zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 74 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Noch einmal der Stargardische Arm.

Von

Dr. Crull =Wismar.

~~~~~~~~~~~~~

O bschon über den Stargardischen Arm im landesherrlichen Wappen von Dr. Lisch eingehend gehandelt ist, 1 ) auch Teske in Anschluß daran über denselben sich ausgelassen hat, 2 ) ist die bezüglich der Herleitung jenes Wahnbildes bestehende Controverse doch keineswegs ausgeglichen, so daß es mir nicht ungerechtfertigt erscheint, diesen Gegenstand noch einmal zur Sprache zu bringen, zumal sich inzwischen noch ein paar Nachrichten gefunden haben, welche, wenn sie gleich nicht ausschlaggebend sind, doch berücksichtigt werden wollen.

Die Brandenburgischen Markgrafen gewannen 1236 durch den Vertrag von Kremmen von den Herzogen von Demmin das Land Stargard, das Land Beseritz und das Land Wustrow bis zur Tollense und gründeten dort 1244 Friedland, 1248 Neubrandenburg, (auch Lichen), und 1259 Stargard, während das Gründungsjahr von Woldeck unbekannt ist, aber in dieselbe Zeit fallen dürfte, wenn der Ort auch erst 1298 und nicht früher genannt wird; das Prämonstratenser=Kloster Broda hatten die Pommerschen Fürsten schon 1190 auf dem besagten Gebiete gegründet, und die Askanier stifteten dazu 1290 das Kloster Wanzka für Cistercienserinnen und bestätigten 1298 die Johanniter=Komthurei Nemerow. Dies Territorium erwarb Heinrich II. von Meklenburg durch seine Vermählung mit Beatrix, Tochter des Markgrafen Albrecht III., im Jahre 1292, kam jedoch erst 1304 durch den Vietmannsdorfer Vertrag als Brandenburgischer Lehnsmann zu vollem Besitze, so daß, wenn er sich gleich schon 1302 Herr zu Meklenburg und Stargard nennt, diese Titulatur erst


1) Jahrb. 25, S. 93 f.
2) D. Wappen d. Großhgth. M., S. 11. 78. D. Wappen d. Großhgl. Hauses M., S. 52.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 75 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nach dem genannten Vertrage mehr ständig wird. 1 ) Ein Wappenbild hat Heinrich für dies Land in sein Siegel nicht aufgenommen, wie er das demnächst nach dem Erwerbe der Herrschaft Rostock für diese gethan hat, was sich daraus erklären dürfte, daß letztere ein abgeschlossenes Gebiet mit eigenen Fürsten gebildet hatte, während das Land Stargard nur einen Theil des den Pommern abgedrungenen Landes ausmachte. Auch Heinrichs Sohn, Johann I. von Meklenburg=Stargard, und dessen Nachkommen haben bis zu dem Aussterben dieser Linie unseres Fürstenhauses im Jahre 1471 niemals dem Meklenburgischen Stierkopfe ein Bild für das Land Stargard hinzugefügt, und es ist ohne Zweifel eine Täuschung gewesen, wenn der Friedländische, hernach Meklenburgische Sekretär Martin Bökel auf einem zu einer Neubrandenburger Urkunde von 1466 gehörigen fürstlichen Siegel ein Stargardisches Wappen als "Arm und Ringk" hat erkennen wollen; 2 ) würde ein solches existirt haben, müßte es schlechterdings Lisch doch bekannt geworden sein, was zweifellos nicht der Fall gewesen ist.

Nach Lischs Ermittelungen hat die Vermehrung des herzoglichen Wappens durch Hinzufügung des Feldes mit dem Ringarme 3 ) gemäß dem ältesten Abdrucke nicht früher als 1483 und zwar unter den Herzogen Magnus II. und Balthasar stattgefunden, und es besteht kein Zweifel, daß jenes Wappenbild das Land Stargard repräsentiren soll und zwar das Land Stargard im weiteren Sinne, also vermehrt durch Arnsberg und Strelitz, durch Wesenberg und Fürstenberg, wie es durch Aussterben der jüngeren Linie des Meklenburgischen Hauses an die ältere gefallen war. Lisch meint freilich, es wolle scheinen, als ob F. A. Rudloff Siegel mit dem fünffeldrigen Wappen gekannt habe, welche vor 1480 datirten, aber diese Zahl dürfte ein Schreib= oder Lesefehler Rudloffs für 1489 sein, welches Jahr in der Uebersicht der Siegel=Abbildungen zu G. Westphals Meklenburgischem Diplomatarium an der betreffenden Stelle sich findet, 4 ) falls nicht etwa 1480 als eine runde Zahl zur ungefähren Zeitbestimmung gemeint sein sollte. Ein Versehen Rudloffs ist aber um so wahrscheinlicher, als er sich offenbar auf die gedachte Uebersicht stützt, indem er sagt, 5 ) so viel man wisse, habe Herzog Magnus


1) Der Titel fehlt auch noch in späteren Urkunden, z. B. 3018. 3063. 3079. 3123 u. s. w.
2) Klüver, Beschr., 2. A., II, S. 25.
3) Nach v. Retberg, G. d. D. Wappenbilder, S. 35.
4) Westphalen mon. IV., p. 1255.
5) Handbuch d. M. G. II, S. 910.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 76 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

um 1477 zuerst angefangen, einen aus den Wolken (!) reichenden Arm mit einem Ringe im Wappen zu führen, da die Uebersicht das a. a. O. Taf. 10 unter 44 - mit der Wolke - abgebildete Wappen des Herzogs in der ehemaligen Kirche zu Stargard ebenfalls von jenem Jahre datirt. 1 ) Ob man nun mit Rudloff, welcher übrigens für das Aufhängen des Schildes in jener Kirche als Motiv vermuthet, daß derzeit dem Herzoge Magnus das Land Stargard als Apanage angewiesen sei, der Angabe des Jahres 1477 trauen, oder in Hinblick auf die offenbaren Erfindungen und Entstellungen in den Abbildungen der Monumenta keinen Glauben schenken will, muß ich anheimgeben; ich für meine Person bin geneigt anzunehmen, daß man nicht bloß die Datirung, sondern auch die Nachricht von der Existenz des Schildes mit einigem Mißtrauen zu betrachten habe. Sicher ist allein, daß Siegel mit dem Wappen von fünf Feldern, die vor 1483 datirten, bisher noch nicht zum Vorschein gekommen sind. 1 )

Verzwickter steht es mit der Beantwortung der von Lisch aufgeworfenen Frage, wie Herzog Magnus, beziehentlich Herzog Balthasar zu dem mit einer Zwehle umschlungenen, einen Ring haltenden Arme als Wappenbild für das Land Stargard gekommen sei. Von den älteren Erklärungsversuchen, welche sogar Anthyrius und die fabelhafte Siwa in dem vorgeblichen Schilde Pribislavs von Richenberg heranziehen, darf man billig absehen, wohl aber sind gegen einander zu halten die ältere und wohl am meisten bekannte und verbreitete Deutung, nämlich daß der Ringarm auf den Gewinn des Landes Stargard durch eine Vermählung sich beziehe, und die von Lisch gegebene, nach welcher jene Schildfigur dem Insiegel der Stadt Fürstenberg entlehnt sei.

Wie die ältere Geschichte des südöstlichen Theiles unseres Landes trotz F. Bolls verdienstlichen Buches theilweise sehr im Dunkeln liegt, so ist dies auch bezüglich Fürstenbergs in hohem Grade der Fall. Nach Latomus sollen dort schon 1278 kirchliche Stiftungen von den v. Reder und Schinkel gemacht worden sein, 2 ) der Ort wird bei Gelegenheit der Stiftung von Kloster Himmelpfort 1299 als Grenzpunkt, 1317 mit der Mühle genannt und ist durch eine Urkunde von 1318 als Stadt mit Schulzen, mit


1) Die von Lisch a. a. O., S. 94 angezogene Stelle aus Slaagert steht freilich zwischen einer Nachricht von 1493 und einer von 1498, aber das an den Rand gesetzte Anno 1494 gehört nicht Slaagert an, sondern ist ein Zusatz aus späterer Zeit. Die Nachricht bei Franck, A. u. N. M. VIII, S. 268, wo statt 1493 das Jahr 1495 steht, ist nicht belegt.
1) Die von Lisch a. a. O., S. 94 angezogene Stelle aus Slaagert steht freilich zwischen einer Nachricht von 1493 und einer von 1498, aber das an den Rand gesetzte Anno 1494 gehört nicht Slaagert an, sondern ist ein Zusatz aus späterer Zeit. Die Nachricht bei Franck, A. u. N. M. VIII, S. 268, wo statt 1493 das Jahr 1495 steht, ist nicht belegt.
2) Franck, ebd. V, S. 70.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 77 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Rath, mit Insiegel beglaubigt. 1 ) Im Jahre darauf erscheint Fürstenberg mitten unter Städten der Ukermark. 2 ) Zu dieser gehörte Fürstenberg aber keinesfalls, da die Ukermark erst 1250 von Pommern an die Markgrafen abgetreten wurde, während schon zwei Jahre früher der Markgraf Johann das östlicher, der Ukermark näher als Fürstenberg belegene Lichen gegründet hatte, und ebensowenig zum Lande Stargard, unterstand auch nicht gleich diesem dem Bischofe von Havelberg, sondern gehörte wie Lichen zum Bisthum Brandenburg. 3 ) Man wird daher mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, daß das Land Fürstenberg ein Theil der Mark Brandenburg war und daß die Stadt gleich Lichen von einem Markgrafen gegründet worden ist. Durch urkundliches Zeugniß ist das allerdings nicht nachzuweisen und auch nicht durch das alte Siegel der Stadt, da sich weder der Stempel erhalten hat, noch auch ein Abdruck desselben. Jener fehlte schon 1568, denn Herzog Johann Albrecht hat in seinem der Stadt unter dem 18. Juli gedachten Jahres ertheilten Privileg derselben aufgegeben, "ein ehrlich Siegel zu unser Stadt Nutz und Wolfahrt" machen zu lassen, 4 ) ein Befehl, dem die Stadt ersichtlich alsbald nachgekommen ist, da der älteste Abdruck des Fürstenbergischen Stadtsiegels, der auf uns gekommen, eben auch aus dem genannten Jahre datirt, wie denn die Arbeit durchaus auf die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hinweist. Nun hat aber das Privilegium weiter bestimmt, daß das neue Siegel "nach dem alten Stadt=Siegel" gemacht werden solle, und da das neue Siegel den Ringarm mit der Zwehle zeigt, so liegt es nahe zu folgern, daß auch das alte dies Bild enthalten haben werde, ein Schluß, welcher jedoch meines Erachtens fehlgeht.

Sobald die Städte in ihre Siegel nicht bloß ihren Patron - wie in Meklenburg Hagenow, Grabow, Neustadt - oder ihren Stifter - Schwerin - oder schlechthin ein Stadtbild - Boizenburg und Dömitz - oder etwas Aehnliches, z. B. eine Kirche, ein Schiff, eine Brücke - Malchow - und dergl. setzten, fügten sie solchen das Wappenbild des Stifters, beziehentlich des Landesherrn ganz oder theilweise hinzu - so Friedland, Goldberg, Kriwitz, Malchin, Neukalen, Neubrandenburg, Plau, Waren, Wesenberg, Wismar, Wittenburg - oder aber sie beschränkten


1) M. U.=B. 2582. 3894. 3976.
2) Ebd. 4130.
3) Boll, G. d. L. Stargard I, S. 177.
4) Klüver a. a. O. S. 191.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 78 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sich auf letzteres schlechthin - so Bützow, Gabebusch, Krakow, Lage, Lübz, Marlow, Rehna, Rostock, Stargard, Stavenhagen, Strelitz, Teterow, Warin - falls sie nicht noch ein besonderes Beizeichen hinzufügten, wie Grevesmühlen, Güstrow, Kröpelin, Neubukow, Parchim, Ribnitz, Sülze und Woldeck. Einige wenige Meklenburgische Städte haben ihr Siegelbild förmlich wappenmäßig gestaltet, indem sie in einen gespaltenen Schild oder Kreis vorne einen halben Stierkopf und hinten besondere Figuren setzten, deren Bedeutung bei Brüel und Sternberg 1 ) wohl sicher, bei Penzlin möglicherweise 2 ) erklärt ist, deren Deutung bei Gnoien und Tessin sowie bei Röbel aber noch völlig aussteht. Ein reines Phantasiestück bietet allein das dem fünfzehnten Jahrhundert entstammende Siegel der Stadt Schwan mit dem redenden Wappenbilde eines Schwans. In Holstein hat unter 13 Städten nur Krempe ein besonderes Siegelbild, in Pommern unter 69 sieben, in der Altmark und der Prignitz unter 25 nur zwei. Somit ist es wahrscheinlicher, daß auch Fürstenbergs ursprüngliches Siegel, wenn nicht den Stifter so doch eine Hinweisung auf denselben enthalten hätte, als irgend ein besonderes Bild, mithin nach dem oben Gesagten wie Friedland, Stargard und Woldeck einen Adler oder wie Neubrandenburg den bezüglichen Helm. Wäre das nicht der Fall gewesen und hätte das alte Siegel in der That schon den Ringarm mit der Zwehle enthalten, so würde nichts übrig bleiben als anzunehmen, daß auch Fürstenberg, wie Kiritz und Wusterhusen von den Edlen von Plate, Meienburg, Putlitz und Wittenberge von den Gans, Schlawe und Rügenwalde von den Swenzonen, Strelitz von den Grafen von Fürstenberg, von einem Dynastengeschlechte Stadtrecht erhalten hätte, welches einen Ringarm im Schilde geführt. Es ist aber nicht die geringste Spur von Dynasten in oder bei Fürstenberg, geschweige solcher, die jenes Wappenbild geführt hätten, und die Geschlechter der Mannschaft, denen ein Ringarm (oder zwei) eignete, wie die v. Oertzen, v. Stockflet und v. Schwerin, können um so weniger in Betracht kommen, als diese im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert für Land und Stadt Fürstenberg ohne alle Bedeutung sind.

Allerdings muß man aber auch an die Möglichkeit denken, daß das Siegelbild der Stadt aus freier Wahl hervorgegangen sei, und es ist zuzugeben, daß solche, so zu sagen, Phantasiebilder grade bei den mindest bedeutenden Städten gefunden werden.


1) Jahrb. 21, S. 67. 69.
2) Teske, d. W. d. G. M., S. 53.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 79 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Das sind aber durch die Bank sogenannte natürliche Figuren, wie Pflanzen, Bäume, Thiere und dergl., keine Menschen oder menschliche Glieder und am wenigsten Gegenstände, die auf ritterliche Sitten und Bräuche zurückzuführen wären, wie es bei dem mit einer Zwehle umschlungenen Ringarme doch der Fall zu sein scheint. Schon Fürst F. K. zu Hohenlohe hat auf den Zusammenhang zwischen dem Wappenbilde des Landes Stargard und einem bereits für das zwölfte Jahrhundert nachzuweisenden und in der Folge vielfach vorkommenden aufmerksam gemacht, 1 ) welches aus einem einen Ring, eine Blume oder dergl. haltenden Arme, von dem ein langer Aermel herabhängt, besteht und auf die Sitte zurückgeführt wird, daß die Damen ihrem Geliebten oder ihrem Gemahl ein Stück ihrer Kleidung gaben, wenn letztere zum Kampfe auszogen, und zwar besonders die an das Kleid nur lose befestigten Aermel, welche der Kämpe dann selbst anzog oder am Helme, am Schilde oder am Speere befestigte. 2 ) Eine Zwehle ist freilich kein Aermel, aber leicht eine Umformung aus diesem in jene, die zu einer Zeit, wo es mit dem Ritterthume längst vorbei war, doch recht wohl möglich erscheint. Schwerlich aber würde eine Stadt ein auf Minne oder eheliche Treue deutendes Bild 3 ) aus freier Wahl in ihr Siegel gesetzt haben.

Zu Gunsten der Vermuthung von Lisch, daß der Ringarm mit der Zwehle in der That das der Stadt Fürstenberg eigene Siegelbild gewesen sei, läßt sich nun freilich darauf hinweisen, daß, wie oben bereits angegeben, Herzog Johann Albrecht in seinem Privileg ausdrücklich verordnet hat, daß das neu zu beschaffende Siegel "nach dem alten Stadtsiegel" gemacht werden solle, doch ist dies Argument wirklich weniger stark, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Fürstenberg muß zu jener Zeit, wo es das gedachte Privileg erlangte, in großem Verfalle gewesen sein, denn sonst würde die Stadt kaum um ein Privileg angehalten haben, dessen Eingang nahezu so lautet, als handele es sich um eine neue Gründung, und zwar in einem Verfalle, welcher schon von lange her datirte, da in dem Anschlage der 1506 zu stellenden Mannschaft, 4 ) wenn dem erbärmlichen Abdrucke zu glauben, Fürstenberg unter den Stargardischen Städten gar nicht aufgeführt ist. Waren aber so jämmerliche Zustände in dem Städtchen vorhanden, so wird man auch annehmen dürfen, daß unter den Ein=


1) Sphragist. Aphorismen, 1882, S. 9.
2) A. Schulz, D. höfische Leben I, S. 253 f. 604.
3) Retberg a. a. O., S. 13. 14.
4) Klüver a. a. O. I, S. 181.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 80 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wohnern des heruntergekommenen Ortes niemand mehr das alte, offenbar in Verlust geratene Stadtsiegel kannte. Daß man dann in solcher Verlegenheit das Wappenbild desjenigen Landestheils, in welchem Fürstenberg liegt, in das Siegel gesetzt hat, erscheint natürlich genug, und daß jenes der Ringarm war, daran zweifelte kein Mensch. 1 ) Uebrigens ist eine solche Veränderung auch keineswegs unerhört, denn nicht allein hat man in Grabow, wie Lisch schon hervorgehoben hat, im sechzehnten Jahrhundert ein neues Siegel sich zugelegt, sondern auch in Stavenhagen im siebenzehnten einen Stierkopf an die Stelle des (Pommerschen) Greifen gesetzt, und fast scheint es, als ob auch in dem ursprünglich Wendischen Wesenberg, nachdem es 1276 an Brandenburg gekommen, eine Mutation stattgefunden hatte.

Zur Unterstützung seiner Meinung hat Lisch noch auf den Umstand hingewiesen, daß noch lange nach dem Eingehen der Grafschaft Fürstenberg die Erinnerung an dieselbe eine lebhafte gewesen, ja noch im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts nicht erloschen sei, und macht, um zu zeigen, daß die Herzoge Gewicht auf den Besitz der Grafschaft gelegt, auf mehrere Urkunden aufmerksam, in denen sie sich Grafen zu Fürstenberg tituliren. Es scheint mir jedoch, daß in allen Fällen andere Motive, als das von Lisch vermuthete, dem Titel zu Grunde gelegen hätten. Wenn Herzog Heinrich 1475 in einer Urkunde 2 ) Graf zu Fürstenberg nennt, so könnte leicht der Gegenstand, welchen sie betrifft, nämlich die Beleibzuchtung der Wittwe des letzten Herzogs zu Stargard, Anlaß zum Gebrauche jenes Titels gegeben haben, insofern etwa Heinrich durch denselben sich in jeder Hinsicht und Ausdehnung als wohlberechtigt zur Verfügung über den ganzen ihm angefallenen Landestheil hinstellen wollte. Anlangend aber die beiden Urkunden des Bischofs Rudolf, Herzogs zu Meklenburg=Stargard, von 1406 und 1408, 3 ) so halte ich dafür, daß die Einfügung des Titels eines Grafen zu Fürstenberg nicht so sehr von dem Bischofe selbst, sondern von seinem damaligen diensteifrigen Kanzler Dietrich Witte herrühre, welcher wünschen mochte die Bedeutung seines Herrn zu steigern und dem Grafen=Titel der älteren Linie einen gleichen gegenüberzustellen. Das dünkt mich um so annehmlicher, als der Kanzler in den gedachten beiden Urkunden selbst genannt wird und in einer von ihm persönlich


1) Krantz, Vand. 14, 34. Klüver a. a. O. II, S. 226.
2) Jahrb. 25, S. 118.
3) Ebd. S. 117. 121.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 81 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ausgestellten (ungedruckten) Urkunde vom 3. September 1404 ebenfalls seinen Herrn als Grafen zu Fürstenberg bezeichnet, während in den mir bekannten übrigen Urkunden des Bischofs, 1 ) in denen der Kanzler nicht genannt ist, und die in die Jahre 1392, 1394, 1397, 1399, 1408, (Juni 29) und 1413 fallen, jener Titel sich nicht findet.

Endlich hat Teske, 2 ) welcher sich für Lischs Meinung entschieden hat, auch eine unter den Herzogen Magnus und Balthasar geprägte Münze - bei Evers II, S. 41 - herangezogen, welche auf der einen Seite den "wendischen" Büffelskopf, auf der anderen die Schilde von Meklenburg, Rostock und Schwerin so im Triangel gestellt zeigt, daß in dem zwischen ihnen freigebliebenen dreieckigen Felde noch der Ringarm mit der Zwehle Platz gefunden hat, und erachtet, daß durch diese Anordnung letzteres Wappenbild als den bisherigen nicht gleichwerthig, "gewissermaßen als symbolischer Zusatz zu demselben" habe gekennzeichnet werden sollen. Mir scheint, die Sache verhält sich viel einfacher. Wie Teske selbst angibt, sind die besagten Münzen (halbe Speziesthaler) den Vier=Städte Münzen nachgebildet, die auf der Vorderseite je nach der Prägestelle den Schild von Lübeck oder von Hamburg oder von Wismar oder von Lüneburg zeigen, auf der Rückseite aber die Schilde der drei übrigen Städte mit dem unteren Rande zusammengestellt, so daß dazwischen ein kleiner dreizipfeliger Platz übrig blieb, in welchen bei den Lübecker und Wismarschen Prägungen das bezügliche Flaggenwappen, bei den Hamburgischen die Jahreszahl und bei den Lüneburgischen ein Löwe zur Füllung angebracht ist. Sollte nun von Seiten Meklenburgs eine Prägung nach diesem Muster ausgeführt werden, so blieb, da die vier Schilde des herzoglichen Wappens nicht anzubringen waren, nur der Ausweg, eines der Bilder in den von den Flaggenwappen u. s. w. eingenommenen Platz zu setzen und zwar frei und nicht auf ein Schildchen, da das Bild sonst zu undeutlich geworden sein würde. Daß dann aber zu dieser Darstellung der Ringarm mit der Zwehle bestimmt wurde, das erklärt sich doch genügend daraus, daß das Land Stargard der zuletzt der älteren Linie des Meklenburgischen Hauses zugefallene Besitz war.


1) Fromm, G. d. v. Zepelin, U. 48. Schröder, P. M., S. 1610. 1662. 1746. Westphalen l. c. p. 1005. Die Urkunde von 1397 ist noch nicht gedruckt.
2) D. W. d. Großhgl. H. M., S. 54.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 82 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Meiner Meinung nach sprechen die vorstehend angeführten Thatsachen und Umstände gegen die Herleitung des Wappens des Landes Stargard aus dem Siegel der Stadt Fürstenberg und vielmehr für die ältere, sagen wir volksthümliche Deutung des Ringarms, als symbolisire nämlich derselbe die Art der Erwerbung jenes Landestheils, also die Vermählung Heinrichs II. mit Beatrix von Brandenburg, dem nicht entgegengehalten werden darf, daß erst durch Opfer von Blut und Geld das Land fest gewonnen worden ist, da zu diesem Erwerbe doch jene Vermählung das grundlegende Moment bildete.

Vignette