. Strelitz besonders wird vorgeworfen, es habe sich von dem vorgesetzten Ziel weiter als vorher entfernt. In der Schweriner Antwort war die Abtretung eines Votums nicht zugestanden. Da aber im Ganzen die Schweriner doch mehr Entgegenkommen als Strelitz gezeigt hatten, so stellte sich die Kommission zunächst auf deren Seite und machte den Versuch, Strelitz zur Aufgabe des Votums zu nöthigen.

Sie stellte noch den 7. Dezember an die Strelitzer Bevollmächtigten das Ansinnen, morgen, also den 18./8. Dezember, Näheres, was zum Ziele führen könne, vorzubringen, besonders auf die Frage, ob sie in Betreff des Votums sich überwinden könnten, widrigenfalls die Kommission die Verhandlungen abbrechen und die Akten nach Wien senden werde.

Dieser Schreckschuß bewog die Strelitzer den 18./8. Dezember zu einem sehr wichtigen Zugeständniß, der Vertauschung des Güstrowschen Votums mit einem andern, etwa dem des Stiftes Schwerin. Als aber die Schweriner den 22./12. Dezember auch dies ablehnten und als ihres Herrn "positive und finale Erklärung" hinstellten, daß er weder das Güstrowsche Votum abtreten noch ein anderes dafür geben wolle, zumal die Vota, die er sonst führe, kein Gegenstand der Verhandlungen seien, da ließen sich die Strelitzer den 25./15. Dezember zu der Erklärung bewegen: Wenn ihr Herr, worüber sie nicht instruirt seien, das Votum fallen lassen sollte, so werde er von Güstrow nicht viel abgeben können; bei Abtretung des Votums werde er dagegen seine Schuldforderung an Friedrich Wilhelm wohl fallen lassen und einige Aemter mehr abtreten. Friedrich Wilhelm ließ den 26./16. Dezember 25000 Th. Einkünfte und zwar aus den Aemtern Stargard, Strelitz, Wanzka und Feldberg mit den zwei Städten Stargard und Strelitz und mit Hypothecirung des Restes aus dem Boizenburger Zoll anbieten.

Die Erklärung der Strelitzer wurde, obgleich sie ohne Instruktion abgegeben war und also nicht als bindend angesehen werden konnte, und außerdem die für Schwerin unmögliche Abtretung des größten Theiles von Güstrow verlangte, doch von der Kommission dahin aufgefaßt, daß Strelitz bereit sei, gegen

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gewisse Bedingungen, über die noch weiter zu verhandeln sein werde, das Votum aufzugeben. Somit erging den 29./19. Dezember 1698 ein "letzter" Vorschlag der Kommission: Adolf Friedrich möge den stargardischen Distrikt mit allen Pertinenzien, ausgenommen das Jus praesidii an den Orten, welche als Pässe in Kriegszeiten zu besetzen seien, jährlich 33000 Th., bei künftigem Aufhören des Güstrowschen Witthums 40000 Th. und 8000 Th. für Instandsetzung einer Residenz erhalten. Beide Theile wurden binnen vier Wochen zu einer Antwort aufgefordert; darauf trennte sich die Kommission wieder.

Fortgang der Verhandlungen bis zum Ultimatum der Kommission vom 2. Juni 1699.

Das Reichsvotum schien für Adolf Friedrich verloren. Seine Sache stand um so schlechter, als der Reichskrieg mit Frankreich zu Ende war und auch mit den Türken den 26. Januar 1699 Friede geschlossen ward. Der Kaiser war also oder schien wenigstens jetzt in der Lage, seinem Urtheile vom 12. Januar 1697 mit bewaffnetet Macht Nachdruck geben zu können. Adolf Friedrich selbst verzweifelte am Erfolg: in einem Briefe nach Berlin (Ende 1698) brauchte er den Ausdruck, er habe "blutige Thränen vergossen, weil er dasjenige, so ihm von Gott= und Rechtswegen zukomme, fallen lassen müßte." Sein Versuch, in Berlin Assistenz zu finden, scheiterte; der Berliner Hof hatte sich, nachdem die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt waren, eng an den Wiener angeschlossen, von dem Kurfürst Friedrich Gewährung seines Wunsches nach der Königskrone erhoffte, und wenn auch der Versuch, zu dem der kaiserliche Geschäftsträger in Wien (Anfang Januar 1699) angewiesen ward, Brandenburg zu einem Druck auf Schweden, daß es Adolf Friedrich zur Annahme der Kommissionsvorschläge vom 29. Dezember rathe, und eventuell zur Trennung seiner Truppen von denen der beiden Mitdirektoren zu bewegen, erfolglos blieb, so erhielt doch Adolf Friedrich ein Mahnschreiben aus Berlin (unter dem Datum des 5./15. Januar), auf den letzten Kommissionsvorschlag einzugehen, da der Kaiserhof seine Rechte und Prätensionen so gar nicht anerkennen wolle, auch schon ein Urtheil gegen ihn gefällt und dieses ohne Zweifel à tout prix aufrecht erhalten werde und auch jetzt nach erfolgtem Türkenfrieden Kräfte und Mittel genug dazu habe.

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Dieser Situation entsprechend gab Friedrich Wilhelm selbst seine Absicht, eventuell auch ein Votum abzutreten, wieder auf und meinte überhaupt, weitere Zugeständnisse sich sparen zu können. Seine Antwort auf den Kommissionsvorschlag vom 29. Dezember, die er den 4./14. Januar anticipando dem Grafen Eck mittheilte, bezog sich also auf seine Erklärung vom 26./16. Dezember, worin er schon weiter gegangen, als das Vermögen des Herzogthums Güstrow es vertrage und Recht und Billigkeit ihn verbinden könne. Eine ähnliche Mittheilung erging am selben Datum an die bei der Kommission betheiligten Fürsten mit dem Ersuchen, seine Erklärung anzunehmen und Adolf Friedrich ebenfalls durch kräftige Vorstellungen zur Annahme derselben zu bewegen. 1 )

Hiermit freilich waren die Kommissionsmitglieder wenig zufrieden. Das Eutiner Antwortschreiben wenigstens, das bei den Akten erhalten ist (datirt vom 9. Februar), rieth zu größerer Nachgiebigkeit, damit der Krieg vermieden werde. Auf der andern Seite ging die Abneigung Brandenburgs gegen Adolf Friedrich nicht so weit, daß es Adolf Friedrichs bewegliche Bitten, ihm aus den Erträgen des Herzogthums Güstrow eine Summe zur Bestreitung der Prozeßkosten zu überweisen, zu deren Gewährung die beiden Mitdirektoren bereit waren, hätte abschlagen mögen. 2 )

Damit war der materiellen Noth des Strelitzer Hofes, die immer dringender geworden, einigermaßen abgeholfen und Adolf Friedrich vor dem Zwange, unter dem Drucke der Noth auf jede Bedingung hin abschließen zu müssen, bewahrt. Und was


1) Adolf Friedrichs Antwort war vom 14. Januar datirt; sie ging weit über die Kommissionsvorschläge hinaus, so daß die Kommission seine Forderungen "ungereimt" fand.
2) Adolf Friedrich begründete seine Bitte neben dem Hinweis auf sein Anrecht auch damit, daß er dies Jahr (1698) Mißwachs gehabt; auch werde ihm seine Schuldforderung von 80000 Th. beharrlich von Schwerin vorenthalten. Um dieselbe Zeit erhielt die Herzogin=Wittwe mit ihren Töchtern den nunmehr wieder freien Ertrag des Zolles von Boizenburg angewiesen - 40000 Th. jährlich werden genannt -, was zu einem scharfen Briefwechsel zwischen ihr und dem Grafen Eck führte. Gegen die Zahlungen an Adolf Friedrich ließ Friedrich Wilhelm Anfang März 1699 durch den Sekretär Duve in Hamburg bei den Kreisministern einen feierlichen Protest einlegen und klagte auch wegen dieser neuen Eigenmächtigkeiten des Kreisdirektoriums beim Reichshofrath. Nach einer Uebersicht, die nach Abschluß des Streites gefertigt ist, hat Adolf Friedrich erhalten: von Joh. 1697-1698 3000 Rth., von Joh. 1698-1699 7000, von Joh. 1699-1700 30000 (!), von Joh. 1700 bis zum 25. April 1701 15000, im Ganzen also 55000 Rth.
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den Wiener Hof betraf, so kamen von dort her Anfang Februar Adolf Friedrich unerwartet günstige Nachrichten zu. Er erhielt nämlich zwei Briefe "von guter Hand" - sein Geschäftsträger, Hofrath Martens, war der Schreiber -, worin unter anderm stand, ihm, dem Briefschreiber, sei freigestellt, daß der Kaiser die Sache nochmals prüfen und einen Spruch Rechtens darüber ergehen lassen wolle, zu dem Zwecke sollten die Kommissionsakten nach Wien gefordert werden. Der Schreiber rieth dem Herzog sehr, darauf einzugehen, da er hierdurch Zeit gewinne und die Sache dann vielleicht ganz anders ausschlagen werde, denn es fingen in Wien viele an zu begreifen, daß "das Primogeniturrecht in Mecklenburg keine statt haben könnte", und wenn es anders ausfiele, werde Adolf Friedrich auch das beneficium revisionis haben. Die Schreiben wurden von Strelitz nach Berlin gesandt mit der Bitte um Rath, und in Berlin wurden sie dem kaiserlichen Geschäftsträger bekannt; dieser theilte die "verfluchte und höchst anzügliche Relation" umgehend dem Grafen Eck mit, der sie den 11. Februar dem Grafen Horn mit dem Bemerken sandte, er halte das Ganze für erdichtet. 1 )

Konnte schon dieser Vorfall auf Adolf Friedrich immerhin eine ermuthigende Wirkung üben, da doch etwas daran sein mußte, so war es doch vorzugsweise auch jetzt noch Schweden, das ihn aufrecht hielt. Er erhielt in diesen Monaten vor Wiederbeginn der Kommissionssitzungen von dort neue Zusicherungen, daß man ihn nicht im stiche lassen werde. 2 )

Der Wiederbeginn der Verhandlungen wurde, wie Eck den 20./10. Februar nach Schwerin schreibt, auf den 18./8. März anberaumt: die Kommission wolle dann noch einen letzten Versuch machen, ehe sie ihr Referat an den Kaiser abstatte; die Anwesenheit der Herzöge selbst sei erwünscht. Friedrich Wilhelm schrieb zu, während Adolf Friedrich den 28. Februar und nochmals den 6. März um Ansetzung eines späteren Termins bat, mit der Begründung, daß Gutzmer krank sei. Obgleich man diese Entschuldigung für einen Vorwand hielt, so ließ sich die Bitte nicht wohl ablehnen, somit ward der Termin auf den 30./20. April ausgesetzt.


1) Um in Wien selbst zum Rechten zu sehen, reiste Graf Horn im März wieder dorthin.
2) Den 25. März schreibt der Rath Schuckmann aus Güstrow, vor drei Tagen sei ein Brief an den schwedischen Kommandanten in Güstrow angekommen, worin gestanden, aus der Meklenburgischen Kommission werde nichts werden, weil der König nicht zugeben werde, daß Adolf Friedrich vom voto abstehe, weil er seinen Vetter nicht "en gentilhomme tractiren laßen werde."
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Die erste Nachricht über den Verlauf der Verhandlungen giebt ein ausführliches Schreiben des Herzogs selbst, der die Aufforderung der Kommission nach Hamburg zu kommen wieder befolgt hatte, an den Grafen Horn nach Wien, datirt vom 26. April, das ergänzt wird durch eine Strelitzer Relation vom 27. April. Darnach stand die Sache, da die beiden Antworten auf den Vorschlag vom 29. Dezember sehr von einander differirten, noch auf dem alten Fleck. 1 ) Ein Vorschlag, daß Friedrich Wilhelm das Votum von Güstrow für sich und seinen Vetter von Strelitz führen möchte, wie die Strelitzer aus dem Testament Johann Albrechts I. zu deduciren gesucht hatten, wurde von Friedrich Wilhelm abgelehnt, weil er für seinen Bruder, Karl Leopold, höchst nachtheilig sei. Ebenso wenig kam eine Einigung zu Stande über die Teilnahme an den Landtagen, die man Strelitz nur "in arduis", wenn des ganzen Landes Wohlfahrt in Gefahr sei, zugestehen wollte, sowie über die sonstigen Hoheitsrechte. Während die Strelitzer darauf bestanden, daß diese ganz ohne Beschränkung abzutreten seien, behaupteten die Schweriner ihren Standpunkt, daß die Landeshoheit im Ganzen Friedrich Wilhelm verbleiben müsse, und wollten sich nur zur Abtretung einiger einzelner Hoheitsrechte verstehen; gerade aus dem Grunde sei Schwerin mit dem Angebot des Geldquantums so hoch gegangen, damit man die ihm zuständigen Hoheitsrechte nicht abschwäche. Von beiden Seiten legte man Uebersichten über die Einkünfte des Herzogthums Güstrow vor, die zu sehr verschiedenen Resultaten gelangten. Auf Ersuchen der Schweriner verabfolgte ihnen die Kommission die von Strelitz eingereichte Uebersicht, die von der Kreisregierung stammte. 2 ) Dagegen trug die Kommission Bedenken, die Strelitzer "ungereimten postulata" schriftlich mitzutheilen, weil es wenig zur Sache thun und nur die Gemüther irritiren werde.

Die Kommission neigte also auch jetzt noch mehr auf die Seite der Schweriner, worin sie durch neue Nachrichten aus Wien und Berlin bestärkt wurde. In Berlin war nämlich, wie Heems d. 29./19. April an Eck schrieb, ein drohendes Schreiben des Kaisers eingelaufen, daß er in der meklenburgischen Sache bei weiterer Erfolglosigkeit der gütlichen Verhandlungen die Execution des gefällten Urtheils mit Nachdruck vornehmen lassen werde. Dies veranlaßte den Berliner Hof, seinen Gesandten in


1) Uebrigens kam der Kanzler Probst erst d. 25. April in Hamburg an.
2) Es waren darin die freien Revenüen des Herzogthums auf 80000 Rth. veranschlagt. Die Kommission legte dieses Aktenstück ihren weiteren Berathungen, soweit sie die finanzielle Seite betrafen, zu Grunde.
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Hamburg, Herrn v. Busch, anzuweisen, den übrigen Kreisministern in Hamburg nahezulegen, wie nöthig es sei, daß der Vergleich zum Schlusse gebracht werde, da es nicht im Interesse der Kreisdirektoren liege, darüber mit dem Kaiser zu zerfallen; zugleich erklärte sich der Berliner Hof mit dem Dezember=Projekt der Kommission durchaus einverstanden. Dieses kaiserliche Schreiben war die Antwort auf die klärlich unrichtigen Strelitzer Nachrichten vom 6. Februar und hatte die Wirkung, daß die Kommission den 9. Mai/29. April den Strelitzer Deputirten ein Dekret zufertigte, worin von Adolf Friedrich in Betreff der Reichsstandschaft eine "pure und schleunige Resolution" begehrt wurde.

Die Strelitzer baten um 8 Tage Frist zur Einholung der Entschließung ihres Fürsten; sie ward ihnen gewährt mit dem Bedeuten, wenn kein rundes Ja oder Nein erfolge, werde die Kommission abgebrochen und die Akten nach Wien gesandt werden.

Die Antwort Adolf Friedrichs ward den 18./8. Mai von seinen Deputirten eingegeben. Es heißt darin, Adolf Friedrich habe die Absicht gehabt, sich, wo nicht in Hamburg selbst, so doch in der Nähe einzufinden; als ihm aber das Kommissionsdekret vom 29. April zu Händen gekommen, habe er sich dieses dergestalt zu Gemüth gezogen, daß er darüber eine "ziemliche incommodität" empfunden und seine Reise deshalb habe aufschieben müssen. Er sei noch jetzt zu kommen bereit, sobald er vernehme, daß man Schwerinscherseits sich so erkläre, daß sich einige Hoffnung auf einen guten Ausgang zeige. In Betreff des Votums könne er sich noch zu keiner finalen und kategorischen Resolution herauslassen, ehe Friedrich Wilhelm sich ebenfalls finaliter erklärt, was er auf den einen oder andern Fall (mit und ohne Votum) einzugehen geneigt sei. Die Kommission möge eine solche Erklärung veranlassen.

Diese Antwort enthielt zwar nicht das einfache Ja oder Nein, was die Kommission begehrt hatte, indessen wies sie doch die Abtretung des Votums an Schwerin nicht ganz ab und schien somit einen Weg zum Weiterverhandeln zu bieten. Die Kommission ließ deshalb ein neues Projekt schon den 9. Mai im Vertrauen - datirt ward es dann vom 21./11. Mai -, Friedrich Wilhelm mittheilen. Hierin ward die Alternative gestellt: Entweder Abtretung des Fürstenthums Ratzeburg an Adolf Friedrich mit dem Votum und einer Summe von im Ganzen 25000 Th. jährlicher Einkünfte oder Abtretung des stargardischen Distriktes ohne Votum mit Adel und Städten und 35000 Th. Einkünften; in beiden Fällen exklusive

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der Schweriner Apanage und mit Hypothezirung auf den Boizenburger Zoll.

Ehe Friedrich Wilhelm hierauf antworten konnte, geschah ein Ereigniß, das die situation recht zu seinen Ungunsten veränderte. In Hamburg hielt sich ein Kapitän v. Salmuth auf, der in lüneburgischen Diensten stand, aber nach seiner eigenen Behauptung schon seit einigen Monaten keinen Sold mehr von Lüneburg erhalten hatte und sich also selbst nicht mehr als lüneburgischen Offizier betrachtete. Er hatte sich an Friedrich Wilhelm anzunesteln gesucht und dieser ihn eine Zeit lang in seiner Umgebung geduldet, sich aber schließlich seine Gesellschaft verbeten, da er sich als Falschspieler erwies. Trotzdem wagte es der Kapitän den 13. Mai, in das schwedische Gesandtschaftshotel zu kommen, während Friedrich Wilhelm dort war, und versuchte in den Saal einzudringen, in dem sich der Herzog aufhielt. Zwei Lakaien des Herzogs (geborene Schotten) suchten ihn an der Thür zurückzuhalten, und als er grob wurde und den Degen zog, thaten sie das Gleiche und trieben ihn unter fortdauernder Gegenwehr seinerseits auf die Straße, wo er zusammenbrach und starb. Die eine der Wunden, die er bei dem Gefecht erhalten, ein Stich in den Hals, war tödtlich gewesen.

Der unselige Vorfall hatte die empfindlichsten Folgen. Das erste war, daß die Leidenschaft des Volkes, gewiß nicht ohne Zuthun von Friedrich Wilhelms Gegnern, gegen ihn aufgereizt ward. Es kam zu so drohenden Zusammenrottirungen, daß der Herzog, um dem Sturm auszuweichen, noch in der folgenden Nacht heimlich abreisen mußte. selbst seine Räthe verließen auf einige Tage die Stadt, und mußten nach ihrer Wiederkunft ihre Bedienten die herzogliche Livre ablegen lassen, da sie sich in dieser nicht auf der Straße blicken lassen durften, ohne Insulten ausgesetzt zu sein. In allen Kirchen wurden scharfe Predigten gegen die Thäter gehalten und dabei auch des Herzogs Person nicht geschont. Doch der Unwille der Hamburger ließ sich ertragen; weit schlimmer war, daß durch die That, einen offenkundigen Bruch des Völkerrechtes, zwei der Mächte, von denen das Schicksal des Güstrower Herzogthums abhing, Schweden und Lüneburg, sich schwer gekränkt fühlen mußten, da der Mord in und vor dem Hause des schwedischen Gesandten geschehen war und der Ermordete von der lüneburgischen Regierung noch als in ihrem Dienste stehend angesehen ward.

Auch für die Kommissionsverhandlungen sollte dies nicht ohne Folgen bleiben, und der Eindruck des Erlebten wird schon

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dazu mitgewirkt haben, daß sich Friedrich Wilhelm in einer geheimen Rathssitzung zu Schwerin d. 17. Mai wiederum zum Nachgeben in Bezug auf das Votum entschloß und zwar in Anlehnung an die Alternative, die von der Kommission zuletzt vorgeschlagen war. Indem er die Wahl zwischen Ratzeburg oder Stargard Strelitz zuschiebt, erklärt er sich bereit, falls Ratzeburg gewählt werde, es mit dem Votum abtreten zu wollen und, da sein Ertrag auf 18 000 Th. geschätzt werde, noch 7000 Th. aus dem Boizenburger Zoll zu zahlen gegen Wiederabtretung des Amtes Mirow und der bisherigen Apanagengelder; wenn auch dies nicht angenommen wird, so will er auf den Kommissionsvorschlag, der die Schweriner Apanage Adolf Friedrich beließ, eingehen, nur daß Mirow gegen Geldentschädigung zurückgegeben werde. Das Votum sei so zu verklausuliren, daß es entweder stetig von dem Schweriner Minister im Namen des Herzogs von Strelitz mitgeführt oder auch niemals von den drei übrigen meklenburgischen Stimmen getrennt werde. Wenn Stargard gewählt werde, so frage sich, was darunter zu verstehen sei an Aemtern und Städten, und ob nur die Aemter ohne die Städte und den Adel gemeint seien. Pro ultimato erbietet sich Friedrich Wilhelm in diesem Falle zu 40000 Th. jährlich.

Mit dieser Schweriner Erklärung, die den 19. Mai vorgelegt ward, bezeugt sich die Kommission zufrieden. Die Strelitzer Antwort, die vom 30./20. Mai datirt ist, befriedigte weniger. Adolf Friedrich wählte Ratzeburg, forderte aber im Ganzen 60000 Th. jährlicher Einkünfte, und zwar an nahe belegenen Aemtern.

Nachdem einige Tage verhandelt war, ließ sich die Kommission den 2. Juni/23. Mai herbei, obgleich sie nach so vielen, bisher vergeblich angewandten Bemühungen den Bericht an den Kaiser nicht länger aufschieben könne, doch zu letzter Bezeugung ihrer Begierde zu gütlicher Entscheidung den hohen Parteien noch vor Abschickung der Relation als Ultimatum an die Hand zu geben, Friedrich Wilhelm möge an Adolf Friedrich Ratzeburg mit 30000 Th. jährlicher Einkünfte, unter Ausschluß der Schweriner Kompetenzen abtreten, in der Art, daß zu dem Ertrage des Fürstenthums so viel als zur Supplirung der Summe erforderlich sei, aus dem Boizenburger Zoll zugelegt werde und zwar mit Herrschaftsrechten über diesen bis zur Höhe der betreffenden Summe. Zureichende Antwort wurde bis zum 24. Juni erbeten, so lange solle die Notation zurückgehalten, dann aber unverzüglich abgestattet werden. Darauf ging die Kommission auf unbestimmte Zeit auseinander.

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Der erste, welcher antwortete, war diesmal Adolf Friedrich (d. 13. Juni). Er bezieht sich auf seine Schreiben vom 14. Januar und 20. Mai und spricht die Hoffnung aus, daß man auf einen ferneren Nachlaß seiner Forderungen nicht dringen werde. Es sei gegenüber den Einkünften des Güstrowschen, die zur Zeit über 100000 Rth. betrügen, nur ein Geringes, wozu er sich aus Liebe zum Frieden herausgelassen. Im Ratzeburgischen fehle es an einem Residenzschloß, deshalb werde man es billig finden, daß er die eine der beiden Residenzen, Güstrow, erhalte. Ferner müsse ihm, was er erhalte, mit Adel und Städten gelassen werden.

Hier trat also eine völlig neue, für Schwerin jedenfalls unannehmbare Forderung, die der Residenz Güstrow, auf. Die Erklärung, wie Strelitz dazu kam, sie aufzustellen, liegt in der vollständigen Schwenkung, die sich damals am dänischen Hofe vollzogen hatte, und zwar noch bei Lebzeiten des Königs Christian V., der d. 25. August 1699 starb. Der Kronprinz, Friedrich V., war der Gatte der Güstrower Prinzessin Louise, der Schwester der Herzogin von Strelitz. Diese machte bei den Ministern und dem Könige ihren Einfluß zu Gunsten ihres Schwagers geltend, mit solchem Glück, daß Adolf Friedrich von Kopenhagen unerwarteter Weise die Zusicherung erhielt, man werde ihm auf benöthigten Fall alle Assistenz gewähren. 1 )

Adolf Friedrich glaubte also den Bogen höher spannen zu können, aber auch Friedrich Wilhelm that das Gleiche, um nicht von einem Zugeständniß zum andern gedrängt zu werden. Er zog in seiner Antwort vom 23. Juni sein Angebot der Abtretung Ratzeburgs mit dem Votum wieder zurück: es sei ihm sehr schwer geworden, es mit in Vorschlag kommen zu lassen. Nun werde eine solche excessive Summe Geldes noch dazu gefordert, daß er bei sich anstehen müsse, ob auf diese Weise die endliche Erhaltung des Güstrowschen für ihn zuträglicher sei als die


1) In Schwerin erfuhr man dies durch ein Schreiben des Rathes Schuckmann aus Güstrow vom 2. Juli, der es auf einer Reise in Neubrandenburg in Erfahrung gebracht hatte. Man hatte ihm dort noch erzählt, die alte Königin sei noch für den Schweriner Herzog, doch sei der König von seinem vornehmsten Minister schon völlig für Strelitz gewonnen, und dieser gebe der Königin in dieser Sache kein Gehör. Interessant ist, daß die Vorliebe der alten Königin für Friedrich Wilhelm, nach Schuckmanns Gewährsmann, nur daher rühren soll, weil dieser die Refugiés im Bützowschen aufgenommen hatte. Von der jungen Königin ist in dem Schreiben nicht die Rede, daß aber ihr Einfluß schon damals mit ins Spiel kam, ist aus späteren Nachrichten zu schließen.
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jetzige unrechtmäßige Vorenthaltung. Der Ertrag des Güstrowschen betrage jährlich nicht mehr als 40000 Rth. Durch Annahme der Forderungen Adolf Friedrichs werde zu dem verschuldeten Güstrowschen das Schweriner Herzogthum noch dazu "verconsumiret" werden. Da seine früheren Offerten nicht angenommen seien, so wolle er ferner nicht mehr an sie gebunden sein. Es stände beim Gegner, ob er sich endlich zu "raisonnableren conditionen", insonderheit den Stargardischen Distrikt betreffend, bequeme oder aber, wie bisher, "durch unleidliche tergiversationes" die gütliche Handlung ganz ins Stocken gerathen lassen wolle. Friedrich Wilhelm sei erbötig, bis auf jährlich 30000 Th., jedoch inkl. der bisherigen Schweriner Kompetenz, zu gehen und den Stargardischen Distrikt auf die Bedingungen, die theils schon vor diesem in Vorschlag gekommen oder noch behandelt werden könnten, abzutreten, den Rest aber aus dem Boizenburger Zoll zu versichern. Dies sei seine schließliche Erklärung.

Die Zurückziehung des Angebotes von Ratzeburg führte sich auf den Einfluß des Grafen Horn zurück, der seit März d. J. wieder in Wien war und der, weil er den Kaiserhof noch immer durchaus auf Friedrich Wilhelms Seite stehend fand, das Zugeständniß des Votums für unnöthig und zu weitgehend hielt. In ähnlichem Sinne sprach sich Heems in einem Schreiben aus Berlin den 17./7. Juni aus. Strelitz habe an Brandenburg geschrieben und fordere außer Ratzeburg auch noch Stargard, 1 ) was "sehr absurd" sei. Brandenburg habe in seiner Antwort seinen Rath wiederholt, die Kommission nicht fruchtlos sich zerschlagen zu lassen. Man meine in Berlin, Schwerin möge sich entschließen, Adolf Friedrich noch ein paar Aemter zu Ratzeburg abzutreten, da die Sicherung des Restes auf den Boizenburger Zoll ihm nicht genüge. Wenn Schweden und Celle neue Intriguen anspinnen - von Dänemarks Frontwechsel wußte also Heems noch nichts - und Strelitz exorbitante Forderungen erheben sollte, so räth Heems Abbruch der Traktaten und Notation an den Kaiser. "Wenn Graf Horn wegen Ratzeburg nicht wohl zufrieden, so hat er nun jetzo gelegenheit, die Sache in Wien ganz anderß einzurichten, und wird auch unser Hof (d. i. der Wiener) jetzo ursach haben, umb einen thon höher zu sprechen, alß es wohl auch geschehen wird."

Graf Eck war indessen anderer Ansicht als Graf Horn und Heems und mißbilligte die Zurückziehung des Vorschlages wegen


1) Hier tritt die Forderung von Stargard neben Ratzeburg zum ersten Mal auf.
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Ratzeburg, und zwar, seinen eigenen Worten nach, im Interesse der Schweriner (Schreiben vom 28./18. Juli). Der Stargarder Distrikt erscheint ihm werthvoller als Ratzeburg, da dieses keinen Adel, keine Festung - aber auch Stargard hatte keine -, ja nicht einmal eine Stadt von Bedeutung habe. Von Einfluß auf diese seine Ansicht wird aber auch sein persönlicher Wunsch gewesen sein, den Ausgleich zu Stande zu bringen, was ihm Ehre und Anerkennung eintragen mußte. Die Zurückziehung der Abtretung Ratzeburgs rückte die Hoffnung auf endliches Gelingen wieder in weitere Ferne.

Von Petkums erstem Auftreten bis Ende 1699.

Auf den 16./6. oder 17./7. September ward die Kommission wieder berufen zu dem Zweck, um ihre Notation an den Kaiser zu erstatten. Schwerin und Strelitz erhielten Nachricht hiervon für den Fall, daß sie vor Abschluß der Notation noch etwas ad acta zu bringen oder anzuzeigen hätten.

Von Schwerin wurden wieder die beiden früheren Deputirten, Vermehren und Taddel, nach Hamburg gesandt mit der Instruktion (vom 2. September), auf dem Schreiben des Herzogs vom 23. Juni zu bleiben, so lange Strelitz sich nicht näher herauslasse. Von strelitzischer Seite erscheint ein neuer Mann auf den Plan, Edzard Adolf v. Petkum, den Adolf Friedrich auf Empfehlung seiner Schwägerin Louise von Dänemark in seine Dienste genommen hatte, weil Gutzmer seine Interessen nicht in der richtigen Weise zu vertreten schien und in den Verdacht gerieth, bestochen zu sein. 1 )


1) Ueber Petkum s. Buchwald, S. 103. Ebendort sucht Buchwald nachzuweisen, daß die Beschuldigung des Verrathes gegen Gutzmer gegründet war (s. S. 91-106). Zwingend erscheint seine Beweisführung nicht, und in den Schweriner Akten findet sie keine Stütze. Es steht in ihnen nicht die geringste Andeutung, daß Gutzmer bestochen oder auch nur durch Drohung mit dem Verluste seiner Güter (s. Buchwald S. 105) eingeschüchtert worden sei; dagegen finden sich einige Aeußerungen, die eine andere Erklärung an die Hand geben. In einem Schreiben aus Berlin, den 2. September 1699, heißt es: "Sonsten weiß ich nicht, ob es mit Pettkum zu Strelitz wird Bestand haben, den Gutzmer ein seltsamer Mann ist, und ungern jenen sehen wird." Graf Eck schreibt den 9. Januar 1700 an Graf Horn rückblickend, mit dem Vorschlag wegen Ratzeburg habe es sich zuerst gut angelassen, besonders da der Rath Gutzmer des Handels bereits überdrüssig zu werden angefangen. Hiermit halte man die Band LXVII, S. 375, berichtete Aeußerung Gutzmers zusammen und den folgenden vom Grafen Horn an die beiden (  ...  )
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An demselben Tage, der für den Wiederbeginn der Komissionsverhandlungen in Hamburg angesetzt war, wurden in Schwerin durch einen schwedischen Offizier aus Wismar zwei Schreiben abgegeben, eins vom König von Schweden, datirt vom 29. Juli, und eins vom Herzog von Celle, datirt vom 23. August. Beide bezogen sich auf die Salmuthsche Sache. Das schwedische Schreiben, das im Archiv erhalten ist, lautete außerordentlich ernst und drohend, es ward darin Satisfaktion und Bestrafung der Missethäter verlangt. Auffallend war, daß beide Schreiben zugleich überbracht wurden, was auf ein genaues Einverständniß beider Höfe über ihr Verfahren in der Sache schließen und noch weitere gemeinsame Maßregeln, wohl gar kriegerische, befürchten ließ, falls es nicht gelang, beide Höfe zu begütigen.

Friedrich Wilhelms Antworten sind datirt vom 12. September; dem König von Schweden erklärte er, sein Schreiben sei "das aller sensibelste, was er iemahlen in der Welt gehabt;" er könne nicht glauben, daß der König, wenn ihm die wahren Umstände des unglücklichen Renkontres bekannt wären, ein so hartes Schreiben würde haben abgehen lassen. Er wolle Jemand nach Schweden senden, der Erklärung geben solle. 1 )


(  ...  ) Schweriner Deputirten den 23. Dezember 1699 geschriebenen Brief, worin er in Bezug auf den Rath, man möge Bernstorff zu gewinnen suchen, schreibt, er halte dies für pure unmöglich und deshalb schädlich, sich per specialia darum zu bemühen. Es werde damit ebenso gehen wie mit Lissenhaim und Gutzmer, "die nachmahls sich verrühmet, alß ob Jhnen Offerten geschehen sein: um Seren. gerechte Sache dadurch zweiffelhafft; hergegen sich selber in Summo gradu Ehrlich und meritiret zu machen." Der Brief beweist, daß Gutzmer allerdings Anerbietungen gemacht sind, die er aber ausgeschlagen hat. Die Aeußerung des Grafen Eck giebt eine durchaus zureichende Erklärung für Gutzmers Neigung zum Nachgeben. Es ist ihm also höchstens Lässigkeit im Dienste seines Herrn, aber nicht Verrath vorzuwerfen. Auch die Vorwürfe, die ihm aus frühern Jahren gemacht werden, Aufgabe der Possession von Güstrow 1695 und Unterwerfung unter den kaiserlichen Spruch (s. Buchwald, S. 105), beweisen keinen bewußten Verrath. Wenn Adolf Friedrich geglaubt hat, er habe nach Gustav Adolfs Tod die Possession von Güstrow "in Händen gehabt", so geht aus der o. Darstellung hervor, daß er sich hier in einer starken Selbsttäuschung befand; er hatte wenige Tage nach dem Tode des Schwiegervaters nicht mehr davon in Händen, als höchstens die Zimmer im Schloß, die er bewohnte. Und wenn nachträglich aller Orten behauptet ist, durch die Submission unter Wien sei die Sache versehen, so ist dies schwerlich mehr als ein Vorwand, womit die betreffenden Höfe sich Adolf Friedrich gegenüber entschuldigen wollten, daß es ihnen nun nicht mehr möglich sei, ihm zu seinem vollen Rechte zu verhelfen.
1) Herr v. Koppelow ging darauf nach Schweden, und auf Bitte des Herzogs entschloß sich auch dessen Mutter, die Herzogin Christine (  ...  )
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In dem Schreiben an den Herzog von Celle heißt es, Friedrich Wilhelm habe sofort die That gemißbilligt. Georg Wilhelm werde selbst urtheilen, daß "ein großer Herr sehr unglücklich seyn werde, wenn er für jede Insolenz seiner bösen Diener solle Satisfaction geben." Salmuth habe vor vielen Zeugen öffentlich ausgesprochen, daß er nicht mehr in Lüneburgischen Diensten stände.

Wenn es auch gelang, den Sturm zu beschwichtigen, so war doch ein Stück Terrain für Schwerin verloren gegangen, auf dem sich Strelitz fester zu setzen suchte, wobei Herr von Petkum eine rastlose Thätigkeit entfaltete. Ehe er nach Hamburg kam, unternahm er Ende August eine Rundreise, die ihn nach Berlin und zu den drei welfischen Höfen - Hannover, Celle und Wolfenbüttel - führte. Von Lüneburg und Brandenburg erwirkte er die Fortzahlung der Adolf Friedrich bewilligten Gelder aus der Sequestrationskasse. Zugleich legte er ein Vergleichsprojekt vor, worin vorgeschlagen war, daß Strelitz den Wendischen Distrikt (Circulus Vandaliae) mit dem Votum erhalte. Damit war allerdings nicht das ganze alte, 1436 an die Hauptlinie gefallene Fürstenthum Wenden (Werle) gemeint, sondern nur ein Theil davon, aber mit Stadt und Amt Güstrow. Auf diese war es besonders abgesehen, doch fand Petkum schon bei seiner Rundreise mit dieser Forderung kein besonderes Entgegenkommen, trotzdem war er entschlossen, sie so energisch wie möglich zu verfechten und jedenfalls so viel wie möglich zu fordern, um möglichst viel zu erreichen.

Die Kommission begann ihre Verhandlungen mit ernsten Vorhaltungen an die Schweriner (d. 11. September), Friedrich Wilhelm setze sich in das größte Unrecht, wenn er seinen früheren


(  ...  ) Wilhelmine, zur Reise dorthin (Oktober 1699) mit einem neuen Schreiben Friedrich Wilhelms, in dem dieser erklärte, daß "zur Laesion des respects" vor dem König bei der Salmuthschen Affaire nichts beabsichtigt gewesen sei. Durch das Schreiben wie besonders die persönliche Einwirkung der Herzogin ließ sich denn auch der schwedische Hof begütigen. Den 30. Nov. schrieb der König an Friedrich Wilhelm, er "stelle seine durch das unglückliche rencontre veranlaßte Empfindlichkeit in Vergeßenheit." Die Herzogin schrieb den 13. Dez. aus Stockholm: "Jch habe ihn (den schwedischen Hof) gar kalt und wiedrig gegen unß gefunden; nun scheint es doch, daß durch göttliche Hülffe es sich endet." Das Verhältniß schlug dann - scheinbar wenigstens - ins Gegentheil um, es kam sogar April 1700 ein Bündniß zwischen Schweden und Schwerin zustande, von dem unten die Rede sein wird. Die Herzogin war Ende Mai 1700 wieder in Schwerin.
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Vorschlag wegen Ratzeburg wieder zurückziehe, die Konjunkturen würden je länger, desto gefährlicher, die Lage verschlimmere sich täglich. Man sagte den Räthen ins Gesicht, wenn der Herzog den letzten Kommissionsvorschlag jetzt nicht annehme, werde er innerhalb zwei Monaten zusehen müssen, wie ein anderer ins Güstrowsche eingesetzt werde, 1 ) das Odium wachse gegen ihn aller Orten gar zu sehr und fehle es nirgends an "schimpflichen Censuren".

Den 25./15. September trat dann die Kommission, nachdem sie beide Parteien angehört, die sich auf ihre früheren Erklärungen bezogen, mit dem Vorschlag hervor, Stargard möge abgetreten und das Ratzeburgische oder Stift=Schwerinische Votum diesem Lande beigelegt werden; die Einkünfte des Landes seien aus dem Boizenburger Zoll bis auf die Höhe von 40000 Th. zu ergänzen. Antwort mit einfachem Ja oder Nein ward auf den 25./15. November gefordert.

Auf die erste Meldung der Räthe hin entschloß sich Friedrich Wilhelm (d. 18. September) zur Wiederherstellung der Alternative zwischen Ratzeburg mit dem Votum (und im Ganzen 29000 Th. Einkünfte) und dem stargardischen Kreise ohne Hoheitsrechte (mit 35000 Th.), auch im letzteren Falle ward zugestanden, Friedrich Wilhelm könne geschehen lassen, wenn Adolf Friedrich ein (neues) Votum vom Kaiser erhalte. Die Räthe theilten diese Resolution in Hamburg vertraulich mit, wo man sie aber noch nicht ausreichend fand, Strelitz zu gewinnen und auf dem Kommissionsvorschlage beharrte. Strelitz wünschte (d. 20. September) einige Monate Aufschub und machte sich anheischig, gegen Ablauf dieser Zeit sich endgültig zu erklären, diktirte aber vorläufig zu Protokoll, daß Adolf Friedrich sich nicht mit 30000 Th. begnügen noch auch den Rest davon in baarem Gelde annehmen werde, sondern an Land und Leuten beanspruche.

Eine Vertagung ward angenommen (d. 21. September), aber nur bis zum 12./2. November. Den 22. September ward darauf der Sekretär der Konferenz, Wider, mit dem Projekt vom 25./15. September nach Schwerin an den Herzog gesandt, um ihn in persönlicher Besprechung zur Annahme zu bewegen. In der That zeigte sich der Herzog persönlich auch diesmal


1) Schwedische Truppenbewegungen wurden dahin gedeutet, daß Schweden Adolf Friedrich mit Gewalt ins Güstrowsche einzusetzen beabsichtige.
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wieder leichter bestimmbar als seine Räthe. Er erließ nach Besprechung mit Wider unter dem Datum des 23. September ein Schreiben mit seiner "endlichen und letzten" Resolution, die im Ganzen, so in Bezug aus die 40000 Th., dem Kommissionsvorschlage zustimmte, die Abtretung von Stargard guthieß, auch das wichtige Zugeständniß machte, Friedrich Wilhelm wolle das Votum von Ratzeburg so lange nicht gebrauchen, bis Adolf Friedrich für Stargard eins vom Kaiser erwirkt habe, und endlich Versicherung der Primogenitur durch Stipulation verlangte.

Des Herzogs Räthe waren mit diesen starken Zugeständnissen keineswegs einverstanden, der alte Hofmarschall v. Löwen machte seinem bedrückten Herzen in einem Briefe an Taddel (d. 23. September) durch den Stoßseufzer Luft: "die Haar stehen zu bergen einem, was nun accordiret ist, Gott mag unß helffen!" Auch Graf Horn, der noch in Wien war, billigte das Geschehene nicht. Von Wien aus sah die Situation bedeutend günstiger für Friedrich Wilhelm aus als in Hamburg, Horn hielt es sogar für möglich, daß der Kaiserhof sich zu bewaffnetem Einschreiten für Friedrich Wilhelm bewegen lassen werde. Dies erhellt schon aus zwei Eingaben, die unter dem 3. September in den Akten des Reichshofrathes verzeichnet sind. Beide bewegen sich noch völlig in dem Gedankengang der kaiserlichen Drohreskripte gegen Adolf Friedrich und die Kreisdirektoren. Das eine will ein fiskalisches Strafverfahren gegen Adolf Friedrich und Gutzmer erwirken, stellt außerdem die Anträge, daß Friedrich Wilhelm die Erlaubniß erhalte, die Schweriner Apanage Adolf Friedrichs einzubehalten und das Amt Mirow wieder zurückzunehmen, und daß Adolf Friedrich verurtheilt werde, für den Schaden und Schimpf, den Friedrich Wilhelm erlitten, die Kosten zu zahlen, und empfiehlt die Anerbietungen Friedrich Wilhelms (Stargard ohne Votum) vom 23. Juni. Das andere richtet sich gegen die Kreisdirektoren und beantragt, daß der kaiserliche Fiskal mit der Reichsacht (poena banni) gegen sie einschreite, und der Kaiser nebst den uninteressirten Gliedern des Nieder=Sächsischen Kreises mit Zuziehung der übrigen Kreise Friedrich Wilhelm wieder zum Besitz von Güstrow, auch zu völliger Satisfaktion wegen des erlittenen Schadens durch zureichliche Militärmacht ohne Verzug verhelfe und dazu als das allerhöchste Oberhaupt des heil. röm. Reiches und als Generalobrister aller Kreise selber mit Hand anlege.

Diese Eingaben wurden zu der Reichshofrathssitzung vom 13. September noch nicht herangezogen, die zu dem Beschlusse führte,

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durch Reskripte an die Kommission und die Parteien die Wiederaufnahme und Beschleunigung der Verhandlungen zu empfehlen, deren Beendigung dem Kaiser "überaus angenehm" sein werde. Als Horn dann Kenntniß von dem erhielt, was in Hamburg und Schwerin den 20. bis 23. September vorgefallen, urtheilte er, man müsse bei den einmal gemachten Zugeständnissen bleiben, und ließ d. 22. Oktober beim Reichshofrath ersuchen, über die beiden Eingaben vom 3. September einstweilen dem Plenum des Reichshofraths noch nicht referiren zu lassen, da der Anwalt erst noch den Ablauf des neu angesetzten Kommissions=Termines abwarten möchte. Seine Absicht war aber auch jetzt noch, die Kommission mit Anstand abzubrechen und die Entscheidung nach Wien zu ziehen, wo er den Kaiserhof in die von ihm gewünschte Bahn des bewaffneten Einschreitens treiben zu können hoffte.

Als die Schweriner Räthe schon unterwegs nach Hamburg waren, erhielten sie die Nachricht, daß Strelitz erkläre, es könne zum 2. November noch nicht senden, da es ein kaiserliches Reskript erhalten und darüber erst mit dem Kaiser korrespondiren müsse. Es war dies allerdings eine den Intentionen des Kaisers gänzlich entgegengesetzte Folge seines Reskriptes vom 23. September, das gerade auf Beschleunigung drang. Adolf Friedrich entnahm aber daraus einen Anlaß, sich noch einmal in einem beweglichen Bittschreiben an den Kaiser zu wenden (d. 14./4. Oktober). Er spricht hierin die Meinung aus, daß "einige seiner Bedienten und Räthe zu seiner und der seinigen äußerster Desolation es versäumt hätten, wie es die eigentliche Beschaffenheit und der Zustand seiner gerechtesten Sache wohl erfordert gehabt, den Kaiser wie seinen geheimen und Reichshofrath in etwas genauer und klärlicher über die von der Natur ihm angestammte Güstrowsche Erbfolge zu informiren", und bittet um Anweisung an Graf Eck, daß er wenigstens die Hälfte des Güstrowschen mit der vollen Landeshoheit und eines von den vier meklenburgischen votis erhalte, und um Prolongation auf einige Monate, um sich noch eingehender hierüber vernehmen zu lassen.

Der Kommission theilte Adolf Friedrich mit, er müsse erst die Antwort auf dieses Schreiben abwarten, und verlangte Aufschub bis zum 22./12. November, und Wolfenbüttel bewilligte auch diesmal wieder den Aufschub, ohne sich mit den übrigen Kommissionsmitgliedern darüber ins Einvernehmen zu setzen. Die Schweriner Räthe reisten zwar trotzdem nach Hamburg und remonstrirten von dort aus, ebenso wie auch Graf Eck, gegen die

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Verzögerung, allein da auch Wolfenbüttel abgeschrieben, so blieb nichts übrig, als zu warten.

Inzwischen ging von Wien (d. 13. November) ein neuer Erlaß aus, der für den Augenblick den Stand der Sache zu Gunsten von Strelitz verschob. Es war ein Reskript, das, wie Horn nachher in Erfahrung brachte, dem Kaiserlichen Geheimen Rath überhaupt nicht vorgelegt, sondern direkt aus dem Reichshofrath dem Kaiser zur Unterschrift unterbreitet war. Adolf Friedrichs Freunde, deren er im Reichshofrath nicht ganz entbehrte, mochten ihre Hand im Spiele gehabt haben. In dem Reskript ward Graf Eck angewiesen, dahin zu trachten, daß Strelitz sich auf die Schweriner letzte Erklärung einlasse; "dafern aber solches auf keine Weise zu erhalten, so solle der Graf die Strelitzer Vorschläge ersehen und sich neben den übrigen Komssionsmitgliedern äußerst angelegen sein lassen, die Sache auf ein oder andere thunliche Weise in der Güte zu schlichten." Das Aktenstück war nicht an die Kommission, sondern an den Grafen adressirt, der der Kommission davon Mittheilung zu machen habe.

Durch dasselbe war allerdings das Gesuch von Strelitz um die Hälfte des Güstrowschen Landes implicite abgeschlagen, aber doch nicht so "platterdings", wie der Reichs=Vizekanzler Graf Kaunitz dem Grafen Eck vor dem Erlaß dieses Reskriptes schrieb, vielmehr ließ es Strelitz die Möglichkeit offen, die letzten Schweriner Zugeständnisse zu verwerfen und weiter gehende Forderungen zu erheben.

Während es von Wien unterwegs war, begannen die Kommissionsverhandlungen wieder. 1 ) Den 17. November war die


1) Vorher war Petkum wieder in Berlin gewesen mit einer Landkarte, auf der er den geforderten "Vandalischen Distrikt" umschrieben hatte, und hatte für die Bewilligung von 50 bis 60000 Th. in Land und Leuten plaidirt. Mumme, der damals mehrere Monate in Berlin war, hielt ihm die Stange. Er wirkte in Berlin dafür, daß Brandenburg seine Truppen aus dem Güstrowschen zurückzöge und womöglich sich zu bewaffnetem Einschreiten gegen die zwei andern Mächte verpflichte, wenn diese nicht das gleiche thäten. Hieran war nicht zu denken. Ein kleiner Dienst war, daß der Kurfürst auf kaiserliche Requisition sich bei Schweden und Celle verwandte, daß sie wegen der Salmuthschen Sache nichts unternehmen möchten. Andererseits hinderte Brandenburg bei allen Freundschaftsbetheuerungen für Friedrich Wilhelm nicht die Fortzahlung der Gelder an Adolf Friedrich: es behauptete in der Sache überstimmt zu sein. Mumme schreibt d. 13. Nov.: "Brandenburg speist uns mit guten Worten ab, mahnt aber in effectu auf alles einzugehen." - Als der Erlaß vom 13. Nov. in Berlin bekannt ward, (  ...  )
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Kommission zum ersten Mal wieder vollzählig beisammen. Die Schweriner Instruktion (schon vom 29. Oktober datirt) that gegen die Zugeständnisse vom 23. September wieder einen Schritt zurück, indem sie diese dahin erläuterte, es sei Friedrich Wilhelms Meinung nicht gewesen, die Landeshoheit für den Stargardischen Distrikt per totum zu überlassen, vielmehr müsse er sich das Besteuerungsrecht vorbehalten. Adolf Friedrich möge die stargardischen Steuern sammeln und auf Abschlag der 40000 Th. behalten, vom Votum könne Friedrich Wilhelm nicht abstehen.

Der erfindungsreiche Petkum brachte eine Schrift mit, die drei Vorschläge zur Auswahl stellte:

1. Adolf Friedrich bietet aus dem Güstrowschen 65000 Th. jährlich, das bedeute zu 5 % gerechnet ein Kapital von 1300000 Th. Das Kapital dürfe abgetragen werden.

2. Oder er erhält den "sehr sterilen" Stargardischen Distrikt und etwa den halben Theil des Circuli Vandaliae mit einer jährlichen Summe von 60000 Th. Welche Theile des Wendischen Kreises Petkum meinte, zeigte er, wie schon vorher in Berlin auf einer vorgelegten Karte: es waren die Aemter Stavenhagen, Ivenack, Neukalen und Güstrow. Der Boizenburger Zoll soll Schwerin verbleiben, doch die 60000 Th., wenn es nöthig ist, daraus ergänzt werden. Nach Petkums Berechnung würde Adolf Friedrich auf diese Weise aus dem Güstrowschen 100000 Thaler weniger als Friedrich Wilhelm erhalten.

3. Will Schwerin zu diesem kleinen Streifen von dem Wendischen Kreis an Stelle des übrigen (d. h. Stargards) das "gar geringe" Bisthum Ratzeburg geben, so wird Strelitz sich auch darin überwinden.

Die Schweriner Deputirten weigerten sich, d. 18. November über dieses Petkumsche Memorial in Verhandlung zu treten, weil darin so gar nichts von dem, was der letzte Kommissions=Vorschlag diktire, enthalten sei. Die Kommission schloß sich dieser Ansicht an und bedauerte "die gegenseitige Conduite".

Noch am selben Tage aber langte das Wiener Reskript vom 13. November in Hamburg an. Welchen Eindruck es dort machte, spiegelt sich am deutlichsten in einem Postskriptum ab, das Taddel den 19. einem schreiben vom 18. beigefügt hat:

"Nun scheint der teufel alle seine macht an unß auf einmahl employren zu wollen, vigilate ergo et orate fratres, Herr


(  ...  ) stellte man sich zwar sehr verwundert darüber, erklärte aber, sich jetzt vom Kaiserhofe nicht trennen zu können, und verstärkte so den Druck auf Schwerin noch.
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Graf v. Egk ist fast unsinnig für Verdruß und chagrin, tempestiret auf H. Grafen v. Horn warumb derselbe den coup nicht pariret hat. Ich sehe kein auskommen auf solche weise, adieu, in großer confusion und Verdrießlichkeit. T." Eiligst ward Graf Horn benachrichtigt, auch Graf Eck beeilte sich, nach Wien zu berichten und um Remedur dieser schädlichen Verordnung nachzusuchen.

Herr v. Petkum triumphirte, jetzt besitze Strelitz die Gunst des Kaiserhofes, selbst der Referent in den meklenburgischen Angelegenheiten, Herr v. Andler, sehe schon seinen Irrthum wegen der Geltung des Primogeniturrechtes ein. 1 ) Ein Glück für Schwerin war es noch, daß das Reskript vom 13. November nicht an die Kommission als solche, sondern an den Grafen Eck adressirt war. Die Kommission fand sich dadurch gekränkt. Sah darin einen Beweis, daß das Reskript "erschlichen" sei und hielt bis auf weitere Aufklärung an dem vorletzten Reskripte vom 22. Oktober fest, ließ sich aber doch insoweit durch das letzte Reskript und das Auftreten von Strelitz irre machen, als sie jetzt auf Abtretung von mehr Aemtern zur Sicherstellung der 40000 Th., ferner auf Reluition der stargardischen Aemter von allen Schulden vor der Abtretung und auf uneingeschränktes Votum drang. Dazu kam, daß immer noch Gerüchte gingen, als ob aus der Salmuthschen Sache noch unangenehme Folgen für Friedrich Wilhelm erwachsen würden, was ebenfalls von Einfluß auf die Haltung der Kommission war. 2

Eine neue Fatalität entstand daraus, daß die Kommission die beiden Fürsten wieder nach Hamburg einlud und Graf Eck die Eigenmächtigkeit beging, den Subdelegirten gegenüber das Erscheinen Friedrich Wilhelms, der ja schon zweimal bereitwillig einer gleichen Einladung gefolgt war, zu garantiren. Die Schweriner Räthe wie Friedrich Wilhelm selbst hatten schwere Bedenken gegen die Reise in der damaligen ungünstigen Situation. So kam es, daß jetzt Adolf Friedrich (den 7. Dezember) in Hamburg erschien, während Friedrich Wilhelm zauderte und unter Hinweis auf sein früheres vergebliches Warten antworten ließ,


1) Von Horn zur Rede gestellt, bezeichnete Andler diese Unterstellung als "Schelmenrede".
2) "Nach welcher Gefahr man gleichsamb auch die conditiones zu reguliren scheinet, durch welche S mus. sich aus dem wercke helffen mögten," heißt es in der Relation der Räthe v. 29. Nov.; in der vom 28. schreiben sie: "Ein bekannter Minister soll gesagt haben, daß Friedrich Wilhelm um der Sallmuthschen Sache willen - noch etwa 10000 Rth. jahrlich an Strelitz mehr zu geben haben werde."
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er werde erst dann kommen, wenn er sichere Nachricht habe von seines Vetters Anwesenheit und "wahren inclination", ob er das Votum fahren lassen wolle. Dies verstimmte den Grafen Eck persönlich. Doch war man mit diesem am Schweriner Hofe wenig mehr zufrieden. In ihrer Relation vom 1. Dezember schreiben die Räthe: "Graf Egk läßt sich sonderlich angelegen seyn, daß Ew. hochf. Dchl. die Traktaten couste qui couste befodern möge, damit nur der Ksl. Hoff auß der Sache komme, es möge E. hochf. Dchl. Jhre rechnung dabey finden oder nicht", und ähnlich den 13. Dezember: "Es thut der H. Graf v. Egck wohl alles was zu ersinnen, Jhm ein meritum durch hinreumung dieser Sache am Ksl. Hofe zu machen, es geschehe durch ordentliche oder extraordinaire mittel und wege, und es finden Ser. noster Jhre convenienz dabey oder nicht, gedeyen oder gehen darüber zu trümmern."

Bestärkt mußte der Graf in dieser Haltung noch durch die kaiserlichen Reskripte werden, die den 2. Dezember in Wien unterzeichnet wurden. Es waren deren vier, eins an Friedrich Wilhelm als Erwiderung auf ein Schreiben desselben vom 28. Oktober, worin er gebeten, Adolf Friedrich zuzusprechen, daß er auf seine letzten Angebote eingehe. Der Kaiser willfahrte dem, ermahnte aber auch Friedrich Wilhelm, seinerseits ebenfalls "alle facilität" zur Beilegung der Sache zu zeigen. Adolf Friedrich erhielt zwei Reskripte, das eine tadelte, daß Petkum eine gedruckte Schrift mit allerhand scandaleusen Anzüglichkeiten gegen den Reichshofrath und den Grafen Eck diesem ins Haus geschickt 1 ) und verlangte Bestrafung Petkums, das zweite enthielt die von Friedrich Wilhelm gewünschte Ermahnung, die aber eine ganz allgemeine Fassung erhalten hat. Das vierte Reskript ist an den Grafen Eck adressirt, mit Beischluß der übrigen drei und dem Auftrage, den gütlichen Vergleich auf alle Weise zu befördern, "gestalten der Kaiser alß ein absonderliches meritum gegen ihn erkennen will, wan durch seine dexterität dieser schon so weit gebrachte gühtliche Vergleich zuwegen gebracht werde." Das Reskript spricht sich dann noch scharf gegen eine etwaige Fortdauer der Zahlungen an Adolf Friedrich aus.

Erst kurz vor Weihnachten, nachdem die Verhandlungen bereits ausgesetzt waren, entschloß sich der Herzog, um wenigstens der Form zu genügen und den Grafen nicht wortbrüchig werden zu lassen, zu einem kurzen Besuche (d. 16. Dezember) in Hamburg, bei dem er aber zu Zugeständnissen sich nicht hinreißen ließ.


1) Eine solche Schrift ist nicht bekannt.
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Adolf Friedrich hatte schon den 9. erklären lassen, er nehme den letzten Kommissionsvorschlag im Ganzen an, soweit es das Quantum der 40000 Th. betreffe, es müsse ihm aber diese Summe an Land und Leuten bewilligt werden, wofür Petkum mit Beilegung einer Landkarte wieder den Vandalischen Kreis genannt hatte. Die Kommission hatte dagegen den Westen des Landes vorgeschlagen, etwa den Strich Landes, der westlich liegen bleibe, wenn man vom Fürstenthum Ratzeburg nach Boizenburg durch die Grafschaft Schwerin eine Linie ziehe; man gönne dort Strelitz gerne eine Residenz. Den 11. hatte Petkum Adolf Friedrichs Antwort hierauf zu Protokoll gegeben: Er erkläre sich pro extremo und ultimo dahin, den Güstrowschen Antheil des Wendischen Kreises - es waren die obengenannten Aemter gemeint - nebst dem Stargardischen Distrikt anzunehmen, vorausgesetzt daß Votum und Reichsunmittelbarkeit damit verbunden sei, mit allen darauf haftenden Schulden, dergestalt, daß, wenn daraus das völlige Quantum der 40000 Rth. auch das Amt Mirow mit einbegriffen, nicht erreicht werde, zu dessen Supplement andere Stücke des Herzogthums Güstrow zu nehmen seien.

Folgende Berechnung gab Auskunft über die Einkünfte der geforderten Stücke:

1. der Stargardische Distrikt trägt an freien Revenüen 9 122 1/2 Rth.
2. der Güstrowsche Antheil des Circuli Vandaliae 16106      Rth.
------ --------- ------
25 228 1/2 Rth.
Davon geht ab wegen des Amtes Stavenhagen, das der Herzogin=Wittwe überlassen ist 1800      Rth.
------ --------- ------
Rest:    23428 1/2 Rth.

Es blieben hiernach noch etwa 16500 Rth. durch andere Landstücke aufzubringen. Unter dem Deckmantel der 40000 Rth., über die ja die Kommission mit den beiden Parteien jetzt einig war, versteckten sich also ganz exorbitante, für Schwerin völlig unannehmbare Forderungen. Die Kommission beschloß sich bis zum 18./8. oder 19./9. Februar zu vertagen, theilte aber noch, ehe sie auseinanderging, die letzte Strelitzer Erklärung den Schweriner Deputirten mit, die den 25./15. Dezember antworteten, ihr Herr bleibe bei seiner letzten Resolution, habe aber zum festgesetzten Termin sich wieder einstellen zu wollen versprochen. 1 )


1) In den letzten Tagen vor dem Schlusse erschien in Hamburg der Sohn der Landraths v. Jasmund als Vorläufer einer Deputation der meklenburgischen Ritterschaft, um die Interessen der Stände bei den Verhandlungen wahrzunehmen.
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Ueber ihre Besorgniß, daß der Kaiserhof eine Schwenkung gemacht habe, wurden die Schweriner nachträglich beruhigt durch ein neues Reskript, datirt vom 15. Dezember, des Inhalts, das Reskript vom 13. November habe nicht das Absehen gehabt, als wolle man die Kommissionsvorschläge bei Seite setzen, sondern nur das, wie diese langwierigen Streitigkeiten am Besten geendet werden könnten; man möge die Kommission nicht abbrechen. Dadurch wurden die Berichte Horns in erfreulicher Weise bestätigt, der wiederholt bestimmt versicherte: der Wiener Hof sei nicht "chancellant", der Kaiser insbesondere, der ihm gestatte, alle Woche ausführlich über die Güstrowsche Sache mit ihm zu reden, habe seine Ansicht nicht geändert. Man konnte also in Schwerin mit ruhigerem Herzen dem Wiederbeginn der Verhandlungen entgegensehen.

Die ersten Monate des Jahres 1700 bis zum Abbruch der Verhandlungen durch den Grafen Horn.

Während man von beiden Seiten auf den Wiederbeginn der Kommissionsverhandlungen sich rüstete und inzwischen auf alle betheiligten Höfe einzuwirken suchte wie auch in Wien mit Memorialien einkam, erschien d. 23. Januar 1700 eine neue Ausgabe kaiserlicher Reskripte an die Kommission und die beiden Herzöge, veranlaßt durch die letzten Relationen Ecks. Der Kaiser schreibt, es komme hauptsächlich auf die Residenz Güstrow und die Uebertragung des Votums auf den Stargardischen Distrikt an; deswegen die Traktaten nicht abzubrechen, habe er verschiedene nachdrückliche Ursachen, zumal da der Herzog von Strelitz sein Ziel wegen der 40000 Th. und des Votums auf andere Art als bei dem Vandalischen und Stargardischen Distrikte erreichen könne. Der Kommission wird aufgetragen, nochmaligen Vortrag auf das Fürstenthum Ratzeburg cum voto und irgend ein nahe angrenzendes Schweriner oder Güstrower Stück Landes zu thun, das am füglichsten zu separiren sei, und beiden Theilen nachdrücklichst zuzusprechen.

Sehr bezeichnend für die Stellung des Kaiserhofes zu beiden Parteien, die immer noch die gleiche war, ist der sehr verschiedene Ton, in dem die beiden Reskripte an Friedrich Wilhelm und Adolf Friedrich gehalten sind. Während das an Friedrich Wilhelm gerichtete in den freundlichsten Worten sein friedfertiges Gemüth und seine wohlmeinende Intention anerkennt, woran die

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Mahnung geschlossen wird, bei dieser guten Gesinnung zu verharren und den Vorschlag, den die Kommission wegen Ratzeburg thun werde, anzunehmen, ist das Reskript an Adolf Friedrich recht unfreundlich gehalten. Es heißt darin, der Kaiser könne nicht begreifen, "mit waß vor einem Grund Dero Lbd. gerathen werden könte, bey so weit gediehenen und für dieselbe sehr vortheilhafftigen Tractaten das werkh in noch größere Zeitverliehrung zu spielen, und das Güstrausche Land und Herzogthumb ohne einen rechtmäßigen Herrn und Landesfürsten, auch in gegenwertiger unrichtigkeit, bloß und allein auff der von ihro einmahl gefaßten praetension auff die Residenz Güstrau und transferirung eines Voti auff den Stargardischen district zu laßen, sonderlich da Dero Lbd., wenn sie dero intention ratione Summae et voti auff andere billige und von gedachter Unser Kays. Commission an Hand gebende wege erhalten kan, eben auff solche in sinn gefaßten und so viel schwürigkeiten nach sich ziehenden Land=Stücken, in specie das Ampt und Residentz Güstrau, im fall sie anders die Güte zu exequiren, ihro ernst seyn laßen, nicht weiter ohne ihrer ohnfehlbar zu gewarten habenden, wiewohl allzuspäten bereuung bestehen können." Diesen scharfen und drohenden Worten folgt die Mahnung, die Traktaten auf das von der Kommission zu eröffnen stehende Expedienz schließen zu helfen, woran noch die Mittheilung angefügt wird, der Kaiser habe auf die Nachricht, daß Adolf Friedrich aus dem Güstrowschen jährlich 30000 Th. gereicht würden, seine bereits vorher ergangene Verordnung wiederholen lassen, daß, er auf keine Weise solche Zahlungen vor ausgemachter Sache gestatten und solches nicht anders als für einen abermaligen Eingriff in S. allerhöchste Autorität aufnehmen könne, zumal da dieses das rechte Mittel sei, daß von Seiten Adolf Friedrichs die gütlichen Traktaten immer schwerer gemacht würden.

Eck erhielt die Reskripte den 16./6. Februar, er behielt sie bis zum Beginn der Verhandlungen, der sich in Folge Behinderung des Kanzlers Probst bis zum 26./16. Februar hinausschob. 1 ) Eine Kopie sandte er indessen sogleich den 6. nach Schwerin. Als sie dort ankam, hatten die Schweriner Räthe ihre Instruktion (d. 13. Februar) bereits erhalten. sie sollten erklären, daß


1) Auf den 18. Februar folgte im J. 1700 im protestantischen Deutschland und in Dänemark sogleich der 1. März, wegen Einführung des neuen Kalenders (s. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung, S. 24), seitdem ist die Datierung in Wien und in Norddeutschland die gleiche.
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Friedrich Wilhelm über sein Angebot vom 23. September 1699 nicht hinausgehen könne. Wenn auf gänzliche Cedirung des Ratzeburgischen Votums gedrungen werde, um dieses dem Starardischen in perpetuum zu geben, und auch wenn es auf eine fortdauernde Kommunion mit Strelitz in der Regierung sowie wegen der Landtage und Gerichte abgesehen sei, wodurch das Primogeniturrecht invertirt werde, so lasse Friedrich Wilhelm lieber geschehen, daß die Kommission zufolge des erhaltenen Befehles auf das Fürstenthum Ratzeburg mit dem Votum antrage, "weil doch der Kais. Hof so sehr aus dem embarras mit dem Kreyß-directorio zu seyn eylet, itzige forma regiminis zu Güstrow auch nothwendig geendiget werden muß und unsere umbstende absolute erfodern, denen geldfreßenden processen, abschickungen und negotiationen schleunig Ziel und maße zu setzen", doch könne sich Friedrich Wilhelm in solchem Falle bei dem Ratzeburgischen Vorschlage mit nichten an die 40000 Th. binden, noch das geringste mehr an Land und Leuten hinzuthun. Die Räthe erhalten die Erlaubniß, den Gesammtinhalt der Instruktion dem Grafen Eck und dem Kanzler Probst - mit dem die Schweriner vermittelst einer "Erkenntlichkeit" in Beziehungen getreten waren - im Vertrauen mitzutheilen, damit diese sich nicht anfechten ließen, wenn sie wegen Ratzeburg sich anfänglich etwas sträubten. Ueber die Zulassung der Landstände zu der Kommission, die damals in Wien wie in Hamburg eifrig betrieben ward, heißt es am Schlusse, daß sie zu hintertreiben sei.

Die Instruktion unterschied sich von den letzten kaiserlichen Reskripten in zwei Punkten: Friedrich Wilhelm wollte, wenn er das Votum abtreten mußte, nicht 40000, sondern rund 30000 Th. an Einkünften geben und außer Ratzeburg kein Land mehr abtreten. Ersteres war belanglos, letzteres aber von sehr großer Bedeutung für die Zukunft Meklenburgs, da die Einheit des ganzen Körpers der altmeklenburgischen Lande damit zusammenhing. Graf Horn besonders war es, der wiederholt auf die Gefahren künftiger Zwistigkeiten hinwies, die aus der Theilung des Landes bei Fortdauer der Kommunion erwachsen mußten. Aber wie sollte man Adolf Friedrich, der gegen Ratzeburg einigen Widerwillen hegte und gerade auf Ausstattung mit Besitz aus den altmeklenburgischen Landen das höchste Gewicht legte, die Zustimmung zu solchen Vorschlägen abnöthigen?

Abgesehen von dieser freilich sehr bedeutenden Schwierigkeit war indessen die Situation im Ganzen nicht ungünstig für das Zustandekommen des Vergleiches. Es war dem Wiener Hof

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gelungen. Sowohl von Stockholm wie von Berlin Anweisung an die Minister in Hamburg zu erwirken, daß sie mit dem Grafen Eck in der Erbfolgesache zusammengehen sollten, da "die Kaiserlichen sentiments zulänglich seien." Eine gleiche Instruktion von Celle traf Anfang März in Hamburg ein. 1 ) So war also ein Einvernehmen zwischen dem Kaiser und dem gesammten Kreisdirektorium hergestellt, dem gegenüber es wenig ausmachte, daß Dänemark sich jetzt völlig auf die Seite von Strelitz schlug, und der Bischof ihm, wenn auch nicht mit gleicher Entschiedenheit, folgte. Eck gab sich damals sogar der Hoffnung hin, es werde gelingen, das Kreisdirektorium zu dem Versprechen zu bewegen, die Kreistruppen abfordern und Friedrich Wilhelm das Güstrowsche Land einräumen zu wollen, falls Strelitz jetzt den Vergleich einzugehen sich weigerte.

Freilich die erste Voraussetzung dazu war, daß Schwerin zustimmte, wenn auch zunächst nur im Prinzipe, an Adolf Friedrich außer Ratzeburg noch andere Aemter abzutreten, wogegen gerade die den Räthen nach Hamburg mitgegebene Instruktion entschieden Front machte.

Hierin die Schweriner umzustimmen, war des Grafen eifrigstes Bemühen in der nächsten Zeit, während in den Kommissionsverhandlungen sogleich nach ihrem Beginn schon wieder eine Pause entstand, da die Strelitzer Antwort auf die kaiserlichen Reskripte vom 23. Januar auf sich warten ließ. Bei diesem Bestreben übte ein kaiserliches Reskript (datirt vom 9. Februar), das er den 2. März erhielt, auf ihn die in Wien nicht beabsichtigte Wirkung, als werde ihm wieder von dort her ein Stein in den Weg geworfen.

Es war veranlaßt durch eine Schweriner Eingabe, die erst nach Erstattung des Reichshofrathsgutachtens für die Reskripte vom 23. Januar (den 15. Januar) eingelaufen war und deshalb bei diesen keine Berücksichtigung mehr gefunden hatte. In diesem Memorial hatte der Schweriner Anwalt, der neuesten Wendung der Sache noch nicht kundig, angezeigt, daß sein Prinzipal über seine Erklärung vom 23. September nicht hinausgehen könne unter genauerer Darlegung der Gründe 2 ) und den Stargardi=


1) In Schweden sagte Oxenstierna schon Ende Januar dem Strelitzer Sekretär Schultze, wenn Adolf Friedrich Ratzeburg ausschlage, so habe er keine Protektion vom König mehr zu hoffen und zu befürchten, daß dieser seine Hand von ihm abziehe.
2) Es heißt in dem Memorial, daß das Herzogthum Güstrow sammt dem Boizenburger Zoll nicht mehr als 64785 Rth. eintrage, und der (  ...  )
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schen Distrikt angeboten, dem ein Votum beigelegt werden könne. Das Ratzeburgische Votum abzutreten. Sei Friedrich Wilhelm gar zu präjudicirlich, weil dieses Votum dem Fürstenthum "essentialiter annectirt" sei und die Landeshoheit einschließe. Der Anwalt hatte dann um ein kaiserliches Reskript gebeten mit dem Befehl, dem Schweriner Herzog nicht mehr zuzumuthen, sondern, wenn der Herzog von Strelitz damit nicht zufrieden sei, die Traktaten aufzuheben. Der eigentliche Autor des Memorials war Graf Horn, der die Abtretung von Stargard ohne Landeshoheit, wie er sie im Sinne hatte, für vortheilafter hielt als die von Ratzeburg mit der vollen Landeshoheit und zugleich mit dieser Eingabe den von ihm gewünschten Abbruch der Verhandlungen herbeizuführen hoffte. Darauf ging der Wiener Hof indessen nicht ein, die Eingabe erhielt die Antwort, S. Maj. lasse es bei der Verordnung vom 23. Januar bewenden, diese selbst aber gewann unter dem Einfluß der Eingabe eine etwas veränderte Gestalt, die nämlich, daß "entweder auf das Fürstenthum Ratzeburg cum voto oder auf den Stargardischen Distrikt völlig und entlich zu schließen" sei. 1 )

Eck war unzufrieden, daß hier wieder eine Alternative - zwischen Ratzeburg und Stargard - eröffnet war, wovon er eine Verschleppung der Verhandlungen befürchtete, 2 ) benutzte aber eben dies Moment, um einen starken Druck auf Friedrich Wilhelm auszuüben, jetzt abzuschließen. Er schreibt den 2. März zugleich mit Uebersendung einer Kopie des Reskriptes vom


(  ...  ) Herzog von Schwerin, wenn er 40000 Th. an Adolf Friedrich bewillige, jährlich, um die Regierungskosten und die Witthums=Abgaben zu bestreiten, 39215 Th. werde zuschießen müssen.
1) In demselben Reskript giebt der Kaiser den wiederholten Wünschen der Ritterschaft, ihre Gerechtsame mit bei den Verhandlungen beobachten zu lassen, insoweit nach, als er die Kommission anweist, sie möge auf das ritterschaftliche Ansuchen, "so viel möglich und dem gütlichen Traktat nicht hinderlich, Reflexion machen".
2) Seine Remonstration in Wien erwirkte drei Reskripte vom 23. März an Friedrich Wilhelm, Adols Friedrich und den Grafen, welche die Mahnung enthielten, auf Ratzeburg abzuschließen; der Kaiser werde dabei beharren und sich durch keine andern Vorschläge davon abbringen lassen. Eck wurde angewiesen, den schwedischen und brandenburgischen Gesandten in ihrer guten Gesinnung zu erhalten und auch mit dem cellischen zu sprechen, damit der endliche Vergleich erfolge. Es sei die kaiserliche Intention niemals gewesen, wegen einer Alternative zwischen Ratzeburg und Stargard die Traktaten zu verlängern. Eck möge nur wegen Ratzeburg weiter verhandeln. - Die Reskripte kamen erst an, als durch Graf Horns Eingreifen die Verhandlungen bereits abgebrochen waren.
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9. Februar: Da Lenthe und John gegen Ratzeburg seien, so werde die Kommission bei der geringsten Opposition gleich zu der zweiten Alternative schreiten, worauf Abschluß unmöglich erfolgen könne. Jedweder treue Diener habe jetzt Friedrich Wilhelm zu rathen, daß Er ja keinen Moment versäume, noch durch andere ungegründete Hoffnung sich zum Zaudern, was ihm bisher schon so viel geschadet, verleiten lasse. Wie bald könne durch einen und andern Vorfall das Kreisdirektorium, das jetzt mit dem Kaiser eines Sinnes sei, wieder auf andere Gedanken gebracht und sein Eifer abgekühlt werden. Bei jeder Verzögerung könne Adolf Friedrich nur gewinnen. Einen andern Grund zur Fügsamkeit gab er den Räthen den 5. März an die Hand: jetzt werde der Herzog, wenn er freiwillig nachgebe, den Kaiser noch zu Dank verpflichten können; zaudere er, werde der Kaiser mit Schweden den beiden Herzögen die Bedingungen selbst vorschreiben. Er bezeugte sich sehr unzufrieden, als die Räthe ihm widersprachen, und nannte als Beispiel für ein Amt, das zur Abtretung sich eigne, weil darin kein Adel vorhanden, das Amt Rehna.

Für Friedrich Wilhelm ward die Situation in eben dieser Zeit dadurch noch verwickelter, daß sein jüngerer Bruder Karl Leopold, der von längerem Aufenthalte im Auslande mittlerweile heimgekehrt war, nun Anstalt machte, als dritter Prätendent auf das streitige Herzogthum aufzutreten. 1 ) Falls er hiermit abgewiesen wurde, verlangte er auf Grund des großväterlichen Testamentes Ratzeburg.

Den 8. März schreibt Friedrich Wilhelm an die Räthe in Hamburg, sein Bruder liege ihm an, ihm zu erlauben, daß er sein Recht verfolge, und er habe heute soweit nachgegeben, daß er geschehen lassen wolle, daß Karl Leopold seine vermeintlichen Befugnisse beliebiger Orten vorstelle, jedoch mit dem Vorbehalt, - welcher übrigens der Zurücknahme der Erlaubniß ziemlich gleichkam - daß dadurch seinem, Friedrich Wilhelms, erstrittenem Rechte nicht geschadet werde. Karl Leopold hatte davon gesprochen, nach Hamburg reisen zu wollen. Die Räthe sollen dort versichern, daß Friedrich Wilhelm dem Bruder


1) Karl Leopold berief sich zur Begründung seiner Ansprüche auf die auch von Adolf Friedrich benutzte Wendung des Recesses von 1621, daß Meklenburg fortab nicht in mehr denn jetzige zwei Theile getheilt werden, "sondern es bey denselben einig und allein verbleiben" solle, und behauptete, daß ihm, als zweitem Sohne des Secundogenitus der Vorzug vor dem Tertiogenitus, Adolf Friedrich, gebühre.
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keinerlei Assistenz leisten wolle. Friedrich Wilhelm konnte nun freilich sicher sein, daß Karl Leopold weder bei der Kommission noch bei dem Kaiser, noch bei den Kreisdirektoren, die sämmtlich Beilegung wünschten, Unterstützung finden werde, und beeilte sich also nicht eben sehr, dem Drängen Ecks in allen Einzelheiten stattzugeben, fand aber den diplomatischen Ausweg, der die eigentlichen Schwierigkeiten umging, den 10. März der Konimission erklären zu lassen, er werde sich der kaiserlichen Verordnung wegen Ratzeburg nicht widersetzen - genau so hatte Graf Eck gerathen -, jedoch mit gewissen Bedingungen, wovon später zu reden sein werde, wenn Strelitz, das ja bisher wegen Ratzeburg Schwierigkeiten gemacht, zugestimmt habe.

Die Kommission war hiermit zufrieden, dagegen ward eine Schrift von Petkum, in der er auf dem Strelitzer Ultimatum vom 21./11. Dezember 1699 bestand, von der Kommission so wenig dienlich zum Zwecke befunden, daß sie sie nicht annahm. Trotzdem ging die Kommission an die Arbeit, ein neues Vergleichsprojekt auszustellen: da kam den 16. März ganz unvermuthet Graf Horn in Hamburg an, dessen Auftreten die Weiterarbeit an diesem Projekte zum Stehen brachte.

Graf Horn war in 7 1/2tägiger Reise von Wien nach Schwerin geeilt, wo er den 7. März ankam, mit der Absicht, durch energisches Auftreten einen schnellen Abschluß oder den Abbruch der Verhandlungen zu erzwingen. Er brachte ein Ultimatum mit, in dem Friedrich Wilhelm Ratzeburg mit dem Votum und 40000 Th. anbietet, - die Zahlung des Restes solle aus dem Zoll erfolgen, - abzüglich des Ertrages der drei Strelitzer Aemter, die Adolf Friedrich jetzt hat und die ihm als Pfandbesitz und seiner Gattin als Witthum für beider Lebenszeit verbleiben sollen.

Wenn Adolf Friedrich dies ausschlägt, ersucht Friedrich Wilhelm die Kommission, von den Kreisdirektoren die Abführung ihrer Truppen zu erwirken. Graf Horn hegte die Hoffnung, daß dies durchzusetzen sein werde, und wollte eben die Drohung, daß es geschehen werde, als Pressionsmittel auf Strelitz benutzen, um es zur Einwilligung zu bewegen. Er theilte dies Ultimatum zunächst vertraulich dem Grafen und der Kommission mit, durch die auch Petkum davon in Kenntniß gesetzt wurde. Auf seinen Wunsch kam der Herzog zum 20. selbst nach Hamburg und bestätigte mündlich den Inhalt des Ultimatums. Hofmarschall von Löwen, den er mitbrachte, reiste von Hamburg aus nach Celle, der Kammerjunker Baron v. Eichholtz ging nach Eutin, beide

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mit einer kurzen gedruckten Darstellung der Gründe, warum Friedrich Wilhelm kein Land mehr außer Ratzeburg hergeben könne. 1 ) Dasselbe Aktenstück wurde an die Bevollmächtigten in Wien, Stockholm, Berlin und Wolfenbüttel übersandt. Bei seiner Abreise aus Hamburg (d. 21.) hinterließ Friedrich Wilhelm dem Grafen eine Vollmacht, mit Zuziehung der zwei Räthe die Kommission fortzusetzen, zu differiren oder auszuheben, wie er es am Zuträglichsten finde.

ES war eine umfassende Aktion, um die Sache auf die eine oder andere Art durchzuforciren. Der Verlauf entsprach leider nicht ganz den Erwartungen. Adolf Friedrich und sein Bevollmächtigter Petkum blieben selbst in dieser anscheinend so bedrohlichen Situation fest auf dem Ultimatum vom 11. Dezember. Von den Kreisministern in Hamburg betonte der Cellische entschieden, was Horn gerade vermieden wünschte, daß Adolf Friedrich mehr Land haben müsse. Den gleichen Bescheid brachte Löwen aus Celle mit, einen etwas günstigeren, aber doch ausweichenden Eichholtz aus Eutin. Der schwedische und brandenburgische Minister in Hamburg verschanzten sich vorläufig hinter dem Mangel an Instruktion, berichteten aber das Hornsche Ultimatum sogleich an ihre Höfe. Auf der Stelle also war das Ultimatum nicht durchzusetzen; so beschritt denn Horn ohne Zögern den zweiten Weg, den Abbruch der Verhandlungen.

Am 27. März erschienen die Schweriner vor der Kommission mit einer längeren Eingabe, die nach Rekapitulirung des ganzen Verlaufes damit endet: da Strelitz bisher für die 40000 Th. unmögliche media solvendi beanspruche und auch über Friedrich Wilhelms Ultimatum hinaus noch Abtretung einiger Landstücke ihm anmuthe, Friedrich Wilhelm auch nicht das Glück gehabt habe, die Versicherung von der Kommission zu erhalten, daß die Kreisdirektoren ihn durch Zurückberufung ihrer Truppen in den ruhigen Besitz des ihm zugesprochenen Landes setzen würden, falls Adolf Friedrich das Ultimatum nicht pure acceptire, so sehe sich Friedrich Wilhelm gezwungen, die Traktaten, von denen er keinen glücklichen Ausgang abzusehen vermöge, "abzudanken". Er wolle aber an sein Ultimatum noch 6 Wochen gebunden sein; wenn in dieser Zeit seine Bedingungen nicht erfüllt seien (Annahme des Ultimatums oder Zurückziehung der Truppen), behalte er sich alle seine Rechte vor.


1) In Kopie im Syllabus Nr. 54: "Rationes, warum Jhro Durchl. der Herr Hertzog Friedrich Wilhelm - kein Land mehr - alß das Ratzeburgische hingeben kan" u. s. w.
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Die Schrift wurde in ihrer ersten längeren Fassung von der Kommission zurückgewiesen, unter der Begründung, daß Strelitz darauf eine weitläufige Antwort machen werde. In kürzerer Fassung - ohne die lange rückblickende Einleitung - wurde sie zwei Tage später - den 29. - angenommen. Die Kommission beschloß darauf, daß jedes ihrer Mitglieder gesondert seinen Bericht an den Kaiser einsenden solle. Darauf wurden die Verhandlungen geschlossen.

~~~~~~~~~~~~~~~~

X.

Wiederaufnahme und Abschluß der Kommissionsverhandlungen.

Eingänge in Wien bis zu den kaiserlichen Reskripten vom 4. August 1700.

Die Entscheidung über den weiteren Fortgang der Sache war also damit wieder dem Kaiserhofe anheimgegeben. Wir werfen einen kurzen Blick auf die dort eingehenden Aktenstücke. Graf Horn sandte schon den 30. März ein Schreiben an den Legationssekretär Christiani nach Wien mit zwei verschlossenen Schreiben von Friedrich Wilhelm an den Kaiser und ihm selbst an Graf Kaunitz und mit einer Eingabe an den Reichshofrath, die Hofrath Diettrich, ohne etwas daran zu ändern, unterzeichnen und einreichen sollte. In dem Schreiben des Herzogs wie der Eingabe an den Reichshofrath war das Ansuchen gestellt, das Hornsche Ultimatum zu genehmigen und Adolf Friedrich zur Annahme innerhalb sechs Wochen zu nöthigen. Beigefügt waren Exemplare der o. g. "rationes", dem Schreiben an den Kaiser auch ein Aktenstück mit dem Titel: "Uhrsachen warumb meinem (d. i. des Herzogs) ohnvorgreiflichen ermeßen nach, alle fernere tractaten coram Commissione in der Meckl.=Güstrowischen successions=Sache vergeblich seyen." 1 )


1) Es waren deren vier: 1. Es sei nicht zu hoffen, daß die Kommission unter sich über ein medium vere adaequatum einig werde, da der (  ...  )
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Die Eingabe ist unter dem 7. April in den Akten des Reichshofrathes verzeichnet, den 12. April ging die Relation des Grafen Eck ein (datirt vom 31. März). Sie ist entschieden Schwerin freundlich gehalten und beginnt mit einer Art von Rechtfertigung des Verfahrens der Kommission. Sie habe keiner Partei zu liebe oder zu leide gehandelt, vielmehr habe sie in dem Ultimatum vom 25./15. September 1699 eine Theilung der Einkünfte vorgeschlagen. Diese betrügen im Ganzen etwa 80000 Rth., wovon etwa ein Drittel auf den Ertrag des Boizenburger Zolles komme. Dem entsprechend sei das Absehen der Kommission gewesen, daß auch Adolf Friedrich zwei Drittel von der Abfindungssumme an Land und Leuten und ein Drittel aus dem Zolle erhalten solle. Was das Reichsvotum betreffe, so habe die Kommission früher Uebertragung des Votums auf Stargard vorgeschlagen, aber der Kaiser habe nun anders entschieden. Von Friedrich Wilhelm sei die Hauptsache zugestanden, nur daß er sich weigere, an Land und Leuten mehr als Ratzeburg abzutreten. Es sei wohl zu wünschen, daß Adolf Friedrich die von der Kommission ihm zugedachten zwei Drittel an Land und Leuten zu Theil würden, wie auch das Kreisdirektorium intendire, allein da Schwerin sich mit gewichtigen Gründen dagegen ausgesprochen, so rieth Eck, in Friedrich Wilhelm nicht weiter zu dringen und in diesem Sinne an die Kreisdirektoren, die Parteien und die Kommission zu schreiben. Den 9. April folgte Wolfenbüttel (präsentirt beim Reichshofrath d. 3. Mai mit dem von Eutin zusammen). Es rieth, Schwerin möge zur Kompletirung der zwei Drittel zu Ratzeburg, das zu 20000 Thalern Einkünften gerechnet wird, noch einige andere 6666 1/3 Rth. austragende Stücke an Land und Leuten, etwa von dem Stargardischen Distrikt, das zu dem uralten Meklenburgischen Corpus eigentlich nicht gehöre, zulegen und das übrige Drittel, also 13333 1/3 Th., jährlich aus dem Zoll geben. In Bezug auf Adolf Friedrichs Forderung der Residenz Güstrow stellte sich Wolfenbüttel auf die Schweriner seite, da Schwerin 8000 Th. für den Ausbau einer Residenz zu zahlen und Güstrow der Herzogin=


(  ...  ) dänische Subdelegirte Adolf Friedrichs Anspruch auf die Residenz Güstrow begünstige und ihm der Eutiner einigermaßen zustimme. 2. Die Sache werde alle Zeit zwischen der Kommission und den Kreisdirektoren im Kreise hin= und hergeschoben. 3. Besser, als wenn die Subdelegirten und Kreisminister unter sich konferirten, was jetzt geschehe, sei es, wenn der Kaiser die Kreisdirektoren bestimme. 4. Die Subdelegirten hätten vielfach geantwortet, es komme auf des Kaisers decisum an.
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Wittwe und den unvermählt bleibenden Prinzessinnen auf Lebenszeit zu überlassen sich anheischig gemacht habe. Beide Herzöge seien, abgesehen von der Belehnung zu gesammter Hand (simultanea investitura), völlig außer Kommunion zu setzen, zwischen beiden sei die Primogenitur= und Lineal=Succession festzusetzen.

Vom 5. April ist die Relation des Bischofs August Friedrich von Lübeck datirt. Auch er spricht sich für die zwei Drittel an Land und Leuten aus; zu Ratzeburg könne ein dabei liegendes Stück Landes oder auch, was leichter geschehen könne, ein Stück von dem Stargardischen Distrikt beigelegt werden. Als Schwager aber des Herzogs von Strelitz persönlich für ihn interessirt, fügt der Bischof dieser Möglichkeit, wenn auch in vorsichtiger Form, noch als zweite Alternative den Vorschlag bei, zu Ratzeburg Amt und Stadt Güstrow abzutreten und, was dann noch an den 40000 Th. fehle, aus dem Zoll zu assigniren; es "würde solches - schreibt er wörtlich -- zu beförderung des gütlichen Vergleichs ümb so viel mehr helffen, auch der Fürstl. Frau Wittib und dero Princesses zu besonderer Consolation, denen hohen anverwandten aber, wie auch mir zu großer vergnügung gereichen, welches alles dennoch zu Ew. Ksl. Maytt. höchsterleuchteten gutbefinden ich überlaße, und dero gdsten. fernern befehl hierüber erwarte, den ich nicht gemeint bin, deroselben hierunter Ziel und maße zu setzen."

Die Relationen waren bereits abgegangen, als der dänische Hof in Eutin und Wolfenbüttel das Ansinnen stellte, sie noch zurückzuhalten und die Traktaten nicht abzubrechen. Dänemark hatte sich damals entschieden auf die Seite von Strelitz gestellt. Die Königin wandte sich eigenhändig mit Briefen an Berlin, Wolfenbüttel und andere Höfe und hielt nachdrücklich um Assistenz für Adolf Friedrich an, besonders in seiner Forderung der Residenz Güstrow. Leichter als am Kaiserhofe, wo überdies die Sache leicht der Kommission ganz aus den Händen genommen werden konnte, war diese Forderung in Hamburg durchzusetzen. Deshalb trat Dänemark mit Strelitz in diesem Stadium für die Fortsetzung der Kommission ein. Daneben war im Strelitzer Kreise auch davon die Rede, die Sache nach Regensburg oder ans Reichskammergericht zu ziehen.

In Wolfenbüttel und Eutin kam Dänemark mit seinem Ansuchen zu spät, einen großen Erfolg aber gewann es in Berlin, wo Graf Kolbe v. Wartenberg für Strelitz gewonnen ward, der den Kurfürsten zur Unterzeichnung einer Instruktion an den Brandenburgischen Geschäftsträger in Hamburg, Herrn v. Busch,

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bewog, Strelitz in seiner Forderung des Wendischen Distrikts mit der Residenz Güstrow Beistand zu leisten und sich deswegen mit dem dortigen dänischen Minister ins Einvernehmen zu setzen.

Auf diese Parteinahme hatte ohne Zweifel der Ausbruch des Nordischen Krieges Einfluß, in dem Schweden und Celle für Holstein=Gottorp gegen Dänemark standen, während Brandenburg Dänemark zuneigte. Zugleich erklärt sich aus der allgemeinen politischen Lage die recht stolze Haltung, die Dänemark damals zur Schau trug. Im Bunde mit Peter dem Großen und August dem Starken glaubte es mit dem Herzog von Holstein=Gottorp leicht fertig werden zu können und ließ sich, als es in der That im ersten Augenblick bedeutende Fortschritte in Holstein machte, drohend vernehmen, es werde Adolf Friedrich mit gehörigem Nachdruck zu demjenigen, was er beanspruche, verhelfen. 1 ) Bekanntlich wandte sich das Blatt sehr schnell, worauf dann die Haltung Dänemarks auch wieder bescheidener ward.

Durch die Holsteinischen Wirren und den Ausbruch des Krieges ward das ohnehin recht lose Einvernehmen der Kreisdirektoren für die Güstrowsche Sache noch mehr gelockert, zum Nachtheile Schwerins, und wenn auch Herr v. Busch gegen Ende des April wieder Hoffnung gab, daß sein Herr einer kathegorischen Resolution des Kaisers zustimmen werde, so war doch diese Hoffnung recht unsicher.

Auch über die Schwenkung Brandenburgs gelangte Bericht nach Wien an den Reichshofrath als Material für die dortige Entscheidung. Von Strelitzer Seite ist unter dem 23. April eine Eingabe des Hofraths Martens verzeichnet, zu der er gleich nach dem Abbruch der Verhandlungen in Hamburg Befehl erhalten hatte, und unter dem 13. Mai ein Schreiben Adolf Friedrichs, datirt Strelitz d. 2. April, an den Kaiser als Erwiderung auf dessen Reskripte vom 23. Januar und 9. Februar. Beide Aktenstücke zeigen auf höchst charakteristische Weise, mit welcher Konsequenz Adolf Friedrich seinen Standpunkt festhielt. Es folgt deshalb hier ein Auszug.

Martens beginnt damit, sein Prinzipal habe gehofft, daß Friedrich Wilhelm bei dem letzten Kongreß "seine so vielfältig gerühmte friedliebende Intention zeigen und solche Vorschläge aufs tapis vorbringen werde, bei denen nur das geringste Aus=


1) "Nicht anderß, als ob durch die Hollsteinische progressen Es auch das Directorium über den gantzen Nieder=Sächs. Kreuyß anmaßen wollte," schreibt Heems aus Berlin an Andler in Wien den 15. Mai.
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kommen wäre zu finden gewesen." Allein er habe nur Ratzeburg abtreten wollen und dann die Traktaten abgebrochen. Anwalt sei beauftragt, dem Kaiser vorläufig anzuzeigen, daß S. Dchl. nichts schmerzlicheres widerfahren könne, als daß Sie sehen müßten, wie man "hochfürstlich Schwerinischer seiten sich so augenscheinlich bemühe, alles dasjenige, was nur zur Verhinderung eines gütlichen Auskommens, zu S. Dchl. torto und zur oppression seiner notorischen Gerechtsahme gereichen könne, beizutragen und hervorzusuchen, mithin diese an sich schwere Sache in neue Verwirrung zu setzen." Es wird dann die Richtigkeit der Schweriner Aufstellungen für die Einkünfte sowohl von Ratzeburg als von dem Güstrower Herzogthum bestritten und der - ungegründete - Vorwurf erhoben, Schwerin reize jetzt den Prinzen Karl Leopold, daß er wider die Abtretung von Ratzeburg protestire. Dies genüge hoffentlich, um zu erweisen, daß "niemahlen ein Fürst des Reichs so ungütlich tractiret und so unschuldig gedrücket worden sey", doch habe ihm sein Herr befohlen, nochmals Kais. Maj. zu Gemüthe zu führen, daß er eine gerechte Sache habe, und daß Güstrow auf ihn verstammt sei, er sich aber mit der Hälfte begnügen wolle. Der Kaiser möge das Werk dahin dirigiren, daß dieses Ultimatum zum Fundament gesetzt und die wider des Kaisers Intention und wider seines Herrn Willen und Vermuthen aufgerufene Kommission fördersamst reassumirt und Herzog Friedrich Wilhelm nachdrücklich ermahnt werde, sich mit den diesseitigen, ohnedem für ihn sehr vorteilhaften Angeboten zu begnügen.

Aehnlich schreibt Adolf Friedrich selbst den 2. April. Nach einer Rekapitulation der für ihn ungünstigen letzten kaiserlichen Verordnungen fährt er fort: "Nun bin ich zwar schon vorher durch meiner Feinde, undt übelwollende machinationes undt verfolgungen dergestalt zu Boden geschlagen, undt entkräfftet, daß im falle sich Ew. Kayl. Maytt. durch mein anhaltendes Bitten undt flehen zu anderwertiger Commiseration undt entschließung, in besonderen allerhöchsten Kayl. gnaden nicht bewegen laßen werden, ich nebst allen den meinigen auf einmahl zu grunde gehen, undt wir von dem jenigen, so durch Gott undt die natur auf unß gekommen, unß lediglich entsetzet sehen müßen, zumahlen und wan mir auch nebst übrigen die geldmitteln, so zu einem dergestalt schweren undt kostbahren process undt Handlungen beförderlich seyn, entzogen werden solten, alß dan meine gerechtsahme wol von selbst zerfallen, undt folglich ich zu sambt allen den meinigen in die eußerste miserie gerahten werden, worin wir dan auch anjetzo bireits umb so viel mehr stecken, alß es

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mir meines unvermögens halber an genugsahmer vermittel= und vertrettung bey Ew. Kaysl. Maytt. ermangelt, undt dahingegen meinem gegentheil aus denen in possession undt nießung habenden dreyen Fürstenthümern und übrigen Landen an nichts fehlet, undt dadurch allergdster Kayser undt Herr ist es auch geschehen, daß ich biß hierzu die nohturfft meiner gerechtisten Sache dergestalt nicht besorgen undt beobachten laßen können, wie solches der eigentlicher Zustandt undt die wahre beschaffenheit des werckes wohl erfordert hetten, weßhalber ich dan auch noch nicht anders, alß abermahlen hiemit vor Ew. Kayl. Maytt. geheiligten Trohn fußfällig niederzulaßen, undt aufs allerdemühtigste zu bitten vermag, dieselbe wollen doch nur in mild Kayserl. Behertzigung dieses eintzigen" - hier ist eine ganz kurze Begründung der Rechte Adolf Friedrichs aus dem Vertrage von 1621 eingeschoben - "aus mild Kayserl. Commiseration nicht zu geben, daß auf einigerley weise undt wege weiter in mich gedrungen, oder das geringste mehrers von mir gefordert werden möge, alß weßen ich mich zu bezeugung meines allerdevotisten Gehorsambs gegen Ew. Ksl. Maytt. auch besondern Fried liebenden gemühts und boni publici causa bey der allergdst verordneten Commission zur gute am 11./21. Dec. des nechtvorigen, undt 10. Martij dises Jahres mit hindansetz= undt verlaßung alles übrigen pro extremo et ultimo erklährt habe, mir auch inmittelst die zu noch einiger besorg= undt rettung meiner gerechtsahme gantz ohnentbehrliche geldhülffe, auß dem sequestro ohngehindert gelaßen werden möge." Im weiteren Verlaufe des Schreibens schiebt Adolf Friedrich die Schuld für das, was er aus dem Reskript vom 9. Februar mit äußerster Betrübniß erfahren, auf die Uebelwollenden, bestreitet, ebenso wie sein Anwalt die Schweriner Darstellung über die Einkünfte von Güstrow und schließt mit den üblichen Ergebenheitsversicherungen.

Zu diesen Eingaben gesellte sich noch drittens die ausführliche Beantwortung der Schweriner rationes, die Martens d. 10. April einreichte. 1 ) Es kam zu einem Votum den 14. Mai. In diesem wird die Frage aufgestellt, ob schon eine endgültige Entscheidung zu treffen sei, da von Holstein (Dänemark) noch nichts ein=


1) Ein zweites persönliches Schreiben von Adolf Friedrich, datirt vom 8. Juni, ähnlichen Inhalts wie das erste, ging beim Reichshofrath den 12. Juli ein und bildete erst den 11. August, als das Votum bereits erstattet war, Gegenstand einer Verhandlung im Reichshofrath; dieser faßte das Conclusum, daß Adolf Friedrich auf die Resolution vom 4. August zu verweisen sei.
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gelaufen, sondern neue Schwierigkeiten von ihm und Brandenburg sich hervorthäten. Ecks Gründe für das Schweriner Ultimatum werden nicht unerheblich gefunden, da aber dann die Kreisdirektoren, die die zwei Drittel an Land und Leuten für billig hielten, sich desto mehr opponiren und der Bischof wie Wolfenbüttel sich gekränkt finden möchten, wenn ihr Gutachten bei Seite gelegt werde, so räth der Reichshofrath, der Kaiser möge die zwei Drittel genehm halten, und empfiehlt dann trotz des Fehlens der dänischen Relation sogleich abzusendende Reskripte dieses Inhalts.

An demselben 14. Mai lief beim Reichshofrath eine Eingabe des dänischen Anwaltes Fabricius ein, die Einforderung der Relation anstehen zu lassen, bis ein Bericht von seinem Prinzipal angelangt sei, der daran durch den Krieg bisher verhindert sei. Darüber ward am 3. Juni verhandelt und beschlossen, die Eingabe dem früheren Votum beizufügen. Man zauderte dann noch zwei volle Monate, bis die schon den 14. Mai empfohlenen Reskripte wirklich erschienen (d. 4. August).

Inzwischen war Graf Horn schon Ende Mai wieder nach Wien geeilt, in der Absicht, nun die zweite Hälfte seines Planes zur Ausführung zu bringen, nämlich den Abschluß von Wien aus herbeizuführen und eventuell den Kaiserhof zu bewaffnetem Einschreiten zu veranlassen. 1 ) Er mochte um so mehr auf Erfolg hoffen, als der gefürchtetste Feind, Schweden, eben in ein Freundschaftsbündniß 2 ) mit Herzog Friedrich Wilhelm getreten


1) Friedrich Wilhelm hatte schon den 1. Mai dem Grafen Eck auf getragen, in Wien wegen Waffenhülfe anzufragen, der Reichs=Vizekanzler Graf Kaunitz antwortete d. 15. Mai: "Wegen überlaßung ein paar Regimenter wollen Jhro Maytt. im geheim überlegen lassen, ob dem Herrn Herzog von Schwerin gewillfahrt werden könne."
2) Den Bemühungen der Herzogin Christine Wilhelmine und Koppelows war es gelungen, den 13. April d. J. einen Allianzvertrag mit Schweden auf 5 Jahre zu Stande zu bringen zur Aufrechthaltung der Ruhe und des Westfälischen Friedens=Instrumentes. Darin verspricht der König, den Herzog und seine Länder wider alle "turbationes (§ 2) in Ecclesiasticis et profanis" zu schützen, ihm auch zur billigen Erstattung der durch "Invasiones, hostilitaeten, Märsche und dergleichen" verursachten Schäden zu verhelfen und der Herzog leistet für die deutschen Besitzungen des Königs das gleiche Versprechen. Zu diesem Zwecke will der König 2000, der Herzog 1000 Mann in Bereitschaft halten, nach beendigtem Successionsstreit soll diese Anzahl von beiden verdoppelt werden (§ 4). Beide wollen in Reichs= und Kreissachen durch ihre Minister vertrauliche Kommunication pflegen (§ 5). Zur Beendigung der Successionssache verspricht der König alle möglichen officia anzuwenden (§ 6). Sollte der König in einen auswärtigen Krieg gerathen, (  ...  )
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und außerdem schon durch den Krieg beschäftigt war. In Wien angekommen, reichte er dem Kaiser zwei Aktenstücke ein, von denen das eine überschrieben ist: "Ohnmaßgebliche - gedanken, wie in der Meckl. Güstrow. Successions=Sache ein glücklicher exitus zu maintenirung Jhro Kayl. Maytt. allerhöchsten Authorität und oberrichterlichen Ambts; auch zur protection der justice und des Regierenden Herrn Hertzogs v. Mecklenburg breuissima via nunmehr zu erreichen seyn kan." Darin plaidirt er zunächst für das Schweriner Ultimatum; sollte der Kaiser aber sich für die zwei Drittel entscheiden, so habe er zwar keine Instruktion, darüber etwas einzugehen, bitte aber, daß seinem Herrn dann freigelassen werde, solche Stücke Landes abzugeben, die er am füglichsten entbehren könne. Er rieth dann, die Antwort an die einzelnen Mitglieder der Kommission getrennt zu schicken und diese nicht wieder zusammentreten zu lassen, da ja klar sei, daß sie unter sich verschiedener Ansicht seien, und was Dänemark für Absichten hege, das bei den augenblicklichen Konjunkturen Wolfenbüttel und Eutin mehr als bisher auf seine Seite ziehen könne. Eine kurzgefaßte Zusammenstellung der "Fundamenta Juris, aequitatis et facti" ist beigegeben.

Ein zweites Aktenstück führt den Titel: "Geheime allerunterth. u. ohnmaßgebliche in Handtgebung mehrer dienlichen mittel zu maintenirung Jhro Kays. Maytt. auerhöchsten authoritet und Oberrichterlichen Ambts in der Meckl. Güstr. Successions-Sache, u. zu protegirung Jhro Dchl. meines gdsten Herrn bey seinem darin erlangten recht und Possession." Horn sucht hierin den Kaiser in Einklang mit der früheren Anfrage für schärfere Maßregeln zu gewinnen. Es könne den Kreisdirektoren angezeigt werden, daß der Kaiser Friedrich Wilhelm nicht länger hülflos lassen könne, falls die Kreisdirektoren ihre Truppen nicht gutwillig aus dem Güstrowschen herauszögen.


(  ...  ) So gilt die Allianz nicht weiter, als seine deutschen Provinzen und die Lande Meklenburg betrifft. Ein Geheimartikel war verabredet, nach dem der König, wenn Strelitz mit dem, was von dem Kaiser und der Kommission für billig erachtet werde, nicht zufrieden sei, versprach, mit den übrigen Kreis=Aemtern zu erwägen, wie und auf welche Weise der Sache am füglichsten zur Endschaft möge geholfen werden, und, falls die Sache unabgethan bleibe, mit den übrigen Kreis=Aemtern dahin zu sehen, daß dem Herzog von Strelitz aus den Güstrowtschen Einkünften, pendente lite, kein Vorschuß geschehen möge. Karl XII. ratiftzirte den Vertrag d. 12. Mai, aber ohne den Geheim=Artikel: die Zahlungen an Strelitz dauerten fort. Graf Horn wußte dies Ende Mai in Wien noch nicht.
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Horn kalkulirt, von Schweden sei kein Widerstand zu vermuthen, da es so viel Feinde auf dem Halse habe, vielmehr sei Begünstigung glaublich, um den Kaiser zu verpflichten. Das Haus Lüneburg habe wegen der gegen die neunte Kurwürde sich opponirenden Fürsten die gleiche Erwägung zu führen. Es könne auch allenfalls zusamb Chur=Brandenburg durch Jhro Kais. Maytt. Macht leicht (?) zu der billigkeit gebracht werden und zwar mit Jhro Kais. Mast. avantage. (!!) Dänemark habe jetzt Schweden zum Feinde und könne ebensowenig Widerstand erheben. Von Frankreich sei nicht zu befürchten, daß es sich um diese entfernten Händel bekümmern werde. Wenn der Kaiser ein Regiment oder drei in Friedrich Wilhelms Lande vorerst (!) zu senden beliebe und anordne, daß sie von Friedrich Wilhelms Willen mit Zuziehung des Grafen Eck abhängen sollten, so sei Friedrich Wilhelm erbötig, sie in Rostock einzuquartieren und sobald er sich wieder in dem ruhigen Besitz des Herzogthums Güstrow befinde, eins davon aus den Kontributionen der Güstrowschen Ritter- und Landschaft ein ganzes Jahr zu unterhalten oder statt dessen 100000 Th. dem Kaiser zu zahlen. Schweden werde dieses Eingreifen des Kaisers vermuthlich gerne sehen (?!), könne auch im voraus darüber bedeutet werden, daß es desfalls nichts zu besorgen habe. Die drei Regimenter würden mit den Truppen, die Friedrich Wilhelm selbst habe, an die 5000 Mann und mehr ausmachen, und der Kaiser bekomme auf solche Art einmal Truppen in den Niedersächsischen Kreis (!). Lüneburg könne keine ombrage zeigen, da Graf Bernstorff neulich (im Mai) an Löwen geschrieben, daß Dömitz nach Eroberung von Tönningen (durch Dänemark) in Gefahr sein werde.

Diese Bemühungen des Grafen Horn, den Kaiser zu bewaffnetem Einschreiten zu treiben, wurden durch eine starke Partei unter den Diplomaten des Kaiserhofes unterstützt, darunter auch durch den Berliner Bevollmächtigten Heems, der noch im Mai, als Petkum in Berlin wegen Weiterzahlung der 30000 Th. anhielt, ein scharfes Reskript des Kaisers empfahl, das die Drohung enthalten sollte, der Kaiser werde nunmehr einen solchen Ernst in der Sache zu zeigen wissen, wodurch dem einen und andern die Augen geöffnet werden und die Luft, die Langmuth und Güte des Kaisers länger zu mißbrauchen, vergehen könne.

Im allertiefsten Geheimniß wußte der Graf noch einen andern Hebel, von dem er sich eine ausschlaggebende Wirkung

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am Wiener Hofe und besonders auf den Kaiser selbst versprach, zu Gunsten seines Herrn in Bewegung zu fetzen: es war ihm gelungen, bei seiner letzten Anwesenheit zu Schwerin den Herzog für den Plan zu gewinnen, um eine der Töchter des Kaisers zu werben; 1 ) ja, Friedrich Wilhelm hatte sich sogar zum Wechsel des Bekenntnisses bereit erklärt, falls seine Werbung Erhörung finde, allerdings unter der Vorbedingung, daß der Kaiser mit Waffengewalt ihm Güstrow wiederverschaffe. Es war ein überaus gewagtes Spiel, in welches der Graf seinen Herrn hiermit zu verstricken suchte, ein Spiel, das selbst, wenn es für den Augenblick gelang, was ohne einen Krieg zwischen Oesterreich und den Kreisdirektoren kaum möglich war, doch für die Zukunft Friedrich Wilhelm in eine äußerst gefährdete Stellung sowohl seinen sämmtlichen Nachbarn wie auch seinen Unterthanen gegenüber bringen mußte, und nur zaudernd fand der Herzog den Entschluß, den der Graf ihm zu entreißen immer neue Anstrengungen machte. Auch Gewissensbedenken erregte ihm der Religionswechsel; der Auftrag, den er in seiner geheimen Instruktion (datirt v. 8. Mai 1700) dem Grafen gab, in Wien sich zu erkundigen, ob nicht vom Papste für ihn die Erlaubniß zu erhalten sein werde zum Gebrauche des Kelches beim Abendmahl, eröffnet einen Blick in diese inneren Zweifel. Ein anderes Bedenken betraf die vormaligen geistlichen Güter in Meklenburg, die von den Fürsten zu den Domänen gezogen waren. Um etwaigen Forderungen auf Rückgabe derselben vorzubeugen, wies der Herzog den Grafen an, einen Konsens des Papstes zu erwirken, daß alle jene Güter fürstliche Domänen bleiben sollten. 2 ) Der Konsens sei auszustellen,


1) Es war in erster Linie die zweite der vier lebenden Töchter ins Auge gefaßt, die Erzherzogin Marie Anna Josepha, geb. d. 7. Sept. 1683, die dann später im J. 1708 den König Johann V. von Portugal heirathete. Graf Horn kann sich in begeisterten Schilderungen der Tugenden und Vorzüge dieser Prinzessin nicht genug thun.
2) Aus der Instruktion ist noch der Mittheilung werth, daß Horn angewiesen wurde, die Versicherung zu geben, der Herzog werde, falls ihm die Erzherzogin bewilligt werde, nicht nur selbst die katholische Religion annehmen, sondern auch nach Möglichkeit sich bemühen, auch seine Mutter und Geschwister durch unermüdete Anmahnung dazu zu bewegen; auch eine Erbverbrüderung mit dem Erzherzoglichen Hause werde Friedrich Wilhelm gern eingehen, wenn nur der betreffende Vertrag mit Brandenburg rechtlich sich auflösen lasse. Nach § 5 soll Horn versuchen, ob vielleicht einige der hohen Wiener Geistlichkeit zu einem Vorschuß zu bewegen seien, um die Kosten der Heimfübrung u. s. w. zu bestreiten - Graf Horn berechnet sie von (  ...  )
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ehe er, der Herzog, die katholische Religion wirklich annehme. Auch die Anordnung, daß der Graf mit dem Beginne der betreffenden Verhandlungen noch warten solle, bis er ein neues Schreiben von Friedrich Wilhelm mit dem Auftrage dazu erhalte, beweist, daß der Herzog nur zögernd die Bahn betrat, auf die der Graf ihn fortzureißen sich bemühte. Auf ein Mahnschreiben des Grafen hin, in dem dieser ihm in verlockenden Farben die Vortheile der geplanten Verbindung schildert, 1 ) entschloß er sich d. 30. Juni, den Befehl zum Beginn der Verhandlungen zu senden. Allerdings stellte er die Bedingung, daß der Kaiser sofort mit der Armee nach Meklenburg komme und Friedrich Wilhelm dann einige Regimenter zu seiner Sicherheit behalten dürfe. 2 )


(  ...  ) Wien auf auf etwa 150000 Th. -, unter der Bedingung, daß Friedrich Wilhelm ihr ein oder zwei taugliche Gebäude zu Klöstern, auch so viele Kirchen zur Bezahlung gebe, wobei Horn besonders Doberan in Vorschlag bringen sollte.
1) Der Graf beantwortet in diesem Schreiben zunächst Friedrich Wilhelms Frage wegen des Abendmahls. Nach seinen Erkundigungen war es unwahrscheinlich, daß der Papst die gewünschte Erlaubniß geben werde, obgleich der päpstliche Stuhl das Recht dazu habe und von diesem Rechte bereits öfter Gebrauch gemacht habe. Dann ist von Witthum, Mitgift, Geschenken und sonstigen Kosten die Rede. Darauf fährt der Graf fort: "Vor Gott bezeuge ich, das dies werck zu Ew. Hochfürstl. Durchl. Ewigen und zeitlichen wolfahrt dienlich halte." "Denn so viel das ewige betrifft - ist in der katholischen Religion bessere aufsicht auf die gewissen als in der protestantischen." - "Was aber das zeitliche belanget, können Ew. Durchl. gn. erwegen, was vor grosse avantages auf dergleichen alliance zu hoffen, absonderlich dürften Ew. Durchl. sodan nicht fürchten, das Jemandt den diesem hoefe sich unterstehen dürffte Jhnen in billigen Dingen contrair zu sein, welches bey denen machinationen hochnötig, welche R. undt Landtschafft schon wieder Ew. Durchl. machen; undt durch dero Eigenes hochfürstl. Haus (Kark Leopold!) vielleicht ferner zu machen schon bemühet sein." Der Graf hoffte also auch für den schon seit Christian Louis' Zeit schwebenden Streit der Krone mit den Ständen Förderung der Interessen der Krone durch sein Eheprojekt.
2) Diese Bedingung so stark zu betonen, hatte Friedrich Wilhelm Grund genug. Trotz aller Verschwiegenheit waren doch Gerüchte in Umlauf gekommen von einem bereits erfolgten oder bevorstehenden Uebertritt des Herzogs und auch schon zur Zeit des Besuches seiner Mutter am schwedischen Hofe dorthin berichtet worden. sowohl der König wie die Königin=Mutter hatten ihr gegenüber davon gesprochen, und dabei war die Aeußerung gefallen, wenn Friedrich Wilhelm übertrete, so werde man ihm conjunctim mit den Andern alles wegnehmen; das möge sie ihm nur sagen. Sicherlich war diese Drohung ernst gemeint, und schon deshalb wird man es als ein Glück für Meklenburg ansehen müssen, daß es davor bewahrt geblieben ist, die (  ...  )
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schon an dieser Bedingung scheiterte der ganze Plan. Es war nicht nur das zaudernde, schnellen Entschlüssen durchaus abgeneigte, im Grunde auch friedliebende Naturell des Kaisers, das einem so durchgreifenden Auftreten entgegenstand, sondern auch die gesammte politische und finanzielle Lage des Wiener Hofes ließ es unthunlich erscheinen, daß man sich allzu tief für Schwerin engagiere. Die österreichischen Finanzen befanden sich in Folge der beiden eben überstandenen Kriege noch in stark angegriffenem Zustande. Dazu kam, daß die spanische Erbfolgefrage, die in jedem Augenblick zum Kriege führen konnte, für die Interessen des Habsburgischen Hauses unendlich wichtiger war, als der Streit um das norddeutsche Herzogthum. Graf Horn erhielt also, als er durch seinen Beichtvater, Pater Bischof, der zugleich der Beichtvater des Römischen Königs und sehr einflußreich in der Kaiserlichen Familie war, dem Kaiser die Werbung mit den Bedingungen des Herzogs vorlegen ließ, eine hinhaltende Antwort, und während er seine Bemühungen fortsetzte, erschien den 4. August 1 ) eine Anzahl kaiserlicher Reskripte über den Güstrowschen Streit, die doch wesentlich anders ausgefallen waren, als der Graf sie zu erreichen gehofft hatte. Ihr Inhalt war folgender:

In einem Schreiben an die Kommissionsmitglieder genehmigte der Kaiser in Kraft seines kaiserlichen Amtes den gemeinsamen Vorschlag von dem Grafen Eck, Wolfenbüttel und Eutin auf die Abtretung von so viel Land außer Ratzeburg, als zur Kompletirung der zwei Drittel nöthig sei. Man möge die beiden streitenden Theile zu diesem Vorschlag nachdrücklich anweisen und sich bemühen, Land und Leute herauszufinden, die nach Untersuchung des wahren Ertrages des Fürstenthums Ratzeburg zur Ergänzung der zwei Drittel noch etwa erforderlich wären, damit der Kaiser für den Fall, daß der eine oder der andere der streitenden Theile eine auf den eigensinnigen Prinzipiis der Minister gegründete Renitenz zeige, 2 ) nicht bemüßigt werde,


(  ...  ) Ursache und der Schauplatz eines neuen Religionskrieges zu werden, bei dem es auf jeden Fall, welche Partei auch siegen mochte, den allerschwersten Schaden leiden mußte.
1) Nach Graf Horn sind sie erst d. 14. August in Neustadt unterzeichnet, nachdem der Kaiser vorher Horn eine Audienz gewährt hatte. In den Tagen vorher wies Horn ein neues Anerbieten des Berliner Hofes zu vermitteln zurück.
2) Diese Wendung ist keineswegs bloß aus dem Streben entsprungen, die Herzöge selbst - aus Höflichkeit - möglichst außer Schuld zu stellen, sondern war besonders auf den Grafen Horn gemünzt, dem man öfter vorwarf, er bestehe weit eigensinniger und härter als sein Herr auf seinen Forderungen.
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solche Verordnung ergehen zu lassen, die zu Beibehaltung der Ruhe und des allerhöchsten Kaiserlichen Respekts gedeihlich sei, da der Kaiser nicht geschehen lassen könne, daß "sein in dem Werk so lange Zeit gebrauchter Glimpf und getragene reichsväterliche Vorsorge", und zumal auch der Kommission sehr große Bemühung fruchtlos bliebe. Die Fürsten möchten bei dem Kreisdirektorium nunmehr auf aue Weise anhalten, daß die Truppen ohne ferneren Anstand aus dem Güstrowschen abgeführt und dem Herzog zu Schwerin der Besitz und Genuß des Herzogthums frei und ledig überlassen werde. Die Zahlung von Geldern an Adolf Friedrich könne er auf keine Weise geschehen lassen.

Der König von Dänemark wurde durch ein besonderes Reskript auf das Schreiben an die übrigen Kommissionsmitglieder, das er in Kopie erhielt, verwiesen; der Kaiser zweifle nicht, daß er sich dem anschließen werde.

Herzog Friedrich Wilhelm wird ersucht, sich zu den zwei Dritteln zu überwinden. Seine Gründe gegen Abtretung von mehr Land außer Ratzeburg zerfielen dadurch, daß es nur ein geringes betreffe und alle Schwierigkeiten sich verhüten ließen, wenn die abzutretenden Landstücke von den Seinigen ganz getrennt würden. So daß keine Kommunion übrig bleibe.

Auf Adolf Friedrich wird ein scharfer Druck zu Gunsten des Kommissions=Vorschlages ausgeübt. Dieser sei für ihn billig und auch sehr vortheilhaft, da er ja ganz ungesichert sei, ob ihm durch einen gerichtlichen Spruch künftig so viel zu Theil werde. Seine Prätensionen, die ganzen 40000 Th. nur in Land und Leuten, und darunter Stadt und Amt Güstrow, zu erhalten. Seien ganz impracticable und wider alle Billigkeit, in der Erwägung, daß die Einkünfte des Herzogthums zu einem Drittel in dem Boizenburger Zoll beständen, weshalb der Kaiser nicht begreife, aus welchen Ursachen der Herzog sich ferner bedenken könne, diesen Vorschlag anzunehmen. Er habe ihn deshalb selbst genehmigt und ermahne den Herzog wohlmeinentlich und ernstlich, er möge seine Prätensionen gänzlich fallen lassen und den Vorschlag ohne ferneren Verzug annehmen. Der Kaiser werde diese Sache ein für alle Mal nicht mehr länger in dem verwirrten Zustande lassen, sondern auf unvermutheten widrigen Fall seine endliche und ernstliche Verordnung ergehen lassen.

Auch den Kreisdirektoren ward die kaiserliche Entscheidung mitgetheilt und dabei die Hoffnung ausgedrückt, daß sie Strelitz nachdrücklich zusprechen und eventuell Friedrich Wilhelm in den Besitz von Güstrow treten lassen möchten.

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Damit war ein etwaiges bewaffnetes Einschreiten des Wiener Hofes in unbestimmte Ferne gerückt und die Weiterführung der Verhandlungen wegen Güstrow, dem Wunsche des Grafen entgegen, wieder vor die Kommission nach Hamburg gewiesen.

Als gewandter Diplomat fand sich Graf Horn bald in die neue Lage, auch in der Fassung, die sie erhalten hatten, schienen ihm die kaiserlichen Reskripte einen gangbaren Weg zu bieten, den Güstrowschen Streit schnell zu Ende zu bringen, 1 ) wenn


1) Das Eheprojekt hatte er schon bei seiner Anwesenheit in Wien im J. 1700 von dem Güstrower Streit zu trennen gesucht, indem er die Verbindung mit einer der Erzherzoginnen, auch wenn Güstrow dadurch nicht zu erhalten sei, als die "glückselichste undt nützlichste" pries, die Friedrich Wilhelm eingehen könne (so in s. Rel. o. 9. August, und ähnlich öfter). Doch blieb die ganze Sache nach Horns Abreise aus Wien Anfang September 1700 ruhen, bis er selbst sie bei einer neuen Anwesenheit in Wien im Oktober 1701 wieder aufnahm. Es fand sich, daß Pater Bischof seit Ende 1700 krank gewesen war und den Kaiser nicht hatte sprechen können. Ende Nov. fand dann ein Gespräch des Paters mit dem Kaiser statt, in dem der Kaiser sich entschuldigte, er habe bisher mit den negotiis, die die spanische Succession beträfen, so viel zu thun gehabt, daß er auf die Vermählung mit Herzog Friedrich Wilhelm "eine vollenkommen seriöse reflexion nicht habe machen können," und eine Antwort binnen 14 Tagen in Aussicht stellte. Graf Horn meldet dies den 30. Nov., nachdem Friedrich Wilhelm ihm den 15. Nov. geschrieben, es scheine dem Kaiser nicht ernst Horn möge sich in der Sache nichts weiter merken lassen, läßt sich aber auch durch diese Weisung nicht abschrecken, in derselben Relation alle seine Ueberredungskunst aufzubieten, um den Herzog zur Fortsetzung der Verhandlungen zu bewegen. Wenn Er seine Intention ändere, so versäume Er "sein ewiges Heil undt die herliche gelegenbeit, wodurch der gütige Gott ihn dazu habe ziehen wollen." "Er beraube sich der glorie, daß Er eines so frommen undt tuegendthaften kaysers Tochter heyrahte, daß er, wie auch der gleich fals so frommen undt tuegendhaften kayserin segen nach Gottes ohnfehlbarer verheißung noch lange auf seine kinder undt nachkommen haften" müsse. Die Vortheile der Verbindung mit dem Kaiserhause für den Herzog wie seine etwaigen Nachkommen werden in den verlockendsten Farben gemalt, die Erzherzogin auch hier wieder als eine Fürstin gepriesen, welche "in Tuegendt, in schöner Gestalt, in annehmlichkeit undt in vollenkommenheit keine in der welt übertrifft noch übertreffen kan." Der Graf mahnt dann, wenn Friedrich Wilhelm zurückziehen wolle, so müsse es in vorsichtiger Form geschehen, um den Kaiser nicht zu erzürnen, und führt schließlich noch eine Anzahl Gründe an, die für die Ehe sprechen, darunter folgende: "das keine grössere zeitliche undt ewige gnade Gottes ist als das heil der Seele undt auf dieser Welt eine glückseelige vergnügte ehe; über welche Ew. hochf. Durchl. niemalen eine glückseligere als diese treffen werden, wegen der Gottesfurcht undt Tuegende der Princessin, undt wegen der katholischen Religion," und "das Ew. hochfürstl. Durchl, in gewissen verbunden sein, dero eigene, undt dero hochfürstl. familie glorie undt hochergehen durch rechtmessige mittel immer mehr undt mehr (  ...  )
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man sich dem durch sie genehmigten Vorschläge anschloß. Eben dies, Unterwerfung unter die kaiserliche Entscheidung für den Fall, daß die Kreisdirektoren ihre Truppen aus dem Güstrowschen herauszögen, rieth Graf Horn noch dem Herzog von Wien aus (d. 18. August), sobald er ungefähr Kenntniß von dem Inhalt der Reskripte erhalten hatte, und eilte dann wieder nach Schwerin.

Die abschließenden Verhandlungen.

Die Kommission ward vom Grafen Eck durch Schreiben vom 8. September auf den 9. oder 13. Oktober wieder berufen, um "den letzten, Gott gebe glücklichen Versuch zu thun".


(  ...  ) in flor undt aufnähme zu bringen: wozue sie durch diese heyraht eine erwünschte gelegenheit erlangen." Die Antwort des Kaisers erfolgte den 14. Dez. (an den Pater) und war wiederum dilatorisch; der sehr gewissenhaft denkende Mann hatte, wie er selber sagte, daran Anstoß genommen, daß Friedrich Wilhelm die katholische Religion nur annehmen wolle, wenn die Heirath vor sich gehe, was den Schein habe, daß nicht die Religion, sondern die Heirath sein hauptsächliches Absehen sei. In demselben Gespräche erklärte er übrigens, er begehre nicht, daß Friedrich Wilhelm sich gebunden halten solle, wodurch die Besorgniß Horns beseitigt ward, daß der Kaiser durch Abbruch der Verhandlungen beleidigt werden könne. Horn wußte sie noch eine Weile in Gang zu halten, und es kam sogar zu Berathungen mit den Grafen Kaunitz und Oettingen über die Ehepakten. Friedrich Wilhelm aber trat einen Schritt zurück, indem er in eine Instruktion vom 9. Dez. 1702 (§ 9) den Passus setzte, "zur annehmung der katholischen Religion für seine persohn könne er sich noch zur Zeit nicht pure erklähren." Er versprach allerdings noch, daß, wenn seine Ehe mit Kindern gesegnet sein werde, sie alle katholisch erzogen werden sollten, aber damit war man in Wien nicht zufrieden. In einem Entwurf der Ehepakten, den Graf Kaunitz den 11. Juli 1702 dem Grafen Horn in die Feder diktierte, heißt es § 9; "Die annehmung der catholischen Religion ist Conditio sine qua non." Noch einmal nahm Horn Ende 1702, als er wieder in Wien war. Seinen alten Plan wieder auf, mußte aber selbst d. 7. Jan. 1703 zugeben: "Die Hoffnung scheint mehr ab= als zuzunehmen." Der Kaiser stieß sich besonders daran, daß Friedrich Wilhelm sich zum Uebertritt noch nicht entschließen wolle, dies sei sein hauptsächlichstes Motiv gewesen, warum er sich so weit in die Sache eingelassen habe. Die Relation, in der Horn dies berichtet, ist das letzte Aktenstück des betr. Aktenfascikels (in den Acta Matrimonialia Friedrich Wilhelms). Eine Antwort, die der Kaiser durch Graf Kaunitz geben zu wollen versprochen hatte. Scheint nicht erfolgt zu sein. Von beiden Seiten gab man das Projekt endgültig auf. Ein halbes Jahr später ward Generalleutnant v. Schwerin nach Kassel gesandt, um dort Verhandlungen wegen Vermählung Friedrich Wilhelms mit der Prinzessin Sophie Charlotte anzuknüpfen, die zur ehelichen Verbindung beider führten.
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Friedrich Wilhelm sagte den 17. September das Wiedererscheinen seiner Räthe zu. Auch Adolf Friedrich erklärte sich den 18. September bereit, die Kommission wieder zu beschicken, setzte aber hinzu, wenn seine Forderungen vom 8. Juni nicht zur Grundlage genommen würden, so sehe er nicht, welchen Nutzen die Verhandlungen noch weiter haben könnten. Zu gleicher Zeit ließ er unter dem Beistand des Berliner Hofes, der sich seiner hierin annahm, bei Schweden und Celle um Weiterbewilligung der 30000 Th. nachsuchen und wandte sich kurz vor dem Beginn der Kommissionssitzungen d. 9. Oktober abermals an den Kaiser in Erwiderung des Reskriptes vom 4. August. Er führt die Entscheidung des Kaisers auf "ungleichen Bericht" zurück, wiederholt seine Bitte, daß sein Ultimatum zur Grundlage der Verhandlungen gemacht werde, und fügt die neue hinzu, daß andernfalls die Entscheidung neben der Kommission dem Kreisdirektorium übertragen und inzwischen die Zahlung der Gelder nicht verhindert werde.

Die Kommission trat also wieder zusammen, auch Dänemark, obwohl mit dem Vorgehen des Kaisers nicht einverstanden, 1 ) schied doch deswegen nicht aus, ließ aber noch vor dem Beginn der Verhandlungen bei Eutin und Wolfenbüttel erinnern, daß es die Forderung Adolf Friedrichs (Güstrow) billig finde. Zu den Verhandlungen kam den 12. Oktober neben Vermehren und Taddel auch Graf Horn nach Hamburg hinüber, wo man Petkum schon vorfand.

Bei den Besuchen und Vorbesprechungen war bereits davon die Rede, welche Aemter etwa Friedrich Wilhelm zu Ratzeburg am füglichsten zulegen könne. Probst machte eine Andeutung auf Gadebusch: in diesem Amte lagen die Güter des Grafen Bernstorff und des Herrn v. Fabricius, die beide wohl Adolf Friedrichs Regiment dem schärferen Schweriner vorzogen. Auch


1) Der König von Dänemark beantwortete das Reskript vom 4. August den 11. September, nachdem der Krieg mit Schweden d. 18. August durch den Frieden zu Travendal vorläufig beendet war: Er hoffe, daß des Kaisers Meinung nicht sei, die Handlung abzubrechen, wenn sich unübersteigliche Schwierigkeiten gegen den Vergleich auf dem Fuß des Kaiserl. Reskriptes erhöben. Sondern vielmehr beiden Parteien weiter zuzusprechen und so "dato et retento" den Vergleich zu vermitteln. Der Kaiser antwortete d. 22. Oktober, er finde keine Ursache, von seiner Resolution abzuweichen und ersucht um Mitwirkung zu ihrer Ausführung, "inmaßen Wir schon bedacht sein, Unß auch die Mittel nicht ermangeln würden, die von Ew. Lbd. gemeldete insuperable difficultäten zu überwinden"; wieder recht stolze Worte, aber welches waren diese Mittel?
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von Mirow war die Rede, was aber Friedrich Wilhelm nicht gern in Vorschlag kommen lassen wollte, da es für Karl Leopold eine gute Apanage abgeben werde, sondern lieber Zarrenthin oder Rhena.

Die erste Sitzung der neuen Tagung fand d. 16. Oktober statt. Die Schweriner Deputirten gaben hier die Erklärung ab, daß Friedrich Wilhelm sich dahin überwunden, auf das kaiserliche Reskript vom 4. August einzugehen, mit dem Vorbehalte, daß Adolf Friedrich es ebenfalls sogleich thue und das Kreisdirektorium seine Truppen auch wirklich aus dem Güstrowschen zurückziehe oder, falls Adolf Friedrich sich nicht sofort erkläre, nichts desto weniger der Besitz von Güstrow Friedrich Wilhelm frei und ledig überlassen werde.

Die Strelitzer Erklärung, die nach der Schweriner abgegeben ward, lautete dahin: Weil Adolf Friedrich in seinem Gewissen überzeugt sei, daß das Herzogthum Güstrow auf ihn und seine männlichen Nachkommen verstammt sei, könne er es nicht verantworten, sich desfalls in ein ihm fremdes Stück Landes einweisen und aus dem Seinigen entsetzen zu lassen. Er hege zu Kaiserl. Maj. das Vertrauen, daß sie sich zu milderen Gedanken entschließen werde.

Von den Mitgliedern der Kommission stellte sich der dänische Bevollmächtigte, laut seiner Instruktion, offen auf die Seite von Strelitz, die andern drei blieben unter sich einig, hielten an der Verordnung vom 4. August fest und redeten in den nächsten Tagen Petkum mehrfach eifrig zu, seine Forderungen herabzustimmen. Da er nicht nachgab, so blieb nichts übrig, als die Verhandlungen - sogleich nach diesem neuen Beginn - wieder auszusetzen und an den Kaiser zu berichten. Die Absendung des Berichtes ward indessen noch einige Tage aufgehalten durch das Eintreffen des brandenburgischen Antwortschreibens auf das Reskript vom 4. August, das zu allerlei Erwägungen Anlaß gab.

Es hieß darin, der Kurfürst sehe die Differenzen je eher je lieber aufgehoben und wolle sich bemühen, daß Adolf Friedrich sich zur Einwilligung in die zwei Drittel an Land und Leuten entschließe. Freilich sei zu bezweifeln, ob Ratzeburg dazu ausreichend sei, man müsse aber hoffen, daß so viel zugelegt werde, damit die zwei Drittel Landes sich fänden. Wegen Abführung der Truppen lasse er mit den Kondirektoren verhandeln und sei versichert, daß sie nicht weniger wie er selbst der Intention des Kaisers gerne sowohl in diesem wie in dem andern Punkt

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wegen der von Strelitz abermals verlangten Beihülfe aus dem Güstrowschen, so viel möglich, beitreten würden, wiewohl Adolf Friedrich fast kläglich vorstelle, wie unglücklich er sei, daß ihm dergestalt die zu seinem nothdürftigsten Unterhalte und zur Hinausführung der Sache unumgänglich erforderlichen Mittel auf einmal abgeschnitten würden.

Das Reskript ward in Wien als ein Schritt zum Entgegenkommen von Seiten Brandenburgs aufgefaßt, es schien die Aussicht zu eröffnen, daß Brandenburg sich von den beiden Mitdirektoren eventuell, wenn diese noch weiter Schwierigkeiten machten die Truppen zurückzuziehen, trennen und seine Truppen auf eigene Hand zurückziehen werde. Im Hintergrunde stand dann die Hoffnung, daß vielleicht Brandenburg sich bewegen lassen werde, für den Kaiser und in seinem Namen zu Gunsten Friedrich Wilhelms einzuschreiten. 1 )

Graf Horn war weniger mit der brandenburgischen Antwort zufrieden und hatte sehr recht damit, wenn er von Brandenburg nicht allzu viel Gutes für Schwerin erwartete. Sein Mißtrauen fand schnelle Bestätigung, denn wenn sich auch Brandenburg in Bezug auf Adolf Friedrichs Forderung der Stadt und des Amtes Güstrow jetzt entschieden auf die Seite Schwerins stellte, so fing doch der Gesandte in Hamburg - jetzt nicht mehr v. Busch, sondern v. Guericke - in eben diesen Tagen, wenn auch nach seiner Aussage nur von sich aus, darüber an zu sondiren, ob Friedrich Wilhelm nicht zu Ratzeburg auch den Stargardischen Distrikt geben würde. 2 )


1) In eben diese Zeit fallen die letzten Verhandlungen zwischen Brandenburg und dem Kaiserhof über die Königskrone. Der Traktat kam d. 16. Nov. zum Abschluß. Darin stand ein Artikel (art. separat. 4), daß der Churfürst verspreche, den Mitdirektoren die Deklaration zu thun, daß er sich den kaiserlichen Reskripten konformire und seine im Meklenburgischen stehenden Truppen abführen lassen wolle, und bei den Mitdirektoren wie den streitenden Theilen alle nachdrücklichen officia anzuwenden, daß auch sie sich damit konformirten. Trotz dieses Versprechens hat Brandenburg es vermieden, sich von den Mitdirektoren zu trennen.
2) Die erste Instruktion des neuen Brandenburgischen Bevollmächtigten, des Magdeburger Regierungsrathes Leberecht v. Guericke, ist datirt v. 27. Sept. 1700. Sein Vorgänger, Herr v. Busch, wird darin beschuldigt, daß er zu sehr "vor die Partey von Schwerin portirt" gewesen sei. Guericke solle sich ganz unparteiisch halten und so, daß Brandenburg ebensowenig beim Kaiser als beim dänischen Hof anstoße, da der Kurfürst "aus allerhand wichtigen considerationen" diese beiden Höfe gern zufrieden stellen oder wenigstens ihnen keine Ursache mit Fug (  ...  )
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Den 25. Oktober ging die Relation der Kommission durch einen Schwerinischen Kourier ab. Bis zum Eintreffen der Antwort blieb man auf Betrieb der Schweriner in Hamburg zusammen, nur daß Graf Horn schon den 25. wieder nach Schwerin reiste.

Die Zeit verging mit Versuchen, Petkum nachgiebiger zu stimmen, auch hatte man den Eindruck, als wenn er persönlich, ähnlich wie früher Gutzmer, nicht abgeneigt sei, die Forderung von Güstrow, das Haupthinderniß der Einigung, fallen zu lassen, allein er äußerte Starke Zweifel, ob Adolf Friedrich zum Nachgeben zu bewegen sein werde. 1 ) Den 28. ward eine Kommissions=


(  ...  ) über ihn in der Sache zu klagen geben wolle. Guericke solle versuchen, ob mit dem dänischen Vorschlag - er war in einem Schreiben vom 18. September von dem Könige dem Kurfürsten mitgetheilt -, der ihm "nicht übel stehe", auszukommen sei. Diese Instruktion, daß er den dänischen Vorschlag, also die Abtretung des Amtes Güstrow an Adolf Friedrich, unterstützen solle, verschwieg Guericke, wie er den 12. Oktober berichtet, dem Grafen Horn aus Rücksicht auf den Kaiser und Friedrich Wilhelm. Man billigte dies in Berlin und wies ihn den 26. Oktober an, jetzt von der Abtretung von Güstrow gänzlich zu abstrahiren und die Sache so zu leiten, daß Graf Eck zufriedengestellt werde, dabei aber sich nicht gänzlich auf die Seite von Schwerin zu werfen, daß der dänische Hof dadurch verstimmt werde. In derselben Instruktion spricht sich der Kurfürst über seine Stellung zu Friedrich Wilhelm und zu der Rechtsfrage des Streites aus: Er habe vor einigen Jahren Friedrich Wilhelm Assistenz versprochen, aber doch nur insoweit, als er dessen Ansprüche im Recht und in der Billigkeit gegründet finde, und da könne er nicht leugnen, daß, nachdem er von einigen unparteiischen, gelehrten und gewissenhaften Juristen sich über die Sache habe belehren lassen, er des Herzogs von Strelitz Jura weit besser fundirt gesunden habe als die des Herzogs von Schwerin; überdem habe auch der Herzog von Schwerin dem Vergleich in verschiedenen "gahr essentiellen passibus" zuwider gehandelt. Der Kurfürst wolle trotzdem bei seiner dem Kaiser gegebenen Erklärung (in dem Antwortschreiben auf das Reskript vom 4. August) bleiben, könne aber doch auch den Herzog von Strelitz nicht zwingen, die Schweriner Anerbietungen wider seinen Willen anzunehmen. - Die hierin erwähnte rechtliche Belehrung ist ein Aktenstück, datirt vom 20. August, das in Kopie ohne Unterschrift den mir übersandten Akten beilag, und das sich in der Rechtsfrage vollständig auf Seite Adolf Friedrichs stellt. (Aus den Berliner Akten.)
1) Den 26. Oktober übersandte Guericke nach Berlin ein Schreiben der Herzogin von Strelitz v. 21. Sept., die damals schon schwer krank war, worin die Herzogin die Kreisdirektoren ersucht, die Kuratel ihrer Kinder neben ihrem Gemahl mit zu übernehmen und diesem zum völligen und ungeschmälerten Besitz von Güstrow zu verhelfen. Zugleich berichtete Guericke über eine hierauf bezügliche Unterredung mit Petkum. Dieser hatte erzählt, Adolf Friedrich habe den Kaiser gebeten, die Entscheidung über die Erbfolge den Kreisdirektoren mit aufzutragen. Nach (  ...  )
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Sitzung gehalten, worin Petkum sich verpflichtete, seinem Herrn die Forderung der Kommission, er möge seinen Anspruch auf Stadt, Amt und Votum von Güstrow fallen lassen, zu übermitteln.

Den Schweriner Räthen andererseits ward aus ihrem Verkehr mit den Kreisministern und den Kommissionsmitgliedern immer klarer, daß sich zwischen diesen mehr und mehr ein Einverständniß herstellte darüber, daß die Ergänzung der zwei Drittel an Land und Leuten aus dem Stargardischen zu entnehmen sei, besonders schien man Stadt und Amt Stargard selbst ins Auge gefaßt zu haben, was für die Schweriner recht empfindlich war wegen der großen Ausdehnung dieses Amtes und des zahlreichen darin ansässigen Adels. Den 15. November 1 ) langten als kaiserliche Antwort auf den letzten Kommissionsbericht sechs kaiserliche Reskripte an, vom 4. November datirt. Drei davon waren an die Kreisdirektoren adressirt, die an Schweden und Lüneburg waren gleichlautend, während Brandenburg ein besonderes erhielt. Man las nämlich aus dem Schreiben des Kurfürsten heraus, daß er sich der Intention des Kaisers auch in Betreff der Kreistruppen anschließe und eventuell auch ohne die Zustimmung der Mitdirektoren seine Truppen aus dem Güstrowschen zurückzuziehen bereit sei, wie denn auch in der That wenige Tage später in dem am 16. November abgeschlossenen Traktat mit dem Kaiser Branden=


(  ...  ) Petkums Ansicht vertrug sich hiermit das Gesuch der Herzogin nicht, da die Direktoren nicht zugleich Richter und des Prinzen Kuratoren sein könnten. Er hatte deshalb Guericke gebeten, das Gesuch der Herzogin vorläufig zu menagiren. Petkum hatte dabei gestanden, daß es, falls der Kaiser der Bitte Adolf Friedrichs "und dem bekannten alten Fürstenrecht" nicht solle stattgeben wollen, bei Frankreich durch die Vermittelung von Dänemark schon dahin incaminirt sei, daß Frankreich auch über dieses den deutschen Fürsten zukommende Recht die Garantie leisten werde. In seiner Antwort auf diesen Bericht, dat. vom 5. Nov., mißbilligt der Berliner Hof dieses Hineinziehen Frankreichs in die Sache auf das Entschiedenste, weil dadurch in Wien alles verdorben und auch das Kreisdirektorium, das sich bisher Adolf Friedrichs so treulich angenommen, disgustirt werde. Strelitz gab darauf diese Verhandlungen mit Frankreich auf. (Aus d. Berl. Akten.)
1) Den 13. Nov. kamen zwei Reskripte an Eck und Adolf Friedrich, die eine Antwort waren auf Ecks Spezialbericht vom 16. Oktober. Eck erhielt Befehl, den Kreisministern zuzusprechen, daß auf fernere Renitenz von Strelitz doch die Kreisvölker aus dem Güstrowschen abgeführt werden möchten. Adolf Friedrich ward nochmals ernstlich zur Annahme der Verordnung vom 4. August ermahnt; eine Cession seiner Ansprüche an einen Mächtigeren - womit Petkum gedroht hatte - werde der Kaiser für null und unkräftig erklären.
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burg ein solches Versprechen gegeben hat. Der Kaiser giebt also dem Kurfürsten sein gnädiges Gefallen darüber zu erkennen und verspricht, daß Strelitz, wenn Ratzeburg so viel nicht austrage, mit andern Landstücken Satisfaktion erhalten solle.

Schweden und Celle werden benachrichtigt, daß Friedrich Wilhelm den Kommissionsvorschlag angenommen; Adolf Friedrich habe keine befugte Ursache, sich ihm zu widersetzen, auch könne der Kaiser das Werk nicht länger in diesem Zustand lassen, sondern werde gemüßigt werden, andere reichskonstitutionsmäßige Mittel vorzukehren. Beide Fürsten erhalten die dringende Aufforderung, die Truppen abzuführen, der Kurfürst von Brandenburg habe sich bereits dazu willig erklärt.

Adolf Friedrich ward auf seine Schreiben vom 8. Juni und 9. Oktober abschlägig beschieden: der Kaiser finde keinen Anlaß, von den Reskripten des 4. August abzugehen.

Das fünfte und sechste Schreiben galten der Kommission, die aufgefordert ward, die Traktaten nunmehr zu Ende zu bringen, und dem Grafen Eck.

Einige Tage vergingen unter fruchtlosen Verhandlungen mit Petkum, der noch eine neue entscheidende Instruktion erwartete. Endlich, den 22. November, legte er diese der Kommission vor. Adolf Friedrich zog darin seine Forderung von Stadt und Amt Güstrow mit dem Votum zurück und erklärte sich - "mit großer Ueberwindung", wie man ihm glauben darf - bereit, das ,"so gar schlechte Fürstenthum Ratzeburg pro fundamento zu setzen, knüpfte aber diese Zustimmung an eine ganze Reihe von Bedingungen, die zuvor festzusetzen seien: 1. Es solle zu Ratzeburg der ganze Stargardische Kreis, der jetzt nur 9024 Rth. freie Revenüen eintrage, nebst der darin belegenen Komthurei Mirow ohne weiteres Rechnen an Stelle der zwei Drittel cum omni jure gelegt werden. Zur Begründung dieser Forderung wird darauf hingewiesen, daß durch die Sequestrationsverwaltung mehrere Tonnen Goldes von den Schulden des Herzogthums Güstrow bereits abgetragen seien, daß also die Einkünfte Friedrich Wilhelms höher sein würden, als früher berechnet sei; ferner wird auf die Vermählung der Prinzessin Sophie von Güstrow 1 ) hingewiesen, durch welche Friedrich Wilhelm der Verpflichtung, ihr eine


1) Sie heirathete den 6. Dez. 1700 den Herzog Christian Ulrich zu Württemberg=Oels.
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Apanage zu zahlen, ledig werde, was ebenfalls seine finanzielle Lage verbessere.

2. Das übrige Drittel solle aus dem Boizenburger Zoll gezahlt werden, gleichfalls cum omni jure.

3. Zur Erbauung einer Residenz seien sogleich 50000 Th. baar auszuzahlen.

4. Die 40000 Th. seien noch für das laufende Jahr aus der Sequesterkasse zu zahlen.

5. Ebenso auch, was seiner Gemahlin an Dotal= und andern Geldern noch restire nebst den rückständigen Zinsen.

6. Von Friedrich Wilhelm seien die durch den Lübecker Vergleich Adolf Friedrich zugesprochenen 3000 Th. jährlicher Revenüen anderweitig anzuweisen.

7. Auch die andern rückständigen Gelder (d. s. die alten Grabowischen Forderungen) seien mit allen Zinsen zu zahlen.

8. Stadt und Amt Güstrow sei der Herzogin=Wittwe auf Lebenszeit als Witthumssitz zu lassen.

Das Aktenstück schloß mit der förmlichen und von Adolf Friedrich ohne Zweifel sehr ernst gemeinten Versicherung, daß, gleichwie er sich lediglich aus Respekt vor dem Kaiser und ihm zu Ehren, wie wohl mit "innerster Desolation und Betrübniß", zum Eingehen auf diese Bedingungen erkläre, also auch keine Extremität groß genug sein werde, die ihn und die Seinigen zur Annahme eines anderweitigen Stückes zu dem Fürstenthum Ratzeburg nöthigen könne.

Nach dem Eindruck der Schweriner Räthe war die Kommission mit dieser Erklärung nicht zufrieden und teilte die Meinung der Schweriner, daß auf diese Weise die Sache noch nicht zu heben sei, allein, wenn dieser Eindruck nicht überhaupt eine Täuschung war. So mochten doch die Subdelegirten der Kommission hinter den Worten Adolf Friedrichs allzu deutlich den bitteren, entschlossenen Ernst spüren, um nicht den Versuch zu machen, ob man nicht Schwerin zu weiteren Zugeständnissen in der Richtung der Strelitzer Erklärung bringen könne.

Sie fingen also sogleich an, den Schweriner Deputirten zuzureden, sie möchten ihrem Herrn rathen, sich noch ferner zu überwinden und wenn nicht in Allem, was sie nicht verlangten, so doch noch in Einigem nachzugeben. Die Schweriner wiesen dies zunächst ab und bestanden darauf, daß Strelitz vor der weiteren Verhandlung über Ergänzung der zwei Drittel sich bestimmt und uneingeschränkt zur Annahme von Ratzeburg mit

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Votum bereit erkläre, allein auf hartes Zureden der Kommission sandten sie ein Referat nach Schwerin zur Einholung weiterer Instruktion und baten, daß Graf Horn mit Voltmacht wieder nach Hamburg gesandt werde. Das Referat ging den 23. November ab; an demselben Tage schrieb Graf Eck einen Brief nach Schwerin, 1 ) der die allgemeine politische Lage wie auch die schlechten Aussichten für Schwerin in kurzen Strichen treffend kennzeichnet: "Horn ist jezo Noth, aut nunquam, denn die Sachen müßen nun zu ende gehen, es gehe wie es wohl (verschrieben für wolle) zu frid oder ruptur. Die Zeitten wollen vor Deutschlandt schlimmer werden, man sehe, daß man nun zu dem seinigen komme, damit mans in gutten Zeitten, welche ob gott will folgen werden, genießen kan." Der brandenburgische Minister habe "absolute" erklärt, daß er ohne den Stargardischen Kreis in nichts willigen werde, Schweden sei gleicher Meinung, 2 ) Celle, in so weit indifferent. Schließe sich doch den beiden an. "Getraut man sich nun diese zwei zu superiren, wohl und gutt, wo nicht, muß man sein Seel in gedult faßen." "Der Kaiser=Hoff, wird ohne dem genug embarassirt seyn, 3 ) also von selbigem dato wenig hilff zu gewarten."

Graf Horn befand sich gerade mit General Geschwind, dem kaiserlichen Kommissar zur Schlichtung des Streites zwischen der Krone und den Ständen wegen der Fortifikationssteuer, in Rostock, als diese Hiobsposten in Schwerin einliefen. Der Herzog sandte ihm Ordre, sobald wie möglich nach Schwerin zurückzukommen, um von dort wieder nach Hamburg zu gehen. Einstweilen erhielten die dortigen Räthe Befehl, zu remonstriren, daß Friedrich Wilhelm sich nimmer zur Abtretung des ganzen Stargardischen Distriktes entschließen werde. Sie hatten aber damit wenig Glück, man hielt ihnen entgegen, der Kreis wolle es so haben, und sei sonst kein Auskommen.


1) Der Adressat ist nicht genannt, wird aber mit Baron angeredet; es wird v. Löwen sein.
2) Es ist eine Ironie der Geschichte, daß diese für Schwerin recht drückende Bedingung ihm gerade von den beiden Mächten aufoktroyirt ward, deren Beistand es damals am meisten sicher zu sein glauben mußte. Weder ließ sich Schweden durch den Allianzvertrag, noch Brandenburg durch die Klausel in dem Wiener Vertrage hindern, um Meklenburg=Schwerin nicht bedrohlich stark werden zu lassen, Strelitz möglichst günstige Bedingungen zu verschaffen.
3) Den 15. Nov. hatte Eck schlechte Nachricht über das Befinden des Königs von Spanien Karl II. erhalten. Er äußerte sich sehr bekümmert darüber, denn wenn sie sich bestätigten. So werde es den Kaiserhof sehr behindern, mit Nachdruck für Friedrich Wilhelm zu arbeiten. König Karl war in der That schon den 1. November gestorben.
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Auch Graf Eck schloß sich unter vielen Versicherungen, an deren Aufrichtigkeit nicht zu zweifeln ist, daß er gerne für die Schweriner günstigere Bedingungen erwirkt hätte, dem allgemeinen Konzerte an; in einer Unterhaltung mit den Schwerinern, über welche diese den 30. November berichten, beklagt er lebhaft, daß der Kaiser wegen der spanischen Erbfolge nicht im Stande sei, mit gehörigem Nachdruck in der Sache zu verfahren, er brauchte dabei den unumwundenen Ausdruck: Wie s. Durchl. "auf honteuse Manier" depossedirt sei, so bleibe auch nichts übrig, als auf "honteuse Conditiones" wiederum ins Güstrowsche zu kommen. Die Räthe setzen ihrem Bericht über diese Aeußerung die bezeichnenden Worte hinzu: "Gewißlich, Wir haben solchen kläglichen außspruch von einem Kayserlichen Ministro nicht ohne sonderliche gemüthsbewegung anhören können." In der That kann man die Leistungsunfähigkeit der damaligen Kaisermacht kaum drastischer aussprechen. 1 )

Den 30. November Nachmittags kam Graf Horn in Hamburg an mit einer Instruktion, die ihm Vollmacht ertheilte, die Einkünfte des Fürstenthums Ratzeburg, wenn es nicht höher könne ausgebracht werden, zu 19000 Rth. anzusetzen und den Rest der zwei Drittel, wenn es nicht anders sein könne, auf die Aemter des Stargardischen Kreises anzuweisen, doch ohne Adel und Städte und ohne Territorialhoheit; dabei könne er jedoch "simuliren", daß man lieber geneigt wäre, die Aemter Mirow und Rehna oder Rehna und Zarrentin abzutreten.

Den 1. Dezember trat er mit der Kommission in Konferenzen ein, doch privatim und ohne Verbindlichkeit. Er bot für Ratzeburg Rehna und Zarrentin an, und zwar diese beiden sogleich mit der Landeshoheit, daneben auch Mirow, doch ohne Landeshoheit, erhielt aber die Erwiderung, Strelitz bestehe auf dem Stargarder Distrikt. Horn wünschte, daß die Kommission erst sondire, ob Strelitz mit obigem zufrieden sei, andernfalls werde Friedrich Wilhelm die Aemter Stargard und Broda nach ihrem jetzigen wahren Ertrag, doch ohne Landeshoheit und ohne Adel und Städte geben. Er machte indessen die Beobachtung, daß die Kommission außer Eck darauf abziele, daß Alles, was abgetreten werde, mit der Landeshoheit gegeben werde, und ferner,


1) Einige Tage später berichtete Eck offen nach Wien: Er habe den Schwerinern vorgestellt, daß der Kaiser nicht in der Lage sei, ihnen zu helfen, und daß unter diesen Umständen neue kaiserliche Reskripte ebenso wenig fruchten würden wie die früheren. Mit welchen Gefühlen mag Kaiser Leopold diese Worte gelesen haben?
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daß man es auf den ganzen Stargardischen Distrikt abgesehen habe; der dänische Delegirte verlangte auch Mirow, wovon aber die andern absahen.

In Erkenntniß dieser Sachlage ließ er sich dann schon den 2. Dezember in tiefstem Vertrauen gegenüber Eck, Probst und John dahin aus, daß er Friedrich Wilhelm dazu disponiren wolle, die Domänen des Stargardischen Distriktes mit der Landeshoheit Adolf Friedrich zu überlassen, doch ohne Adel und Städte. Ja, als man ihn fragte, ob Friedrich Wilhelm nicht zu disponiren sein möchte, die Städte Strelitz, Stargard und Wesenberg, welche so nahe bei den Amtshäusern lägen, was leicht zu Kollisionen Veranlassung geben könne, ebenfalls an Strelitz zu überlassen, antwortete er: Wenn es darauf ankomme, glaube er nicht, daß Hochf. Dchl. den Vergleich werde zerfallen lassen.

Er selbst berichtete dies noch am 2. Dezember und äußerte zugleich die Ansicht, Friedrich Wilhelm könne bewilligen, was er, Horn, in Aussicht gestellt. Was aber den Adel und die übrigen Städte außer den drei genannten betreffe, so könne er nicht anders sagen, als daß der Herzog sie ohne seinen unüberwindlichen Schaden nicht abtreten könne, es sei denn, daß er sie darum opfern wolle, damit er einmal zu Ruhe und Friede und aus dieser so große Spesen erfordernden, auch so viele heimliche Intriguen in sich haltenden Sache kommen möge. Es war eine Form des Abrathens, die dem Gegentheil recht ähnlich sah.

Im Schweriner Ministerrath 1 ) hatte man an Horns Verfahren Manches auszusetzen. Man war zwar mit der Ansetzung der Einkünfte von Ratzeburg auf 19-20000 Th. einverstanden, billigte auch die Abtretung von Rehna und Zarrentin mit der Landeshoheit, nicht aber, daß Horn sich sogleich zu Beginn der Verhandlungen dazu verstanden; er sei damit zu geschwind vorgegangen, ebenso mit der Abtretung von Stargard. In diesem Sinne ward ein Reskript abgefaßt, das den 5. Dezember an den Grafen abging. Darin ward außer Ratzeburg noch einmal Rehna und Zarrentin mit Landeshoheit angeboten, die Abtretung der Domänen des ganzen Stargardischen Kreises abgelehnt, aber die Geneigtheit des Herzogs ausgesprochen, eventuell die Aemter Stargard und Broda und die Stadt Stargard, ohne die übrigen Städte und den Adel und ohne Landeshoheit, abzugeben; wenn sich an der Landeshoheit dieser beiden Aemter der Vergleich allein


1) Die Sitzung fand d. 4. Dez. statt, Löwen, Koppelow und Beselin nahmen daran Theil.
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stoßen sollte, so werde der Herzog sich nach fernerer Relation entscheiden.

Darauf brach Graf Horn die privatim gepflogenen Unterhandlungen als erfolglos geblieben ab, und den 6. Dezember reichten Vermehren und Taddel eine von dem Grafen gebilligte offizielle Erklärung bei der Kommission ein, als Erwiderung auf das Strelitzsche Anbringen vom 22. November. Sie hatte folgenden Inhalt: Es sei aus der Strelitzer Erklärung nicht zu ersehen, daß Adolf Friedrich sich pure und cathegorice erkläre, Ratzeburg nach seinem jetzigen wahren Ertrage anzunehmen, sondern die desfalls abgegebene Erklärung sei ganz zweifelhaft und an zum Theil neue, zum Theil auch zu dieser Kommission nicht gehörige, unbillige Forderungen gebunden. Friedrich Wilhelm sei keineswegs gemeint, sich darüber und also auf neue Traktaten einzulassen, vielmehr beharre er fest und unbeweglich auf der kaiserlichen Verordnung vom 4. August. Als Supplement der zwei Drittel sei er erbötig, die Aemter Rehna und Zarrentin - im Ertragswerthe von 4499 und 1853 Th. - abzutreten. Die Räthe ersuchen die Kommission inständigst, dafern Adolf Friedrich nicht spätestens in 14 Tagen sich zur Annahme dieser Offerte kathegorisch erklärt, beim Kreisdirektorium ihre unablässigen und kräftigen Dienste dahin anzuwenden, daß es seine Truppen unverweilt aus dem Güstrowschen ziehe.

Bei der Abgabe dieser Erklärung stellte Graf Horn, der zugegen war, nach dem Bericht der Räthe noch einmal "gründlich und mascule" vor, daß Friedrich Wilhelm nicht weiter gehen könne, ehe nicht die Kommission von den Kreisministern in authentischer Form herausgebracht, woran sich die Evacuation von Güstrow stoße. Graf Eck sprach laut und offen vor den übrigen Subdelegirten aus, er finde und werde auch an den Kaiser berichten, daß Friedrich Wilhelm genug gethan. Darauf trat man in eine Unterhaltung extra protocollum, in der schließlich Graf Horn der Kommission anheimgab, sie möge die Forderungen der Kreisdirektoren, falls sie solche seinem Herrn quasi pro legibus anmuthen wolle, sich von diesen geben lassen und dem Herzog zuschicken. 1 )


1) Unter dem Eindruck der Verhandlungen dieses Tages entwarf Horn ein Additamentum zu der Erklärung vom 6., in dem eventuell die Domänen des Amtes Stargard angeboten werden, ohne Landeshoheit. Da die beiden Räthe sich weigerten, es aus eigene Verantwortung zu unterschreiben, so wurde es nach Schwerin geschickt, hier aber abgelehnt (d. 9.), nachdem inzwischen (d. 7.) in Hamburg schon der entscheidende Schlag gefallen war.
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Diesen Weg beschritt indessen die Kommission nicht, da sie nicht die ganze Sache aus den Händen geben und den Kreisministern überlassen wollte, vielmehr war bereits eine gemeinsame Punktation der Kommission wie des Kreisdirektoriums verabredet, die Friedrich Wilhelm zu übergeben sei mit der Versicherung, daß, im Falle er sie eingehe, die Kreistruppen sofort abberufen werden sollten. Den Inhalt dieser Punktation bildete das Resultat einer Konferenz, die am Sonnabend, den 4., von Mittag bis tief in die Nacht im Hause des schwedischen Gesandten von Lissenhaim zwischen den Kreisministern und der Kommission stattgefunden hatte, 1 ) und in der über die wichtigsten Einzelheiten Einigung erzielt war; zuerst über die Ertragsabschätzung von Ratzeburg (zu 19000), Stargard (zu 9000) und Mirow (zu 3000 Th.). Daran hatten sich Verhandlungen über Trennung des Adels geschlossen. Der Kanzler von Wolfenbüttel hatte, durch ein Gespräch mit Graf Horn am vorigen Abend bestimmt, Trennung vorgeschlagen, die aber abgelehnt ward, da unendliche Querelen des Adels zu befürchten seien. Darauf hatte man ein paar Stunden damit zugebracht, die Hoheitsrechte, die Adolf Friedrich erhalten sollte, zu untersuchen und zu Papier zu bringen. Auch von der Räumung von Güstrow war die Rede. Die Direktorialminister versprachen Ordre deswegen einzuholen. Sie erhoben dann die Forderung, daß eine Amnestie für die Zeit der Interimsregierung in den Vertrag aufgenommen werde, was die Kommission annahm. Die Punkte 5, 6, 7 und 8 der Strelitzer Erklärung vom 22. November wurden abgelehnt, weil sie nicht zu gegenwärtiger Verhandlung gehörten. Für Punkt 3 und 4, die die Kommission ebenfalls übergehen wollte, trat Guericke ein mit Rücksicht auf eine Summe von 10000 Th., die der Kurfürst Adolf Friedrich geliehen hatte; es ward verabredet, Petkum darüber zu befragen. Dies geschah am Sonntag Mittag nach dem Gottesdienst im Hause des Herrn v. Fabricius. Man theilte hier Petkum die ganze Vereinbarung mit, doch dauerte es lange, bis man ihn dazu bewogen, die verabredeten Ertragssätze wie das Uebrige anzunehmen, auch alles seinem Herrn als eine Sache, an der nichts weiter zu ändern sei, zu empfehlen. Man mußte ihm versprechen, daß das Direktorium nochmals auf 16000 Thaler zum Schloßbau antragen und wegen der diesjährigen Kompetenzgelder für Adolf Friedrich


1) Die Vorgänge vom 4. und 5. und die Bedenken der Ritterschaft am 7. nach einer Rel. v. Guericke, dat. v. 7. Dez., aus den Berl. Akten.
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unter der Hand ein ansehnliches zu thun suchen wolle. 1 ) Auch hier war wieder von der Räumung die Rede, Lissenhaim erklärte, er habe deswegen Ordre, sich den beiden andern anzuschließen, und Guericke versprach nochmals, seines Herrn Willensmeinung einzuholen, wenn man ihm ein förmliches Projekt des Vergleichs zustellen wolle. Dieses niederzuschreiben übernahm der Kanzler Probst, der seine Arbeit den 7. Vormittags der Kommission vorlegte.

Am Mittag übergaben dann die Deputirten der Ritterschaft Guericke ein Schriftstück, das die desideria des Landes enthielt. Es waren 12 Punkte, unter denen neben der Amnestie der wichtigste die Forderung war, daß die Ritter- und Landschaft des Stargardischen Kreises alle die Rechte und Privilegien, die bisher gemeinsam gewesen, auch in derselben Weise behalten solle. Nachmittags ward das Projekt den Kreisministern mitgetheilt, die noch bei jedem Punkt etwas zu erinnern fanden.

Darauf wurden die Deputirten der beiden Parteien vor die Versammlung der Kommission und der Kreisminister gefordert. Petkum machte einige unbedeutende Monita und erklärte sich im Uebrigen einverstanden. Im Namen der Schweriner erklärte nach einer kurzen Besprechung unter sich in einem Nebenzimmer Graf Horn, man halte sich ihrerseits allein an die Kommission, erbat sich aber eine Kopie des Projektes, um sie seinem Herrn zu übermitteln. 2 )


1) In dieser Verabredung liegt der Grund, weshalb Adolf Friedrich nochmals 10000 Th. aus der Sequesterkasse erhielt.
2) Die Verhandlung mit den Deputirten leitete nicht Graf Eck, der gegen die Punktation gestimmt und sich auch geweigert hatte, sie selbst vorzulegen, sondern Probst v. Wendhausen, das Projekt verlas H. v. Lissenhaim. Es enthielt bereits den Inhalt des Hamburger Vertrages in allen seinen wesentlichen Zügen, nur daß außer Unwichtigem noch die bestimmte Festsetzung des Primogeniturrechtes fehlte. - Mit dem Berichte Guerickes über diese Vorgänge kreuzte sich ein Reskript seiner Regierung, datirt v. 6. Dez., in welchem die Möglichkeit offen gelassen wird, daß vielleicht ein Theil des Stargardischen Distriktes zur Ergänzung der zwei Drittel an Land und Leuten genüge. Den 14. Dez., als dies Reskript schon in Guerickes Händen war, kamen die Schweriner Deputirten zu ihm und behaupteten, Nachricht zu haben, als wenn der Kurfürst nicht die Abtretung des ganzen Stargardischen Kreises für nöthig erachte. Guericke verwies sie, ohne von dem zuletzt erhaltenen Reskript etwas zu verrathen, auf das Projekt, über das er Nachricht erwarten müsse, und rechtfertigte sein Verfahren in seiner Relation (vom 14.) damit, daß er besorgt habe, bei neuen Schwierigkeiten würden Wolfenbüttel und Eutin die Traktaten ganz aufgeben, was der Intention des Kurfürsten entgegenliefe. (Aus d. Berl. Akt.)
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Graf Horn berichtete das Vorgefallene den 9. und 10. Dezember an seinen Herrn. In einem ausführlichen Aktenstücke wägt er sowohl den Inhalt des Projektes wie die verschiedenen Wege, die etwa von Friedrich Wilhelm eingeschlagen werden könnten, und die Aussichten, die sie darböten, gegen einander ab und überläßt die Entscheidung der fürstlichen Einsicht des Herzogs, indem er die Schriftstücke, die etwa in dem einen oder andern Falle abzufassen seien, gleich in Entwürfen beilegt. Zwei Tage darauf, den 12., räth er offen zum Nachgeben: "Faciendum est, ut quimus, quando, ut volumus, non licet", doch nimmt er an der Kommunion solchen Anstoß, daß er, wie schon den 10., davon abräth, auf dieselbe einzugehen.

Der Herzog entschied sich dafür, zunächst durch seine Räthe den 18. Dezember um Bedenkzeit von 6 Wochen zur Erwägung dieser wichtigen Entscheidung zu bitten. Bei einem neuen Aufenthalt in Hamburg 1 ) ließ er sich dann durch Ecks wiederholte Vorstellungen 2 ) zu der im tiefsten Vertrauen gegebenen Zusage bewegen, daß er auf das Projekt schließlich eingehen werde; nur bat er, daß der Kaiser, weil wegen der Kommunion mit Strelitz viel neue Weitläufigkeiten zu besorgen seien, wo nicht die Separation der Stargardischen Ritterschaft sogleich verfüge, so doch wenigstens für sich und seine Nachfolger das Versprechen gebe, quovis tempore, wenn deswegen Irrungen sich ereigneten und Friedrich Wilhelm oder dessen Nachfolger die Trennung verlangen sollten, sie aus kaiserlicher Machtvollkommenheit vollziehen zu wollen.

Dies meldete Graf Eck den 22. Dezember nach Wien, den 29. ging von Schwerin ein Schreiben Friedrich Wilhelms an den Kaiser ab, welches die gleiche Zusage und die gleiche Bitte enthielt. Eine gleichzeitige Eingabe an den Reichshofrath lautete allerdings noch dahin, daß der Kaiser das Reskript vom


1) Adolf Friedrich war mit seiner Gemahlin schon seit dem 7. Dez. in Hamburg, Friedrich Wilhelm kam am 13. und hatte die Absicht, d. 24. wieder zu reisen. Schlechtes Wetter hielt ihn bis zum 26. fest. (Berl. Akten.)
2) In diesen Gesprächen war auch von Brandenburg und dem Wiener Vertrage die Rede; Graf Eck warnte, sich nicht allzuviel darauf zu verlassen: Brandenburg habe seinen Hamburger Minister "so gar nicht positive auf die in Berlin so offtmahls gemachte Contestationes instruirt"; ja es schienen "solche Contestationes gleichsahm in favor der jüngst mit Kays. M. gemachten alliantz gegeben", heimlich aber werde wohl ein Einverständnis mit den übrigen Condirectoren bestehen.
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4. August aufrecht halten und Adolf Friedrich anhalten möge, auf Rehna und Zarrentin abzuschließen. Doch geschah dies nur, um den Rückzug vorläufig zu maskiren, damit nicht Strelitz noch mit neuen Forderungen hervortrete.

Auch das Schreiben an den Kaiser ward, wie üblich, dem Reichshofrath vorgelegt, und dieser gab sein Votum den 20. Januar 1701 ab. Darin wird empfohlen, daß der Kaiser in Gewährung des letzten beim Reichshofrath eingegangenen Schweriner Gesuches die Kommission wie die Kreisdirektoren anweise, sich mit dem Schweriner Angebot (Rehna und Zarrentin) zu begnügen. Zugleich aber seien zwei Schreiben an die beiden Herzöge mitzusenden, des Inhalts, daß der Kaiser den von der Kommission und dem Direktorium vorgeschlagenen Vergleich genehmige; dem Schreiben an Friedrich Wilhelm sei die gewünschte Deklaration beizulegen. Diese beiden Schreiben seien geheim zu halten und erst für den Fall, daß die andern Reskripte den Vergleich zurückhalten sollten, an die Oeffentlichkeit zu bringen. Die Vorschläge des Reichshofraths gelangten zur Ausführung.

In Schwerin entschloß man sich, noch einen Versuch bei Brandenburg zu machen. Koppelow, der bereits einmal im Dezember kurz vor der Abreise des Kurfürsten zur Krönung nach Königsberg in Berlin gewesen war, reiste den 5. Januar nach Königsberg. Am selben Tage zeigte Friedrich Wilhelm dem Grafen Eck und den übrigen Kommissionsmitgliedern in einem Schreiben an, er sei bereit. Seine Erklärung bei der Kommission zum 28. Januar einzubringen. Dem Schreiben war in einem Postskriptum die Nachricht von Koppelows Abreise beigefügt, der vor dem 28. Januar wieder zurück sein werde. Wie Eck den 8. antwortete, hatte ihm Guericke den 7. Abends versichert, keine neuen - etwa Schwerin günstigeren - Instruktionen erhalten zu haben, und starke Zweifel geäußert, daß sein Kurfürst seine bisherige Intention in der Sache ändern werde. In der That vermochte auch Koppelows zweite Sendung ebenso wie die erste das Einvernehmen Brandenburgs mit den zwei andern, den Niedersächsischen Kreis dirigirenden Mächten nicht zu erschüttern. 1 )


1) Koppelow hatte dreierlei anzubieten: 1. neben Ratzeburg Rehna und Zarrentin, 2. dazu noch Strelitz, Wanzka und Feldberg, 3. alle Aemter im Stargardischen ohne Adel und Städte. Es gelang ihm, eine Ordre an Guericke, dat. v. 22. Febr., zu erwirken, die den zweiten dieser Vorschläge empfahl. Guericke möge darüber mit Eck reden, und wenn derselbe sonst nichts erhebliches dabei vermisse, seine Annahme befördern. Eine Kopie der Ordre erhielt Koppelow mit nach Schwerin; wovon er aber nichts erfuhr, war ein geheimes Postskriptum, das der Ordre bei= (  ...  )
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Von den Mitgliedern der Kommission hielt sich Graf Eck dauernd in Hamburg auf, auch Lenthe entfernte sich nur auf kurze Zeit. Für seinen Rath John erbat der Bischof von Eutin (d. 17. Januar) Aufschub bis zum 6. oder 7. Februar, da er wegen anderer Geschäfte seiner so lange nicht entrathen könne. War schon in diesem Schreiben die sichere Hoffnung ausgesprochen, daß Friedrich Wilhelm nunmehr dem letzten Vergleichsprojekt beitreten werde, so wünschte die Wolfenbüttelsche Regierung sogar, ehe sie ihren Kanzler wieder nach Hamburg schicke, von Friedrich Wilhelm seiner Zustimmung zu dem Projekte versichert zu sein oder wenigstens vor weiterer Entschließung die in Aussicht stehenden kaiserlichen Reskripte abzuwarten. Auch Petkum bat um Aufschub bis zum 12. oder 16. Februar, da ihn sein Herr nicht eher entbehren könne. Die Schweriner Deputirten kamen indessen den 9. Februar mit der Instruktion, der Kommission anzuzeigen, daß Friedrich Wilhelm, sobald er sichere Nachricht über den Beginn der Verhandlungen habe, selber kommen werde, um seinen Entschluß kund zu geben.

Sie erfuhren in Hamburg, daß Guericke jetzt neue Instruktion erhalten. Es war die von Koppelow erwirkte. Obgleich das Postskriptum derselben geheim blieb, so befriedigte sie doch die Schweriner nicht. Es fehlte darin die Anweisung, daß Guericke auf keine andern Vorschläge als die in ihr genannten eingehen solle. Unter diesen Umständen war auch Graf Eck dagegen, sich bei dem Antrag auf Rehna und Zarrentin lange aufzuhalten, doch eröffnete er den Inhalt der mittlerweile - den 13. Februar - angelangten kaiserlichen Verordnungen, die den Schweriner Vorschlag empfahlen, dem dänischen und eutinischen Delegirten.


(  ...  ) gefügt ward, folgenden Wortlauts: "Auch haben Wir zwar wegen der Mecklenb.=Güstrowschen Successions=Sache also wie das beykommende original-Rescript zeiget Unsere Meinung Euch überschrieben. Wir müßen aber in dieser Sache auch nohtwendig auf den Königl. dänischen Hoff reflectiren, und deshalb habt Jhr mit solcher behutsamkeit hierunter zu verfahren, daß Jhr in dem Jhr an einer Seite Jhro Ksl. Maytt. durch Eure conduite contentiret, Jhr an der andern nicht bey Den. anstoßen, sondern die dort anwesenden Königl. Dänischen Ministros so viel immer müglich in dieser Sache contentiren möget, wie denn auch in der that Unser interesse, wan selbiges coeteris paribus nur zu erreichen, darin bestehet, daß dem Herzoge zu Schwerin seine portion nicht zu gros gemachet, sondern die Sache zwischen Jhme und Strelitz, wo nicht zur gleichheit, dennoch der gleichheit so nahe als immer möglich gebracht werde." (Aus den Berliner Akten.) Also auch bei Brandenburg spielte nachbarliche Eifersucht auf Schwerin, das durch die Kombination zu mächtig werden könne, eine bedeutende Rolle.
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Beide hielten dafür, daß die Sache dadurch nur in mehr Weitläufigkeit verwickelt würde. Auch Petkum, der ebenfalls schon anwesend war, erhielt Mittheilung von den Reskripten, ließ aber nicht die geringste Unruhe oder Besorgniß blicken, sondern sagte nur, die Kreisdirektoren würden schon dazu zu thun wissen. Es ward immer deutlicher, daß nichts anderes übrig blieb, als sich in das Unvermeidliche zu ergeben.

Den 24. Februar kam Herzog Friedrich Wilhelm, den 20. der Kanzler Probst und der schwedische Gesandte v. Lissenhaim, und es erfolgte nun, den 26. Februar, die schriftliche Erklärung der Schweriner Räthe, daß ihr Herr das Projekt vom 7. Dezember annehmen wolle bis auf einige Abänderungsvorschläge, von denen der wichtigste die Festsetzung über die definitive Einführung der Primogeniturordnung und auch über die Kombination des Landes im Falle des Erlöschens der einen Linie war. Darüber verhandelte man noch einige Tage, der gewünschte Passus über die Primogenitur ward in den Vertrag aufgenommen, dagegen mußten die Schweriner den Wunsch, daß von den landesherrlichen Rechten, die Strelitz im Stargardischen Distrikt genießen sollte, das ius belli, armorum, fortalitiorum et foederum auszunehmen sei, fallen lassen, und ein von ihnen gewünschter Passus, daß Adolf Friedrich sich verpflichte, das Ratzeburgische Votum niemals wider des Meklenburgischen Hauses Interesse zu führen, erhielt die allgemeinere, beide Herzöge verpflichtende Fassung, wie sie in § 12 des Vertrages steht.

Endlich, den 8. März, kam der Vertrag zum Abschluß, den 11. März verpflichteten sich die Kreisminister, binnen 4 bis 5 Wochen vom Datum der Ratifikation an die Räumung des Herzogthums zu bewerkstelligen. Den 12. ward die Vertrags=Urkunde von beiden Herzögen - auch Adolf Friedrich erschien zu diesem Zwecke persönlich 1 ) - durch Unterschrift ratifizirt.

Der kaiserliche Sekretär Wider, der als solcher die gesammten Kommissionsverhandlungen mitgemacht, eilte selbst mit dem Aktenstück nach Wien, um die kaiserliche Konfirmation einzuholen, die denn auch unverweilt erfolgte (d. 26. März).

Noch einmal, und nun wirklich zum letzten Mal, trat die Kommission den 14. April zusammen und überreichte dem anwesenden Herzog Friedrich Wilhelm das eine Exemplar der doppelt ausgefertigten Konfirmationsurkunde, das andere erhielt


1) Er kam am 10. Mittags. Am Nachmittag d. 12. machte Friedrich Wilhelm zum ersten Mal Adolf Friedrich einen Besuch. Guericke schreibt, "alles sei dabei wohl abgegangen." (Berl. Akten.)
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Herr v. Petkum als Bevollmächtigter seines Herrn. Eine Verzögerung in der Räumung des Herzogthums von den Kreistruppen trat jedoch dadurch ein, daß Guericke, als die Kommission mit den Vertretern der Kreisdirektoren darüber in Verhandlung trat, noch keine Instruktion dafür in Händen zu haben erklärte, vielmehr Ordre, im Namen seines Königs die ihm als Patron des Johanniterordens zustehenden Rechte auf die Komthureien Mirow und Nemerow protestirend zu reserviren und von beiden Herzögen die Versicherung zu begehren, daß sie dem Rezeß vom 21. Juli 1693, insbesondere dem darin enthaltenen Punkte wegen Anzeige bei der Landeshuldigung künftig völlig Genüge leisten würden. Friedrich Wilhelm hatte sich bereits auch in diesem Punkte zum Nachgeben entschlossen und ein dahin gehendes Schreiben, vom 12. April datirt, schon an Guericke abgegeben, 1 ) dieser aber hatte vorerst nur eine Kopie davon nach Berlin geschickt, um vorher anzufragen, ob es so recht sei. Indessen traf die Instruktion 2 ) den 19. April ein, und den 25. reisten darauf die drei Kreisminister nach Güstrow, legten hier die Rechnung nieder und entließen alle Beamten, auch die Truppen, aus der Pflicht des Kreises. Den 9. Mai setzten sich die Truppen in Marsch.

Noch verursachten die 50 Schweden, die noch immer in Boizenburg standen, eine Verwickelung. Sie waren dort nach Herzog Gustav Adolfs Tode belassen, zunächst um für den Grafen Bielke seine Forderung auf den Zoll, sodann um die Rechte der Herzogin=Wittwe zu sichern, 3 ) und standen nicht in der Pflicht des Kreises. Der sie kommandirende Offizier berief sich, als man auch ihn zum Abmarsch aufforderte, auf die Ordre, daß er ohne Befehl seines Königs oder des General=Gouverneurs von Pommern nicht abziehen dürfe. Weil aber auf diese Weise noch Schweden im Lande blieben, so beließ der brandenburgische Kapitän ebenfalls einen Fähnrich mit etlichen 20 Mann in Boizenburg, und die Lüneburgische Kompagnie, deren größter Theil in Boizenburg in Quartier gewesen war, blieb ganz dort stehen. Die Frage des Abzuges dieser Truppen verquickte sich mit einer Streitfrage, in die Friedrich Wilhelm mit der Herzogin=Wittwe von Güstrow und deren noch unvermählten Töchtern


1) Ein gleiches von Adolf Friedrich ging d. 26. April ab, s. Sachsse S. 417, Anm.
2) Sie ist datirt v. 16. April (Berl. Akten).
3) Auf Grund eines königlichen Schreibens v. 5. Nov. 1698.
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gerathen war. 1 ) Die Herzogin hatte sich an die Kreisdirektoren um Unterstützung gewandt und deren Minister bereits in Hamburg Herzog Friedrich Wilhelm und den Schweriner Räthen auf Befehl ihrer Herren angelegen, die Forderung der Prinzessinnen zu bewilligen, was diese aber abgelehnt hatten. Als nun Friedrich Wilhelm sich an den schwedischen Generalissimus, Herzog Friedrich von Holstein, wandte und um den Abzug der Schweden aus Boizenburg anhielt, antwortete dieser d. 11. Mai, der Abmarsch sei beim König selbst nachzusuchen, derselbe werde aber sehr "facilitirt werden, wenn die Sache wegen der Alimentationsgelder gehoben werde". Es blieb nichts anderes übrig, als auch hierin nachzugeben, worauf dann den 3. Juli alle Kreisvölker Boizenburg räumten.

Das Fürstenthum Ratzeburg war bereits d. 12. Mai durch den Baron von Löwen an Petkum überwiesen worden.

Der lange Streit war also endlich geschlichtet, freilich auch jetzt noch nicht endgültig. Er hatte noch zwei Nachspiele. Einmal hatte Herzog Karl Leopold trotz der erfahrenen Zurückweisung seine Ansprüche noch keineswegs aufgegeben, begann vielmehr eben gegen den Hamburger Vertrag einen neuen, freilich von vornherein hoffnungslosen Prozeß bei Kaiser und Reich, der sich mehrere Jahre hindurchgeschleppt hat, bis Karl Leopold im Jahre 1707 auf seine Ansprüche verzichtete. Zweitens entwickelten sich eben aus dem Hamburger Vertrage zwischen den beiden Herzögen neue Mißhelligkeiten, die sich noch auf ihre Nachfolger fortpflanzten und erst durch die Verträge des Jahres 1755 ihre definitive Erledigung fanden. Allein, in der Hauptsache, der Erbfolgefrage, hat der Hamburger Vertrag ein für alle Mal die Entscheidung gebracht. Nicht vollständig war der Sieg, den der Primogeniturgedanke erfochten hatte, vielmehr endete der Streit mit weit größeren Zugeständnissen von Seiten der Schweriner Linie, als ihr in den ersten Stadien desselben in so vielen Vergleichsprojekten zugemuthet waren: durch seine eigene charakterfeste Zähigkeit, auch in Folge der Eifersucht der Nachbarmächte auf die Kombination des ganzen Landes, sowie der Ohnmacht und Unlust des Kaiserhofes, seinem Urtheil zu Gunsten der Primogenitur Achtung zu verschaffen, war es Adolf Friedrich, dem Vertreter des alten Erbtheilungsprinzipes, trotz


1) Es handelte sich um die Summe von 1000 Th. jährlich für jede Prinzessin, die sie mehr beanspruchte, als Friedrich Wilhelm ihnen schuldig zu sein meinte.
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aller Anstrengungen der Schweriner Gegner, insbesondere des Grafen Horn, gelungen, noch einmal eine Theilung des Landes durchzusetzen, allein er selber gab seine Zustimmung zu § 1 des Vertrages, durch den eben das Erbrecht, auf Grund dessen er seine Ansprüche erhoben, für abgeschafft erklärt und das Primogeniturrecht, "wie daßelbe in Testamento Ducis Johannis Alberti Primi im Jahre 1573 fundiret und bestätiget, auch vom Kayser Maximiliano Secundo confirmiret worden" nicht nur für jede der beiden Linien des mecklenburgischen Fürstenhauses, sondern auch für den Fall des Aussterbens der einen oder andern Linie nochmals feierlich eingeführt und also in letzterem Falle die Kombination des ganzen Landes sicher gestellt wurde. Durch diese Bestimmungen aber wird der Hamburger Vertrag zu einem überaus wichtigen Merkstein in der Geschichte unseres Fürstenhauses wie unseres Landes: er bildet den Abschluß der fünfhundertjährigen Periode unserer Landesgeschichte, die mit der Germanisirung unseres Landes beginnt und in der unter vielfältigen Streitigkeiten zum Unsegen des Landes eine Theilung die andere ablöst.

Dank dem Hamburger Vertrage und seinen Bestimmungen über die Primogenitur wird, nach menschlicher Voraussicht, der Güstrowsche Erbfolgestreit für alle Zeit der letzte seiner Art in der meklenburgischen Geschichte bleiben.

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