zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 141 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
Kegelgräber von Boldebuck (bei Güstrow).
(Katalog=Nummer Br. 271-295.)

Ueber einen weiteren interessanten Grabfund in jener reichen Gegend, aus der die zuletzt besprochenen Funde stammen, berichtet Herr Karl Mann in Wismar, unser langjähriger Freund, der zugleich im August 1889 den schönen, von ihm bis dahin treu behüteten Fund der Großherzoglichen Sammlung übergeben hat.

"In Boldebuck bei Güstrow lagen etwa 1000 Schritte westwärts vom Hofe auf einer freien Anhöhe im Ackerlande und

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 142 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

etwa 50 Schritt von einander entfernt zwei kegelförmige Hügel, welche mit Dorngebüsch bewachsen und auf der Gutskarte mit dem Namen "Trielberge" bezeichnet waren.

Als im Jahre 1851 in dem Ackerschlag, in welchem diese beiden Hügel belegen, mehrere der vorhandenen offenen Gräben durch Drainage entbehrlich geworden, wurden zur Ausfüllung derselben diese beiden Hügel auf Anordnung des Oberinspektors Herrn Oekonomierath Metelmann daselbst verwandt und abgetragen. Da solche mit einem Steinring nicht abgegrenzt waren und auch auf der Wölbung sowie im Innern derselben keine Steine gefunden werden konnten, sondern sie gänzlich aus reiner aufgetragener Erde nur zu bestehen schienen, so fehlten anfangs alle Merkmale, daß es Grabhügel. Als jedoch der Hügel Nr. 1, dessen Höhe in der Mitte fast 12 Fuß und dessen fast kreisrunde Grundfläche etwa 35-40 Fuß Durchmesser betrug, bis gegen dessen Mitte abgetragen war, fand ich in der Grundschicht desselben 4 rundliche Steine von 1 1/2 bis 2 Fuß Durchmesser, welche ein Viereck bildeten und soweit von einander gesetzt waren, daß solche etwa 3 □Fuß mittleren Zwischenraum enthielten. Dieser gleichfalls mit fester Erde ausgefüllte Zwischenraum enthielt aber die Ueberreste eines Leichenbrandes, bestehend aus Asche und zerbröckelten Kohlen= und Knochenresten, zwischen welchen folgende Schmuckgegenstände aus Bronze: 1 Diadem mit Längs= und Spiralverzierungen, 1 Kopfring aus gewundenem Drahte, 1 desgl. mit eingeschlagenen Verzierungen, 2 dünne Armringe und 4 stärkere mit eingeschlagenen Verzierungen, 6 trichterförmige Hütchen, in deren Höhlung eine Oese zur Befestigung, 2 große Handbergen, 1 große Nadel mit plattem Kopfe, 1 kurzes Schwert mit kurzer Griffzunge und 6 Nietlöchern mit Nieten, 7 kleine hohle halbrunde Hütchen, in deren Spitze ein kleines Loch zum Anheften, 1 kleiner Fingerring, dessen Enden spiralförmig gewundene Platten bildeten, und 1 kleiner Fingerring in runder geschlossener Form. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Leiche mit diesen Gegenständen geschmückt gewesen, als solche auf dem Scheiterhaufen verbrannte, da diese Schmuckgegenstände durch die Glut des Feuers eine theilweise Verbiegung sowie auch Verschmelzung zeigen und auch das Metall so mürbe geworben, daß es größtentheils leider zerbrochen und kleinere Gegenstände gar nicht konservirt werden konnten.

Der kleinere Hügel (Nr. 2), dessen Höhe in der Mitte fast 10 Fuß und dessen kreisrunde Grundfläche etwa 30 Fuß betrug,
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 143 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bestand gleichfalls aus reiner Erde. Ich fand in der Mitte desselben 2 kleinere, jedoch nur flach vergrabene Urnen, neben oder zwischen welchen ein Kopfring aus gewundenem Draht und 4 kleine Armringe mit eingeschlagenen Verzierungen aus Bronze lagen; etwas weiter seitwärts ein Skelett, ausgestreckt liegend, neben welchem ein Doppelknopf aus Bronze lag. Es gelang mir leider nur diese Ringe, welche zerbrochen, zu bergen. Die beiden Urnen waren jedoch so sehr mit Wurzeln durchwachsen und das Gerippe nebst Kopf gleichfalls so mürbe geworden, daß solche schon bei der ersten leisesten Berührung gänzlich zerfielen. Ich bemerke hierbei noch, daß außer diesen beiden Kegelgräbern sich damals auf der Boldebuckschen Feldmark keine weiteren mehr befunden haben."

Ueber einen weiteren Grabfund bei Boldebuck hat Lisch, Jahrb. 25, S. 214, kurz berichtet. Es soll danach "vor vielen Jahren" [geschrieben 1860] ein Kegelgrab von 12 Fuß Höhe abgetragen sein, in 6 Fuß Tiefe ein bronzezeitliches Begräbniß, darunter eine steinzeitliche Grabkammer. Alterthümer von Bedeutung seien nicht gefunden. Ob dieses Grab mit dem oben beschriebenen identisch ist oder ein drittes, wird sich nicht mehr bestimmen lassen.

Die gefundenen Bronzen sind:

1. Halskragen ("Diadem"), in vier Stücken erhalten, an den Seiten und in der Mitte zwei erhabene Bänder mit Einkerbungen, auf den Feldern dazwischen Spiralbänder, Länge (auf der Oberfläche gemessen) 30 cm, größte Höhe 4,5 cm. Zur Form vgl. S. 129.

2. Drei Stücke eines gedrehten Halsrings.

3. Ein Halsring mit spitzen Enden, verziert mit jenem Muster von Schräglinien, welches bei den Handringen, Handbergen u. s. w. so beliebt ist (vgl. oben den Halsring von Turloff, S. 131). Durchmesser 18 und 15 cm, doch ist das Stück etwas verbogen. Vgl. S. Müller, 103.

4. Ein starker Handring, 8 und 6 cm Durchmesser, 1,5 cm hoch, etwas verbogen, Innenseite flach, Außenseite leicht gewölbt; verziert, soweit der tiefe Rost erkennen läßt, gleich dem Halsringe.

Handring Handring
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 144 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

5-8. Vier Handringe mit rundlichem Querschnitt, verziert mit senkrechten, dicht stehenden Einkerbungen. Durchmesser 6 und 6,5 cm. (Abbildung auf der vorigen Seite.)

9. 10. Zwei den vorigen gleiche Handringe, nur kleiner. Durchmesser 6 und 5,5 cm.

Die einfache Verzierungsart dieser Ringe ist wesentlich seltener als die des Rings 4 u. s. w., aber durch zahlreiche Zwischenglieder damit verbunden. (Vgl. z. B. den Ring von Turloff, oben S. 132.)

11. 12. Zwei große Handbergen, sehr stark zerbrannt und ganz zerbrochen. Die Form war die übliche, mit dem bekannten Schrägstrichmuster.

13-17. Fünf Tutuli; flach gewölbt, mit Spitze, verziert mit concentrischenLinien, auf der unteren Seite ein Steg, 5,5 cm Durchmesser, 4,4 cm hoch.

Tutuli

18. 19. Zwei kleine Tutuli, 3 cm Durchmesser, ungefähr 3 cm hoch. Ueber diese weit verbreiteten "Tutuli", die zweifellos als Kleiderschmuck vorkommen, gewöhnlich in größerer Anzahl und in Frauengräbern, vgl. S. Müller, 59; sie gehören z. Th. schon in M. II. In Meklenburg haben wir Tutuli der gleichen Form (andere sind hier selten) in neunzehn Grabfunden (s. oben S. 98 bei Radelübbe, unten S. bei 190 Kl. Grenz), fast stets in mehreren Exemplaren und, soweit die dabei befindlichen Sachen ein Urteil gestatten, aus Frauengräbern, M. III. Sie kommen fast stets in derselben Zusammenstellung vor wie hier in Boldebuck, besonders die Funde von Gädebehn, Dabel, Holzendorf, Karbow, Stülow gleichen diesen bis in das einzelne. Merkwürdigerweise fehlen sie in den großen Grabfunden von Alt=Sammit, Friedrichsruhe und Ruchow.

20. Ein Fingerring mit Spiralplatten von 2 cm Durchmesser; in drei Stücke gebrochen; ähnliche sind mehrmals in Kegelgräbern gefunden (vgl. Jahrb. 47, S. 268). Zu chronologischen Besimmungen sind sie nicht zu verwenden, da sie z. B. in Dänemark schon in

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 145 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der älteren Bronzezeit=M. II (S. Müller, a. a. O., 57), bei uns noch in der jüngeren (= M. IV/V) vorkommen, vgl. Jahrb. 51, S. 27.

21. Kleine halbrunde Hütchen, zerbrochen, erkennbar die Reste von vier, nach dem Fundbericht ursprünglich sieben; etwa 1,25 cm hoch. Die Befestigungsart ergiebt sich aus einem dem unsern fast ganz gleichen Funde, dem von Gädebehn, wo eine Anzahl gut erhaltener bewahrt sind; hier sind unten kleine einwärts gebogene Häkchen; die Hütchen sind also sicher als Schmuck auf Kleidern (Lederpanzern, Gürteln u. s. w.) aufgesetzt gewesen, der "Panzer" von Peckatel, Jahrb. 9, Tafel Abbildung 8 zeigt ähnliche, nur etwas rundere, noch an ihrer ursprünglichen Stelle; auch in Gräbern von Retzow sind gleiche gefunden (oben S. 124).

22. Eine große Nadel, zerbrochen in sechs Stücke und unvollständig. Beistehende Abbildung ist nach dem Funde von Karbow. Länge noch 36 (ursprünglich über 40) cm.

Nadel

Der Kopf ist platt (4 cm Durchmesser); unter ihm fünf verschieden starke umlaufende Wulste mit Längskerben. Diese großen Nadeln sind eine Besonderheit unserer Bronzegräber. Wir haben außer der besprochenen in Schwerin acht Exemplare aus Gesammtfunden, von denen die meisten aus Gräbern von ganz derselben Zusammenstellung wie das Boldebucker stammen und dadurch als Frauenschmuck gesichert werden (Gädebehn, Weisin, Karbow, Friedrichsruhe=Kannensberg C, Ruchow); dazu kommt noch der in Neu=Ruppin aufbewahrte ganz gleiche Grabfund von Bellin (Leichenbrand; Halskragen, Armringe, Handbergen; vgl. Quartalbericht 1895, S. 29). Auch in dem Grabe von Dabel (Jahrb. 22, S. 281) wird die Nadel nicht zu dem Leichnam, dem das Schwert u. s. w. gehörte, zu rechnen sein, sondern zu dem unmittelbar rechts davon gelegenen (nach der Lage der Fundstücke wahrscheinlich auch unverbrannt beigesetzten) weiblichen, so daß die Folgerungen von Lisch, der in den Nadeln eine Art Stecken (zum Antreiben der Pferde) zu sehen geneigt war, hinfällig werden. In einem Kegelgrabe von Rakow soll eine ähnliche Nadel neben Schwertern gefunden sein, (vgl. Frid.-Franc. S. 48. erster Bericht S. 9), doch fehlt ein ausreichender

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 146 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ausgrabungsbericht, bei Zachow ist eine Nadel mit drei Dolchen gefunden, Dolche sind aber als Ausrüstung von Frauengräbern wohl bekannt.

Die Vertheilung dieser Nadeln ist nun recht merkwürdig; in Dänemark und Schleswig =Holstein fehlen sie gänzlich; ein Stück aus Lauenburg, S. Splieth 157 (dort zu M. IV gerechnet); aus Hannover eins von Barskamp (bei Lüneburg); aus Pommern ist ein interessantes, aber doch abweichendes und sicher lokales Stück bekannt (Glendelin, vgl. Pommersche Monatshefte 1889, Tafel II 2); ein dem Boldebucker ganz gleiches Exemplar stammt aus der Lausitz (Koschen, Berliner Merkbuch V, 33); an dieses schließen sich die sicher verwandten "Spindelnadeln" ebd. 35-37 aus Sachsen, Schlesien u. s. w. an. Etwas abweichend und wohl jünger ist das Stück aus Posen, Album prähist. Denkmäler I, 19 1. Gleiche oder ähnliche Nadeln kommen dann in Süddeutschland vor (vgl. Lindenschmit, Alterth. uns. heidn. Vorzeit I, IV, 4, 7 und 17, von Tröltsch, Fundstatistik 77a. S. auch R. Reinecke, Correspondenzblatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft 1900, S. 25.). Verwandte s. auch bei Naue, Bronzezeit S. 154 flgd., auch hier zum Theil älteren Funden angehörend. In Böhmen sind ähnliche Nadeln sehr häufig gefunden (Pič, fast auf jeder Tafel), zum Theil mit Sachen, die älter sind als unsere Periode III, zum Theil in Grabhügeln, die ihr genau entsprechen. Wir sind also wohl berechtigt, die besprochenen Nadeln als eine Nachahmung südlicher Stücke auf unserm Boden aufzufassen und damit als einen neuen Beleg für die Einwirkung der südlichen Bronzezeit auf Meklenburg, die stärker ist als auf die nördlich anschließenden Länder. Neben Handbergen, Halskragen mit Spiralstreifen und breitbändigen Fabeln erscheint die Scheibennadel als eine meklenburgische Charakterform dieser Periode.

23. Ein Dolch (oder Kurzschwert), zerbrochen in drei Stücke. 29 cm lang. Flache Griffzunge mit aufgehöhten Rändern und vier Nietlöchern, zwei Nietlöcher am Klingenansatz, leichter, flach gewölbter Mittelgrat. Die Form ist die übliche der Griffzungenschwerter (s. unten S. 172 u. s.); in so kleinen Dimensionen bisher hier nicht vertreten.

Ueberblicken wir den Fund als Ganzes, so bietet er eine ungemein reiche und einheitliche Ausstattung eines weiblichen Grabes aus der dritten Periode der Bronzezeit; er erinnert am meisten in seiner Zusammensetzung an die Ausstattung des Grabes C im Kannensberg von Friedrichsruhe (Jahrb. 47, S. 264);

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 147 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

es fehlen in Boldebuck die dort auftretenden Perlen aus Glas und Bernstein, sowie die Goldringe, während in Friedrichsruhe die Tutuli und kegelförmigen Besatzstücke nicht vorkommen. Auch das haben die beiden Gräber gemeinsam, daß die Sachen offenbar gesammelte Beigaben verbrannter Leichen sind.

Anders ist der Charakter des zweiten Grabes. Hier hat eine Beerdigung stattgefunden, und zwar wahrscheinlich von zwei Leichen: die eine mit Doppelknopf (vgl. Blengow, unten S. 178) war wohl männlich, die andere weiblich. Die erhaltenen Stücke zeigen keine Brandspuren; sie haben eine helle, gleichmäßige Patina, leider sind sie sehr zerbrochen:

1. Ein gedrehter Halsring; vier Stücke, Enden und Verschluß nicht erhalten.

2. Zwei (oder drei?) größere Handringe; zehn zusammenhangslose Reste, dünner als gewöhnlich, innen flach, außen ganz leicht gewölbt; 1,25 cm hoch, verziert in der sehr beliebten Art mit schrägen Linienstreifen, deren Zwischenräume durch kleinere, die ersten rechtwinklig treffende Linien ausgefüllt sind (Abbildung oben S. 119).

3. Ein (oder zwei?) kleinerer Handring; nur 1 cm hoch, sonst dem vorigen gleich.

Ein zeitlicher Unterschied zwischen Grab I und II ist nicht zu machen. Der Wechsel von Beerdigung und Leichenbrand, selbst in derselben Gräbergruppe, ist hinlänglich belegt.