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I.

Ueber die Bede in Meklenburg

bis zum Jahre 1385.

Von
Dr. F. Techen.
~~~~~~~~~~~~~~
  Motto: Allgemein=logischen Begriffen bin ich in der Grammatik feind; sie führen scheinbare Strenge und Geschlossenheit der Bestimmungen mit sich, hemmen aber die Beobachtung.     Jakob Grimm.

I m 65. Bande der Jahrbücher hat Dr. Brennecke eine sehr lehrreiche und in den Hauptresultaten unanfechtbare Darstellung über die Bede in Meklenburg veröffentlicht. Wenn ich dennoch auf den Gegenstand zurückgreife, so geschieht es aus dem Grunde, weil bei der von meinem Vorgänger gewählten systematischen Art der Darstellung die Ausdrucksweise der Urkunden nicht gebührend beachtet und in Folge davon einmal die Belege nicht genügend gesichtet, dann aber auch über die Entwicklung der Steuer nicht die Klarheit gewonnen ist, die vielleicht erreicht werden könnte. Außerdem will verschiedenes berichtigt sein. Ob meine eignen Ergebnisse der darauf verwendeten Mühe und Zeit entsprechen, mag fraglich erscheinen. Immerhin mußte ein Versuch gemacht werden, was eine Betrachtung von streng historischem Standpunkte aus ergeben möchte.

Das Material, mit dem ich arbeite, danke ich den Registerbänden des Meklenburgischen Urkundenbuchs, für die älteste Zeit aber bis zum Jahre 1300 eigner Sammlung, die ich mir durch Benutzung der Citate Brenneckes und des betreffenden Registers erleichtert habe. Außerdem sind die Urkundensammlungen für die Geschichte der Behr, der v. Maltzan, der v. Qertzen, der Hahn, der v. Blücher, der v. Zepelin, die in den Jahrbüchern gesammelten

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Urkunden und Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen durchgesehen und, soweit es angängig war, benutzt. Die spätern Wismarschen und Neuklosterschen Urkunden werfen fast nichts ab. Weit mehr, als aus den fast zahllosen Urkunden über Befreiung von Bede oder Verleihung davon zu entnehmen ist, würde zu lernen und zu sagen sein, wenn nur ein paar leidliche Bederegister auf uns gekommen wären: aber gerade daran fehlts. Mit M. U.=B. 3721, 4402 und Fabricius, rügische Urkunden Nr. CCCCL allein ist wenig anzufangen. Ob aus den von den Herzogen Magnus und Balthasar im Jahre 1489 geplanten Registern 1 ) etwas geworden und was etwa davon erhalten ist, weiß ich nicht, aus den veröffentlichten Bruchstücken aber noch späterer über die Landbede 2 ) ist über die Institution nichts zu gewinnen.

Was ich prüfend vorführen will, ist, wie schon angedeutet, in erster Linie die Benennung, die die Steuer und was mit ihr zusammenhängt, in den Urkunden findet. Gewohnheitsmäßig richten sich die Blicke zuerst auf die ältesten Urkunden, die aus dem 12. Jahrhundert.

Ausdrücke bis 1250.

Im Jahre 1150 erlaubt König Konrad dem Bischöfe von Havelberg, Kolonen anzusetzen ea libertate, ut nullus dux, nullus marchio, nullus comes seu vicecomes, nullus duocatus seu subaduocatus aliquam exaccionem exinde extorquere audeat . . ., nullus peticiones publicas ibi faciat . . ., was vielmehr allein deBim Bischofe zustehn solle; er bestätigt der Kirche 20 Hufen zu Rogätz, Hof und Dorf zu Burgstall und zu Wittmohr . . ., ut absque omni exactione possideant. . . . et quoniam aduocati plerumque solent grauare ecclesias, precipimus, ut nullus aduocatus aliquid exigat preter consuetum jus aduocacie tempore placiti (M. U.=B. 52). Gerade so drückt sich, abgesehen vom mittelsten Satze, im Jahre 1179 Kaiser Friedrich aus (M. U.=B. 130). - Im Jahre 1158 stattet Herzog Heinrich von Sachsen das Bisthum Ratzeburg mit 300 Hufen aus, wozu die Grafen von Ratzeburg beneficium suum a nobis liberum ab omni exactione nobis pro deuotione restituerunt. . . . constituimus firmiter inhibentes, ut nulli liceat in predictis mansis aliquas exactiones uel petitiones facere, sed liberi sint ab


1) Maltzansche Urkunden IV, S. 116 f.
2) Fromm, Geschichte der v. Zepelin, B, S. 121; Wigger, Geschichte der v. Blücher, I, Nr. 605, S. 534.
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omni grauamine et a wogiwotniza . . . (M. U.=B. 65). Der letzte Satz ebenso wiederholt im Jahre 1174, M. U.=B. 113. - Im Jahre 1169 ordnet derselbe Herzog zu Gunsten der drei Bisthümer im Wendenlande an, ut nulli liceat in predictis mansis (je 300 für jedes) exactiones facere, uel paratas accipere, angarias requirere, sed inmunes sint ab omni exactione et grauamine et censu ducis (M. U.=B. 90). Wiederholt im folgenden Jahre, M. U.=B. 96. - Nachdem schon im Jahre 1170 Kasimar von Pommern dem Domstifte Havelberg Broda zur Gründung eines Klosters unter Befreiung ab omni exactione juris, quod in eo habuimus, geschenkt (M. U.=B. 95; die Urkunde ist freilich gefälscht), befreit 12 Jahre später sein Bruder Herzog Bugislav daraufhin Broda ab omni exactione juris, quod ullo modo in eo habere possemus (M. U.=B. 135). - Derselbe Herr Kasimar befreit im Jahre 1174 die vom Kloster Dargun zu berufenden Kolonen ab omni exactione baronum nostrorum et omnium nobis et eis famulantium und von Diensten (M. U.=B. 114, S. 113), was Herzog Kasimar im Jahre 1219 bestätigend wiederholt (M. U.=B. 247, S. 233). - Im Jahre 1192 stattet Herr Heinrich Burwi das Kloster Doberan aus und verzichtet peticionibus et exactionibus, seruiciis. . . . homines . . . liberi sint . . . ab exstructione vrbium et pontium, ab exactione vectigalium et theloneorum (M. U.=B. 152). - Zwischen den Jahren 1196 und 1200 wird bezeugt, daß die Gräfin von Ratzeburg dem Ratzeburgischen Bisthume ihre Anrechte an Walksfelde gegeben hat: expeditiones, petitiones, borcwerch, brucwerch et omnes que fieri solent angarias siue exactiones (M. U.=B. 160), was gleichlautend im Jahre 1238 vom Herzoge Albrecht von Sachsen bestätigt wird, M. U.=B. 480. - Ums Jahr 1200 schenken die Grafen von Schwerin den Johannitern das Dorf Goddin und das Pfarrgut zu Eixen unter Befreiung ab omni exactione preter eam, quam terre defensio poscit (M. U.=B. 165); um dieselbe Zeit befreit Herr Heinrich Burwi zu Gunsten des Lübecker Domkapitels Fährdorf auf Pöl ab omni uexationis et exactionis onere . . . ita videlicet ut . . . coloni nec burchwerk operentur nec expeditiones sequantur, et a collectis et talliis, si que nomine nostro in illa prouincia facte fuerint, omnino sint immunes (M. U.=B. 167), und um die gleiche Zeit fällt die falsche Ausfertigung des Stiftungsbriefs für das Bisthum Schwerin, wonach durch Herzog Heinrich von Sachsen ville et coloni der Kirche ab omni

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exactione seculari befreit sein sollen preter judicium sanguinis (M. U.=B. 100B, S. 99).

Schon aus diesen wenigen Beispielen, deren älteste allerdings dem Zweifel Raum geben, ob sie wirklich Schlüsse auf die Zustände im Koloniallande zulassen, ist zu entnehmen, daß exactio ein weiterer Begriff ist, der vielleicht mehr vom Charakter einer Erpressung als dem einer Steuer an sich gehabt haben könnte, und bis auf Eine Ausnahme handelt es sich stets um Befreiungen davon.

Mehr bringen die nächsten 50 Jahre an Stoff und an Wechsel im Ausdruck. So gleich die dem Jahre 1208 zugewiesene Urkunde des Bischofs Philipp von Ratzeburg, M. U.=B. 182, wonach 4 Hufen des Dorfs Bentin pro omni exactione comitis, expeditione scilicet, peticione et burgwerch 4 Maß Weizen geben sollen. Befreiungen ab omni exactione schlechthin treffen wir [1217] M. U.=B. 231, 1232 M. U.=B. 408 (sine aduocatorum exactione, Pommern), 1237 M. U.=B. 461, 1239 und 1241 M. U.=B. 500 und 522 (ab aduocatia . . . et exactione), 1243 und 1252 M. U.=B. 550 und 707 (Siedepfannen in Sülze) und 1247 M. U.=B. 595 (Mühle zu Malchin), von exactio im Jahre 1217 M. U.=B. 230, ab omni exactione et aduocatorum nostrorum grauamine im Jahre 1231 M. U.=B. 386, von omni aduocacia et seculari exactione im Jahre 1244 M. U.=B. 563 (Pommern). Die Befreiung der Schweriner Bürger ab omni telonio et exactione im ganzen Herzogthume Sachsen durch Kaiser Otto IV. (M. U.=B. 202, im Jahre 1211), die der Hamburger durch Graf Albert von Holstein ab exactionis que vngelt dicitur et thelonei grauamine an genannten Zollstätten (M. U.=B. 221, im Jahre [1216]) und die der Lübecker durch die Grafen von Dannenberg, sofern sie ihren rechten Zoll zahlen (M. U.=B. 466, im Jahre 1237), gehört auf ein anderes Blatt, ist aber zur Bestimmung des Begriffs exactio in diesem Zusammenhange anzuführen. 1 ) Doppelt erscheint das Wort in M. U.=B. 239, wonach Herr Heinrich Burwi die von Doberan berufenen Kolonen befreit ab omni exactione comitum, 2 ) aduocatorum et judicum,


1) Vergl. noch die Befreiungen durch die Schweriner Grafen von theloneo et exactione que dicitur vngelt (M. U. B. 345 und 1585) und die Verleihung von libertas thelonei et exactionis (M. U.=B. 505).
2) Das für hiesige Verhältnisse unzutreffende Wort, das später ausgelassen oder durch advocatus abgelöst wird, erklärt sich daraus, daß offenbar Amelungsborn das Formular lieferte.
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ab exstructione urbium necnon ab exactione uectigalium et theloneorum et omni expedicione (im Jahre 1218), und diese Fassung halten mit unwesentlichen Abweichungen andere von Doberan oder seinem Mutter=Kloster Amelungsborn in den Ländern Rostock, Rügen, Werle erwirkte Urkunden fest M. U.=B. 415 (1233), 538 (1242), während in noch anderen derselben Klöster der Anfang ersetzt und erläutert wird durch ab omni jure uel seruicio secularis potestatis M. U.=B. 409 (1232; die vorangehende Urkunde begriff das Ganze in den drei Worten sine aduocatorum exactione) oder ab omni inquietudine comitum, aduocatorum judicum M. U.=B. 557 f. (1244), statt des zweiten exactione aber in M. U.=B. 557 f. exstorsione vorgezogen ist. Die zeitlich zunächst folgende Urkunde M. U.=B. 245, erhalten im Diplomatar des Klosters Reinfeld, bewährt in der Zusammenstellung von petitiones, precarie, exactiones von Neuem den schlechten Ruf der Urkunden dieses Klosters:: denn erst sechzig bis siebzig Jahre später finden wir diese oder ähnliches in echten Urkunden. Während nach M. U.=B. 255 vom Jahre 1219 Herr Heinrich Burwi die Hintersassen Neuklosters ab omni grauamine judicii exactionis, expeditionis et seruitiorum, quibus ceteri coloni terre grauari possunt, befreit hat (gemäß der von ihm selbst ausgestellten vorangehenden Urkunde, worin die Freiheiten Doberans zugestanden werden), so sind, was immerhin anzumerken ist, 1 ) die Befreiungen, die sein Urenkel Herr Heinrich I. im Jahre 1271 bestätigt, weit enger gefaßt, und es ist außer einem Theile der Gerichtsbarkeit nur die Freiheit vom Landdinge zugestanden (M. U.=B. 1215). Wenn im Jahre 1223 Heinrich Burwi dem Havelberger Kapitel Gaarz verliehen hat, ab incolis nichil omnino seruitii vel exactionis exigentes nisi ad communem terre defensionem (M. U.=B. 299), so erhebt sich die Frage, ob in dem aus dem Jahre 1300 stammenden Auszuge M. U.=B. 298 nicht Gardin in Gardiz zu verbessern und damals die Befreiung in die Worte sine petitione qualibet et seruitio zusammengezogen sei, was mir nicht unwahrscheinlich vorkommt. Die nächsten Stellen bringen wieder petitiones neben exactiones gestellt, so gleich M. U.=B. 260 aus dem Jahre 1219, wonach derselbe Herr dem Michaelis=Kloster zu Lüneburg Cesemow


1) Bekanntlich hat v. Buchwald in seinen Bischofs= und Fürstenurkunden S. 250 ff. aus andern Gründen die Echtheit von M. U.=B. 254 f. in Zweifel gezogen. Eine Vergleichung der Siegel von M. U.=B. 254, 268 und 284 müßte die Entscheidung bringen. Ueber all das Andere läßt sich lange hin und her streiten.
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schenkt unter Absehen von peticionibus et exactionibus et serviciis, que wlgo bur[c]werk et b[ruc]genwerk dicuntur, necnon expedicionibus. Die Form der Verleihung ist in M. U.=B. 344 vorgezogen, worin Herr Johann und seine Brüder im Jahre 1227 den Johannitern Mirow bestätigen cum . . . pet[itioni]bus et exactionibus. Dagegen vereignen im Jahre 1238 die Markgrafen von Brandenburg dem Kloster Dünamünde 30 Hufen zu Zachow und 52 Hufen zu Siggelkow derart, vt nullus aduocatorum nostrorum . . . habeat potestatem . . . siue exactiones vel peticiones in eos (homines) faciendi wider den Willen des Klosters (M. U.=B. 488). Aehnlich wie in M. U.=B. 260 ist wiederum die Befreiung Seedorfs im Lande Dassow für das Lübecker Kapitel durch Herrn Johann im Jahre 1244 (M. U.=B. 554) und auch die zwei Jahre früher erfolgte Verleihung von Rechten in Johannsdorf an dasselbe Kapitel, nur daß hier an die Stelle der Befreiung die Schenkung tritt von borcgwerc, censum porcorum, petitiones, exactiones et alia seruitia . . . preter hec que nobis et nostris aduocatis de eadem uilla exhiberi consueuerunt (M. U.=B. 534). Oefter steht beides im Singular und in der Regel mit Burgwerk und Brückenwerk verbunden sowohl in Urkunden der Fürsten von Rügen und des Herzogs von Pommern wie auch der Herrn von Meklenburg und Werle und des Grafen von Schwerin M. U.=B. 312 (1225), 331 (1226), 348 und 355 (1228), 458 (1236: omni exactione et petitione a domino terre, dapifero, aduocato et ipsorum nunciis cessante), 514 (1240), 517 (um 1240: Befreiung ab omni exactione et grauamine aduocati, uidelicet burgwerc, brugwerc, uexatione, petitione) oder 543 und 572 (1242, 1245: ab aliis angariis . . . uidelicet expeditione, petitione et quod uulgo dicitur borchwerk). Eine unechte Urkunde für das Kloster Reinfeld aus dem Jahre 1218 (M. U.=B. 246) mag sich anschließen. In drei andern ebenfalls unechten oder verdächtigen Urkunden für dasselbe Kloster aus den Jahren 1248, 1249 und 1301 taucht wieder der Plural auf und das in so ungeschickter Konstruktion, daß man einen Genetiv von exactiones abhängig zu glauben verleitet werden könnte. Es wird Freiheit zugesichert ab omni jure secularis potestatis, utpote peticionibus, exactionibus, poncium siue constructionibus cujuscumque municionis (M. U.=B. 617 und 2728) oder ab omni onere et infestatione aduocatie, peticionibus, exactionibus, pontium siue cujuscumque municionis faciende (M. U.=B. 621). Nicht daß ich bestreiten wollte, daß man die

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exactio nicht durch einen Genetiv bestimmt habe, der in der That häufig genug davon abhängt und wofür M. U.=B. 323, 391 und 552 als Beispiele gelten können, indem Herr Heinrich von Rostock im Jahre 1226 die Güter des Domstifts Güstrow ab omni exactione tam peticionum quam uectigalium et expedicione(m) et edificacione urbium et poncium befreit, im Jahre 1231 aber die Herrn von Meklenburg und Rostock dem Kloster Doberan seinen Besitz unter Befreiung von exactione vectigalium et teloniorum bestätigen und Herr Nicolaus von Werle im Jahre 1243 demselben Kloster 50 Hufen zu Zechlin verleiht und die Kolonen frei gibt . . . ab exactione vectigalium et theloneorum . . . ita ut nemini quicquam seruicii debeant ex debito nisi soli deo et Doberanensi monasterio. - Noch stehn einige Urkunden aus, worin peticio oder peticiones ohne Begleitung von exactio erscheint M. U.=B 284 aus dem Jahre 1222, wo Herr Heinrich Burwi zu Gunsten des Bistlmms Ratzeburg bewilligt, daß Manderow, Hohenkirchen und Gressow, in andern Verpflichtungen ungleich gestellt, peticiones non dabunt, M. U.=B. 252 und 582, wonach in den Jahren 1219 und 1246 die Grafen von Schwerin (in bedenklichen Urkunden) für das Kloster Reinfeld die Bauern von Lübesse und Uelitz und künftig zu erwerbenden Gütern von petitionibus befreien, und M. U.=B. 340, die zu Gunsten der Johanniter die Bauern von Moraas ab expedicione, petitione, borghwerc et brucwerc u. f. w. frei spricht (1227), wie auch Herzog Wartislav von Pommern die Bauern des Klosters Dargun zu Dukow und in der Einöde Scharpzow im Jahre 1229 a peticione befreit hat (M. U.=B. 373). - Mit bede endlich wird Clandrian vermuthlich in seinen Auszügen M. U.=B. 234, 237, 349 exactio der Vorlagen wiedergegeben haben. Im mittleren Falle (vom Jahre 1217) würde es sich, wenn der Auszug genau ist, um Verleihung gehandelt haben.

Erörterung.

Der zunehmende Reichthum an Stoff verbietet in gleicher Weise wie bisher alle Stellen mit allen Abweichungen vorzulegen. Ueberblicken wir aber die bisherigen Zusammenstellungen, so verstärkt sich nur der Eindruck, daß der exactio 1 ) ein Steuercharakter nicht bedingungslos zugeschrieben werden dürfe, wofern man nicht auch willkürliche Eintreibungen von Geld oder andern


1) Die päpstlichen Urkunden über exemptiones secularium exactionum habe ich absichtlich zurückgehalten. exactiones uel collecte seu subsidia als kirchliche Steuer M. U.=B. 5155.
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Leistungen als Steuern ansehen will. Und da petitio 1 ) ebensowohl Forderung als Bitte sein kann, so wird durch seine fast ständige Verbindung mit exactio ebenfalls zweifelhaft, ob man es schon mit Bede übersetzen darf und ob die Urkunden anderes als gelegentliche, mehr oder weniger erzwungene oder freundliche und rechtmäßige Forderungen im Auge haben, um so mehr als sie vorzugsweise Befreiungen aussprechen und die Anführung von infestacio aduocatorum oder vexatio auch zu berücksichtigen ist. Einmal ist petitio der exactio als Theil des Ganzen untergeordnet, meist aber erscheinen exactio und petitio im Singular wie im Plural in Gesellschaft von Fuhrdiensten, Diensten zu Burg= und Brückenbau, auch Kriegsdienst, seltner neben Gerichtszwang, 2 ) aber auch exactio als der allen diesen übergeordnete Begriff. Es werden also theilweise diese Leistungen den Inhalt der exactiones, 3 ) vielleicht auch der petitiones gebildet haben, 4 ) theilweise mag die Ablösung von solchen (wie auch von procuratio und hospitium z. B. M. U.=B. 1293. 1826 oder der custodia thelonei M. U.=B. 2750) sich als diese dargestellt haben. Daß daneben ohne Anlehnung an jene Verpflichtungen je nach Gelegenheit Forderungen geltend gemacht sind, ist wahrscheinlich. Auch als Strafe konnte die exactio in Anwendung kommen. 5 )

Wie es im Leben herging, kann man etwa aus folgenden Stellen abnehmen, unbeschadet, daß sie fast alle später fallen, während die ersten vorher hätten eingereiht werden können. Nach diesen bestätigte im Jahre 1237 der Herr von Rostock dem Kloster


1) Angemerkt sei das Vorkommen des Worts in besonderm Sinne in M. U.=B. 3264, wo ein Pfarrer seinen Pfarrkindern Freiheit a peticione et a denariis vnctionum zugesteht.
2) Leistungen zum Landdinge an Geld und Dienst bezeugt M. U.=B. 6450 im Jahre 1344.
3) Vgl. M. U.=B. 542 (pommersche Urkunde) ab omni exactione, ab vrbium uidelicet exstructione, pontium positione, ab expeditione. Aehnlich Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen Nr. XIII und XIX.
4) Als Object von exactio begegnet am öftesten thelonei z. B. M. U.=B. 95. 135. 600. 917. 1182, vectigalium et teloniorum M. U.=B. 239. 258. 391. 409. 552, decime M. U.=B. 1256, peticionis et theloneorum Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen Nr. XXXIX, de denariis monete, de precaria et omni genere seruitutis ebd. Nr. DCXLVIII; die peticio erstreckt sich in M. U.=B. 235 auf ein Pferd, das den Grafen von Schwerin in Rubow und Medewege zu liefern ist, quando necessitas faciendi itineris nos coarctat.
5) Der Propst des Klosters zum hl. Kreuze zu Rostock hatte die Befugniß, ungehorsame Bauern zu beschatten M. U.=B. 7710 (im Jahre 1353).
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Doberan, quod tam ipsi fratres quam fratrum homines liberi sint et immunes ab omni infestatione aduocatorum et judicii, ab urbium, pontium, aggerum exstructione, a uectigalium et theloneorum extorsione . . . seu etiam qualibet secularis juris exactione (M. U.=B. 463) und erklärten im Jahre darauf die Herrn von Mellenburg und Rostock wesentlich ebenso die homines des Klosters Dargun für befreit (M. U.=B. 479 und 490), nur daß es in M. U.=B. 490 heißt theloneorum, petitionum, vectigalium extorsione et ab omni expeditione und daß der Schluß fehlt. Im Jahre 1245 befreite Graf Günzel von Schwerin zu Gunsten des Bischofs von Ratzeburg Boissow und andere Dörfer von Diensten et omni peticione seu qualibet exactione und von lantthinc uel etthinc mit der Begründung, daß seine Beamten cum . . . racione jurisdictionis cujusdam . . . injunctum officium exercerent, ad ulteriora manus extendentes insolita et indebita exegerunt (M. U.=B. 566). Das Kloster Zarrentin hatte im Jahre 1258 Klage zu führen gehabt, daß die Vögte der Grafen von Schwerin und deren Diener seine Güter uastarent multis incommoditatibus, exactionibus uidelicet necnon peticionibus inportunis(M. U.=B. 822), und entsprechend begnadete Herr Johann von Werle das Kloster Doberan wegen der Mühle vor Plau dahin, daß keiner der Seinen es quolibet genere exactionis seu inportune peticionis valeat infestare (M. U.=B. 1614 im Jahre 1282). Herr Johann von Meklenburg aber verlieh im Jahre 1239 dem Kloster Dargun Cantim und vier Hufen zu Stassow frei et sine omni uexatione . . . ita ut nemini quidquam faciant ex debito nisi soli deo (M. U.=B. 493). Die Grafen von Schwerin verpflichteten sich im Jahre 1271 gegenüber dem Schweriner Kapitel non petitiones, non exactiones aliquas indebite in ejusdem ville (Dalberg) homines faciemus (M. U.=B. 1213). Gegen insultus und pressuras seiner Vögte wollte Herr Nicolaus von Werle die Bauern Neuklosters schützen M. U.=B. 1254 (im Jahre 1272). Im Jahre 1283 hatte Herzog Bugislav von Pommern Ursache, das Kloster Dargun für injurie et dampna zu entschädigen, si que forte aliquociens per nos vel per officiales nostros . . . fratribus sint irrogate, videlicet ipsos inquietando 1 ) vel subditos suos minus debite grauando (M. U.=B. 1687). Endlich hatte das Kloster Doberan sich im


1) Befreiung von inquietudo comitum vel juris nostri executorum oder aduocatorum vel judicum findet sich noch in Werlischen Urkunden für Amelungsborn und Doberan. M. U.=B. 557. 558. 1314. 2621.
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Jahre 1286 darüber beklagt, daß iniquitatis filii es im Dorfe Grenze exactionibus et talliis inconsuetis et indebitis passim et contra omnem justiciam non desinunt molestare (M. U.=B. 1828); der Markgraf von Brandenburg aber befreite im Jahre darauf Hof und Hufen zu Starsow ab illo quod vnrecht proprie dicitur . . . et ab omni vexacione et molestia, quibus per nostros officiales grauari poterit (M. U.=B. 1917).

Anderes hierher Gehörige wie exactiones juste et injuste weiter unten.

Spätere Ausdrücke.

In den Anführungen von Urkunden aus der folgenden Zeit erstrebe ich Vollständigkeit bis zum Jahre 1350, wogegen ich später nur die wichtigeren Stellen auswähle. Befreiung von exactio der pommerschen Herzoge oder ihrer Edlen (barones) und beider Amtleute bestätigt Herzog Barnim von Pommern dem Kloster Dargun für seinen von seinen Vorfahren erhaltenen Besitz und befreit die Bauern des Klosters in bonis, que nos donauimus, von omni exactione seculari, M. U.=B. 1071 (1266). Sonstige Befreiungen von (jeder) exactio (in der Regel in Verbindung mit Burg= und Brückenbau und Fuhrdienst) sind beurkundet in M. U.=B. 749 (1255), 792 und 807 (1257), 952 (1262), 1039 und 1047 (1265), 1282 (1273), 1509 (1279), 1578(1281), 1687 und 1694(1283), 1826 (1286), 2118(1291), 2336 (1295), 2873 (1303), 3457 und 3475 (1311), 7275 (1313), 4563 (1324). Verleihung sine exactione speciali M. U.=B. 714 (1253). Befreiungen von exactiones M. U.=B. 1469 (1278), 1766 (S. 156, 1284), 1809 (1285: exactiones juste et injuste. Reinfelder Urk.), 3221 (1308). Kaum anders sind M. U.=B. 1165 (1269) und 1251 (1272) zu verstehn, worin Herr Waldemar von Rostock der Königin Margarete von Dänemark das Eigenthum seu jus, qvod ratione dictorum agrorum (die sie erwerben will) ad nos contingit in exactionibus, decimis, siluis u. s. w., diese aber in ähnlicher Weise dem Kloster zum h. Kreuze das Dorf Schmarl schenkt. Vereinbarung über die jährliche Leistung, wenn die Hufe im Lande Werle in exactione soluerit vnam marcam M. U.=B. 3271 (1309). - Befreiung von exactio und (oder) petitio wird ertheilt in M. U.=B. 674 (1251), 958 (1262), 982 (1263), 1146 und 2695 (1268), 1170 (1269), 1195 (1270), 1293 (1273), 1371 (1275), 1403 (1276), 1444 (1277), 1492 (1279), 1576 (1281), 1770, 1784, 1797, 1814 und 18I7 (1285), 1873 (1286), 1940 und 1990 (1288), 2001 (1289), 2163 (1292), 2239 (1293), 2335 (1295), 2496 u. 2525 (1298), 3175 u. 3187 (S. 360, 1307), 6402 (1344);

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von peticio siue exactio uiolenta und exactio siue peticio unter Vorbehalt einer gewissen peticio 1550 (1280); von jeder actio seu peticio 1919 (1287). Verleihung mit petitione et exactione qualibet, seruitio, extructione vrbium et pontium M. U.=B. 672 (1251), eines Antheils in peticione, exactione 1633 (1282), cum seruitio, petitione, exactione M. U.=B. 1196 (um 1310; vgl. Jahrb. 43, S. 83 Anm. 3). Befreiung von exactiones und (oder) peticiones (fast zur Hälfte in Reinfelder Urkunden) M. U.=B. 916 f. und 928 (1261), 1013 (1264), 1185 (1270), 1224 (1271), 1243 (1272), 1729 (1284), 1804 (1285; juste vel injuste, Reinfelder Urk.), 3491 (1311). Verkauf mit peticiones und exactiones M. U.=B. 1324 (1274; bestätigt 2928 im Jahre 1304, 4233 im Jahre 1320), 1466 (1278). Befreiung von ungebührlichen petitiones und exactiones M. U.=B. 1213 (1271), von quolibet genere exactionis seu inportune peticionis M. U.=B. 1614 (1282). Befreiung von exactione, que dicitur annua petitio M. U.=B. 2165 (1292); von exactio peticionis oder peticionum s. weiter unten unter petitio; von allen exactiones preter peticionem solitam M. U.=B. 3237 (1308). - Die Herzoge von Sachsen beurkunden die Befreiung von Gütern des Ratzeburger Kapitels von peticione majore et minori, ab exactionibus . . . in porcis (pecoribus), in pecunia, in annona M. U.=B. 2275 (1294) und 2307 (1295; bestätigt 4493 im Jahre 1323), 2793 (1302; bestätigt 4016 im Jahre 1318), 2794 (1302), 3540 (1312).

Ohne exactio erscheinen peticio oder peticiones in folgenden Urkunden. Graf Günzel von Schwerin gewährt dem Kloster Zarrentin die Gnade, daß seine Beamten hinfort nicht mehr bona sua siue ad pignora accipienda siue ad peticiones uel alias quascunque angarias faciendas betreten, vielmehr der Propst, si quid ad nos pertinet in hiisdem bonis siue ex jure siue ex peticione, das abliefern soll M. U.=B. 822 (1258). Befreiung von peticiones M. U.=B. 1233 (1271), 2004 (1289), 3850 (1316), 4665 (1325); von omnis peticio dominorum 2238 (1293); von peticio M. U.=B. 789 (1257), 1413 f. (1276), 1504 (1279), 2162 (1292); von exactio peticionis 1781 (1285), von exactio peticionum M. U.=B. 1292 und 1347 (1273 und 1274). Bestätigung von Besitz ohne Vorbehalt von peticio M. U.=B. 1868 (1286). Verleihung von peticiones M. U.=B. 2200 (1293), 2929 (1304), der peticio M. U.= B. 2549 1 ) (1299). Be=


1) Diese Urkunde ist trotz 2549n. noch als 7262 unter falschem Jahre nachgetragen.
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dingter Vorbehalt der peticio M. U.=B. 801 (1257), 3090 (1306). peticio generalis M. U.=B. 801 (1257), 1472 (1278), 3694 (1314). communis et generalis p. 3425 (1310). communes peticiones 1213 (1271). Verleihung der minor peticio M. U.=B. 4794 (1326), Vorbehalt derselben M. U.=B. 3540 (S. 654, im Jahre 1312), der p. eines Pferdes M. U.=B. 235 (1217).

Neben exactiones oder exactio treten collecte . . ., munera et onera M. U.=B. 1199 (S. 391, im Jahre 1270), 1285 (1273), tallie M. U.=B. 1828 (1286), 4167 (1320), talliaciones M. U.=B. 2947 (1304), tallie, peticiones majores et minores, incisiones porcorum M. U.=B. 3198 (1307), tallie et peticiones pecudum aut pecuniarum M. U.=B. 8893 (1361), prestacio M. U.=B. 5643 (1336). Allein erscheinen collecte et tallie M. U.=B. 730 (1254), 3996 (1318), 4802 (1327), talliare 2920, 2929 (1304), munera seu prestaciones M. U.=B. 2381 und 2536 (1296 und 1299). Vgl. den genaueren Ausdruck in M. U.=B. 2480.

Nun erst treffen wir auf das Wort, das fürder der terminus technicus für die Bede werden sollte, precaria. Ursprünglich ist es adjectivisches Attribut zu exactio, seltner zu peticio. Befreiung ab omni exactione precaria seu violenta M. U.=B. 1788 (1285), 2311 (zwischen 1292 und 1296, vollständig als 8426,1), 2612 (1300), 2777 (1302), 3126 (1306), 3244 (1308), 4178 (1320), oder von peticio violenta uel precaria M. U.=B. 2570 (1299), peticiones precarie auf violente M. U.=B. 3425 (1310), oder neben precaria exactionum violentarum grauamina und wiederum neben exactiones peticiones precarie M. U.=B. 4435 f. (1323), endlich precarie exactiones et violente M. U.=B. 8925 (1361) - lauter Urkunden für das Domkapitel oder den heiligen Geist zu Lübeck oder für dortige Bürger: nur 2311 und 8925 für Hospitäler des h. Geistes zu Ribnitz und Gadebusch. Ferner findet sich exactio precaria seu quelibet alia M. U.=B. 2169 (1292), 2502 (1298), precaria peticio 1 ) M. U.=B. 3022 (1305), 3220 (1308), 3379 (1310), 3645 (seu tallia 1313), 4436 (1323), 8988 (1362), exactio precaria M. U.=B. 1548 (1280), 1610 (1282), 1917 und 1936 (1287), 2290 (1294), 2938, 2939, 2942, 2954, 2959 (alle vom Jahre 1304), 3323 und 3329 (1309), 3543 (1312), 3883 (1317), 4056 und 4147 (1319),


1) Als vollkommen sicher ist es natürlich nicht zu behaupten, daß pr. hier in jedem Falle als Attribut gemeint sei, ebensowenig wie später, daß es beigeordnet und nicht auch einmal untergeordnet sein soll.
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5745 (1337) - fast lauter werlische, brandenburgische, pommersche Urkunden, nur eine einzige meklenburgische. solucio precaria M. U.=B. 2924 f. (1304). precaria pensio M. U.=B. 4972 (1328). Auch die Gegenüberstellung von peticio seu exactio aliqua violenta und einer mit dem Lande vereinbarten Steuer M. U.=B. 1550 (1280) gehört hierher. Des weitern erscheint precaria 1 ) oder precarie selbständig und so häufig, daß man fragen kann, ob es gerechtfertigt sei, alle Stellen herzuzählen. Ich thue es auch nur darum, weil so die vorherrschende Stellung des Ausdrucks am besten anschaulich wird. M. U.=B. 1317 (1274), 1409 [1276], 1490 [1279], 7203 (1280), 2181 (1292), 2413 (1296), 2499 und 2509 (1298), 2617 (1300), 2743 (1301), 2792, 2820, 2825, 2828 (1302), 2861, 2870, 2872 (1303, hierunter die ersten meklenburgischen Urkunden, bisher hauptsächlich werlische), 2922 f., 2937(1304), 3081, 3083, 3085, 3094, 3121, 3129(1306), 3154, 3163, 3190, 3199 (1307), 3222, 3247 (1308), 3281, 3299, 3305, 3308, 3315, 3321, 3327, 3337, 3339, 3345, 3346 (1309), 3387, 3394 (1310), 3463, 3497, 3532, 3568, 3587, 3598, 3660, 3687, 3715, 3721, 3740, 3759, 3782, 3789, 3833, 3841, 3847, 3970, 4010, 4030, 4060, 4063, 4065, 4173, 4175, 4178, 4180, 4187, 4221, 4257, 4324, 4329, 4340, 4402, 4422, 4426, 4433, 4435, 4451, 4474, 4475, 4477, 4479, 4525, 4526, 4532, 4544, 4554, 4572, 4585 (precaria uel peticio), 4586, 4616, 4622, 4623, 4667, 4692, 4694 f., 4708, 4738, 4763, 4772, 4778, 4827, 4833, 4835, 4843, 4864, 4866, 4875, 7312, 4887, 4900, 4960, 4966, 4999, 5007, 5014, 5017, 5123, 5134, 5152, 5153, 5154, 5175, 5229, 5263, 5276, 5312, 5313, 5343, 5363, 5370, 5375, 5411, 5442, 5447, 5495, 5496, 5528, 5546, 5605, 5608, 5646, 5649, 5675, 5703, 5713, 5726, 5732, 5733, 5738, 5776, 5793, 5803, 5827, 5832, 5848, 5857, 5864, 5865, 5894, 5945, 5965, 5971, 5980, 5981, 5999, 6022, 6027, 6029, 6033, 6112, 6124, 6130, 6152, 6198, 6229, 6249, 6257, 6301, 7378, 6309, 6327, 6334, 6338, 6341, 6353, 6379, 6380, 6386, 6390, 6401, 6409, 6418, 6440, 6450, 6451, 6485, 6496, 6537, 6549, 6565, 6586 (über 6402 berichtend, wo die Steuer exaccio, peticio genannt wird), 6612, 6613, 6658, 6659, 6683, 6796, 6831, 6838, 6895, 6916, 6934, 6976, 6978, 6991, 7003, 7008, 7041, 7069, 7118, 7124, 7125 und so fort.

Der deutschen Benennung bede begegnen wir zuerst (da von Uebersetzungen aus späterer Zeit natürlich abgesehen werden muß)


1) Auch in den Urkunden des Fürstenthums Rügen kommt pr. nicht früher vor, zuerst im Jahre 1284, Nr. CLXII.
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i. J. 1257 in der Zusammensetzung bedecorn (M. U.=B. 792), dann erst i. J. 1304 solucio precaria, que bede dicitur in wigari (M. U.=B. 2924), 1311 precaria que vulgariter bede dicitur (M. U.=B. 3497), i. J. 1312 M. U.=B. 3563 (einer unechten Urkunde), 3564, 1323 (M. U.=B. 4452, 4154 fällt nach 1320) und in der Folge öfter M. U.=B. 4459, 4612, 4717, 4793, 4959, 5081, 5169, 5242, 5584, 5949 B, 6169, 6282, 6458, 6536, 6559, 6757, 6898, 6915, 6918, 6928, 6931, 6950, 6975, 7009, 7010, 7033, 7049. Außerdem in Zusammensetzungen penninchbede (M. U.=B. 5764, 5765, 6206), kornebede (M. U.=B. 5764, 5765, 6206, 7009, 7010) und - das aber in Uebersetzungen - landtbede M. U.=B. 7258 und 7290. - Oft findet sich precaria neben exactio im Singular wie im Plural, auch eins im Singular und das andere im Plural. Befreiungen davon M. U.=B. 2718 und 2719 1 ), 1971 (1288), 2415 A (1296 ab omni exactione precaria et molestia; in B: precaria . . ., denarii monete . . . seruitia petitionum), 2431 (1297), 2582 (1299), 2750 (1301), 2948 (1304), 3023 (1305), 3238 (1308: jus precarium), 3443 und 3500 (1311), 3659 und 3663 (1313), 3698 (1314), 3956 (1318 Bestätigung; in der zu Grunde liegenden Urkunde 1788: exactio precaria seu violenta), 4303 (1321), 4699 (1326), 5002 (1328; in 5017 zusammen gefaßt in precarie), 5461 (1333), 5550 B und 5561 (1334), 5567 (1335), 5873 (1338), 6360 (1343). Verleihungen derselben M. U.=B. 2429 (1297), 3641 (1313), 3698 (1314), 3932 (1317), 4025 (1318), 4203 (1320), 4301 (1321), 4597 (1325; in 5343 nur precarie), 5689 (1336), 5802 (1337), 5846 (1338), 6297 (1343), 6378(1344), 10014(1370). Verleihung von precarie, exactiones und Befreiung von speciales exacciones seu precarie 6539 (1345). Normirung der Leistung bei generalis exactio seu precaria 3040 (1305). Neben precaria und exactiones stehn ministracio exactionum et precariarum prestacio 5415 (1333), precariarum exactiones 6457 (1344).

Hieran schließe ich eine Anzahl Stellen an, nach denen man glauben sollte, daß zwischen exactio und precaria kein wirklicher Unterschied bestanden hätte und nur die beliebte Häufung gleichartiger Bezeichnungen vorliege, womit man sein Recht desto besser zu sichern wähnte, um darauf andere folgen zu lassen, die beides deutlich unterscheiden.


1) Diese Urkunden aus dem Jahre 1285 sind verdächtig, wie außerdem die beiden ältesten das Wort precaria enthaltenden M. U.=B. 245 und 1017, worüber S. 5 und 19.
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Während der Ritter Gottschalk Storm eine Hufe zu Meklenburg absque precaria et exactione quacunque verkauft (M. U.=B. 4978), spricht Herr Heinrich von Meklenburg sie frei von jeder Verpflichtung ad aliquam precariam pensionem seu ad aliquod seruicii onus (4972, 1328). Aehnlich hat Herr Albrecht von Meklenburg von zwei Hufen zu Lüdershagen und Bartelshagen precarias et quascunque alias exactiones, quo nomine eciam censeantur, verliehen und die Bauern ab omni exactione et angharia ac molestia befreit (6269, 1343), wogegen im Berichte darüber (6280) nur precarie genannt werden. Derselbe Herr bestätigt dem heil. Geiste zu Wismar den Hof Klüßendorf frei von precaria, die er sich nur vorbehalten wissen will, wenn Hufen davon an Bauern ausgethan oder verpachtet werden, wogegen sie ihm bei Eigenwirthschaft oder bei Verheuerung um einen Antheil am Ertrage ad nullam exactionem et seruicium verbunden sein sollen (6179, 1342). Zu Alt=Gaarz aber hatte er kurz vorher zwei Hufen verliehen cum omni precaria und Hufen wie Bauern von Burgdienst, Landwehr und allem ihm schuldigen Dienste befreit, dem Käufer aber omne onus exactionis et seruicii zugesprochen (6084, 1340). Dem Kloster Ribnitz verkaufte er zu Schmachthagen und Klockenhagen außer dem Eigenthume omnem exactionem qua(m)cunque de causa recipiendum und zu Dalwitz 3 1/2 Hufen cum . . . precaria (5949 A, 1339), was in der deutschen Ausfertigung wiedergegeben wird durch alle bede, also dat wi dorg nynerleye sake bede nemen scolen van den vorghenanten hagenen (5949 B). Eine Vicarei wird mit Einkünften von fünf Hufen . . . precaria et exactione . . . errichtet; davon liegen drei Hufen in Kleinen, wovon 4 M. pro precaria fallen, zwei Hufen zu Biendorf mit precaria (6110, 1341). Die v. Stralendorf verkaufen dem heil. Geiste zu Lübeck zu Seedorf, Brandenhusen u. s. w. omnes precarias, exactiones, deriuationes, die Bauern aber verpflichten sich, von jeder Hufe loco precarie 2 M. lüb. zu zahlen (6469, 1344).

Nun die andern Urkunden. Im Jahre 1323 verkaufen die Preen und Genossen Weitendorf und drei Hufen zu Wangern an den heil. Geist zu Lübeck zum Theil mit, zum Theil ohne precaria, de quibus mansis precaria dabitur, prout de mansis per communem terram Pole dabitur, unter Befreiung von seruicia, prestaciones vel exactiones seu vectigalium onera (4433). Aehnlich 6208 (1342). In der Bestätigung des Verkaufs einer Hebung aus Niendorf auf Pöl, wobei die precaria vorbehalten war, bestimmt Herr Heinrich von Meklenburg, quod . . . nobis . . .

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et prenominatis collatoribus (den Preen und Genossen) . . . ad nulla seruicia . . . auf exactiones tenebuntur, sed solummodo . . . collatores . . . reseruabunt . . . precariam (4889, 1328). Herr Albrecht von Meklenburg: cum . . . Ericus rex Dacie dem Kloster Doberan precariam in Parkentin, Bartenshagen, Stöbelow . . . obligasset . . . und Doberan propter eandem precariam ab aduocatis nostris vexaciones multiplices sustineret, so verpfändet er precariam totalem et integram cum judicio majori ohne Vorbehalt für die Vögte und befreit die Bauern ab omni exactione aduocatorum uel judicum (5411, 1333). Derselbe bestätigt den Kauf von Hufen zu Niendorf bei Drewskirchen absque aliquo seruicio et exactione, precaria nostra nichilominus excepta (5941, 1339), behält sich in andern die gewöhnliche precaria vor, nichilque vitra hoc indebiti seruicii seu exactionis velimus postulare (6021, 1340); behält in Pepelow die gewöhnlichen precarie und verbietet seinen Vögten cum aliquibus exactionibus seu oneribus, preterquam premissum est, aliqualiter inbrigent vel offendant (6772, 1347). Die Herrn von Werle verpfänden Hufen zu Rittermannshagen cum . . . omnibus precariis, majori et minori, annona canina, moneta . . . in istis bonis nos nostrique aduocati . . . nulla seruicia nec precepta exigere debent nec habere (6978, 1349). Die Herzoge von Meklenburg bestimmen die Freiheiten des Doberanschen Dorfs Bastorf cum omnibus precariis unter Befreiung ab omnibus seruiciorum oneribus, videlicet vectigalibus . . . theoloniis seu aliis angariis <et exactionibus> quibuscumque (7036, 1350, wobei anzumerken ist, daß in einer Ausfertigung et exactionibus fehlt). Im Jahre 1361 vereignet Herzog Albrecht Saunstorf . . . precariis nobis . . . reseruatis und verbietet seinen Beamten Hof und Dorf cum aliquibus exaccionibus seu oneribus heimzusuchen (8919). Endlich verkauft Joachim Nortman Hebungen aus Glasewitz und Prutzekendorp, nec debent coloni per me . . . vitra debitam et consuetam precariam terre seu annonam canum . . . angariari . . . nec michi . . . ad aliqua seruicia seu exactiones obligari (9325, 1365).

Außer exactio begegnet noch petitio neben precaria, öfter so, daß die Konstruktion zweifelhaft ist. Zuerst in Fälschungen des Klosters Reinfeld, deren eine gerade durch die Vorzeitigkeit des Ausdrucks als solche erwiesen wird. Sie bezeugen Befreiungen von obsequio, petitionibus, precariis, exactionibus et expeditionibus et aduocatorum grauaminibus (245,

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1218) und von omni onere et grauamine aduocatorum, peticionibus, expedicionibus, precariis, exactionibus et a censu et peticione, quod dicitur hundekorn (2821, 1302). Befreiung von exactio und peticio generalis oder precaria (2873, 1303), ähnlich 3694 (1314). Verleihung von precaria und peticio generalis an Ivenack unter Verbot für die Beamten in dessen Gütern aliquid petere vel exigere (2937, 1304; falsche Urkunde). Unter Verzicht auf exactiones werden dem Grundherrn peticiones, precarie zugewiesen (4436, 1323. Vgl. 4435, wo precaria in Gegensatz zu exactiones violente gestellt war). Im Jahre 1327 verkauft Herr Heinrich von Meklenburg dem Kloster Dargun zu Walkendorf, Polchow u. s. w. außer andern Rechten omnes precarias seu peticiones, exactiones et requisiciones und bewilligt, daß seine Vögte die Dörfer nicht mehr betreten ad judicandum, prejudicandum, inpignorandum vel quicquidlibet exigendum et requirendum occasione judiciorum, precariarum, sectionis lignorum, vectigalium, angariarum et necessitatum quarumcunque (4797, was in 4798 referirend unter precarie zusammengefaßt wird). Die Herren von Werle belehnen Andreas v. Flotow mit Stuer cum omni precaria unter Verzicht auf exactio, so daß die Bauern frei sind ab omni onere vectigalium, peticionum, exactionum u. s. w. (6069, 1340) und befreien die Bauern von Kakeldütten von precaria . . . exactiones . . . vel aliqua seruicia peticionum (6188, 1342). Die Herzoge von Meklenburg befreien die Güter des Klosters Neuenkamp im Lande Barth für drei Jahre ab omnibus exactionibus, peticionibus, precariis et grauaminibus . . ., licet ad omnia hujusmodi predicta minime teneantur, in Wirklichkeit, so daß durch niemand cujuslibet eciam occasionis seu noue adinuentionis pretextu aliqualis exactio uel peticio . . . extorqueatur (6625, 1346). Und schließlich verbietet Herzog Albrecht seinen Beamten, Rüggow cum aliquibus precariis, peticionibus, exactionibus, seruiciis . . . inpetant (6758, 1347).

Die precaria und exactio begegnen noch in anderer Begleitung zunächst mit petitiones, hernach ohne diese. Gegen Erhöhung des Zinses befreit Herr Heinrich von Meklenburg die Bauern von Gr.=Görnow ab omni exactione uiolenta siue precaria, firmiter promittentes eos aliquibus exactionibus seu petitionibus nicht zu beschweren (3244, 1308; in der Bestätigung collecte et tallie ac precarie 3245). Joh. v. Plessen und Joh. Moltke befreien die Güter des Klosters

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Neuenkamp im Lande Barth für sieben Jahre ab omnibus exactionibus, peticionibus oportunis et inportunis, requisitionibus justis vel injustis, grauaminibus seu talliacionibus precariarum, annone, pecorum aut aliarum quarumcunque rerum, que . . . generali vel speciali exactione vel requisitione . . . poterunt quomodolibet extorqueri (5627, 1335), desgleichen Herr Albrecht von Meklenburg für vier Jahre ab omnibus inpeticionibus, exactionibus, peticionibus seu talliacionibus precariarum, annone, pecorum aut aliarum quarumcunque rerum (5889, 1338; eine spätere etwas anders gefaßte Befreiung ist kurz vorher gegeben). Herr Nicolaus von Werle verzichtet auf omni juri . . . exactionum, precariarum . . . et generaliter omnium munerum et onerum von den Besitzungen der Johanniter, und es sollen von ihm und seinen Beamten nie precaria . . . vel aliqua seruitia petitionum seu expeditionum verlangt werden (2726, 1301.). Obgleich das Lübecker Kapitel von Herzog Heinrich d. L. her Fährdorf frei von vniuersis seruitutibus, muneribus et exactionibus besitzt, bestätigt Herr Heinrich von Meklenburg ihm die Freiheit ab omni vectionis et exactionis onere und von collectis, talliis et precariis (2480, 1298) und verleiht im gleichen Jahre dieselbe für Duden=Stiten (2481) und Hagebök (2482). Befreiung wird ertheilt von exactiones, precarie auch für Fälle, wo von Kirchengut tallie seu collecte mit Recht erhoben werden könnten (5002, 1328; in 5017 zusammenfassend nur sine precariis), von talliacio vel exactio ohne Vorbehalt in precaria (5576, 1335), von contribucio et exactio unter Vorbehalt der precaria nuda (6174, 1342). Auf die Klage des Lübecker Kapitels über zu Unrecht erfahrene offense, tallie et exactiones (8599. 13) wird es frei gesprochen von injurie, violencie, tallie et exactiones . . . aut vectigalia oder precarie (8599. 14, 1360), was Herzog Albrecht von Meklenburg anerkennt (8890, 1361). Den v. Lützow verleiht derselbe Fürst im Jahre 1365 in Dörfern des Landes Gadebusch omnes et singulas precarias tam estiuales quam hyemales nobis de jure uel consuetudine debitas, hactenus inpositas uel inponendas, . . . et eciam quascunque alias exacciones et talias nobis dari consuetas (9337). Helmold von Plessen und Genossen verkaufen fünf Hufen zu Timmendorf mit precaria, weiter sollen jedoch weder Bauern noch Käufer ad aliqua . . . vectigalium onera nec ad aliqua violentarum exactionum, prestacionum seu precariarum grauamina herangezogen werden (4178, 1320); ebenso 4180 und

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ähnlich, nur daß hier und da die precaria vorbehalten wird, 4433, 4479 (1323), 4525 (1324), 4692, 4695 (1326); precarie, exactiones, prestaciones, ministraciones 4927, 4928 (1328), 5221 (1331), 5404 (1333); prestationes, donationes, angarie, exactiones, precarie et depactaciones (5363, 1332); precaria . . ., exactionum, prestacionum, ministracionum, donacionum aut quorumcumque aliorum grauamina (5610, 1335). Verkauf von A.=Bukow cum omni precaria solita et insolita unter Befreiung von exactiones, prestaciones, seruicia et vectigalium onera solita vel insolita (6060 f., 1340). Der precaria steht gegenüber prestaciones vel (et) exactiones in 6208 (1342), 7432 (1351), exactio siue prestacio in 7433 (1351). Verleihung von Dörfern cum omnibus precariis et ministracionibus, unter Befreiung von exacciones oder exacciones, prestaciones für Landesherrn und Vögte 5359 (1332), 5748 (1337), 11228 f. (1379). Befreiung von exactio . . ., precarie, depactaciones 3063 (1306). - Als eigenartig, wie man jetzt gern sagt, füge ich noch eine Urkunde an, wonach Bischof Herman von Schwerin die von Schlemmin nach Moisall verlegte Pfarre mit zwei Hufen dort ausgestattet und für den Fall, daß aliqua depactacio seu exactio ibidem vigeret, den Pfarrer ab his oneribus und zugleich ab omni exactione, precaria et depactacione befreit und ihm und seinen etwaigen Bauern alle geistliche und weltliche Freiheit zugesichert haben soll (1017, 1264). Ich halte diese nur in Abschriften eines spätern Transsumpts erhaltene Urkunde für eine Fälschung wegen ihres Inhalts und ihres Ausdrucks, und die Ueberlieferung mag auch nicht ohne Ursache so mäßig sein. Die genannten Zeugen vermögen den Verdacht nur zu bestärken, wogegen Datirung und Beschreibung des Siegels für die Echtheit sprechen.

Es folgen die Urkunden, worin neben precaria petitio steht (wegen petitio violenta und precaria, petitio precaria s. vorher). An drei Stellen tritt das eine Wort für das andere ein M. U.=B. 1865 (1286), 2873 (1303) und 3089 B (1306); an andern ist petitio das umfassendere, wie es scheint: Verleihungen cum omni precaria . . . oder von omnes et singule precarie . . . et quicquid a nobis peticio dici potest (in futurum) oder quicquid a nobis . . . petere contingat in futurum M. U.=B. 10857 (1376), 11633 (1384), 11004(1377). precaria major et minor, simpliciterque illa peticio scilicet precaria, quam . . . petere contingerit 3022 (1305). precaria und seruicia petitionum 2415 B (1296; in A: exactio, precaria

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et molestia), 2514 (1298), 2726 (1301). peticio und (oder) precaria 3422 (1310), 5261 (1331, referirend in 5313 nur precaria), 11471(1382). precaria siue peticiones 4165 (1320). - peticio violenta uel precaria neben prestacio 2570 (1299). precaria, peticio seu tallia, exactio tallie seu precarie (Gen. Sing.), precaria et tallia in Einer Urkunde M. U.=B. 3645 (1313).

Andere Leistungen neben precaria: tallie M. U.=B. 5001 (1328). contributiones, vecture, vexaciones, angarie et p[a]rangarie et alie infestaciones 5316 (1332). Graf Nicolaus von Schwerin bestätigt dem Schweriner Kapitel seine Rechte und Privilegien circa aduocacias, prestaciones, euectiones, precarias justas et injustas 4786 (1326). prestaciones et donaciones neben precaria 4257 (1321), 4919, 4924 (1328), 5031, 5033, 5098 (1329), 7788 (1353). Verleihung cum omnibus precariis et ministracionibus quibuscunque 2452 (1297), 5611 (1335).

Wichtiger, aber unerklärt 1 ) ist das Auftauchen von grevenscat neben der Bede allerdings nur in zwei Urkunden, worin die Herrn Heinrich von Meklenburg, Vater und Sohn,, oder der letzte allein dem Lübecker Domkapitel sechs Hufen zu Holzendorf oder Gr.=Görnow bestätigen und die Bauern befreien ab omni exactione violenta seu precaria, a seruitio, quod borchwerch et bruchwerch dicitur, a greuenscat, vectura et aratura M. U.=B. 2612 (1300), 3126 (1306). - Nur der Vollständigkeit wegen sei endlich erwähnt, daß eine einmalige Leistung, zu der sich das Kloster Ivenack gegenüber Herrn Johann von Werle wegen Grischows und Weitendorfs verstand, in Gegensatz zu peticio seu precaria, deren es sich mit Erfolg erwehrte, subsidium caritatiuum benannt wird M. U.=B. 11471 (1382).

Der Verbindung exactio und precaria entspricht im Deutschen die von schattinge und bede, die freilich spärlich und spät 2 ) auftaucht. Zuerst in einer Uebersetzung von zweifelhafter Zuverlässigkeit. Verleihungen von alle landeschattinge (aller hande sch.?) vnd bede M. U.=B. 4026 (1318), mid aller bede . . . vnd mid aller schattinge 8220 (1356), bede, schattynghe . . . edder yengherhande vmplycht, de nu bedacht ys, efte de me bedenken moghe 10596 (1374), mit . . . bede . . . unde


1) Denn mit exactio comitum (S. 4 f.) kann es nicht auf gleiche Stufe gestellt werden, wenn jenes auch die genaue Uebersetzung hiervon ist.
2) M. U.=B. 377 kann als Fälschung (s. die Anm. zu M. U.=B. 1284) dem nicht entgegengehalten werden. scattinghe bei Fabricius, rügische Urkunden Nr. CCLXXXV i. J. 1300.
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mit al deme, dat de heren bidden vnde beden moghen . . . mit aller beschattinghe vnde dwanghe 11019 (1377). Verleihung von Besitz mit Eigenthum sunder alle denest vnde beschattinghe unter Vorbehalt der beede 9136 (1363). Befreiungen: will nyne hede . . . grot edder luttik edder andere bede, de noch nicht bedacht is, nyne boschattinghe d o n, nyne voderinghe, nyn legher, nyne hulpe esschen to lantwere edder to hervart 10604 (1374). Verleihung mit aller bede unter Befreiung von schattinge, bede, plicht edder vnplicht, deze jo tø van der herschop ghewezen syn edder nog mochten werden 11538 (1383). bede oder schat 9374 (1365). -Nach 1351 erscheint öfter die Formel bede, de wi bidden edder beden mogen. Die Stellen sind den Registern mühelos zu entnehmen. - In Schweden anlaghe edder bede M. U.=B. 10654 (1374).

Erörterung.

Aus dem Bisherigen dürfte sich ergeben, daß exactio (schattinge) von precaria (bede) sehr zu unterscheiden ist, wenn auch unleugbar daneben Beispiele vorliegen, wonach es auch als der umfassendere Begriff für dieses und synonym mit petitio und precaria angewendet worden ist. Vorzugsweise scheint es die Leistungen begriffen zu haben, die die Fürsten und ihre Beamten kraft ihrer obrigkeitlichen Gewalt entweder schlechthin erzwungen 1 ) oder an der Hand der Verpflichtungen zu Diensten oder des Gerichtszwanges den Unterthanen abgedrungen haben oder womit sie sich Erleichterungen hierin haben abkaufen lassen. petitio wird meist der precaria entsprechen, einem Ausdruck, der erst im letzten Viertel des dreizehnten Jahrhunderte in werlischen und erst nach 1300 in meklenburgischen Urkunden vorkommt, um rasch die technische Bezeichnung zu werden. Denkbar ist daneben, daß bede auch exactio vertreten kann. Durchaus zurückzuweisen ist die Auffassung Brenneckes, der auf Seite 31 gesetzmäßige Steuern, zu denen jeder einzelne gehalten und die er zu leisten gezwungen werden kann, mit gewaltsamen Erpressungen, exactiones violente gleichstellt. 2 )


1) So in M. U.=B. 1578 exactionem fecimus contra libertatem, quam habent. peticiones vel exactiones juste vel injuste M. U.=B. 1804.
2) Durch unerlaubte Auslassungen und Zusammenfassungen kommt B. hier und auf Seite 27 zu falschen Citaten. Weder steht in M. U.=B. 2570 precaria violenta noch in M. U.=B. 1550 peticio violenta. Daß B. solche »peticio violenta« für ordentliche Bede erklären kann (S. 27), würde unbegreiflich sein, wenn es nicht mit der oben zurückgewiesenen Auffassung zusammenhinge. Merkwürdig ist auch der Ausspruch (S. 31), daß die Bede in M. U.=B. 2893 precaria debita vel obligatoria genannt (  ...  )
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Von weit größerer Bedeutung und mehr Aufschlüsse verheißend sind die Urkunden über gemeine und außerordentliche Bede, die Brennecke von seiner Behandlung ausgeschlossen hat. Hierbei wird sich auch herausstellen, ob beides wirklich und immer dasselbe ist. Es empfiehlt sich eine Sonderung nach den Gebieten.

Stellensammlung.

I. Grafschaft Schwerin. Graf Günsel verleiht dem Kloster Zarrentin das Eigenthum von Bantin unter Vorbehalt der peticio, peticione in terra nostra habita generali M. U.=B. 801 (1257). Die Grafen verkaufen dem Schweriner Kapitel Dalberg und wollen nicht indebite petitiones und exactiones machen preter communes petitiones secundum consuetudinem actenus habitas et circa aliarum villarum nostri di[s]trictus homines obseruatas M. U.=B. 1213 (1271). Dieselben verleihen dem Domkapitel das Eigenthum von fünf Hufen zu Kramon unter Aufrechterhaltung der Verpflichtung der Bauern ad petitionem generalem M. U.=B. 1472 (1278). Im Jahre 1279 begnaden sie ihre Mannen in den Ländern Wittenburg und Boizenburg dahin, quod subditi ipsorum hoc anno tantum dabunt nobis pro peticione de quolibet manso marcam Lub. den. ea tamen condicione, quod . . . ipsos ab omni


(  ...  ) werde, wozu die in der Anmerkung gegebene Erläuterung in sonderbarem Kontraste steht. In Wirklichkeit erklären die Herzoge von Sachsen, eine im Lande Ratzeburg [und Dutzow] erhobene peticio sei nicht [ex. debito] vel ex jure, nec ipsam intendimus debitam vel obligatoriam reputare. Wenn sich hieraus auch ergibt, daß man eine peticio debita vel obligatoria kannte, so wird doch nimmermehr mit M. U.=B. 2893 belegt werden können, daß Bede precaria debita vel obligatoria genannt werde. B. hat natürlich in bestem Glauben citirt, aber doch falsch in fahrlässiger Weise. Leider kann ihm der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß er das auch sonst gethan habe. So steht in M. U.=B. 9033 kein Wort davon, daß eine Pfändung na hovenrecht ausgeführt sei (S. 93), sondern nur daß der Vogt zu Teterow einem dortigen Bürger 7 1/2 Mark wendisch na hovenrecht vor bede unde denest an einem Bauern gewiesen habe, worauf jener, als der Bauer fluchtverdächtig ward, pfänden ließ. Die Urkunde ist schlecht überliefert, läßt sich aber herstellen. Z. 5 ist statt »vore« »woe« zu lesen. Z. 6 ist keine Lücke vor »heft«. Z. 9 l. »neddene. Des wart«. In derselben Zeile wird der Name falsch und statt dessen »Wangheline« zu lesen sein. Z. 12 mag es geheißen haben »dar he sine scnulde af hebben wolde«. Z. 15 »quam dar alz mit rechte to, dat Wangeline dar nicht af worden sine penninghe«. Auch in M. U.=B. 5123 finde ich keine precaria presentanda (S. 89 f.). sondern einen Vorbehalt von 40 marcis . . . ratione precarie presentandis. Diese Ungenauigkeit hat sich sofort gerächt. Denn auf die precaria presentanda gründet sich die Annahme einer Gesamtbesteuerung (S. 89), während in Wirklichkeit der Grundherr dem Landesherrn jährlich eine Abfindung für die Bede zahlte.
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peticione perpetuo habebimus supportatos, hoc tamen excepto 1) si aliquis nostrum occasione gwerre siue aliter casu inopinato ab hostibus caperetur . . .      2) vel saltem parwlos nostros thoro legitimo . . . locaremus tunc terram nostram petere possumus, ut nobis subueniant in subsidium expensarum M. U.=B. 1504. - Im Jahre 1313 verpfändet Graf Nicolaus dem Kloster Zarrentin precariam, peticionem seu talliam von Kl.=Welzin und elf andern Dörfern, hec autem precaria et tallia . . . stabit ad taxum illum et modum, quo cetere ville territorii Wittenborch talliabuntur a nobis M. U.=B. 3645. Aehnlich verkauft im Jahre 1330 Graf Heinrich der Stadt Schwerin Turow und verleiht ihr die bete dess gedachten gantzen dorffs uffzuheben nach summa der bete, die da alle jahr pflegt gegeben zu werden von den dörffern und gütern bey dem wasser Stepenitz gelegen M. U.=B. 5142. Zwei Jahre darauf verkauft er dem Kloster Reinfeld Wittenförden unter Befreiung von prestationes, donationes . . . exactiones, precarias et depactaciones mit dem Vorbehalte jedoch, cum precaria per totam terram danda fuerit, prouisor dicte ville de quolibet manso culto et possesso nobis duas marcas denariorum slauicalium presentabit, eciam si per totam terram de manso plus fuerit tribuendum; si vero minus quam duas marcas de manso dandum fuerit, et ipsi cum ceteris minus dabunt M. U.=B. 5363. Endlich verbessert Graf Nicolaus eine mit Pingelshagen u. s. w. bewidmete Vicarei mit der Bede und Diensten davon, ita videlicet quod quando, quociens aut quantumcunque nos . . . precariam de mansis territorii Zuerinensis recipere contingerit, tociens et tantum . . . vicarius . . . secundum quotam libere subleuabit M. U.=B. 8391.

II. Land Ratzeburg. Herzog Johann von Sachsen hat sich gegen gewisse Gnaden zur Schuldentilgung von jeder Hufe 12 ß. Hamb. bewilligen lassen und verspricht, nullam in bonis liberis 1 ) nostrorum vasallorum debemus facere peticionem siue exactionem aliquam de cetero uiolentam, sed prorsus predicta; et liberi homines . . . vasallorum absque aliqua exactionis siue peticionis specie deinceps remanebunt,


1) »Freie Güter« der Mannen dürften in Meklenburg nicht bezeugt sein außer in M. U.=B. 1040, wofür das Lübecker Kapitel das Formular geliefert haben wird. Bei uns hat man den Ausdruck Eigenthum vorgezogen, damit aber sehr häufig »frei« oder »Freiheit« verbunden. In M. U.=B. 1550 handelt es sich aber schwerlich um Eigenthum.
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exclusis illis qui nobis ad dandam sunt astricti peticionem et ligati (M. U.=B. 1550, 1280), eine Befreiung, die nach vollendetem Schuldabtrag bestätigt wird (1990, 1288). entsprechend erklärten im Jahre 1303 die Herzoge Albrecht und Erich, quod peticio, quam facimus in nostros homines et vasallorum nostrorum in terra Raceborch [et Duzow, non est ex debito] vel ex jure, nec ipsam intendimus debitam vel obligatoriam reputare M. U.=B. 2893.

III. Land Boitin. Der Bischof von Ratzeburg sichert dem Kapitel zu: in petitione, in exactione, cum fuerit instituta . . . de hominibus vestris dumtaxat mediam partem ad episcopum, mediam partem ad vsus vestros uolumus deuenire. . . . ordinando . . . ut peticio, quam confirmatus episcopus uel consecratus per totam terram Boytin facturus est, ad ipsum illa vice tantum ex integro pertineat . . . . libertas autem petendi, exigendi tam homines nostros quam vestros, dummodo fiat communiter de vtrisque, apud episcopum remanebit. M. U.=B. 1633 (1282).

IV. Mark Brandenburg. Im Jahre 1280 jurauimus (die Markgrafen) omnibus nostris vasallis promittentes . . . omne genus exactionis, precarie et parangarie per totam terram nostram omnimode esse mortuum et deletum M. U.=B. 1548. Im Jahre 1311 aber bestätigt Markgraf Waldemar dem Kloster Altenkamp den Hof Kotze mit den Dörfern Winterfeld, Wüsterade u. s. w. und befreit die Bauern . . . insuper ab omni exactione, si quam vniuersaliter in omnes vel particulariter in singulos nostre terre colonos facere nos contingat M. U.=B. 3475.

V. Land Werle. Von Schulden bedrückt petiuimus (die Herrn von W. Güstrow im Jahre 1276) nostros vasallos in den Ländern Gnoien und Güstrow vna cum subditis nostris spiritualibus, vt nobis venirent in auxilium . . . exaudientes nos taliter, quod de quolibet manso . . . simul cum mansis sub cultura ipsorum debent per triennium quolibet anno octo solidos . . . ministrare und befreien sie für die Zukunft ab hac peticione vorbehalten den Fall 1) aliquem filiorum nostrorum suscipere militaris dignitatem, 2) vel aliquam filiarum nostrarum marito copulandam, et per nos ipsos festum filii nostri vel filie nostre fecerimus, tunc vasalli nostri cum subditis nostris spiritualibus ad festum filii nostri de quolibet manso duos solidos, cultura eorum excepta, et ad festum filie nostre quatuor

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solidos in subsidium nobis dabunt M. U.=B. 1413 f. - Im Jahre 1285 danken andererseits die Herrn Nicolaus und Gebrüder von W.=Parchim ihren Mannen zu Röbel, Malchow, Wenden (Wredenhagen) für Uebernahme eines Theils ihrer Schulden und uasallos . . . cunctosque prefatorum terminorum agricolas . . . protestamur presentibus ab omni exactione peticionis fore perpetualiter liberos et exemptos tali autem condicione . . . interposita 1) si . . . nos . . . contigerit matrimonium contrahere 2) siue militarem recipere dignitatem, et si festa hec per nos . . . fuerint celebrata, tunc uasalli nostri de quolibet manso, cultura tamen eorum excepta, duos solidos nobis dabunt 3) si uero filiarum nostrarum aliqua desponsata fuerit, ad tale festum de manso quolibet nobis quatuor solidos erogabunt M. U.=B. 1781. - Allgemeineren Umfangs liegen, um das gleich anzuschließen, noch zwei Verträge vor. Einmal bestätigen im Jahre 1357 die Herren Nicolaus und Bernhard als Vormünder Herrn Johanns IV. von Goldberg der Stadt und dem Lande Malchin ihre Rechte, sie sollen nyne bede bydden oder beden yn der stad vnde yn deme lande bouen de bede, de by vnser vedderen tyden wesen hebben, tů sůnte Wolberghe daghe ene wendesche marc van der hůue, tů vnser vrůwen daghe alse se boren wart ene wendesche marck van der hůue, tů sůnte Mertens daghe twe wendesche marc van der hůue. Wy enscolen ock darbouen nycht bydden, wy endůn dat na rade vnde vulborth man vnde stede M. U.=B. 8310. Im Jahre 1374 aber verbinden sich die Städte Parchim, Malchin, Teterow, Lage zum Schutze ihrer Privilegien, ok schal neen stad zunderghen der h ee rscop nyner bede allene entwiden, wi enryden edder komen tůzamende vp ene stede vnde dreghen des ee n M. U.=B. 10635. - An einzelnen Befreiungen und Verleihungen ist anzuführen: Herr Johann I. verleiht im Jahre [1279] der Pfarre zu Wattmannshagen das Eigenthum von drei Hufen und acht Kathen daselbst cum omni precaria, qvotiescunque, qvandocunque et qvantumcunque de aliis mansis in terris nostris petierimus, toties et tantum predicto rectori . . . debent cedere M. U.=B. 1490. Herr Nicolaus II. befreit im Jahre 1301 zu Gunsten Darguns die Bauern zu Benitz und Gilow von den Münzpfenningen et ab omni prorsus precaria et exactione, si quam vniuersaliter in omnes siue particulariter in quosdam nostre terre colonos facere nos contingat M. U.=B. 2750. Er sieht

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den Fall vor, quod dominus Johannes (v. Bellin) a nobis suum judicium et precariam (d. h. die auf seine Erbgüter bezüglichen) emerit, sicuti alii milites et vasalli M. U.=B. 2861 (1303). Nach einer falschen Urkunde hätte er im Jahre 1304 dem Kloster Ivenack seinen Besitz cum precaria bestätigt; preterea si contigerit necessitate cogente nos . . . facere peticionem generalem vel peticiones generales in nostro territorio, eciam quociens hoc contigerit, volumus null[u]m nobis . . . fieri a predictarum villarum villanis subsidium, sed volumus illam peticionem seu peticiones ex eisdem villis dem Kloster zu Gute komme M. U.=B. 2937. Der Stadt Plau verkauft er im Jahre 1308 das Eigenthum von Quetzin frei ab omni precaria petitione, quam nos petere contigerit in futurum M. U.=B. 3220. In demselben Jahre ferner verleiht er dem Domkapitel zu Güstrow das Rodeland zu Simitz, ut . . . numquam ad exactionem aut jus precarium, si quod in terra fuerit, . . . teneantur M. U.=B. 3238. Aehnlich sind M. U.=B. 3345 (1309) und 5154 (1330). Uebersetzung davon wird landtbede sein, das im Jahre 1308 und 1320 M. U.=B. 7258 und 7290 vorkommt in Vereignung von zwei Hufen zu Möderitz »mit der landtbede, der ihn thokumptiger tidt vns in vnserm lande tho biddende nodig werden vorfallen« und in Verpfändung derselben über zwölf Hufen ebenda »vnsere landtbede . . . , die landtbeden m o gen nomen hebben wo sie jummer konnen . . . dat sie gelick, also wi alle jar die landtbede konnen vnd mogen . . . ihnfordern«. - Im Jahre 1309 gewähren die Herren Nicolaus und Johann dem Kloster Neuenkamp, daß die Mönche von Augzin in Zukunft, cum mans[u]s in terra nostra in exactione soluerit vnam marcam, fünfzehn Mark zu zahlen haben M. U.=B. 3271. In den Jahren 1341 und 1344 aber verleiht Herr Johann III. precarias oder precariam, quando et quociescumque ips[a]s nobis petere contingerit M. U.=B. 6124. 6401. - Herr Bernhard verkauft im Jahre 1350 nach einer vielleicht fehlerhaften Uebersetzung von drei Hufen zu Varchentin alle bede . . . myt der ringhesten bede tor brudtlacht der hoghene efte alle der anderen, efte wy welke in deme gantzen cerkel des jares beden M. U.=B. 7033. Derselbe vereignet sechs Hufen zu Gotthun cum omni precaria . . . generali et speciali M. U.=B. 8628 (1359). - Herr Nicolaus III. vereignet im Jahre 1353 dem Kloster zum hl. Kreuze zu Rostock Schwisow.Zeez u. s. w. und verleiht alle bede vryg, dat wy øk ene mene lantbede deden th oe vnsen noden,

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der bede schølen desse vorscr. dorp . . . vryg wesen vnde darth o al der bede, de wy edder vnse eruen bydden edder beden møghen tø th oe komenden tyden M. U.=B. 7710. - Joachim Nortman verkauft im Jahre 1365 Hebungen aus Glasewitz und Prutzekendorp, nec debent coloni per me . . . vltra debitam et consuetam precariam terre . . . angariari . . . nec michi . . . ad aliqua seruicia seu exactiones obligari M. U.=B. 9325. - Herr Johann IV. verleiht im Jahre 1370 Eigenthum von fünf Hufen auf dem Stadtfelde von Parchim und Hebungen aus vier Kathenstellen zu Möderitz cum . . . precariis majoribus et minoribus et . . . exaccionibus . . . et si nos . . . in terris nostris aliquas exacciones speciales facere contingeri(n)t seu precarias, illas . . . de cultoribus dictorum mansorum [et] de kotis . . . sibi optinebunt M. U.=B. 10014. - Herr Lorenz endlich verpfändet im Jahre 1371 seine Rechte an sechs Hufen zu Gutow mid allerleye bede, de wy pleghen to biddende vnde noch vp eyn nye bidden moghen an tokomende jaren (M. U.=B. 10169), verkauft eine Rente zu Niex de precariis nostris, wobei ein etwaiger Fehlbetrag zu ersetzen ist ex aliis precariis nostris specialibus annone uel pecunie, eciam que pro nunc excogitari non poterunt (M. U.=B. 10296), vereignet im Jahre 1377 Karnitz myd aller bede, de me bydden edder beden mach . . . weret ouer dat wy dorch vnser nod edder vnses landes nod willen ouer dat land ene mene bede beden, der vns de mene man twydeden, der scolen se vns nicht weren (M. U.=B. 11015), verpfändet im Jahre 1382 Stadt und Land Neu=Kalen mit aller beede . . . , de loss ist oder noch loss werden magk, welche tidt vnd wanne wy . . . bidden edder beden se in vnsen anderen landen (M. U.=B. 11402), desgl. zu Gerdshagen alle bede . . . , de wy bidden edder to tokomener tyd beeden edder bidden moghen. . . . weret dat wy . . . dorch vnser vnde vnses landes noet willen ene bede beden van vsen mannen menliken gestlik vnde werlik, der ze vns twydeden van gnaden, der scholen de bůre . . . vs nicht gheuen, wy en moghen dat beholden van gnaden . . . des prouestes vnde conuentes (M. U.=B. 11480 B).

VI. Land Rostock. Herr Waldemar spricht im Jahre 1271 die homines des Klosters Dargun in seinem Gebiete frei ab omni infestatione aduocatorum et judicum, ab . . . theloneorum, peticionum, vectigalium extorsione . . . , ut nemini quicquam ex debito nisi soli deo et monasterio teneantur, nisi forte . . .

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vniuersalis necessitas nobis et terre nostre incumbat (M. U.=B. 1233).

VII. Meklenburg. Herr Heinrich II. bestätigt im Jahre 1298 zu Gunsten des Lübecker Domkapitels die Freiheit von Fährdorf und Duden=Stiten ab omni vectionis et exactionis onere und von collectis, talliis et precariis, etiam si nostro nomine per totam terram facte fuerint (M. U.=B. 2480 f.), ähnlich im Jahre 1308 wegen Gr.=Görnow 1 ) (M. U.=B. 3245). Dem entsprechend wird auf die Klage des Kapitels wider Herzog Albrecht wegen unrechtmäßig geforderter tallie et exactiones im Jahre 1360 erkannt, daß die Herzoge von seinen bedefreien Gütern non debent . . . aliquas injurias, violencias, tallias et exactiones . . . auf vectigalia siue aliquas precarias, etiam si speciales siue generales precarias auf subsidia per totum eorum dominium et districtum peterent et reciperent, quacunque causa vel necessitate . . . inponere vel inferre vel ab eis petere und daß in jenen Fällen das Kapitel solche Bede für sich erheben könne (M. U.=B. 8599, 14), was der Herzog im folgenden Jahre anerkennt (M. U.=B. 8890). -. Aehnlich befreit Herr Heinrich im Jahre 1303 zu Gunsten Cismars die Bauern zu Warkstorf ab omni onere exactionis . . .; si eciam peticionem in terra nostra recipere decreuerimus generalem, coloni . . . nullam precariam nobis dabunt (M. U.=B. 2873). Während er aber im Jahre 1305 die Bauern von Mittel= und Hinter=Wendorf ab omni jure secularis potestatis entbindet, bedingt er, quod, si generalem exactionem seu precariam per totum nostrum dominium fecerimus, tunc . . . , licet quod mansi alibi . . . plus dederint quam vnam marcam, . . . predictorum mansorum cultores semel in anno . . . nobis . . . simpliciter dabunt vnam marcam, si vero minus quam vnam marcam de manso per territorium nostrum pecierimus, tunc . . . similiter minus dabunt M. U.=B. 3040. Wiederholt M. U.=B. 6629 (1346). Die Höhe dieser Bede ward im Jahre 1328 secundum statutum communis terre auf 8 ßl. lübisch normirt 2 ) M. U.=B. 4891, vgl. 6629. Noch anders gestaltet sich


1) Im Jahre 1325 vereignet Herr Heinrich den Brüdern v. Zernin dies Dorf cum . . . omni precaria seu exactione, sicut generaliter . . . in terra nostra singulis annis ordinamus precariam seu exactionem M. U.=B. 4597. Vertrag zwischen dem Kapitel und den v. Zernin 5343.
2) Es handelt sich keineswegs, wie man es nach dem Regest der Urkunde glauben sollte und wie Brennecke Jahrb. 65 S. 51. Anm. angibt, um eine Herabsetzung der Abgabe, sondern einfach um eine Umrechnung gemäß den veränderten Währungsverhältnissen.
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die Behandlung Kritzows. Auch dies wird im Jahre 1314 ab omni jure secutaris potestatis befreit, indessen, cum generalem peticionem per nostrum dominium fecerimus, abbas . . . quemadmodum aliarum ecclesiarum prelati . . . non inmerito nos tenebitur exaudire salvis novem et dimidio mansis . . . quos prefatus Heyno (v. Stralendorf) de curia sua coluit aliquando, quos ab hac exactione seu precaria omnimode libertamus M. U.=B. 3694 (im Jahre 1327 verkauft Cismar eine Hufe sine precaria 4827). - Herr Heinrich vereignet lübischen Bürgern im Jahre 1310 halb Redentin zu kirchlicher Freiheit ita, quod . . . nec nobis . . . teneantur ad aliquas exactiones, Diensten, seu peticiones precarias aut violentas, nisi communem et generalem peticionem in terra nostra tollere nos contingat (M. U.=B. 3425), verleiht Hufen zu Gögelow und Pastin myt aller bede . . . , wan ere dat wy . . . auer vnse gantze land bede d oe n, so scholen desse . . . nynerleye wys bede gheuen (M. U.=B. 4612, 1325). Im Jahre 1355 verpfändet Herzog Albrecht dem Kloster Doberan Gerichtsbarkeit und precarias majores zu Gr.=Grenz, Gr.=Bölkow, Ibendorf in einem Ertrage von 30 Mark, si vero precarias medias vel integras aliquibus collatas seu obligatas vniuersaliter per terras nostras petere nos contigerit, tunc abbas et conuentus 30 m. . . . subleuabunt (M. U.=B. 8044). Herzog Johann von Stargard vereignet im Jahre 1366 Besitz zu Küssow), sunder de bede, de wi menelicken bidden in dat landt, de beholde wi (M. U.=B. 9530). - Im Jahre 1306 vereignet Herr Heinrich dem heil. Geiste zu Lübeck Wolde als vier Hufen haltend frei von Nachmessung et de eis questus peticionis nostre, cum imminet cunctis ecclesiis terre nostre, nisi (nur) pro quatuor mansis recipiatur (M. U.=B. 3090). Er unterstellt im Jahre 1315 neun Hufen zu Kl.=Raden ecclesiastice ditioni dergestalt, si persone claustrales, quibus simili modo ut istis precaria libertata est . . . , una cum vasalli[s] nostri[s] communiter ad instantias nostras precariam nobis tribuerint, ipsi . . . talem precariam similiter et nullam aliam nobis dabunt (M. U.=B. 3782). Er schenkt endlich im Jahre 1328 dem Kloster Ribnitz das Land Zwantwustrow unter Verzicht auf omnibus justiciis et seruiciis, que nobis . . . de consuetudine uel de jure jam competunt uel competere poterunt in futurum, sicut sunt exactiones, precarie . . . , quod eadem in posterum eciam de gracia petere non debemus, non obstante necessitate quacunque nobis uel terris nostris quomodolibet imminente,

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in qua eciam de bonis ecclesiarum vel personarum ecclesiasticarum de mero jure possemus recipere tallias seu collectas, und überträgt die vorerwähnten Gerechtigkeiten dem Kloster (M. U.=B. 5002). - Herzog Albrecht bestätigt im Jahre 1333 dem Kloster Boitzenburg Rosenow cum precaria, exactionibus mit dem Vorbehalte, daß Kloster und Bauern ad ministracionem exactionum et precariarum prestacionem . . . ut ceteri subditi vasallorum nostrorum proprietatem eciam suorum habentium bonorum nobis . . . obligentur (M. U.=B. 5415). Derselbe verpfändet kraft einer etwas verdächtigen Urkunde im Jahre 1355 die Vogteien Kriwitz und Meklenburg mit schote, mid pacht . . . mit aller bede, wanne, wo dicke vnd wo vele wi se bidden in vsen anderen landen, se si welkerleye se si, beyde van egendome vnd van anderen gude (M. U.=B. 8073). Sein Bruder aber Herzog Johann von Stargard vereignet im Jahre 1354 zu einer kirchlichen Stiftung acht Hufen zu Konow mit aller bede . . ., weret ouer dat wy . . . ene bede beden ouer den meynne eyghendom in vnseme lande, der vns ghetwydet worde, so scholen dy vorbenumeden. achte huuen nicht mer beden wenne vor vier huuen (M. U.=B. 8016). - Lübische Bürger erwerben von Berthold Preen und Genossen Hufen zu Timmendorf und Neuburg unter Befreiung de omnibus seruiciis, precariis, exactionibus, prestacionibus, ministracionibus et quibuscunque aliis grauaminibus nobis (Verkäufern) aut cuicumque alteri (sublimi vel humili) siue sollempnitatibus nupciarum, puerperiorum vel miliciarum siue in necessitatibus gwerrarum, oppressionum (in 5221 verschrieben expressionum), indigenciarum, egestatum seu causarum aliarum quibuscumque casibus emergencium faciendis, was auch in den Bestätigungsurkunden vom Herzoge als ihn verbindend anerkannt wird M. U.=B. 4927 f. (1328), 5404 (1333), 5221 (1331). Aehnlich bestätigt Herzog Albrecht auch lübischen Bürgern den Hof auf dem Felde und dessen Freiheit de omnibus seruiciis, precariis, exactionibus et ab vniuersis aliis grauaminibus gemäß alten Urkunden, nec eciam in sollempnitatibus nupciarum, puerperiorum siue in necessitatibus gwerrarum nobis . . . seu aliquibus aliis personis aliqualem opem rebus uel corpore tenebuntur ministrare M. U.=B. 6360 (1343). - Herzog Albrecht bestätigt Gerh. Bussel Hufen zu Gr.=Niendorf cum . . . precariis . . . exactionibus . . ., et si nos . . . in terris nostris aliquas speciales exacciones seu precarias

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facere contingerit, quas (d. i. eas) dictus G. B. suique heredes . . . sibi obtinebunt M. U.=B. 6539 (1345). - Frau Anastasia behält im Hofe auf dem Felde zu Pol für ihre Lebenszeit den questus peticionis, sicut est in tota terra Pole seruatus, cum communiter imminet (M. U.=B. 3089 A; in B von Herrn Heinrich beurkundet: si peticionem in terris nostris facere nos continget, 1306). Ebenso wird bei Verkäufen von andern Gütern auf Pöl unter Befreiung von violente exactiones, prestationes seu precarie die entweder dem Käufer oder den v. Plessen und Genossen zu leistende precaria auf den Satz festgelegt, prout de mansis per communem terram Pole dabitur (oder ähnlich) M. U.=B. 4433, S. 103 (1323), 4525 (1324), 4692 (1326), sicut eam per communem terram de singulis mansis aliis duxerimus sustollendam M. U.=B. 4479 (1323), secundum communem inposicionem . . . per totam terram dominii Magnopolensis M. U.=B. 4257 (1321), 4919, 4924 (1328), 5031, 5033, 5098 (1329), 7788 (1353), sicut dominus noster Magnopolensis eam in tota terra sua Magnopolensi duxerit postulandam M. U.=B. 4695 (1326), 4887 (1328), wogegen es in der Bestätigung heißt: sicuti nos . . . eam de mansis in terris nostris duxerimus assumendam M. U.=B. 4889. Andere Verleihungen ut nos . . . in terra nostra annis singulis ordinamus et statuimus precariam seu exactionem M. U.=B. 3932 (1317), sicut generaliter . . . in terra nostra singulis annis ordinamus precariam seu exactionem 4597 (1325). Vorbehalt der precaria nuda, prout ipsam dominus noster Mangnopolensis in terris suis generaliter pecierit, vltra quod ipsam non exaltabimus 6174 (1342), von precaria nostra, quam et qualem ab aliis mansis et bonis nostri dominii pecierimus, nichilque vitra hoc indebiti seruicii seu exactionis velimus postulare 6021 (1340), precaria nostra, quantam super omnes terras nostras generaliter accipimus et accipiemus 6353 (1343), precarie nostre, quales communiter per terras nostras in aliis villis accipimus, oder der precaria, qualem communiter per terras nostras de aliis villis pro tempore petimus unter Befreiung von weiteren exactiones (und prestaciones) 6772 (1347), 7432 (1351), von talis precaria (für die v. Barnekow), qualem ex aliis mansis in terris nostris communiter petemus, unter Befreiung von weiterer exactio siue prestacio 7433 (1351); reseruata duntaxat dominis terre precaria . . ., sicut alii mansi in territorio communiter dare precariam solent 8096 (1355. Vgl.

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8114. 8116 f.). Verleihung von precaria tociens et tanta, quociens et quantam nos . . . recipiemus ab aliis colonis nostre terre unter Befreiung von weitem exactiones und prestaciones (oder ähnlich) M. U.=B. 5359 (1332; wiederholt 11228 f. 1379), 5748 (1337), ohne Hervorhebung dieser Befreiung 5864 (1338), 6341 (1343), 6976 (1349), 9379 (1365), quotienscunque, quandocunque et quantumcunque de aliis mansis in terris nostris petierimus 6084 (1340). precariam, quam eundem dominum nostrum Magnopolensem de in colis terre sue recipere contigerit singulis annis, . . . episcopus . . . recipere potest de dictarum villarum colonis 5803 (1337). - Vorbehalt der consueta oder solita precaria M. U.=B. 3305 (1309; unter Verzicht auf alles, quicquid nobis . . . vom Neulande posset deriuari nomine precarie), 5999 (1339). - Gewisse Hufen sollen nur halbe Bede geben und auch were dat wy . . . to jeneghen tyden . . . bede m er beden in vnsen landen, so schollen de . . . gheuen halue bede 11118 (1378). - Wenig Greifbares bieten precaria annalis, quam . . . tollere debuimus 3315 (1309), bede wy bydden wo dicke wy bydden 3564 (1312), precaria quocienscumque ipsam petere nos contigerit 4772 (1326), watte bede wy bidden in vnsen landen 4959 (1328), Vorbehalt von annona tantum, que racione precarie nobis . . . de mansis uillarum terre nostre dabitur, pro sua porcione 4960 (1328), precarie quas in nostro dominio petierimus 5971 (1339), bede . . . vnde wor wy dat an biddet vnde wor dat van vallen mach, vnde wes wy biddet in vnsen landen oder an vnseme (l. vnser) lande en oder an anderen voghedyen 8220 (1356), bede de me ouer di houe alle jar likes biddet vnd wen me si biddet 9596 (1367; Abschrift), wen me sie biddet vnd wu me si biddet 9691 (1367), wo wy se in vsem lande bidden 10152 (1371), wo dicke, wo vaken vnd wo vele wy bidden 10379 (1372), wenne vnd wo dicke wy de bidden in vsem lande 10624 (1374), 10983 (1377), also dicke vtthogheuende vnde vpthoborende, also dicke vnde wo vele vnse here van Mekelenborgh bede biddet in dem lande 10798 (1375), de de heren van deme lande bidden 11545 (1383), 11604 (1384).

Erörterung.

Nehmen, wir vorweg, was auf der Hand liegt, so zeigt sich, daß in gewissen Fällen die Landesherren besondere Beden von allen Bauernhufen (Werle), vom Lande (Schwerin) beanspruchen konnten: bei Ausstattung von Töchtern (Schwerin, Werle, Meklen=

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burg), bei eigner Heirath (Werle, Meklenburg), beim Ritterschlag von Söhnen oder auch der jungen Herren selbst (Werle, Mellenburg), bei Kindbett der Frauen (Meklenburg), bei Gefangenschaft (Schwerin). Dabei ist zu bemerken, daß nur werlische Urkunden dafür feste Ansätze geben und zur Bedingung machen, daß die Herren die Feste selbst aussteuern, und daß die meklenburgischen Urkunden fast ausnahmelos Pöl betreffen und in erster Linie das Recht der damaligen Eigenthümer dieser Insel, der v. Plessen, Preen, v. Stralendorf, auf solche Steuer zu bezeugen scheinen. 1 ) Eine dieser Beden besteht noch als Prinzessinnensteuer zu Recht.

Anders wird es um die Bede in Anlaß von Kriegsnoth und Schulden bestellt gewesen sein, obgleich sie in den Pöler Urkunden unmittelbar neben jenen und scheinbar ihnen gleich steht. Denn auf dies Nebeneinanderstehn läßt sich, weil es sich um Freisprechen von solchen Forderungen handelt, kein Beweis gründen, zumal andere Urkunden für diese Bede ständische Bewilligung voraussetzen. So sind im Lande Werle in den Jahren 1276 und 1285 von Mannen und Geistlichkeit Beden zu Schuldentilgung bewilligt (M. U.=B. 1413 f., 1781), und ebenda wird mit der Möglichkeit allgemeiner Beden necessitate cogente, tho vnsen noden, dorch vnser nod edder vnses landes nod willen, dorch vnser vnde vnses landes noet willen gerechnet in Urkunden von den Jahren 1304, 1353, 1377, 1382 (M. U.=B. 2937, 7710, 11015, 11480 B), von denen die erste zwar unecht ist, die beiden letzten aber das Erforderniß einer Bewilligung von den Mannen oder von diesen und der Geistlichkeit bezeugen. Bloß angedeutet werden Ansprüche des Herrn des Landes Rostock im Falle einer vniuersalis necessitas seiner und des Landes M. U.=B. 1233 (1271). Für Meklenburg liegen nur zwei Zeugnisse 2 ) für Bewilligung vor, wobei freilich der Anlaß nicht erwähnt wird, aber nicht fraglich sein kann; denn daß ohne Bedürfniß, ohne not oder necessitas an keine ungewöhnliche Bede zu denken war, versteht sich von selbst. Beden wegen Nothlage werden außer in den Pöl betreffenden Urkunden aus den Jahren 1328-1333 (M. U.=B. 4927, 4928, 5221, 5404) und 1343 (M. U.=B. 6360) noch zweimal erwähnt im Jahre 1328 (M. U.=B. 5002) und im Jahre 1360 (wo ein Erkenntniß auf


1) Nach Aufzeichnungen des Jahres 1573 fordern die v. Maltzan von den Bauern zu Gilow die Zulage, wenn ein Maltzan eine Tochter ausgibt oder selbst Hochzeit hält. Lisch, Maltzansche Urkunden III, S. 147.
2) M. U.=B. 3782 (1315), 8016 (1354).
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Bedefreiheit erwirkt wird quacunque causa vel necessitate M. U.=B. 8599, 14; anerkannt im folgenden Jahre 8890).

Wenn hiernach in besonderen Notfällen die Landesherren damit rechneten, von ihren Ständen, insbesondere ihren Mannen und der Geistlichkeit 1 ) besondere Bede bewilligt zu erhalten und solche Bede einige Male bezeichnet ist als peticio generalis M. U.=B. 2937 (Werle), mene lantbede 2 ) M. U.=B. 7710 (Werle), mene bede gehend ouer dat land M. U.=B. 11015 (Werle), als ouer den meynne eyghendum gehend M. U.=B. 8016 (Stargard), speciales siue generales precarie per totum dominium M. U.=B. 8599, 14, 8890 (Meklenburg), so scheint es damit entschieden zu sein, daß generalis petitio oder precaria, die mene bede oder mene lantbede eine außerordentliche Bede gewesen sein müsse. Und doch wäre es möglich, daß dieser Schein trügt. Schon im letzten Beispiele finden wir speciales siue generales precarie beisammen und begegnen dieser Verbindung auch M. U.=B. 8628 (Werle) und allein exacciones speciales seu precarie M. U.=B. 10014 (Werle) und 6539 (Meklenburg). 3 ) Zudem finden wir in der Grafschaft Schwerin Unpflichtige petitiones und exactiones geschieden von communes petitiones secundum consuetudinem . . . et circa aliarum villarum . . . homines obseruatas (M. U.=B. 1213) und müssen uns der mehrfachen Beschränkung der Bedeforderung auf den Betrag oder in Anlehnung an den Betrag, in dem die Bede in der Nachbarschaft oder im ganzen Lande (cum communiter imminet, sicut generaliter . . . ordinamus, sicut per communem terram . . . dabitur, prout . . . generaliter pecierit, secun-


1) Angemerkt sei, daß die Geistlichkeit bei Gelegenheit außerordentlicher Bewilligungen, um unliebsamen Folgerungen vorzubeugen, die Bezeichnung Bede zu vermeiden suchte und lieber den Titel Geschenk wählte. Vgl. M. U.=B. 2922, 2923; auch 3383 und 11471, f. S. 20.
2) Später ist das anscheinend ständige Einrichtung. Vgl. die Bruchstücke aus erhaltenen Registern über Landbede in der Geschichte der Geschlechter der v. Zepelin (B. S. 121, 1518) und v. Blücher (I. Nr. 605, 1528), die Berufung auf die Bewilligung der gewonlichen landtbeth durch die Stände, Jahrbuch 13, S. 306 f. (1529), die Verhandlungen mit den v. Pentz wegen der ingerumden landtbede eren forsten tho geuende noch gewo[n]liker wysze (v. Meyenn, Pentz I S. 298 f., 1530).
3) Die precarie speciales von M. U.=B. 10296 sind anders zu erklären, nämlich aus der gemeinsamen Herrschaft der Brüder Lorenz und Johann V. Wie die Vereignung von Zarchelin sine exactione speciali vel seruiciis, que ad edificia castrorum pertinent (M. U.=B. 714 im Jahre 1253) zu deuten sein mag, lasse ich in Ermangelung aller Anhaltspunkte auf sich beruhen.
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dum communem imposicionem) eingefordert werden würde, erinnern, ebenso der für das Land Boitin im Jahre 1282 gestellten Bedingung dummodo fiat communiter (M. U.=B. 1633), endlich auch der in Werle und Brandenburg in den Jahren 1301 und 1311 gemachten Unterscheidung si quam (precariam et exactionem) vniuersaliter in omnes siue particulariter in quosdam nostre terre colonos facere nos contingat (M. U.=B. 2750. 3475) gedenken. Denn wenn auch einzuräumen ist, daß speciales petitiones neben generales gestellt nur eine Füllung sein könnte, wozu der Ausdruck lockte, so sind doch die übrigen Stellen nicht anfechtbar und es kann nicht bestritten werden weder, daß die speciales petitiones Beden aus besonderm Anlaß, außerordentliche Beden gewesen sein müssen, noch daß es zu nahe lag, die per communem terram, communiter, generaliter eingeforderte oder gezahlte Bede, also die ordentliche, gemeine Bede als generalis petitio, communis petitio, mene bede, mene lantbede zu bezeichnen, als daß es nicht geschehen sein sollte. Zu ungleichmäßiger Behandlung aber der Bedepflichtigen forderten alle Verhältnisse heraus, da die Bauern des Domaniums Bedeforderungen wehrloser gegenüber standen als die der Mannschaft und der Geistlichkeit, denen daran liegen mußte, ihren Zins nicht durch übermaßige Bedeforderungen beeinträchtigt zu sehen, so daß eine verschiedene Behandlung nicht nur denkbar, sondern auch wohl thatsächlich eingetreten ist. Zu weitern Ungleichheiten konnte es nach den verschiedenen Territorien kommen 1 ). Auch kann man mit der Möglichkeit von Ermäßigungen oder selbst des Fortfalls gerechnet haben, wie man sich noch weit später, theilweise vielleicht jetzt noch, Illusionen bei Steuern hingegeben hat und hingibt, oder so thut. 2 ) Zu einer sichern Kenntniß dieser Dinge reichen die Urkunden bei weitem nicht. Daß aber Beträge und Hebungstermine verschieden gewesen, steht


1) Hierfür bietet das Verzeichniß über die Martini 1314 im Lande Rügen erhobene Bede einen trefflichen Beweis. Denn während sonst von jedem Haken 12 ß zur Hebung kamen, wurden im Lande Wittow nur 8 ß erhoben. Fabricius, rügische Urkunden, Nr. CCCCL.
2) Einige Urkunden von besonderer Beweiskraft finde ich im Nachbarlande Rügen, wo im Jahre 1306 Fürst Wizlav von Rügen Besitz zu Rothenkirchen verkauft reseruantes nobis . . . peticionem seu precariam semel in anno, et eciam si pluries peticionem receperimus in anno in aliis nostris bonis, si vero nullam peticionem in bonis aliis nostre terre receperimus, extunc antedicta tercia pars ville siue ejus inhabitatores sint liberi et soluti (oder ähnlich). Fabricius, rügische Urkunden Nr. CCCLIV-CCCLVI.
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fest. 1 ) Andererseits muß die Willkür eine Grenze gehabt haben, da einige Male solita petitio, solita und consueta, debita et consueta precaria erscheint: in Meklenburg 1308, 1309, 1339, 1340 (M. U.=B. 3237, 3305, 5999, 6060 f.), in Werle 1357 und 1365 (M. U.=B. 8310, 9325) und in der Grafschaft Schwerin schon im Jahre 1271 communes petitiones secundum consuetudinem (M. U.=B. 1213).

Ich behaupte also, daß generalis oder communis petitio oder precaria, mene bede, mene lantbede nicht ohne weiteres außerordentliche Bede ist und insbesondere nicht die in Anlaß von Hochzeit und Ritterschlag geforderte Bede bedeutet hat. Dagegen leugne ich nicht, daß mit diesen Ausdrücken auch eine ungewöhnliche oder außerordentliche Bede bezeichnet worden, indem der Fall in Betracht gezogen, daß die Landesherren entweder unter Aufhebung der Befreiungen und Verleihungen die gewöhnliche Bede in ihrem ganzen Gebiete oder neben der gewöhnlichen ihnen z. Th. abhanden gekommenen Bede eine neue allgemeine Bede fordern wollten. Denn daß des öftern die generalis precaria, die mene bede Nichtherkömmliches meint, ist außer Streit und beweisen für die Grafschaft Schwerin M. U.=B. 5363 (1332), für Werle M. U.=B. 2937 (unechte Urkunde vom Jahre 1304), 7710(1353), 11015(1377), 11480 B (1382), für Meklenburg M. U.=B. 2873 (1303), 3040 (1305), 3425 (1310), 3694 (1314), 4612 (1325), 8599 (14, 1360), 8890 (1361). Zweifelhaft erscheint mir dagegen die Auslegung von M. U.=B. 801 (1257, Grafschaft Schwerin), 8628 (1359, Werle) und 9530 (1366, M.=Stargard), und es wird sich die Möglichkeit nicht abweisen lassen, daß Aussteller und Empfänger der Urkunden sich in diesen und ähnlichen Fällen Verschiedenes gedacht haben, wie es Herzog Albrecht und seinen Berathern offenbar nicht leicht geworden ist, zuzugeben, daß die collecte, tallie et precarie, etiam si nostro nomine per totam terram facte fuerint (M. U.=B. 2480 f., 3245, 1298 und 1308) anderes als die gewöhnliche über das Land gehende Bede bedeuten sollte, und wie die Auslegung vieler der auf S. 31 f. angeführten Urkunden jederzeit Streit heraufbeschwören konnte.

Daß nun die über das ganze Land in Ausnahmefällen vom Landesherrn eingehobene Bede keine außerordentliche zu sein brauchte, erweist wenigstens Eine Urkunde M. U.=B. 8044 (1355), wonach Herzog Albrecht an die Möglichkeit dachte precarias . . .


1) Darüber unten.
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aliquibus collatas seu obligatas vniuersaliter per terras nostras petere, wenn nicht im ganzen Betrage, doch wenigstens zum Theile. Was aber hier unzweideutig ausgesprochen ist, wird auch der Sinn anderer Stellen sein, namentlich von M. U.=B. 5415, 8016 und 8073. 1 ) Dann hätten nur nach dem Muster kirchlicher Besteuerung die in den Besitz von Bede gekommenen Geistlichen, Mannen und Bürger einmal auf diese Hebungen verzichten sollen, ohne daß die Bauern neu besteuert wären. Denn Befreiung und Verleihung von Bede wird wenigstens in dieser Zeit für die Bauern im ganzen auf dasselbe hinausgekommen


1) S. die Auszüge auf S. 30. So wird auch 7859 zu verstehn sein, obgleich der Ausdruck der nur in später Abschrift (oder Uebersetzung) erhaltenen Urkunde reichlich dunkel ist. Auf keinen Fall ist Eigenthum hier als liegendes Gut in Gegensatz zu fahrender Habe aufzufassen, wie Brennecke die Stelle auf S. 39 Anm. 3 ausdeuten zu müssen glaubt, denn von fahrender Habe ist, wenn nicht Erträge der Landwirthschaft als solche angesehen werden sollen, nie Bede erhoben. Noch auf S. 18 Anm. 1 äußert sich B., hier unter Berufung auf Hegel, über den Begriff des Eigenthums in den meklenburgischen Urkunden in einer Weise, die ich als richtig nicht anzuerkennen vermag. Er sagt, dieser Ausdruck werde allgemein gerade für Ueberlassung herrschaftlicher Rechte gebraucht und bedeute nicht etwa gänzliche Uebereignung, Aufgabe des Lehnsverhältnisses, sondern das bleibe dabei bestehn. Das ist eine Erklärung, die das Mißverständniß geradezu herausfordert, während Hegels Darstellung viel weniger der Anfechtung unterliegt. Der Begriff des Eigenthums ist in unsern Urkunden nicht abgerundet und fest umrissen, und es macht einen Unterschied, wem es verliehen wird. In der ältesten Zeit erwerben es fast nur die Kirche oder kirchliche Institutionen, höchst selten Bürger und Mannen, und diese in der Regel mit der Absicht, es zu Stiftungen zu verwenden. Eins ist aber unleugbar, daß der Hauptgegensatz zu Eigenthum das Lehnsverhältniß mit seinen Verpflichtungen ist, daß an Stelle der Leihe ein festes Besitzrecht treten sollte, Dienste, Nachsuchen um Bewilligung im Veräußerungsfalle, die Beschränkungen in der Vererbung, Anfall aus irgend welchem Anlaß in Wegfall kamen und nicht zum wenigsten auch Lehnsmuthung beim Wechsel im Landesregiment, mag auch gerade von dieser bisher im Urkundenbuche nichts zu Tage getreten sein. Meist ist auch wohl Befreiung von Bedepflicht und vielfach Ueberlassung zunächst eines Theils der höchsten Gerichtsbarkeit, später der ganzen damit verbunden gewesen, ohne daß solche Befreiung oder Ueberlassung dem Begriffe Eigenthum inhärirt hätte. Daß sich spätere Erwerber von Eigenthum dies der Regel nach vom Landesherrn besonders übertragen ließen, geschah dem klaren Wortlaute vieler Urkunden nach nicht aus Pflicht, sondern freiwillig, der Sicherheit halber. Wenn man sich dann hierbei der im Lehnswesen üblichen Formeln bediente, so ist das durchaus nicht auffallend, und auch der bei Vereignungen einzeln vorkommende Vorbehalt des Verlehnungsrechts bei Besitzwechsel kann gegen die Regel nicht verschlagen. Abstufungen und Modificationen der Rechte sind ja im Mittelalter zahllos wie Sand am Meer.
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sein, nur daß der Empfänger ein andrer ward und manchmal eine Zusammenschmelzung von Bede und Pacht eintrat. 1 ) Daß aber auch allgemeine Beden bewilligt wurden, erweisen M. U.=B. 1413 f. und 1781 (Werle; 1276, 1285), 1504 (von Mannen in der Grafschaft Schwerin; 1279), 1550 und 1990 (von Mannen des Landes Ratzeburg; 1280 und 1288). Auch die Bede, die dem bestätigten und geweihten Bischofe vom ganzen Lande Boitin zustand (M. U.=B. 1633), wird hierher gehören. Verwegen würde es sein, darüber etwas aussagen zu wollen, wie sich die gewöhnliche Bede zu solcher außerordentlichen Bede stellte. Sie können ganz wohl im allgemeinen gesondert neben einander erhoben sein (wie sich die außerordentliche Bede im Lande Werle M. U.=B. 8561 außerhalb der üblichen Termine hält), es ist aber auch denkbar, daß sie mit einander verschmelzen konnten, wodurch sich gegebenen Falls die außerordentliche Bede nur als Erhöhung der gewöhnlichen herausgestellt hätte und überall da, wo diese veräußert war, nur der Ueberschuß dem Landesherrn zu Gute gekommen sein würde. Ward nur eine erhöhte Bede bewilligt (was den Ständen des Landes Werle unter der vormundschaftlichen Regierung vorbehalten bleibt, M. U.=B. 8310, 1357), so mußte auch andern Bedeinhabern die Erhöhung des Ertrags zu Gute kommen. In der Regel wird auch die allgemeine Landbede über die Bauernhufen allein ergangen sein (was M. U.=B. 3694 besonders verbrieft ward, indem frühere Hofhufen auch von allgemeiner Bede frei bleiben sollten) und sich nur in besondern Ausnahmefällen (wie M. U.=B. 1413 f., im Lande Werle; 1276) über Hofhufen erstreckt haben.

Die Bewilligung wird den Mannen zugeschrieben im Lande Werle (M. U.=B. 1781, 11015), auch wohl in der Grafschaft Schwerin (M. U.=B. 1504), den Mannen und Geistlichen im Lande Werle (M. U.=B. 1413 f., 11480 B), in Meklenburg den Mannen und Klöstern (M. U.=B. 3782), den Geistlichen (M. U.=B. 3694), wobei einzelne sich nicht ausschließen sollen M. U.=B. 11015 (Werle), 3782 (Meklenburg). Erhöhte Bede ist im Lande Werle von Mannen und Städten zu bewilligen (M. U.=B. 8310), und mehrere Städte verbinden sich ebenda, in Bedebewilligungen nicht einzeln zu handeln (M. U.=B. 10635).

Daß auch die allgemeine Bede wieder Ausnahmen zuließ, kann nur den befremden, der das Mittelalter nicht kennt. In Einem Falle wird in Werle die Betheiligung in den guten Willen


1) Etwas mehr hierüber bei Behandlung des Betrags der Bede.
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des Klosters Dobbertin gestellt (M. U.=B. 11480 B), ohne weiteres dagegen Befreiung zugestanden in Werle für das Kloster Ivenack (M. U.=B. 2937; allerdings ist die Urkunde unecht) und für das Kloster zum heil. Kreuze zu Rostock (M. U.=B. 7710) und in der Form einer Verleihung für den Kaland zu Röbel (M. U.=B. 8628), in Meklenburg aber für das Lübecker Domkapitel (M. U.=B. 2480 f. 3245. 8599, 14. 8890), für Cismar (M. U.=B. 2873), für die v. Kramon (M. U.=B. 4612), Doberan (M. U.=B. 8044), und in der Beschränkung auf frühere Hofhufen M. U.=B. 3694 (für Cismar). Diese Befreiungen beschränken sich indessen mit Aufnahme der falschen Urkunde für Ivenack und außer denen für das lübische Domkapitel und das Kloster zum heil. Kreuze immer nur auf die Bede aus einzelnen Dörfern oder Hufen. Begünstigungen, so daß nicht der volle Satz, der die andern Hufen trifft, geleistet zu werden braucht, werden zugestanden M. U.=B. 5363 (in der Grafschaft Schwerin für das Kloster Reinfeld) und 3040 (in Meklenburg für Cismar).

Zusammenfassung.

Für die Geschichte der Bede in Meklenburg dürfte sich ergeben, daß wahrscheinlich mit der Eroberung eines Theils des Landes und mit der Kolonisation des ganzen aus dem alten Sachsen die Gewohnheit eingezogen ist, neben Burgdiensten und Fuhrdiensten, Gerichtszwang und Kriegsdiensten, mehr vielleicht aber in Ablösung dieser oder gegen Erleichterung darin noch andere Leistungen kraft obrigkeitlicher Gewalt zu fordern und einzutreiben, und daß solche Leistungen vorzüglich unter dem Ausdrucke exactiones begriffen sind, obgleich auch jene Dienste und Pflichten selbst Objekt dazu sein können. Vielfach ist neben exactio, vielleicht theils synonym, theils um mehr freiwillig oder in Folge Vereinbarung zu Leistendes zu bezeichnen petitio gestellt, zuerst in Meklenburg im Jahre 1192. Der Ausdruck collecte und tallie kommt zuerst um das Jahr 1200 vor (M. U.=B. 167, Meklenburg), petitiones allein zuerst im Jahre 1222 (M. U.=B. 340, Meklenburg), bede in der Zusammensetzung bedecorn im Jahre 1257, für sich im Jahre 1304 (M. U.=B. 792, 2924), precaria (in zuverlässigen Urkunden) im Jahre 1274 (M. U.=B. 1317 in Werle; in Meklenburg i. J. 1303, M. U.=B. 2861; als Attribut zu exactio im Jahre 1280, oder wenn das nicht gelten soll 1282, in brandenburgischen Urkunden M. U.=B. 1548, 1610). Wenn nun die Beobachtung zeigt, daß precaria rasch der terminus technicus wird, daß im Jahre 1271 in der Grafschaft Schwerin, in den Jahren 1308 f. in Meklenburg Zeugnisse dafür vorliegen, daß Beden üblich, gewöhnlich sind (M. U.=B. 1213, 3237, 3305, 3315),

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wenn im Jahre 1281 und 1292 für Werle jährliche Beden bezeugt sind (M. U.=B. 1578, 2165), wenn außerdem die Mannschaft der Länder Wittenburg und Boizenburg für ihre Bauern mit Ausnahme bestimmter außerordentlicher Fälle im Jahre 1279 eine Befreiung von aller Bede erlangt (M. U.=B. 1504), die des Landes Ratzeburg im Jahre darauf für ihre freien Bauern ausnahmelose Befreiung erzielt (M. U.=B. 1550; vgl. 1990), wenn im Jahre 1285 die Herren von Werle die Bauern der Länder Röbel, Malchow, Wredenhagen bis auf bestimmte außerordentliche Fälle von aller Bede befreien (M. U.=B. 1781), wenn endlich im Jahre 1280 die Markgrafen von Brandenburg in ihrem ganzen Lande die Bede für abgetan erklaren (M. U.=B. 1548), so wird mit Fug angenommen werden dürfen, daß die Bede sich seither eingebürgert hatte, das Bewußtsein von ihrer Nothwendigkeit aber an keiner Stelle durchgedrungen war und man nur fühlte, daß in gewissen Fällen ohne sie nicht auszukommen sei, wie auch gerade die obgedachten Befreiungen durch Bewilligung außerordentlicher Bede erkauft waren. Weiter unten wird sich nach Erledigung der Kornbede und der Münzpfenninge der Schluß aufdrängen, daß die Abscheidung dieser in der Zeit des Herrn Pribislav von Parchim vor sich gegangen sein und sich demgemäß die Bede schon damals gefestigt gehabt haben muß. Erst in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ward neben den sich häufenden Einzelbefreiungen und Einzelverleihungen von Bede mehr und mehr Sorge angewendet, sich für Notfälle ein allgemeines Bederecht zu wahren. Andererseits ward aber auch in solche allgemeine Bede durch einzelne Privilegirungen Bresche gelegt, und erreichte gewitzigte Erfahrung im Lande Werle, wo man in Bedesachen dem übrigen Meklenburg stets um einige Schritte voraus war, nicht nur Befreiung von aller zukünftigen Bede (M. U.=B. 3220, 7258, 7290, 7710), sondern auch von etwaiger neuer Bede (M. U.=B. 10169) und noch unerdachter Bede (M. U.=B. 10296, 10596, 10604). Wären die Urkunden alle in den fürstlichen Kanzleien und mit solchem Bedacht entworfen, daß sie eine haarscharfe Auslegung vertrügen und Schlüsse aus Schweigen zuließen, und hätten nicht Usurpationen specieller Rechte entgegen allgemeinen Verzichten statt gehabt, so würden auch Zeugnisse negativer Natur heranzuziehen sein und sich aus deren Untersuchung wohl feststellen lassen, wie man die Bede jeweils andern Rechten gegenüber eingeschätzt hat, 1 )


1) Z. B. ist im Verkaufskontrakte über Rosin, Jahrb. 12, S. 332f. die Bede nicht besonders erwähnt, während ihre Verleihung in der Bestätigung mitverbrieft wird, ebd. S. 330.
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und es würde sich daraus vielleicht erheblicheres über die Entwicklung der Bede von sporadischer zu regelmäßiger Forderung ergeben. Ich denke dabei auch an Urkunden, die allgemein eine Befreiung ab omni jure secularis potestatis 1 ) aussprechen, oder ab omni jure, quod ad nos spectabat 2 ) oder auch an Befreiungen von omnis vexatio, ita ut nemini quidquam faciant ex debito nisi soll deo 3 ) an Verleihungen cum omni plenitudine juris, quo nos dictam uillam dinoscimur habuisse, 4 ) und Aehnliches. Dabei würde es unter andern Umständen lohnen, aufzumerken, was spätere Urkunden über die Bede in so verliehenen Gütern bieten. Aber wie die Zustände und Urkunden sind, scheint eine derartige Untersuchung aussichtslos. Gibt es doch Fälle, wo trotz Befreiung von exactio und petitio, auch von precaria et exactio später dennoch precaria bestand, so daß kaum eine andere Annahme übrig bleibt, als daß entweder spätere Landesherren die Verleihungen ihrer Vorfahren nicht geachtet oder daß Privilegirte sich gutwillig ihre Güter mit Bede zu belasten herbeigelassen haben. Wie weit aber solche rückläufige Bewegung gegriffen haben mag, darüber ist Wissen und sogar Vermuten zu haben unmöglich. 5 )


1) M. U.=B. (147) 369. 385. 536. 558 (vgl. Jahrb. 13, S. 297). 591.1314. Vgl. auch S. 4 f.
2) M. U.=B. 397.
3) M. U.=B. 493.
4) M. U.=B. 1730.
5) Die Belege, die mir, ohne daß ich danach gesucht hätte, vor die Hand gekommen sind, seien hier mitgetheilt. Obgleich Herr Heinrich Burwi dem Bischofe von Ratzeburg im Jahre 1222 verbrieft hatte, daß Manderow, Mirisdorp (Hohenkirchen) und Gressow peticiones non dabunt (M. U.=B. 284, bestätigt 859) und im Jahre 1248 Herr Johann dem Kloster Reinfeld Bekerwitz vereignet und die Bauern ab omni jure secularis potestatis utpote peticionious, exactionibus u. s. w. befreit hatte (M. U.=B. 617), verfügte im Jahre 1308 Herr Heinrich über eine Rente de precaria nostra Bekeruitze, Honkerken et Manderowe (M. U.=B. 3247) und verpfändete, nachdem im Jahre 1351 das Bisthum seine Rechte zu vertheidigen Bedacht genommen (M. U.=B. 7451), die Herzogin Katharina im Jahre 1441 Bede u. a. aus Bekerwitz (auch Herzog Heinrich verfügte im Jahre 1475 über Bede aus B.) und Hohenkirchen, Manderow und Gressow (v. Oertzen II. Urkunden S. 112 f., 115). Ebenso verpfändete Herzog Heinrich im Jahre 1453 Bede aus Brunshaupten (ebd. S. 143 f.), obwohl nach der Befreiung von precaria et exactio durch M. U.=B. 3500 seine Berechtigung dazu nicht recht verständlich ist. Ebensowenig aufgeklärt ist der Widerspruch zwischen den Befreiungen von Nemerow von omni aduocacia et seculari exactione (M. U.=B. 563) und von precaria (M. U.=B. 2499) und der Verpfändung von Bede im Jahre 1474 (Jahrb. 9 S. 275). Endlich ist der Umstand, daß die v. Stralendorf (als Inbaber der Vogtei Meklenburg) im Jahre 1353 Rente aus der Bede zu Metels= (  ...  )
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Es ist die Frage aufgeworfen und von Brennecke auf S. 1.8-22 erörtert worden, auf welchen Rechtstitel der Bedeanspruch gestützt sei, ob er auf der Kriegshoheit oder der Gerichtsbarkeit 1 ) sich gründe. Die Urkunden sagen nichts aus, was zum Zwecke diente. Sie lassen die Bede beruhen auf Recht oder Gewohnheit (M. U.=B. 5002. 9337. 11538), auf Recht oder Hebung, Gewohnheit oder Usurpirung (M. U.=B. 3491), wie schon im Jahre 1291 eine Befreiung ab omni exactione et seculari consuetudine zu verzeichnen ist (M. U.=B. 2118). Das Einlässigste ist noch das jus secularis potestatis (M. U.=B. 3040, 3694) und darüber ist ohne Luftsprung nicht hinauszukommen. Handhaben zur Einforderung mehr oder weniger rechtmäßiger Auflagen oder als Vorwand zu Erpressungen boten sich, wie mehrfach bemerkt worden, den Landesherren und ihren Vögten oder Richtern genug sowohl im Bereiche der Kriegshoheit als auch der Gerichtsbarkeit. Aber ob daraus und gar aus welchem dieser sich die ordentliche Bede entwickelt hat, oder ob sie nicht denselben Bedürfnissen entsprungen, woraufhin in späteren Zeiten außerordentliche oder erhöhte oder verallgemeinerte Beden vom Landesherrn als solchem erbeten und ihm zugestanden wurden, darüber sich mit einiger Zuversicht äußern und das erörtern zu wollen, scheint mir ebenso waghalsig zu sein wie aussichtslos. Und wenn Brennecke aus der oftmaligen Vereinigung von Bede und Gerichtsbarkeit in Einer Hand die Wahrscheinlichkeit einer innern Verbindung folgern will, so ist dem entgegen zu halten, daß es ein sehr natürliches Streben der Grundherren war, ihre Rechte zu arrondiren (vgl. M. U.=B. 2924), und daß aus denselben und früheren Zeiten erheblich mehr Beispiele für Trennung beider Rechte zu Gebote stehn, als nöthig sind, um der aus der öfteren Vereinigung jener gezogenen Folgerung allen Halt zu nehmen. Zur Eintreibung gutwillig nicht geleisteter Bede bediente man sich, wofern man auf dem Wege Rechtens verblieb, selbstverständlich der Gerichtsgewalt, indem man pfänden ließ, und daraus erklärt sich zur Genüge, daß sich das Kloster Reinfeld,


(  ...  ) torf vertaufen und im Jahre 1389 Bede zu Metelstorf und Martensdorf an den hl. Geist zu Wismar verpfänden konnten (M. U.=B. 7714. 12087), nicht mit der Tatsache zu vereinbaren, daß Herr Heinrich von Meklenburg die Güter dieses Hospitals im Jahre 1325 ohne Einschränkung von peticionibus befreit hatte (M. U.=B. 4665. Vgl. wegen des Hofs Metelstorf 4303).
1) Es soll doch angemerkt werden, daß in M. U.=B. 344 und 507 jurisdictio offenbar Landeshoheit bedeutet, wofür es an einem geeignetern Ausdruck mangelte.
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um sich gegen fernere Turbirungen wegen ungegründeter Bedeforderungen zu schützen, die Gerichtsbarkeit verschaffte (M. U.=B. 5646).

Große und kleine Bede.

Die Scheidung in große und kleine Bede kommt nicht vor dem Jahre 1294 vor. Zeugnisse (vollständig bis zum Jahre 1350): petitio major et minor M. U.=B. 2275, 2307 (4493), 2793 (4016), 2794, 3198, 3540 - lauter Urkunden der Herzoge von Sachsen zu Gunsten des Ratzeburger Kapitels; precaria major et minor M. U.=B. 2617 (Werle), 2861, 2872 (Meklenburg), 3022, 3121, 3190, 3379, 3463, 3660, 3715, 5827, 5864, 5894, 5971, 6390, 6506 B, 6539, 6978 u. s. w.; precaria parva cum magna 5276; bede luttyck edder grot (grot vnde luttik) 3564, 6282, 7009, 7010 u. f. w.; grot vnde cleyne 4612; groteste efte lutkeste 7033 (Uebersetzung); watte bede wy bidden ... se sy voghe edder grot 4959. Allein werden precarie majores verpfändet 8044, wird die minor peticio vorbehalten 3540, verschenkt 4794. Nach M. U.=B. 2872 fiel die große Bede im doppelten Betrage der kleinen an Geld wie an Korn zu Martini, die kleine Walpurgis (M.=Stargard). Sonst findet sich neben der Scheidung in große und kleine Bede die in Geld und Korn. Zunächst befreien die Herzoge von Sachsen zu Gunsten des Ratzeburger Kapitels von peticione majore et minori, ab exactionibus . . . in porcis (pecoribus), in pecunia, in annona M. U. = B. 2275, 2307 (4493), 2793 (4016), 2794, 3540. Weiter begegnet precaria major et minor tam denariorum quam annone 2617, 3379, 3463, 3660, 5827 oder precaria pecuniaria et annonalis, major et minor 6390, oder precarie majores et minores tam annone quam nummorum 6506 B, myd der lutteken beede vnde myd der groten bede vnde myd der kornebede 7009, 7010, alle bede groteste efte lutkeste so wol der penninghe alse (mis)kornes myt der ringhesten bede tor brudtlacht der hoghene 7033 (Uebersetzung), myt der ghroten bede vnde myt der lutteken bede, myt pennyngbede vnde myt kornebede 7597.

Sommer und Winter=Bede.

Andererseits Sommer= und Winterbede: precarie . . ., siue tales bede siue ouerbede siue wynterbede vel zomerbede dicantur . . . nec . . . debent colonos . . . pro aliqua precaria qualicunque, ymmo nec pro majori nec pro minori quomodolibet angariare M. U.=B. 9918. Alle Bede klein vnd groß alß die Somerbede, Manbede vnnd Winterbede 10143, al vse beede luttek vnde gr o t alse somerbeede vnde winterbeede 10527, precaria major et minor tam estiualis quam yemalis

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11004, oder dasselbe im Plural 11633. Allein finden wir die Trennung in Sommerbede und Winterbede und zwar zuerst im Jahre 1342 precarie hyemales et estiuales M. U.=B. 6198, dann M. U.=B. 6934, myt aller bede wynter vnde somer 6928, winter- vnde somerbede 6975, precaria yemalis denariorum 6418. Die spätern Beispiele sind leicht aus den Registern zu ersehen. In M. U.=B. 10379 ist angereiht wo dicke, wo vaken vnd wo vele wy bidden. Nach M. U.=B. 11383 bringt die Winterbede das Dreifache der Sommerbede ein (Ritzerow).

Herbstbede.

Außerdem begegnet eine Herbstbede 1 ) in M. U.=B. 10808: bede, de wy plegen to biddende to sůnte Micheles dage, dat de heruestbede geheyten ys (Meklenburg), während in 8917 Rente verschrieben wird ex precariis . . . quolibet festo beati Michaelis uel quandocunque precarias ygymales pecierimus.

Termine.

Die Termine zu Martini und Walpurgis (M. U.=B. 2872, M=Stargard) sind schon erwähnt. Daneben findet sich ein dritter, Marien Geburt, im Lande Werle (M. U.=B. 8310), wobei die Martinibede ebenso viel bringt wie die früheren zusammen. Den Michaelis=Termin bezeugen noch M. U.=B. 7539. 9002. 10808, Martini 8062. 10634, Martini und Epiphanias 7609. Die nach M. U.=B. 8561 im Laufe des Januar zu erhebende Bede muß als außerordentliche angesehen werden.

Vorbede. Nachbede.

Eine prima precaria treffen wir M. U.=B. 3970, 4402 (S. 75; S. 76 dafür: anteprecaria), 6496, 6796; precaria prima et vitima 4864; prima, media et vltima 5649 (Meklenburg), 8642 und 8661; primaria et secundaria 6069 (tam denariorum quam annone); primaria allein 6451; anteriores precarie 5981; anteprecaria 4402 (S. 76; auf S. 75 prima precaria), was in 9121 wohl mit furbith übersetzt ist. Später begegnet eine Scheidung in vornste bede im Betrage von 24 ßl. [lüb.]von der Hufe und nabede, de de heren des landes jarliken plegen tho biddende im Betrage von 1 Mk. [lüb.] von der Hufe zu Saunstorf. 2 )

Geldbede.

Vielfach findet sich die Unterscheidung von Geldbede und Kornbede. 3 ) Weit voraus im Jahre 1257 annona, que bede-


1) Oefter in Pommern, z. B. Maltzansche Urkunden III, S. 254, 269 aus den Jahren 1456 und 1460, Blücher I, Nr. 598, S. 527 vom Jahre 1522, an letzter Stelle in doppeltem Betrage der Sommerbede, ein Verhältniß, das in Meklenburg wohl zwischen Winterbede und Sommerbede statt hat.
2) Wismarsche Urkunden, gedruckt Schröder, Papistisches Mecklenburg, S. 1623 f. vom Jahre 1396.
3) Bei Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen auch nicht vor 1322, Nr. DCXVII.
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Kornbede.

corn uocatur M. U.=B. 792. Dann Befreiungen durch die Herzoge von Sachsen zu Gunsten des Ratzeburger Kapitels ab . . . peticione majore et minori, ab exactionibus . . . in porcis, in pecunia, in annona M. U.=B. 2275, 2307 (4493), 2793 (4016), 2794, 3540. Die precaria major et minor von Staven besteht aus 24 ßl. und je 2 Scheffeln Roggen, Gerste und Hafer von jeder Hufe zu Martini und dem halben Betrage zu Walpurgis, M. U.=B. 2872. precaria petitio, quam nos petere contigerit . . . annonam et denarios 3220. precaria tam denariorum quam annone M. U.=B. 2617, 2937 (tam pecuniarum quam annone; falsche Urkunde), 3379, 3463, 3659, 3660, 4694, 4960, 5370, 5689, 5827, 6069, 6124, 6257, 6401, 6549, 7913, 8659, 10296; p. nummorum et annone 4404; tam annone quam nummorum 6506 B; tam pecuniaria quam annonalis 5857, 6029, 6390, 6991, 7041, 8628; tam denariorum quam frugum 3412; pennighbede vnd kornbede 4793, 5764, 5765, 6206, 7597; bede penninghe vnde kornes 4959; bede . . . so wol der penninghe also (mis)kornes 7033; bede an korne vnde an penninghen 8739; bede beyde penninghe vnde korn 7545; kornebede 7009, 7010; precarie annone 5627, 5889; pr. cum anona 3129; pr. excepta annona 5154; numquam ad exactionem auf jus precarium . . . aut frumentum . . . teneantur 3238. Die tota precaria denariorum et annone in M. U.=B. 8659 entspricht den precarie prime, medie et vitime in M. U.=B. 8642 und 8661.

Hundekorn.

Später erst taucht der Ausdruck Hundekorn auf, wovon es Wigger einigermaßen wahrscheinlich gemacht hat, daß er eine andere Benennung der Kornbede sei. Zuerst kommt er deutsch in falschen Urkunden von den Jahren 1302 und 1312 vor (M. U.=B. 2821, 3563), als annona canum oder canina im Jahre 1309 (M. U.=B. 3281, 3346) als hundekorn in einer echten Urkunde erst im Jahre 1336 (M. U.=B. 5634). Den Beweis Wiggers zu verstärken ist Brennecke nicht gelungen. Denn wenn er angibt, Hundekorn käme nie neben Kornbede vor, so ist das nicht richtig. Vielmehr verleiht Herr Nicolaus IV von Werle im Jahre 1352 Bristow myt bede, myt der ghroten bede vnde myt der lůtteken bede, myt pennyngbede vnde myt kornebede, myt pacht, myt hundekorne, myt muntepenninghen (M. U.=B. 7597) und glücklicher Weise ist die Urkunde noch im Originale vorhanden (Lisch, Hahn IIB S. 47). Außerdem belegt Wigger (Hundekorn S. 366) Bedehaber neben Hundekorn (im Jahre 1520). Und was die aus der Syntax der Urkunden gefolgerte Zusammen=

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gehörigkeit von Bede und Hundekorn (Jahrb. 65, S. 110 f.) angeht, so ist darauf nicht das Mindeste zu geben. Sicher ist eine genaue Worterklärung auch für mittelalterliche Urkunden nicht nur erwünscht, sondern unerläßlich. Aber es gibt gewisse Schranken. Wie die Partikeln aut, vel, seu mit großer Freiheit gebraucht sind, so darf man auch aus der Verwendung der Präpositionen cum und sine und aus der Anfügung eines excepto nicht auf engere Zusammengehörigkeit schließen. In der Aneinanderreihung verfuhr man im Allgemeinen recht frei und scheute sich ebenso wenig Synonyma sinnlos zu häufen, nur damit nicht spitzfindige Interpretation (die man aus Erfahrung kannte) ein Recht abstreiten könne, das man verbrieft haben wollte. Dabei gab es gute und schwache Köpfe, geübte und schlechte Lateiner, geschickte und höchst jämmerliche Stilisten. Es heißt also genau lesen, aber auch mit Vorsicht lesen. Uebung und Aufmerksamkeit sind die Vorbedingung richtiger Auffassung. Nichts ist nun, wenn man von dem eben Gesagten absehen will, leichter als Brenneckes Beispielen andere gegenüber zu stellen, aus denen das Gegentheil mit größerer Wahrscheinlichkeit zu folgern wäre. Und ein paar markantere anzuführen, mag vielleicht nicht zwecklos sein, z. B. M. U.=B. 7597, 6198, 6918, 2821, 8484, 10322, 11402, 11480 B. - Indessen berührt das nur die Art des Beweises, der in der That mit Hülfe des seit Wiggers Abhandlung weiter fortgeschrittenen meklenburgischen Urkundenbuchs verstärkt werden kann, indem dies verschiedene Orte nachzuweisen erlaubt, wo dieselbe Abgabe (wie wir wenigstens annehmen müssen) zu verschiedenen Zeiten erst Kornbede, später aber Hundekorn genannt ist: Gr.=Burow, Demzin, Gessin, Herzberg, Kisserow, Sabel, Varchentin, Vietzen.

Während nämlich im Jahre 1341 Herr Johann III. von Werle dem Ritter Gebhard v. Welzin in vier Hufen zu Gr.=Burow omnes precarias denariorum et annone schenkt (M. U.=B. 6124), verleiht (bestätigt) Herr Johann IV. den v. Welzin ebd. (dieselben) vier Hufen myd aller bede, grod vnde luttik . . . vnde myd deme hundekorne (M. U.=B. 9348). Herzberg im Lande Sternberg aber, das Herr Heinrich von Meklenburg den von Plessen im Jahre 1328 mit aller bede, penninghe vnde kornes verpfändet hatte (M. U.=B. 4959), wird ihnen von Herzog Johann von Stargard im Jahre 1367 verliehen myt aller manbede vnde herenbede beyde lutke vnde grote, myt hundekorne, myt muntepennighe (M. U.=B. 9641). Von einer Hufe zu Kisserow wollte im Jahre 1309 Herr Günther von Werle

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3 Mk. pro precaria sine 1 ) annona canum beziehen (M. U.=B. 3281). Ebenda verpfändete im Jahre 1350 Herr Nicolaus IV. an einen gewissen Stephan einen Hof und Hufen cum omnibus et singulis precariis pecuniariis, nobis saltim annonali precaria reseruata (M. U.=B. 7041). Im Jahre 1366 wieder verpfändete Dietrich von Flotow dem Kloster Malchow aus zwei Hufen des dortigen Klosterhofs vnum tremodium annone canine, quod in wlgho hundecorne nominatur (M. U.=B. 9459) 2 ). Vgl. noch M. U.=B. 11004 (1377). Ferner verliehen die Herren von Werle in den Jahren 1310 und 1311 an Arnold Quast zu Sabel omnem precariam majorem et minorem tam denariorum quam annone et simpliciter omnem illam petitionem 3 ) precariam, quam in toto vel in parte nos in futurum in terra nostra petere contingerit, et nummisma nostrum (M. U.=B. 3379, 3463). Im Jahre 1362 aber bestätigte Herr Lorenz den Quast im selben Dorfe omnem precariam majorem et minorem denariorum cum annona canina et simpliciter omnes illas peticiones precarias, quas in toto vel in parte nos in futurum nostra in terra petere continger[i]t, et nostrum nummisma (M. U.=B. 8988). Ferner vereignete im Jahre 1352 Herr Bernhard von Werle den Johannitern zu Mirow 14 Hufen zu Vietzen mit aller Nutzung in precaria, in denariis monete, in canum annona (M. U.=B. 7573), während nach M. U.=B. 7545 vom vorangehenden Jahre die Hebungen von sieben dieser Hufen außer in Pacht und Münzpfenningen in bede beyde penninghe vnde korn bestanden. In Urkunden endlich über Finkenthal scheint in M. U.=B. 8094 f. und 8100 unter bede und precarie die annona canum mit einbegriffen zu sein, die in der Bestätigungsurkunde 8484 neben den precarie angeführt wird.

Hieran mag sich eine Zusammenstellung der Gebiete und Orte schließen, wo in Meklenburg im Urkundenbuche und den sonst benutzten Sammlungen Hundekorn und Kornbede bezeugt sind, und woraus sich auch die Nachweise für Demzin, Gessin und Varchentin ergeben. 4 )


1) Das dürfte doch mehr Wahrscheinlichkeit für sich haben als die nahe liegende Konjektur si[u]e.
2) Diese Urkunde ist in einem Auszuge mit falschem Datum überliefert M. U.=B. 5634.
3) Dies Wort fehlt in M. U.=B. 3463.
4) In einer Anmerkung seien noch ein paar Notizen zur Sache untergebracht. In den Landtheilungsakten des Hauptarchivs zu Schwerin zum Jahre 1555 habe ich vor Jahren eine Angabe gefunden, wonach im (  ...  )
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I. Hundekorn. Zwischen den Jahren 1341 und 1347 bestimmen die Herren Nicolaus III. und Bernhard von Werle in ihrem Vertrage über gemeinsame Regierung und Hofhalt das Hundekorn zur Bestreitung ihres Haushalts und Hofhalts M. U.=B. 6169. - Land oder Vogtei: Werle = Goldberg M. U.=B. 8404. Gnoien, Hahn II Nr. 242 im Jahre 1458. Neu=Kalen 11402. Krakow 9560. Malchin 10791. Parchim 10757. Penzlin, Maltzan II Nr. 393, im Jahre 1414. Plau M. U.=B. 9560. Stavenhagen 10763. Ture 4959. Waren 11119. - Besitzungen des Klosters Broda 3563, der Nortman 11414. - Im einzelnen in den Werlischen Ländern zu Hohen=Augzin M. U.=B. 7875. Bellin 9989. Bobbin 10350. Böck, Hahn II Nr. 221 im Jahre 1392. Bredenfelde M. U.=B. 7829. Bresen 10081. Gr.= und Kl.=Bresen 9989. Bristow 7597. Gr.=Burow 9348. D.=Bützin 6743 f. Kl.=Dalwitz 11166. Damerow 3346. 11399. Damm 7710. Demzin, Hahn II Nr. 222, im Jahre 1404. Deperstorf M. U.=B. 11527. Deven, Hahn III Nr. 262, im Jahre 1539. Dobin M. U.=B. 10143. Domsühl 10090. Neu=Drewitz 7840. Oldenburg 4959. Fahrenholz, Maltzan II Nr. 370 im Jahre 1401. Finkenthal M. U.=B. 8484. Gehmkendorf 9902. Gerdshagen 11480 B. Gessin, Hahn III Nr. 262 im Jahre 1539. Gischow M. U.=B. 10024. 11395. Glasewitz 9325. Glasow 11222. Glin 10768. Gloveke 10425. Gömtow 10018. Grammow 8887. Granzow 10836. Grüssow 11004. Gutow 10169. Hagenow bei Waren, Maltzan II Nr. 374, im Jahre 1404. Jabel ebd. Kadow M. U.=B. 8943. Kankel 7710. 11533. Karnitz 11015. Kisserow 3281. 9459. 11004. Kittendorf 6934. Kleesten ebd. Klenz M. U.=B. 10322. Kleth 2821. Klingendorf 11666. Klöden, Maltzan II Nr. 372, im Jahre 1402. Klokow bei Stavenhagen 6934. Klokow bei Waren, Maltzan II Nr. 374, im Jahre 1404. D.=Kobrow M. U.=B. 8758. 8968. Kirch= und Wend.=Kogel 9989. Hohen=Kowalz, Maltzan II Nr. 351, im Jahre 1389. Lanken M. U.=B. 10089. Laschendorf 10857. Liepen bei Basedow, Hahn II Nr. 236, im Jahre 1443. Loppin M. U.=B. 9460. Lübz 4959. Malchow bei Parchim 8396. Mamerow,


(  ...  ) Lande Neu=Kalen 10 Drömpt 9 Scheffel Hunderoggen erhoben sind und ebensoviel Gerste und Hafer. Daneben 6 Drömpt 11 1/2 Scheffel Ablagergerste, 21 Drömpt 7 Scheffel Hafer und 20 Drömpt Pachtroggen. Nach einer Rechnung vom Jahre 1610 sind für die Hunde des Hauptmanns von Neukloster im betreffenden Jahre 3 Drömpt und 2 Scheffel verbacken, für die Hunde der Wildschützen zu Güstrow und Doberan zusammen 10 Scheffel.
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Maltzan IV Nr. 675, im Jahre 1482. Markow 7499. Matersen 4772. Medow 10596. Melz 11193. Mestlin 7875. Mistorf 10250. Moltzow 10174. Netebow 11419. Neuhof 7875. Kl.=Niendorf 11025. Niex 11365. Nütschow 10081. Oldenstorf, Maltzan II Nr. 372, im Jahre 1402. Paarsch M. U.=B. 10010. Pannekow 10836. Panschenhagen, Hahn III Nr. 252, im Jahre 1481. Pisede M. U.=B. 9643. 11405. Plaaz, Oertzen II Nr. 208, im Jahre 1447. Pölitz, Hahn III Nr. 262, im Jahre 1539. Prisannewitz M. U.=B. 11521. Prutzekendorp 9325. Gr.= und Kl.=Reez 11403. Reimershagen 9989. Reknitz 9873. Remlin 9163. Retzow 7658. Rey 11138. Rittermannshagen 6978. Ritzerow 6934. 11383. Rothspalk, Maltzan IV Nr. 675, im Jahre 1482. Rüst M. U.=B. 7875. Sabel 7710. 8988. Schwarz 8493. Schwinkendorf 6198. Schmisow 7710. Seedorf bei Malchin, Hahn II Nr. 221, im Jahre 1392. Sehlstorf M. U.=B. 6918. 10527. Sommerstorf 8402. Gr.= Sprenz 7710. Stralendorf 6916. Sukow bei Güstrow 10568. Sülten 6934. Teschow 11505. Upost 8681. Varchentin, Maltzan III Nr. 577, im Jahre 1461. Vietzen M. U.=B. 7573. Walmerstorp 9643. Walow 11633. Wargentin, Maltzan II Nr. 375, im Jahre 1404. Hahn III Nr. 262, im Jahre 1539. Wendfeld M. U.=B. 11166. Wygendorp 9989. Wohrenstorf, Zepelin Nr. 80, im Jahre 1403. Oertzen II Nr. 208, im Jahre 1447. Woltow M. U.=B. 9502. Zeez 7710. Zidderich 10527. Zielow 8493. Zierzow, A. Wredenhagen 8774. - Außerdem im Lande Sternberg: Herzberg 9641; im Lande Stargard: Podewal 9848. Weitin 6565. 8723. Wulkenzin 8097.

Kornbede.

II. Kornbede. Im Lande Malchin 5154. - In den Besitzungen des Klosters Ivenack 2937. - Im einzelnen in den Werlischen Landen zu: Basedow 5764. Benzin 2617. Bokhorst 4960. Bristow 7597. Brok 2617. Buchholz 6991. Gr.=Burow 6124. Demzin 6401. Diederichshagen bei Warnemünde 4694. 8659. Drosenow 5827. Gallin 3659. 7913. Gessin 5764. 7009. Godekendorp 5689. Gotthun 8628. Grabow 6401. Jamen 7010. Kisserow 7041. Kratel 2617. Kritzow 2617. Lärz 6390. Lexow 5370. 6549. Sand=Liepen 5764. 7009. Kl.=Lukow 6029. Malchow bei Plau 5827. Wend.=Massow 6401. Quetzin 3220. Restorf 2617. Rogeez 6401. Rukiten 3129. Sabel 3379. 3463. Samot 3660. Sanz 6401. Satow 6401. Simitz 3238. Sitow 5857. 6390. Stuer 6069. Kl.=Stuer 6401. Sukow bei Stuer 6401. Varchentin 7033. Vietzen 7545. Gruben=Wangelin 6257. Wardow 6206. Wessentin 2617. Wozeken 4404. Wozeten

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5765. Zarchlin 3659. 7913. - Im Lande Sternberg werden außer Gr.=Niendorf (6506 B) in 4959 vierzehn Dörfer genannt, die Kornbede entrichteten: Passow, Ruthen, Lutteran, Greven, Werder, Lindenbek, Granzin, Herzberg, Lenschow, Woeten, Kosbade, Grabow, Zölkow, Badegow. - Im Lande Bukow: Wischür 792. - Im Lande Stargard: Brohma, Dahlen, Jatzke, Jahrb. 25, S. 120, im Jahre 1475. Kublank M. U.=B. 8739. Lichtenberg 8739. Pinnow, Maltzan II Nr. 393, im Jahre 1414. Rosenow M. U.=B. 4793. Sadelkow, Jahrb. 11, S. 326, im Jahre 1408. Jahrb. 25, S. 120, im Jahre 1475. Schönfeldt, Jahrb. 25, S. 120, im Jahre 1475. Schwandt, Maltzan II Nr. 393, im Jahre 1414. Staven M. U.=B. 2872. 8739 (?). Stolpe 8739. Usadel, Maltzan II Nr. 386, im Jahre 1408. - Ganz im Westen befreien die Herzoge von Sachsen die Güter des Ratzeburger Kapitels im Lande Ratzeburg und zu Mist, Schlagsdorf und Schlagbrügge auch von Kornbede M. U.=B. 2275. 2307 (4493). 2793 (4016). 2794. 3540.

Hundekorn.

Wenn wir nun von der letzten vereinzelten Gruppe absehen, so zeigen sich sowohl Hundekorn wie Kornbede innerhalb Meklenburgs nur in werlischen oder zeitweilig werlischen Gebieten und in einem beschränkten Theile von Stargard, Pommern zu. Aus dem wenn auch seltenen Vorkommen im Lande Sternberg wird sich später ein wichtiger Schluß ziehen lassen. Am meisten nach Westen finden wir im Lande Schwan Matersen und in der Drenow Diederichshagen. Wischür aber mit seinem Bedekorn steht wie der Zeit nach, dem Ausdrucke nach und der Lage nach ganz allein. Weder im eigentlichen Meklenburg noch in der Grafschaft Schwerin noch im Lande Boitin kommt Kornbede oder Hundekorn vor, und auf diesen Unterschied zwischen dem östlichen und westlichen Theil Meklenburgs mag die Angabe Kirchbergs (M. U.=B. 5019 n) zurückführen sein, daß Herr Heinrich testamentarisch das Hundekorn abgeschafft habe, so falsch sie auf alle Fälle und in jeder Beziehung ist. Endlich ergibt sich, daß in demselben Maße, wie die Bezeichnung Hundekorn vordringt, die Kornbede zurückweicht. Ueber den Hebungstermin liegt kaum etwas anderes vor als das Zeugniß von M. U.=B. 2872, wonach aus Staven die Kornbede wie die Geldbede in zwei Terminen, Martini und Walpurgis, fällig war. Auch für den Betrag stehn nur wenig Daten zur Verfügung. Nach der eben angeführten Urkunde vom Jahre 1303 sollte die Hufe zu Staven zu Martini je 2 Scheffel Roggen, Gerste und Hafer geben, zu Walpurgis aber die Hälfte. Andere Urkunden zeugen nur von je 2 Scheffeln der

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drei Kornarten: M. U.=B. 6743 (1347, D.=Bützin), 8402 (1357, Sommerstorf) und 11383 (1381, Ritzerow; statt 1 1/2 Scheffel Gerste wird 2 Scheffel das Richtige sein. Für die Geldbede hier zwei Termine). Und das scheint nach Wigger S. 366 die Regel gewesen zu sein. Spätere Urkunden wie Hahn II Nr. 262 aus dem Jahre 1539 mit abweichenden Angaben dürften unzuverlässig sein. Wenigstens muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß bereits Pacht und Hundekorn confundirt sind (vgl. Maltzan IV Nr. 815, 1510). In M. U.=B. 9989 scheinen die Sätze der Geldbede und des Hundekorns in festen Beziehungen zu stehn, indem regelrecht 3 Mk. Bede 18 Scheffel Korn entsprechen. Leider fehlt aber der Schlüssel, die Angabe der Hufenzahl, und die Heranziehung von M. U.=B. 2861 gibt nur neue Räthsel auf. M. U.=B. 5461 (und 5550 B), die Brennecke noch anzieht, gehört nach Pommern und trifft besondere Vereinbarungen zu Gunsten des Klosters Dargun. Gewarnt sei schließlich davor, zur Ermittlung des Satzes des Hundekorns unbesehen alle die Urkunden zu benutzen, worin sich ein gleicher Betrag von dreierlei Korn findet, wozu eine Aeußerung Wiggers einladen könnte. Denn, wenn auch nicht oft, so kommen doch Pachtsätze vor, in denen die Leistung in den drei Kornarten gleich stand, jedoch scheinen sie stets erheblich höher zu sein als die für das Hundekorn beglaubigten Beträge.

Viehbede.

Außer Geldbede und Kornbede begegnet seltner eine Viehbede, wenn das in Wirklichkeit eine Bede ist. Das Kloster Neuenkamp erhält für seine Güter im Lande Barth zu verschiedenen Zeiten auf bestimmte Jahre von den Vögten oder Herzog Albrecht von Meklenburg selbst Befreiung ab omnibus exactionibus, peticionibus . . . requisitionibus . . . grauaminibus seu talliacionibus precariarum annone, pecorum auf aliarum quarumcumque rerum M. U.=B. 5627 (1335), 5889 (1338) und das Kloster Doberan für kurze Zeit die Zusicherung der Verschonung mit exactiones, tallie et peticiones pecudum aut pecuniarum 8893 (1361). Früher schon hatte Herzog Erich von Sachsen dem Ratzeburger Kapitel das Eigenthum seiner Güter im Lande Ratzeburg unter Befreiung ab omni grauamine et peticione seu precaria . . . et ab omni genere exaccionum, siue consistent in porcis seu in pecoribus siue annona siue pecunia bestätigt (M. U.=B. 4493, 1323), wogegen in älteren Urkunden desselben Belangs und andern nur einzelne Güter zu Mist, Schlagsdorf und Schlagbrügge betreffenden allein von exactiones in porcis die Rede ist (M. U.=B. 2275. 2307. 2793.

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4016. 2794. 3540). Ebenso hatte bereits im Jahre 1288 der Bischof von Ratzeburg dem Kapitel von dessssen Bauern im Lande Boitin peticiones in [porc]is zugestanden M. U.=B. 1940. Sonst kommt die Schweinebede nur noch wenige Male vor, hauptsächlich auf Pöl. Dort sind von zwei Hufen des Hofs auf dem Felde 10 1/2 ßl. wend. zahlbar racione precarie exactionis, que in wlgo dicitur swynebede M. U.=B. 2757 (1301). Im Jahre 1302 sschenkt die Fürsstin Hebungen de petitione porcorum aus Malchow 1/2 Mk., aus Wangern 2 Mk. 4 ßl., aus Timmendorf 6 Mk. (M. U.=B. 2779), und im Jahre 1306 bewidmet Herr Heinrich eine Vicarei zu Pöl mit 3 ßl. pro peticione porcorum und mit je 6 ßl. aus 10 Hufen zu Niendorf unter demsselben Titel (M. U.=B. 3080). Pro decima porcorum, que swynebede dicitur, überweist Graf Nicolauss von Schwerin dem Kalande zu Wittenburg 2 Mk. 3 ßl. lüb. aus A.=Granzin (M. U.= B. 3050, 1305). Aus Kuhss ssind auss 2 Hufen 4 ßl., aus einer Hufe 2 ßl. pro swinebede zu leisten (M. U.=B. 3823, 1316); auss Gr.=Strömkendorf von der Hufe pro peticione porcorum 41/2 ßl. (M. U.=B. 4435, 1323), auss Goldewin von einigen Hufen 2 ßl., von andern 1 ßl. ad swynebede (M. U.=B. 6120. 6645. 6726. 1341. 1346. 1347; bei andern Hufen wird die Abgabe nicht erwähnt), und endlich begegnet zu Passin de swinebede, de tho rekende to halveme werde alze zoven lubesche schillinghe (M. U.=B. 11456, S. 154). Ess muß aber für wahrscheinlich gelten, daß die gleiche Abgabe auch unter andern Namen geht, nämlich zuerst als census porcorum zu Gr.=Strömkendorf, Wester=Golwitz und Osster=Golwitz, wofür dort der gleiche oder nahezu der gleiche Betrag wie für die peticio porcorum gezahlt wird: 4 1/2 ßl. oder 4 ßl. (M. U.=B. 4479. 4919. 4924. 5610, S. 533. 5618). Auch zu Prebberede hat der Grundherr von jeder Hufe 4 ßl. de censu porcorum, quod wlgare suinscult dicitur (M. U.=B. 2398, 1296), wogegen zu Weitendorf auf Pöl 2 Hufen 12 ßl. wend., 4 Hufen 21 ßl., 1 1/2 3 ßl. und 2 3 ßl. derselben Münze zahlen (M. U.=B. 4433, S. 102 im Jahre 1323; andere Hufen ssnd frei), zu Polchow aber der census pro porco 1 ) im Jahre 1271 auf 2 ßl. besstimmt wird (M. U.=B. 1236). Zu frühest kommt diesser census in den Jahren 1242 und 1244 vor, wo Herr Johann von Meklenburg ihn zu Johannsdorf und Seedorf dem Lübecker Kapitel sschenkt oder zu


1) Diese Stelle will B. Jahrb. 65, S. 84, Anm. 1 anders erklären. Ich sehe nicht ein, aus welchem Grunde.
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seinen Gunsten davon befreit (M. U.=B. 534. 554). In M. U.=B. 8661 wird nach Maßgabe verwandter Urkunden census pecorum zu lesen fein (s. M. U.=B. XVII S. 359). War in M. U.=B. 2398 census porcorum durch suinscult glossirt, so begegnet auch dieser Ausdruck allein. Es zahlt im Jahre 1325 ein Hof zu Barnstorf 3 ßl. redditus, qui swineschult dicuntur, ein anderer 2 ßl. redditus to swineschult (M. U.=B. 4608, S. 254). Zu Bröbberow aber bestätigt im Jahre 1344 Herr Albrecht von Meklenburg dem Schwaner Pfarrer Meinhard von Hamm außer Bede monete denarios seu swineschuld (M. U.=B. 6451), worüber dieser im Jahre 1357 verfügt, indem er andere Hebungen vergibt cum redditibus decem et octo marcarum Rozstoccensium denariorum de precariis totidem mansorum ville B. cum octo solidis dicte monete dictis swyneschult necnon et vna kotha ibidem, von der 32 Hühner fallen (M. U.=B. 8420, S. 226). Ferner sind von 3 Hufen zu Reknitz je 2 1/2 ßl. an debita porcorum zu zahlen (M. U.=B. 9728, S. 277), von 3 Hufen zu Vorbek bei Schwan aber je 2 ßl. swineschult (8443, S. 252), und aus Barnstorf erhebt Rostock 1 Mark für swinescult (11247, S. 467). Endlich treffen wir auf diese Abgabe noch ohne Angabe des Ertrags zu Kl.=Bützin und Weitendorf bei Tessin (9873, S. 406), aus Riekdahl aber werden 4 1/2 Mk. und 20 Pfg. gebucht ad vngelde, id est swinescult et ouerland (11247, S. 467). Nichts anderes wird in M. U.=B. 6110 (1341) gemeint sein, wonach 3 Hufen zu Kleinen 4 1/2 ßl. pro justa pensione porcorum zahlen. Und auch die swinepenninge werden dasselbe bezeichnen. Diese sind zuerst als denarii pro porcis im Jahre 1252 zu Zweedorf bei Wittenburg bezeugt (704), sonst denarii, qui dicuntur muntepenninghe et swinepenninghe zu Sabel (8479, 1358). Aus Bantow hatte jede Hufe bis auf eine 4 ßl. als solche zu zahlen, aus D.=Trechow 6 Hufen je 8 ßl. lüb., aus Gr.=Baumgarten 1/2 Hufe 6 ßl. lüb. (8427, S. 236; 11068. S. 276; 10866. S. 58; 11268). 1 ) Zwei Hufen zu Zepelin entrichteten jede pro porco 1 Mk. wend., eine halbe Hufe zu Wolken 4 ßl. mend. (5601, S. 522, 1335). Endlich ist der incisio porcorum zu gedenken, von der die Grafen von Schwerin im Jahre 1307 Porep befreien (3175), die aber sonst in unserm Urkundenbuche nur in Urkunden vorkommt, die das Bisthum Ratzeburg betreffen, und das ziemlich häufig: M.


1) In Pommern waren zu Miltzow im Jahre 1325 von jeder Hufe 5 ßl. wend., qui dicuntur svynepenninghe zu entrichten. Fabricius, rügische Urkunden Nr. DCLV b.
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U.=B. 2759, S. 34 zu Lockwisch u. Rubenstorf [130l], 3198 von den Tafelgütern des Bischofs (1307), 3540 zu Lankow (1312), 3765 zu Panthen (1315), 4794 zu Mustin (1326), 7400 zu Mechow (1351), 8120 zu Pätow (1355), 9068 f. zu Schlagbrügge u. Schlag=Restorf (1362), 9072 zu Goldensee (1362), 10293 unter den Einkünften des Propstes (1372), 11006 zu Stove, Kronskamp, Neschow, Farchau, Damker, Pötrau (1377) und 11014 u. 11023 zu Gr.=Rünz (1377). Dabei scheint sie in M. U.=B. 2759 und 8120 mit der Waldnutzung in Beziehung zu stehn, indem sich das eine Mal der Propst nemorum seu lignorum dominium und porcorum incisio, cum fuerit opportuna, reservirte, das andere Mal ein Vertrag abgeschlossen ward super porcionibus siluarum et lignorum et inscisionibus porcorum während sie sonst meist neben Zehnten genannt wird. Im Register über die Einkünfte des Bisthums vom Jahre 1525 heißt es nach Schröders Druck Evang. Mecklenburg I S. 84 ff. entweder: dant porcum oder sniedesuine, inscisionem porcorum, porcum incisorium und bei Schwanbek sind »für schniedeschwin van den haluen houen 4 ßl.«, »noch für schnideschwin vnd findelam 4 ßl.«, bei Gr.=Bünstorf bei jeder Hufe 4 ßl. »pro inscisione porci et agni« angesetzt. Incisio ist nach Ducange mit tallia gleichbedeutend, eigentlich das Einschneiden in das Kerbholz (talea), wobei es merkwürdig ist, daß es bei uns fast ausschließlich in dieser Verbindung vorkommt. 1 ) Was aber die so verschieden benannte Abgabe selbst betrifft, so ist es trotz der Verzwickungen der verschiedenen Bezeichnungen keineswegs ganz gewiß, daß stets eine und dieselbe gemeint ist, wenn auch die ungleiche Höhe des Abkaufpreises sich aus der Verschiedenheit der Zeit seiner Vereinbarung erklären mag. Mehrfach läßt sich der Landesherr als der anfangs Empfangsberechtigte erkennen, aber doch nicht behaupten, daß er es immer gewesen sei. Jedesfalls baben wir ein hervorragendes Zeugniß unstät schwankender Terminologie vor uns, und es dünkt mich wahrscheinlich, daß petitio und bede hier nicht in eigentlichem Sinne gebraucht sei, zumal im Lateinischen nur ein einziges Mal der terminus technicus precaria gebraucht ist. Die beregte Abgabe aber von den Schweinen, mag sie eine einheitliche gewesen sein oder nicht und welchen Ursprung sie immer habe, scheint über das ganze Land verbreitet gewesen


1) Höchst selten incisio vacce (solidi pro vacca M. U.=B. 704, kopenninghe, Fabricius rügische Urkunden Nr. CCLXXV im Jahre 1300), und im Ratzeburger Verzeichnisse noch incisio porcorum, agnorum, lini und Aehnliches, einmal auch allein agnus inscisorius.
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zu sein. Irrthümlich jedoch wird die Verbindung mit den monete denarii sein, die auf S. 53 angeführt ist und durch die spätere Urkunde unerklärt bleibt. Möglicherweise ist indessen das verbindende seu im Sinne von et gebraucht, was hundert Jahre früher nicht auffallend sein würde. Die Stelle, die nach Brennecke (S. 83) als einzige die Spezifizirung einer Viehbede geben soll, ist von ihm sehr willkürlich gedeutet worden. Ich kann aus der Urkunde (M. U.=B. 5123) nichts anderes herauslesen, als daß zu Martini ratione precarie eine recht erhebliche Geldzahlung geleistet, zu Walpurgis aber zwei Kühe geliefert werden sollten, quas . . . inscidi per famulum nostrum faciemus.

Krugbede.

Nur ein einziges Mal scheint kr u ghbede, und zwar zu Ritzerow belegt zu sein M. U.=B. 11383. Oefter, aber immerhin selten begegnen crochpenninge (5764 f. 6206), denarii tabernarum (5370 und 6549 tabernarum et domunculorum, 5802, 8628), crochgelt (7033, Uebersetzung), stets in Verbindung mit Münzpfenningen und ausschließlich in Werle. Zweifellos wird auch de teyde pennyng an kroghen vnde an molen verschiedener werlischer Orte (9989) hierher gehören. Außerdem sind noch allerhand Geldhebungen aus Krügen (die ältesten M. U.=B. 147 und 871; andere in den Sach=Registern Bd. XII und XVII unter Krug) und Leistungen an Hühnern, Wachs, Korn und Pfeffer (M. U.=B. 1191 und in den Sachregistern wie vorher) bezeugt. Die oben genannten Krugpfenninge mögen wirklich der Bede zuzurechnen sein.

Mannbede.
Herrenbede.

Nicht allzu oft findet sich noch eine andere Unterscheidung der Bede in Mannbede und Herrenbede. Zuvörderst die Stellen. Im Jahre 1337 verkaufen die v. Kramon an Nic. Wamekow omnem precariam nostram zu Pastin, scilicet de quolibet manso vnam marcam (M. U.=B. 5738) und Herr Albrecht von Meklenburg verleiht dem Käufer diese Bede als precaria vasallica, videlicet de manso quolibet annis singulis vnam marcam (M. U.=B. 5793). Ebenda verkauft der Ritter Werner v. Kramon eine Hufe cum omni jure et precaria vasallorum (M. U.=B. 6327, 1343). - Herr Nicolaus IV. von Werle belehnt Dankwart v. Gustevel mit Mestlin samt dem Neuen Hofe, Rüst und Hohen=Augzin myd aller bede, myd manbede, myd wynterbede vnde myd der zomerbede . . . (M. U.=B. 7875, 1354). - Im gleichen Jahre schenkt Herzog Johann von Meklenburg=Stargard dem Kalande zu Sternberg das Eigenthum zweier Hufen und zweier Kathen zu Zülow cum . . . precaria dominorum et talento piperis, quod nobis de jam dictis mansis

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annuatim dabatur, ac precaria vasalorum decimoque denario interclusis (7930). Derselbe gestattet im Jahre 1366 Bürgern zwei Hufen ebenda zu einer kirchlichen Stiftung zu verwenden ane de herenbede, de beholde wy vnß vnde vnßen eruen (9542). - Herzog Albrecht von Meklenburg verkauft dem Canonicus Jakob v. Krumbeke 10 Mk. Rente aus Degetow, prout nos dictas precarias primas predicte ville D., que proprie precarie dominorum terre nuncupantur, liberius hactenus habuimus (8075, 1355). - Herzog Johann von Meklenburg=Stargard wieder verleiht im Jahre 1367 den v. Plessen Herzberg myt aller manbede vnde herenbede, beyde lutke vnde grote, myt; hundekorne (9641). - Schließlich verpfändet Herr Johann von Werle dem Ritter Raven v. Barnekow Gischow an aller bede, de me hidden edder beden mach, myd zomerbede, myd manbede vnde grote bede . . . myd hundekorne (10024 1370), an Klawes v. Wozenitz all seine Rechte an Domsühl, alle bede vnde hundekorne vnde den teynden penning ouer de koten vnde de muntepenninghe . . . sunder den borchdenst vnde de manbede, de hadde he tovorne in deme gude, dat schal he vnde sine eruen (auch nach der Einlösung) beholden (10090, 1370) und verläßt im Jahre 1371 dem Kloster Dobbertin zu Dobin alle Bede klein vnd groß alß die Somerbede, Manbede vnnd Winterbede vnd alle Hundekorn (10143).

Ueberlegen wir diese Stellen für sich, so sind die Gegenüberstellung von Mannbede und Herrenbede, von Mannbede und großer Bede, wie die Gleichsetzung von Herrenbede und erster Bede und die Angabe des Betrags der Mannbede in einem Falle feste Punkte. Ferner ist klar und stimmt zu Früherem, daß die große Bede und Winterbede gleichstehn und damit nur die Martini=Bede gemeint sein kann. Den weitern Schluß, daß unter erster Bede immer diese Martini=Bede gemeint sein müsse und folglich auch nach S. 44 die Vorbede die Martini=Bede sei, wage ich nicht zu ziehen, obgleich er sich mit logischer Notwendigkeit aufdrängt. Denn vereinzelte, zeitlich und räumlich auseinanderstehende Urkundenäußerungen scheinen mir nur mit großer Vorsicht vereinigt werden zu dürfen und durch die Zusammenstellung von recaria prima, media et vltim (5649) und Sommerbede, Mannbede, Winterbede, die sich von Rechts wegen entsprechen müßten, würde man ad absurdum geführt werden. Wenn es natürlich war, das Finanzjahr mit Martini zu beginnen - ob man damit begann, weiß ich nicht, - wo die Leistungsfähigkeit der Bauern anfing, und zu dieser Zeit die

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erste Bede zu erheben, so machte andererseits die Sprache ihr Recht geltend und stellte den Sommer voran und den Winter hinterher, und danach scheint es mir nicht ausgeschlossen, daß unter der ersten Bede öfter die Walpurgis=Bede zu verstehn sei. Dies muß ich also auf sich beruhen lassen, und um so mehr als nach einer spätern auf S. 44 angezogenen Urkunde vom Jahre 1396 die vornste bede der nabede, de de heren des landes jarliken plegen tho biddende, gegenüber steht, die erste aber den größern Ertrag brachte. Wenn wir aber mehrfach in werlischen Urkunden die Mannbede zwischen die Sommerbede und große oder Winterbede gesetzt finden, so scheint daraus zu folgen, daß Mannbede und Herbstbede oder Michaelis=Bede gleich sind, wie man ja auch gerade in Werle wiederholt die Termine Walpurgis, Michaelis, Martini antrifft. Ausgeschlossen ist angesichts der gegebenen Zusammenstellungen die Deutung von Herrenbede als außerordentlicher Bede, 1 ) woran man wohl hätte denken können, zumal man Stellen anziehen kann wie M. U.=B. 11019 (mit . . . bede luttich vnde grot vnde mit al deme, dat de heren bidden. vnde beden moghen . . . an thokomender tid) oder 11383 (wat de heren des landes bydden edder beden moghen) oder 10688 (alle bede, de de heren in deme lande byddet), wobei die außergewöhnliche Bede sicher eingeschlossen ist. Die Urkunden M. U.=B. 2238 f., anscheinend hierher gehörig, kommen aus dem Grunde nicht in Betracht, weil die peticio oder die exactio et peticio dominorum, qualiscunque in terra fuerit, über die Mühle vor Plau dem Zusammenhange nach städtischer Besteuerung entgegen gestellt ist.- Die Benennung hat Brennecke, der auf S. 15 f. in der Anmerkung und auf S. 27 auch in der Anmerkung über die Mannbede handelt, darauf zurückführen wollen, daß die kleine Bede wie die niedere Gerichtsbarkeit anfangs vorzugsweise an die Mannschaft veräußert worden, die große Bede aber wie die hohe Gerichtsbarkeit der Regel nach von den Landesherren vorbehalten worden sei. Er stützt sich dabei nicht zum wenigsten auf M. U.=B. 9641, die er auf eine Weise benutzt, die ich mich vergebens geplagt habe zu verstehn. 2 ) Ich halte diese Erklärung,


1) Daß Mannbede nicht außerordentliche, von den Mannen bewilligte Bede sein kann, darüber ist kein Wort zu verlieren. Solche Benennung wäre nur in modernem Zeitungs=Deutsch möglich.
2) Ich verstehe nur, daß er hier herenbede als lutke unde grote (Bede) umfassend annimmt, was ich nebenbei gesagt nicht für richtig halte, sondern manbede unde herenbede für parallel ansehe mit beyde lutke unde grote (sowohl kleine wie große).
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wie sie auch immer mit M. U.=B. 941 zu begründen sein möge, so lange für verkehrt, bis es gelingt nachzuweisen, daß gerade vorzugsweise nur die kleine Bede an die Mannschaft veräußert worden sei. Einstweilen fehlt dafür aber jeder Nachweis. Alle die zahlreichen Bedebefreiungen und Bedeverleihungen umfassen bis auf wenige Aufnahmen die ganze Bede ober, was damit gleichbedeutend ist, die Bede, unsere Bede, und vorbehalten wird nur hier und da der Fall allgemeiner oder außerordentlicher Bede. Eine Trennung von großer und kleiner Bebe, von Mannbede und Herrenbede, so daß nur eine der beiden verliehen oder erlassen, die andere vorbehalten wird, findet sich äußerst selten: M. U.=B. 3540, 4794, 5793, 6327, 8044, 9542, 10090, allenfalls noch 8075. 1 ) Und das ändert sich auch nicht, wenn wir die wenigen Stellen hinzurechnen, wo es sich aus dem Ertrage der veräußerten Bede wahrscheinlich machen läßt, daß der eine Termin abgetreten ist, der andere nicht. Man muß sich indessen sehr in Acht nehmen, daraus, wenn man Bede im Betrage von einer Mark, die nach M. U.=B. 5793 den Inhalt der precaria vasallica bildete, für sich findet, oder wenn Hebungen aus der Bede auftreten, die dem Ertrage eines Bedetermins gleich sein möchten, zu schließen, daß ein Termin für sich fortgegeben sei. Viel wahrscheinlicher ist es, daß der Hebungsberechtigte an allen Terminen betheiligt gewesen ist. Vgl. M. U.=B. 8156. Meist wird also die Bede nicht geteilt, wo sie aber getheilt wird (S. 43 ff., S. 55 ff.), werden beiderlei oder dreierlei Beden zusammen verliehen oder erlassen. Getrennt sind nur, nicht freilich der Regel nach, aber immerhin häufig, Geldbede und Kornbede (Hundekorn). Auch in M. U.=B. 2861, wo der Fall vorgesehen wird, daß der Ritter Joh. v. Bellin suum judicium et precariam (d. h, die auf seine Erbgüter bezüglichen) emerit sicuti aliimilites et vasalli des werlischen Landes, ist nur von Bede überhaupt und nicht von einer besondern die Rede. Auf dem rechten Wege indessen ist Brennecke gewesen, wenn er die Verhältnisse der Gerichtsbarkeit zur Erklärung heranziehen wollte. Denn wie man die niedere Gerichtsbarkeit Vasallen=Gerichtsbarkeit nannte, wie man Mannrecht und Herrenrecht unterschied, so dürfte man eine Zeit lang in Analogie hierzu die den geringern Ertrag ab=


1) Anmerken will ich doch, daß eine Rente, die Herzog Heinrich im Jahre 1450 aus der ganzen Bede des Dorfs Niendorf im Kirchspiel Drewskirchen verkauft hatte, im Jahre 1475 als eine Rente aus der Herrenbede angeführt wird (Wismarsche Urkunden 1450 Januar 31, 1475 September 20).
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werfende Bede Mannbede und die größere Herrenbede genannt haben. Solche Art der Benennung ist wenigstens denkbar, und diese Erklärung thut den Thatsachen keinen Zwang an.

Markbede

Markbede, die im Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts einige Male durch Urkunden des Geschlechts Behr neben Sommerbede belegt ist (III Nr. 366, 373), erklärt sich einfach genug daraus, daß sie eine Mark betrug.

Ueberbede.

Endlich ist, da Königsbede und Kaiserbede 1 ) spätern Datums sind, noch der Ueberbede zu gedenken, die im ganzen Urkundenbuche nur ein einziges Mal bezeugt ist in M. U.=B. 9918, und die ich auch sonst nur noch Jahrb. 13 S. 292 f. vorgefunden habe. Nach M. U.=B. 9918 aber verkauft Herzog Albrecht i. J. 1369 an den heil. Geist zu Lübeck Warnkenhagen und daselbst precarias nostras, siue tales bede siue ouerbede, siue wynterbede vel zomerbede dicantur . . . . nec nos . . . debent colonos . . . pro aliquo vecture aut aliquorum seruiciorum onere aut pro aliqua precaria qualicunque, ymmo nec pro majori nec pro minori quomodolibet angariare. Wobei zur Konstruktion zu bemerken ist, daß tales nicht Attribut zu bede, sondern Subject und bede Prädicatsnomen ist. Nach der andern Stelle ward im Jahre 1422 dem Kloster Doberan eine ihm von Herzog Johann vermachte jährliche Rente von 12 Mk. lüb. an der ouerbede zu Satow oder an deme halben vnde ghude to der Zatowe an der ouerbede zu Memorien bestätigt. Auch hier kann ich der Erklärung Brenneckes nicht zustimmen, daß ouerbede die Bede vom Ueberlande sei. Das wäre in dem einen Falle eine sonderbare Zusammenstellung: Bede oder Bede vom Ueberlande oder Sommerbede oder Winterbede! Im andern aber war gerade Satow seit langem landesherrlicherseits von Nachmessung befreit (M. U.=B. 1893. 7037) und das Kloster im Besitze der Bede (M. U.=B. 7730). Man wird also an einen Zuschlag 2 ) zur Bede zu denken haben, über


1) Königsbede habe ich zuerst aus dem Jahre 1460 notirt (Oertzen II Nr. 232), aus dem Jahre 1508 Freiheit von koninges efte landtbede (ebd. Nr. 338). In den Streitigkeiten über die Landestheilung mit seinem Bruder Herzog Ulrich beansprucht Herzog Hans Albrecht von sechs Dörfern des Klosters Neukloster Königsbede und Stolbede für die Vogtei Bukow. Wegen der Kaiserbede liegt im Wismarschen Archive eine Anfrage Rostocks vom Jahre 1492 vor über den von Wismar geleisteten Betrag, Rostock habe ehedem 5000 Mk. Sund. gezahlt.
2) Zu vergleichen ist overgeld zur Pacht. Gemäß Wismarschen Urkunden von 1491 März 30 und Dec. 20 verkaufen Henneke und Bernd v. Plessen an S. Marien zu Wismar aus Triwalk Renten ouergeldes (  ...  )
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den wir übrigens einstweilen (wenigstens für burgMeklenburg) so wenig unterrichtet sind wie über die Besteuerung des Ueberlandes. Mit allem Vorbehalte will ich dem Gedanken Raum geben, daß overbede und manbede gleich sein könnten, wie sie in Urkunden gleich stehn.

Orbör.
Schoß.

Ueber die öfter und namentlich anfangs bei noch nicht ausgebildeter Terminologie 1 ) gleichfalls Bede genannte Orbör der Städte will ich mich nicht verbreiten. Denn wo wir hierüber genauere Wissen haben, ist diese stets auf ein Fixum behandelt, und nur die von Brennecke auf S. 60 richtig gewürdigte Güstrower Urkunde M. U.=B. 1015 läßt erkennen, daß zum Theil ein anderer Modus vorangegangen, wobei der Landesherr die Bürger direkt besteuerte. Aber weder hier noch in den unentwickelten Zuständen Marlows und vielleicht Neu=Bukows (a. a. O. S. 66 f.) läßt sich erkennen, nach welchem Grundsatze solche Steuer umgelegt sein mag, wenn es auch nahe liegt, aus M. U.=B. 2171, wonach Herr Nicolaus von Werle der Stadt Güstrow) jährlich de collecta communi, que uulgariter schot dicitur, eine Rente verkauft de parte nos legitime contingente, zu schließen, daß sie Schoß war. Denn stringent in dieser Hinsicht beweisend ist diese Stelle nicht einmal für Güstrow), geschweige denn für andere Städte. In Gründungs=Urkunden und den Bewidmungen mit Stadtrecht wird der Orbör nicht gedacht, und es ist gemäß der verschiedenen Stellung der Städte auch ihr Verhältniß zu Bede ober Orbör verschieden. Daß je von Rostock oder Wismar der Landesherr oder seine Beamten Bede erhoben haben, ist durchaus unwahrscheinlich, vielmehr wird hier das Schoß älter sein als die Orbör. Das Schoß aber, die in den Städten von den Bürgern erhobene Steuer, ist, soweit wir etwas darüber wissen, eine reine Vermögenssteuer, die abgesehen von dem jeden gleich treffenden Vorschoß nach einem gewissen Prozentsatze von aller Habe, Liegenschaften und Kapitalien und sogar vom Geschmeide 2 ) zu leisten war. Vgl. darüber jetzt M. U.=B. 11741 mit der Anmerkung und wegen einiger Nachträge das Register. Hier will


(  ...  ) van der kornepacht, teghetlammeren, teghetvlaß vnde rockhon oder van deme ouerghelde deß kornes neben Rente rechter pacht aus verschiedenen Bauernhöfen.
1) Hernach schied man offenbar absichtlich im Ausdrucke. Man vgl. M. U.=B. 7118, wo neben precaria aus Kassebohm und Barnstorf collecte aus Warnemünde gebucht wird.
2) et viri talliabunt pro clenodiis sub juramentis eorum. Nachtrag zur Wismarschen Bürgersprache vom Jahre 1397 bei Burmeister S. 27.
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ich nur die Gelegenheit benutzen, einige Irrthümer und Schiefheiten in Brenneckes entsprechendem Kapitel (S. 56-74) richtig zu stellen. Ausdrücklich bei der Gründung verbriefte Steuerfreiheit von Städten (S. 56) ist nicht nachgewiesen. Die ältesten Grabower Urkunden sind bekanntlich unecht, und die für [A.=]Kalen angezogene Urkunde (M. U.=B. 713, nur in einer späten Abschrift erhalten) besagt, wenn ich sie recht verstehe, nur daß nicht ferner gemäß Landrecht vom Grund und Boden (nach Hufenzahh Bede geleistet werden, sondern daß ferner Lübsches Recht gehandhabt werden solle. 1 ) Dagegen ist nach M. U.=B. 2756 (vom Jahre 1301, nur in Abschrift erhalten) der Stadt Boizenburg von dem Grafen Nicolaus von Schwerin die Bedefreiheit verkauft. - Falsch ist auf S. 65 die Urkunde für Güstrow gedeutet (M. U.=B. 1015), deren Ausdruck allerdings ungewandt genug ist. Auf alle Fälle ist zu excedant nicht consules, sondern cives als Subject zu denken, denn die betreffende Stelle lautet: ciuibus in Guzstrowe . . . contulimus petitionem pro C marcis annis singulis persoluendis, ita tamen quod prefatum numerum petitionis in perpetuum non excedant. Es kann nur gemeint sein, daß nie mehr als 100 Mark der Stadt für die petitio abverlangt werden solle. - Bei Bestellung Dritter, an die eine Stadt sich wegen Schosses von Grundstücken und Renten halten sollte (S. 69) ist der springende Punkt der, daß die städtischen Grundstücke und die darin fundirten Renten als inhärirende Theile der Grundstücke auf keine Weise der städtischen Gerichtsbarkeit entzogen werden sollten und deshalb im gegebenen Falle Vertreter gestellt werden mußten, die dieser unterstanden. Unmündige mußten einen Vormund haben, Geistliche waren in specie in Liegenschaftssachen dem Rathe gegenüber unmündig (vgl. M. U.=B. XVII unter geistlich). Was nun die Steuerpflicht der Geistlichkeit betrifft (S. 70), so sind Person und Besitz zu unterscheiden. Für ihre Person und ihre fahrende Habe waren die Geistlichen, weil Nichtbürger, auch in unsern Städten steuerfrei (wofern sie nicht etwa später durch die Accise mitgetroffen wurden), wenn sie dagegen geneigt waren, für erworbene Grundstücke dieselbe Freiheit und geistliches Recht zu


1) Sonst würde daraus gefolgert werden müssen, daß die deutschen Städte überhaupt steuerfrei waren, was mit den thatsächlichen Zuständen nicht in Einklang steht. Unmöglich aber ist, weil widersinnig in sich, die Auslegung, daß A.=Kalen von dem in deutschen Städten üblichen Schosse frei sein solle. Jedenfalls hatte eine solche Befreiung einen ganz andern Ausdruck finden müssen.
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beanspruchen, so hielt der Rath daran fest, kein Grundstück seiner Jurisdiction und den bürgerlichen Pflichten entziehen zu lassen, und in beiderseitigem Interesse schloß man Compromisse entweder dergestalt, daß die betreffenden Grundstücke einem Bürger im Stadtbuche (zu treuer Hand) zugeschrieben wurden und dieser dem Rathe gegenüber als Eigentümer verpflichtet war (s. M. U.=B. XVII und XX unter Hand), ober man trat direkt mit den Geistlichen in Verbindung und vereinbarte einen festen Satz für Schoß und andere Bürgerpflicht; auch kam es vor, daß man Klöstern Vormünder gab. Kirchen oder Kapellen (S. 70) an sich als Gebäude und mit ihrem Schmucke zu besteuern, solcher Gedanke ist dem Mittelalter gänzlich fremd. Klostergebäude als Behausung und Wirthschaftsbaulichkeiten aber unterlagen als Ganzes dem vereinbarten Schosse, wenn man die z. B. auf den Höfen Doberans oder Neuklosters oder Cismars in Rostock und Wismar errichteten Gebäude als Klostergebäude ansieht. Mit dem Besitze der Kirchen (denen Bürger als Vorsteher gesetzt waren) mag es verschieden gehalten sein: in der zweiten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts war er in Wismar nicht schoßfrei. Die Ritterbürtigen behandelte man wegen Grunderwerbs ähnlich wie die Geistlichen. - Ob wegen des dampnum aree (S. 74) des Nicolaus _Tunneke von einem Nachlasse im Schosse gesprochen werden darf, etwa weil sich der Werth des Grundstücks gemindert hatte, kann einigermaßen fraglich erscheinen. Wahrscheinlicher ist mir, daß ihm und zwar in mehreren Raten durch Abzug vom Schosse beglichen ward, was ihm die Stadt für einen Theil seiner Wurt schuldig geworden war, den sie für die Befestigung benutzt hatte (s. M. U.=B. 1476 B 1 ) S. 594).

Grevenschat.

Noch erübrigt einiger Abgaben flüchtig zu gedenken, über die man wenigstens ein Wort bei Brennecke zu erwarten berechtigt gewesen wäre. Für grevenscat, das zwei Male neben Bede vorkommt M. U.=B. 2612, 3126 (Holzendorf unund Gr.=Görnow),

Kathenpfenninge.

habe ich keine Erklärung, 2 ) und auch die Kathenpfenninge, die öfter neben den Krugpfenningen auftauchen, will ich nur nennen, da ich nicht hoffen kann, darüber etwas auszumitteln.


1) Es ist kein Einnahmeregister, sondern ein Register über [Zwangs=]Darlehen ähnlich dem in den Rostocker Beiträgen III, 1 S. 32 ff. abgedruckten. Wenn solche oder andere Darlehen oder Schulden durch Abschläge bei der Schoßzahlung getilgt werden, darf man doch nicht von Erkaufen von Schoßfreiheit reden.
2) In M. U.=B. 239 und andern Urkunden erklärt sich das im Lateinischen entsprechende exactio comitum aus dem zu Grunde gelegten Formulare. S. S. 4 Anmerkung 2.
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Möglich, daß damit eine Abgabe irgend wie in Zusammenhang steht, die nach M. U.=B. 7033 - leider fehlt das Original - von Webern und Weberinnen erhoben zu sein scheint. Auch der

Brugpenninge.

Brugpenninge (in Beziehung zu Brückendienst?) in M. U.=B. 1904 muß ich mich begnügen zu erwähnen. Wolthaver wird mit avena silvestris oder nemoris übersetzt und gehört demnach

Münzpfenninge.

nicht hierher. Dagegen ist bei den Münzpfenningen längeres Verweilen geboten. Ich gebe zuerst die Namen, mit denen diese Abgabe belegt wird, immer mit den ältesten Stellen und nach der zeitlichen Folge geordnet. denarii monete M. U.=B. 1317 (1274). 2181 (1292). 2415 B (1296). 2514 (1298). denarii monetales 7203 (1280). 2718 f. (verdächtige Urkunden). 4835. denarii monetarum 2165 (1292). 2825 (1302). 4772. numisma 2617 (1300). 3345. 3660. nummisma 3063 (1306). 3190. 3202. moneta 2743 (1301). 3238. 3687. denarii numismatis 3121 (1306). 3220. 4475. můnthepenninghe 3563 (unechte Urkunde), muntepenninge 5764. 5802. 6918. muntegelt 3932. muntpenninghe 4959. můnte 7292. 9989. 11019. můnthe 7009. munthe 7033 (Uebersetzung). mit der munte, mit muntepennigen 11402 (Abschrift).

In der Regel stehn die Münzpfenninge mit der Bede in engem Verbande. Allein begegnen sie nur dreimal. Im Jahre 1307 verleiht Herr Nicolaus von Werle dem Kloster Doberan proprietatem quinque marcarum slauicalium denariorum, quas de consulibus oppidi nostri Kracow de nummismate nostro . . . recipient quouis anno M. U.=B. 3202. Ein Jahr darauf überläßt Herr Heinrich von Meklenburg den Johannitern zu Mirow vniuersos denarios monete, quos in villis predictorum fratrum scilicet Myrowe, Zirtow, Pezich, Lenst, Vlit, Repent, et in IIII or mansis Starsow tam denarios monete quam XXVIII solidos Brandenburgenses de tributo, quod dicitur thins, percipere annuatim consuevimus M. U.=B. 2885 (bestätigt 2922). Endlich verleihen die Herren von Werle dem heil. Geist=Hospitale zu Parchim proprietatem ville Rome . . . excluso solum nummismate M. U.=B. 3368. Außerdem finden wir die Münzpfenninge noch einige Male neben der Bede, aber von ihr losgelöst. Indem nämlich Herr Johann VI. von Werle dem Kloster Malchow Laschendorf und Kisserow und zwei Hufen zu Grüssow cum omni precaria, majore et minore, et annona canum que hundekorne dicitur verleiht, befreit er die Bauern ab omni castrensi seruitio et a denariis monete (quocunque nomine censeantur) M. U.=B. 10857. 11004. Herr Heinrich

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von Meklenburg aber schenkt dem Sternberger Kalande das Eigenthum von 4 Hufen zu Kl.=Raden cum omni jure moneta inclusa excepta duntaxat precaria, die Johann von Raden sich beim Verkaufe vorbehalten hat (M. U.=B. 3687) und vereignet 9 Hufen ebenda zu Vicareien in Sternberg, die Joh. von Raden abgekauft sind cum . . . judicio et moneta (eine Wiese und Hebungen nur cum judicio), wobei eine Entfreiung von der Bebe aus dem weiteren Tenor der Urkunde zu erschließen ist (M. U.=B. 3782). Myt hundekorne, myt muntepennighen, aber unter Vorbehalt großer und kleiner Bede verpfändet Herr Bernhard von Werle 24 Hufen zu Schwarz an die v. Marin M. U.=B. 8493. Wiederum verpfänden Herr Johann von Werle oder Herr Lorenz von Werle zu Moltzow oder zu Mistorf alle bede lutke und grot . . . vnde muntepenninge, behalten aber das Hundekorn (M. U.=B. 1017. 10250), und verleiht Herr Heinrich von Meklenburg Matersen an Dobbertin cum dimidia precaria denariorum . . . et cum denariis monetarum . . ., reseruata tamen nobis dimidia precaria denariorum et annona canina M. U.=B. 4772. Endlich sind hier die beiden Parallel=Urkunden anzuführen, in denen Herr Nicolaus von Werle und seine Brüder den Johannitern zu Mirow Qualzow und zwei Hufen zu Leussow vereignen (M. U.=B. 2415). Denn während nach A Dorf und Hufen befreit werden ab omni exactione, precaria et molestia oder ab exactione, precaria, seruiciis justis et injustis, befreit B von precaria . . . denarii monete . . . seruitia petitionum. - Der Vollständigkeit halber weise ich noch auf zwei Urkunden hin, wo die Münzpfenninge mit der Schweineschuld ober den Schweinepfenningen durch seu oder et verbunden sind M. U.=B. 6451 und 8479. Die Stellen sind auf S. 53 ausgeschrieben und auf S. 55 ist ein Wort darüber gesagt.

Das Gebiet der Münzpfenninge ist dasselbe wie das des Hundekorns, nur daß es im Lande Sternberg weiter nach Norden und Westen reicht. Wir finden sie nämlich in den werlischen Ländern mit Einschluß von Gnoien, Kessin und Schwan in folgenden Bezirken und Ortschaften:

Stadt und Land Neukalen M. U.=B. 11402. Stadt (?) Krakow 3202. Vogtei Parchim 10757. Land Penzlin, Maltzan II Nr. 393, im Jahre 1414. St. und L. Stavenhagen M. U.=B. 10763. St. und L. Teterow 11261. St. und L. Waren 11119. - Besitzungen des Klosters Broda 3563. - Hohen=Augzin 7875. Babke 6796. Basedow 5764. Bellin 9989. Benitz 2750.

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Benzin 2617. Blankenförde 3698. Böck, Hahn II Nr. 221, im Jahre 1392. Gr.= und Kl.=Bresen 9989. Bristow 7597. Bröbberow 6451. Brok 2617. Brokhusen 2743. Brusdorf 1317. Buchholz 6991. Dalmersdorf 3698. [Damm] 3063. Demzin 6401, Hahn II Nr. 222, im Jahre 1404. Dobbin 10527. Domsühl 10090. Drosenow 5827. Oldenburg 4959. Fahrenholz 2743. Finkenthal 7312. 8484. Fleeth 2885. 2922. Gaarz 2514. 2726. Gedin 2165. Gerdshagen 11480 B. Gessin 5764. Gilow 2750. Gischow 10024. 11395. Glevin 4475. Gotthun 8628. Grabow 6401. Granzin 3698. Granzow 10836. Grapentin 2165. Grapenwerder 3345. Grüssow 11004. Hove 7292. Jamen 7010. Jürgenshagen 5528. 5894. Kisserow 11004. 11019. Klöden und Kleesten, Maltzan II Nr. 372, im Jahre 1402. Kirch= und Wend.=Kogel 9989. Kratel 2617. Kratzeburg 3698. Kritzow 2617. Kuppentin 2718 f. (verdächtige Urkunden). 10362. Langhagen 1317. Laschendorf 10857. Lenst 2885. 2922. Leussow 2415 B. 2726. Lexow 5370. 6549. Sand=Liepen 5764. 7009. Lübkow 1317. Kl.=Lukow 6029. Lupelow 1317. 2181. Malchow bei Plau 5827. Malchow bei Parchim 8396. Marin 3121. Wend.=Massow 6401. Matersen 4772. Mestlin mit dem Neuen Hofe 7875. Mirow 2885. 2922. Mistorf 10250. Moltzow 10174. Kl.=Niendorf 11025. Nienhusen 2743. Oldenstorf, Maltzan II Nr. 372, im Jahre 1402. Paarsch 10010. Pannekow 10836. Peccatel 1317. Petsch 2885. 2922. Pisede 11290. Gr.= und Kl.=Poserin 2718 f. (verdächtige Urkunden). Priborn? 2825. Qualzow 2415 B. 2726. Quetzin 3220. Reimershagen 9989. Repent 2885. 2922. Restorf 2617. Retzow 7658. Rittermannshagen 6978. Ritzerow 11383. Rogeez 6401. Roggentin 2726. Rom 3368. Rosenow 2181. Rüst 7875. Sabel 3379. 3463. 8479. 8988. Samot 3660. Sanz 6401. Satow 6401. Schillersdorf 2938. Schmort 4835. Schönberg bei Waren 8402 (S. 207). Schwarz 8493 (S. 325). Schwinkendorf 6198. Sendorf, Hahn II Nr. 221, im Jahre 1392. Sehlstorf M. U.=B. 6918. 10527. Simitz 3238. Spitzkuhn 2825. Starsow 2885. 2922. Stribbow 1317. Kl.=Stuer 6401. Sukow 6401. Techentin 3698. Varchentin 7033. Gr.= und Kl.=Vielen 1317. Vietzen 2514. 2726. 7545. 7573. Wale 5802. Wardow 6206. Wargentin, Maltzan II Nr. 375, im Jahre 1404. Wessentin 2617. Wygendorp 9989. Wozeten 5765. Wulkenzin 8097. Zahren 1317. Zeez 3190. Zidderich 10527. Hohen=Zieritz 1317. Zierzow 8774. Ziplow 1317. Zirtow 2885. 2922. Zisendorf 2743.

Im Lande Sternberg: im Kirchspiel Kladow 3932. Zu Herz=

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berg 9641. Kritzow 3932. Gr.=Niendorf 6506 B. Kl.=Raden 3687. 3782. Turloff 3833. Vithusen 3932.

Auch östlich von Meklenburg in den Pommerschen Landen treffen wir die Münzfenninge ebenso wie das Hundekorn. Einzelne Beispiele dafür bietet das Meklenburgische Urkundenbuch, mehr die Urkunden des Fürstenthums Rügen und die des Geschlechts der v. Maltzan.

Es stellt sich also heraus, daß sich in Meklenburg Kornbede oder Hundekorn und Münzpfenninge nur in den Gebieten finden, die in der Hauptlandestheilung den werlischen Linien zugefallen sind, und da auch das Land Sternberg diese Abgaben aufweist, so wird geschlossen werden müssen, daß Ursprung und Scheidung der Steuern in die Zeit der Herrschaft des Herrn Pribislav von Parchim=Richenberg, in die Zeit zwischen 1238 und 1256, fällt, wogegen dem einmaligen Vorkommen des bedekorns im Lande Bukow größere Bedeutung nicht beigemessen werden kann.

Voraussetzung ist dabei allerdings, daß die Münzpfenninge eine Steuer sind. Das wird aber nicht zu bestreiten sein, denn, wenn auch öfter von der Bede getrennt, erscheinen sie in Meklenburg und im Fürstenthume Rügen durchweg mit dieser auf gleicher Linie. Einmal werden sie außerdem geradezu als talia bezeichnet (M. U.=B. 3932), M. U.=B. 9153 aber würde sie neben Bede und Gerichtsbarkeit den Gefällen der Vogtei zuweisen, wenn nicht die besondern Umstände hier über die Auffassung des Worts můnte Zweifel ließen.

Ueber den Betrag liegt aus Meklenburg nur Ein Zeugniß vor: M. U.=B. 7545, wonach von jeder Hufe zu Vietzen sechs Pfenninge zu entrichten waren. 1 ) Denselben Betrag ergeben pommersche Urkunden. 2 ) Auch nach M. U.=B. 8484 war die Hufe (Finkenthal) das Steuerobjekt, nach M. U.=B. 2750 aber Hufe und Wurt (Benitz und Gilow). Ob auch Mühlen zu den Münzpfenningen herangezogen sind, bleibt zweifelhaft, da M. U.=B. 2825 nicht zum Beweise genügt, und noch mehr liegt es im


1) M. U.=B. 11383, wonach es auf den ersten Blick scheinen könnte, als ob Münzpfenninge und Hundekorn zusammen in Korn entrichtet seien, scheue ich mich doch bei näherer Ueberlegung so scharf auszulegen.
2) Behr III Nr. 366 und 373 aus den Jahren 1402 und 1403 (Stielow, Gustebin, Vierow, Lossin). Dagegen dürfte Blücher I Nr. 598 aus dem Jahre 1522 für Düvier in Anhalt an den gewöhnlichen Betrag des Hundekorns auf 1 ßl. für die Hufe führen, wie sie 6 Pfg. für den Kathen bezeugt. Aus der Rechnung bei Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen Nr. CCCL aus dem Jahre 1314 ist ein bestimmter Satz nicht zu errechnen, indessen von 4 Pfg. für den Haken als einigermaßen wahrscheinlich zu vermuthen.
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Dunkel, aus welchem Grunde die Rathmannen von Krakow eine Rente de nummismate des Herrn Nicolaus von Werle zu zahlen verpflichtet werden konnten (M. U.=B. 3202).

Ueber die Benennung kann man sich nur mit Vorsicht äußern. Die Zusammenstellung von munte und muntepennige (M. U.=B. 11402) wird nicht mehr Bedeutung haben, als die von Kornbede und Hundekorn in einer andern Urkunde. Die Erklärung als Schutzgeld lehne ich rundweg ab, da in diesem Falle die Formen munt und muntpenninge als vorherrschend, namentlich in älteren Zeugnissen erwartet werden müßten; wogegen muntpenninge nur Einmal, und das ziemlich spät bezeugt ist und die ständige und frühzeitige Uebersetzung 1 ) mit moneta oder numisma stark ins Gewicht fällt. Auch scheint der Betrag für ein Schutzgeld 2 ) zu geringfügig. Einstweilen halte ich noch einen Zusammenhang der Münzpfenninge mit der Münze für das Wahrscheinlichste, wobei ich mich auf die bei Fabricius, rüg. Urkunden Nr. DXXXIV abgedruckte Urkunde berufe, der zu Folge im Jahre 1319 Fürst Wizlav an Stralsund vnse muntepenninghe vnde munte vnde wesle darsulues tume Sunde verkauft unter Vorbehalt der Münzpfenninge draußen im Lande und in den Städten, und daran erinnere, daß die Grafen von Schwerin sich gegen den Verzicht auf eignes Münzen eine Abgabe von zwei Pfenningen von jeder Schüssel, also eine Art Kopfsteuer, im ganzen Lande zusichern ließen (M. U.=B. 1504).


Anhangsweise erübrigen noch einige kritische Anmerkungen zu Kapiteln der Abhandlung, an die ich anknüpfe, wofür aber in meiner eignen Untersuchung ein Rubrum nicht zu eröffnen war.

Betrag der Bede.

Ueber den Betrag der Bede läßt sich Sicheres aus dem zu Gebote stehenden Material wenig ermitteln, weil nur selten wirklich feststeht, daß die vorkommenden Zahlen den Betrag der


1) Falsche und sehr wunderliche Uebersetzungen kommen genug vor, aber wohl stets vereinzelt.
2) Ein solches ist unter dem gleichfalls räthselhaften Titel von denarii episcopales bezeugt, qui in signum tuicionis et recognicionis ipsius proprietatis dari solent M. U.=B. 3199 (Rottmannshagen, Rützenfelde und Zettemin). Aber eine Brücke zu den Münzpfenningen wird sich schwerlich schlagen lassen, um so weniger, als die Güter, von denen diese erhoben wurden, keineswegs regelmäßig Eigenthum waren, und es sich bei den den. ep. möglicherweise im Grunde um eine Recognition wegen des Zehnten handelt (vgl. M. U.=B. 2704).
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Bede und nicht Hebungen 1 ) daraus darstellen, und hier und da mit der Möglichkeit besonderer Abmachungen zu rechnen ist. Wahrscheinlich ist es, daß in den verschiedenen Landestheilen ungleiche Bebe erhoben ist und auch eine Veränderung im Laufe der Zeit stattgefunden hat (trotz Brenneckes Ausführungen auf S. 81). An eine Berücksichtigung der Bonität glaube ich nicht, und auch nicht daran, daß man sich an die Pachtsätze angelehnt habe, wofür M. U.=B. 4748 und 8214 angezogen werben können. 2 ) Manchmal mag eine zu knappe Ausmessung des Landes Anlaß gewesen sein, die Bede herabzusetzen, wofür wenigstens zwei Zeugnisse, M. U.=B. 3271 und 6457, zu Gebote stehn, und womit ich mir auch die Differenz in M. U.=B. 6379 zu erklären vorziehe. In M. U.=B. 9033 geht der Relativsatz alse sin nabure gheven boven unde nedde[ne] zunächst auf das von B. im Citat S. 78, 4 ausgelassene Substantiv denst, und auf alle Fälle ist es eine unzulässige Art der Interpretation, wenn darin eine Andeutung gefunden werden soll, daß die Hufen in Bezug auf Bede ungleich behandelt seien. Sicher ist, daß im Lande Malchin im Jahre 1357 der Satz von 4 Mk. wend. von der Hufe jährlich in drei Terminen, zu Walpurgis und Marien Geburt je zu einem Viertel und zu Martini zur Hälfte hergebracht war (M. U.=B. 8310), ein Satz der auch noch für das Jahr 1381 für Ritzerow bezeugt ist, wo 1 Mk. Sommerbede und 3 Mk.


1) Um solche Hebung handelt es sich zweifellos in der von B. auf S. 81 Anm. 4 erörterten Urkunde, wodurch seine daraus abgeleiteten Folgerungen entfallen.
2) Hier werden besondere Abmachungen vorliegen. Häufiger sind Beispiele früher Vermengung mit der Pacht, indem entweder wegen ungebührlich erhöhter Pacht Bede erlassen ward (M. U.=B. 3083. Diese von B. auf S. 8 benutzte Urkunde ist aber verdächtig) oder gegen Wegfall der Bede die Pacht in die Höhe gesetzt ward (M. U.=B. 3244. 4927. 5221. 2238-2240. In den letzten drei Urkunden über ein und dasselbe Rechtsverhältniß handelt es sich vielleicht um Schoß). Von Hufen zu Barnstorf soll erst Bede fällig werden, wenn spätere Bebauer höhere Pacht zahlen M. U.=B. 5229. Waren Hufen unbesetzt, so fiel natürlich wie Pacht so Bede aus. Manchmal ward dem neuen Besitzer noch für Jahre die Bede erlassen M. U.=B. 4572. Nur in den frühesten Zeiten, so lange Kolonisten anzulocken waren, dürfte den Bauern daraus, daß die Grundherren Bedefreiheit erlangten, wesentliche Erleichterung zu Theil geworden sein. Vielleicht erwuchs schon damals zum Theil und später ganz gewiß regelmäßig allein den Grundherren Nutzen daraus, indem diese erhöhte Pacht (wie in den angeführten Urkunden) oder andere Leistungen (vgl. M. U.=B. 252) erreichten, oftmals werden sie die Bede für sich erhoben haben. Später sind nämlich erweislich Befreiung von Bede und Uebertragung von Bede dasselbe. Vgl. M. U.=B. 7658 und Brennecke S. 55 Anm. 4.
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Winterbede auf die Hufe entfielen (M. U.=B. 11383). Ob die Hebung von 6 Mk. wend. de majori et minori precaria von 2 Hufen zu Sommerstorf (M. U.=B. 8402) die Bede erschöpfte, ist zweifelhaft, mag aber für wahrscheinlich gelten. - Denselben Betrag wie im Lande Malchin und zu Ritzerow finden wir mehrfach auf Pöl oder in der Nähe von Pöl, indem derzeit 2 Mk. lüb. den Werth von 4 Mk. wend. hatten. Und wenn auch diese Zahlungen öfter als nomine precarie (4435), loco precarie (6469. 7609), einmal als de precaria (6208) geleistet bezeichnet werden, so scheint es sich dort doch um Bede und deren vollen Betrag zu handeln. Zeugnisse: für Gr.=Strömkendorf 4435, Weitendorf 6208, Wester=Golwitz 6379, Seedorf, Brandenhusen, Weitendorf, Wangern 6469 1 ), Wangern 7609. 1 ) Für Timmendorf ergeben sich aus dem Vergleiche von 4927 mit 4178 aber nur 30 ßl. Ueber den der Rechnung nicht entsprechenden Ansatz von 3 ßl. von 1/8 Hufe (de dimidio quartali) in M. U.=B. 6379 s. auf der vorigen Seite. Einen höheren Satz erhob Rostock aus Kassebohm, nämlich 2 1/2 Mk. lüb. von der Hufe (M. U.=B. 11247, S. 467), und dieselbe Summe ergeben auch. die vornste und die nabede aus Saunstorf zusammen (Schröder, Pap. Mecklenburg S. 1623 f., vom Jahre 1396), wogegen nach Fabricius, rügische Urkunden Nr. DXXXXIX eine Reihe pommerscher Dörfer in der Gegend von Barth im Jahre 1319 noch höher, nämlich zu 5 Mk. [sund.] von der Hufe veranlagt waren. Weniger waren dagegen die Bauern zu Staven im Lande Stargard und zu Evershagen belastet. Die ersten hatten zu Martini 24 ßl. leichten Geldes und zu Walpurgis 12 ßl. gleicher Münze aufzubringen (M. U.=B. 2872 im Jahre 1303), ein Satz, der schon fünfundzwanzig Jahre später den 18 ßl. lüb. gleich gewesen sein würde, die wir in Evershagen nach M. U.=B. 10798 und 10896 vorfinden. Für die angegebene Zeit indessen mögen die 36 ßl. leichten Geldes noch mit 24 ßl. lüb. gleichwerthig gewesen sein. - Unklar ist leider M. U.=B. 9337, wonach Herzog Albrecht im Jahre 1365 alle Bede zu Ganzkow, Wakenstadt u. s. w. verlieh, quantumcunque ex eisdem precariis videlicet VIII, X ultra uel infra exigi uel recipi contingerit solidis Lubicensium denariorum. Es wäre aber nicht unmöglich, daß in dieser verdrehten Ausdrucksweise der derzeitige Betrag der Bede auf 18 ßl. lüb. angegeben sein sollte. - Für Beseritz betrug die volle Bede 30 ßl. brandenburg. von der Hufe (M. U.=B. 8156), was für jene Zeit (im


1) Halb zu Martini und halb zu Epiphaniae.
1) Halb zu Martini und halb zu Epiphaniae.
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Jahre 1355) wenig mehr als 1 Mk. lüb. ausmachte. - Eine Mark lübisch war von der Hufe zu Gömtow in zwei Terminen, jedesmal die Hälfte, zu leisten M. U.=B. 10018. - Bei M. U.=B. 7545 (1351) ist wohl die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich die Bede von der Hufe zu Vietzen auf 24 ßl. wend. gleich 12 ßl. lüb. beschränkte, und bei M. U.=B. 4532 (1324), daß sie für Neu=Gaarz auf 1 Mk. [wend.] festgelegt war. Auch für Bröbberow wird es das Wahrscheinlichste sein, daß die volle Bede 1 Mk. Rost. gleich 2/3 Mk. lüb. von der Hufe nicht überstieg (M. U.=B. 6450. 6451. 6457; im Jahre 1344). - Nehmen wir noch hinzu, daß die Mannbede zu Pastin 1 Mk. [wend.] oder 8 ßl. lüb. von der Hufe betrug (M. U.=B. 5793, 1337), so sind alle Stellen angeführt, wo der Belauf der Bede, wenn nicht immer mit völliger, so doch mit einiger Sicherheit anzugeben ist. Die andern Stellen zusammenzutragen ist so lange unnöthig oder gar von Schaden, bis sie etwa aus spätern Bederegistern die richtige Beleuchtung empfangen. Die Bede, die Herr Nicolaus III. von Werle im Betrage von 24 ßl. lüb. von jeder Hufe ausschrieb (M. U.=B. 8561), war außerordentlich.

Bedefreiheit.

Auf S. 34 f. wirft Brennecke die Frage auf, ob und wann der ursprünglich persönliche Anspruch der Mannen auf Bedefreiheit für die von ihnen selbst bebauten Hufen zu einem dinglichen Rechte geworden sei. Auch hier scheinen mir seine Ergebnisse vor einer Nachprüfung nicht Stich zu halten. Denn M. U.=B. 1919, 4187 und 1146 neben 2695 beweisen nicht, was sie sollen. Es kann nämlich einmal aus der Thatsache, daß Mannen die Steuerfreiheit ihrer von ihnen bewirthschafteten Hufen beurkundet wird, nicht geschlossen werden, daß diese Freiheit nicht mehr durch die Eigenwirthschaft an sich erlangt ward: dafür liegen zu viele Beispiele vor, daß der Sicherheit halber überflüssiger Weise Rechte beurkundet wurden. Ferner handelt es sich in M. U.=B. 4187 nicht um einen Erwerb von Steuerfreiheit, sondern um Bestätigung von deren Besitz so nebenbei, und es ist in M. U.=B. 1919 und 2496 nicht ausgemacht, daß die betreffenden drei Hufen Hofhufen sind, und es wird mit der Annahme gerechnet werben dürfen, daß die Befreiung von Bede in der Absicht einer Veräußerung an Doberan nachgesucht sei. Auch darf bemerkt werden, daß die dingliche Bedefreiheit in M. U.=B. 1919 einen sonderbaren Ausdruck gefunden haben würde, indem dort, nicht wie in 2496 die Hufen, sondern die Besitzer für bedefrei erklärt werden. Endlich ist die Annahme, daß es sich in 1146 und 2695 um Hofhufen handelt, rein willkürlich. Sind

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demgemäß die aus den eben besprochenen Stellen abgeleiteten Schlüsse wenig bindend, so spricht die in die Anmerkung verwiesene M. U.=B. 4402 sehr deutlich für das persönliche Recht, da dieselben Hufen so lange bedefrei waren, als die v. Gögelow sie unter ihrem Pflug hatten, nachher aber, als sie an Bauern ausgethan waren, steuern mußten. Wäre die Steuerfreiheit von Bestand geblieben, dann hätte sich B. für seine Ansicht auf diese Urkunde berufen können. Ob nun die aufgeworfene Frage auf Grund unserer Urkunden mit Aussicht auf ein Ergebniß erörtert werden kann, darauf mir eine Antwort zu erlauben, bin ich zu wenig juristisch gebildet: das weiß ich aber, daß man im Mittelalter den Unterschied so wenig empfand, daß ein bezeichnender Ausdruck dafür nicht geprägt ist. Und noch eins scheint mir sicher, daß die Eigenwirthschaft nicht nur der Mannen (vgl. auch M. U.=B. 11100), sondern auch anderer Grundherren mit Bedefreiheit privilegirt war. Man vergleiche M. U.=B. 7041, wo Hufen zu Kisserow an einen Stephan verpfändet werden, über den sonst nichts bekannt ist, M. U.=B. 6229 1 ) und 6179, wo dem Kloster Dobbertin oder dem Hospitale zum heil. Geiste zu Wismar Besitz zu Sitow oder Klüßendorf übertragen wird, wobei jedesmal eigne Bewirthschaftung mit Befreiung von Bede bevorrechtet wird, andere Art der Benutzung diese hinfällig macht und nur in einem Falle (6179) beim Austhun um einen Antheil am Ertrage die Bedefreiheit bestehn bleiben soll. Eine Ausnahme ist in M. U.=B. 7545 statuirt, aber eine solche, die die Regel bestätigt, wenn angeordnet wird, daß auch bei eintretender Eigenwirthschaft des Johanniter=Komthurs zu Vietzen Pacht und Bede bleiben sollen. Hier war nämlich vorzubauen, daß der Komthur sich nicht etwa auf diesem Wege der auf Pacht und Bede fundirten Belastung zu entziehen vermöchte. Als besondere Vergünstigung wird es anzusehen sein, daß für die Höfe des Klosters Neukloster 2 ) und des heil. Geistes zu Wismar die Bedefreiheit


1) M. U.=B. 5857 ist offenbar als Vorbereitung des hier beurkundeten Rechtsstandes anzusehen und danach zu beurtheilen.
2) Für seinen übrigen Besitz hatte Neukloster die Bedefreiheit, die es nach M. U.=B. 255 hätte haben müssen, nicht aufrecht erhalten können. Die Begnadigung in M. U.=B. 1215 ist weit enger. Vgl. S. 5 Anm. Merkwürdig ist das Recht zu Sellin, wo dem Kloster schon im Jahre 1399 die Bede von 2 Hufen zustand (Lisch, Mekl. Urkunden II S. 163 f.), die dieselben sein werden, die nach M. U.=B. 511 erworben und in M. U.=B. 4040 als freie und dem Schulzen zustehend bezeichnet sind. Erst im Jahre 1460 erwarb das Kloster die Bede im übrigen Dorfe (Lisch, Urkunden II S. 224 ff.).
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auch in dem Falle andauern sollte, wenn sie in Dörfer verwandelt würden (M. U.=B. 3500. 7796; vgl. 4303), und für Neukloster auch, wenn sie veräußert werden sollten, wie es sicher ist (und zwar im Pfandverhältnisse begründet) für den Hof Herm. Storms zu Scharfstorf, der, auch an Bauern ausgethan, nicht zur Bede heranzuziehen war (M. U.=B. 9374). Unklar sind die Verhältnisse in M. U.=B. 5229, wonach die Vrese die Bede von Barnstorf an die Stadt Rostock verkaufen außer von 3 1/2 Hufen, die sie selbst bebauen. Indessen soll auch hiervon die Stadt die Bede haben, sobald jene Hufen zu höherer Pacht verkauft werden, als die Vrese zahlen.

Nach M. U.=B. 3299 scheint es fast, als ob zu Stadtfeldmarken gelegte Dörfer der Bede ledig wurden. Im vorliegenden Falle sollten auch zu entlegene Hufen, die mit Bauern besetzt blieben, bedefrei sein. Auch für die wismarschen Erwerbungen scheint die Annahme zuzutreffen.

Steuer=Objekte.

Besteuert wurden durch die Bede nach den urkundlichen Zeugnissen hauptsächlich Bauernhufen und ihre Theile, Grundherr mochte sein, wer wollte, 1 ) die Kathenländereien und Mühlen. Hofhufen waren nach dem kurz vorher Dargelegten bebefrei. 2 ) Ueber die Krüge s. S. 55. Ob die Besteurung der Sülze nach mittelalterlichen Begriffen und Ausdruck Bede war, bezweifle ich. Besteurung des Fischfangs, wie in Pommern, ist für Meklenburg unbezeugt. Die städtischen Steuern sehe ich, als nach anderen Grundsätzen erhoben und anders benannt, nicht als Bede an. Wenn aber Brennecke (nachdem er sich auf S. 37 recht wunderlich über das Verhältniß von Grundsteuer und Gebäudesteuer ausgelassen hat, während die angezogenen Urkunden sich auf das Natürlichste über die Steuer=Freiheit oder Bevorzugung von Grundstücken ausdrücken, die noch nicht bebaut sind, aber bebaut werden sollten) auf S. 38 darthun will, daß auch Hofstätte und Gebäude von der Bede betroffen seien, so ist er meines Erachtens den Beweis besser zu führen schuldig, ehe er auf Zustimmung rechnen kann. Fast noch schlimmer steht es mit seinem Beispiele für die Besteurung der Almende. Freilich verrechnet M. U.=B. 7118 Steuereinkünfte, aber daneben auch andere Einnahmen, und man wird nicht fehlgehn, wenn man die 6 Mark von der Wiese als


1) Daß die Kirche meist Bedefreiheit erlangte, thut nichts zur Sache, da diese Privileg und nicht Prinzip war.
2) Man unterschied in Folge davon wohl bedehouen und vrie hauehoue (Maltzan IV S. 102, vom Jahre 1482) wie sonst und öfter Zinshufen und freie Hufen.
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Pacht ansteht, wofür man sich in Ermangelung eines Beweises wenigstens auf die übrigen Einnahmen Rostocks aus Wiesen berufen kann (vgl. u. a. M. U.=B. 2195 und die Register). Den auf S. 39 gegebenen Beispielen für Bedefreiheit der Almende läßt sich noch M. U.=B. 3305 hinzufügen, wonach Herr Heinrich von Meklenburg zu Bonnhagen, auch wenn Wald gerodet und das Rodeland den Hufen zugelegt wird, nur die bisher übliche Bede von 6 Hufen verlangen will und auf das verzichtet, quicquid nobis . . . in perpetuum vom Neulande posset deriuari nomine precarie. Eigentlich versteht sich das aber von selbst.


Während des Drucks war Herr Archivar Dr. Stuhr so aufmerksam, mir eine Uebersicht über die ältesten im Großherzoglichen Haupt=Archive zu Schwerin vorhandenen Bederegister mitzutheilen. Sie gehören folgenden Aemtern und Jahren an: Bukow 1426, 1429 ff., Gadebusch 1436 ff., Neustadt 1407, 1412 f., 1427, 1429 ff., Plau 1437 ff., Schwan 1428 f., 1438 ff., Schwerin 1409 f., 1423, 1431 (Jabeler Heide), 1433 ff., Wittenburg 1423, 1432 ff. In den Aemtern Boizenburg, Goldberg, Güstrow, Krakow, Crivitz, Lage, Lübz, Marnitz, Meklenburg, Parchim, Stavenhagen, Teterow reichen sie durchweg bis in die vierziger Jahre des fünfzehnten Jahrhunderts zurück. Diese Register noch zu benutzen, habe ich mir leider versagen müssen, auf sie hinzuweisen aber nicht unterlassen wollen mit dem dringenden Wunsche, daß sie bald einen gerüsteten Bearbeiter finden mögen.

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Noch einmal der Stargardische Arm.

Von

Dr. Crull =Wismar.

~~~~~~~~~~~~~

O bschon über den Stargardischen Arm im landesherrlichen Wappen von Dr. Lisch eingehend gehandelt ist, 1 ) auch Teske in Anschluß daran über denselben sich ausgelassen hat, 2 ) ist die bezüglich der Herleitung jenes Wahnbildes bestehende Controverse doch keineswegs ausgeglichen, so daß es mir nicht ungerechtfertigt erscheint, diesen Gegenstand noch einmal zur Sprache zu bringen, zumal sich inzwischen noch ein paar Nachrichten gefunden haben, welche, wenn sie gleich nicht ausschlaggebend sind, doch berücksichtigt werden wollen.

Die Brandenburgischen Markgrafen gewannen 1236 durch den Vertrag von Kremmen von den Herzogen von Demmin das Land Stargard, das Land Beseritz und das Land Wustrow bis zur Tollense und gründeten dort 1244 Friedland, 1248 Neubrandenburg, (auch Lichen), und 1259 Stargard, während das Gründungsjahr von Woldeck unbekannt ist, aber in dieselbe Zeit fallen dürfte, wenn der Ort auch erst 1298 und nicht früher genannt wird; das Prämonstratenser=Kloster Broda hatten die Pommerschen Fürsten schon 1190 auf dem besagten Gebiete gegründet, und die Askanier stifteten dazu 1290 das Kloster Wanzka für Cistercienserinnen und bestätigten 1298 die Johanniter=Komthurei Nemerow. Dies Territorium erwarb Heinrich II. von Meklenburg durch seine Vermählung mit Beatrix, Tochter des Markgrafen Albrecht III., im Jahre 1292, kam jedoch erst 1304 durch den Vietmannsdorfer Vertrag als Brandenburgischer Lehnsmann zu vollem Besitze, so daß, wenn er sich gleich schon 1302 Herr zu Meklenburg und Stargard nennt, diese Titulatur erst


1) Jahrb. 25, S. 93 f.
2) D. Wappen d. Großhgth. M., S. 11. 78. D. Wappen d. Großhgl. Hauses M., S. 52.
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nach dem genannten Vertrage mehr ständig wird. 1 ) Ein Wappenbild hat Heinrich für dies Land in sein Siegel nicht aufgenommen, wie er das demnächst nach dem Erwerbe der Herrschaft Rostock für diese gethan hat, was sich daraus erklären dürfte, daß letztere ein abgeschlossenes Gebiet mit eigenen Fürsten gebildet hatte, während das Land Stargard nur einen Theil des den Pommern abgedrungenen Landes ausmachte. Auch Heinrichs Sohn, Johann I. von Meklenburg=Stargard, und dessen Nachkommen haben bis zu dem Aussterben dieser Linie unseres Fürstenhauses im Jahre 1471 niemals dem Meklenburgischen Stierkopfe ein Bild für das Land Stargard hinzugefügt, und es ist ohne Zweifel eine Täuschung gewesen, wenn der Friedländische, hernach Meklenburgische Sekretär Martin Bökel auf einem zu einer Neubrandenburger Urkunde von 1466 gehörigen fürstlichen Siegel ein Stargardisches Wappen als "Arm und Ringk" hat erkennen wollen; 2 ) würde ein solches existirt haben, müßte es schlechterdings Lisch doch bekannt geworden sein, was zweifellos nicht der Fall gewesen ist.

Nach Lischs Ermittelungen hat die Vermehrung des herzoglichen Wappens durch Hinzufügung des Feldes mit dem Ringarme 3 ) gemäß dem ältesten Abdrucke nicht früher als 1483 und zwar unter den Herzogen Magnus II. und Balthasar stattgefunden, und es besteht kein Zweifel, daß jenes Wappenbild das Land Stargard repräsentiren soll und zwar das Land Stargard im weiteren Sinne, also vermehrt durch Arnsberg und Strelitz, durch Wesenberg und Fürstenberg, wie es durch Aussterben der jüngeren Linie des Meklenburgischen Hauses an die ältere gefallen war. Lisch meint freilich, es wolle scheinen, als ob F. A. Rudloff Siegel mit dem fünffeldrigen Wappen gekannt habe, welche vor 1480 datirten, aber diese Zahl dürfte ein Schreib= oder Lesefehler Rudloffs für 1489 sein, welches Jahr in der Uebersicht der Siegel=Abbildungen zu G. Westphals Meklenburgischem Diplomatarium an der betreffenden Stelle sich findet, 4 ) falls nicht etwa 1480 als eine runde Zahl zur ungefähren Zeitbestimmung gemeint sein sollte. Ein Versehen Rudloffs ist aber um so wahrscheinlicher, als er sich offenbar auf die gedachte Uebersicht stützt, indem er sagt, 5 ) so viel man wisse, habe Herzog Magnus


1) Der Titel fehlt auch noch in späteren Urkunden, z. B. 3018. 3063. 3079. 3123 u. s. w.
2) Klüver, Beschr., 2. A., II, S. 25.
3) Nach v. Retberg, G. d. D. Wappenbilder, S. 35.
4) Westphalen mon. IV., p. 1255.
5) Handbuch d. M. G. II, S. 910.
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um 1477 zuerst angefangen, einen aus den Wolken (!) reichenden Arm mit einem Ringe im Wappen zu führen, da die Uebersicht das a. a. O. Taf. 10 unter 44 - mit der Wolke - abgebildete Wappen des Herzogs in der ehemaligen Kirche zu Stargard ebenfalls von jenem Jahre datirt. 1 ) Ob man nun mit Rudloff, welcher übrigens für das Aufhängen des Schildes in jener Kirche als Motiv vermuthet, daß derzeit dem Herzoge Magnus das Land Stargard als Apanage angewiesen sei, der Angabe des Jahres 1477 trauen, oder in Hinblick auf die offenbaren Erfindungen und Entstellungen in den Abbildungen der Monumenta keinen Glauben schenken will, muß ich anheimgeben; ich für meine Person bin geneigt anzunehmen, daß man nicht bloß die Datirung, sondern auch die Nachricht von der Existenz des Schildes mit einigem Mißtrauen zu betrachten habe. Sicher ist allein, daß Siegel mit dem Wappen von fünf Feldern, die vor 1483 datirten, bisher noch nicht zum Vorschein gekommen sind. 1 )

Verzwickter steht es mit der Beantwortung der von Lisch aufgeworfenen Frage, wie Herzog Magnus, beziehentlich Herzog Balthasar zu dem mit einer Zwehle umschlungenen, einen Ring haltenden Arme als Wappenbild für das Land Stargard gekommen sei. Von den älteren Erklärungsversuchen, welche sogar Anthyrius und die fabelhafte Siwa in dem vorgeblichen Schilde Pribislavs von Richenberg heranziehen, darf man billig absehen, wohl aber sind gegen einander zu halten die ältere und wohl am meisten bekannte und verbreitete Deutung, nämlich daß der Ringarm auf den Gewinn des Landes Stargard durch eine Vermählung sich beziehe, und die von Lisch gegebene, nach welcher jene Schildfigur dem Insiegel der Stadt Fürstenberg entlehnt sei.

Wie die ältere Geschichte des südöstlichen Theiles unseres Landes trotz F. Bolls verdienstlichen Buches theilweise sehr im Dunkeln liegt, so ist dies auch bezüglich Fürstenbergs in hohem Grade der Fall. Nach Latomus sollen dort schon 1278 kirchliche Stiftungen von den v. Reder und Schinkel gemacht worden sein, 2 ) der Ort wird bei Gelegenheit der Stiftung von Kloster Himmelpfort 1299 als Grenzpunkt, 1317 mit der Mühle genannt und ist durch eine Urkunde von 1318 als Stadt mit Schulzen, mit


1) Die von Lisch a. a. O., S. 94 angezogene Stelle aus Slaagert steht freilich zwischen einer Nachricht von 1493 und einer von 1498, aber das an den Rand gesetzte Anno 1494 gehört nicht Slaagert an, sondern ist ein Zusatz aus späterer Zeit. Die Nachricht bei Franck, A. u. N. M. VIII, S. 268, wo statt 1493 das Jahr 1495 steht, ist nicht belegt.
1) Die von Lisch a. a. O., S. 94 angezogene Stelle aus Slaagert steht freilich zwischen einer Nachricht von 1493 und einer von 1498, aber das an den Rand gesetzte Anno 1494 gehört nicht Slaagert an, sondern ist ein Zusatz aus späterer Zeit. Die Nachricht bei Franck, A. u. N. M. VIII, S. 268, wo statt 1493 das Jahr 1495 steht, ist nicht belegt.
2) Franck, ebd. V, S. 70.
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Rath, mit Insiegel beglaubigt. 1 ) Im Jahre darauf erscheint Fürstenberg mitten unter Städten der Ukermark. 2 ) Zu dieser gehörte Fürstenberg aber keinesfalls, da die Ukermark erst 1250 von Pommern an die Markgrafen abgetreten wurde, während schon zwei Jahre früher der Markgraf Johann das östlicher, der Ukermark näher als Fürstenberg belegene Lichen gegründet hatte, und ebensowenig zum Lande Stargard, unterstand auch nicht gleich diesem dem Bischofe von Havelberg, sondern gehörte wie Lichen zum Bisthum Brandenburg. 3 ) Man wird daher mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, daß das Land Fürstenberg ein Theil der Mark Brandenburg war und daß die Stadt gleich Lichen von einem Markgrafen gegründet worden ist. Durch urkundliches Zeugniß ist das allerdings nicht nachzuweisen und auch nicht durch das alte Siegel der Stadt, da sich weder der Stempel erhalten hat, noch auch ein Abdruck desselben. Jener fehlte schon 1568, denn Herzog Johann Albrecht hat in seinem der Stadt unter dem 18. Juli gedachten Jahres ertheilten Privileg derselben aufgegeben, "ein ehrlich Siegel zu unser Stadt Nutz und Wolfahrt" machen zu lassen, 4 ) ein Befehl, dem die Stadt ersichtlich alsbald nachgekommen ist, da der älteste Abdruck des Fürstenbergischen Stadtsiegels, der auf uns gekommen, eben auch aus dem genannten Jahre datirt, wie denn die Arbeit durchaus auf die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hinweist. Nun hat aber das Privilegium weiter bestimmt, daß das neue Siegel "nach dem alten Stadt=Siegel" gemacht werden solle, und da das neue Siegel den Ringarm mit der Zwehle zeigt, so liegt es nahe zu folgern, daß auch das alte dies Bild enthalten haben werde, ein Schluß, welcher jedoch meines Erachtens fehlgeht.

Sobald die Städte in ihre Siegel nicht bloß ihren Patron - wie in Meklenburg Hagenow, Grabow, Neustadt - oder ihren Stifter - Schwerin - oder schlechthin ein Stadtbild - Boizenburg und Dömitz - oder etwas Aehnliches, z. B. eine Kirche, ein Schiff, eine Brücke - Malchow - und dergl. setzten, fügten sie solchen das Wappenbild des Stifters, beziehentlich des Landesherrn ganz oder theilweise hinzu - so Friedland, Goldberg, Kriwitz, Malchin, Neukalen, Neubrandenburg, Plau, Waren, Wesenberg, Wismar, Wittenburg - oder aber sie beschränkten


1) M. U.=B. 2582. 3894. 3976.
2) Ebd. 4130.
3) Boll, G. d. L. Stargard I, S. 177.
4) Klüver a. a. O. S. 191.
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sich auf letzteres schlechthin - so Bützow, Gabebusch, Krakow, Lage, Lübz, Marlow, Rehna, Rostock, Stargard, Stavenhagen, Strelitz, Teterow, Warin - falls sie nicht noch ein besonderes Beizeichen hinzufügten, wie Grevesmühlen, Güstrow, Kröpelin, Neubukow, Parchim, Ribnitz, Sülze und Woldeck. Einige wenige Meklenburgische Städte haben ihr Siegelbild förmlich wappenmäßig gestaltet, indem sie in einen gespaltenen Schild oder Kreis vorne einen halben Stierkopf und hinten besondere Figuren setzten, deren Bedeutung bei Brüel und Sternberg 1 ) wohl sicher, bei Penzlin möglicherweise 2 ) erklärt ist, deren Deutung bei Gnoien und Tessin sowie bei Röbel aber noch völlig aussteht. Ein reines Phantasiestück bietet allein das dem fünfzehnten Jahrhundert entstammende Siegel der Stadt Schwan mit dem redenden Wappenbilde eines Schwans. In Holstein hat unter 13 Städten nur Krempe ein besonderes Siegelbild, in Pommern unter 69 sieben, in der Altmark und der Prignitz unter 25 nur zwei. Somit ist es wahrscheinlicher, daß auch Fürstenbergs ursprüngliches Siegel, wenn nicht den Stifter so doch eine Hinweisung auf denselben enthalten hätte, als irgend ein besonderes Bild, mithin nach dem oben Gesagten wie Friedland, Stargard und Woldeck einen Adler oder wie Neubrandenburg den bezüglichen Helm. Wäre das nicht der Fall gewesen und hätte das alte Siegel in der That schon den Ringarm mit der Zwehle enthalten, so würde nichts übrig bleiben als anzunehmen, daß auch Fürstenberg, wie Kiritz und Wusterhusen von den Edlen von Plate, Meienburg, Putlitz und Wittenberge von den Gans, Schlawe und Rügenwalde von den Swenzonen, Strelitz von den Grafen von Fürstenberg, von einem Dynastengeschlechte Stadtrecht erhalten hätte, welches einen Ringarm im Schilde geführt. Es ist aber nicht die geringste Spur von Dynasten in oder bei Fürstenberg, geschweige solcher, die jenes Wappenbild geführt hätten, und die Geschlechter der Mannschaft, denen ein Ringarm (oder zwei) eignete, wie die v. Oertzen, v. Stockflet und v. Schwerin, können um so weniger in Betracht kommen, als diese im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert für Land und Stadt Fürstenberg ohne alle Bedeutung sind.

Allerdings muß man aber auch an die Möglichkeit denken, daß das Siegelbild der Stadt aus freier Wahl hervorgegangen sei, und es ist zuzugeben, daß solche, so zu sagen, Phantasiebilder grade bei den mindest bedeutenden Städten gefunden werden.


1) Jahrb. 21, S. 67. 69.
2) Teske, d. W. d. G. M., S. 53.
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Das sind aber durch die Bank sogenannte natürliche Figuren, wie Pflanzen, Bäume, Thiere und dergl., keine Menschen oder menschliche Glieder und am wenigsten Gegenstände, die auf ritterliche Sitten und Bräuche zurückzuführen wären, wie es bei dem mit einer Zwehle umschlungenen Ringarme doch der Fall zu sein scheint. Schon Fürst F. K. zu Hohenlohe hat auf den Zusammenhang zwischen dem Wappenbilde des Landes Stargard und einem bereits für das zwölfte Jahrhundert nachzuweisenden und in der Folge vielfach vorkommenden aufmerksam gemacht, 1 ) welches aus einem einen Ring, eine Blume oder dergl. haltenden Arme, von dem ein langer Aermel herabhängt, besteht und auf die Sitte zurückgeführt wird, daß die Damen ihrem Geliebten oder ihrem Gemahl ein Stück ihrer Kleidung gaben, wenn letztere zum Kampfe auszogen, und zwar besonders die an das Kleid nur lose befestigten Aermel, welche der Kämpe dann selbst anzog oder am Helme, am Schilde oder am Speere befestigte. 2 ) Eine Zwehle ist freilich kein Aermel, aber leicht eine Umformung aus diesem in jene, die zu einer Zeit, wo es mit dem Ritterthume längst vorbei war, doch recht wohl möglich erscheint. Schwerlich aber würde eine Stadt ein auf Minne oder eheliche Treue deutendes Bild 3 ) aus freier Wahl in ihr Siegel gesetzt haben.

Zu Gunsten der Vermuthung von Lisch, daß der Ringarm mit der Zwehle in der That das der Stadt Fürstenberg eigene Siegelbild gewesen sei, läßt sich nun freilich darauf hinweisen, daß, wie oben bereits angegeben, Herzog Johann Albrecht in seinem Privileg ausdrücklich verordnet hat, daß das neu zu beschaffende Siegel "nach dem alten Stadtsiegel" gemacht werden solle, doch ist dies Argument wirklich weniger stark, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Fürstenberg muß zu jener Zeit, wo es das gedachte Privileg erlangte, in großem Verfalle gewesen sein, denn sonst würde die Stadt kaum um ein Privileg angehalten haben, dessen Eingang nahezu so lautet, als handele es sich um eine neue Gründung, und zwar in einem Verfalle, welcher schon von lange her datirte, da in dem Anschlage der 1506 zu stellenden Mannschaft, 4 ) wenn dem erbärmlichen Abdrucke zu glauben, Fürstenberg unter den Stargardischen Städten gar nicht aufgeführt ist. Waren aber so jämmerliche Zustände in dem Städtchen vorhanden, so wird man auch annehmen dürfen, daß unter den Ein=


1) Sphragist. Aphorismen, 1882, S. 9.
2) A. Schulz, D. höfische Leben I, S. 253 f. 604.
3) Retberg a. a. O., S. 13. 14.
4) Klüver a. a. O. I, S. 181.
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wohnern des heruntergekommenen Ortes niemand mehr das alte, offenbar in Verlust geratene Stadtsiegel kannte. Daß man dann in solcher Verlegenheit das Wappenbild desjenigen Landestheils, in welchem Fürstenberg liegt, in das Siegel gesetzt hat, erscheint natürlich genug, und daß jenes der Ringarm war, daran zweifelte kein Mensch. 1 ) Uebrigens ist eine solche Veränderung auch keineswegs unerhört, denn nicht allein hat man in Grabow, wie Lisch schon hervorgehoben hat, im sechzehnten Jahrhundert ein neues Siegel sich zugelegt, sondern auch in Stavenhagen im siebenzehnten einen Stierkopf an die Stelle des (Pommerschen) Greifen gesetzt, und fast scheint es, als ob auch in dem ursprünglich Wendischen Wesenberg, nachdem es 1276 an Brandenburg gekommen, eine Mutation stattgefunden hatte.

Zur Unterstützung seiner Meinung hat Lisch noch auf den Umstand hingewiesen, daß noch lange nach dem Eingehen der Grafschaft Fürstenberg die Erinnerung an dieselbe eine lebhafte gewesen, ja noch im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts nicht erloschen sei, und macht, um zu zeigen, daß die Herzoge Gewicht auf den Besitz der Grafschaft gelegt, auf mehrere Urkunden aufmerksam, in denen sie sich Grafen zu Fürstenberg tituliren. Es scheint mir jedoch, daß in allen Fällen andere Motive, als das von Lisch vermuthete, dem Titel zu Grunde gelegen hätten. Wenn Herzog Heinrich 1475 in einer Urkunde 2 ) Graf zu Fürstenberg nennt, so könnte leicht der Gegenstand, welchen sie betrifft, nämlich die Beleibzuchtung der Wittwe des letzten Herzogs zu Stargard, Anlaß zum Gebrauche jenes Titels gegeben haben, insofern etwa Heinrich durch denselben sich in jeder Hinsicht und Ausdehnung als wohlberechtigt zur Verfügung über den ganzen ihm angefallenen Landestheil hinstellen wollte. Anlangend aber die beiden Urkunden des Bischofs Rudolf, Herzogs zu Meklenburg=Stargard, von 1406 und 1408, 3 ) so halte ich dafür, daß die Einfügung des Titels eines Grafen zu Fürstenberg nicht so sehr von dem Bischofe selbst, sondern von seinem damaligen diensteifrigen Kanzler Dietrich Witte herrühre, welcher wünschen mochte die Bedeutung seines Herrn zu steigern und dem Grafen=Titel der älteren Linie einen gleichen gegenüberzustellen. Das dünkt mich um so annehmlicher, als der Kanzler in den gedachten beiden Urkunden selbst genannt wird und in einer von ihm persönlich


1) Krantz, Vand. 14, 34. Klüver a. a. O. II, S. 226.
2) Jahrb. 25, S. 118.
3) Ebd. S. 117. 121.
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ausgestellten (ungedruckten) Urkunde vom 3. September 1404 ebenfalls seinen Herrn als Grafen zu Fürstenberg bezeichnet, während in den mir bekannten übrigen Urkunden des Bischofs, 1 ) in denen der Kanzler nicht genannt ist, und die in die Jahre 1392, 1394, 1397, 1399, 1408, (Juni 29) und 1413 fallen, jener Titel sich nicht findet.

Endlich hat Teske, 2 ) welcher sich für Lischs Meinung entschieden hat, auch eine unter den Herzogen Magnus und Balthasar geprägte Münze - bei Evers II, S. 41 - herangezogen, welche auf der einen Seite den "wendischen" Büffelskopf, auf der anderen die Schilde von Meklenburg, Rostock und Schwerin so im Triangel gestellt zeigt, daß in dem zwischen ihnen freigebliebenen dreieckigen Felde noch der Ringarm mit der Zwehle Platz gefunden hat, und erachtet, daß durch diese Anordnung letzteres Wappenbild als den bisherigen nicht gleichwerthig, "gewissermaßen als symbolischer Zusatz zu demselben" habe gekennzeichnet werden sollen. Mir scheint, die Sache verhält sich viel einfacher. Wie Teske selbst angibt, sind die besagten Münzen (halbe Speziesthaler) den Vier=Städte Münzen nachgebildet, die auf der Vorderseite je nach der Prägestelle den Schild von Lübeck oder von Hamburg oder von Wismar oder von Lüneburg zeigen, auf der Rückseite aber die Schilde der drei übrigen Städte mit dem unteren Rande zusammengestellt, so daß dazwischen ein kleiner dreizipfeliger Platz übrig blieb, in welchen bei den Lübecker und Wismarschen Prägungen das bezügliche Flaggenwappen, bei den Hamburgischen die Jahreszahl und bei den Lüneburgischen ein Löwe zur Füllung angebracht ist. Sollte nun von Seiten Meklenburgs eine Prägung nach diesem Muster ausgeführt werden, so blieb, da die vier Schilde des herzoglichen Wappens nicht anzubringen waren, nur der Ausweg, eines der Bilder in den von den Flaggenwappen u. s. w. eingenommenen Platz zu setzen und zwar frei und nicht auf ein Schildchen, da das Bild sonst zu undeutlich geworden sein würde. Daß dann aber zu dieser Darstellung der Ringarm mit der Zwehle bestimmt wurde, das erklärt sich doch genügend daraus, daß das Land Stargard der zuletzt der älteren Linie des Meklenburgischen Hauses zugefallene Besitz war.


1) Fromm, G. d. v. Zepelin, U. 48. Schröder, P. M., S. 1610. 1662. 1746. Westphalen l. c. p. 1005. Die Urkunde von 1397 ist noch nicht gedruckt.
2) D. W. d. Großhgl. H. M., S. 54.
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Meiner Meinung nach sprechen die vorstehend angeführten Thatsachen und Umstände gegen die Herleitung des Wappens des Landes Stargard aus dem Siegel der Stadt Fürstenberg und vielmehr für die ältere, sagen wir volksthümliche Deutung des Ringarms, als symbolisire nämlich derselbe die Art der Erwerbung jenes Landestheils, also die Vermählung Heinrichs II. mit Beatrix von Brandenburg, dem nicht entgegengehalten werden darf, daß erst durch Opfer von Blut und Geld das Land fest gewonnen worden ist, da zu diesem Erwerbe doch jene Vermählung das grundlegende Moment bildete.

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Inhalt:

III.

Die Gräber der älteren Bronzezeit in Meklenburg.

Erster Theil.

Von Dr. Robert Beltz.

~~~~~~~~

N achdem in den letzten Jahrgängen der Jahrbücher die steinzeitlichen Erscheinungen im Lande Behandlung gefunden haben, soll im Folgenden in ähnlicher Weise die Bronzezeit besprochen werden. Wir beginnen mit den hervorragendsten Bildungen dieser in Meklenburg bekanntlich sehr gut vertretenen Periode, den Gräbern, und beschränken uns auf den älteren Abschnitt, da die neueren Beobachtungen aus der jüngeren Bronzezeit erst vor einigen Jahren (Band 61) behandelt sind. Auch hier werden wir zunächst nur neuere Ausgrabungen und Funde mittheilen, von denen sich eine beträchtliche Zahl (39) aufgesammelt hat. Eine Statistik des gesammten bronzezeitlichen Materials mag dann später nachfolgen. An unsere meklenburgischen Bronzegräber knüpfen sich eine große Anzahl Fragen und Probleme, zum Theil von einer Bedeutung, die weit über lokale Interessen hinausgeht, deren Löfung dem Schreiber dieser Zeilen nicht möglich ist. Immerhin sind einige allgemeine Bemerkungen für das Verständniß der Einzelberichte unumgänglich.

Es ist bekannt, daß Meklenburg einen Theil des nordeuropäischen Bronzegebietes bildet, eines Gebietes, das außer den skandinavischen Ländern einen kleinen Theil Norddeutschlands umfaßt, etwa einen durch eine Linie Wesermündung-Harz-Odermündung eingeschlossenen Ausschnitt, dessen südliche Ausdehnung elbwärts kein Zufall ist. In der ganzen Bronzezeit haben an dem Materiale, auf das sich unsere Kenntniß dieser Periode beschränkt, in unserem Lande dieselben Veränderungen in derselben Reihenfolge stattgefunden, wie dort; die Ordnung der Altsachen,

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die man hauptsächlich auf Grund des skandinavischen Materials vorgenommen hat, hat sich auch bei uns als richtig erwiesen. Das Hauptwerk über die Systematik der nordischen Bronzezeit ist Montelius Tidsbestämning inom Bronsålderen, Stockholm 1885, geblieben (im Folgenden abgekürzt mit M. genannt); hier werden die gesammten bronzezeitlichen Typen auf 6 Perioden aufgeteilt. Daß die Reihenfolge der Typen das Richtige trifft, ist wohl unbestritten. Weniger sicher ist es, ob man auf Grund dieser Eintheilung berechtigt ist, von sechs im Wesentlichen gleichartigen, nach Montelius sogar gleich langen Kulturperioden zu sprechen. Ich habe schon 1887 (Jahrb. 52, S. 3) hervorgehoben, daß die Perioden II III als ältere Stufe einerseits, IV V als jüngere anderseits sich enger aneinanderschließen, und an andrer Stelle (Vorgeschichte 1899, S. 36 u. s.) betont, daß weder die Anfangserscheinungen (M. I) noch die Schlußerscheinungen (M. VI) spezifisch nordisch sind. Das ist im Wesentlichen auch die Auffassung von Sophus Müller (Ordning af Danmarks Oldsager II Bronzealderen, im Folgenden mit dem bloßen Namen zitirt, Ordning af Bronzealderens Fund in den Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1891 und Nordische Alterthumskunde 1898), der die Periode M. I nur als Anfang gelten läßt und von einer älteren Bronzezeit in zwei Stufen und von einer jüngeren in ebenfalls zwei Stufen spricht (I 1-2, II 1-2); diese vier stimmen mit M. II-V überein. Aus Deutschland liegt bisher nur aus einem Gebiete eine berechtigten Ansprüchen genügende Bearbeitung der nordischen bronzezeitlichen Erscheinungen vor: Splieth, Inventar der Bronzealterfunde von Schleswig=Holstein 1900, welches sich fast ganz an die Eintheilung von Montelius anschließt. Auch wir werden im Folgenden, allein schon der leichteren Verständigung wegen, stets nach Montelius zitiren. Die Funde, die wir behandeln, gehören der älteren Bronzezeit an, also M. I-III, und zwar ganz überwiegend der Periode M. III; von den 39 Grabfunden ist ein einziger (Warrenzin) in M. I, nur zwei (Wozeten und theilweise Hallalit) in M. II zu setzen, dagegen 31 in M. III (fünf geben keine genügenden Bestimmungspunkte). Und dem entsprechen unsere älteren Funde durchaus. M. II ist nur sehr schwach vertreten, die große Masse unserer älteren Bronzen gehört M. III an, und hier werden sich sicher noch zeitlich zu trennende Gruppen herausschälen lassen; einige Andeutungen werden unten gegeben werden. Wenn schon dieses Zahlenverhältniß der Vertheilung unserer Bronzegräber auf M. II und M. III einen scharfen Unterschied zwischen Meklen=

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burg einerseits und Schleswig=Holstein und Dänemark anderseits bedeutet, so wird dieser noch stärker, wenn man die einzelnen Typen ins Auge faßt. Es ergiebt sich daraus, daß Tracht und Bewaffnung des bronzezeitlichen Menschen, wie sie aus der Ausstattung der Gräber hervorgeht, in gar manchen Stücken von den dortigen Erscheinungen abweicht. So sind die steinernen Pfeilspitzen der Männergräber dort fremd, Handbergen, Halskragen mit einer bestimmten Spiralverzierung, große Nadeln mit flachem Kopfe, die Bandfibel mit Kreuzbalkennadel, die Fülle von Armschmuck in Frauengräbern eine hiesige Eigenthümlichkeit; wir werden wiederholt Typen zu besprechen haben, die über die Grenzen Meklenburgs wenig hinaufgehen und als lokale Formen anzusehen sind, allerdings nur in M. III. Diese Verschiedenheiten sind zweifellos durch eine stärkere Beeinflussung unseres Landes von der Bronzezeit südlicher Länder mitbedingt. Wir sind daher wohl berechtigt, von einer meklenburgischen Bronzekultur zu sprechen, die besonders gegen den Schluß der älteren Bronzezeit hervortritt.

Wenn sich in der angegebenen Weise ein Komplex wiederkehrender Erscheinungen zu dem Begriffe einer "älteren nordischen Bronzezeit" zusammenfassen ließ, dessen räumliche Grenzen, wenn auch nur in großen Zügen, bestimmbar sind, so können wir im Gegensatz dazu auch von einer südlichen Bronzezeit sprechen, welche Ungarn, Nieder= und Ober=Oesterreich, Böhmen und Süddeutschland umfaßt. Gewiß sind die lokalen Unterschiede hier größer als auf dem Gebiete der nordischen Bronzezeit; mit dieser verglichen aber zeigen ihre Typen eine Aehnlichkeit, die es uns im Norden bisher unmöglich macht, zu bestimmen, aus welchem Theile dieses weiten Gebietes die jener Gruppe angehörenden, hier auftretenden Stücke eingeführt sind. In diesem Sinne will das im Folgenden oft gebrauchte "südlich" verstanden sein. Eine ganz besondere Rolle in den Beziehungen zwischen der nordischen und der südlichen Bronzezeit hat das südwestliche Böhmen gespielt, wo wir ganz überraschende Analogien gerade zu unserer meklenburgischen älteren Bronzezeit finden. Im einzelnen sei auf folgende Behandlungen verwiesen, die im Folgenden mit den Namen der Verfasser genannt werden sollen: für Ungarn hat P. Reinecke in den Archaeologiai Ertesitö Budapest 1899 Band 19, S. 225 ff. eine Periodeneintheilung durchgeführt, die sich im allgemeinen an die von Montelius anschließt und die ganze Bronzezeit hindurch einen Parallelismus der dortigen Typen mit den nordischen erkennen

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läßt; die zweite ungarische Periode (Tafel V-VII) entspricht M. II, die dritte (Tafel VIII-X) M. III. Für Böhmen liegt jetzt das große Werk von Pič, Cechy predhistoricke, vor, dessen Band II 1900 die Hügelgräber des südwestlichen Böhmens behandelt, der Text für mich leider ganz unverständlich. Die österreichische Bronzezeit behandeln Heger, Mitth. d. pähist. Kommission d. K. K. Akademie I 1893 und Hörne Mitth. d. anthrop. Gesellschaft in Wien XXX, 1900, S. 72. Die bayerischen Verhältnisse hat Naue mit Hineinziehung eines weit über sein engeres Forschungsgebiet hinaufgehenden Materials in seinem großangelegten Werke "Die Bronzezeit in Oberbayern 1894" dargestellt und im wesentlichen zwei Gruppen, eine ältere und eine jüngere Bronzezeit, festgestellt, eine Zweitheilung, die für ganz Süddeutschland durchführbar erscheint. "Alt" und "jung" hat hier aber eine ganz andere Bedeutung wie bei uns, indem die ältere süddeutsche Periode unserer M. II, die jüngere unserer M. III entspricht, Perioden, die wir als ältere Bronzezeit zusammenfassen. Auf die jüngere Bronzezeit folgt dort die Hallstattperiode, welcher zeitlich im Norden die "jüngere Bronzezeit" gleichsteht.

Zwischen diesen südlichen und den nordischen Bronzezeitgebieten liegen nun weite Landstriche, auf denen überall bronzezeitliche Erscheinungen auftreten, die aber im Zusammenhange überhaupt noch nicht behandelt worden sind. Auf welchem Wege die Berührung zwischen nordischer und südlicher Bronzezeit sich vollzogen hat, muß daher hier unerörtert bleiben. Ein Weg weist westwärts durch Hannover, deutlicher tritt ein Saale 1 ) und Elbe abwärts gebender Weg hervor, und auch Einwirkungen von Osten her, besonders von Pommern, auf welches Land die reichentwickelte ungarische Bronzekultur schon früh bedeutenden Einfluß geübt hat, wohl auf dem Oderwege durch die Gebiete der "Karpodaker" Kossinnas, sind unverkennbar (vgl. unten Hallalit). Daß überall der Süden der gebende Theil gewesen ist und die nordische Bronzezeit eine isolierte Kulturerscheinung darstellt, die keine wesentlichen Rückwirkungen ausgeübt hat, scheint mir bei dem Gange der europäischen Kulturentwickelung selbstverständlich. In dem nordsüdlichen Verkehre nimmt nun unser Land eine ganz besondere Stellung ein; besonders in der Periode M. III haben wir eine ganze Anzahl von Gegenständen, die entweder direkt von Süden eingeführt sind, und von Typen, die dortigen nachgebildet sind; wir werden im Verlauf unserer Darstellung wiederholt darauf


1) Vgl. dazu Kossinna, Deutsche Geschichtblätter II S. 25.
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zurückzukommen haben. Schon ein Vergleich mit dem benachbarten Schleswig=Holstein zeigt wie ein stärkeres Hervortreten von M. III, so auch ein bedeutendes Vorwiegen südlicher Typen bei uns. Die meklenburgische ältere Bronzezeit macht als Ganzes entschieden einen jüngeren Eindruck als die dänisch=cimbrische.

Die Beziehungen, die zwischen den nordischen und den südlichen Bronzekulturen bestanden, festzustellen, ist nun schon darum von der größten Wichtigkeit, weil dies der einzige Weg ist, auf dem man absolute zeitliche Werthe für unsere Bronzezeit zu erlangen hoffen darf. Die Chronologie der klassischen Völker nützt uns hier nichts, für Griechenland und Italien sind die dort der nordischen Bronzezeit entsprechenden Zeitperioden ebenso gut vorgeschichtlich wie für uns; erst in den alten orientalischen Reichen geht das zeitlich fixirbare staatliche Leben in die entsprechenden hohen Zeiträume hinauf, und von den Regierungszeiten ägyptischer Könige hängt schließlich auch die chronologische Festlegung der meklenburgischen Bronzegräber ab. Das giebt natürlich eine sehr komplizirte Rechnung mit sehr weiten Fehlergrenzen, und von gesicherten Ergebnissen kann hier noch keine Rede sein. Wie weit die Ansichten kompetenter Forscher hier auseinandergehen, möge umstehende schematische Tabelle zeigen, bei der wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden braucht, daß die geraden Linien in Wirklichkeit ganz beträchtliche Kurven bedeuten. Am eindringlichsten ist bekanntlich Montelius dem chronologischen Probleme zu Leibe gegangen, welcher sogar für die einzelnen Perioden seines Systems Jahresgrenzen gefunden zu haben hofft. Ich kann dem verdienten Forscher, dessen Systematik ich mich sonst fast ganz anschließe, auf diesem Gebiete nicht folgen; ich halte es für einen Grundfehler, jeder "Periode" eine bestimmte Anzahl Jahre (200) zuschreiben zu wollen, wo doch unsere Kenntniß der Perioden fast nur auf gewissen Typen beruht, deren zum Theil recht geringfügige Formenveränderungen zeitlich überhaupt nicht faßbar sind. Wir werden uns bei dem jetzigen Stande der Forschung, soweit ich ihn zu übersehen vermag, was mir bei der theilweisen Entlegenheit und der Vielsprachigkeit der betreffenden Veröffentlichungen nur in sehr bedingtem Maaße möglich ist, mit einigen groben Umrissen begnügen müssen, und da wird die Ansetzung von Montelius, daß die ältere (reine) nordische Bronzezeit um das Jahr 1000 herum zu Ende geht, das Richtige treffen. Wie weit man sie noch in das zweite hinauf= oder in das erste herunterrücken soll, wird einmal von der Fixirung des Dipylonstils in Griechenland und des Villanovastils in Italien abhängen, sodann

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Tabelle
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aber auch von der Herstellung eines Synchronismus zwischen den dortigen und hiesigen Erscheinungen, beides noch ungelöste Fragen; vor einer zu hohen Ansetzung möge der Skalleruper Wagen warnen! Den Beginn der Bronzezeit rückt man jetzt bis in den Anfang des zweiten Jahrtausends hinauf, und es wird dagegen nichts einzuwenden sein, aber für die Zeit, wo die fast gemeineuropäische älteste Periode (M. I) sich von der spezifisch nordischen Bronzezeit (M. II) scheidet, ist bisher kein überzeugendes Datum beigebracht. Ich kann mich also nur zu der ganz allgemeinen Ansetzung:

Erste Periode:    
  Beginn der Bronzezeit 2000-X,    
zweite Periode: Vertikale Klammer X-1000
  ältere nordische Bronzezeit, erster Abschnitt
dritte Periode:
  ältere nordische Bronzezeit, zweiter Abschnitt

entschließen, werde aber sehr erfreut sein, wenn die auf genauere Werthe und Herstellung eines Synchronismus gerichtete Betrachtungsweise, wie sie neuerdings besonders von P. Reinecke mit weitem Blick und eindringender Sachkenntniß geübt ist, recht bald Erfolg haben wird.

Unsere Kenntniß der Bronzezeit beruht nach dem Gesagten in erster Linie auf den Geräthtypen. Dazu kommen die Gräber. Von anderen Kulturerscheinungen ist wenig erhalten: Wohnplätze in verschwindender Anzahl, Befestigungs=Anlagen fehlen. Also fast alle unsere Kenntniß des bronzezeitlichen Lebens entnehmen wir seinen Gräbern. Neben den niedergelegten Objekten sind die Grabgebräuche und Grabbauten der Gegenstand unserer Studien. Und da ist es zuerst eine Frage, die sich hier aufdrängt, das ist die Bestattungsart; besonders das Verhältniß von Beerdigung und Leichenbrand. Es ist unmöglich, alle hier zu beachtenden Gesichtspunkte zu berühren, und es sei auf die bahnbrechende Arbeit von Olshausen über Leichenbrand (Verhandlungen der Berliner anthropol. Geseilschaft 1892, S. 129 flgd.) verwiesen. Abweichend von Olshausen werden wir aber, und glauben damit dem Sprachgebrauche näher zu kommen, Bestattung als Allgemeinbegriff, Beerdigung (für die Beisetzung unverbrannter Leichen) und Verbrennung als Unterbegriffe fassen. "Begräbnisse" im gewöhnlichen Wortsinne kennt die ältere Bronzezeit nicht.

Es ist nun sehr merkwürdig, daß das Verhältniß von Leichenbeerdigung und Leichenbrand in der Bronzezeit auf sehr weiten Gebieten dasselbe ist, indem in älterer Zeit die Todten beerdigt, in jüngerer verbrannt wurden, und zwar geht die Analogie noch weiter: überall treten zur Zeit der entwickelten Bronzezeit Hügel=

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gräber zunächst mit Beerdigung auf, die später meist durch Flachgräber mit Leichenbrand (Urnenfelder) ersetzt werden; auch die Zwischenstufe, Hügelgräber mit Leichenbrand, scheint meist vorhanden. So finden sich in Ungarn in der unserer Periode M. II entsprechenden Stufe Hügelgräber mit Beerdigung, in der Zeit von M. III Hügelgräber und Flachgräber mit Leichenbrand; ähnlich in Böhmen und Oesterreich; in Bayern hat die ältere Periode (M. II) Beerdigung in Hügeln, die jüngere (M. III) ebenfalls in Hügeln Leichenbrand, sehr selten in Urnen, aber noch immer vereinzelt Skelette. - Auf unserem Gebiete haben wir ziemlich komplizirte Vorkommnisse: für M. II ist unser Material zu gering, um von einer Regel in der Bestattungssitte sprechen zu können; soweit ich sehe, herrscht hier die Beerdigung in Hügeln durchaus. In M. III aber haben wir eine reiche Fülle von Erscheinungen, und die folgenden Berichte werden manches neue Material bringen, ohne die Frage aber schon vollständig lösen zu können. Klar ist, daß die Beerdigung die überwiegende Bestattungsart ist, daß aber der Leichenbrand daneben sehr früh auftritt und gegen das Ende der Periode zu den Sieg gewinnt; in den auf die ältere Bronzezeit folgenden Perioden herrscht er ja auch viele Jahrhunderte, ja über ein Jahrtausend, ausschließlich. Nachweisbar ist auch, wie die Form des Körpergrabes noch beibehalten wird (Alt=Meteln S. 96), als die Verbrennung schon Sitte geworden ist, und wie die in der Folgezeit allgemeine Beisetzung der Gebeine in Urnen auf unserem Gebiete in dieser Periode nur ganz ausnahmsweise (s. Basedow) vorkommt. Der alte Brauch der Beerdigung hat sich also hier entschieden länger gehalten als im Süden. Wie aber der Uebergang sich vollzogen hat, das bleibt noch dunkel. Ich glaube wahrscheinlich machen zu können, daß der Leichenbrand in Frauengräbern häufiger ist als in Männergräbern, ohne aber doch allgemein geworden zu sein; wir werden eine ganze Reihe Beerdigungen von Frauen aufzuzählen haben. Wie sorgsamer Beobachtungen es hier bedarf, wird unten z. B. das Grab von Blengow zeigen, wo unter dem Beerdigten verbrannte Gebeine doch wohl für ihn verbrannt, also Opfer, lagen. Solche Erscheinungen sekundären Leichenbrandes sind natürlich gesondert zu betrachten; doch liegt in ihnen vielleicht zum Theil die Erklärung der Sitte überhaupt. Man neigt jetzt dazu, die Sitte des Leichenbrandes in vorgeschichtlicher Zeit auf die Anschauung der Befreiung der Seele von den Banden des Körpers zurückzuführen und hat darin eine mächtige Stütze in Homerischen Anschauungen. Zweifellos darf man diese für

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die Denkweise des bronzezeitlichen Menschen heranziehen, da die Homerischen Gedichte ihren Stoff und einen guten Theil ihrer Vorstellungen der jüngeren Mycenezeit entnehmen, welche zeitlich dem Ende unserer älteren Bronzezeit (M. III) entspricht. Eine frühere Erklärung (die von Jakob Grimm) sah im Leichenbrande ein Opfer, und zwar dachte man dabei an ein Opfer für die Götter. Wenn wir nun in den bronzezeitlichen Gräbern und schon sehr früh (vgl. den zu dem Grabe von Blengow angeführten Fund von Schülp M. I) Leichenbrand als Opfer antreffen und weiterhin die Weiber verbrannt neben den beerdigten Mannern, so liegt der Gedanke nahe, daß auf diesem Wege der Leichenbrand überhaupt zur Sitte geworden ist, vielleicht allerdings in Verbindung mit neuen, von Süden her eindringenden Vorstellungen, die sich an ihn knüpften.

Die Grabform der älteren Bronzezeit schien auf unserem Boden so durchgehend das Hügelgrab zu sein, daß Lisch die ganze Periode (mit Einschluß sogar der jüngeren Bronzezeit) als "Periode der Kegelgräber" bezeichnet hat. Wir werden sehen, daß, wenn auch ganz vereinzelt, Flachgräber vorkommen. Die Form der Hügel ist recht verschieden; es sind ja jetzt meist rundliche Kuppen von sehr verschiedener Höhe (1 1/2 bis 9 m), und mir ist kein Grab bekannt, das eine ausgesprochene Kegelform bewahrt hätte, doch ergiebt sich bei der Ausgrabung oft, daß der ursprüngliche, an den Umfassungssteinen erkennbare Durchmesser im Verhältniß zu der vorauszusetzenden Höhe nicht bedeutend war, also eine dem Kegel nahekommende Gestalt vorauszusetzen ist, und ich habe daher den traditionellen Namen bei allen größeren Hügeln beibehalten. Die bronzezeitlichen Hügelgraber vertheilen sich nun durchaus nicht gleichmäßig über das Land, sondern lassen sich zu einer Anzahl von Gruppen vereinigen, über die auf meine Vorgeschichte S. 38 verwiesen sein mag. Wir ordnen in der folgenden Besprechung die Gräber in der dort gegebenen Art, also beginnend mit dem Nordwesten des Landes und mit dem Nordosten schließend. Auch unter den unten zu besprechenden Gräbern werden die dort als bevorzugt erscheinenden Gebiete besonders hervortreten; neu ist, daß auch die wenig durchforschten Gruppen 2 und 6 jetzt einige hervorragende Funde ergeben haben. Ob auch im Inhalt der Gräber sich lokale Verschiedenheiten von Bedeutung zeigen, bleibe noch unerörtert; jedenfalls hat sich auch hier die Ausbeute der Gräber im Westen des Landes als sehr ärmlich herausgestellt, und auch der Osten hat keine reicheren Funde ergeben. Die Zahl der Gräber, wo keine oder nur geringfügige Alterthumsfunde gemacht sind, ist überhaupt

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verhältnißmäßig groß, und man pflegte solche Ausgrabungen in einer Zeit, wo nur der Erwerb interessanter Gegenstände das Ziel von Untersuchungen vorgeschichtlicher Denkmäler war, als ergebnislos zu bezeichnen. Wir denken heute darüber anders; die Kenntniß der Grabanlagen hat einen selbstständigen Werth, und die Aufschlüsse über die in ihnen sich offenbarenden Sitten sind die einzigen Mittel, mit denen wir in die hinter ihnen stehenden Anschauungen, also das geistige Leben der alten Bevölkerung einzudringen hoffen dürfen, sie sind uns oft werthvoller als der Besitz der sich so oft wiederholenden Objekte. Daß in den älteren Berichten, auch in denen von Lisch, so wenig auf die Grabanlage geachtet ist, ist ein nicht zu überwindender Verlust. Es wird die Aufgabe einer späteren Behandlung sein, auf Grund der an den neueren Ausgrabungen gemachten Erfahrungen die älteren Berichte zu revidiren. Ich gebe im Folgenden im Wesentlichen nur Berichte über Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte und Funde, die bisher unveröffentlicht geblieben sind; nur wo es zur richtigen Würdigung neuerer Ausgrabungen erforderlich war, (z. B. bei Retzow) sind ältere Fundberichte herangezogen. Unter den zu besprechenden Funden sind eine ganz Anzahl, und gerade einige der bedeutendsten, die sich nicht im Schweriner Museum befinden, sondern in kleineren öffentlichen Sammlungen oder in Privatbesitz. Ich bin erfreut, diese Sachen, die naturgemäß schwerer zugänglich sind und für die wissenschaftliche Behandlung leicht verloren gehen, hier bekannt geben zu können und sage auch an dieser Stelle den Herren, die sie mir zu dem Zwecke überlassen haben, meinen herzlichsten Dank.


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Kegelgräber von Upahl (bei Grevesmühlen).

Der an steinzeitlichen Funden so reiche Nordwesten des Landes hat für die Bronzezeit nur wenig ergeben; größere Grabanlagen, die man in Zusammenhang bringen könnte, sind nur südöstlich von Grevesmühlen bekannt geworden: hier liegen noch jetzt zwei schöne, in ihrem Kern anscheinend unberührte Kegelgräber gegenüber dem Sternkruge (Gemeinde Meiersdorf); vergl. Jahrb. 6 B, S. 69. Drei werden zu Groß=Pravtshagen erwähnt (Jahrb. 18, S. 246), von denen zwei nicht mehr zu erkennen sind, während das dritte, der große und schön gelegene "Rauhe Berg", zum größten Theile abgetragen und niedergeackert ist, wobei man wohl Steinsetzungen und Kohlenschichten, aber keine Altsachen gefunden hat; ein weiteres liegt bei Hilgendorf, nahe dem Plüschower

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Holze; und dazu kommen nun zwei bisher nicht beachtete bei Upahl, welche Verfasser im Juli 1894 mit Hülfe des Herrn Lehrer Däbler in Upahl untersucht hat.

1. Der "Ramberg" liegt auf der Hufe des Erbpächters Schulzen Greve, gleich östlich vom Orte am Wege nach Gr.=Pravtshagen. Das Gelände ist uneben, und der Boden besteht aus schwerem Lehm. Die Bestimmung der ursprünglichen Höhe ist nicht möglich, da der Hügel stark niedergeackert ist. Auch sind ihm schon beträchtliche Steinmengen entnommen; beobachtet ist damals, daß im ganzen Hügel in geringer Tiefe ein Steinkranz aus Blöcken von etwa 40 cm lief, zwischen denen Asche und Kohlen lagen. Altsachen sind dabei nicht gefunden. An den Hügel knüpft sich folgende Sage: Zur Erntezeit erschien auf der Spitze täglich ein gedeckter Tisch, der wieder verschwand wenn die bei der Ernte beschäftigten Leute abgegessen hatten. Eines Tages blieb er stehen, man fand, daß eine Gabel fehlte. Diese hatte ein Knabe entwendet; sie wurde zurückgebracht, der Tisch verschwand, kam aber nie wieder.

2. Der "Twäschenbarg" (Zwillingsberg) liegt etwa 200 m südöstlich vom Ramberge, gleich links von einem Feldwege auf der Hufe des Erbpächters Evert. Er war bedeutend niedriger als der Ramberg und schien im Wesentlichen unberührt zu sein; auch hier war man auf Steine gestoßen; ich habe ihn daher bis auf den Grund durchgraben lassen. Der Hügel war regelmäßig rund geformt und bestand aus Lehm mit Sand gemischt. Bei 1 m Tiefe schon wurde der Grundboden erreicht (schwerer und fester Lehm), der Durchmesser der Grundfläche betrug 10 m. Im Mantel des Hügels lagen einige Kohlenstücke und kleine Thongefäßscherben, auf dem Grunde ein ovaler Steinkranz aus Blöcken von etwa 50 cm Höhe, 8 m ostwestlich, 6 m nordsüdlich; am nördlichen Ende außerhalb des Steinkranzes ein fest gefügter Steindamm 3 m ostwestlich, 1,5 m nordsüdlich. Von einer Bestattung zeigten sich keine irgendwie erkenntlichen Reste. Da aber bei mehreren der weiterhin zu besprechenden Gräber (Wittenburg, Brahlstorf, Retzow, Deperstorf) sich ergiebt, wie außer ordentlich geringfügig oft die Spuren der Beisetzung sind, dürfen wir auch hier eine oder mehrere Bestattungen vermuthen.

Die Anlage des rundlichen Grabhügels auf einem natürlichen Hügel wird uns auch sonst begegnen (Wittenburg, Hallalit, Waren, Blengow, Deperstorf). Eine genauere zeitliche Bestimmung der Anlage würde noch verfrüht sein.

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Kegelgrab von Alt=Meteln (bei Schwerin).
(Katalog=Nummer Br. 487-490.)

Am Wege von Alt=Meteln nach Zickhusen nordöstlich vom Orte liegen zwei große und schöne mit Gestrüpp bewachsene Grabhügel, danach die "Strowelbarge" (oder "Strubbenbarge") genannt: der eine rechts vom Wege im Pfarracker 1 Kilometer vom Dorfe entfernt, der andere links etwas weiter im Acker des Erbpächters Facklam. Zahlreiche Sagen knüpfen sich an die Hügel; auf dem ersten soll in gewissen Nächten eine "Spinnmutter" sitzen, im zweiten sollen Unterirdische hausen, für welche die Bauern, wenn sie ihr Korn nach Wismar fuhren, einige Garben niederlegten; bei der Rückfahrt fanden sie dann das Geld, nach anderer Erzählung eine gedeckte Tafel vor, von der ein Bauer einmal einen goldenen Becher mit nach Hause genommen hätte. Eine ähnliche Sage ist eben bei Gelegenheit des Kegelgrabes von Upahl erwähnt.

Im Winter 1898/99 hatte der Pfarrpächter Buse einen Theil der Erbe des ersten Hügels zur Wiesenverbesserung abgefahren, und es hat darauf Ende März 1899 eine Ausgrabung stattgefunden. Der Hügel zeigte die Form eines Ovals von etwa 15 m Länge (nordsüdlich) und 12 m Breite, hoch scheint die ursprüngliche Form rund gewesen zu sein; die Höhe war etwa 3,40 m, er bildet die Spitze eines langsam ansteigenden Ackerstücks, in Folge dessen er noch höher erscheint.

Um den Hügel ging früher ein Steinkranz, der allmählich entfernt ist; seine Form ließ sich nach Angabe der Arbeiter und einigen noch gebliebenen Steinen herstellen und führt auf einen (inneren) Durchmesser von 14 bis 15 m. Der Auftrag bestand aus schwerem, kalkhaltigem Lehm und schien festgestampft zu sein, wenigstens bildete er eine fast steinharte Masse die zum Theil mit der Spitzhacke entfernt werden mußte, ähnlich wie bei dem Kegelgrabe von Radelübbe (unten S. 97). Die Ausgrabung war unter diesen Umständen schwierig und ging nur langsam vor sich. Auch ist noch immer ein beträchtlicher Theil des Hügels an den Rändern (etwa 1/4 des ganzen) stehen geblieben. Ich fand das Grab nicht intakt mehr; das ganze nordöstliche Viertel fehlte, sodaß meine Ausgrabung nur etwa die Hälfte umfaßt hat und nicht den Anspruch machen kann, alle Geheimnisse der Spinnmutter entschleiert zu haben.

Zwischen dem Erdauftrag fanden sich zahlreiche Kohlen und kleine Bronzestücke. Schon 60 cm unter der Oberfläche, etwa

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2,40 m nordwestlich von dem vorauszusetzenden Zentrum war eine starke Brandschicht von 50 cm Durchmesser, dazwischen kleine geschmolzene Bronzestücke unbestimmbarer Art, wohl ein Opferfeuer. Größere Steinsetzungen waren im Hügel überhaupt nicht, doch fanden sich zwei Gräber, beide auf dem Urboden:

Grab I. Steinhäufung von 0,40 m Höhe, 3,30 m Länge (südostnordwestlich) und 0,95 m Breite, 2 m vom Zentrum nach Nordosten. Der innere (Grab=) Raum war abgedämmt und bildete eine flache Mulde von 2,75 und 0,45 m. In diesem Räume lagen zahlreiche zerbrannte Knochen, nicht gleichmäßig vertheilt, sondern besonders in der Mitte, dazwischen kleine Stücke von zarten Bronzegegenständen, erkennbar die Reste von Nadeln und eine feine Fibel. Der Bügel ist gerade gestreckt, rund und mit ganz feinen Querstricheln (Nachahmung der Torsion) versehen; die Spiralscheiben nur 1 cm Durchmesser; das Ende der Nadel leider unkenntlich, aber sehr wahrscheinlich in der Art des bekannten Typus, von dem wir beistehend ein Stück abbilden. 1 )

Fibel

Wir werden der für M. III charakteristischen Form noch begegnen bei Ruthenbeck, Sarmstorf, Liepen, Blengow (in Gold) und Stülow; zwei anderen, aber verwandten, gleichzeitigen Typen bei Retzow und Sarmstorf.

Dieses Grab reichte bis an den Rand der Abgrabung. Nach Angaben der Arbeiter sind in dieser hier auch Steine angetroffen und dazwischen Reste eines bronzenen Ringes, sehr wahrscheinlich ein zweites Grab. Die Bronzereste sind offenbar im Feuer gewesen und entstammen anscheinend einem gedrehten Halsringe, wie wir sie im Folgenden bei gleichstufigen Gräbern von Radelübbe, Ruthenbeck, Turloff, Schlemmin, Sarmstorf, Boldebuck, Vogelsang und Kl.=Grenz bekommen werden.

An der Südostecke des Grabes war eine starke Brandschicht (Asche und Kohlen).

Grab II. 2,50 m vom Mittelpunkte nach Süden; in der Anlage dem vorigen gleich, doch bestehen die Wände aus größeren, aufrecht gestellten Steinen. Länge (ostwestlich) 2,20, Breite 0,70 m (innen 1,90 und 0,40 m). In einer Mulde zerbrannte Knochen, durch das Grab zerstreut, am Westende zu einem Haufen ge=


1) Die Abbildung ist genommen nach einem im Moor bei Krassow bei Güstrow gefundenen 12,5 cm langen Stück (K.=N. 2693, vgl. Jahrb. 16, S. 271).
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sammelt; überdeckt mit einer Steinschicht, sodaß hier eine Abdeckung nach oben stattgehabt zu haben scheint.

Auch hier lag im Süden des Grabes eine Brandschicht. Oberhalb des Westendes, etwa 40 cm unter der Oberfläche des Hügels (das Grab selbst lag 2,40 m tief) standen zwei glatte, große Steine, die wohl die Lage des Grabes im Hügel bezeichnen sollten (ähnliches unten bei Waren).

Außerdem fanden sich im westlichen Theile des Hügels, 4 m vom Mittelpunkte, im Halbrund gesetzte Steinblöcke, deren Bedeutung unklar bleibt.

Die zeitliche Stellung des Grabes ergiebt sich aus der Bestattungsart. Die eigenthümliche Sitte, die Reste des Leichenbrandes in Gräbern zu bergen, welche die Form des Körpergrabes noch bewahren, ein Kennzeichen einer Zeit, wo der Leichenbrand über die alte Sitte der Gestaltung den Sieg davontrug, wird uns noch weiter begegnen. so in dem Grube von Sarmstorf unten S. 139, wo auch eine fast gleiche Fibel gefunden ist. Mit diesem hat es auch den sparsamen Gebrauch der Steine gemein, während die große der bronzezeitlichen Gräber sehr bedeutende Steinmassen verbrauchen. Hierin ähnelt es auch sehr dem "Beierbarge" von Brahlstorf (unten S. 106), wo ganz gleich gebaute Gräber auch fast ohne Ausstattung, aber mit Leichenbeerdigung, sich fanden.

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Kegelgrab von Radelübbe (bei Hagenow).
(Katalog=Nummer Br. 298-300.)

Am Wege von Radelübbe nach Gammelin links, etwa 600 m westlich vom Dorfe, lagen in ganz ebenem Gelände auf sandigem Boden neben einander drei sehr auffallende Hügel, "Dreibergen" genannt. Zwei sind allmählich abgetragen, da der Lehm, aus dem sie bestanden, zur Ackerverbesserung und auch sonst sehr erwünscht war; Brandstellen und Gefäßscherben sind dabei beobachtet, größere Steinsetzungen und Metallsachen aber nicht. Der dritte, zur Erbpachthufe Nr. 4 gehörig, wurde im Winter 1889/90 angegriffen, und man stieß dabei auf eine Steinsetzung, in der sich Bronzen fanden. Ich habe daraufhin am 27. und 28. Mai 1890 und 19. bis 21. Mai 1891 den Hügel durchgraben.

Derselbe war mit Gebüsch bewachsen und ganz aus schwerem Lehm, der über den Grabstellen noch besonders fest gestampft war, aufgeführt, was auffallend ist, da Lehm in der Nähe gar nicht zu finden, das Material also weiter hergeholt sein muß.

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Die Achsenhöhe betrug 3,50 m, der Durchmesser war nicht genau zu bestimmen, da die Ränder beschädigt waren und Umfassungssteine fehlten, wird aber etwa 20 m betragen haben. Der Hügel glich also in Anlage und Form genau dem von Alt=Meteln, was um so mehr zu beachten ist, als die ganze Gegend westlich und südlich von Schwerin an Kegelgräbern sehr arm ist. An das Radelübber Grab knüpfte sich in unbestimmter Form die übliche Sage von einem goldenen Sarge oder einer goldenen Wiege.

Die Ausgrabung ergab mehrere Grabstellen.

Grab I. Nach der Lage das Hauptgrab. Ziemlich in der Mitte des Hügels, die Südostecke unter dem jetzigen Mittelpunkte, eine Steinsetzung auf dem Urboden; zwei Schichten größerer Dammsteine (etwa 15 cm Durchmesser), an den Längsseiten mit aufgeschichteten Wänden aus größeren (bis 60 cm hohen) Steinen; Länge 4 m (ostwestlich), Breite 3,40 m. Auf den Steinen Spuren von Knochen, sehr wahrscheinlich von einem beerdigten Leichnam; von Beigaben keine Spur.

Grab II. 4 m östlich vom Mittelpunkte, nicht auf dem Urboden, sondern etwa 1 m höher, ein einfacher Damm aus kleineren Steinen, 5,60 m lang (ostwestlich), also bis an den (jetzigen) Rand des Hügels gehend, und 2,20 m breit. Darunter war eine muldenartige Vertiefung, die etwa 60 cm tief ging, nicht mit Steinen ausgesetzt. Die Mulde war gefüllt mit lockerer Erde, die mit Asche durchsetzt war. Auch hier fanden sich nur Spuren von Knochen, keine zerbrannten Gebeine, sodaß auch hier die Beerdigung wahrscheinlich ist. Nahe dem östlichen Ende fand sich ein viereckiges Ortband mit Resten der hölzernen Scheide. Es hat die Form eines Pyramidenstumpfes und ist mit längslaufenden Linien verziert. Breite (unten) 1,25, Höhe 1 cm. Es ist die S. Müller 93 abgebildete, der dritten Periode eigenthümliche Form des Abschlusses der Schwertscheiden. Es scheint also wirklich, daß dem Beerdigten nur die Schwertscheide mitgegeben ist, von einem Schwerte fand sich keine Spur. Beispiele für diese Seltsamkeit sind mir nicht bekannt.

Grab III. Nördlich von I, etwa 4 m vom Mittelpunkte, an I fast anschließend. Es ist dieses das Grab, welches bei der Abtragung des Hügels angetroffen und zum größten Theil zerstört wurde. Ich fand noch unberührt den südlichen Theil, 4 m lang (ostwestlich), 2 m breit, doch war die ursprüngliche Anlage sicher so gewesen, daß die Längsrichtung nordsüdlich war. Es war aus mehreren Schichten größerer Dammsteine errichtet, an den Rändern aufrecht stehende Granitblöcke. Zwischen den Steinen fand ich noch

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Scherben starkwandiger Thongefäße, Asche, Kohle und zerbrannte Menschenknochen. In dem abgegebenen Theile waren eine Anzahl Bronzen gefunden, über die ich aber nur weniges in genauere Erfahrung bringen konnte; ein zerbrochener Ring (anscheinend der Rest eines gedrehten Halsringes) ist in Privatbesitz gekommen. Einen Tutulus (Zierkegel mit Steg auf der Unterseite) konnte ich noch erwerben.

Tutulus

Er ist verziert mit konzentrischen Kreisen auf dem Mantel und geht jetzt spitz zu; ob er ursprünglich in einer kleinen Scheibe endigte wie das unten zu besprechende Stück von Klein=Grenz und das S. Müller 116 abgebildete, ist nicht mehr zu entscheiden. Höhe 4, Durchmesser der unteren Seite 5,5 cm. Ein ganz gleicher stammt von Boldebuck (S. 144 dieser hier abgebildet), und wir werden ähnliche noch bei Retzow, Schlemmin, Liepen, Stülow und Klein=Grenz antreffen.

Außerdem fand sich noch im südwestlichen Theile, 1,60 m unter der Oberfläche, eine kleine zerdrückte Henkelurne, welche umgestülpt in einer Schicht schwärzlicher, mit Brandresten durchsetzter Erde stand, dabei eine Anzahl zarter zerbrannter Knochen. Ob das eine Nachbestattung ist oder Reste eines Todtenopfers, welches, als der Hügel halb fertig war, gebracht ist (ähnlich wie in Alt=Meteln), bleibe dahingestellt.

Wenn auch die Ausbeute des großen Hügels nur geringfügig ist, so genügt sie doch zur zeitlichen Bestimmung. Das Grab gehört sicher in eine Reihe mit unseren bekannten großen Gräbern der dritten Monteliusschen Periode, Alt=Sammit, Ruchow, Friedrichsruhe, Peckatel u. s. w., einer Gruppe, von der wir unten in den Gräbern von Boldebuck, Blengow, Stülow noch drei hervorragende Vertreter zu behandeln haben werden. Daß das Grab, in dem man nach der Lage das Hauptgrab zu erwarten habe, überhaupt keine Ausstattung zeigt, wird uns noch wiederholt (Brahlstorf, Retzow, Deperstorf) begegnen. Fast allgemein zeigen in dieser Periode das Hauptgrab oder die Hauptgräber Beerdigung, während am Ende der Periode der Leichenbrand den Sieg davon getragen hat (vergl. Alt=Meteln, Sarmstorf). Neben der Beerdigung des Hauptgrabes erscheint

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aber sekundärer Leichenbrand und zwar in mehreren Fällen, so besonders im Kannensberge von Friedrichsruhe so, daß der männliche Leichnam beerdigt, die Frau verbrannt beigesetzt ist. Dahin ist auch das Radelübber Grab zu rechnen, denn daß die Beigaben des nördlichen Grabes (III) eine weibliche Ausstattung enthalten haben, kann nach den erhaltenen Gegenständen nicht zweifelhaft sein; ein Beispiel vollständiger weiblicher Ausstattung wird uns unten bei Boldebuck beschäftigen.

Auffallend ist auch hier die ungleiche Vertheilung der Gräber im Hügel: alle drei lagen im Norden und Osten; ganz leer war der Westen. Das Gleiche werden wir bei Wittenburg und Blengow zu bemerken haben, während umgekehrt bei Stülow der östliche Theil leer war. Einen Zufall in solchen Erscheinungen zu sehen, ist in dieser Zeit, der älteren Bronzeperiode, die ein sehr ausgebildetes Grabrituell gehabt hat, nicht angängig. Deutungen zu wagen, werden wir aber erst berechtigt sein, wenn noch sehr viel mehr Beobachtungen gesammelt sind, als wie bisher vorliegen.

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Kegelgräber von Perlin (bei Wittenburg).
(Katalog=Nummer B 360.)

In dem Gehölz südwestlich vom Gute nahe der Scheide zu Pogreß liegen eine Anzahl sichtlich aufgetragener Hügel. Ich zählte im Jahre 1884 acht; wohl eine Gruppe von bronzezeitlichen Gräbern, ähnlich wie auf dem benachbarten Felde von Pogreß. Einen habe ich im Mai 1884 aufgegraben. Dieser hatte eine Höhe von etwa 1 1/2 m und bestand zum großen Theil aus Steinen (unter diesen war ein muldenförmiger Mühlstein). Da er mit alten Bäumen bestanden war, hatten die starken Wurzeln ihn völlig durchzogen und die ursprüngliche Gestalt sowie die Lagerung des Inhalts unkenntlich gemacht. Beobachtet wurden auf dem Urboden ein Haufe zerbrannter Gebeine. An Beigaben dabei:

Armring Armring
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1. Einige Scherben von braunen unverzierten Tongefäßen.

2. Ein bronzener Armring 1 ), zerbogen und zerbrochen (alter Bruch), anscheinend im Feuer gewesen. Die Größe ist nicht mehr bestimmbar. Er hat einen scharfen Mittelgrat und ist innen konvex. Die Verzierung besteht aus schräg gestellten Linienstreifen, die sich in der Mittellinie (welche leicht gekerbt ist) berühren. Sehr ähnliche Verzierungen zeigen die auch sonst gleich geformten Ringe aus Gräbern von Toddin, Reinstorf (Jahrb. 4 b, S. 37), Wittenburg (Jahrb. 5 b, S. 62), Gr.=Methling (Jahrb. 11, S. 374), Spornitz (Jahrb. 11, S. 388; abgebildet auf nebenstehender Seite), Tessenow (Jahrb. 48, S. 318) und von den unten zu besprechenden die Ringe von Schlemmin und Kl.=Grenz und die Handberge von Liepen. Alle diese Gräber sind der Periode III zuzuschreiben. Daß aber dieser Form und Ornamentation ein relativ hohes Alter zukommt, ergiebt der Vergleich mit den von Naue a. a. O. S. 182-184 besprochenen Typen, z. B. aus einem böhmischen Grabe (Pič, Pamatky) 1886, S. 535), wo ein fast gleicher Ring mit einem Flachcelt zusammen erscheint (gleichzeitig etwa mit M. II).

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Kegelgräber von Pogreß (bei Wittenburg).
(Katalog=Nummer Br. 355-359.)

Auf dem Felde südöstlich von Pogreß nahe dem Orte lagen früher mehrere Erhebungen, die sich in dem leichten, ebenen Boden leicht als künstlich erkennen liesen. Im Laufe der Zeit sind sie niedergeackert, und es zeigte sich dann, daß sie keine beträchtlichen Steinsetzungen, wohl aber auf dem Grunde einen Steindamm hatten. Der langjährige Pächter von Pogreß, Herr K. Peitzner, hat stets ein aufmerksames Auge auf diese Hügel gehabt und einem eine Urne mit Leichenbrand und Bronzebeigaben (Hohlwulstring) entnommen (vgl. Jahrb. 41, S. 165, der Fund ist dort zur Bronzezeit gerechnet ist aber sehr wahrscheinlich gleichzeitig dem ebenda S. 167 beschriebenen eisenzeitlichen Urnenfelde und von den unten zu besprechenden Bronzen zu trennen). Ich selbst habe mehrmals die Steindämme durchgraben, aber nichts gefunden als Brandstellen. Dagegen sind beim Ackern in dem Felde, wo die Gräber liegen, wiederholt Bronzen


1) Wir bezeichnen hier wie im Folgenden stets die größeren Ringe als Armringe, die kleineren als Handringe.
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im Charakter der Kegelgrabfunde aufgedeckt, die zum großen Theil sicher zerstörten Gräbern entstammen. Mit der Peitzner'schen Sammlung (vgl. Jahrb. 63, S. 2) sind 1893 in die Großherzogliche Sammlung folgende Stücke gelangt:

1. Ein Celt mit rechteckig abgesetzter Schaftrinne, stark, mit kräftiger Mittelrippe, schwer; Länge 16,5 cm, der Schaftansatz ziemlich in der Mitte, Breite der Schneide 5 cm.

Die Form ist die wohlbekannte, oft abgebildete, in der Schweriner Sammlung durch 32 Stücke vertreten. Die Mehrzahl davon sind Einzelfunde im Acker oder noch häufiger in Mooren; daß sie aber Gräbern nicht fremd sind, zeigen die Funde von Wohld (Jahrb. 4 B, S. 30) und Hallalit (s. unten), die unsicheren Funde von Steinbeck (Fr. Fr. 54), Lüssow und Zepkow mögen hier aus dem Spiele bleiben. Wie sie sich auf Männer= und Frauengräber vertheilen, ist noch nicht klar.

Celt

Auch in dem interessanten Funde von Wiek bei Schwaan (M. II oder III ?) kommt die Form vor (Jahrb. 12, S. 414). Wie bei uns, sind sie auch in Dänemark (S. Müller 133) in Gräbern verhältnißmäßig selten und scheinen dort ebenso wie in Schleswig=Holstein einem früheren Abschnitte der älteren Bronzezeit (also etwa M. II) anzugehören. Da eine verwandte, nur graciler gebildete Form typisch M. II ist und da auch in Meklenburg Schaftcelte ("Paalstäbe") in den charakteristischen Gräbern vom Ende der Periode (Peckatel, Friedrichsruhe u. s. w.) gänzlich fehlen, (über Lappencelte vgl. unten bei Roggow) werden wir sie auch hier in eine frühere Zeit zu setzen haben, also M. II.

2. Die Schneide eines kräftigen Hohlceltes; 5 cm breit, Form nicht weiter erkennbar (schwerlich hierher gehörig).

3. Eine Dolchklinge mit hoher, schmaler Mittelrippe, sich nach oben verschmälender Schaftzunge und drei Nietpflöcken. Länge 19, Länge der Schaftzunge 2,5, größte Breite 3,5 cm.

Die Form unterscheidet sich von der des unten zu besprechenden Dolches von Goldenitz durch den Mittelgrat und die besondere Form der Schaftzunge und ist typologisch zweifellos jünger, erscheint aber durch Mittelformen mit ihr verbunden. Sie ist hier nicht gerade häufig; außer in einigen Einzelfunden ist sie vorhanden in den unten zu besprechenden Gräbern von

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Ruthenbeck, Hallalit, Liepen und Stülow, ferner in Gräbern von Tessenow (Jahrb. 48, S. 315), Zepkow, Friedrichsruhe (Kannensberg, Jahrb. 47, S. 266), diese alle außer Hallalit aus M. III. Auch der hierneben abgebildete Dolch vonBorkow (Jahrb. 38, S. 145)und ein zwischen Güstrow und Dobbertin gefundenes Stück (15 cm lang, größte Breite 3 cm, Museum in Güstrow, K.=N. 410a) entstammen wahrscheinlich Kegelgräbern.

Dolch

4. Ein Schmuckring (ob für Hand= oder Fußgelenk ist zweifelhaft, daß ganz gleiche Ringe am Hand= und am Fußgelenk getragen würden, zeigen z. B. die in situ gefundenen Ringe von Loiz unten S. 135), innen flach, außen leicht gewölbt, mit scharf abschneidender Oeffnung und an der Oeffnung leicht verstärkt. Durchmesser (hier wie immer innen) 9 und 7,25 cm, Höhe 1 cm. Reichverziert: vier Felder mit Spitzovalen, die mit je zwei Linien eingefaßt und mit Querstricheln begrenzt sind, abgeschlossen durch je vier senkrechte Linien, ebensolche Linienstreifen trennen die Felder von einander.

Hand= und Fußringe sind gerade in den meklenburgischen Gräbern außerordentlich beliebt, man kann diese Vorliebe direkt als eine Eigenthümlichkeit der hiesigen Bronzezeit bezeichnen; doch sind die Formen wenig abwechselnd und bisher zu einer genaueren Klassifizirung der Funde nicht verwendbar. Wir haben dem besprochenen ganz gleiche aus Kegelgräbern von Boizenburg (Jahrb. 20, S. 353), sehr ähnliche von Steinbeck, Lehsen, Friedrichsruhe; alle derselben Zeit (M. III) gehörend. In Dänemark (S. Müller, 106) sind sie wesentlich seltener; die zeitliche Stellung ist dieselbe wie bei uns. (Wenn Splieth, Inventar Nr. 159, die Form zur Periode IV rechnet, so liegt wohl, wie die sicher zu III gehörende Nadel Nr. 157 des einzigen dortigen Gesammtfundes zeigt, ein Mißverständniß vor.) -

Armring Armring
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Die Verzierung mit Spitzovalen ist sicher nicht nordisch, sondern, wie so vieles, mit süddeutsch=österreichischen Formen zu uns gekommen. In Bayern gehören ähnliche Ringe (mit Endstollen) nach Naue in dessen "ältere" Bronzezeit (vgl. Bronzezeit in Oberbayern S. 192), für Ungarn rechnet sie Reinecke in seine Periode III (Arch. Ert. 1899, S. 247, Fig. 13); über Funde zwischen Bayern und Ungarn vgl. Hein, Mitth. d. anthrop. Ges. in Wien 28 (1898) S. 54; zahlreiche Beispiele auch in Pič aus Hügelgräbern derselben Periode.

5. Der Rest eines kleinen Fingerringes, zwei Stücke, verbogen und mit Rissen, als ob sie im Feuer gewesen waren. In der kleinen Schachtel, wo Peitzner sie verwahrte, liegt ein Stück zerbrannter Menschenknochen. Sehr wahrscheinlich werden also die Pogresser Gräber zum Theil Leichenbrand enthalten haben.

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Kegelgrab von Wittenburg. Nr. 8.
(Katalog=Nummer Br. 549-552.)

Südlich und südwestlich von Wittenburg lagen in früheren Jahren eine größere Anzahl bronzezeitlicher Gräber: ein offenbar einem Grabe entstammendes Bronzeschwert von hier ist bereits 1837 in die Vereinssammlung gekommen (vergl. Jahrb. 3 B, S. 78), ein Grab von etwa 1,8 m Höhe und 14,5 m Durchmesser hat Ritter 1838 aufgegraben und darin drei Grabsetzungen ohne Inhalt gefunden (Jahrb. 4 B, S. 28), sechs weitere dann 1839 (Jahrb. 5 B, S. 58); diese gehören offenbar verschiedenen Zeiten an und haben eine, im Verhältniß zu der Größe der Hügel nur geringe Ausbeute an Bronzen der Periode M. III und an Urnen der jüngeren Bronzezeit ergeben. Die Stellen mehrerer stark niedergeackerter Gräber, zu denen vielleicht die von Ritter untersuchten gehören, sind noch jetzt erkennbar.

Die Kenntniß eines bisher nicht untersuchten Grabes verdanken wir Herrn Oekonom Dittmann in Wittenburg. 1 km südlich vom Schützenhause, links von einem in den Wellbusch führenden Wege, liegt auf ebenem sandigen Acker eine weithin sichtbare Erhebung, der "Gelbe Berg". Beim Ackern stieß man hier auf Steine, die entfernt werden sollten und in denen Dittmann mit Recht die Umfassungssteine eines Grabes vermuthete. Dieses ist dann am 5. Juni 1900 ausgegraben. Die Steine waren Blöcke von etwa 1 m Höhe und bildeten eine zusammenhängende Mauer, deren Fugen mit kleineren Steinen und Keilsteinen geschlossen waren, so künstlich, wie ich es bisher noch nirgends zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Durchmesser der

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Mauer betrug 23 m ostwestlich und 20,5 m nordsüdlich. Der dazwischen befindliche Erdmantel (sandiger Boden) war noch 2 m hoch, ursprünglich sicherlich beträchtlich höher, so daß wir hier ein Grab von den Ausmessungen derer von Radelübbe, Brahlstorf, Blengow u. s. w. vor uns haben. Der Urboden wurde in 1 m Tiefe erreicht, also war auch dieses Grab, wie so viele andere (vergl. oben S. 93 Upahl) durch Aufhöhung des natürlichen Bodens gebildet. In dem aufgetragenen Boden fanden sich einige Scherben und zwei Brandstellen, Reste des üblichen Ceremonialfeuers. Auf dem Urboden waren folgende Grabstellen:

I. Ziemlich in der Mitte des Hügels Steinsetzung von etwa 1,5 m Länge und 0,50 m Breite bestehend aus aufrecht stehenden kleinen Randsteinen und darüber gehäuften Decksteinen. Darin zerbrannte Knochen in geringer Anzahl, zum Theil grün gefärbt ganz geringfügige Bronzereste, ein kleines steinernes Messer und eine sehr einfache steinerne Pfeilspitze.

II.-IV. Die anderen drei lagen neben einander im nordöstlichen Theile des Grabes; sie schlossen sich so einander an, daß sie im Allgemeinen der Rundung der Abschlußmauer folgten, etwa 5 m von dieser entfernt. Der Bau war der gleiche: rahmenartige Steinsetzungen von 2 m Länge und 1,70 m Breite, gebildet durch flache Steinplatten von durchschnittlich 25 cm Höhe, überdeckt mit kleinen Steinhaufen, darin fand sich schwarze Erde, offenbar von Brandstellen, aber keine Spur des Beerdigten, der vollständig vergangen war. Wir werden eine ähnliche Grabanlage unten S. 106 bei Brahlstorf bekommen. Der ganze westliche Theil des Hügels war leer, wie wir es schon bei Radelübbe bemerkten.

Die Ausbeute des Grabes ist also eine sehr geringfügige, wie bei mehreren der von Ritter in derselben Gegend ausgegrabenen und gleich gebauten. Wo diese Inhalt hatten, gehörten sie der Periode M. III an. Vermuthlich wird auch das unsere dahin zu stellen sein.

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Kegelgrab von Brahlstorf (bei Boizenburg).
(Katalog=Nummer Br. 234.)

Aeltere Berichte reden von einer größeren Anzahl von Hügelgräbern, die in einer Reihe auf einer Hügelkette von Brahlstorf bis Melkof sich hinziehen (Jahrb. 5 B S. 107). Größere und kleinere wechselten. In diesen Hügeln sind die ersten Ausgrabungen gemacht, von denen wir etwas genauere

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Kunde haben und von denen Ergebnisse bewahrt sind. Hier grub nämlich im Auftrage des Herzogs Christian Ludwig (1747-1756) der fürstliche Leibmedikus Hornhardt, dessen Sammlung 1759 an den Erbprinzen Friedrich ausgeliefert wurde und den Kern der jetzigen Großherzoglichen Alterthümersammlung bildet. Als aus Brahlstorf stammend sind in dem alten Kataloge verzeichnet (vgl. Friderico-Francisceum Text S. 3 und S. 55):

1. Eine Dolchklinge mit hohem Mittelgrate und zwei Nieten, die wir anbei abbilden, da wir die Form wiederholt (vgl. unten bei Goldenitz S. 108) zu erwähnen haben werden.

Dolchklinge

2. Eine Fibel (erhalten ein Theil des Bügels, zwei Spiralscheiben, Nadel), von der hier zu Lande häufigen, sonst seltenen Form der größeren Spiralfibeln mit länglichem flachen Bügel und Kreuzbalken an der Nadelendigung; abgebildet Frid.-Franc. XI, 2. Es ist eine Charakterform der Periode M. III in Meklenburg, die uns unten bei Retzow (S. 119) und Karow (?) wieder begegnen wird; ähnliche, aber größere Stücke z. B. in den berühmten Kegelgräbern von Alt=Sammit und Friedrichsruhe.

3. Ein Halsring, gewunden, an den Enden sich verbreiternd mit ineinander greifenden, in Spiralen endigenden Haken; abgebildet Frid.-Franc. X, 1, vgl. Text S. 118.

Offenbar sind diese Stücke nicht demselben Grabe entnommen; die Dolchklinge und die Fibel sind zu einander passende Stücke der älteren Bronzezeit (M. III); der Halsring aber gehört zweifellos einer viel jüngeren Zeit an (M. V. vgl. Tidsbest. 114), wie die Zusammensetzung zahlreicher Funde auch auf unserem Boden zeigt, vgl. Jahrb. 61, S. 230. Es hat das ja auch nichts Befremdendes, da ausdrücklich erwähnt wird, daß größere Hügel (also im Charakter der älteren Bronzezeit) und kleinere (also im Charakter der jüngeren) auf dem Gebiete, wo die Ausgrabungen stattgefunden haben, mit einander wechselten. 1 )

Erhalten sind zur Zeit auf dem Brahlstorfer Felde noch zwei


1) Doch mag, da solche Ringe in Gräbern sonst nicht gefunden werden, nicht unerwähnt bleiben, daß auf dem benachbarten Düssiner Gebiet, wo Hornhardt auch gegraben zu haben scheint, später ein Hängegefäß gefunden ist, welches derselben Zeit (M. V) angehört wie der Halsring; vgl. Jahrb. 37, S. 204, und Jahrb. 61, S. 224.
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Hügel, die den Namen "Beierberge" führen. Es knüpft sich an sie die Sage, daß in ihnen Gnomen ("Unterirdische") gehaust hätten, die aber zu einer Zeit ausgewandert ("über die Elbe gegangen") wären. Der Name enthält vermuthlich den Stamm "beiern" = "mit der Glocke anschlagen" und weist auf eine Sage von unterirdischem Glockenlauten, wie sie sich häufig an Grabhügel knüpft und auch, wo die Sage vergessen ist, oft noch im Namen (z. B. Glockenberg) weiter lebt. Der eine Hügel liegt an der Düssiner Scheide links vom Wege dahin und ist wohlerhalten; ihm gegenüber auf Düssiner Gebiet ein fast ganz gleicher; der andere liegt in einem kleinen Tannenbestande, nordöstlich vom Orte auf etwas ansteigendem Terrain. Dieser Hügel ist ganz aus Sand aufgetragen und mit Kaninchenröhren durchsetzt. In dem aufgeworfenen Sande einer solchen fanden Angehörige der gräflich Oeynhausenschen Familie vor einigen Jahren eine bronzene Pincette.

Pincette

Diese hat eine schöne helle Patina; die Zwingen sind verhältnißmäßig breit und greifen unten in einander; auf jeder Seite sechs getriebene Buckel; Länge 8, Breite unten 3,5 cm. Das Stück ist ungewöhnlich groß. Nach S. Müller 86, 87 gehört die Form Mannesgräbern aus dem jüngeren Abschnitt der älteren Bronzezeit an, womit, wie wir sehen werden, der Befund unseres Grabes durchaus stimmt. Häufig sind Pincetten in dieser Periode noch nicht (vgl. Naue S. 118), während sie in der folgenden zu dem fast regelmäßigen Grabinventar gehören. Doch haben wir immerhin einige, so aus älteren bronzezeitlichen Gräbern von Toddin, Lüssow, Friedrichsruhe (vgl. Frid. Franc. XIX, 5 und 6; in dem Exemplar von Friedrichsruhe scheint doch ein von S. Müller 18 vermißter Uebergangstypus von den Pincetten der Periode. M. II zu denen von M. III zu stecken); auch Splieth (94) und Montelius (57) setzen sie in M. III.

Ich habe darauf am 30. September 1901 den Hügel durchgraben. Es ergab sich, daß er aus Sand besteht, während der Grund kiesig ist. Der Hügel bildete eine ziemlich unregelmäßige halbrunde Kuppe von 3 m Achsenhöhe und 18 m Durchmesser. Gefunden sind darin drei Grabanlagen:

Grab I. Rahmenartige Steinsetzung; die Nordwestecke 1,6 m vom Mittelpunkte südlich, 1 m über dem Urboden, 1,80 m lang (ostwestlich), 1 m breit, am Westende größere Steine (bis 30 cm), sonst kleinere Geschiebesteine. Darin war eine Brandschicht, die noch unter der Steinsetzung bis auf den Urboden ging.

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Grab II. Damm größerer Steine, 4,5 m nördlich vom Mittelpunkte mit der Südostecke, 1 Meter über dem Urboden, darunter eine Brandschicht, und unter dieser ein Steinrahmen mit Steindamm von 2,30 und 1,10 m. Auf dem Pflaster war deutlich erkennbar die Lage eines Leichnams, allerdings in so geringfügigen Spuren, daß näheres nicht zu bestimmen ist, und Holzreste, wohl von einem Sarge stammend; außerdem Bronzespuren.

Grab III. An II nach Westen anschließend, ähnlich gebaut, aber einfacher; genauere Maaße waren wegen der Störung der Steinsetzung durch die Kaninchen nicht zu nehmen. Auch hier zeigten sich Spuren eines beerdigten Leichnams.

Außerdem fand sich im nordöstlichen Theile eine starke, bis auf den Urboden gehende Brandschicht.

Die Anlage der Gräber erinnert an die von Alt=Meteln, Sarmstorf und andere, die dem Ende der älteren Bronzeperiode entstammen. Während aber dort schon Leichenbrand herrscht, ist in Brahlstorf noch beerdigt. Die Brandspuren in den Gräbern stammen wohl von Feuern, die vor der Beisetzung hier abgebrannt sind. Wir werden analogen Erscheinungen noch mehrfach begegnen.

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Kegelgrab von Goldenitz (bei Lübtheen).
(Katalog=Nummer Br. 469-471.)

In dem Tannengehölz zwischen dem Gute, der Bahnlinie und der Scheide von Pritzier befinden sich mehrere Hügel, die man für künstliche Auftragungen halten kann. Einer derselben, welcher nahe dem Hofe am Ende des Gehölzes lag, ist beim Sandfahren allmählich zerstört, und es sind ihm, ohne daß auf die Fundverhältnisse näher geachtet wäre, mehrere Bronzen entnommen, die Herr Rittmeister von Könemann auf Goldenitz im Juni 1898 der Großherzoglichen Sammlung übergeben hat. Die Patina ist dunkel, körnig und geht ziemlich tief; der Metallkern hat, wie oft bei alten Bronzen, eine röthliche Färbung angenommen.

Es sind:

1. Ein Schwert mit platter Griffzunge und flach gewölbter Klinge. Die Griffzunge, wie üblich mit leicht erhöhten Rändern und drei Nietlöchern in der Mitte, je einem an der Seite, ist 7 cm lang, die Klinge jetzt noch 21 cm, der untere Theil ist abgebrochen.

2. Ein Schwert mit breiter Griffangel und flach gewölbter Klinge. An der Griffangel sitzt noch der Knauf des Griffes, bestehend aus einer flachen, unregelmäßig vierseitigen Platte, die

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in der Mitte in einem niedrigen Knopfe schließt; die Platte ist verziert durch ein Saumband mit leichten Stricheln und acht symmetrisch vertheilte, kleine konzentrische Doppelkreise mit Mittelpunkt; unter der Platte ein leicht erhöhtes Band mit Stricheln, nach unten gerichtete Lappen und zwei, durch Rinnen getrennte Bänder mit Stricheln, die im stumpfen Winkel zusammenstoßen (Tannenwedelverzierung). Die Klinge hat in der Mitte eine flachrundliche Erhöhung, die mit Parallellinien abgefaßt ist. Die Länge beträgt jetzt noch 32 cm, ursprünglich 55 bis 60 cm.

3. Eine Dolchklinge; der Mittelgrat flach gewölbt, oben halbrund abschließend, mit zwei Nietlöchern. Länge 16, Breite 3 cm.

Die Geräthformen sind die wohlbekannten unserer älteren Bronzezeit; das erste Schwert ist der Typus S. Müller 34 das zweite 90, die Dolchklinge 22. Daß das Grab einem jüngeren Abschnitt der Periode angehört (Montelius III) ergiebt die entwickeltere Form des Knaufes an dem zweiten Schwerte, an dem die ursprünglichen Spiralen schon zu Kreisen und die ovale Platte zum Rhombus geworden ist (vergl. Montelius, Compte rende du congrès de Stockholm 1876, S. 887, Figur 6, s. auch Splieth, a. a. O. 78 und 80 a). In unserer Sammlung befinden sich noch sieben Schwerter dieses Typus aus Grabfunden und zwar gerade in einigen der bekanntesten aus dem späteren Abschnitt der älteren Bronzezeit (Friedrichsruher Glockenberg, Dabel, Peckatel, Brunstorf) vergl. auch unten S. 113 Ruthenbeck und Roggow. Ein besonders schönes Exemplar wird unten S. 169 abgebildet werden. Sie gehören unsern schönsten und bekanntesten Gräbern an und stellen den Höhepunkt unserer entwickelten Bronzezeit dar.

Weniger charakteristisch sind die Griffzungenschwerter, von denen in unserer Sammlung ungefähr 50 aus Gesammtfunden sich finden, alle der älteren Periode der Bronzezeit angehörend, aber überwiegend dem jüngeren Abschnitt. Wir werden sie im Weiteren noch bei Retzow, Karow, Loiz, Roggow (Abbildung siehe dort), Blengow, Stülow und Stubbendorf zu besprechen haben und zwar überall, wo die zeitliche Stellung nachweisbar ist aus M. III.

Anders ist das zeitliche Verhältniß der Dolchklingen. Klingen der besprochenen Art sind in älteren Veröffentlichungen gewöhnlich als "Lanzenspitzen" bezeichnet; daß es sich in der That um Dolche handelt, ergiebt sich aus zahlreichen Fällen, wo die Schäftung oder auch die Scheide erhalten ist; so in Meklenburg in dem unten zu besprechenden Kegelgrabe von Stülow; aus

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Dänemark s. z. B. Sophus Müller a. a. O., Abb. 26; aus Bayern Naue, S. 68 flgd.

Daß die Grundform dieser Klingen in die ältesten Abschnitte der nordischen Bronzezeit hinaufreicht, ergeben die ganz alten, an den Anfang unserer Bronzezeit zu stellenden "triangulären" Dolche, von denen mehrere, hier in Meklenburg die von Malchin, Prieschendorf und Waren (vergl. Vorgeschichte S. 35, Abb. 56, Montelius, Chronologie der ältesten Bronzezeit S. 49, Abb. 134 und 137) die breite Mittelrippe haben, ebenso wie die Klingen der gleichzeitigen "Kommandostäbe", z. B. Müllers Nordische Alterthumskunde I, S. 310. Montelius hat demnach in seiner Tidsbestämning alle diese Klingen seiner ersten Periode zugeschrieben. Ein dem Goldenitzer entsprechendes Stück ist dort unter Fig. 6 abgebildet. Auch Splieth (Inventar der Bronzealterfunde), der sich völlig an Montelius anschließt, bildet sie nur bei der ersten Periode ab (Tafel I); ein dem unsern ganz entsprechendes fehlt. Aus den Verzeichnissen S. 30 und 48 ergiebt sich aber, daß sie dort in der zweiten Periode noch häufig sind, in der dritten aber, allerdings mit der einen Ausnahme des interessanten sichtlich unsern Friedrichsruher Gräbern gleichzeitigen Grabes von Uelsby (Mitth. d. anth. Ver. in Schlesw.=Holst. 1900), fehlen. Auch in Dänemark scheinen sie im Wesentlichen in Sophus Müllers "älteren Abschnitt der älteren Bronzezeit", also M. II, zu gehören (vergl. das Verzeichniß Aarbøger 1891, S. 194 flgd.).

Dem gegenüber ist es doch bemerkenswerth, daß in Meklenburg die besprochene Dolchform in Gräbern M. III durchaus nicht selten ist; es seien nur erwähnt Grabfunde von Püttelkow, Wittenmoor, Friedrichsruhe, Zachow, und von den hier besprochenen die von Brahlstorf, (s. oben S. 105, allerdings wie auch die andern mit schärferem Mittelgrate als das Goldenitzer Stück), Retzow, Liepen. Und auch in den südlichen Bronzegebieten reicht die Form in eine jüngere Zeit hinein; so rechnet sie Naue für Oberbayern in seine jüngere Bronzezeit, die dem Ende unserer älteren entspricht (sein Typus IV. Naue S. 79), und in der Schweiz soll sie gar in die der nordischen vierten Periode entsprechende "Pfahlbauzeit" reichen (Heierli Urgeschichte der Schweiz, S. 214 und 266).

Es scheint demnach der Gebrauch des Dolches in Meklenburg ebenso wie in Süddeutschland in eine (absolut) jüngere Zeit zu reichen als im weiteren Norden.

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Kegelgrab von Peckatel (bei Schwerin) Nr. 3.
(Katalog=Nummer Br. 315-317.)

Auf der Feldmark von Peckatel, welche in zwei Hügeln die weitbekannten Grabfunde des Kesselwagens u. s. w. ergeben hat vgl. Jahrb. 9, S. 369 flgd. und 11, S. 366 flgd.), ist beim Bahnbau Ende der achtziger Jahre ein Hügel durchschnitten, der ebenfalls eine Grabanlage enthüllte. Die Gegenstände sind 1890 von der Großherzoglichen Eisenbahn=Direktion dem Großherzoglichen Museum übergeben.

I. Eine Urne groß, hellbraun, am unteren Theile rauh, oben mit glattem Ueberzug; von breiter Standfläche ausgebaucht, mit starkem Bauchwulst, dann zu einem hohen Halse sich allmählich verjüngend. Höhe 32, Durchmesser oben 20,5, unten 14, größter Umfang (13 cm von unten) 96 cm. Es ist eine bei den Ossuarien der jüngeren Bronzezeit häufige Form, die in altbronzezeitlichen Gräbern noch nicht vorgekommen ist; und es ist daher wahrscheinlich, daß das Gefäß einer Nachbestattung jüngerer Zeit entstammt, wie sicher auch die ähnlich geformten von Hallalit (vergleiche unten S. 160).

2. Eine Handberge, in drei Theile zerbrochen, schön, groß, von der gewöhnlichen Form. (Das nebenbei abgebildete Stück stammt von Alt=Sammit, vgl. Jahrb. 12, S. 408, es ist das schönste in der Sammlung erhaltene.) Die Spiralscheiben haben 10 cm Durchmesser. Ein Röhrenknochen steckt noch in der Windung.

Handberge

"Handbergen" sind bekanntlich die auffallendste Charakterform der meklenburgischen entwickelten Bronzezeit, hervorgegangen aus südlichen Ringen mit Spiralwindungen durch eine sehr starke Vergrößerung dieser Endigungen. Ich zähle in unserer Sammlung 47 Exemplare aus

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Gräbern, zu denen noch 7 aus Moorfunden und annähernd 12 uncharakterisirbare Einzelfunde kommen, und die Verzierungsart ist, abgesehen von sehr wenigen unverzierten, sehr gleichförmig, überall gleich der der Handringe von Retzow (abgebildet unten S. 119) u. s. w. Wir werden im Folgenden sie bei Dabel, Boldebuck, Ganschow, Liepen, Kargow, Stülow stets unter denselben Erscheinungen zu besprechen haben. Nur bei dreien, denen von Teterow (Jahrb. 26, S. 137), Boizenburg (Jahrb. 20, S. 283) und Liepen (unten S. 156), haben wir ein anderes Ornament in der Art der Handringe, wie oben bei Perlin, S. 99, einer abgebildet ist. Auf einen zeitlichen Unterschied ist darum aber nicht zu schließen. Wohl aber scheinen einige Exemplare mit breitem flachen Bügel (z. B. von Vogelsang und Güstrow) einer jüngeren Periode, etwa M. IV, anzugehören.

Der (wahrscheinlich weibliche) Leichnam ist also beerdigt, mit seinem Schmucke beigesetzt.

Das Grab gehört sicher derselben Zeit an wie die anderen von Peckatel (M. III).

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Kegelgräber von Ruthenbeck (bei Crivitz).
(Katalog=Nummer 4521. Br. 318, 319, 351-354, 407, 408.)

Oestlich vom Dorfe Ruthenbeck nahe der Scheide zu Gut Ruthenbeck und Friedrichsruhe fanden sich eine größere Anzahl Hügel, die immer weiter niedergeackert sind und in denen man schließlich auf Steinhäufungen stieß, die Gräber bargen. In mehreren sind Bronzegegenstände gefunden, von denen die Mehrzahl achtlos verworfen wurden, einige aber von den Findern an das Großherzogliche Amt in Crivitz abgegeben und so in die Sammlung gelangt sind, andere von den Herren Lehrern Linshöft in Ruthenbeck und Wildhagen in Stubbendorf, unserm langjährigen Freunde, dessen früheres, durch sehr glückliche Funde bekannt gewordenes Arbeitsgebiet Friedrichsruhe an Ruthenbeck grenzt, geborgen wurden.

Ich habe im Herbst 1893 die Fundstellen besucht, fand sie aber schon zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Grundflächen der Hügel waren noch erkennbar, sie waren kleiner als bei den meisten Kegelgräbern, höchstens 8 m Durchmesser; auch scheinen die Hügel keine bedeutende Höhe gehabt zu haben. Ueber die innere Einrichtung der Gräber ist nichts beobachtet; Thongefäße sind überall gefunden, aber nichts bewahrt.

Die eingesandten Bronzen zeigen keine Spur von Leichenbrand, doch werden wir darauf hier so wenig wie bei den nächsten

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Gewicht legen. In den benachbarten Gräbern von Friedrichsruhe überwiegt übrigens die Beerdigung.

Grab 1.

Lanzenspitze, zerbrochen; flach ausgebogene, ziemlich tief sitzende Flügel, scharfer Mittelgrat, zwei umlaufende Ringe an dem Schaftloch, zwei seitliche Löcher. In der Schaftöffnung sitzt noch jetzt das Holz des Schaftes. Länge noch 10 cm, Oeffnung des Schaftlochs 2 cm. Der schlechte Erhaltungszustand ermöglicht eine Einreihung in die Formenreihe der Lanzenspitzen nicht; am nächsten scheint das Stück dem Typus Montelius 29 = S. Müller 159, gehörend in M. II, zu kommen; wenigstens stimmt es, soweit es erkennbar ist, genau mit dem nebenstehend abgebildeten Exemplar von Radepohl bei Crivitz überein (K.=N. 684; vgl. Jahrb. 5 B S. 65, gefunden mit einem gleichen in einer Mergelgrube). Lanzenspitzen in Gräbern sind bei uns ungewöhnlich, doch haben wir sie z. B. in Friedrichsruhe (Frid.-Franc. S. 50, abgebildet VIII 6, J. 47, S. 285), Toddin (Frid. Franc. S. 54), Retzow (unten S. 121) und Tarnow.

Lanzenspitze

Grab 2 (Büdneracker 5).

1. Zwei Reste eines Halsringes mit Schrägkerben (nachgeahmte Torsion).

2. Handring, dünn, fein, nach beiden Seiten leicht gewölbt; verziert mit Streifen leichter Vertikalstriche, zwischen denen unverzierte Stellen; etwas verbogen. Durchmesser jetzt 5 cm, Höhe 0,5 cm. Ein sehr ähnliches Stück haben wir aus Kegelgräbern von Steinbeck.

Grab 3 (Büdneracker 6).

1. Drei Reste eines Halsringes, ganz gleich denen des zweiten Grabes; die Enden bestehen aus ineinander greifenden Haken.

2. Fünf Reste eines gedrehten Halsringes, dünner als der vorige.

3. Reste einer sehr zarten Fibel: zwei Spiralplatten von 1 cm Durchmesser; Nadelkopf mit 2 Schrägbalken, sicher von der Form der Fibel von Krassow, über die oben (Alt=Meteln S. 95) gesprochen ist.

4. Ein Klumpen zusammengerosteter Spiralröhrchen, wie

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sie mit durchgezogenem Bande und Hängezierathen als Halsschmuck dienten; vgl. unten bei Gelegenheit des Grabes von Hallalit.

Grab 4.

1. Der Knauf eines Schwertes, flach, rhombisch mit abgestumpften Ecken, mit kleiner länglicher Spitze, verziert mit sechs gegossenen Spiralen. Es ist die von Montelius, Compte rendu S. 887, 6 besprochene Form (vgl. bei Goldenitz S. 109), die der dritten Periode angehört und verwandt (wohl etwas älter) ist mit dem Typus des Schwertes von Walow (unten S. 169).

2. Rest eines Dolches mit spitz abschließender Griffzunge und drei pflockartigen Nieten, flacher Mittelgrat mit zwei Seitenlinien. Analoga s. oben bei Pogreß S. 102.

Die zeitliche Stellung der Gräber als zu M. III gehörend ist also gesichert.

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Kegelgräber von Friedrichsruhe (bei Crivitz).
(Katalog=Nummer Br. 161-163, 263.)

Im Verlaufe unserer Darstellung werden wir sehr oft die 1880 bis 1882 ausgegrabenen Kegelgräber von Friedrichsruhe zu erwähnen haben, die durch den Reichthum ihrer Funde fast die wichtigsten unserer bronzezeitlichen Grabfunde geworden sind. Grab 1-12 ist Jahrb. 47, S. 257 flgd. besprochen. Ein kleiner Nachtrag mag hier folgen.

Grab 13.

Auf dem Acker des Erbpächters Thießen II sind beim Wegräumen eines Steinhügels, offenbar also in einem niedergeackerten Kegelgrabe gefunden und 1884 eingeliefert:

1. Zwei goldene Spiralfingerringe aus Doppeldraht von der gewöhnlichen Form, jeder 8,5 Gramm schwer, von 5 1/2 und 4 Windungen und 2 cm Durchmesser.

Spiralfingerring

2. 21 durchbohrte Bernsteinperlen, flach, mit gleichmäßig gewölbten, in scharfen Kanten zusammenstoßenden Seiten.

3. Ein Nadelkopf, rund, 0,75 cm Durchmesser. Wahrscheinlich von einer Nadel wie die aus dem Kannensberge Grab C a. a. O. S. 266 Nr. 3. Die Form, wahrscheinlich sogar die Stücke, ist sicher aus dem Süden importirt, ähnlich den großen Nadeln, von denen unten S. 145 bei Boldebuck zu sprechen sein wird. Für Ungarn bildet Reinecke, S. 245, 3 ein Exemplar als der

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dritten Periode gehörend ab, Naue, S. 165, bespricht sie als seiner jüngeren Bronzezeit angehörend; ähnliche bei Pič mehrfach, z. B. 8, 8.

Ueber die Art der Bestattung ist nichts beobachtet.

Grab 14. (?)

Im Jahre 1890 ist beim Pflügen eine Nadel gefunden und von Herrn Oekonomierath Schwieger eingesandt. Ueber die Fundverhältnisse ist nichts Näheres bekannt geworden, und es muß daher zweifelhaft bleiben, ob sie zu den Kegelgräberfunden zu rechnen ist, zumal sie durch Patina und auch Form sich von diesen etwa unterscheidet. Die Nadel hat eine helle, schwache Patina, ist sehr zierlich, hat einen flachen, eingeschnürten Kopf und darunter schräg um den Hals laufende Windungen, Länge 9,5 cm. Diese zierlichen "Vasenkopfnadeln" (vgl. Naue, S. 174) erinnern an gewisse zarte Nadeln unserer jüngeren Bronzezeit (Jahrb. 51, Tafel II), scheinen doch aber im Süden einer etwas älteren Zeit anzugehören, so daß eine Zusammengehörigkeit mit den anderen Friedrichsruher Funden nicht ausgeschlossen wäre.

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Grabfund von Granzin (bei Lübz).
(Katalog=Nummer 480, 481.)

In der Sammlung des verstorbenen Herrn Paul Langermann, welche im Dezember 1898 als Schenkung des Herrn Amtsanwalt Langermann in Hagenow in das Großherzogliche Museum gelangt ist (vergl. Jahrb. 64, S. 161) befanden sich auch, in einem Kasten zusammengelegt, die hier zu besprechenden Stücke. Ein Fundort war nicht angegeben. Da sich aber in einem Briefe Langermanns an mich die gelegentliche Bemerkung findet: "auch aus Granzin habe ich einen schönen Grabfund mit Bronzen bekommen", andere unbezeichnete Bronzen aber in der Sammlung nicht vorhanden waren, halte ich mich für berechtigt, die Sachen unter der obigen Ueberschrift zu behandeln. Eine innere Unwahrscheinlichkeit der Zuweisung nach Granzin liegt nicht vor. Kegelgräber bei Granzin werden schon Friderio-Francisceum S. 79 erwähnt und sind noch jetzt vorhanden, und auch aus einer jüngeren Periode der Bronzezeit stammen von hier hervorragende Funde ("Italische" Eimer, Jahrb. 47, S. 288; ein goldener "Eidring", Jahrb. 61, S. 217). Auch entsprechen die Stücke solchen, die in dem nicht weit entfernten Friedrichsruhe gefunden sind.

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Es sind:

1. Bruchstücke eines getriebenen Bronzegefäßes in Tassenform, unverziert, mit leicht nach außen gebogenem Rande und eingezogenem Boden, ganz wie das Gefäß aus dem Glockenberge von Friedrichsruhe (Jahrb. 47, Tafel VI, Fig. 10, Text S. 273). Mit den bei der Besprechung dieses Stückes aufgezählten von Ruchow, Peckatel und Weisin ist es das vierte seiner Art.

2. Rest einer bronzenen Nadel, 2 1/4 cm lang; die ursprüngliche Form ist unbestimmbar.

3. Eine steinerne Pfeilspitze mit Einkerbung, annähernd 4 cm lang, ganz wie die von Friedrichsruhe (a. a. O. S. 261 u.s.w.). Zu den dort aufgezählten Fundorten steinerner Pfeilspitzen in bronzezeitlichen Gräbern (Friedrichsruhe, Pölitz, Dabel, Slate, Brunstorf, vergl. auch unten S. 123 bei Retzow) kommt noch außer unserem Stück ein Grabfund von Loiz (unten S. 135). Alle diese Funde gehören in M. III. Gewöhnlich kommen die steinernen Pfeilspitzen zusammen mit Schwertern vor; wahrscheinlich stand auch das Granziner Gefäß wie das des Glockenberges zu Füßen des Beerdigten. Ist also unsere Zuweisung richtig, so haben wir es hier mit einem schönen Grabe der dritten Periode zu thun.

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Kegelgrab von Tessenow (bei Parchim).
(Katalog=Nummer Br. 208.)

Ueber eine größere Anzahl von Fundstücken aus niedrigen Kegelgräbern, welche bei Tessenow im Laufe der Jahre allmählich zerstört sind, ist bereits in den Jahrbüchern 48, S. 314 flgd. berichtet worden. Die Niederackerung der Grabhügel ist in der Folgezeit weiter gegangen, und bei der Gelegenheit ist ein Bronzeschwert gefunden, welches 1889 der damalige Besitzer von Tessenow, Herr Senator Wallbrecht, der Großherzoglichen Sammlung als Geschenk übergeben hat.

Das Schwert zeigt eine helle, nicht tiefe Patina; es ist schlank und von einfacher, aber seltener Form. Die Klinge ist flach gewölbt, unter dem Griff leicht eingezogen und dann sich etwas verbreiternd. Der Griff wurde gehalten durch eine kurze, oben dünne Griffangel, die am obern Ende ein Loch hat; zwei andere Löcher befinden sich an den Seitenrändern der Klinge; eine Griffniete ist erhalten, unregelmäßig viereckig, mit flach gehämmerten Enden. Der Griff hatte, wie die verschiedene Farbe

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der Patina zeigt, einen halbrunden Ausschnitt. - Die ganze Länge betragt 55 cm, die Länge der Griffangel nur 4 cm, die Breite der Klinge 2,75 bis 3 cm; der Griffnagel ist verhältnißmäßig lang, 2 cm.

Die Schwertform ist ungewöhnlich. Durch Form und Länge der Klinge schließt es sich an die große Masse der Griffzungenschwerter aus dem jüngeren Abschnitte der älteren Bronzezeit an, wenn auch unser Stück etwas schmäler ist; Griffangeln mit Loch sind mir aber sonst aus nordischen Funden nicht bekannt. Das von Schumacher, Fundberichte aus Schwaben, Heft VII, Abb. 18 gegebene Stück ähnelt mehr den länglichen Schwertern jüngerer Zeit. Ob eine Verwandtschaft mit den schlanken (älteren) Myceneschwertern besteht, bleibe hier dahingestellt. Ueber die Form des Griffes läßt sich nichts bestimmen. Zeitlich wird kaum ein Unterschied von den bekannten Griffzungenschwertern sein, von denen auch ein Stück bei Tessenow gefunden ist, doch mag der Typus immerhin eine Art Uebergangsform von diesen zu den rappierförmigen, z. B. "Vorgeschichte von Meklenburg" S. 75, Abb. 111 dargestellten sein.

Ich habe, durch diesen Fund veranlaßt, am 29. September 1889 den Fundort besucht und eine Ausgrabung veranstaltet. Der Fundplatz ist ebener sandiger Acker und liegt nordöstlich vom Gute Tessenow, rechts von dem Wege nach dem Vorwerke Mühlenberg, nahe bei diesem. In dem flachen Gelände heben sich neun Erhöhungen ab, davon sechs als flache Bodenwellen, drei mit deutlich erkennbarer Hügelform. Die ersten sind, wie auch Gräben, die sie durchziehen, zeigen, die bereits untersuchten Gräber denen die früher (1882) in die Sammlung gekommenen Bronzen entstammen; einem der liieren war das Schwert entnommen. Alle Hügel waren aus gelbbraunem, reinem Sande aufgeschichtet und hoben sich schon durch ihre Färbung von dem weißgrauen, kiesigen Sande des ursprünglichen Bodens ab.

Die Ausgrabung hat sich auf den Hügel beschränkt, in dem das Schwert gefunden war. Dieser hatte noch eine Achsenhöhe von 1,40 m und auf dem Urboden einen Durchmesser von 12 m; der ursprüngliche Umfang läßt

Schwert
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sich nicht bestimmen, da die üblichen Umfassungssteine fehlten. Auf dem Grundboden standen zwei Steinschichtungen aus mittelgroßen Geschiebesteinen errichtet, genau rechteckig mit steilen Wandungen, die zum Theil sogar aus flachen, glatten Steinen (Sandsteinplatten) aufgesetzt waren. Die größere lag in der Mitte des Hügels und war 3 m lang, 2,30 m breit und 0,70 m hoch, mit nordwest=südöstlicher Richtung, die andere, näher dem östlichen Ende des Hügels zu und west=östlich gerichtet, zeigte 2,30 × 1 × 0,70 m. Zwischen den Steinen und unter ihnen auf dem Grunde fanden sich zerbrannte Knochen, Kohlenstückchen und Asche, aber verstreut und in geringer Menge. Zwischen den beiden Steinschichtungen in der Höhe der oberen Kante, etwas über 1/2 m unter der jetzigen Oberfläche lag ein größerer Haufe verbrannter Gebeine. Das Schwert hatte nicht auf einer dieser Steinschichtungen gelegen, sondern ist unmittelbar unter der Oberfläche, reichlich 1/2 m oberhalb der größeren Steinsetzung, etwas westlich von dem Mittelpunkte des Hügels gefunden.

Ein deutlich erkennbares Grab ist also in dem Hügel überhaupt nicht gefunden. Ob der Todte spurlos vergangen ist oder die Bestattung in einem der benachbarten Hügel stattgefunden hat, bleibe dahingestellt. Die beiden Steinsetzungen sind wohl als tischartige Erhöhungen, auf denen Ceremonien bei den Leichenfeiern stattfanden, aufzufassen. Erinnert sei an die beiden "Altäre" aus dem bekannten Grabe von Peckatel (Jahrb. 11, S. 369), die aus Lehm gebildet und höher waren, aber sonst den besprochenen glichen. Auch die zerbrannten Knochen zwischen den Steinsetzungen rühren wohl eher von Ceremonien her, als daß sie die Gebeine des Bestatteten darstellen, wenigstens kommt ähnliches oft vor, und eine so formlose Beisetzung der Leichenbrandreste wird sonst nicht geübt. Das Schwert an der Oberfläche ist dann wahrscheinlich eine Weihegabe, wie sie ja nicht selten in dem Mantel von Kegelgräbern sich findet. Die allgemeine zeitliche Zusammengehörigkeit des Schwertes mit den anderen Tessenower Altsachen (M. III) ergiebt sich schon aus dem völlig gleichen Erhaltungszustande.

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Kegelgräber von Dorf Retzow (bei Plau).
(Katalog=Nummer Br. 400-403.)

Die ebene Sandgegend an der Landesgrenze zwischen Lübz und Plau, das Land Ture (=Urstierland) der wendischen Zeit, bot noch vor wenigen Jahrzehnten ein ungemein reiches Bild

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vorgeschichtlicher Denkmäler. Hünengräber und zahlreiche stattliche Kegelgräber, die der Kultur entzogen, nur mit Haide bewachsen und so in ihrer Form trefflich erhalten waren, beherrschten auf der ebenen Fläche das Landschaftsbild. Eine Reihe von Jahren war hier das Arbeitsgebiet des trefflichen Pastor Ritter in Vietlübbe, dem wir eine Anzahl guter Ausgrabungen und Berichte verdanken; seitdem (1848) ist die Gegend für die meklenburgische Alterthumsforschung vergessen geblieben, und als wir vor einigen Jahren wieder einsetzten, war es zu spät. Die alten Denkmäler waren den gesteigerten modernen Wirthschafts= und Verkehrsansprüchen schonungslos zum Opfer gefallen.

Eine besondere Fülle bronzezeitlicher Denkmäler hatte bei Dorf Retzow gelegen. Zu Gruppen vereint standen hier eine große Anzahl größerer und kleinerer Grabhügel, die früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und zum Theil schon 1804 von Zinck untersucht worden sind; später hat hier Ritter gegraben. Einzelne verschwanden schon damals, da ihre Steine in der steinarmen Gegend eine willkommene Beute waren. Das Jahr des Verhängnisses wurde aber erst 1896, wo der Weg von Ganzlin nach Lübz chaussirt wurde. Die Hügel sind damals Steinbrechern ohne jede Cautel zur Ausbeutung, überlassen und diese haben ihr Zerstörungswerk gründlichst betrieben, ein Akt der Barbarei, der hoffentlich der letzte in seiner Art sein wird. Ich habe dann im Herbst 1896 die Stellen besichtigt, den Thatbestand aufgenommen und durch Ausgrabung zu retten gesucht, was noch zu retten war. Die ziemlich kümmerlichen Ergebnisse dieser Ausgrabungen seien im Folgenden mit der Besprechung der älteren Funde und Berichte verbunden.

Schwert

Ohne Angabe der genaueren Fundverhältnisse sind früher eingesandt:

1. 1826, ohne Fundbericht, aber doch sicher ebenso gut wie alle bezeichneten Retzower Bronzen aus einem Grabe, welches wir in Folgendem, um die alte Zählung in den Jahrbüchern beibehalten zu können, als Grab 8 bezeichnen sollen: Ein prächtiges Schwert, 53 cm lang, beschrieben Friderico-Francisceum XIV, 1, bei Gelegenheit des ähnlichen Schwertes von Lehsen,

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von diesem (beistehend nach Jahrb. 26, S. 146 u. s. abgebildeten) unterschieden dadurch, daß der Griff massiv ist und die Hohlräume zwischen den Spiralen aus kleinen Vertiefungen bestehen; die Zahl der (ornamentalen) Nietköpfe ist sechs. Man sieht allgemein (Montelius, Tidsbest. 24, Compte-rendu du congrès de Stockholm 1876 II, S. 886, S. Müller, Ordning 27, Splieth 36) in dieser Schwertform eine der ältesten auf nordischem Boden, und die Nachweise bei Müller und Splieth führen auf die zweite Monteliussche Periode.

2. 1837 als "beim Steinbrechen gefunden" (Jahrbuch 3 B, S. 68), bezeichnet als Grab 1: ein Armring der üblichen Form von spitzovalem Querschnitt; Verzierung unter der Patina nicht erkennbar;

zwei Handringe, innen flach, außen leicht gewölbt, verziert in der sehr häufigen Weise mit Schräglinien, beistehend abgebildet;

Armring Armring

eine Bronzefibel mit flachem, geradem Bügel(abgebildet untenstehend mit Ergänzungen), Spiralscheiben, Nadel mit zwei parallelen Balken; zerbrochen; die Form ist in Meklenburg nicht selten, wir haben sie z. B. aus Gräbern von Alt=Sammit, Friedrichsruhe und sonst, vgl. auch oben bei Brahlstorf, unten bei Karow, also Montelius III; es scheint aber eine uns eigenthümliche Form zu sein, deren einzelne Elemente in anderen Kombinationen in anderen Theilen des nordischen Bronzegebietes und darüber hinaus in Norddeutschland weit verbreitet sind. Vgl. z. B. Undsel, Etudes, S. 75. Typologische und stratigraphische Betrachtungen weisen sie gleichmäßig nach M. III.

Bronzefibel
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3. Ebenso 1839 (Jahrb. 5 B S. 64), bezeichnet als Grab 2: ein Celt, Flachcelt mit aufgehöhten Rändern und stark ausbiegender Schneide, 14 cm lang, von der beistehend wiederholten Grundform, die man allgemein der ältesten Periode der Bronzezeit zuzuschreiben gewöhnt ist;

Flachcelt

ein Handring, zerbrochen, gleich denen des vorigen Grabes.

4. 1843 (Jahrb. 9, S. 381), "unter einer Erhöhung gefunden", bezeichnet als Grab 3: ein Celt, gleich dem des vorigen Grabes, 10,5 cm lang; ein Armring scharfkantig, auf beiden Seiten flach gewölbt, sehr zart, verziert gleich den Handringen von Grab 1 und 2, nur 0,5 cm hoch;

zwei Windungen eines spiralförmig gewundenen Armringes.

Auffallend ist das Auftreten der Flachcelte, und ich würde sie für eine zufällige Beimengung halten, wenn sie nicht eben in zwei verschiedenen, zu verschiedenen Zeiten gemachten und von verschiedenen Leuten geborgenen Funden aufträten. Es muß doch auch bemerkt werden, daß wir noch mehrere Flachcelte haben, die nach den Berichten Gräbern entstammen sollen, Nachrichten, die man ja bei der Ungenauigkeit der älteren Ausgrabungen einer Systematik nicht zu Grunde legen, aber doch auch nicht einfach ignoriren darf; so von Marnitz (Frid.-Franc., Text S. 71, abgeb. XIII, 7) und Goehlen (Frid.-Franc., Text S. 53), wo ebenfalls eine Pincette ältester Form (Frid.-Franc. XIX, 3=S. Müller 18, Naue XVIII, 17) gefunden ist, die zeitlich sehr gut zu dem Flachcelt paßt. Auch in Pommern kommen diese in M. II vor (vgl. Schumann zu dem Depotfunde von Arnimshain in den Mitth. d. Uckermärkischen Museumsvereins I, 1, 1901, S. 4), und ebenso in gleichstufigen südlichen Gräbern, z. B. in Böhmen, vgl. Pič I, 3. Jedenfalls berechtigen sie uns, den Gräbern ein relativ hohes Alter zuzuschreiben, also M. II.

Grab 9:

Ein isolirter Hügel lag östlich vom Orte, etwa 500 m entfernt, rechts vom Wege nach Ganzlin auf dem zur Windmühle gehörenden Acker. Er war etwa 1 m hoch, umgeben von einem Steinkranze und bestand fast ganz aus Steinen. Als diesem Hügel 1896 Steine entnommen wurden, fand der Besitzer, Gastwirth Doll

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in Dorf Retzow, darin mehrere Bronzen von ausgezeichneter Erhaltung und schöner Patina, über deren Lagerung nichts Näheres beobachtet ist. Die Gegenstände, die in Dolls Besitz geblieben sind, sind folgende:

1. Eine Lanzenspitze mit durchgehender Schafttülle, von der die mittelhoch sitzenden Flügel scharf absetzen; zwei Löcher an den Seiten. Länge 14 cm, größte Breite 3,5 cm. Grundform Montelius 29, Splieth 42, dort zur zweiten Periode gerechnet; vergl. oben S. 112 bei Ruthenbeck.

2. Eine Nadel; der Kopf kolbenförmig verdickt und geriefelt; die Spitze fehlt; Länge noch 13,5 cm. Vergl. S. Müller 120, dort ist sie dem zweiten Abschnitte der älteren Bronzezeit zugeschrieben und als eingeführt betrachtet. (Aus Böhmen vergl. Pič 11, 22.) Ueber die meklenburgischen Stücke (bisher fünf, alle aus derselben Zeit, M. III, angehörenden Gräbern) vergl. Jahrb. 48, S. 317.

3. Ein Messer; sehr schön. Klinge gewölbt, Spitze nach unten; der Griff flach mit aufgehöhten Rändern und zwei Nietlöchern; der Griff in einem Ring schließend. An der Klinge unter dem Rücken verziert mit kleinen Halbkreislinien und Punkten, ganz gleich einem von Slate (Jahrb. 33, S. 129), ähnlich Naue 18,6. Länge 20 cm, Länge der Klinge 10 cm. Der Griff ist absichtlich verbogen. Schon in zwei Fällen sind gleichzeitigen meklenburgischen Gräbern (Alt=Sammit, Friedrichsruhe) ganz gleiche Messer, ebenfalls verbogen, entnommen (vergl. Jahrb. 47, S. 275), und merkwürdiger Weise findet sich die Sitte, diese Messer zu verbiegen, in weit entlegenen Ländern wieder; z. B. in dem auch sonst für uns wichtigen Grabe von Velka Dobra, Pič 6, 14.

4. Ein goldener Spiralring von 2 cm Durchmesser, mit 7 1/2 Windungen. Die Windung ist nicht gleichmäßig, sondern geht von der Mitte an nach der entgegengesetzten Seite.

Das Grab ist sicher M. III zuzuschreiben.

Hügelgruppe vor der Krim.

Nordwestlich vom Dorfe, etwa 800 m entfernt, am Wege nach der Krim links lagen zwei etwa 1 m hohe Hügel, anscheinend früher beträchtlich höher, wenigstens ist der eine für seine Höhe auffallend lang. Auch sie sind nach Steinen durchwühlt und dabei sind mehrere Bronzegegenstände gefunden; die meisten sind achtlos verworfen, nach den Angaben der Leute scheinen es Armringe und Tutuli gewesen zu sein; bewahrt sind einige Bronzen, die in den Besitz des Herrn Voß jun. in Lübz=

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Bauhof gelangt sind (Grab 10), und über welche dieser freundlichst berichtet hat:

1. Eine Lanzenspitze mit durchgehender Schaftrinne und ziemlich tief sitzenden Flügeln; Länge 16,5, größte Breite (7,5 cm von unten) 4 cm.

2. Ein Messer mit gebogener Klinge, die unter dem Rücken mit kleinen in Dreieck gesegten Schrägstreifen verziert ist, sonst ganz gleich dem Vorgeschichte S. 50 abgebildeten Messer von Dabel, der Griff besteht aus einer länglichen Rinne mit Randleisten, aber rund abschließenb. Eine Niete ist erhalten, 1,75 cm lang, oben kegelförmig, unten sich Zuspitzend. Länge 17 cm, Höhe 3cm. Die Griffform ist uns, und soweit ich sehe, dem ganzen Norden fremd (wir besitzen nur zwei gleiche Stücke, eins gefunden bei Kreien, nicht weit von Retzow, unter unsicheren Umständen, und eins aus den Gräbern von Tessenow, Br. 104)); es ist der von Naue, S. 102, Abb. 34, gegebene Typus, sehr ähnlich den Tafel XVII 2 und 3 gegebenen Stücken, dort der Uebergangszeit von der älteren zur jüngeren Bronzezeit angehörend, also unserem M. III.

3. Eine vierseitige kleine Stange, 9 cm lang, 0,4 cm dick.

4. Ein Handring mit Einkerbungen gleich dem unten S. 143 zu Boldebuck abgebildetem Stücke. Durchmesser 6 und 5,5 cm, Dicke 0,80 cm.

5. Ein geschlossener Ring mit rundlichem Querschnitt. Durchmesser 3, Dicke 0,9 cm.

Die Hügel scheinen die Reste einer Gruppe zu sein, die Ritter, Jahrb. 10, S. 278, erwähnt.

Ein damals abgetragener Hügel von etwa 0,75 m Höhe und 6 m Durchmesser ergab (bezeichnet als Grab Nr. 4): 1. eine "Speerspitze", richtiger Dolchklinge, ähnlich den oben schon mehrmals besprochenen Formen (Brahlstorf S. 105) mit halbrundem oberen Ende, zwei Nieten, scharf hervortretendem Mittelgrate, 12 cm lang, ursprünglich etwas länger. Es ist der Typus III von Naue (Bronzezeit S. 79, die auf Tafel XIII, 4 und XIV, 2 abgebildeten Stücke entsprechen dem unsern auch in der Größe); vgl. S. Müller 22, 26 (dort selten); angehörend wahrscheinlich im allgemeinen einem älteren Abschnitte der Periode.

2. Einen Spiralring, zerbrochen, innen scharf, außen scharfkantig, erhalten sind 5 Windungen; 6 cm Durchmesser. Zu zeitlichen Bestimmungen ist diese weit verbreitete Form nicht zu verwenden. (S. Müller, 55.)

Ueber die Bestattungsart sagt Ritter nichts; da Leichenbrandreste ihm schwerlich entgangen sein würden, ist Bestattung

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wahrscheinlicher. Ob das Grab in M II oder III zu setzen ist, bleibe dahingestellt.

Hügel bei der Krim.

Noch etwa 700 m weiter an dem Wege ebenfalls links lagen früher eine Anzahl Hügel (auf dem Meßtischblatt Meyenburg, welches auf einer Aufnahme von 1879 beruht, sind noch fünf verzeichnet). Erkennbar waren bei meiner Anwesenheit nur noch drei, gelegen auf der Hufe des Erbpächters Engel vor der Krim.

1. Großer, schöner, regelmäßig runder Hügel von etwa 2 m Achsenhöhe, zwecks Steingewinnung ganz durchwühlt; bronzene Ringe und Thongefäße sind gefunden, aber verworfen. Auch schon früher sind an den Rändern zahlreiche Bronzegegenstände zu Tage getreten.

2. Der Form nach gleich dem ersten, mit Buchen bestanden; auch schon durch Steinsucher etwas beschädigt, aber im wesentlichen erhalten. An den Rändern sind sehr viele Urnen gefunden und zerschlagen.

3. Regelmäßig runder Hügel von 1 m Achsenhöhe, halb schon entfernt.

Aus der Bemerkung von Ritter, Jahrb. 10, S. 278, geht hervor, daß hier schon Zinck gegraben hat. Im Friderico-Francisceum wird von einer Ausgrabung von Kegelgräbern bei Retzow nicht berichtet (über andere Hügelgräber vgl. unten S. 125), doch enthält die Schweriner Sammlung mehrere Bronzen aus der Zeit der Zinckschen Ausgrabungen (1804), die sicher nicht aus den Frid.-Franc. S. 71 berichteten Ausgrabungen stammen und daher mit großer Wahrscheinlichkeit hier aufzuführen sind; wir bezeichnen sie als Grab 11, es sind:

1. 2. Zwei bronzene Pfeilspitzen mit leicht gewölbten Flügeln, von 3,5 cm Länge; eine selten vorkommende Form.

Unter den nordischen Bronzen sind Pfeilspitzen sehr selten. S. Müller, Alterthumskunde I, S. 253, bemerkt, daß sie in Gräbern der älteren Bronzezeit ganz fehlen und schließt daraus, daß damals nur der Nahkampf, entsprechend der Kampfweise der Ilias, von eigentlicher Bedeutung gewesen wäre. Das stimmt noch für Schleswig=Holstein (Splieth a. a. O. S. 41 und 58), aber nicht mehr für Meklenburg. Hier kommen steinerne Pfeilspitzen in der dritten Periode verhältnißmäßig häufig vor. Die Nachweise sind oben S. 114 und unten S. 136 bei den Gräbern von Granzin und Loiz gegeben worden, und auch bronzene Pfeilspitzen finden sich z. B.

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in Peckatel und Friedrichsruhe. Es ist das wiederum ein Verhältniß, in dem sich Meklenburg mehr als die andern Provinzen des nordischen Bronzegebietes an südliche Bronzegediete anschließt. In Ungarn (Reineckes Periode II, s. A. E. S. 237, Fig. 5), Nieder=Oesterreich (Heger a. a. O. Fig. 17, 21, 22, vgl. S. 20 und 23; dort auch steinerne Pfeilspitze, Hörnes a. a. O. S. 76), Böhmen (Pič mehrfach, aber keine steinernen), Bayern (Naue S. 100), sind sie häufiger und die Form mit Röhren gehört dort anscheinend einer jüngeren Stufe an, entsprechend ungefähr wie bei uns M. III. Ein interessanter Fund ist der von Neu=Haldensleben, wo in einer Gruppe niedriger Hügelgräber auf dem dortigen Fuchsberge, die nach den Fundstücken der Periode M. III. anzugehören scheinen, eine ganze Anzahl steinerner Pfeilspitzen mit bronzener Schäftung und mit bronzenen zusammen gefunden sind (vgl. Wegener, Gymnasialprogramm Neu=Haldensleben 1897, S. 10 und 12).

3. Kleine Schmuckkegel aus Bronzeblech, wie sie unten S. 145 bei einem Grabe von Boldebuck zur Besprechung kommen werden.

4. Ein größerer Tutulus mit flach gewölbter Scheibe und kleiner Spitze, 5,5 cm Durchmesser, eine Uebergangsform von den großen Schmuckscheiben (s. Dabel S. 133) zu den gewöhnlichen Tutuli (z. B. Boldebuck unten S. 144).

5. Eine Pincette = S. Müller, Ordning 87, 5 cm lang. Ueber Pincetten in Kegelgräbern s. oben S. 106 bei Brahlstorf.

Der mit 2 bezeichnete Hügel ist von mir am 29. September 1896 ausgegraben (Grab 12). Der Aufbau der Grabanlage im Innern war außerordentlich deutlich. Der Urboden wurde bei 3 m Tiefe erreicht; da aber die Oberfläche schon abgegraben war, muß die ursprüngliche Höhe annähernd 4 m betragen haben. Der Durchmesser war nicht genau zu bestimmen, da die Ränder Beschädigungen zeigten; regelmäßige Anlage vorausgesetzt, wird er 20m betragen haben. Der Erbauftrag bestand aus gemischter Erde. 70 cm unter der jetzigen Oberfläche stieß man auf eine fast quadratische Steinplatte von 60 cm Durchmesser unter der ein regelmäßiger Steinkegel von 2,30 m Höhe und etwa 8 m Durchmesser aus Sammelsteinen aufgeschichtet war. In halber Höhe war er umstellt mit etwas größeren (etwa 30 cm hohen) aufrecht stehenden Steinen. Auf dem Grunde des Hügels war ein Steinpflaster und hier wurde auch das Grab gefunden; doch brachte es eine große Enttäuschung. Es fanden sich wohl

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Spuren des Leichnams, besonders deutlich ein Stück der Schädeldecke, aber nicht die geringste Beigabe. Einige schwarze Streifen sind vielleicht als Reste eines Sarges zu deuten. Auch einige Kohlenstücke lagen auf dem Grunde zwischen den Steinen, sonst nichts.

Es gehört also auch dieses Retzower Grab, das letzte einer einft stattlichen Menge, zu den unausgestatteten, von denen wir im Verlauf unserer Darstellung schon mehrere (vergl. Upahl, S. 93) aufzuzählen gehabt haben. Ob die Urnen vom Rande Nebengräbern angehören oder Nachbestattungen einer späteren Zeit sind, muß unentschieden bleiben.

Hügel an der Dammerower Scheide.

Am Wege nach Dammerow, rechts unmittelbar vor der Scheide, sind auf dem Meßtischblatt fünf Hügel neben einander angegeben, eine Gruppe, zu der noch drei daneben auf Dammerower Gebiete und ein ebendort etwas weiter nördlicher gelegener gehören. Ich zählte im ganzen auf Retzower Seite sieben Stellen, sechs fast ganz nieder geackert; eines in seiner Form sehr gestört, aber noch immer stattlich, mährend auf der Dammerower Seite fünf flache, ebenfalls stark niedergeackerte und zum Theil durchwühlte Gräber erkennbar sind. Nach Angabe der Arbeiter sind in den niedrigen Hügeln massenhaft Thongefäße gefunden, aber keine Bronzen.

Hier hat schon Zinck gegraben. 1806 sind mehrere Hügel aufgedeckt, die in der Mitte eine kleine Steinkiste mit Urnen enthielten (Friderico-Francisceum, S. 71, vgl. auch S. 56), wir bezeichnen sie als Nr. 13; erhalten ist von dem Inhalte nichts, doch gehören sie nach der Beschreibung sicher der jüngeren Bronzezeit an. Metallgegenstände sind damals anscheinend hier nicht gefunden, wohl aber in den anliegenden Dammerower Hügeln und später auch hier von Ritter.

Drei Gräber hat Ritter geöffnet (Jahrb. 11, S. 384); bezeichnet als Grab 5 bis 7.

Nr. 5. Steinkegel, 1,5 m hoch, 9 m Durchmesser. Darin sechs Graburnen mit zwei kleinen Thongefäßen und bronzenem Kleingeräth im Charakter der jüngeren Bronzezeit.

Nr. 6 und 7. Steinkegel, 1,2 m hoch, 9 m Durchmesser. Darin je eine Graburne mit bronzenem Kleingeräth, ebenfalls zweifellos jüngere Bronzezeit.

Ich habe den größeren Hügel am 28. September 1896 durchgraben (Grab 14), er war aus Sand und Kies aufgeschichtet

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und hatte die stattlichen Ausmessungen von 3,50 m Höhe und 21 bis 24 m Durchmesser. Es ergab sich aber, daß er schon ganz durchwühlt war. Urnenscherben und zerbrannte Knochen fanden sich zerstreut in der Erde, aber keine erkennbare Grabanlage mehr. Da der Hügel wesentlich höher ist, als die von Ritter hier ausgegrabenen, wird er zu den schon zu Zincks Zeiten durchsuchten "Urnenhügeln" gehören.

Hügel in der Niederung (Grab 15).

Etwa 500 m von der Gruppe an der Scheibe liegt auf abfallendem Terrain nahe der sumpfigen Niederung, die durch den Bach entwässert wird, ein auffallend großer Hügel, dem allein 96 Fuder Steine entnommen sind. Es fanden sich zwischen den Steinen mehrere Mahlsteine steinzeitlichen Charakters, eine schon wiederholt in bronzezeitlichen Gräbern beobachtete Erscheinung (vgl. Jahrb. 12, S. 420; 48, S. 323 und oben S. 99); über die Form und Ausstattung der Gräber, die der Hügel barg, sind keine Beobachtungen gemacht, doch hat man ein bronzenes Schwert geborgen, welches der Besitzer der Hufe, Herr Erbpächter Meyer, der Großherzoglichen Sammlung geschenkt hat. Es ist ein schönes Griffzungenschwert, breit, mit geringer Ausbiegung der Schneide, mit breitem flachen, scharf absetzenden Mittelgrate. Der (beschädigte) Griff hatte wohl drei Nietlöcher, an den Seiten sind je zwei. Länge noch 54 cm, Länge der Klinge 49 cm, größte Breite 4 cm. Das Schwert gleicht fast ganz dem viel besprochenen von der Akropolis in Mycenä (vgl. z. B. Naue, Bronzezeit, S. 87, und, mit besserer Abbildung, Montelius, Chronologie S. 168, Fig. 405), eine Form, die schon in der Periode M. II im Norden erscheint, in Meklenburg allerdings noch in keinem dieser Zeit mit Sicherheit zuzuschreibenden Grabe, aber in Menge in der folgenden Periode (vgl. z. B. oben S. 108), sodaß wir bei der zeitlichen Einordnung dieses Grabes keine sichere Entscheidung zwischen II und III treffen können.

Ueberblicken mir die Retzower Gräber als ganzes, so erhellt zunächst, daß es sich um mindestens zwei ganz verschiedenzeitliche Gräbergruppen handelt, solche der älteren und solche der jüngeren Bronzezeit. Zu der letzteren gehören die Hügel der Gruppe von der Dammerower Scheibe, also die als 5 bis 7, 13 und 14 bezeichneten. Alle andern sind der älteren Bronzezeit angehörig. Eine Scheidung zwischen dem früheren und späteren Abschnitt dieser Periode ist zum Theil durchführbar: 2, 3 und 8 sind in M. II; 1, 9, 10 und 11 sind nach III zu versetzen; die Stellung von 4, 12 und 15 muß unentschieden bleiben. Hätten wir ausreichende

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Nachrichten, so würde sich hier, wo so verschiedenartige Gräber neben einander liegen, der Unterschied zwischen den einzelnen Perioden, besonders der der Grabgebräuche in II und III haben feststellen lassen, wie an keiner zweiten mir bekannten Stelle im Lande. Leider aber fehlen Fundberichte über die Gräber mit reicherem Inhalt ganz, und das einzige sorgsam durchgrabene (12) hat keine Ausbeute ergeben. So bedeutet die sinnlose Zerstörung der Gräber im Jahre 1896 einen unwiderbringlichen Verlust für die heimische Alterthumskunde.

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Kegelgrab von Karow (bei Plau).
(Katalog=Nummer Br. 175-182.)

Auf dem ausgedehnten Felde von Karow lagen früher mehrere Kegelgräber, die schon seit langem Ausbeute ergeben haben. In der Großherzoglichen Sammlung finden sich die Reste der hölzernen Scheide eines Bronzeschwertes mit dem Vermerk: Carow 1805. Vom Schwerte selbst ist nichts erhalten. Der am meisten in die Augen fallende Hügel führte den Namen "Blocksberg" (schon Jahrb. 9, S. 355 kurz beschrieben). Es war ein mächtiger Hügel von annähernd 6 m Achsenhöhe, bestehend aus Erde und beträchtlichen Steinmassen. Nachdem diese für Chausseebauten und sonst im Bedürfnißfalle ausgebeutet sind, ohne daß sich etwas Bemerkenswerthes zeigte, ist der größte Theil des Hügels im Winter 1884/85 zwecks Moorkultur abgetragen, und hierbei ist man auf Grabstellen gestoßen. Ich habe im Februar 1885 unter Führung des damaligen Besitzers, des Herrn Rittmeister von Clewe den Ort besucht, fand das Grab aber schon zerstört; die gefundenen Alterthümer, mit Ausnahme der Goldringe, hat mir Herr von Clewe für die Großherzogliche Alterthümersammlung übergeben. Nach Mittheilungen des genannten Herrn und einem Verhör der Arbeiter ergiebt sich Folgendes über die Grabanlage:

In der Mitte des aus lockerer Erde aufgetragenen Hügels fand sich eine starke Steinhäufung 4 m unter der Spitze; sie war ganz überzogen mit einer sehr festen Lehmschicht, die sich deutlich von der Erde des aufgetragenen Hügels unterschied. Zwischen den Steinen fand sich (über die Lagerung ist leider nichts Genaueres beobachtet):

1. Ein Schwert, an dem Griffe etwas beschädigt, sonst vollständig; in sechs Stücke zerbrochen, von der üblichen Form

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des Griffzungenschwertes: vier Nietlöcher in der Griffzunge, je zwei am Klingenansatz, flacher Mittelgrat, nur leicht ausbiegende Klinge. Ganze Länge 62 cm, Länge des Griffs 9 cm, größte Breite der Klinge 3,5 cm.

2. Ein Doppelknopf; die Oberseite flach und mit vier von dem Mittelpunkte ausgehenden vertieften Linien verziert. Höhe etwas über 1 cm, Durchmesser der Scheiben 2 cm.

3. Ein goldener Handring, gewunden, mit übereinander greifenden Enden; 6 cm Durchmesser; fast ganz gleich dem Ringe von Friedrichsruhe (Jahrb. 47, S. 263).

Im Mantel des Hügels sind noch mehrere andere Steinsetzungen angetroffen und zwischen diesen folgende Gegenstände (die Zahl der Grabbauten und Vertheilung der Fundstücke auf die einzelnen ließ sich nicht mehr feststellen):

4. Der Rest einer bronzenen Axt, die im Schaftloch zerbrachen ist; erhalten nur das Bahnende, spitz zugehend; Länge des Stückes 4 cm, Durchmesser des Schaftloches 2 cm, Höhe 1,2 cm. Das Stück hatte sehr wahrscheinlich eine ähnliche Form

Axt

wie das nebenbei abgebildete Stück aus dem Depotfund von Wiek, doch ist dieses schlanker. Ueber diese Aexte, die besonders in Ostpreußen häufig sind und von denen wir in Schwerin außer den beiden Stücken noch eins von Basedow haben, vgl. S. Müller 95, Splieth 83, besonders Tischler, Sitzungsberichte der physik.=ökonomischen Gesellsch. in Königsberg 28 S. 13, auch Lissauer, Alterthümer der Bronzezeit in Westpreußen II, 21.

Daß die Form der nordischen Bronzezeit angehört, ist wohl unbestritten, ebenso klar aber, daß sie dort aus südlichen Formen sich entwickelt hat, wie sie besonders in der ungarischen Bronzezeit sehr häufig sind. Dieser Umstand ebenso wie die Fundumstände, unter denen diese Axtform erscheint, z. B. in unserem Grabe, machen für sie M. III wahrscheinlicher als II.

5. Ein Halskragen ("Diadem") mit Spiralreihen von der im Verlauf unserer Darstellung noch mehrmals zu besprechenden

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eigenthümlichen meklenburgischen Form; eine Seite abgebrochen. Höhe 5,5 cm. Die beistehende Abbildung ist nach unserem schönsten Exemplar, dem von Alt=Sammit, genommen (vgl. Jahrbuch 12, S. 408).

Halskragen

Unsere Sammlung besitzt aus Grabfunden 13 Halskragen dieses Typus, die sich in der Form und Verzierung nur sehr wenig von einander unterscheiden und stets in derselben Zusammensetzung, besonders häufig mit Handbergen und großen Scheibennadeln auftreten. Alle diese Funde gehören in die dritte Periode, die Form ist jünger als die, wo die Fläche, ohne Spiralen, mit Parallelstreifen besetzt ist.

Zu der Auffassung dieser diademartigen Bleche als Halsschmuck berechtigt nicht nur der Umstand, daß sie sehr wahrscheinlich einer Garnitur übereinander gelegter Halsringe ihre Entstehung verdanken (vgl. Montelius, Chronologie S. 34), sondern auch, daß sie wirklich mehrfach in dänischen Gräbern und auch bei uns in dem Grabe von Stülow am Halse beerdigter Leichen gefunden sind, und zwar in Frauengräbern. Ihre Entwickelung ist deutlich erkennbar: die älteste Form sind sichtlich die mit parallelen Längsrippen, wie sie weit verbreitet und auch in Mecklenburg zahlreich (vgl. unten Hallalit) vorhanden sind (M II). Dann kommen einige mit parallelen Streifen und Strichornamenten, wie unsere von Friedrichsruhe und Pisede (Jahrb. 47, S. 266), sodann die mit Spiralreihen (beide M. III); diese scheinen eine meklenburgische Spezialität zu sein, wenigstens giebt es nirgends so viele und sich gleichende Stücke wie bei uns. Dagegen fehlen umgekehrt bei uns Varianten, wie sie in Dänemark, Schleswig=Holstein und sonst vorkommen (z. B. Splieth a. a. O. 104), mit falschen Spiralen, Kreisen u. s. w. Eine andere interessante Variation hat das nordwestliche Deutschland, eine Verzierung mit Buckeln, die aber nicht getrieben, sondern mitgegossen sind, z. B. ein Stück aus Gandersheim (Museum in Braunschweig), andere im Museum zu Hildesheim, auch bei von Estorff, Alterthümer von Uelzen XI, 7. Wir werden der

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Form weiter unten noch bei Turloff, Dabel, Schlemmin, Boldebuck, Kargow, Stülow, Kl.= Grenz, überall in derselben Umgebung begegnen.

6. Ein Handring; glatt abschneidende, eng an einander schließende Enden, Querschnitt spitzoval, verziert mit senkrechten Strichen, die an vier Stellen durch senkrechte Doppelstreifen mit Schrägstricheln unterbrochen werden, gleich dem unten S. 132 abgebildeten Ringe von Turloff. Durchmesser 6 und 5 cm, Höhe 0,75 cm, also eine kleine Form.

7. Reste einer Fibel; leider nur erhalten eine Spiralscheibe (3 cm Durchmesser) und Theile der Nadel. Nach der Größe dieser Stücke wird das Ganze eine jener großen Fibeln mit breitem geraden Bandbügel gewesen sein, wie sie von Friedrichsruhe, Alt=Sammit u. s. w. aus dieser Periode bekannt sind (vgl. oben S. 119).

8. Ein goldener Spiralring von 6 Windungen und 2 cm Durchmesser.

9. Ein kleine Henkelgefäß; einfach gearbeitet, rothbraun, der Hals gleich nach der größten Ausbauchung eingezogen, Rand leicht ausbiegend, Henkel vom Rande bis zum Ansatz des Halses. Höhe 9 cm, Durchmesser oben 6,5, unten 5 cm, größter Umfang 33 cm (4,5 cm von unten).

10. Einige unbestimmbare Scherben ähnlicher Art.

(Ein zugleich mit eingeliefertes eisernes Messer gehört offenbar neuerer Zeit an.)

Die Ausstattung des Hauptgrabes stimt sehr mit der des Grabes von Blengow überein; die anderen Gegenstände gehören in ihrer Mehrzahl sicher weiblichen Nebengräbern an, wie z. B. bei Ruchow. Bebrannte Stücke sind nicht dabei, doch beweist das nichts gegen Leichenbrand. Die Nebengräber können ebenso gut verbrannte wie unverbrannte Leichen enthalten haben. Die zeitliche Stellung ist unbedenklich M. III.

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Grab von Turloff (bei Sternberg) Nr. 4.
(Dialog=Nummer Br. 371-374.)

Wir betreten mit der Besprechung dieses Fundes den an vorgeschichtlichen, besonders aber bronzezeitlichen Funden überreichen Boden der Gegend von Sternberg, Bützow, Güstrow. Bereits im Jahre 1868 sind bei Turloff drei niedrige Grabhügel zerstört und haben für die Großherzogliche Sammlung einige Bronzen ergeben (vgl. Jahrb. 38, S. 139): 1. zwei Handringe,

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2. zwei Halsringe, 3. drei Armringe, einen Tutulus, eine Bernsteinperle, alles in den bekannten Formen des Frauenschmuckes M. III.

Im Winter 1894/95 ist beim Stämmeroden im Forste, östlich und unweit der Chaussee, ein viertes Grab desselben Charakters angetroffen, dessen Inhalt der seitdem verstorbene Herr Förster Hunger in Turloff eingesandt hat. Aeußerlich war das Grab nur als niedrige Erhöhung erkennbar gewesen. Es wurde gebildet durch eine Steinhäufung von 2 m Länge,

Halsring

0,80 m Breite und 0,60 m Höhe mit geringem Erdauftrag. Unter den Steinen wurden nahe bei einander folgende Bronzen gefunden, alle mit schöner Patina und unverletzt; über die Art der Bestattung liegt keine Beobachtung vor und ist auch kein Schluß statthaft; daß es ein Frauengrab M. III war, ergeben die Fundstücke:

I. Ein Halskragen ("Diadem") von der gewöhnlichen Form (vgl. oben S. 128).

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2. Ein Hering, gedreht. stark und schön, mit Oesen, an den Enden verziert mit dem bei den Handringen beliebten Strichornament, welches gelegentlich auch bei Halsringen zur Anwendung kommt (vgl. Friedrichsruhe=Kannensberg, Boldebuck unten S. 143). Durchmesser 14,5 und 15 cm, größte Dicke 1 cm. (S. Abbildung auf vorhergehender Seite.)

3. 4. Zwei Handringe, scharfkantig, innen und außen leicht gewölbt, mit Linienverzierungen, abwechselnd Querstriche und Strichzonen (vgl. Abbildung), Durchmesser 6 und 4,75 cm, Höhe 1,1 cm.

Handring

Daneben lag noch:

5. Eine kleine Steinaxt, besprochen Jahrb. 63, S. 62, von einem einfachen, in der Steinzeit in zahlreichen Exemplaren vorkommenden Typus.

Steinäxte in bronzezeitlichen Gräbern sind sonst nicht beobachtet, und daß diese echt steinzeitliche Form damals noch nachgebildet sein sollte, ist kaum wahrscheinlich. Wohl aber ist noch mit einer andern Möglichkeit zu rechnen. Die Steinsachen können in die Gräber als Gegenstände eines abergläubischen Gebrauches hineingelegt sein. Vielleicht gelingt es noch einmal, Kriterien dafür zu finden. In Turloff lag die Axt neben weiblichem Schmuck. Als Gebrauchsgegenstand? schwerlich; vielleicht also als Amulet, Zaubermittel u. s. m. Wie ja noch heute Steingeräthen vielfach eine übernatürliche Kraft, besonders bei dem Wetterzauber, angeschrieben wird.

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Kegelgrab von Dabel (bei Sternberg) Nr. 5.
(Katalog=Nummer Br. 238-240.)

Die Feldmark von Dabel hat schon vor Jahren einige unserer schönsten Grabfunde ergeben; über drei Gräber ist Jahrb. 22, S. 279 flgd. und 23, S. 279 flgd. berichtet; aus einem vierten sind später beim Chausseebau zwei Handbergen entnommen (Jahrb. 38, S. 144). Zwei der Hügel, aus denen diese älteren Funde stammen, sind in ihrer Form noch gut erhalten. Nicht weit von diesen ist beim Bau der Wismar=Karower Eisenbahn 1887 ein niedrigerer Hügel durchschnitten, in dem einige Bronzen gefunden sind, die das Großherzoliche Amt in Warin eingesandt hat. Ueber die Fundverhältnisse ist nichts Näheres zu erfahren

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gewesen, doch handelt es sich zweifellos auch hier um ein bronzezeitliches Grab.

Die Gegenstände sind:

1. Ein Halskragen ("Diadem") mit Spiralstreifenornament von der bekannten, hier wiederholt erwähnten Form (s. oben S. 128), an den Enden beschädigt; 4,5 cm hoch.

2. Eine Handberge der bekannten schönen Form; in drei Theile zerbrochen und etwas verbogen, die Spiralscheiben haben einen Durchmesser von 14 cm.

3. Eine Schmuckscheibe, unvollständig. Unterteile ganz leicht gewölbt auf der Oberseite eine kleine Spitze. Verziert mit zwei konzentrischen Streifen, in denen schraffirte Dreiecke, die Spitzen nach dem Rande zu, neben einander stehen; die Streifen sind getrennt und abgeschlossen durch Punktreihen. Durchmesser 9,5cm, Höhe des Stachels 1,25 cm.

Schmuckscheibe

Solche Schmuckscheiben sind auf unserem Boden nicht gerade häufig und von ziemlich verschiedener Form. Wir hatten bisher nur aufzuzählen:

1. Vorderbollhagen; der von Dabel an Größe gleich, in der Mitte unverziert, am Rande mit konzentrischen Linienstreifen, gefunden in einem niedrigen Kegelgrabe mit einem Halskragen älterer einfacher Form (Jahrb. 20, S. 285); der ganze Fund scheint einer älteren Periode (M. II) anzugehören.

2. Kl.=Grenz (s. unten S. 189); dem vorigen Stücke ähnlich; zusammen gefunden mit Halskragen, Handringen u. s. w. in einer Schmuckgarnitur, die vollständiger ist als die der übrigen Schmuckscheibenfunde.

3. Peckatel; aus dem berühmten Grabe; beschrieben Jahrb. 11, S. 368 als besonders großer Tutulus (mit Bezugnahme auf Frid.-Franc. XXXIII, Fig. 10, nicht, wie gedruckt ist, XXIII), verziert mit konzentrischen erhabenen (im Guß hergestellten) Linien; die hohe Spitze mit einer Scheibe mit Sternmuster abschließend; eine offenbar jüngere Bildung, wie aus S. Müller 115 hervorgeht.

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4. Aus einem im Amte Grabow (ohne nähere Fundangabe)1826 ausgegrabenen Kegelgrabe (vgl. Frid.-Franc. Text S. 68, Abb. Tafel XXXIII, Fig. 8).

Schmuckscheibe

Prachtstück, verziert mit Streifen von Spiralen, wobei die einzelnen Spiralen durch ausgezogene Linien, nicht, wie bei unseren einheimischen Stücken übliche, durch Punktlinien verbunden sind, eine Verzierungsart, die allein schon das Stück als Importstück kennzeichnet; 15 cm Durchmesser. Ein größeres, aber sonst ganz gleiches s. S. Müller 58. Zu dem Funde gehört noch eine Handberge, ein Halsring und (sehr wahrscheinlich) ein später eingelieferter Halskragen, also dieselbe Zusammensetzung wie in Dabel.

5. Wieck. Dem vorigen ähnlich, aber kleiner (9,5 cm Durchmesser), verziert mit getriebenen Buckeln, die von Kreisen umgeben sind und so an Spiralen erinnern, mit einander durch ausgezogene, mit Punkten umgrenzte Linien verbunden. Aus einem Kegelgrabe zusammen mit Halsringen, Armringen und Tutuli (Jahrb. 20, S. 282). Auch die hier angewendete Verzierungsart, zu der hier auf S. Wide, "Nachleben mykenischer Ornamente", Athen. Mittheilungen XXII, S. 150 u. f. verwiesen sein mag, ist der meklenburgischen Bronzezeit fremd, kommt aber auch sonst im Norden und auch gerade an solchen Zierscheiben vor, z. B. in Norwegen (Rygh, Norske Oldsager 135).

Die Bestimmung dieser Schmuckscheiben als Gürtelschmuck und zwar in weiblichen Gräbern ist durch dänische Funde gesichert, wo sie in ihrer ursprünglichen Lage angetroffen sind (vgl. die Abbildung S. Müller 49, auch Nordische Altertumskunde I, S. 374:); das größte und wohl schönste aller gefundenen Stücke ist Ordning 58 abgebildet und mißt 28,5 cm Durchmesser. Sie gehören in Dänemark schon dem älteren Abschnitte an (M. II), gehen aber noch in den nächsten hinein; ähnlich liegt das Verhältniß in Schleswig=Holstein (Splieth 69).

In Meklenburg erscheinen sie nach dem Gesagten, vielleicht als Fremdlinge, stets in derselben Zusammensetzung; die unter 2-5 aufgezählten sicher der Periode III angehörend. Weiterhin nach Osten werden sie noch seltener; ein Stück ist in der Uckermark in dem schönen Depotfunde von Angermünde gefunden, der auch

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M. II (oder III?) angehört; vgl. Schumann, Nachr. über deutsch. Alterthumsfunde 1901, Heft 2 und Mitth. des Uckermärk. Vereins I 1.

Daß auch das Dabeler Grab ein Frauengrab M. III ist, ergiebt sich aus der Darstellung; ob es Beerdigung oder Leichenbrand enthielt, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, doch ist nach den Befunden der früheren Gräber das erstere wahrscheinlicher.

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Flachgräber von Loiz (bei Sternberg).
(Katalog=Nummer Br. 395-399. 495. 496.)

Ueber ein im Jahre 1893 aufgedecktes Urnenfeld jüngerer Bronzezeit auf dem "Kirchhofschlage" bei Loiz ist Jahrb. 61, S. 198, berichtet. Auf demselben Schlage, aber von den Urnensetzungen getrennt, weiter dem See zu, und auf dem angrenzenden, dem Erbpächter Bülow gehörenden Felde, sind nun seitdem Gräber anderen Charakters angetroffen. Zwei von diesen sind untersucht. Man war nämlich beim Tiefpflügen wiederholt auf Steindämme gestoßen; als bei dieser Gelegenheit einige Bronzen freigelegt wurden, machte Herr Erbpächter Ahrens, dem wir auch die früheren Funde verdanken, Mittheilung, und ich habe am 26. September 1896 ein Grab ausgegraben.

Grab I. Auf einer flachen, ausgedehnten Kuppe in sandigem Acker, 25 cm tief, ein Steindamm von kleineren Geschiebesteinen (10 cm Durchmesser), 2,25 m lang (ostwestlich) und 1,50 m breit. Auf dem Damme lag ein beerdigter Leichnam, von dem noch hinreichend Reste erkennbar waren, um seine Lage zu bestimmen; der Kopf war im Westen; in der Gegend, wo bei gestreckter Lage die rechte Hand gelegen haben mußte, lag ein Handring, wie die übrigen Sachen mit heller grüner Patina; innen flach, nach außen leicht gewölbt, fast ganz gleich, auch in der Verzierung, dem oben S. 119 abgebildeten von Retzow. Durchmesser 6,25 und 6 cm, Höhe 1 cm. In der Gegend der linken Hand die Reste von einem (oder zwei) spiraligen Fingerringe (13 Windungen, Durchmesser 1,5-2 cm. Am östlichen Ende zwei Ringe, zwischen denen noch Knochen steckten, also Fußknöchelringe; verbogen und unvollständig; ganz gleich dem Ringe von der Hand. Noch weiter Reste eines kleinen zerdrückten Thongefäßes, derbwandig, mit absetzendem Boden, Form nicht genauer erkennbar. In der umgebenden Erde Holzspuren, ob von einem Sarge, einem Bretterbau u. s. w., ist nicht bestimmbar. Da ein

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Steinschutz nach oben fehlte, mögen Bretter oder Bohlen zur Abdeckung verwendet worden sein.

Spuren eines aufgetragenen Hügeln sind nicht beobachtet; ist einer vorhanden gewesen, so kann er nur ganz niedrig gewesen sein. Der Boden war nur soweit berührt, als es zur Aufnahme des Beerdigten erforderlich war.

Grab II. Ein ganz gleiches Grab hat Ahrens 1899 aufgedeckt. 30 bis 40 cm unter dem jetzigen Boden ein Steindamm, auf dem in der Mitte ein Bronzeschwert und zur Seite steinerne Pfeilspitzen lagen. Reste des Beerdigten sind nicht beobachtet.

1. Ein Schwert mit Griffzunge von dem schon wiederholt erwähnten Typus. Die Griffzunge ist abgebrochen, doch ist erkennbar, daß der Griff halbrund abschloß und unten vier Nieten hatte. Der Mittelgrat ist sehr breit und flach, mit Linien begrenzt. Länge noch 58,5 cm. Größte Breite 4 cm (34 cm von unten).

2. 3. Zwei steinerne Pfeilspitzen mit halbmondförmigen Kerben, dünn und fein. Damit erweitert sich die Zahl der aus Meklenburg bekannten Gräber mit steinernen Pfeilspitzen wieder um eins; fast stets sind sie in Gesellschaft von Schwertern gefunden, wie hier (vgl. oben S. 115 bei Granzin).

Es handelt sich also um Körpergräber der dritten Periode, ein weibliches und ein männliches, für die zahlreiche Analogien vorhanden sind und auch im Verlauf unserer Besprechung mehrfach zur Behandlung kommen.

Eigenartig und zu beachten ist aber die Bestattungsart. Bronzezeitliche Flachgräber mit Beerdigung sind eine früher nicht beobachtete Erscheinung, die wir noch einmal (bei Dobbin s. S. 153) zu behandeln haben werden. Wie sie sich zeitlich zu den andern Grabformen verhalten, ist noch nicht zu bestimmen. Die bei Loiz gefundenen Sachen stimmen genau mit dem Inventar der typischen Gräber (Friedrichsruhe u. s. w.) überein, während die Dobbiner etwas jünger sind.

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Kegelgrab von Schlemmin (bei Bützow).

In dem ausgedehnten Forstrevier Schlemmin finden sich eine Anzahl Hügel, welche zweifellos künstlichen Ursprungs und sehr wahrscheinlich bronzezeitliche Grabstellen sind. Bei dem Abtragen eines solchen sind eine Anzahl Bronzen gefunden, die als Geschenk eines Schülers 1886 in die Sammlung zu Neubranden=

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burg gelangt sind. (Katalog=Nummer 1669-1675). 1 ) Sie haben eine hellgrüne, z. Th. blaue Patina. Die Stücke sind:

1. Ein Halskragen ("Diadem"), erhalten nur der mittlere Theil. Die Form und Verzierung ist genau dieselbe wie bei dem Stücke von Karow (oben S. 129) u. s. w.

2. Ein gedrehter Halsring; unvollständig. Da die Enden fehlen, ist der Verschluß nicht mehr zu bestimmen.

3. 4. Zwei starke Armringe; der eine ist an den Enden beschädigt, der andere zerbrochen, und nur drei Stücke sind erhalten; innen glatt, nach außen mit ziemlich scharfem Mittelgrate, also von stumpfdreieckigem Durchschnitt, Durchmesser 9,5 cm, Höhe in der Mitte 1,5 cm, aber nach den Enden zu abnehmend. Die Verzierung ist selten: ein Saum mit Schrägstricheln und eine leicht erhöhte Linie, die Mitte leer; ähnliche haben wir an Ringen von Pisede, Lehsen, aber hier abwechselnd mit senkrechten Strichstreifen, und von Bobzin, Steinbeck, Lehsen, Friedrichsruhe, Boizenburg, aber abwechselnd mit Spitzovalen (vgl. oben Pogreß S. 102); auch in Stülow ist ein ähnlicher gefunden (s. unten S. 183). Die scharfkantige Form, die Verjüngung und die Verzierung, ausschließlich mit horizontalen Linien, weist auf gewisse alte süddeutsche Formen mit Horizontalrippen als Urform hin, über die Naue, Bronzezeit, S. 179 flgd., zu vergleichen (das Bobziner Grab gehört nach den andern Fundstücken wohl noch in M. II).

5. Ein starker Armring, den beiden vorigen sonst gleich, aber innen konvex; Durchmesser 8,5 und 7 cm, Höhe 1,25 cm, nach den Enden zu abnehmend. Verziert mit zarten Querstrichen, ähnlich dem oben bei Perlin, S. 99, besprochenen Ringe und dem Bügel der Liepener Handberge (unten S. 156). Doch verhindert die Patina einen genaueren Anblick.

6. 7. Zwei kleine Tutuli, genau von der oben S. 98 bei Radelübbe abgebildeten Form. Höhe 3,25 cm, Durchmesser 2,75 cm.

Der Fund entstammt, wie die große Mehrzahl der hier zu besprechenden, sichtlich einem Frauengrabe der dritten Periode; ob Beerdigung oder Leichenbrand vorliegt, muß auch hier dahingestellt bleiben.


1) Dem Vorstande des Neubrandenburger Museums, Herrn Schlosser, schulde ich Dank für zeitweilige Ueberlassung des Fundes.
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Kegelgrab von Sarmstorf (bei Güstrow).
(Katalog=Nummer Br. 380-390)

Bei Sarmstorf liegen östlich von der Chaussee, etwa 2 Kilometer vom Dorfe (gerechnet von der Kirche aus) entfernt, auf den Hufen 1 (Besitzer: Schulze Jörn) und 3 Besitzer: Erbpächter Kindt) vier Hügel in unregelmäßigem Rechteck zu einander. Der Boden ist wellig, Lehm und Sand wechseln, die Hügel sind stark niedergeackert, zeigen aber deutlich Spuren künstlichen Auftrags ober doch Bearbeitung. Drei haben sich als Grabstätten erwiesen, zum Theil schon seit langer Zeit. Nachdem bei der Anbringung eines trigonometrischen Zeichens auf dem einen Thongefäße gefunden waren, habe ich ihn am 9. September 1895 unter thätiger und dankenswerther Mitwirkung des Herrn Lehrer Zierow in Sarmstorf ausgegraben und Nachrichten über frühere Funde gesammelt.

Nr. I (Kindt). Hoher Hügel, der nördlichste der Gruppe von dem schon an die 100 Fuder Erde abgefahren sind, ohne daß man auf Steine oder eine Grabanlage gestoßen ist.

Nr. II (Jörn) stark niedergeackert; 1881 sind Steine weggebrochen und dabei ein Grab zerstört; dabei soll man auf eine "Urne mit Asche" und einen goldenen Ring gestoßen sein, der in die Güstrower Alterthümersammlung gelangt ist (Nr. 105). Es ist ein einfacher Spiralring von drei Windungen; die Enden sind abgebrochen; 2,6 Gramm schwer.

Nr. III (Kindt). Ebenfalls 1881 zerstört durch große Abgrabungen; es war ursprünglich der größte der vier Hügel, jetzt noch eine flache Bodenwelle; einige erhaltene Bronzen ("Diadem", Armring) und der Rest eines Thongefäßes sind in die Schweriner Sammlung gelangt und Jahrb. 47, S. 288, kurz beschrieben.

Nr. IV (Jörn). Der südlichste, jetzt hervorragendste, früher "Timpberg" genannt und mit Gehölz bestanden; als dieses in den sechziger Jahren abgeräumt und der Hügel urbar gemacht wurde, stieß man auf einen Steindamm; darunter stand eine Urne mit "Asche", in welcher kleine zerbrochene Ringe und mehrere goldene "Stricknadeln" lagen, daneben lag ein "grüner Dolch". Die Goldsachen sind verkauft, die andern Sachen verworfen. Was unter den "Stricknadeln" zu verstehen ist, wird wohl dunkel bleiben; ich kenne keine Altsachen, die damit Aehnlichkeit haben. Von da an hat der Hügel im Wesentlichen seine Form behalten; 1894 sind dann "Urnen mit Asche" in größerer Anzahl angetroffen und zerstört.

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Die Ausgrabung ergab, daß der Hügel, der etwa 2,5 m Achsenhöhe bei einem bedeutenden Umfange (an 50 m Durchmesser) hatte, nicht aufgetragen war, sondern in geringer Tiefe die natürlichen Schichtungen des Lehmes zeigte. Auf eine Grabstelle stieß man etwa 3 m nordöstlich von dem Endpunkte des trigonometrischen Zeichens entfernt. Das Grab lag 1 m unter der jetzigen Oberfläche im natürlichen Boden. Es bildete ein Rechteck mit abgestumpften Kanten von 2,50 m Länge (südwest=nordöstlich) und 1,20 m Breite, aufgeschichtet aus Steinlagen in etwa 40 cm Höhe und 30-35 cm Breite, am stärksten am südwestlichen (Kopf=) Ende, sodaß der innere Raum ungefähr 1,80x0,80 m betrug. Dieser war mit einer doppelten Steinlage gepflastert. Ueberall stieß man auf Asche und Kohle, die den ganzen Raum schwarz färbte, dazwischen lagen regellos über die ganze Fläche zerstreut zerbrannte Menschenknochen; ziemlich in der Mitte auf ganz engem Raume (etwa 10 cm Quadrat) in einander gepackt und umgeben von Gewebe= und Holzresten einige kleine Schmucksachen, meist aus Bronze, anscheinend Beigaben für den Bestatteten, die in ein Tuch gewickelt und in ein Holzkästchen gelegt hier beigesetzt waren. Sie sind verbogen und beschädigt, als wären sie mit auf der Brandstätte gewesen, und haben eine dunkle, grüne Patina. Es sind:

1. Ein Doppelknopf mit einfachem Sternmuster auf der ganz flach gewölbten Oberseite. Höhe 1 cm, Durchmesser der oberen Patte 1,75, der unteren 1,5 cm.

2. Ein stark verbogener Halsring; unvollständig, erhalten drei Stücke. Gewunden, mit zurückgebogener Oese.

3. Eine Fibel, zerbrochen und unvollständig, von der oben S. 95 abgebildeten Grundform, doch ist der Bügel etwas gedrungen und das obere Ende der Nadel fehlt, so daß das Stück schon einem etwas jüngern Typus (etwa S. Müller 71) angehören kann. Länge etwa 8 cm, Durchmesser der Spiralscheiben 1,25 cm.

4. Ein spiraliger Fingerring, zerbrochen und unvollständig, erhalten sechs und eine halbe Windung; Durchmesser 2, Höhe 1,25 cm. Gleich S. Müller 56.

5. Zwei glatte Fingerringe aus einfachem Draht, zerbrochen. Gleich S. Müller 220 (dort zur jüngeren Bronzezeit gerechnet).

6. Ein spiraliger Goldring aus Doppeldraht, das eine Ende offen; vier Doppelwindungen. Durchmesser 1,5, Höhe 0,75 cm.

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Am östlichen Ende ein ganz zerdrücktes Thongefäß, derb, mit rauher Wandung; die Form ist nicht mehr zu bestimmen.

Neben diesem Grabe war in höherer Lage (50 cm unter dem Urboben) eine starke Brandschicht von 1 m Durchmesser, vielleicht die Stätte der Leichenverbrennung, vielleicht auch von Opferfeuern ("Ceremonialfeuern") stammend.

Da bei dem Eingraben des Zeichens Urnen zerstört waren, habe ich die Umgebung durchgraben lassen und noch die Stellen von drei Urnen gefunden, die aber bei jener Arbeit schon völlig zerdrückt waren. Interessant war nur, daß zerbrannte Menschenknochen in ziemlicher Anzahl dazwischen lagen, die Thongefäße also wirklich als Urnen, d. h. Behälter des Leichenbrandes aufzufassen sind; es waren nach den Scherben gut gearbeitete, braune Gefäße mit starker Ausbauchung, wie sie schon in der älteren Bronzezeit vorkommen.

Eine Anzahl Gegenstände, die bei der Anlage des Zeichens gefunden sind, sind in das GüstrowerAlterthumsmuseum gelangt 1 ) (Nr. 345). Diese sollen in einer großen Urne mit Knochen gelegen haben, in der auch ein kleineres Thongefäß sich befand, offenbar das übliche Beigefäß. Die bewahrten Bronzen sind sehr stark zerbrannt und im Einzelnen nicht zu erkennen. Die Stücke, denen die Reste entstammen, waren:

1. Handringe (von zwei bis drei Exemplaren) mit starken Kerben (wie bei Boldebuck unten S. 143).

2. Ein spiraliger Armring, in der Art dessen aus dem älteren Grabe von Sarmstorf, welcher sich in Schwerin befindet (Jahrb. 47, S. 288).

3. Zwei (?) dünne tordirte Halsringe (von den Enden nichts erhalten).

4. Ein spiraliger Fingerring von 1,5 cm Durchmesser.

5. Eine Fibel, erhalten eine Platte, flach, dünn, 2 cm Durchmesser, und das Ende der Nadel, bestehend aus einer gleichen flachen Platte, welche an den Rändern Strichverzierungen zeigt.

Fibel

Es ist eine am Ende der älteren Bronzezeit öfter vorkommende Form, über die z. B. Jahrb. 54, S. 100 bei


1) Die Notizen über die Fundverhältnisse und die Kenntnißnahme der in Güstrow befindlichen Funde verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Gymnasialprofessor Markwardt dort.
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Gelegenheit des Fundes von Blücherhof gesprochen ist. Danach ist die beistehende Abbildung genommen.

Die zeitliche Stellung des Grabes ist im ganzen dieselbe wie die der eben besprochenen und noch weiter zu besprechenden Gräber. Vielleicht gehört es einer ein wenig jüngeren Stufe an, wie die Gräber von Boldebuck, Ganschow, Liepen u. s. w. Interessant sind aber die Grabanlagen, die auf eine relativ späte Entwickelung weisen: noch besteht die Form des Hügelgrabes, aber man wählt natürliche Hügel, deren Umrisse man ja vielleicht absichtlich regelmäßiger (wenigstens bei dem von mir ausgegrabenen) gestaltet hat; noch giebt man dem Grabe die Form des Körpergrabes, aber man verbrennt schon den Todten und streut die zerbrannten Gebeine in den Raum, eine sehr interessante Sitte aus einer Zeit des Uebergangs von Beerdigung zu Leichenbrand, die auch in den Ländern mit verwandter Kultur (Dänemark und schon Schleswig=Holstein) beobachtet ist; dahin gehört z. B. das wegen seines Kesselwagens hochinteressante Grab von Skallerup auf Seeland; wir haben in Meklenburg ganz gleiche Erscheinungen in dem großen Grabe von Alt=Meteln (oben S. 95), vielleicht auch in einem der Wittenburger Gräber. Und auch ältere Berichte lassen sich am leichtesten durch die Annahme von Brandgräbern in Form von Körpergräbern erklären, so ein von Ritter, einem bekanntlich sehr exakten Beobachter, 1838 bei Wohld (bei Wittenburg) geöffnetes Kegelgrab (Jahrbuch 3 B, S. 61). Das Grab, dessen Inhalt in Güstrow ist, scheint die zerbrannten Gebeine in einer Urne gesammelt enthalten zu haben, ein in Meklenburg seltener und sicher erst einem jüngern Abschnitt von M. III angehörender Gebrauch, der uns noch weiterhin (unten S. 163 bei Basedow) begegnen wird.

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Kegelgräber von Boldebuck (bei Güstrow).
(Katalog=Nummer Br. 271-295.)

Ueber einen weiteren interessanten Grabfund in jener reichen Gegend, aus der die zuletzt besprochenen Funde stammen, berichtet Herr Karl Mann in Wismar, unser langjähriger Freund, der zugleich im August 1889 den schönen, von ihm bis dahin treu behüteten Fund der Großherzoglichen Sammlung übergeben hat.

"In Boldebuck bei Güstrow lagen etwa 1000 Schritte westwärts vom Hofe auf einer freien Anhöhe im Ackerlande und

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etwa 50 Schritt von einander entfernt zwei kegelförmige Hügel, welche mit Dorngebüsch bewachsen und auf der Gutskarte mit dem Namen "Trielberge" bezeichnet waren.

Als im Jahre 1851 in dem Ackerschlag, in welchem diese beiden Hügel belegen, mehrere der vorhandenen offenen Gräben durch Drainage entbehrlich geworden, wurden zur Ausfüllung derselben diese beiden Hügel auf Anordnung des Oberinspektors Herrn Oekonomierath Metelmann daselbst verwandt und abgetragen. Da solche mit einem Steinring nicht abgegrenzt waren und auch auf der Wölbung sowie im Innern derselben keine Steine gefunden werden konnten, sondern sie gänzlich aus reiner aufgetragener Erde nur zu bestehen schienen, so fehlten anfangs alle Merkmale, daß es Grabhügel. Als jedoch der Hügel Nr. 1, dessen Höhe in der Mitte fast 12 Fuß und dessen fast kreisrunde Grundfläche etwa 35-40 Fuß Durchmesser betrug, bis gegen dessen Mitte abgetragen war, fand ich in der Grundschicht desselben 4 rundliche Steine von 1 1/2 bis 2 Fuß Durchmesser, welche ein Viereck bildeten und soweit von einander gesetzt waren, daß solche etwa 3 □Fuß mittleren Zwischenraum enthielten. Dieser gleichfalls mit fester Erde ausgefüllte Zwischenraum enthielt aber die Ueberreste eines Leichenbrandes, bestehend aus Asche und zerbröckelten Kohlen= und Knochenresten, zwischen welchen folgende Schmuckgegenstände aus Bronze: 1 Diadem mit Längs= und Spiralverzierungen, 1 Kopfring aus gewundenem Drahte, 1 desgl. mit eingeschlagenen Verzierungen, 2 dünne Armringe und 4 stärkere mit eingeschlagenen Verzierungen, 6 trichterförmige Hütchen, in deren Höhlung eine Oese zur Befestigung, 2 große Handbergen, 1 große Nadel mit plattem Kopfe, 1 kurzes Schwert mit kurzer Griffzunge und 6 Nietlöchern mit Nieten, 7 kleine hohle halbrunde Hütchen, in deren Spitze ein kleines Loch zum Anheften, 1 kleiner Fingerring, dessen Enden spiralförmig gewundene Platten bildeten, und 1 kleiner Fingerring in runder geschlossener Form. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Leiche mit diesen Gegenständen geschmückt gewesen, als solche auf dem Scheiterhaufen verbrannte, da diese Schmuckgegenstände durch die Glut des Feuers eine theilweise Verbiegung sowie auch Verschmelzung zeigen und auch das Metall so mürbe geworben, daß es größtentheils leider zerbrochen und kleinere Gegenstände gar nicht konservirt werden konnten.

Der kleinere Hügel (Nr. 2), dessen Höhe in der Mitte fast 10 Fuß und dessen kreisrunde Grundfläche etwa 30 Fuß betrug,
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bestand gleichfalls aus reiner Erde. Ich fand in der Mitte desselben 2 kleinere, jedoch nur flach vergrabene Urnen, neben oder zwischen welchen ein Kopfring aus gewundenem Draht und 4 kleine Armringe mit eingeschlagenen Verzierungen aus Bronze lagen; etwas weiter seitwärts ein Skelett, ausgestreckt liegend, neben welchem ein Doppelknopf aus Bronze lag. Es gelang mir leider nur diese Ringe, welche zerbrochen, zu bergen. Die beiden Urnen waren jedoch so sehr mit Wurzeln durchwachsen und das Gerippe nebst Kopf gleichfalls so mürbe geworden, daß solche schon bei der ersten leisesten Berührung gänzlich zerfielen. Ich bemerke hierbei noch, daß außer diesen beiden Kegelgräbern sich damals auf der Boldebuckschen Feldmark keine weiteren mehr befunden haben."

Ueber einen weiteren Grabfund bei Boldebuck hat Lisch, Jahrb. 25, S. 214, kurz berichtet. Es soll danach "vor vielen Jahren" [geschrieben 1860] ein Kegelgrab von 12 Fuß Höhe abgetragen sein, in 6 Fuß Tiefe ein bronzezeitliches Begräbniß, darunter eine steinzeitliche Grabkammer. Alterthümer von Bedeutung seien nicht gefunden. Ob dieses Grab mit dem oben beschriebenen identisch ist oder ein drittes, wird sich nicht mehr bestimmen lassen.

Die gefundenen Bronzen sind:

1. Halskragen ("Diadem"), in vier Stücken erhalten, an den Seiten und in der Mitte zwei erhabene Bänder mit Einkerbungen, auf den Feldern dazwischen Spiralbänder, Länge (auf der Oberfläche gemessen) 30 cm, größte Höhe 4,5 cm. Zur Form vgl. S. 129.

2. Drei Stücke eines gedrehten Halsrings.

3. Ein Halsring mit spitzen Enden, verziert mit jenem Muster von Schräglinien, welches bei den Handringen, Handbergen u. s. w. so beliebt ist (vgl. oben den Halsring von Turloff, S. 131). Durchmesser 18 und 15 cm, doch ist das Stück etwas verbogen. Vgl. S. Müller, 103.

4. Ein starker Handring, 8 und 6 cm Durchmesser, 1,5 cm hoch, etwas verbogen, Innenseite flach, Außenseite leicht gewölbt; verziert, soweit der tiefe Rost erkennen läßt, gleich dem Halsringe.

Handring Handring
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5-8. Vier Handringe mit rundlichem Querschnitt, verziert mit senkrechten, dicht stehenden Einkerbungen. Durchmesser 6 und 6,5 cm. (Abbildung auf der vorigen Seite.)

9. 10. Zwei den vorigen gleiche Handringe, nur kleiner. Durchmesser 6 und 5,5 cm.

Die einfache Verzierungsart dieser Ringe ist wesentlich seltener als die des Rings 4 u. s. w., aber durch zahlreiche Zwischenglieder damit verbunden. (Vgl. z. B. den Ring von Turloff, oben S. 132.)

11. 12. Zwei große Handbergen, sehr stark zerbrannt und ganz zerbrochen. Die Form war die übliche, mit dem bekannten Schrägstrichmuster.

13-17. Fünf Tutuli; flach gewölbt, mit Spitze, verziert mit concentrischenLinien, auf der unteren Seite ein Steg, 5,5 cm Durchmesser, 4,4 cm hoch.

Tutuli

18. 19. Zwei kleine Tutuli, 3 cm Durchmesser, ungefähr 3 cm hoch. Ueber diese weit verbreiteten "Tutuli", die zweifellos als Kleiderschmuck vorkommen, gewöhnlich in größerer Anzahl und in Frauengräbern, vgl. S. Müller, 59; sie gehören z. Th. schon in M. II. In Meklenburg haben wir Tutuli der gleichen Form (andere sind hier selten) in neunzehn Grabfunden (s. oben S. 98 bei Radelübbe, unten S. bei 190 Kl. Grenz), fast stets in mehreren Exemplaren und, soweit die dabei befindlichen Sachen ein Urteil gestatten, aus Frauengräbern, M. III. Sie kommen fast stets in derselben Zusammenstellung vor wie hier in Boldebuck, besonders die Funde von Gädebehn, Dabel, Holzendorf, Karbow, Stülow gleichen diesen bis in das einzelne. Merkwürdigerweise fehlen sie in den großen Grabfunden von Alt=Sammit, Friedrichsruhe und Ruchow.

20. Ein Fingerring mit Spiralplatten von 2 cm Durchmesser; in drei Stücke gebrochen; ähnliche sind mehrmals in Kegelgräbern gefunden (vgl. Jahrb. 47, S. 268). Zu chronologischen Besimmungen sind sie nicht zu verwenden, da sie z. B. in Dänemark schon in

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der älteren Bronzezeit=M. II (S. Müller, a. a. O., 57), bei uns noch in der jüngeren (= M. IV/V) vorkommen, vgl. Jahrb. 51, S. 27.

21. Kleine halbrunde Hütchen, zerbrochen, erkennbar die Reste von vier, nach dem Fundbericht ursprünglich sieben; etwa 1,25 cm hoch. Die Befestigungsart ergiebt sich aus einem dem unsern fast ganz gleichen Funde, dem von Gädebehn, wo eine Anzahl gut erhaltener bewahrt sind; hier sind unten kleine einwärts gebogene Häkchen; die Hütchen sind also sicher als Schmuck auf Kleidern (Lederpanzern, Gürteln u. s. w.) aufgesetzt gewesen, der "Panzer" von Peckatel, Jahrb. 9, Tafel Abbildung 8 zeigt ähnliche, nur etwas rundere, noch an ihrer ursprünglichen Stelle; auch in Gräbern von Retzow sind gleiche gefunden (oben S. 124).

22. Eine große Nadel, zerbrochen in sechs Stücke und unvollständig. Beistehende Abbildung ist nach dem Funde von Karbow. Länge noch 36 (ursprünglich über 40) cm.

Nadel

Der Kopf ist platt (4 cm Durchmesser); unter ihm fünf verschieden starke umlaufende Wulste mit Längskerben. Diese großen Nadeln sind eine Besonderheit unserer Bronzegräber. Wir haben außer der besprochenen in Schwerin acht Exemplare aus Gesammtfunden, von denen die meisten aus Gräbern von ganz derselben Zusammenstellung wie das Boldebucker stammen und dadurch als Frauenschmuck gesichert werden (Gädebehn, Weisin, Karbow, Friedrichsruhe=Kannensberg C, Ruchow); dazu kommt noch der in Neu=Ruppin aufbewahrte ganz gleiche Grabfund von Bellin (Leichenbrand; Halskragen, Armringe, Handbergen; vgl. Quartalbericht 1895, S. 29). Auch in dem Grabe von Dabel (Jahrb. 22, S. 281) wird die Nadel nicht zu dem Leichnam, dem das Schwert u. s. w. gehörte, zu rechnen sein, sondern zu dem unmittelbar rechts davon gelegenen (nach der Lage der Fundstücke wahrscheinlich auch unverbrannt beigesetzten) weiblichen, so daß die Folgerungen von Lisch, der in den Nadeln eine Art Stecken (zum Antreiben der Pferde) zu sehen geneigt war, hinfällig werden. In einem Kegelgrabe von Rakow soll eine ähnliche Nadel neben Schwertern gefunden sein, (vgl. Frid.-Franc. S. 48. erster Bericht S. 9), doch fehlt ein ausreichender

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Ausgrabungsbericht, bei Zachow ist eine Nadel mit drei Dolchen gefunden, Dolche sind aber als Ausrüstung von Frauengräbern wohl bekannt.

Die Vertheilung dieser Nadeln ist nun recht merkwürdig; in Dänemark und Schleswig =Holstein fehlen sie gänzlich; ein Stück aus Lauenburg, S. Splieth 157 (dort zu M. IV gerechnet); aus Hannover eins von Barskamp (bei Lüneburg); aus Pommern ist ein interessantes, aber doch abweichendes und sicher lokales Stück bekannt (Glendelin, vgl. Pommersche Monatshefte 1889, Tafel II 2); ein dem Boldebucker ganz gleiches Exemplar stammt aus der Lausitz (Koschen, Berliner Merkbuch V, 33); an dieses schließen sich die sicher verwandten "Spindelnadeln" ebd. 35-37 aus Sachsen, Schlesien u. s. w. an. Etwas abweichend und wohl jünger ist das Stück aus Posen, Album prähist. Denkmäler I, 19 1. Gleiche oder ähnliche Nadeln kommen dann in Süddeutschland vor (vgl. Lindenschmit, Alterth. uns. heidn. Vorzeit I, IV, 4, 7 und 17, von Tröltsch, Fundstatistik 77a. S. auch R. Reinecke, Correspondenzblatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft 1900, S. 25.). Verwandte s. auch bei Naue, Bronzezeit S. 154 flgd., auch hier zum Theil älteren Funden angehörend. In Böhmen sind ähnliche Nadeln sehr häufig gefunden (Pič, fast auf jeder Tafel), zum Theil mit Sachen, die älter sind als unsere Periode III, zum Theil in Grabhügeln, die ihr genau entsprechen. Wir sind also wohl berechtigt, die besprochenen Nadeln als eine Nachahmung südlicher Stücke auf unserm Boden aufzufassen und damit als einen neuen Beleg für die Einwirkung der südlichen Bronzezeit auf Meklenburg, die stärker ist als auf die nördlich anschließenden Länder. Neben Handbergen, Halskragen mit Spiralstreifen und breitbändigen Fabeln erscheint die Scheibennadel als eine meklenburgische Charakterform dieser Periode.

23. Ein Dolch (oder Kurzschwert), zerbrochen in drei Stücke. 29 cm lang. Flache Griffzunge mit aufgehöhten Rändern und vier Nietlöchern, zwei Nietlöcher am Klingenansatz, leichter, flach gewölbter Mittelgrat. Die Form ist die übliche der Griffzungenschwerter (s. unten S. 172 u. s.); in so kleinen Dimensionen bisher hier nicht vertreten.

Ueberblicken wir den Fund als Ganzes, so bietet er eine ungemein reiche und einheitliche Ausstattung eines weiblichen Grabes aus der dritten Periode der Bronzezeit; er erinnert am meisten in seiner Zusammensetzung an die Ausstattung des Grabes C im Kannensberg von Friedrichsruhe (Jahrb. 47, S. 264);

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es fehlen in Boldebuck die dort auftretenden Perlen aus Glas und Bernstein, sowie die Goldringe, während in Friedrichsruhe die Tutuli und kegelförmigen Besatzstücke nicht vorkommen. Auch das haben die beiden Gräber gemeinsam, daß die Sachen offenbar gesammelte Beigaben verbrannter Leichen sind.

Anders ist der Charakter des zweiten Grabes. Hier hat eine Beerdigung stattgefunden, und zwar wahrscheinlich von zwei Leichen: die eine mit Doppelknopf (vgl. Blengow, unten S. 178) war wohl männlich, die andere weiblich. Die erhaltenen Stücke zeigen keine Brandspuren; sie haben eine helle, gleichmäßige Patina, leider sind sie sehr zerbrochen:

1. Ein gedrehter Halsring; vier Stücke, Enden und Verschluß nicht erhalten.

2. Zwei (oder drei?) größere Handringe; zehn zusammenhangslose Reste, dünner als gewöhnlich, innen flach, außen ganz leicht gewölbt; 1,25 cm hoch, verziert in der sehr beliebten Art mit schrägen Linienstreifen, deren Zwischenräume durch kleinere, die ersten rechtwinklig treffende Linien ausgefüllt sind (Abbildung oben S. 119).

3. Ein (oder zwei?) kleinerer Handring; nur 1 cm hoch, sonst dem vorigen gleich.

Ein zeitlicher Unterschied zwischen Grab I und II ist nicht zu machen. Der Wechsel von Beerdigung und Leichenbrand, selbst in derselben Gräbergruppe, ist hinlänglich belegt.

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Kegelgrab von Ganschow (bei Güstrow).
(Katalog= Nummer Br. 259, 260.)

Ganschow liegt südlich von Güstrow in jener Gegend, die an Bronzegräbern vielleicht die reichste im Lande ist und wo fast jedes Dorf bronzezeitliche Erscheinungen aufzuweisen hat. Auf der Hufe des Erbpächters Gratopp befand sich ein niedriger Hügel, der immer weiter niedergeackert wurde. Auf seinem Grunde stieß man auf Steine, und zwischen diesen wurden einige Bronzen gefunden, die Gratopp im Oktober 1889 dem Großherzoglichen Museum übersandt hat. Sie haben eine helle Patina und zeigen tiefe Risse und Sprünge; die Bronze innen hat eine röthliche Färbung angenommen. Die Stücke sind:

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1-2. Zwei ganz gleiche Handringe, innen und außen leicht gewölbt, die obere Seite des einen zeigt eine scharf kantige gerade Fläche, während die des anderen rundlich ist. Diese garnicht selten vorkommende Erscheinung weist darauf hin, daß solche Ringe an einem Arm über einander getragen sind. (Ein Beispiel vgl. unten S. 150.) Die Enden schließen glatt und gerade ab. Durchmesser 6,5 und 5, Höhe 1,30 cm. Die Verzierung besteht in dem bekannten Motiv der Streifen, das uns hier (S. 119 u. s.) schon wiederholt begegnet und das überhaupt das häufigste in dieser Periode ist.

3. Eine Windung einer Handberge der gewöhnlichen Form.

Ueber die Beisetzung des Leichnams ergiebt sich aus den Stücken nichts; weibliche Schmuckgarnituren kommen bei verbrannten (Friedrichsruhe, Boldebuck) und unverbrannten (Stülow) Leichen vor. Auch dieses Grab gehört sicher in die zahlreiche Gruppe der Frauengräber M. III.

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Kegelgrab (?) von Vogelsang (bei Güstrow).
(Katalog=Nummer Br. 560, 561.)

Im Jahre 1869 sind bei Vogelsang in einem aufgeworfenen Haufen Erde, über dessen Herkunft nichts weiter beobachtet ist, einige Bronzen und ein Spiralring von Gold gefunden, vgl. Jahrb. 36, S. 140. Der Sohn des damaligen Besitzers, Herr Bernhard Rudloff in Rostock, hat einige Stücke bewahrt und im Dezember 1901 der Großherzoglichen Sammlung überlassen. Die Sachen zeigen eine starke, z. Th. glänzende dunkle Patina und alte Bruchstellen. Daß sie einem Grabe entstammen, ist nur wahrscheinlich. Es sind:

1. Eine Anzahl Reste einer Schmuckdose mit flachem Boden und flachem (unverziertem) Deckel; der Durchmesser wird etwa 8 cm betragen haben. Die Verzierung ist außerordentlich schön: am Rande längliche Lappen, dann ein Streifen konzentrischer Linien z. Th. mit Strichelungen, nach der Mitte zu Halbkreise; das Ganze im Charakter der großen und schönen Schmuckschale von Kritzmow (Jahrb. 37, S. 199. Vorgeschichte S. 55 und 58). Vgl. S. Müller 123,124; Montelius 64, angebend M. III.

2. Drei Reste eines großen Halsrings mit nachgeahmter Torsion; 1 cm dick; gleich dem von Turloff oben S. 131.

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Flachgräber von Dobbin (bei Krakow).
(Katalog=Nummer Br. 433-437.)

Die Feldmark von Dobbin gehört schon seit längerer Zeit zu den ergiebigsten an Alterthumsfunden: steinzeitliche Hünengräber und mehrere Einzelfunde, ein ausgedehntes jungbronzezeitliches Urnenfeld, eine ausgezeichnet schöne römische Bronzeschale und ein wendischer Burgwall sind Reste der Besiedelung aus den verschiedensten vorgeschichtlichen Perioden. Vieles war noch im Boden verborgen. Da traf im Winter 1896 auf 1897 diese noch nicht gehobenen Schätze das Unheil, daß eine Chaussee gebaut und der Boden berufsmäßigen Steinschlägern zur Ausbeutung überlassen wurde. Dabei ist das Urnenfeld fast ganz zerstört; von Herrn Ministerialrath H. Krause, damals Amtsrichter in Plau, benachrichtigt, habe ich am 22. und 23. April 1897 durch Ausgrabung unberührter Stellen zu retten gesucht, was zu retten war. Die Ausgrabung bezog sich zunächst auf das Urnenfeld bei der Mühle am Einflusse der Nebel in den Krakower See, welches schon seit Jahren (1845) bekannt ist und Funde ergeben hat (vgl. Jahrb. 11, S. 377). Die dort gemachten Funde werden in anderem Zusammenhange behandelt werden, da das Grabfeld als ganzes einer jüngeren Periode als der hier zu besprechenden angehört. Neu bekannt wurde dagegen eine zweite Grabstelle, welche ich mit dankenswerther Unterstützung des Herrn v. Brocken, des damaligen Besitzers, und des Herrn Lorenz in Krakow untersuchen konnte. Der Ort liegt von dem Urnenfelde etwa 1 1/2 km nördlich (1 km westlich vom Hof Dobbin), auf hügeligem Gelände und bildet eine Bergkuppe, die als "hilge Barg" (Heiligenberg) bekannt war; sie erhebt sich 6-7 m über das umgebende Ackerland und ist mit Ulmen bestanden. Die obere Fläche ist fast eben und bildet ein Oval von 44 m in nordsüdlicher und 37 m in ostwestlicher Richtung. Der Boden ist mit Steinen durchsetzter Lehm. Hier ist man in geringer Tiefe (30-50 cm) auf Steine gestoßen, die sich als Grabanlagen herausstellten. Bei meiner Ankunft war das Verwüstungswerk der Steinschläger noch im Gange, und ich konnte daher zwei noch unbeschädigte Graber aufdecken. Aus den Angaben der Leute und den Vertiefungen, die im Boden geblieben waren, auch einigen Resten von Steinsetzungen ergab sich, daß hier im ganzen acht Gräber gelegen hatten, sechs in nordsüdlicher Reihe mit westöstlicher Orientirung, die äußersten etwa 8 m vom Ende entfernt, also über eine Strecke von 28 m hin, und zwar über diese ungleichmäßig vertheilt;

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zwei lagen zur Seite, ziemlich in der Mitte, also mit nordsüdlicher Orientirung. Die gut erhaltenen Gräber waren die beiden südlichsten. Wir geben daher die Aufzählung vom Süden her:

Grab I. In den Urboden etwa 1,25 m tief war eine flache Mulde gegraben, diese mit faustgroßen Steinen gepflastert und mit einer festen Lehmschicht versehen. Darauf lag der Leichnam, noch leidlich erhalten und in seiner Lagerung deutlich erkennbar: der Kopf im Westen, die Arme zur Seite, die Füße übereinander. In der Gegend der linken Hand fanden sich zwei kleinere bronzene Handringe, zu Füßen zwei Stachelknöpfe, links von den Füßen die zerdrückten Scherben von mehreren (vier?) Thongefäßen. Der Grabraum war eingefaßt mit mauerartig geschichteten Steinen (drei bis vier Lagen über einander) und abgedeckt mit einer kleinen Steinhäufung; die Länge betrug (außen) 3 m, die Breite etwa 1,75 m.

Grab II. 7 m von I nördlich anders gebaut; aufrecht stehende glatte Steine von etwa 60 cm Höhe umschließen im Rechteck einen flachen Steindamm; am Ostende statt der abschließenden Seite eine kleine rundliche Steinsetzung; einige Steine zur Ueberdeckung; Länge 2,5 m, Breite 1,25 m. Auf dem Damme einige Knochenspuren. Wir haben also wohl einen beerdigten, ohne jede Beigabe gelassenen Leichnam vor uns.

Grab III bis V. Bis auf wenige Steine, aus deren Lagerung hervorgeht, daß es dem ersten geglichen haben wird, zerstört; nach Aussage der Arbeiter war die Ausbeute an Steinen nicht bedeutend, es können die Grabstellen also nur mit kleinen Steinhaufen überdeckt gewesen sein.

Grab VI. Das nördlichste, erhalten noch die nördliche Seitenwand, ganz gleich der des ersten Grabes; hier wurde zwischen den Steinen, anscheinend in der Fußgegend des Beerdigten, ein bronzenes Messer gefunden.

Grab VII. Westlich von Grab IV (nördlich gerichtet), etwas rundlicher als die anderen, sonst zur Unkenntlichkeit zerstört.

Grab VIII. Oestlich von Grab IV, ebenfalls nordsüdlich, der Anlage nach Grab II gleichend, aber auch schon zerstört.

Ueber die gefundenen Altsachen ist zu bemerken:

1. 2. Zwei Doppelknöpfe mit Stachel, sehr zerbrochen, aber in ihrer Form deutlich erkennbar. Abbildung umstehend. Die obere Platte ist am Rande mit einem gestrichelten Saum verziert und hat fünf Einkerbungen. Der Stachel enthält zwei umlaufende Strichbänder und schließt oben in einer kleinen Scheibe. Höhe etwa 3 1/2 cm.

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Ueber die hier aufbewahrten Stachelknöpfe ist Jahrb. 51, S. 28 gesprochen.

Doppelknopf

Es gehörte dazu ein auf dem Dobbiner Urnenfelde gefundenes Stück. Alle dort aufgezählten mußten nach den Fundverhältnissen der jüngeren Bronzezeit zugeschrieben werden. Daß die Form dieser Periode aber nicht eigenthümlich ist, sondern schon früher vorkommt, ergiebt sich aus den Funden von Slate (4048, Jahrb. 33, S. 132), wo ein dem unsern recht ähnliches Stück der Leichenbrandurne eines Grabhügels der ausgesprochenen dritten Periode entnommen ist, und Stülow und Zepkow, worüber unten weiter gesprochen werden soll. Auch Montelius zählt den Typus (Tidsbestämning 65) seiner dritten Periode zu, und S. Müller 207 führt aus, daß sie in Dänemark dem Ende der älteren Bronzezeit und dem Anfang der jüngeren angehören. Ebenso wird es bei uns sein, und es bleibe nicht unbemerkt, daß diese Form in unseren reich ausgestatteten Gräbern der dritten Periode, wo doch Doppelknöpfe (als Gürtelschließen) ganz allgemein im Gebrauch sind, mit Ausnahme des von Stülow, ganz fehlt, also ein relativ junges Alter wahrscheinlich wird.

3. 4. Zwei Handringe, stark verbogen und nur in Resten erhalten; ungleich, klein, der eine von rundem Durchmesser, der andere innen glatt, außen gewölbt, verziert nur an den Enden mit feinen Geradstrichen und einer leichten Erhöhung nahe der Oeffnung. Die Ringe sind im Vergleich zu der großen Masse zart und klein, ähnlich denen von Steinbeck (Friderico-Francisceum, S. 54), Malchin (Jahrb. 1 B, S. 12), Püttelkow (Jahrb. 6 B, S. 33), Ruthenbeck (s. o. S. 112) und Zepkow (s. u. S. 170), alles Gräber der dritten Periode. Uebrigens scheint die Form auch in den gleichstufigen böhmischen Gräbern eine Hauptform zu sein (Nachrichten bei Pič zahlreich). Innerhalb der Periode M. III aber wird diese Ringform, die sich schon den Stollenringen der vierten nähert, eine ganz junge Stellung einnehmen.

Bronzemesser

5. Ein Bronzemesser, der Griff gerade, an den Enden sich flügelartig erweiternd, mit hohen Rändern und vertieftem

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Mittelste zur Aufnahme eines Griffbelages und drei Nietlöchern; die Klinge stark geschweift, mit gewölbtem Rücken und in die Höhe gebogener Spitze; zwischen Klinge und Griff vier umlaufende Erhöhungen, die beiden äußern gestrichelt. Der Rücken und die Aufhebungen der Klinge sind reich mit Strichornamenten in dem Geschmack der Bronzeringe verziert. Ganze Länge 27 cm, Länge der Klinge 1 cm. Ueber die zeitliche Stellung s. unten.

6. Die Thongefäße waren leider zerdrückt. Sie bestanden aus der üblichen Masse und zeigten die übliche hellbraunröthliche Oberfläche. Erkennbar ist z. Th. ein Henkelgefäß mit steilem Rande, Schrägkerben an der Schulter und drei Grübchen unter dem Henkel, und ein einfacheres Henkelgefäß mit nach außen gebogenem Rande.

Die Grabanlage ist von besonderem Interesse. Nichts weist darauf hin, daß über den Gräbern einst ein größerer Hügel errichtet gewesen ist, wir haben sie als Flachgräber zu bezeichnen, die in einem natürlichen Hügel in natürlichem Boden angelegt sind. Das ist eine auf dem Gebiete der nordischen Bronzezeit bisher kaum beobachtete Erscheinung. Was man in Meklenburg hierher zählen konnte, ist meist mehrdeutig.

1. Reinstorf bei Bützow Jahrb. 4 B S. 37): "auf einem natürlichen Abhang in einer Tiefe von 4 Fuß, . . . in einen dunkel gefärbten 4 1/2 Fuß langen Erdstrich gehüllt, der von Osten nach Westen laufend 1 bis 2 " hoch und 5 bis 6 " breit war": eine Anzahl Ringe und ein Tutulus, alle vom Typus M. III. Erwähnt wird auch eine "Aschenurne", von Gebeinen ist nicht die Rede. Ob also ein Flachgrab mit Beerdigung (Typus Dobbin) oder Leichenbrand (Typus Sarmstorf oben S. 139) vorliegt, muß leider dahingestellt bleiben.

2. Pisede bei Malchin (Jahrb. 21, S. 234): "Begräbnisplatz von 70' und 50' Durchmesser mit ganz flacher Erhebung", darin angeblich Brandurnengräber mit einzelnen Bronzen und ein Skelettgrab mit schönen Bronzen, Typus M. III. Der Hügel soll früher höher gewesen sein; es kann sich also auch um ein niedergearbeitetes Kegelgrab handeln.

3. Parchim (Jahrb. 29, S. 182). Auf einem eisenzeitlichen Urnenfelde in flachem Boden und in gleicher Lagerung wie die Urnen zwei bronzene Armringe, die auf ein früheres bronzezeitliches Grab schließen lassen; da der Boden schon gestört ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, daß der Fund hierher gehört.

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4. Lankow bei Schwerin (erster Bericht S. 12): "beim Steinbrechen unter Steinen, . . . der Begräbnißplatz bildete eine große kreisförmige Mauer aus Feldsteinen, an deren innerem Rande die einzelnen Begräbnisse mit den Urnen standen, welche jedoch alle zertrümmert waren. In den Urnen waren gefunden": Tutulus, Hals= und Handringe aus Bronze, ganz wie die oben erwähnten von Reinstorf, also M. III. Auf den Passus des Berichtes "in den Urnen" ist nichts zu geben; die Anschauung, daß, wo Altsachen und Urnen zusammen gefunden sind, die Sachen in den Urnen gelegen haben müßten, durchzieht alle unsere älteren Publikationen, ebenso wie eine ganz unberechtigte Ausdehnung des Leichenbrandes (selbst für die Steinzeit!), und die Angaben sind daher von Fall zu Fall auf ihre Wahrscheinlichkeit zu prüfen. Diese ist nun hier sehr gering. Ist der Bericht wörtlich richtig, so handelt es sich hier um ein Urnenfeld schon in der dritten Periode, eine ja nicht undenkbare, aber doch bisher durch nichts belegte Erscheinung; Leichenbrandurnen mit Inhalt sind in dieser Periode bei uns überhaupt noch sehr selten und finden sich nur in Hügeln (vergl. Basedow); es ist demnach ebenso wahrscheinlich, daß das Lankower Grab zu den Flachgräbern mit Beerdigung (Typus Dobbin) zu rechnen ist, und mit allem Vorbehalt sei es darum hier mit aufgezählt.

5. Loiz bei Sternberg s. S. 135.

Wir haben also in dem Dobbiner Grabtypus eine im Wesentlichen neue Erscheinung, die in den Entwickelungsgang der Grabgebräuche einzureihen oder, bescheidener gesagt, deren Zusammenhang mit den andern zu bestimmen unsere Aufgabe ist. Daß das künstlich auf getragene Hügelgrab, das "Kegelgrab" Lischens mit überwiegender Bestattung, die typische Grabform unserer älteren Bronzezeit (M. II/III) ist, ist unbestritten. Wie es entstanden ist, wissen wir noch nicht. Gräber aus der ersten Periode der Bronzezeit fehlen ja zur Zeit noch fast ganz (s. unten S. 194 Warrenzin), werden aber hier wie sonst in Norddeutschland niedrige Hügelgräber gewesen sein. Anknüpfungen an die Steinzeit sind nicht vorhanden. Aber wie es sich gegen den Schluß der Periode zu verändert hat, ist deutlich erkennbar. An Stelle der Bestattung in künstlichen Hügeln tritt die in natürlichen, der Leichenbrand ersetzt die Bestattung und zwar so, daß zunächst die Form des Körpergrabes beibehalten wird. später die Gebeine in einer Urne gesammelt werden. So ergeben sich zahlreiche Kombinationen, die etwa

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folgende Schema ausdrückt, wobei die typischen Fundstellen aus den von uns hier besprochenen Gräbern gewählt sind.

  Form des Körpergrabes Urne
  mit beerdigten Leichen mit verbrannten Leichen mit verbranntem Leichnam
künstliche Hügel "Kegelgrab" Radelübbe u. s. w. Alt=Meteln Basedow
Natürliche Hügel Dobbin Sarmstorf Sarmstorf?
Flacher Boden Loiz   "Urnenfeld" (erst in der jüngeren Bronzezeit üblich)

Wir haben also in der III. Periode sechs (oder sieben?) verschiedene Grabformen; diese werden schwerlich neben einander hergehen, aber wie sie zeitlich zu trennen sind, dafür sind noch weitere genauere Untersuchungen nöthig. Es erübrigt hier nur noch eine bestimmtere chronologische Fixirung des Dobbiner Grabes zu geben. Nach den besprochenen Typen steht es auf der Grenze von M. III zu IV. Wenn wir es hier unter III besprechen, so veranlaßt uns besonders die Grabform. Von besonderer Bedeutung erscheint da der Messertypus. Man bezeichnet diese sehr charakteristischen, geschweiften, mit scharfer Spitze in die Höhe gebogenen Klingen wohl als "Schweizer Pfahlbautypus", da sie dort in Massen gefunden werden und im Norden sicher zum großen Theil Importstücke sind. (Vgl. z. B. Heierli, Vorgeschichte der Schweiz S. 215, Fig. 179 ein dem unsern fast ganz gleicher Messer aus dem berühmten Pfahlbau von Wollishofen bei Zürich.) Daß diese Schweizer Pfahlbauten im ganzen jünger sind als unsere dritte Periode, daß sie der vierten zeitlich gleichzustellen sind und daß die große Anzahl nordischer Nachbildungen solcher Messer noch jünger sind (Periode V), ergiebt eine jede Statistik der Bronzefunde (vgl. z. B. Splieths Inventar, vergleiche auch Naue, S. 100 flgd., Müller, 183). Auch in Ungarn scheinen sie in einem unserer

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fünften Periode entsprechenden Abschnitt zu gehören (Arch. Ertesitö 1896, S. 383, Reineckes Periode IV Schluß, S. 329, Abb. 20). Doch brauchen wir damit unser Dobbiner Grab noch nicht in die vierte Periode zu rücken, wo es eine ganzsel seltsame Ausnahmestellung einnehmen müßte, da damals der Leichenbrand bei uns wie überall in kulturell verwandten Gebieten zu unbestrittenem Siege gelangt ist. Es kam der Typus des geschweiften Messers, besonders die Form mit Griffzunge, wie wir sie hier vor uns haben, und einer Ornamentation, die ganz der der Armringe der dritten Periode entspricht, einer etwas älteren Periode entstammen. So findet er sich in Italien im Pfahlbau von peschiera (Montelius, Civilisation primitive de l'Italie 5, 11) mit einem Inventar, das sicher älter ist, als die vierte nordische Periode (Montelius, dritte italienische Periode), und in Ober=Bayern in Gräbern der Naueschen jüngeren Bronzezeit (vgl. a. a. O. Tafel 13, 6), die unserer dritten Periode entspricht. Ich würde also kein Bedenken sehen, das Dobbiner Grab noch in jene Periode zu versetzen und damit der hier behandelten Gruppe anzugliedern. Es liegt überhaupt nicht so, daß unsere jüngere Bronzezeit, beginnend mit M. IV, chronologisch zugleich mit der Schweizer Pfahlbautenkultur (den Larnaudien der Franzosen), der älteren Hallstattzeit, dem italischen Villanova einsetzte, sondern es finden sich Importstücke dieser Kulturperioden schon am Ende unserer älteren Bronzezeit (M. III); es sei hier nur wiederholt auf den Fund von Skallerup (Seeland) hingewiesen, wo ein bronzener Kesselwagen, ähnlich dem von Peckatel, aber mit Hallstattvogel und französisch=schweizerischem Klappermerk (wie z. B. Groß, Protohelvètes 14, 11. 12. 43, de Mortillet, Musée préhistorique 961) in einem nach der ganzen Ausstattung (Pferdekopfmesser, Goldring mit glatten Enden, Bronzeschwert mit Griffzunge) und Anlage (Form des Körpergrabes mit Leichenbrand) unzweifelhaft dem Ende der Periode III angehörenden Grabhügel gefunden ist. (Vgl. Blinkenberg, Aarböger 1895, S. 360 flgd. Mémoires des antiquaires du Nord 1896, S. 70 flgd.)

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Kegelgrab von Liepen (bei Malchow).
(Katalog= Nummer Br. 472-476.)

Im Sommer 1898 trug der Erbpächter Niehusen in Liepen einen Steinhaufen auf seinem Felde ab und fand darunter ein größeres Thongefäß, welches zerbrach und nicht weiter be=

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achtet wurde und in welchem ein kleines wohl erhaltenes lag. Dabei lagen mehrere bronzene Gegenstände mit heller, ziemlich tief gehender Patina. Es handelt sich offenbar um ein zerstörtes Grab, dessen Anlage nicht mehr bestimmbar ist, das aber sicher einer Frau angehört hat. Ob die Gegenstände mit den Resten der Leiche in dem großen Gefäße gelegen haben, wie in dem gleich zu besprechenden Falle von Basedow, oder wie die Leiche sonst bestattet ist, bleibt ungewiß. Die jetzt im Großherzoglichen Museum aufbewahrten Gegenstände sind:

1. Eine Handberge, zerbrochen, aber in Stücken erhalten. Die Spiralscheiben bestehen aus neun Windungen und haben 7 cm Durchmesser, der Bügel hat 7 bezw. 5 1/2 cm Durchmesser und eine von der großen Mehrzahl der Handbergen unterschiedene Ornamentirung, nämlich Schrägstreifen aus zarten Linien, die in der Längsachse in scharfen Winkeln zusammenstoßen; eine Verzierungsart, wie wir sie oben S. 99 bei dem Handringe von Perlin zu besprechen hatten; Beispiele hierfür sind S. 111 gegeben.

2. Ein Handring, zur Hälfte erhalten, mit rundem Querschnitt, verziert mit leichten Strichstreifen ähnlich den Dobbiner Ringen (oben S. 151).

3. Eine kleine Spiralscheibe von 1,25 cm Durchmesser, wohl der Rest einer Fibel.

4. Eine Dolchklinge, zerbrochen, aber in Stücken fast ganz erhalten; länglich mit flachem schwachem Mittelgrate, oben rundlich schließend, mit drei Nietlöchern (1 Niete erhalten). Länge 16 cm, größte Breite 2,25 cm. Zur Form s. oben S. 109.

5. Ein kleines Thongefäß; mit scharf absetzendem Halse, kleinen Henkelösen an der größten Ausweitung, flacher Standfläche. Höhe 10 cm, Durchmesser der Oeffnung 6,25 cm, Durchmesser des Bodens 4,5 cm, größter Umfang

Thongefäß
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27 cm (also größte Weite 8,75 cm). Farbe schwärzlich. Sehr ähnliche Beigefäße aus gleicher Zeit sind in Friedrichsruhe (Kannensberg) und Basedow (s. unten S. 164) gefunden.

Das Liepener Grab gehört geographisch zu jener sehr großen Gruppe von Gräbern, die in einem breiten Streifen von Waren bis Lalendorf etwa sich erstrecken. Auch sonst sind bei Liepen schon Gräber angetroffen und haben gleichartige Funde ergeben. Im Museum von Güstrow (Rr. 292 a-d) liegen ohne näheren Fundbericht, mit dem Vermerk "Angekauft von einem Unteroffizier, der ihn auf dem Manöver selbst erworben hat 1892":

1. Eine Handberge, schön, groß, allerdings verbogen. Die Form ist die übliche, der Bügel hat, wie gewöhnlich, Schräglinienverzierung; die Platten haben 11 Spiralwindungen und 9,5 cm Durchmesser.

2. Eine Dolchklinge mit hohem Grat und spitzer Griffangel, ähnlich denen von Regreß u. s. w. s. oben S. 102, in vier Stücke zerbrochen, aber beschädigt, noch 19 cm lang.

Während diese beiden Gegenstände keine Spur von Brandeinwirkung zeigen, sind die folgenden stark verbogen und zum Theil zur Unkenntlichkeit zerschmolzen:

3. Ein Tutulus, klein, flach, mit stumpfer Spitze.

4. Reste eines "Diadems" (Halskragen) mit den üblichen Spiralverzierungen.

5. Armringe mit Kerben verziert, von der bei dem Boldebucker Funde besprochenen Form (S. 143).

6. Reste einer Handberge.

7. Rest eines Dolchmessers.

Außerdem ein kleines becherartiges Thongefäß mit schmaler Standfläche und weiter scharfrandiger Oeffnung. Höhe 7 cm, Durchmesser der Oeffnung 7 cm, des Bodens 4,5 cm.

Wahrscheinlich lag das Gefäß als Beigabe in einer größeren Urne, welche die Leichenbrandreste barg, ähnlich wie bei Basedow (unten S. 163) und wohl auch Sarmstorf (oben S. 140). Es ist anzunehmen, daß die Güstrower Stücke zwei verschiedenen Gräbern angehören, einem Körpergrabe und einem Brandgrabe; beide werden Frauen angehört haben; Handberge und Dolchmesser gehören ganz allgemein zu der weiblichen Aufrüstung; daß sie demselben Grabfelde und derselben Zeit (M; III), wie die in Schwerin befindlichen entstammen, ergiebt der Charakter der Gegenstände und die Patina.

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Kegelgrab von Hallalit (bei Teterow).

Auf dem Felde südlich von Hallalit liegen eine größere Anzahl niedriger Hügel, meist mit Bäumen und Gebüsch bewachsen, zum Theil auch schon in Folge der Ackerkultur zu flachen Bodenwellen niedergeackert, die sicher alle vorgeschichtliche, und zwar bronzezeitliche Gräber bergen. Ein früher durchgrabener hat fünf Thongefäße und einen bronzenen Dolch ergeben, Sachen, deren Verbleib nicht bekannt ist. Ich zählte noch dreizehn solcher Hügel. Sie alle werden überragt von einem sehr stattlichen Grabe, welches, auf ansteigendem Gelände gelegen, mit alten Eichen bestanden ist, und auf der einen Seite mit steilen Wänden seine ursprüngliche, annähernd kegelförmige Gestalt noch bewahrend, ein so schönes Bild bronzezeitlicher Grabanlage giebt, mie man sie nur noch selten sieht. Der Hügel wird der "Königsberg" genannt nach der Sage, daß ein König darin begraben sei. Einer sehr freundlichen Einladung des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe folgend und mit dessen Unterstützung habe ich am 8. und 9. Juni 1900 das auch inhaltlich hervorragenbe Grab durchgraben, dessen Ausbeute in Vollrathsruhe aufbewahrt wird. An der Ausgrabung nahm auch der durch seine Untersuchungen der steinzeitlichen Gräber im Weichselgebiet und seine Studien im Kaukasus rühmlichst bekannte Herr General von Erkert Exc. Theil.

Der Umfang des Grabes ließ sich durch einen, wenn auch nicht mehr vollständigen Kranz von Umfassungssteinen, die an seinem Fuße stehen, bestimmen. Der Durchmesser betrug darnach annähernd 22 m; eine genaue Bestimmung der Höhe ist nicht möglich, da das Grab auf einer natürlichen Erhebung liegt und die Umfassungssteine nicht in einer Ebene liegen; sie beträgt 4 bis 5 m.

Bei der Ausgrabung stellte sich heraus, daß nicht der ganze Hügel aufgetragen war, sondern hier wie in so vielen anderen Fällen (vgl. oben S. 93 Upahl u. s. w.) eine natürliche Bodenerhebung benutzt war. Der Urboden wurde in 2,50 m Tiefe erreicht. Die alte Bodenoberfläche hob sich deutlich ab, nicht nur durch die natürliche Schichtung, sondern auch durch dicke Brandschichten, die ihn auf einem großen Theile seiner Fläche bedeckten. In diesen Brandschichten, zum Theil auch zerstreut auf dem Boden lagen zahlreiche zerbrannte Gebeine, offenbar Reste von Todtenopfern, die nach der Versenkung des Todten und vor

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Aufhebung des Hügels dargebracht waren. In den Urboden hinein war eine Grube mit abgeschrägten Wänden gegraben und in dieser, genau unter dem Mittelpunkte des Hügels, fand sich das Grab, etwas über 4 m tief, also etwa 1,5 m unter dem ursprünglichen Boden. Das Grab war überdeckt mit einem Steinhaufen, der die ganze Grube füllte. So weit stimmt die Anlage genau mit der des Grabes von Blengow, von der unten S. 175 eine schematische Skizze gegeben ist. Aber während dort der Hügelauftrag aus Erde besteht, ist hier über dem Niveau des Urbodens ein Steinkegel aufgeschüttet, und erst dieser ist mit einem Erdmantel umkleidet. Die Steine gehen bis fast unmittelbar unter die jetzige Oberfläche.

Auch die Art der Beisetzung ist eine andere. Von einem Holzsarge fand sich hier keine Spur. Dafür war in der Tiefe durch aufrecht stehende flache Steine von etwa 80 cm Höhe ein rundlicher Raum von 2,50 m Länge (nordsüdlich) und 1,80 m Breite gebildet, in dem auf einem Steinpflaster die Bettung des Beerdigten stattgefunden hat. Knochenreste lagen in ostwestlicher Richtung, aber zu wenig, um genaueres bestimmen zu können.

Nach der Lage der Beigaben scheint er nach Osten blickend beigesetzt zu sein. Es fanden sich nämlich ziemlich in der Mitte des Grabes ein spiraliger Fingerring aus Bronze; 60 cm davon nach Südost ein Messer in einer Scheide von Holz und Leder, von seltener Form; der Rücken ist gekrümmt, die Spitze aber leicht nach oben gebogen, das Griffende wird gebildet durch eine Griffzunge mit zwei Nietlöchern. Noch etwas weiter östlich eine durchbohrte Bernsteinscheibe, flach, groß, sodann ganz am Rande des Grabes ein merkwürdiges Thongefäß.

Diese Lage der Beigaben erklärt sich am einfachsten so, daß der Beerdigte an der linken Hand einen Ring trug, an der rechten Seite das Messer und daß ihm, wie in vielen anderen Fällen (vgl. Blengow), ein Thongefäß zu Füßen gestellt wurde. So bleibt nur die Lage der Bernsteinscheibe unerklärt.

Zu den Fundstücken sei noch bemerkt:

1. Das Thongefäß ist sehr groß und in viele Stücke zertrümmert; erkennen läßt sich aber doch noch, daß es von einer verhältnißmäßig schmalen Standfläche sich stark ausbaucht, dann zu einem mäßig hohen Halse zusammenzieht und dieser in einen starken (6 cm breiten) nach außen gebogenen Rand ausladet. Die Farbe ist schwarz, an der Wandung sind tiefe Strichverzierungen, Streifen aus schrägen, sich treffenden Parallelstrichen, und Punkte. Die Form ist der nordischen Bronzezeit fremd; wir

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können höchstens ein bei Slate gefundenes Buckelgefäß als Analogon anführen vom Charakter der älteren Lausitzer Keramik (Jentsch, Niederlausitzer Mitteilungen II, 1892, Tafel I, oben links). Dagegen finden sich Aehnlichkeiten im Gebiete der südlichen Bronzezeit (z. B. Gemeinlebarn in Oesterreich); vgl. über diesen Zusammenhang die Ausführungen von Reinecke, Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1900, S. 26, der, sicher mit Recht, das Vorbild für den ausgebogenen Rand in Metallgefäßen wie in dem Wagen von Peckatel sieht. Ueber Süddeutschland vgl. Naue, S. 210 flgd. Das Gefäß gehört einer jüngeren Periode an und kann nicht älter sein als M. III.

2. Das Messer erinnert an die bei Naue, TafeI XVI flgd. abgebildeten, S. 102 flgd. besprochenen Typen und hat schon Aehnlichkeit mit der jungbronzezeitlichen Form des "Pfahlbaumessers"; es ist ebenfalls höchstens der Periode M. III zuzuschreiben. Das Grab ist demnach dem Blengower und andern, denen es im Aufbau gleicht, auch zeitlich gleichzusehen.


Am Ostende der Abdeckung, kaum 30 cm unter der Oberfläche, fand sich eine aus Steinplatten regelmäßig gesetzte Steinkiste von 1,30 m Länge (nordnordwest=südsüdöstlich), 0,45 m Breite und 0,50 m Höhe. Darin stand:

1. Eine größere Urne mit gewölbter Wandung und schmälerem Hals, etwa von der Form der Urne von Loiz, Vorgeschichte, S. 83, Abbildung 139. Sie war gefüllt mit zerbrannten Gebeinen; zwischen diesen lagen: eine einfache Bronzenadel ohne Kopf und eine Bronzenadel mit Einbiegung, ähnlich der Vorgeschichte, S. 90, 148 abgebildeten.

2. Ein leeres Thongefäß, ähnlich dem Vorgeschichte, S. 82, 136 abgebildeten. Die Gegenstände gehören ebenso wie die Bestattungsart der jüngeren Bronzezeit an, und die Steinkiste stellt offenbar eine Nachbestattung aus dieser Periode dar.


Südwestlich an diesen großen Hügel schloß sich, mit dem Rande ihn berührend, ein wesentlich kleinerer, bei dem sich nach der Durchgrabung eine Höhe von 1,50, ein Durchmesser von 9,80 m ergab. Der größte Theil des Hügels, etwa 1,50 m vom jetzigen Rande bis fast zur Spitze, bestand aus einer Steinschichtung. Auf dem Grunde derselben fand sich ein Steinpflaster und hierauf ein Röhrenknochen ohne Brandspuren. Der Todte ist also auch hier beerdigt.

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Eine wichtige Beobachtung wurde am Südende gemacht. Im Mantel des Hügels, etwa 1,50 m vom Rande außerhalb der Steinhäufung lagen eine Anzahl Bronzen, die wohl als Weihegaben für den im Hügel Beerdigten oder, wie wir sehen werden, die Beerdigte aufzufassen sind.

Schon 30 cm unter der Oberfläche stieß man auf eine starke Brandschicht auf einem Steinpflaster mit Kohlen und angebrannten Thierknochen, die anscheinend von einer Mahlzeit herrührten; die Brandschicht war etwa 20 cm dick und über 1 m breit. In ihr lagen vermengt mit den Kohlen u. s. w. eine Menge interessanter Dinge, die aber anscheinend dem Brande nicht ausgesetzt waren, nämlich:

1. Eine kleine dreieckige Dolchklinge mit Spitze und zwei Nieten, ohne Mittelgrat; alte Form.

2. Eine Dolchklinge mit Schaftzunge, gleich den oben S. 102 bei Pogreß besprochenen Stücken.

3. Ein Celt mit Schaftrinne von der bekannten oben S. 101 besprochenen Form.

4. Ein Tutulus seltener Form, spitzer massiver Kegel, mit runder Fußplatte und Steg.

5. Ein Halskragen ("Diadem") mit Längsrippen.

6. Ein großer Spiralarmring aus breitem Bronzebande von 3 Windungen mit Spiralen an den Enden. Es ist die Reinecke S. 241, 4 abgebildete Form; auch Jahrb. 61, S. 233 besprochen (die dort gegebene Zuweisung in die jüngere Bronzezeit ist irrig). Die Ringe gehören einer relativ alten Periode (M. II) an; vgl. dazu Schumann, Nachr. über deutsche Alterthumsfunde 1897, S. 9. In einem Grabe ist hier bisher ein solcher Ring nur einmal gefunden, bei Schwasdorf (Frid. Franc. XXI, 5 Text S. 135), merkwürdiger Weise auch zusammen mit einem Hängeschmuck = Nr. 8.

7. Eine große Anzahl kleiner Spiralröllchen; diese steckten in der Höhlung des Spiralarmringes fest, die sie fast ganz füllten.

8. Hängeschmuck, fünf Scheiben mit erhabenen konzentrischen Ringen und einer zurückgebogenen Oese, sehr wahrscheinlich zusammengehörend mit den Spiralröllchen, mit denen sie einen Halsschmuck gebildet haben werden. Dieses im Süden weit verbreitete Stück (vgl. z. B. Reinecke, S. 241, 6, Periode II) kommt auch in Pommern oft vor, auch dort M. II angehörend, erscheint auch in Hannover (bei Uelzen, s. von Estorff, Alterthümer IX, 25), ist aber den Kernländern der nordischen Bronze=

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zeit fremd. In Meklenburg hatten wir bisher nur den einen Fund von Schwasdorf.

9. Hängeschmuck aus Spiralscheiben mit Bügel. ("Brillenspiralen".) Ein sehr altes und zeitlich tief hinabreichendes Schmuckstück, über welche Naue, S. 130 zu vergleichen; es ist dem Norden fremd, in Meklenburg aber doch schon dreimal beobachtet: in Schwetzin (bei Teterow) zusammen mit alten Bronzen, die vielleicht noch in M. I zu setzen sind (Jahrb. 14, S. 319), in Sophienhof bei Waren, (vgl. Jahrb. 8 B, S. 54,) und in Rülow bei Neubrandenburg, (vgl. Jahrb. 6 B, S. 108,) ebenfalls mit alten Bronzen (M. I/II), z. B. denselben Halskragen wie bei Hallalit. Wenn Lisch schon damals die Bemerkung machte, daß diese "brillenförmigen Haarspangen" (richtiger Brustschmuck) dem östlichen Theile Meklenburgs zuzuschreiben sein würden, so hat sich das durchaus bewährt; sie sind sicher vom Osten her hier eingeführt.

10. Reste einfacher glatter Handringe (zweier?); Verzierung nicht erkennbar.

11. Ein Fingerring mit kleinen Spiralscheiben, verbogen. Die Gesammtheit dieser Fundstücke ist merkwürdig genug und für Meklenburg ohne Beispiel. Analogien finden sich in Pommern, z. B. in den Funden von Crüssow bei Pyritz, Rosow bei Randow (vgl. Schumann, Baltische Studien 1901, S. 1 und 8), und Bruchhausen (Spiralarmring, Brillensiralen u. s.w., Pommersche Monatshefte 1892, S. 17), auch in der Uckermark, z. B. Blankenburg (Montelius, Chronologie S. 47) und Arnimshain (Schumann, Mitth. d. Uckermärkischen Museumsvereins 1901). Demnach gehört der Fund als ganzes der Periode M. II an; bei dem Ueberwiegen von Schmucksachen ist wohl an eine weibliche Ausstattung zu denken, die sich allerdings ganz wesentlich von den sehr gleichmäßigen der Periode M. III unterscheidet. Es ist kein Zufall, daß der Fund mehr an pommersche als an schleswig=holsteinische oder dänische sich anschließt. Es ist schon oft bemerkt, daß zwischen Pommern und Ungarn in dieser Periode (II) engere Beziehungen bestehen, deren Richtung sich vielleicht erfolgen läßt (vgl. z. B. den Spandauer Bronzefund); wir haben in den Hallaliter Funden ein Uebergreifen dieses Einflusses auch in unser Land, während er nach Westen zu erlischt.


Ganz oben im Hügel standen zwei Steinkisten aus flachen Platten errichtet, die eine mit einem Binnenraum von 60 und 40 cm, die andere, etwas gestörte, etwa 40 und 40 cm. In

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der größeren standen zwei zerdrückte Urnen mit zerbrannten Gebeinen, einfache Gefäße mit gewölbter Wandung, ähnlich der Vorgeschichte S. 82, 136 abgebildeten jung bronzezeitlichen Urne. Die andere Kiste war leer. Sicherlich liegt hier ebenso eine Nachbestattung vor, wie in der gleichen Steinkiste des ersten Hügels.


Der Hügel barg also, wenn unsere Auffassung der Erscheinungen richtig ist: 1. einen beerdigten weiblichen Leichnam, über dem ein Steinhaufen gewölbt ist; 2. dessen Ausstattung, bestehend in weiblichem Schmuck und Gebrauchsgegenständen der Periode M. II, niedergelegt mit Speiseresten in einer Brandschicht im Mantel des Hügels am Südende; 3. eine Nachbestattung aus jüngerer Bronzezeit auf der Höhe des Hügels.

Ueber das Verhältniß des großen Hügels zu dem kleinen gestatte ich mir noch kein abschließendes Urtheil. Die Gesammtheit der Funde im kleineren ist zweifellos älter, und es würde demnach am nächsten liegen, in der Nähe der beiden Hügel einen Zufall zu sehen und anzunehmen, daß sie gar nichts mit einander zu thun haben, daß der jüngere große, in späterer Zeit neben dem älteren kleinen errichtet ist. Doch wage ich es bei der derzeitigen Lage der Studien über bronzezeitliche Synchronismen nicht, die Möglichkeit, daß die Funde der beiden Hügel sich zeitlich berühren und also die Fundstücke in beiden gleichzeitig geborgen seien, schlechthin zu leugnen.

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Hügelgräber von Basedow (bei Malchin).

Ueber eine Gruppe vorgeschichtlicher Hügelgraber im "Thiergarten" bei Basedow nahe der Rothenmoorer Scheide ist schon Jahrb. 64, S. 121, kurz berichtet. Es handelte sich dort um ein schönes und gut charakterisirtes steinzeitliches Steinkistengrab. Nachdem durch die Entdeckung dieses Grabes die Aufmerksamkeit auf die Hügel in jenem Walde, die man bis dahin für natürliche gehalten hatte, gelenkt war, sind noch mehrere angeschnitten worden, unter denen besonders einer interessante Ergebnisse gebracht hat. Verfasser hat diesen dank der freundlichen Einladung und Unterstützung des Herrn Grafen Hahn auf Basedow am 30. Dezember 1898 ausgegraben. Die Funde werden auf Schloß Basedow bewahrt. Der Hügel liegt nicht weit von dem "Hünengrabe" auf der rechten Seite der Chaussee und stellte sich äußerlich

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als eine runde Kuppe dar, die stark verwachsen war und deren ursprüngliche Höhe in Folge davon nicht zu bestimmen ist; sie mag 1 1/2 bis 2 m betragen haben. Gleich unter der Oberfläche stieß man auf Steine und 1 m tiefer auf eine Steinplatte, ganz wie bei dem Hünengrabe, sodaß man glauben durfte, eine gleichartige Anlage vor sich zu haben. Zur großen Ueberraschung stellte sich aber heraus, daß es sich um eine ganz anderartige, nämlich bronzezeitliche Grabanlage handelte. Die Steinplatte, aus Sandstein, unregelmäßig dreieckig, 10 cm dick, überdeckte eine rundliche Steinsetzung von ungefähr 1 m Durchmesser (außen), die aus großen, eng an einander und in mehreren Reihen hinter einander gestellten, nach oben etwas geneigten Platten von etwa 60 cm Höhe gebildet war. Diese Steinkiste war bis auf ihren Grund mit Steinen überdeckt. In ihr stand in einem runden Kessel von etwa 50 cm Durchmesser eine sehr große Urne, mit einer kleineren Steinplatte überdeckt. Der Raum zwischen der Urne und den Wandungen war mit weißem, klarem Sande ausgefüllt.

Die Urne war annähernd 40 cm hoch und hatte einen oberen Durchmesser (Halsweite) von etwa 35 cm; sie war leicht ausgebaucht und hatte sehr starke Wandungen (am Boden 2 cm dick), die Oberfläche war rauh und schmutzig braun; sie war schon so mit Rissen und Sprüngen durchsetzt, daß eine Erhaltung unmöglich war; die Grundform war die wie in meiner Vorgeschichte, S. 82, Abbildung 136, aber etwas schlanker.

Die Urne war gefüllt mit starken, wenig gebrannten Knochen, die stark versintert und nur schwer zu entnehmen waren; dazwischen lagen eine Anzahl Gegenstände, die anscheinend nicht dem Feuer ausgesetzt gewesen waren, aber anderweitig beschädigt sind:

1. Ein kleines Henkelgefäß etwa gleich Vorgeschichte, Abbildung 145 von einer schon in der älteren Bronzezeit bekannten Form, wie sie in Friedrichsruhe ("Kannensberg" s. Jahrb. 47, S. 269 oben) und bei Liepen (s. oben S. 156) gefunden sind und gewöhnlich als Beigaben in größeren Urnen auftreten; sie ist 15 cm hoch und hat 3 cm oberen Durchmesser.

2. 3. Reste von zwei Messern der bekannten Form mit durchbrochenem Griff und nach unten gebogener Schneide etwa 10 cm lang. Die Form ist z. B. Jahrb. 54, Tafel II, 3, abgebildet bei Gelegenheit der Gräber von Blücherhof, und ebenda S. 99 sind die analogen, alle M. III angehörenden meklenburgischen

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Stücke besprochen. Ueber ähnliche, zeitlich gleiche Funde aus Pommern, den interessanten Hügelgräbern von Glendelin bei Demmin s. Lemcke, pommersche Monatsblätter 1889, S. 85, aus Schleswig=Holstein: Splieth 93; vgl. auch Montelius 56, Sophus Müller 81; die Zeitstellung ist überall die nämliche.

4. Ein flaches Messer mit leicht gewölbter Klinge und kleinem Griffansatz, an dem nicht mehr zu erkennen ist, wie er endete, vielleicht in einen Pferdekopf; Länge etwa 9 cm, Breite etwa 2 cm. Vergl. Vorgeschichte Abbildung 67, auch unten S. 185; Splieth 91; Montelius 54; S. Müller 85.

5. Ein Doppelknopf (Gürtelknopf) von 3 cm Durchmesser mit Sternmuster, ebenfalls eine bekannte Form; so aus Slate, Jahrb. 33, S. 131; Splieth 88; Montelius 66; S. Müller 76; ebenfalls stets M. III.

6. Eine "Rollennadel", d. h. Nadel, deren Kopf durch eine Breithämmerung und Umbiegung des Griffendes gebildet wird. In diesem Zusammenhange bei uns etwas befremdlich, da die bisher hier und sonst in Norddeutschland gefundenen Stücke einer jüngeren Periode angehören (vgl. Jahrb. 51, S. 22), doch kommen sie anderwärts in gleichstufigen Hügelgräbern vor (Böhmen: Pič, XI, 13; Bayern: Naue, S. 155), und wir brauchen ihretwegen das Grab nicht tiefer zu rücken.

Außerdem fanden sich zwischen den Knochen und besonders am Knopfe Stücke von Leder.

Ein zweites, ähnlich gebautes Grab wurde in größerer Entfernung östlich von diesem aufgegraben. Der Hügel hatte etwa 1 1/2 m Achsenhöhe und bestand aus dem lehmigen Boden der Umgebung. Der Umfang war nicht mehr zu bestimmen. 20 cm Humus und aufgetragene Erde, dann 60 cm hohe Steinschichtung, darunter die Steinkiste, rechteckig aus hinter einander stehenden Platten, von außen gemessen 1,50 m (nordwest=südöstlich) und 1 m (nordost=südwestlich), von innen 7 × 50 cm breit, die Platten etwa 60 cm hoch, der Deckstein 70 × 50 × 25 cm. Darin eine sehr große Urne, in die der Deckstein gesunken war, sodaß sie ganz zertrümmert ist. Die Wandung ist rauh, der Rand gerade, an der Stelle der größten Wölbung geht ein Band rundlicher Vertiefungen, ein in der jüngeren Bronzezeit beliebtes Motiv. Die Knochen waren ziemlich stark gebrannt, und zwischen ihnen lag ein kleines Stück Feuerstein dreieckiger Form, welches vielleicht als Pfeilspitze anzusehen ist.

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Die Basedower Gräber sind in mehrfacher Hinsicht von Interesse. Ihre zeitliche Stellung ist zweifellos, Daß in der dritten Periode der Leichenbrand allgemeiner wird, ist längst bekannt; wir hatten aber bisher Urnenbestattungen als Hauptbestattung noch nicht; wo verbrannte Gebeine in Urnen in einem Hügel vorkamen (Friedrichsruhe, Slate u. s. w.), war die Beisetzung eine sekundare, die verbrannte Frau neben dem beerdigten Manne. In Dänemark ist man, Dank dem sehr reichen Material, längst dahin gekommen, aus der Ausstattung eines Grabes Männer= und Frauengräber zu scheiden; man wurde dort unser Grab Nr. I als Männergrab bezeichnen, und mir müssen dem folgen. In den Ländern nun, die uns in der älteren Bonzezeit am nächsten stehen, Dänemark und Schleswig=Holstein, sind Urnenbestattungen wie in Basedow schon langer bekannt geworden, auch bei Männergräbern, wenn auch immerhin nicht in großer Anzahl, und weiter südlich, z. B. in Böhmen, sind sie schon in dieser Periode allgemein. Das Basedower Grab schließt also eine Lücke unserer Kenntniß; vielleicht sind auch die oben erwähnten Gräber von Sarmstorf (S. 140) und Liepen (S. 157) so gebaut gewesen.

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Gräber von Kargow (bei Waren).

Ueber eine jungbronzezeitliche Begräbnisstätte bei Kargow ist Jahrb. 61, S. 217 kurz berichtet; die dort erwähnten Funde sind seitdem als Schenkung des Herrn Neumann auf Kargow dem Großherzoglichen Museum zugegangen. Noch auf einer anderen Stelle bei Kargow, auf der Hufe dev Erbpächterse Knöchel ist man auf Gräber gestoßen, von denen nur bekannt geworden ist, daß sie Urnensetzungen mit starken Deckplatten enthielten. Die "Urnen" (alle zerbrochen) sollen verziert gewesen sein und zwischen den Scherben eine Anzahl Bronzegegenstände gelegen haben. Diese sind stark oxydirt, verbogen und zeigen alte Brüche; es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie vom Scheiterhaufen gesammelt und mit den Leichenbrandresten in den Urnen geborgen sind, es sich also um Gräber von dem oben bei Basedow besprochenen Typus handelt. Die gefundenen Bronzen sind in den Besitz des Herrn Senator Geist in Waren gelangt, dessen Freundlichkeit wir ihre Kenntniß verdanken. Es sind:

1. Ein Halskragen ("Diadem"), genau von der oben (S. 129) besprochenen Form.

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2. Ein Messer; der Griff durchbrochen, gleich dem Messer von Basedow (oben S. 164); die Klinge leicht nach oben gebogen.

3. Zerbogene Bänder mit Strichverzierungen, wohl die Reste einer Handberge der bekannten Art.

4. Ein Handring aus gewundenem Draht, 4 cm Durchmesser; ähnlich dem von Zepkow (S. 170), aber stärker.

Die Zusammensetzung des Fundes entspricht also genau der der Frauengräber der dritten Periode, von denen unter den hier besprochenen das von Boldebuck das reichste ist. Die große Mehrzahl von jenen Funden gehörten der Mitte des Landes an; im Südosten sind, wie überhaupt wenige Bronzefunde, Funde dieses Charakters bisher nicht bekannt geworden.

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Hügelgräber von Waren.

In dem Gehölz Werder nördlich von Waren wurde im Winter 1898/99 ein interessanter Bronzefund gemacht, der durch Schenkung des Herrn Senator Geist in das Großherzogliche Museum gelangt ist. Es waren ein Dolch, ein Flachcelt und ein unverzierter rundlicher Halsring in den Formen ältester Bronzezeit (vgl. Vorgeschichte S. 32 flgd.); ein mitgefundener Handring ist von den Arbeitern verworfen. Der ganze Fund ist sehr ähnlich dem Funde von Prieschendorf (Jahrb. 4 B, S. 38), und die von Montelius, Chronologie d. ältesten Bronzezeit S. 48 besprochenen sieben meklenburgischen Funde sind dadurch um eine wichtige Nummer vermehrt. Im Museum von Güstrow liegt ein Flachcelt, sehr ähnlich dem vom Werder, auch von derselben Patina, der in "den Buchen" bei Waren, also nicht weit von dem Fundorte der anderen Stücke, gefunden sein soll. Ob dieses Stück mit den andern zusammengehört, ist nicht zu bestimmen; jedenfalls aber handelt es sich bei dem Funde vom Werder ebenso wie bei den sieben früheren um einen Depotfund.

In der Nähe des Fundortes liegen nun eine ganze Anzahl niedriger Hügel, die offenbar künstlich sind und den Gedanken nahe legten, daß es Gräber seien, die vielleicht mit dem Depotfunde im Zusammenhang ständen. Ich bin daher mit Freuden einer Einladung des Herrn Senator Geist zu einer Ausgrabung gefolgt, die unter dessen und des Herrn Oberlehrer R. Wossidlo thätiger Theilnahme am 17. Juli 1899 stattgefunden hat.

Grab I: Am Westrande schon etwas beschädigt, aus Lehm 1 m hoch errichtet, ungefähr 6 m Durchmesser. Der östliche Theil ist in der Tiefe von 40 cm mit einem Steindamm ab=

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gedeckt, dessen Steine nach dem Rande zu am stärksten sind (hier 30 × 15 cm starke); wo der Damm anfängt, ziemlich unter der Mitte des Hügels, eine Kohlenschicht. Am westlichen Theile, etwa in halber Höhe des Hügels ein horizontaler Damm von 3 m Länge (nordost=südwestlich) und nur 0,60 m Breite, aus einer Schicht Steine, darunter in der Mitte ein kleiner Hohlraum von etwa 20 cm Weite, aus kleinen Steinen gebildet, und darin ein zerbrannter Knochen, die einzige Ausbeute des Hügels.

Grab II. Sandhügel; 1 m hoch, 6-7 m Durchmesser. Darin vereinzelt Kohlen; keine Steinsetzung.

Grab III. Sandhügel; 0,70 m hoch, 5-6 m Durchmesser. Auf dem Boden ein Steindamm; sonst nichts.

Grab IV. Sandhügel; 0,75 m hoch, 6 m Durchmesser. Ganz leer.

Die Ausgrabung verlief also an Objekten ergebnißlos. Als Bestattungsart ist Beerdigung wahrscheinlicher als Leichenbrand, da zerbrannte Knochen kaum spurlos verschwinden (der einzige gefundene gehört schwerlich dem Hauptgrabe an). Zu einer zeitlichen Bestimmung fehlen die erforderlichen Bestimmungsstücke, doch mögen es immerhin die hier zu Lande bisher noch vergeblich gesuchten Gräber der ersten Bronzeperiode, welcher der Depotfund angehört, sein. Wir werden unten bei Warrenzin den ersten in Meklenburg gemachten Grabfund ältester Bronzezeit zu besprechen haben. Auch dort handelt es sich, wie in der großen Mehrzahl der norddeutschen ältesten Bronzezeitgräber, um niedrige Hügel.


In den Seeblänken, einem schönen großen Buchenbestande, 5 Kilometer nördlich von Waren, liegen vier stattliche Kegelgräber in schwerem Lehmboben. Eines, das am meisten nach Westen gelegene, habe ich am 18. Juli 1899 durchgraben. Der Umfang des Grabes ließ sich durch einen Kranz von Steinblöcken bestimmen, die den Hügel am Fuße umgaben. Dieser Kranz hatte einen Durchmesser von 10,30 m (nordsüdlich) und 9,60 m (ostwestlich). Die Höhe betrug etwa 1,75 m, doch stellte sich bei der Ausgrabung heraus, daß nicht der ganze Hügel aufgetragen war, sondern schon in 1 m Tiefe der Urboden erreicht wurde. Wir haben hier also dieselbe Erscheinung wie oben bei Upahl (S. 93), auch mit denselben Ausmessungen und denselben Ergebnissen. In dem ganzen Auftrage fanden sich Scherben von Thongefäßen, auch vereinzelt Kohlen, Steinsetzungen aber gar nicht und auch keine Grabstelle. Das einzige Bemerkenswerthe war ein aufrecht stehender Felsblock von 80 cm Höhe im west=

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lichen Theile des Hügels, 3,30 cm vom Mittelpunkte, auf dem Urboden (zur Bezeichnung eines Grabes? vgl. oben bei Alt=Meteln, S. 96).

So ergab auch dieser Hügel für die Bronzezeit, der seine Errichtung sicher angehört, nur ein negativer Resultat, doch fand sich auf ihm ein sekundäres Begräbniß. Nahe dem Mittelpunkte stand 30 cm tief eine wendische Urne ohne jeden Steinschutz, gefüllt mit zerbrannten Knochen, und etwa 2 m weiter nach Westen ein zweites ebenfalls wendisches Thongefäß; also ein neues Beispiel für die oft gemachte Beobachtung von Nachbestattungen aus jüngeren vorgeschichtlichen Perioden auf vorgeschichtlichen Denkmälern.


Wir schieben hier ein Fundstück ein, das keinem Grabe entstammt, aber so typisch für die von uns hier besonders zu beachtende Periode M. III ist, daß seine Wiedergabe auch hier angebracht zu sein scheint.

Schwert von Walow (bei Malchow).

In dem Gr.=Kressiner See bei Walow wurde vor mehreren Jahren, frei im Sande steckend, ein Bronzeschwert von ausgezeichneter Erhaltung gefunden, vielleicht das schönste Exemplar seines Typus, welches überhaupt vorhanden ist. Das Schwert ist im Besitze des Herrn von Flotow auf Walow.

Es hat eine dunkle, nicht tiefe Patina; die Form zeigt beistehende Abbildung. Die Maaße sind: Ganze Länge 62 cm, Länge von der Spitze bis zum Griffansatz 52 cm, Länge des Griffes bis zu Knauf 10 cm, größte Breite der Klinge 4 cm (25 cm von unten). Die Klinge hat einen flachen Mittelgrat von 8 mm Breite, daneben je 5 feine Parallellinien. Der Knauf ist rautenförmig mit gerundeten Ecken, 8 punktartigen Vertiefungen, leicht gewölbt mit

Schwert
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flacher ovaler Spitze. Länge 4 und 3,5 cm. Der Griffabschluß besteht aus überfassenden Bändern mit Längsriefeln und auf jeder Seite 5 Nagelköpfen, endigend in Lappen, die über die Schneide übergreifen und in der Mitte einen Kreis frei lassen. Der Griff besteht aus 5 Scheiben, die noch beweglich sind, um die Griffangel dazwischen sind Reste einer weisen Masse (Füllmasse oder von der Erde der Fundstelle?). Länge des Griffe (zwischen Knopf und Griffabschluß) nur 4 cm.

Schwertgriffabschluß

Das Schwert entspricht fast genau der Abbildung bei S. Müller 89. Es ist der bei Montelius Compte-rendu de Stockholm S. 887 unter Fig. 6 abgebildete Typus, überall, wo er erscheint, eine Charakterform von M. III. Ueber sein Auftreten in Meklenburg s. oben S. 108 bei Gelegenheit eines Fundes von Goldenitz.

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Grabfund von Zepkow (bei Röbel).
(Katalog=Nummer Br. 320-323, 325-326.)

Ueber ein Kegelgrab von Zepkow berichtet Lisch im Ersten Berichte über das Großherzogliche Antiquarium S. 11. "Unter einem kleinen von Feldsteinen aufgerichteten Hügel von 3 bis 4 Fuß Höhe und ungefähr 4 Quadratruthen Grundfläche wurden 1842 . . . gefunden und eingeliefert: ein Diadem, zwei Halsringe, ein Handring, eine Lanzenspitze" (richtiger: Dolchklinge). Die Gegenstände entsprechen genau den Grabfunden von Friedrichsruhe, Stülow u. s.w. Aus dem Nachlasse des Försters Dohse sind nun vom Großherzoglichen Museum 1891 mehrere Bronzen erworben, die bei Zepkow gefunden sein sollen und von denen mehrere nach ihrer gleichmäßigen Patina und ihrer Zusammensetzung sehr wahrscheinlich einen einheitlichen Grabfund bilden, nämlich:

1. Ein Stachelknopf im Charakter des oben S. 151 bei Dobbin besprochenen; die untere Platte ist abgebrochen und fehlt, der Mantel ist mit konzentrischen Linien verziert, der Stachel kurz und stumpf. Höhe 1,75, ursprünglich etwas über 2 cm.

2. Ein Handring aus dünnem Draht; tordirt, platt abschneidend; Durchmesser 6 und 5 cm. Ähnliche Ringe aus Kegelgräbern von Wiek, Slate, Grabow.

3, 4. Zwei gleiche Handringe, dünn, nach außen konkav, nach innen konvex, verziert mit senkrechten Strichen, die an drei Stellen durch je zwei senkrechte Streifen mit Schrägstricheln unterbrochen werden. Durchmesser 5,25 und 5 cm. Die Verzierung ist sehr häufig (vgl. oben S. 132; ich zähle 54 fast

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gleich ornamentirte Ringe; soweit die Fundverhältnisse ein Urtheil erlauben, alle M. III.

5. Ein kleiner Handring mit ovalem Durchschnitt, an den Enden spitz zugehend, verziert mit zarten senkrechten Strichen, ähnlich den oben S. 151 erwähnten von Dobbin.

6. Reste einer Fibel, länglicher schmaler Bügel mit nachgebildeter Torsion, oben 5 cm lang, und Nadel, leider ohne Kopf, 6 cm lang. Da die wesentlichen Theile, die Scheiben und der Nadelkopf fehlen, ist eine genauere zeitliche Bestimmung der Periode nicht möglich, sehr wahrscheinlich aber auch M. III.

Zusammen mit diesen Stücken eingeliefert ist ein Celt mit Schaftrinne von der oben S. 101 besprochenen Form, 12,25 cm lang, dessen Patina mehr auf einen Moorfund schließen läßt und der schwerlich mit den andern Sachen zusammengehört.


Die folgenden Grabfunde gehören dem Nordosten des Landes an:

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Grabfund und Erdfund von Roggow (bei Neubukow).
(Katalog=Nummer L I B 1a 5. L I E 3 13. L I B 2a 45.)

Die an steinzeitlichen Fundstücken so reiche Feldmark von Roggow hat auch einige sehr schöne Bronzefunde geliefert. Schon im Jahre 1822 hat der damalige Landrath Jaspar v. Oertzen einige Bronzen an den Großherzog Friedrich Franz I. gesandt, die nach ihrer Erhaltungsart offenbar einem Grabfunde entstammen. Da ich die Dinge nirgends in unseren Publikationen behandelt finde, seien sie hier besprochen. Die Stücke sind stark beschädigt, haben eine ungleiche, höckerige, helle und dunkle, tiefgehende Patina, und der Metallkern ist röthlich.

1. Ein Schwert, unvollständig, sechs Stücke. Der Griff besteht aus einer Griffangel und losen Scheiben, zwischen denen ursprünglich eine Füllmasse saß. Der Griffabschluß entspricht genau dem oben S. 169 abgebildeten Schwerte von Walow; desgleichen die Gestaltung der Klinge. Die Maaße sind nicht mehr zu bestimmen.

2. Ein Schaftlappencelt, oben gerade abschneidend, in der Mitte kleiner Absatz, flacher, schmaler Schneidentheil; die Schaftlappen, leider beschädigt, in der Mitte ansetzend und anscheinend nicht

Schaftlappencelt
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stark. Länge 16, Länge bis zum Absatz 7,5, Breite oben 2,25, unten 4,75 cm.

Diese Celtform ist offenbar aus schlanken Flachcelten so entstanden, daß die Ränder an der einen Stelle besonders erhöht wurden, vgl. z. B. das Stück bei Pič I 3, welcher dem unsern in der allgemeinen Form fast ganz gleicht. Der Schaftlappencelt ist auf dem Gebiete der nordischen Bronzezeit eine fremdartige Erscheinung; wir haben in Schwerin noch acht Stück, keins unter bezeichneten Umständen gefunden, davon eins mit dem bei den südlichen Funden wohl allgemeinen halbmondförmigen Ausschnitt am Bahnende und zwei mit seitlichen Oesen.- Splieth bildet eine ähnliche Form 28 ab (er rechnet sie, schwerlich richtig, zur Periode M. II); auf der Insel Fehmarn wurden 15 Stück zusammengefunden, wohl der Vorrath eines fremden Händlers, sonst ist die Form auch dort fremd. Ihr Verbreitungsgebiet vermag ich nicht nachzuweisen; soweit ich sehe, weist es eher nach Südosten als nach Westen.

Das Grab ist sehr wahrscheinlich das eines beerdigten Mannes. Schwert und Celt (Absatzcelt) sind in der zweiten Periode eine sehr häufige Ausrüstung. S. Müller, Aarbøger 1891, S. 194 giebt für Dänemark 19 gut charakterisirte Beispiele, aber alle (mit vielleicht einer Ausnahme) aus M. II; in Meklenburg haben wir in drei Fällen (Wohld, Bobzin, Schulenberg) Schwert und Absatzcelt zusammen, auch in Gräbern M. II. In der folgenden Periode M. III scheint der Celt als Waffe oder doch männliches Ausrüstungsstück zu verschwinden; das besprochene Grab ist das einzige, wo ein Celt neben einem Schwerte dieser Zeit vorkommt und hier in der jüngeren Form des Lappenceltes.


Es sei bei dieser Gelegenheit noch ein zweiter älterer Fund von Roggow zur Behandlung gebracht. 1862 würde beim Drainiren, annähernd 1 m tief, in einer Mergelschicht ein schönes Schwert gefunden (vgl. Jahrb. 29, S. 153), welches Herr Landrath von Oertzen 1897 der Großherzoglichen Sammlung überwiesen hat. Das Schwert hat eine schwache dunkelgrüne Patina, ist etwas verbogen und im obern Theil des Griffes zerbrochen. Sonst ist es vortrefflich erhalten und zeigt den Typus des Griffzungenschwertes so deutlich wie kein zweites Schwert unserer Sammlung. Die Griffzunge

Schwert
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ist leicht nach außen geschweift, hat vier Nietlöcher, aufgehöhte Ränder und oben einen Ausschnitt mit seitlichen Spitzen. Der Griffansatz ist stark nach unten gebogen und hat vier Nietlöcher; die breite Klinge, unter dem Griffansatz eingezogen, schweift ganz leicht aus und hat einen dachförmigen Mittelgrat mit scharfer Mittellinie, abgeschlossen durch je eine scharfe Längslinie. Länge 71,5, Länge des Griffs (und Griffaufsatzes) 11, größte Breite (33 von unten) 4cm. Es ist die bekannte Form, die uns schon oft beschäftigt hat, die des viel besprochenen Mykeneschwertes (z. B. Naue S. 87, 11), aber mit etwas tiefer hinabgehendem Griffabschluß. Die große Mehrzahl dieser Schwerter bei uns gehört sicher erst in M. III.

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Kegelgrab von Blengow (bei Neubukow).
(Katalog=Nummer Br. 365-370, 391-393, 511-512.)

Der Küstenstrich nördlich von Neubukow und Kröpelin gehört zu den für unsere Vorgeschichte bedeutsamsten Stellen des Landes. Zahlreiche zum Theil noch heute wohlerhaltene Hünengräber und eine sehr beträchtliche Menge von Einzelfunden jeder Art sind als Denkmäler einer starken Besiedelung der Steinzeit geblieben, und auch die Bronzezeit hat in stattlichen Einzelgräbern (Kegelgräber von Rakow, Roggow, Westhof, Wendelstorf, Kagsdorf) und vielen schönen Einzelfunden dauernde Spuren ihrer Bedeutung hinterlassen. Merkwürdiger Weise treten die folgenden vorgeschichtlichen Perioden, schon die jüngere Bronzezeit, sodann die ganze Eisenzeit und die wendische Periode ganz bedeutend hinter diesen älteren Funden zurück; auch da, wo man ein aufmerksames Auge auf die vorgeschichtlichen Bodenschätze gehabt hat. Diese Aufmerksamkeit ist besonders auch dem Gebiete von Blengow zu Theil geworden, wo Herr Berthold Beste († Januar 1902) seit Jahren auf alle hierher gehörigen Vorkommnisse geachtet und eine schöne Sammlung zusammengebracht hat, die als Schenkung des Herrn Anton Beste sich jetzt im Großherzoglichen Museum befindet. Ein Theil davon, die Steinzeit umfassend, ist bereits Jahrb. 66, S. 126 und 138 beschrieben; andere Stücke gehören hierher. Diese entstammen einem Kegelgrabe, das im Herbst 1894 und 1895 und Ostern 1897 zum Theil vom Verfasser, zum Theil von Herrn Syndikus Lisch in Schwerin, auch unter Mitwirkung des Herrn Dr. Beste in Nauheim, stets mit freundlichster Unterstützung des Herrn Anton Beste auf Blengow, ausgegraben ist.

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Das Grab lag 1 km nordöstlich vom Hofe auf ansteigendem Gelände; die Anhöhe hieß der "Kahle Berg", weil sie früher nicht beackert wurde und gewährt einen weiten Rundblick, auch über die etwa 3 km entfernte See. Der die Bearbeitung erschwerende Hügel wurde im Herbst 1894 abgefahren. Man stieß dabei auf mehrere Steinringe aus Dammsteinen, bei denen weiter nichts beobachtet wurde; als etwa 1,5 m Erde abgetragen waren, wurde der Boden

Lageskizze

locker, und bei Sondirungen ergab sich eine Steinschichtung, in der ein Grab vermuthet wurde; die Ausgrabung hat dieses bestätigt. Wir geben im folgenden deren Ergebnisse, wie sie am Schluß sich herausgestellt haben. Eine natürliche Höhe aus schwerem Lehm ist zu einem kegelförmigen Hügel, dessen Höhe nicht mehr genau bestimmbar ist, aber annähernd 2,25 m betragen haben mag, aufgehöht. Um den Hügel herum lief ein Kranz von Steinblöcken (etwa 70 cm hoch, 30 cm breit, ein besonders hoher

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stand genau im Südwesten), den wir nur an einigen Stellen. unversehrt antrafen, sodaß der Durchmesser sich nicht genau bestimmen läßt, die weitesten Abstände betrugen 28 m. In der Nähe des Steinkranzes lagen verstreut Urnenscherben. Innerhalb des durch den Steinkranz gebildeten Raumes sind drei Gräber frei gelegt, im Zentrum und am östlichen Ende.

Grab I. Das bei Weitem wichtigste Grab lag ziemlich genau im Centrum des Hügels. Die beistehende Abbildung giebt ein schematisches Bild. Im Urboden war eine Grube von etwa 2 m Länge auf dem Grunde mit schräg ansteigenden Seiten

Querschnitt

gegraben, der Grund bestand aus festem Lehm und einem schwachen Steindamm, darauf lagen zerbrannte Gebeine und stand der Eichensarg, zu dessen Seiten und über dem beträchtliche Massen von Seegras (zostera marina) lagen; der Deckel des Sarges war mit einigen mächtigen Steinen beschwert und darüber geschichtet war eine Steinhäufung, die 4,75 m Länge (nordsüdlich) und 4,20 m Breite zeigte, in der Mitte eingesunken, etwa 1,15 m hoch. Die Holzspuren, die die Grube durchzogen, am östlichen und westlichen Ende stark genug, um die Richtung der Holzfasern erkennen zu lassen, genügten, um die Lagerung des Sarges zu bestimmen, der, wie nach den in Dänemark und Schleswig=Holstein gemachten Erfahrungen anzunehmen ist, nichts Anderes als ein ausgehöhlter Eichenstamm gewesen sein kann; er stand genau westöstlich. In ihm war ein Leichnam bestattet, von dem ebenfalls genügend körperliche Reste erhalten waren, um wenigstens

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die Lage des Kopfs, im Westen, bestimmen zu können und den Beigaben ihren Platz anzuweisen. Diese waren: Ein bronzenes Schwert mit Resten der hölzernen Scheide und des Horngriffes, daran auch Reste eines wollenen Gewebes, von dem es aber fraglich bleiben muß, ob sie zur Umhüllung des Schwertes gehören oder von der Bekleidung des Beerdigten stammen. Das Schwert lag an der rechten Seite und zwar am Oberkörper. Daneben ein goldener Handring, dessen hohe Lage sich am besten wohl so erklärt, daß der Todte mit über der Brust gekreuzten Armen bestattet ist; auf der Brust eine goldene Fibel ohne Nadel; in der Gürtelgegend ein bronzener Doppelknopf, offenbar zum Zusammenhalten des Gürtels; zu Füßen ein Thongefäß.

Merkwürdig war nun, daß unter dem Sarge und auch an seinem Fußende eine große Menge zerbrannter Gebeine sich fanden, zu klein, um ihren Charakter genau bestimmen zu können, überwiegend menschliche, aber ein Schädelstück scheint einem kleinen Vierfüßler anzugehören. Die Erklärung ist wohl darin zu suchen, daß dem Todten zu Ehren in der Grube, die seinen Sarg bergen sollte, ein Todtenopfer stattfand, dessen Reste man hier liegen ließ als man den Sarg einsenkte. Aehnliche Erscheinungen sind auch sonst beobachtet; so lag in einem Grabe der Periode M. I von Schülp bei Rendsburg die Leiche auf einer Schicht verbranter Knochen (Splieth, S. 17). Vielleicht sind auch die "zerbrannten Knochen" des Schwarzen Bergs von Gönnebeck bei Segeberg (Mitth. d. anthrop. Ver. in Schleswig=Holstein IV, S. 6) eines Grabes, welche sehr an das Blengower erinnert so zu erklären.

Grab II. Südöstlich von I, etwa 11 m (Mitte von Mitte gemessen) entfernt, auf dem Urboden; hufeisenförmig, aus niedrigen Steinmauern (40 cm hoch), westöstlich gerichtet, 4,50 m lang, 4 m breit, der innere Raum 3,20 m lang, 1,40 m breit, innen mit einer dreifachen Schicht Steine abgedämmt. Auf diesem Damme war der Todte unverbrannt beigesetzt und mit einer einfachen Steinschicht überdeckt. Er lag, wie Knochenspuren zeigten, nicht in der Mitte, sondern am südlichen Ende, nach Osten gerichtet. Auch Holzreste sind beobachtet, aber zu wenig, um eine Deutung zuzulassen, und Spuren von Wollenzeug. Die einzige Beigabe aber war ein stark vergangener Doppelknopf in der Gürtelgegend.

Grab III. Nordöstlich von I, etwa gleich weit entfernt von diesem wie 2; nordsüdlich gerichtete Steinsetzung im Charakter

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von 2, aber weniger deutlich, 4 m lang, 2,50 m breit; darin Asche und Kohlen, ferner Knochenreste, die der Beobachter (Herr Syndikus Lisch) für verbrannte hielt.

Im westlichen und südlichen Theile des Hügels sind keine Gräber gefunden, wohl aber einige unregelmäßige kleinere Steinsetzungen und schwarze Erde, wohl von Ceremonialfeuern stammend; auch einige Thongefäßscherben lagen dabei.

Ueber die Bestattungsart ergiebt sich aus dem Gesagten folgendes Bild. Auf der Höhe eines natürlichen Hügels ist das Hauptgrab so angelegt, daß eine Grube gegraben und in dieser dem zu Ehrenden ein Todtenopfer, bestehend in Verbrennung von Thieren und Menschen, dargebracht ist. Der Todte ist bestattet in einem ausgehöhlten Eichenstamm, dessen Deckel mit größeren Steinen beschwert ist; Schichten von Seegras schützen den Sarg. Er ist beigesetzt nach Osten blickend, in einem wollenen Gewande, das Schwert zur Rechten an oder auf dem Oberkörper, die Arme gekreuzt, mit goldenem Handring, das Gewand auf der Brust durch eine goldene Gewandnadel, am Gürtel durch einen Bronzeknopf zusammengehalten, zu Füßen ein Thongefäß, wohl mit Speisen. Die Grube ist dann mit einem Steinhaufen geschlossen und überdeckt.

An dieses Hauptgrab schließen sich östlich zwei Nebengräber an, das eine (Nr. 2) mit einem beerdigten, wohl männlichen Leichnam (der Gürtelknopf gehört mehr zur männlichen Tracht), das andere (Nr. 3) mit einem wahrscheinlich verbrannten Leichnam. Da in einer Anzahl von Fällen die Beisetzung eines verbrannten Weibes neben dem beerdigten Manne sicher gestellt ist, darf man vielleicht auch hier mehr auf ein Frauengrab schließen. Im westlichen Theile haben Feuer gebrannt. Ueber dem ganzen zu den Bestattungsfeierlichkeiten gebrauchten Raume ist dann ein Erdhügel aufgetragen, der die an sich schon hoch gelegene Stelle noch weiter, auch über die See hin, sichtbar gemacht und zu einem Denkmale gestaltet hat.

Wenn in den Darstellungen der Vorgeschichte solche Erscheinungen besprochen werden, pflegt man wohl an die Worte des Beowulfliedes zu erinnern:

Einen Hügel heißt mir die Helden erbauen,
Ueber den Bühl blinken an der Brandungsklippe,
. . . . , mir zum Gedächtnißmal . . . . . . . . .

Worte, die vielleicht zwei Jahrtausende jünger sind als der Blengower Hügel und seine Verwandten; aber der Gedanke ist uralt und auch schon in Zeiten ausgesprochen, die, auch nach

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ihrer Kultur, sich von her Periode her nordischen bronzezeitlichen Hügelgräber so sehr nicht entfernen, wenn z. B. in der Odyssee (II, 75) der Schatten des vergessenen Elpenor bittet:

Schütte ein Grabmal mir auf am Strande des schäumenden Meeres,
Des unseligen Mannes, auch künftigem Volke zur Kunde.

Wie üblich, schloß dann ein Steinkranz den Raum nach außen ab.

Ueber die in den Gräbern gefundenen Gegenstände ist noch zu bemerken:

Aus Grab I:

1. Griff zungenschwert; stark, sehr stark vergangen, in einer hölzernen, mit Leber überkleideten Scheibe. Der Griff wird gebildet durch eine flache Griffzunge mit aufgehöhten Rändern; Reste der aus Horn (oder Knochen?) bestehenden Griffbekleidung sind erhalten, auch drei Nieten, diese auffallend dünn, 2 cm lang. Die Klinge hat einen breiten, flachen Mittelgrat und verbreitert sich nach unten zu etwas, endet dann aber schlank und spitz; die ganze Länge wird ursprünglich etwa 65 cm betragen haben; eine Länge, die das gewöhnliche Maaß dieser Schwerter ein wenig überschreitet. Die Form ist die oben (S. 108, 172) mehfach besprochene Hauptform der Schwerter unserer älteren Bronzezeit. Bei dem Erhaltungszustande des Schwertes ist eine Einordnung in den vorauszusetzenden Entwicklungsgang des Typus nicht möglich; nur die Ausladung der Klinge läßt es relativ jung erscheinen (vgl. darüber Naue, Bronzezeit S. 87 und 88, wo das unter Fig. 18 abgebildete dänische Stück dem besprochenen am meisten gleichen dürfte).

2. Doppelknopf; zerbrochen, die obere Platte flach gewölbt, mit einem in Folge der starken Patina im einzelnen nicht erkennbaren Sternmuster. Höhe etwa 1, Durchmesser der Platten 2 cm. Nach den bei S. Müller a. a. O. zu 75 flgd. gegebenen Zahlen (genauer Aarbøger 1891), womit die schleswig=holsteinschen Beobachtungen stimmen (Splieth 88), gehört die Form ganz überwiegend in Männergräber M. III; ebendahin führen die in Meklenburg gemachten Erfahrungen.

3. Handring ans rothem Golde; gedreht und zwar anscheinend aus mehreren Fäden, die an den Enden zusammengehämmert und scharf abgeschnitten sind. Die Furchen sind sehr ungleich stark; Gewicht 13 Gramm, Durchmesser 6 und 5 cm.

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Es ist das erste Mal, daß ein Goldring von dieser Form in Meklenburg gefunden ist, während sonst goldene Hand= und Fingerringe eine ganz gewöhnliche Erscheinung in Kegelgräbern sind. In Dänemark sind an die zwanzig Stücke gefunden (S. Müller 66) und zwar fast ausschließlich in Männergräbern der dritten Periode; so in dem schon mehrmals herangezogenen Grabe von Skallerup (Seeland), wo der Ring zusammen mit einem Kesselwagen im Charakter des Peckateler gefunden ist (Mémoires 1896, S. 73, Abb. 3); ähnlich liegen die Verhältnisse in Schleswig=Holstein (Splieth 85), auch Montelius 61 setzt sie in seine dritte Periode.

Goldring

4. Fibel aus Gold ohne Nadel; der Bügel mit leichten, die Tordirung nachahmenden Einkerbungen; die Scheiben sind spiralig, aber die äußerste Windung enthält ornamentale Einkerbungen. Gewicht 6 Gramm; ganze Länge 6,75 cm, Durchmesser der Scheiben 1 cm. Es ist die erste goldene Fibel, die in Meklenburg bekannt geworden ist; der Typus scheint der oben S. 95 besprochene. Sicher gehört dieser M. III an, und

Fibel

diese Fibeln sind ein Bestandtheil der männlichen Tracht. Merkwürdig, daß sowohl in Dänemark wie in Schleswig=Holstein, wo je drei solcher goldenen Fibeln gefunden sind, stets die Nadeln fehlen (S. Müller 70-71. Mitth. d. anthropol. Vereins in Schleswig=Holstein IV, S. 6; VII, S. 14).

5. Thongefäß. Leicht ausgebaucht mit schwachem Bauchrande; hoher, etwas sich verjüngender Hals, gerade Standfläche; zwei Henkel an der Stelle der größten Ausbauchung. Farbe

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glänzend schwarzbraun. Höhe 19,5 cm, größter Umfang (9,5 cm von unten) 58 cm, Durchmesser oben 13, unten 9 cm. Die Form unterscheidet sich etwas von den sonst aus Gräbern dieser Zeit bekannten größeren Thongefäßen und erinnert mehr an die kleinen Beigefäße von Basedow), Liepen (S. 156) u. s. w., sowie an jungbronzezeitliche Formen, hat aber dieselbe glänzende Färbung wie andere Thongefäße der dritten Periode (Ruchow, Friedrichsruhe).

Tongefäß

Aus Grab II:

6. Reste eines Doppelknopfes im Charakter des oben unter Nr. 3 beschriebenen, sehr vergangen und nicht genauer erkennbar.

Das Hauptgrab von Blengow ist nach dem Gesagten ein durch bisher nicht beobachtete Erscheinungen der Grabanlage und Ausstattung (Goldfibel) ausgezeichneter Vertreter einer männlichen Bestattung M. III.

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Kegelgrab (?) von Stülow (bei Doberan).
(Katalog=Nummer Br. 513-539.)

Das ansteigende Gelände südlich von Doberan ist reich besetzt mit stattlichen bronzezeitlichen Gräbern. Im Quellholze, dann bei Reddelich, Glashagen, Bollbrücke, Hohenfelde, im Ivendorfer Forste und bei Retschow finden sich zum Theil noch jetzt die charakteristischen Hügel, zum Theil liegen ältere Berichte darüber vor. Aufgegraben sind wenige. Ueber Gräber von Bollbrücke mit interessanten Grabanlagen, aber geringer Ausbeute ist Jahrb. 48, S. 320 flgd. berichtet; ein Grab bei Hohenfelde hat einige Bronzeschwerter ergeben, doch ist kein Fundbericht vorhanden. Es ist daher als eine wirkliche Bereicherung der vorgeschichtlichen Landeskunde zu begrüßen, daß vor einigen Jahren bei Stülow ein Grab aufgedeckt wurde, das neben einer beträcht=

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lichen Anzahl von Fundstücken auch genügenden Aufschluß über die Grabanlagen ergeben hat.

Links von dem Bache in einer Linie zwischen der Weggabelung und dem Dorfe Stülow, etwa 500 m von ersterer entfernt, lag im Acker des Erbpächters Westendorf (Hufe X) eine scharf hervortretende Kuppe, der sog. "Voßberg", die im Herbst 1898 abgefahren wurde. Man stieß hierbei auf Steinsetzungen, die Westendorf zu einer Meldung bei dem Großherzoglichen Amte in Doberan veranlaßten. Daraufhin hat zunächst am 22. und 23. November j. J. eine Ausgrabung unter Leitung des Herrn Geheimen Archivrath Dr. Grotefend und des Verfassers stattgefunden, und es hat sodann Herr Gymnasialprofessor Dr. Meyer in Doberan die Aufsicht über weitere bei Fortgang der Erdarbeiten zu Tage tretenden Vorkommnisse übernommen und die betreffenden Gräber unter Mitwirkung des Herrn Oberlehrer Algenstädt ausgegraben. Ueber die Gesammtanlage der Gräber läßt sich leider kein vollständiges Bild geben, da die Abgrabungen schon weit fortgeschritten waren, als das erste Einzelgrab entdeckt wurde und auch die weitere Untersuchung von diesen Abtragungen abhängig war; so ist keine Klarheit arüber zu erhalten gewesen, ob der abgetragene Theil des Hügels wirklich über allen Gräbern gelegen hat und als Auftragung anzusehen ist oder ob diese zum Theil in den gewachsenen Boden hinein gegraben sind ohne Erdauftrag.

Unter dem Boden fanden sich an verschiedenen Stellen eine Anzahl Steine, die zum Theil dicht neben einander standen und offenbar einen zusammengehörenden Steinkranz gebildet hatten, der eine Anzahl Gräber nach außen abschloß. Angenommen, daß der Kranz auch an den Stellen, wo sich jetzt Lücken finden, regelmäßig verlaufen ist, ergiebt sich ein Durchmesser des Grabraumes von 19 m, eine Größe, die mehreren der hier besprochenen Gräber (Radelübbe, Brahlstorf, Retzow, Hallalit) ziemlich entspricht.

Am nächsten der Mitte, von dieser etwa 3 m nach Norden entfernt, lag ein Grab, das wir nach Aufbau und Ausstattung als Hauptgrab bezeichnen müssen und darum hier zunächst behandeln.

Erstes Grab (= Grab III des Katalogs; ausgegraben von Meyer). Steinsetzung von 2,80 m Lange (ostwestlich), 1,30 m Breite, 1,10 m Höhe; der Grabraum 1,90 m lang, 0,90 m breit. Der Boden war, wie bei allen Gräbern, abgedämmt. Die Steine, aus denen dieses Grab errichtet war, waren wesentlich größer (zum Theil wirkliche Blöcke) und sehr

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sorgsam geschichtet, die Seitenwände des Grabraumes bestanden aus Steinplatten, über dem Steinhügel war eine kalkhaltige Lehmschicht, wie bei dem zweiten Grabe. Der Leichnam war noch gut erhalten, sehr im Gegensatz zu den andern Gräbern, wo er meist ganz vergangen ist; es erklärt sich das wohl durch die Verschiedenheit des Bodens; dieses Grab lag in reinem Sande, die andern meist in kalkigem Lehmboden. Er lag wie in allen Stülower Gräbern, wo man es nachweisen konnte, mit dem Kopfe am Ostende, als nach Westen blickend, eine sehr bemerkenswerthe Abweichung von der sonst üblichen Bestattungsweise.

Deutlich erkennbar war die Lage der Beigaben, die aber nur zum Theil am Körper selbst gesessen haben können, zum Theil sicher beigelegt sind.

Am Kopfe fand sich ein Halskragen, dessen Lage durch die Grünfärbung des Unterkiefers bestimmt ist, nahe den Grabwänden rechts und links Armringe, in denen noch die Armknochen stecken; durch das Grab verstreut, wohl besonders in der Brustgegend Tutuli, zwei Doppelknöpfe der Rest einer Fibel.

Am Kopfende lagen außerdem zwei goldene, spiralige Ringe und zwei große Bronzeringe. Daß Schmuckgegenstände in den Gräbern nicht immer in situ liegen, sondern gelegentlich als besondere Gaben dem Beerdigten beigelegt wurden, ist bekannt;

Lageskizze
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vgl. z. B. das vierte Grab des Kannensbergs von Friedrichsruhe (Jahrb. 47, S. 267), wo zwei Handringe und zwei Handbergen zu Füßen lagen; die Lage der Sachen wie hier in Stülow neben dem Kopfe ist eine ungewöhnliche. Thongefäße fehlten merkwürdigerweise hier ebenso wie in allen andern Stülower Gräbern. Die Gegenstände sind:

1. Ein Halskragen ("Diadem"), in vier Stücken; von genau derselben Form, und soweit die rauhe und tiefe Patina ein Urtheil zuläßt, auch derselben Ornamentirung wie der oben S. 129 abgebildete von Alt=Sammit.

2. Vier Reste einer kleinen Fibel mit Spiralplatten von 1,5 cm Durchmesser, der Bügel ist dünn, lang gestreckt und gedreht; von der Nadel sind nicht genug Stücke zur Bestimmung erhalten, doch ist kaum eine andere Form denkbar, wie die häufigste unserer Kegelgräber, die oben S. 95 zu dem Grabe von Alt=Meteln abgebildete.

3. Elf Tutuli (einer davon in kaum erkennbaren Resten), alle von der oben S. 98 zu Radelübbe abgebildeten Form, aber verschieden groß; die Größe wechselt von 1 bis 2,5 cm, der Durchmesser von 2 bis 3,75 cm.

4. 5. Zwei Doppelknöpfe, gleich den oben S. 151 bei Dobbin besprochenen, 3 und 2,25 cm hoch.

6. Ein Handring, auf der rechten Seite liegend. Klein, die Enden über einander gebogen, nach außen und innen nicht gewölbt. Ornamente sind unter der dicken Patina nicht zu finden. Durchmesser 5 cm, Höhe 1 cm.

7. Ein Handring, zur linken Seite; in drei Stücke zerbrochen, runder Querschnitt; verziert mit zarten Horizontallinien, die nicht genau zu erkennen sind. Durchmesser 6 und 5 cm.

Die oberhalb des Kopfes liegenden Gegenstände waren:

8. 9. Zwei Armringe, sehr schön, nach den Enden leicht verjüngt, nach innen leicht, nach außen etwas stärker gewölbt. Sehr fein ornamentirt: in der Mitte eine Linie, an der kleine Streifen von Schrägstrichen zusammenstoßen, an den Rändern je zwei leicht erhöhte Säume mit Schrägstrichen. Durchmesser 8,25 und 8 cm, Höhe 1 cm.

Die Abfassung der Handringe durch Säume ist bei uns sehr selten (vgl. S. Müller 108); wir haben Beispiele von Pisede und Lehsen, das Dreiecksornament erinnert an die oben S. 99 bei Perlin besprochene Form.

10. 11. Zwei goldene Spiralringe zu je 8 Gramm, aus Doppeldraht, der an den Enden zusammenschließt; 3 bzw.

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2 3/4 Windungen; 2,35 bzw. 2 ein Durchmesser. Da derartige Ringe bei uns wiederholt in der Handgegend gefunden sind (z. B. in Ruchow Jahrb. 5B S. 31), habe ich sie unbedenklich für Fingerringe gehalten, will aber nicht unerwähnt lassen, daß man sie auch als Haarschmuck aufgefaßt hat und daß dazu die Lagerung in unserem Grabe gut passen würde; vgl. zu der Frage Olshausen, Zeitschr. f. Ethn. 1886, Verhandlungen S. 492.

Das Grab enthält also den typischen weiblichen Schmuck der dritten Periode, wie ihn unter den hier besprochenen Funden am reichsten das Grab von Boldebuck zeigte. Neu und interessant ist, daß er hier gefunden ist in einer Lage, wie die Beerdigte ihn getragen hat, während in den bisher bekannten Fällen einer reicheren Ausstattung, wo man die Bestattungsart nachweisen konnte, die Schmuckgarnitur gesondertdem verbrannten Leichnam beigegeben war.

Zweites Grab (= Grab II des Katalogs; ausgegraben unter Leitung Grotefends). Etwa 12 m südwestlich vom ersten Grabe, 70 cm unter der Grasnarbe eine Steinschichtung von 2,10 m Länge (ostwestlich) und 1 m Breite, bestehend aus größeren Randsteinen (bis 40 cm) und darüber gehäuften Geschiebesteinen; auf dem Boden ein Steinpflaster. Es fiel auf, daß über den Steinen eine feste, stark kalkhaltige Erdschicht lag, sehr wahrscheinlich eine Abdeckung der Anlage nach außen durch einen Erdmantel, wie wir es ähnlich im Verlaufe unseres Berichtes bei Radelübbe (s. oben S. 96) und Karow (s. oben S. 127) gehabt haben.

Der Grabraum, erkennbar an dem Steinpflaster, war etwa 1,50 m lang und 50 cm breit. Es fand sich darin keine Spur von Knochen; in der Mitte lag ein Handring und östlich davon ein Tutulus. Der Handring ist klein, mit rundlichem Querschnitt, verbogen, Ornamente nicht erkennbar; Durchmesser 4,5 und 4 cm. Der Tutulus hat die übliche Form, ist 2 cm hoch, 3 ein Durchmesser. Beide Stücke gleichen den entsprechenden des ersten Grabes. Die Form des Grabes und die Lagerung der Beigaben (Tutulus als Brustschmuck, der Handring an den gekreuzten Händen eines nach Westen blickenden Leichnams) machen Beerdigung wahrscheinlicher; jedenfalls war es ein Frauengrab.

Drittes Grab (= Grab II des Katalogs; ausgegraben unter Leitung des Verfassers). In einer Entfernung von nur 1,5 m von dem zweiten Grabe nach Südosten eine zweite, ausgedehntere Steinsetzung, 3,60 m lang (ostwestlich), 1,50 m breit, 0,70 m hoch. Die Ränder wurden auch hier durch größere (bis

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40 cm hohe), aufrecht stehende Steine gebildet, über denen kleinere gehäuft waren. Anscheinend ging auch eine Steinschicht quer durch den Grabraum und theilte diesen in zwei, nicht ganz gleiche Abtheitungen. Der Boden der Grabkammern war durch sorgsam neben einander gelegte Steine gedämmt.

Die westliche (kleinere) Hälfte der beiden Abtheilungen war ganz leer; die östliche enthielt einen beerdigten Leichnam, der sehr stark vergangen, dessen Lage aber durch Knochenreste deutlich erkennbar war; der Kopf lag im Osten, er blickte also, ebenso wie es bei Grab I sicher war und wir es bei Grab II vermuthet haben, nach Westen. Zahlreiche Holztheile zwischen den Steinen rühren offenbar von einem Sarge oder doch von einer Bretter= oder Bohlenlage her, in der der Todte gebettet war. Dieser war sichtlich in seiner Ausstattung beigesetzt. Reste von kleinen bronzenen Gegenständen, ganz verwittert und in ihrer Form nicht erkennbar, lagen am Ostende und gehören vielleicht einem Kopfschmucke an, wie ihn z. B. der Beerdigte des Grabes 9 von Friedrichsruhe (Jahrb. 47, S. 283) trug: kleine, auf Fäden aufgereihte Spiralröhrchen. 60 cm weiter, also etwa in der Brustgegend, ein ebenfalls stark vergangenes Messer mit pferdekopfartigem Griff; dann in der Gegend des Gürtels eine Klinge, mit drei Nieten, die Spitze nach unten, mit erhaltener lederner Scheide, offenbar ein am Gürtel befestigter Dolch, daneben die Reste einer Gewandnadel (Fibel).

Die einzelnen Gegenstände sind:

1. Messer mit Pferdekopf, 6 cm lang, 1 cm hoch. Ueber frühere Funde vgl. Jahrb. 47, S. 262, wo noch drei Beispiele für das Vorkommen solcher Messer in Kegelgräbern M. III gegeben sind (vgl. auch oben S. 165).

Messer

2. Bronzereste, unter denen Reste einer Fibel zu erkennen sind. Erhalten zwei Spiralscheiben von 1,25 cm Durchmesser und einige Stücke des dünnen gedrehten Bügels und der Nadel. Die Form war wohl dieselbe wie in Grab I, also gleich oben S. 95.

3. Dolch; spitze Griffzunge; drei Nieten, Mittelgrat. Die Griffzunge ist spitzer und der Klingenansatz schärfer als bei der schon wiederholt besprochenen sonst gleichen Form (oben S. 102 Pogreß u. s. w.), Länge 19, Breite 3,5 cm. Interessant ist, daß die Scheide erhalten ist, Leder mit ledernen Streifen gleich den

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Schwertscheiden von Friedrichsruhe und von Sylt (Compterendu de Stockholm I, S. 520).

Nach dem Nachweis dänischer Gräber, wo man die Vertheilung der Fundstücke auf Männer= und Frauengräber durchzuführen gelernt hat, ist das Grab eher einem Manne (das Messer ist ein Rasiermesser, vgl. S. Müller 85) zuzuschreiben.

Viertes Grab. (Ausgegraben, wie auch alle folgenden von Meyer.) Nahe bei 2; etwas südöstlich davon. Steinsetzung von 1,82 in Länge (südost=nordwestlich), 1,10 m Breite, 0,80 m Höhe; der Grabraum 1,30 m lang, 0,60 m breit. Am östlichen Ende standen sehr große Steine (60-40-30 cm); von dem Leichnam sind eine Anzahl zerbrannter Knochen am westlichen Ende gefunden, dazwischen Reste von Fibeln und Ringen. Die Gegenstände sind:

1. Eine Fidel, zerbrochen, aber fast ganz erhalten. Spiralscheiben, dünner, gedrehter Bügel; Nadel mit zwei Querbalken, also die bekannte Form, die wir schon in zwei Fällen auch hier bei Stülow vermuthet haben. Länge etwa 9, Länge der Nadel 8, Durchmesser der Scheiben 1,25 cm.

2. Zwei kleine Spiralscheiben, anscheinend von einer Zweiten Fibel stammend. Da Fibeln in Männer und Frauengräbern vorkommen, ist nicht zu bestimmen, wohin wir dieses Grab zu rechnen haben. Die Grabform ist die oben S. 96 besprochene des Körpergrabes mit Leichenbrand.

Fünftes Grab. 1,10 m unter der Oberfläche. Etwa 1,5 m südwestlich vom vierten, mit seinem westlichen Ende an den Steinkranz stoßend. Länge (ostwestlich) 2,85m, Breite 1,50 m, Höhe 0,87 m, der Grabraum 1,90 m lang, 0,85 m breit. Der Grabraum wurde umschlossen von aufrecht stehenden Steinblöcken, die z. B. Ausmessungen von 50 cm Höhe, 60 cm Länge, 35 cm Dicke (ein anderer 40 × 50 × 25 cm) zeigten; die größten Steine standen im östlichen Theile, am Kopfende. Die Erde im Grabraum war mit verwesten Stoffen (Holz?) stark durchzogen. In der Mitte des Grabes lag, die Spitze nach Westen, ein Schwert, unter dem Schwertgriff ein Bronzering. Vom Leichnam ist nichts erhalten. Der Bau des Grabraums und die Lage der Beigaben weisen auf Beerdigung.

1. Ein Griffzungenschwert mit breitem Mittelgrate; unvollständig; erhalten vier Stücke. Länge etwa 50cm, größte Breite 3,5 cm.

2. Ein Handring, in zwei Stücken, zart; außen mit scharfer Mittelkante, innen leicht gewölbt, nach den Enden zu sich etwas ver=

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jüngend. Verzierungen nicht erkennbar. Durchmesser 6 und 5, Höhe 0,75 cm.

Der ganze östliche und südöstliche Theil des durch den Steinkranz abgegrenzten Theils war leer; die Gräber lagen also dicht zusammengedrängt am westlichen Ende. Sie machen nicht den Eindruck einer einheitlichen Anlage, besonders das an den Rand des Kranzes gedrängte Grab 5 macht es wahrscheinlich, daß nicht erst nachträglich die Gräber mit einem Steinkranze umgeben sind, sondern daß sie zum Theil wenigstens in den durch die Umfassungssteine gegebenen Raum hineingezwängt sind. Warum blieb der östliche Theil leer? Sollten hier Todtenopfer stattgefunden haben, wie wir auch sonst in Kegelgräbern auf leeren Räumen Reste von Brand finden, und sollte hier, wie es Sitte der Homerischen Zeit ist, die Ceremonie nach Westen gerichtet vor sich gegangen sein? sind doch auch die Stülower Bronzezeitleute nach Westen blickend beigesetzt. Erst später sind dann wohl Grabraum und Opferstätte mit einem gemeinsamen Hügel überdeckt.

Mit dieser Auffassung vereinbart sich leicht eine zweite Gruppe von Gräbern, die an die bisher behandelten angrenzen; an die Steinumfassung schließt sich nämlich eine zweite in Form eines Kreissegmentes mit etwa 15 m Basis (auch hier vorausgesetzt, daß die Lücken gleichmäßig zu ergänzen sind) und 10 m Höhe am südwestlichen Theile der ersten Fläche. In diesem Raume, der sich am einfachsten als Erweiterung der zu eng gewordenen ursprünglichen Anlage erklärt, lagen noch drei, in ihrer Bauart den besprochenen gleichende Gräber.

Sechstes und siebentes Grab. 4 m südlsch von Grab 5 lagen unmittelbar nebeneinander (mit den Längsseiten) zwei ganz gleich gebaute Gräber von 2,80 m Länge (ostwestlich), 1 m Breite, 0,70 m Höhe; der Grabraum 1,80 m lang, 0,60 m breit; sie sind errichtet aus ganz kleinen Steinen, und wie das erste Grab innen mit Sand gefüllt. In Grab 6 war der Leichnam in seiner Lage erkennbar; er trug die Arme gekreuzt auf der Brust; in der Mitte des Grabes, offenbar auf der Brust des Leichname, lag ein Bronzeschwert, neben dem Schwertgriff steckte ein Armband von Golddraht in der Erde und an der rechten Seitenwand fanden sich zwei Theile einer Fibel, außerdem ein kleiner Tutulus. Die Ausrüstung erinnert an das Grab von Blengow. Die Stücke sind:

1. Ein Griffzungenschwert, in drei Stücken. Der Griff ist leicht ausgeschweift und hat drei Nieten, der Griffansatz vier Nietlöcher. Die Klinge ist schlank, mit leicht gewölbtem Mittelgrate.

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Ganze Länge 64, Länge des Griffs 10, größte Breite 3,25 cm. Erhalten sind Reste der hölzernen Scheide und der dazu gehörenden ledernen Riemen.

2. Ein Armband: 2 3/4 Windungen doppelten Golddrahts mit geschlossenen Enden; 42 Gramm schwer. Unsere Sammlung besitzt erst einen ähnlichen Handring von Sukorn in der Priegnitz (Jahrb. 18, S. 254) nahe der Grenze, und dieser ist in einer Schmuckdose gefunden; die andern Handringe, die in Männergräbern gefunden sind (Stülow, Peckatel, Friedrichsruhe, vielleicht auch Cremmin), sind massiv. Vgl. S. Müller 5.

Armband

3. Ein Tutulus von der oft erwähnten Form, aber flacher; Höhe 1,5, Durchmesser 5 cm.

4. Reste einer Fibel (?); eine Nadel von 13 cm Länge und der Rest einer Spiralscheibe; näheres nicht erkennbar.

Das Nebengrab (7) war vollständig leer.

Achtes Grab. Annähernd 5 m südöstlich von Grab 7; wie die beiden letzten aus kleinen Steinen geschichtet. Auffallend lang (3,25 m ostwestlich), 1,55 m breit, 0,82 hoch; der Grabraum 2,50 m lang, 0,60 breit. Die Erde war mit vielen schwarzen Streifen durchzogen und stark mit Kohle durchsetzt. Am Ostende lag ein Doppelknopf und eine Nadel. Es ist möglich, daß hier Leichenbrand vorliegt und auch dieses Grab in die Gruppe der Körpergräber mit Leichenbrand gehört.

1. Die Nadel; in fünf Stücken, 15,25 cm lang, mit rundlichem, etwas gedrücktem Kopfe. Der Kopf in Folge starker Oxydation nicht genauer erkennbar, aber wahrscheinlich gleich dem der Radel von Friedrichsruhe, Glockenberg Grab A, Jahrb. 47, S. 272.

2. Ein Doppelknopf, gleich denen des ersten Grabes, stark verwittert.

Beide Sachen kommen in Männer= und Frauengräbern vor, also ist dieses Grab nicht bestimmbar.

Die sieben Gräber mit Beigaben würden also enthalten: beerdigte Leichen in fünf Fällen, davon drei männliche, zwei weibliche; verbrannte in einem Falle sicher, in einem wahrscheinlich, beide Male läßt sich das Geschlecht des Bestatteten nicht bestimmen.

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Die Beerdigung überwiegt also beträchtlich und zwar bei beiden Geschlechtern in gleicher Weise.

In ihrer Gesammtheit schließen sich die Stülower Gräber an die bekannten von Friedrichsruhe u. s. w. an und bilden hervorragende Vertreter der Grabstätten der Periode M. III.

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Kegelgrab (?) von Klein=Grenz (bei Schwaan).

Die Umgegend von Schwaan hat schon mehrere Bronzefunde ergeben (Kegelgräber von Schwaan und Letschow; Depotfund der älteren Bronzezeit von Wiek, Gräber der jüngeren Bronzezeit von Bandow), die dadurch an Interesse gewinnen, daß nördlich und nordöstlich ein an bronzezeitlichen Funden sehr armes Gebiet sich anschließt. Die kleine Schwaaner Gruppe wird jetzt erweitert durch einen schönen Fund, den vor mehreren Jahren ein Bauer in Klein=Grenz gemacht hat. Die Stücke, ausgezeichnet durch gute Erhaltung, sind in das Rostocker Alterthumsmuseum gelangt. Eine kurze Besprechung des Fundes mit Abbildung giebt Herr Th. Völkner in der Zeitschrift "Niedersachsen" 1900, S. 322. Die umstehende Abbildung ist nach dem von dem Verleger, Herrn Karl Schünemann in Bremen, freundlichst zur Verfügung gestellten Cliché genommen, die Beschreibung verdanke ich der stets bewährten Gefälligkeit des Herrn Ludwig Krause in Rostock.

Ueber die Fundverhältnisse berichtet Herr C. Salemann in Kl.=Grenz:

"Die Fundstelle ist auf einem der höchsten Punkte der hiesigen Feldmark, einem Kieshügel, in nördlicher Richtung vom Dorfe. Beim Kiesfahren stieß 1897 der Erbpächter Martens ungefähr 2 Fuß unter der Oberfläche auf eine Menge geschichteter Steine, zwischen denen die Sachen gefunden wurden."

Ueber Funde von Gebeinen u. s. w. verlautet nichts; der Hügel ist anscheinend eine natürliche Erhebung, wir können also nicht mit Bestimmtheit sagen, daß ein Grabfund vorliegt. Jedenfalls aber entspricht seine Zusammensetzung genau der der weiblichen Gräber der dritten Periode.

Die Sachen sind:

1. Ein Halskragen ("Diadem"), in drei Stücken, genau dem oben S. 129 abgebildeten gleichend (in der Abbildung sind die Linien zwischen den Spiralen ausgezogen, im Original, wie

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stets in Meklenburg, nur punktirt). Höhe in der Mitte 5 cm, an den Enden 2 cm.

Halsringe, Armringe, Tutuli . . .

2. 3. Zwei gedrehte Halsringe mit in einander greifenden Enden, wie wir sie oben bei Turloff, S. 131, zu besprechen hatten. Durchmesser 14, Dicke 0,5 cm.

4. 5. Zwei große und schöne Armringe mit scharfem Mittelgrate und leichter Verstärkung der Enden; verziert mit Dreiecken, die mit den Spitzen (im Mittelgrat) zusammenstoßen;

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eine Verzierungsart, für die wir oben S. 99 bei dem Grabfunde von Perlin Beispiele gehabt haben. Von dem dort abgebildeten Exemplar von Spornitz unterscheidet sich das Kl.=Grenzer durch die geringere Breite und entsprechend größere Zahl der Dreieckspaare (dort 4 + 4, hier 4 + 5 + 4). Durchmesser 11 und 8,5 cm.

6. 7. Zwei Handringe, einfach; verziert mit vier Längsreifen; Durchmesser 6,5 und 6 cm.

8. Ein größerer Tutulus, gleich den oben besprochenen (S. 98) von Radelübbe u. s. w., oben mit kleinem Knauf, wie ihn vielleicht auch andere Exemplare ursprünglich hatten (vgl. S. Müller, Nord. Alterthumskunde I, Abb. 180). Höhe 3 cm, Durchmesser 0,47 cm.

9. 10. Vier kleine Tutuli (abgebildet zwei) mit spitzem Stachel. Höhe 1,5 bis 2 ein, Durchmesser 3,5 cm.

11. Eine Schmuckscheibe, wie sie oben S. 133 besprochen sind. Die Abbildung giebt das Ornament nicht ganz genau wieder. Dieses besteht aus sechs konzentrischen Kreisen, welche durch kleine, sehr regelmäßig angeordnete radiale Striche gebildet sind und von denen die äußeren einen Saum von kleinen Zickzacklinien oder kleinen eingepunzten Winkeln haben.

Ueber den Fund als Ganzes ist dem oben Gesagten nichts mehr hinzuzufügen. Er entspricht vollständig den Schmuckgarnituren von Boldebuck u. s.

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Kegelgrab von Deperstorf (bei Laage).

Auf einem ausgedehnten Höhenrücken am Thale der Recknitz liegt 1/2 km nördlich vom Hofe Deperstorf entfernt ein hervorragender Hügel von Kegelform, weithin sichtbar, sehr an den "Kahlenberg" von Blengow erinnernd. Er liegt in Ackerkultur, und so stieß man im Herbst 1897 auf Steine, deren regelmäßige Setzung auffiel. Daraufhin habe ich am 4. und 5. April 1898 mit Hülfe des Herrn Voigt auf Deperstorf eine Ausgrabung vorgenommen. Die Steine, die man getroffen hatte, bildeten in halber Höhe des Hügels einen Steinkranz, der ursprünglich wohl frei gelegen hatte und beim Beackern und allmählichen Einebnen des Hügels mit Boden bedeckt war. Der Umfang betrug etwas über 60 m, der Durchmesser entsprechend annähernd 20; eine Anzahl Steine waren schon früher entfernt, so daß die ursprüngliche Zahl nicht zu bestimmen ist; sie standen dicht neben einander, aufrecht stehende Blöcke von etwa 1 m Höhe und 75 cm Breite. Interessant war, daß einer

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kleine näpfchenartige Vertiefungen zeigte (6 Stück auf der inneren, dem Hügel zugekehrten Fläche), also ein "Näpfchenstein" der von den Hünengräbern her bekannten Art war. Der Steinkranz bildete offenbar ursprünglich die Umfassung des anfgetragenen Hügels, dessen Grund bei 2,20 m Tiefe erreicht wurde. Der Auftrag besteht aus gemischter, leichterer Erde, während der Kern des Hügels aus schwerem Lehme gebildet wird, also genau die Erscheinung, wie bei vielen der hier besprochenen Kegelgräber, so dem von Upahl (oben S. 92), wo ebenfalls ein natürlicher Hügel auf gehöht war. Auch die Ausbeute war von derselben Kümmerlichkeit wie dort. Zwischen der Erde des Auftrags fanden sich vereinzelt Scherben, dieses besonders in der Nähe der Umfassungssteine, Kohlen und einige ganz kleine Brandstellen, aber gar keine Steinsetzung. Nahe dem Urboden war eine größere, etwa 1 m im Durchmesser haltende Brandschicht, und nahe dabei, ziemlich unter dem vorauszusetzenden Mittelpunkte des Hügels lagen neben einander drei größere platte Steine. Doch zeigte sich unter diesen, wo man ein Grab erwarten sollte, nichts als einige leichte Knochenspuren. Immerhin bleibt wahrscheinlich, daß hier wirklich ein Grab gewesen ist, dessen Leichnam zur Unkenntlichkeit vergangen ist. Denn etwas nördlich davon fand sich ganz frei im Boden ohne jede Steinsetzung, Steinpflaster oder Steinschutz das Stück einer Schädelkapsel, nach der Lagerung einem nach Osten gerichteten Leichnam angehörig.

Es ergiebt sich aus diesen Verhältnissen, daß gelegentlich die Leichen der Hügelgräber frei im Boden liegend und ohne jede Beigaben bestattet sind; eine Warnung vor zu rascher Annahme von Kenotaphien. Daß derartige Grabhügel in die Bronzezeit und zwar in die ältere Periode, zu setzen sind, ist wohl nicht zu bezweifeln; für eine Zutheilung an einen der beiden Abschnitte liegt aber kein Anhalt vor.

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Grab von Wozeten (bei Laage).

Im April 1901 wurde beim Entsteinen eines Feldstückes in einer Steinhäufung ein Bronzeschwert in drei Stücken gefunden, über welches Herr Administrator Martens in Spotendorf freundlichst berichtet hat. Nach der eingesandten Zeichnung ist der Griff rundlich und besteht aus kleinen Ringen mit einer Füllmasse; der Griffansatz mit vier Nieten endet in einem Dreiviertelkreise mit spitzen Schaftlappen, der Knauf ist rundlich und hat eine Spitze in Form eines Kegelstumpfes. Das Schwert

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gehört demnach in die Reihe alter Bronzeschwerter, die Montelius (C. R. S. 886 und 887, Fig. 3-5, dazu S. 889, Fig. 12, Tidsb. 25) abbildet und die der zweiten Periode der nordischen Bronzezeit angehören.

Die Schwertform ist in Meklenburg selen; am ähnlichsten die Stücke von Schwaan und Schulenberg.

Eine Untersuchung der ganzen Fundstelle ist in Aussicht genommen; verdient doch der Fund besondere Beachtung schon darum, weil jene Gegend bisher an Bronzefunden sich wenig ergiebig gezeigt hat und hier offenbar einer der seltenen Grabfunde der Periode M. II vorliegt.

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Grab von Stubbendorf (bei Dargun).
(Katalog=Nummer Br. 468)

Im Januar 1898 hat Herr H. Wildhagen in Stubbendorf dicht am Dorfe, beim Schulzengarten, eine Steinpflasterung aufgenommen, die sehr wahrscheinlich der Boden eines niedergeackerten Kegelgrabes ist. In der Mitte, anscheinend auf der Brust des Beerdigten, dessen Lagerung (westöstlich) an Gebeinresten erkennbar war, lag ein schönes Bronzeschwert, am Griff beschädigt, aber vollständig erhalten. Es ist ein Griffzungenschwert vom Typus des Roggower Schwertes; von diesem unterscheidet es sich durch größere Schlankheit, durch den breiteren und flacheren Mittelgrat (gleich dem Loizer Schwerte) und das Fehlen der Ausbauchung an Griff und Klinge; auch vier Nieten, zwei größere von 2,5 und zwei kleinere von 1,25 cm Länge und Resten des hölzernen Griffbelages sind erhalten. Länge 62,5, Länge des Griffs 10, größte Breite 3 cm.

Ob das Grab der Periode M. II oder III angehört, ist nach dem Schwerte allein nicht zu entscheiden. Der Fund ist zu beachten als einer der wenigen, die in jener an schönen Grabhügeln reichen Gegend gehoben sind. Stubbendorf ist bekannt als Fundort unseres bedeutendsten Depotfundes ältester Bronzezeit.

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Hügelgrab von Dargun.
(Katalog=Nummer Br. 409, 410.)

Eins der Jahrb. 61, S. 215 kurz erwähnten Hügelgräber hat 1884 Herr Oberlanddrost von Pressentin in Dargun angegraben, indem von oben her eine Oeffnung in den Hügel geführt ist. Die Fundstücke sind Januar 1897 übersandt. Man stieß auf eine

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Steinschichtung, und in dieser fand sich eine Brandstelle mit Gefäßscherben (zu bemerken der breite Henkel eines kleinen Gefäßes) und ein breites flaches Bronzestück mit erhöhten Rändern, anscheinend der Griff eines Dolches oder Messers.

Die Gegenstände sind zu geringfügig, um eine Deutung zuzulassen, gehören aber anscheinend eher der älteren Bronzezeit an, als, wie a. a. O. für die Hügel vermuthet, der jüngeren.

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Hügelgräber von Warrenzin (bei Dargun).
(Katalog Kummer 4729.)

In der Darguner Gegend finden sich eine sehr große Anzahl Grabhügel, die mit keiner der anderen Grabhügelgruppen unmittelbar zusammenhängen; besonders in den schönen Waldungen bei Brudersdorf, Wolkom, Barlin, Upost sind noch Gräber von sehr charakteristischer Form wohl erhalten. Ausgrabungen haben hier bisher nur in sehr beschränktem Maße stattgehabt. Den Bericht über eine verdanken wir dem (1899 verstorbenen) Herrn Oekonomierath E. Schmidt in Warrenzin, welcher mit Uebersendung der Ergebnisse im Juli 1889 schrieb: "In nördlicher Richtung, 500 m vom Dorfe Warrenzin entfernt und fast unmittelbar an dem zu Warrenzin gehörenden Tannenwald sind im Dreieck neben einander drei kleine Erderhöhungen, welche so viel Steine in sich bargen, daß sie der Feldbestellung sehr hinderlich waren; ich beschloß daher, diese Stellen tief und gründlich zu reinigen. Es fanden sich bald bei allen drei Stellen im Kreise gelegte größere Steine, welche nur wenig mit Erde bedeckt waren. Gleich bei der ersten in Angriff genommenen Stelle fand sich neben einem größeren Stein eine bronzene Lanzenspitze [Dolchklinge]. - Die zweite Stelle enthielt an der inneren Westseite eine Grabkammer aus Steinplatten, welche zwar sehr gerade und sauber zu einander paßten, aber unbehauen waren; die Kammer war 1 Fuß breit, 2 Fuß lang und etwa 1 1/2 Fuß tief, als Boden eine Platte, auf allen vier Seiten ebenfalls Steinplatten, doch war die Deckplatte vielleicht früher entfernt. In dieser Kammer wurde nichts gefunden. Im Zentrum dieser Stelle befand sich eine ebenso gebildete Grabkammer, jedoch fast doppelt so groß wie die erste; auch hier fehlte die Deckplatte, doch fand ich in der Kammer Urnenscherben, welche mir werthlos schienen. - Bei Durchgrabung der dritten Stelle wurde nichts gefunden.

Augenscheinlich hatten alle drei Stellen durch gelegentliche Wegnahme von Steinen, welche der Feldbestellung hinderlich

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waren, sehr gelitten. Nicht unerwähnt will ich lassen, daß auf allen drei Plätzen vieie ziemlich gut erhaltene Holzkohlenreste beim Ausgraben gefunden wurden, auch kleinere Feldsteine, welche augenscheinlich durch starke Erhitzung gelitten hatten, sozusagen verbrannt waren."

Es handelt sich hier also um niedrige, mit einem Steinkranz umgebene Gräber; die Steinkisten des zweiten würden wir nach unseren bisherigen Erfahrungen zu den bekannten Urnenbehältern der jüngeren Bronzezeit rechnen, wie sie bei Gelegenheit der letzten Behandlung dieser Periode (Jahrb. 61, S. 182 flgd.; vgl. auch Vorgeschichte S. 66) mehrfach besprochen und seitdem

unter besonders charakteristischen Erscheinungen in dem Grabe von Lanken (bei Lübz) aufgedeckt sind. Auch bei Hallalit hatten wir sie zu erwähnen. Doch kommen in anderen Gegenden, auf die unten einzugehen sein wird, Steinkisten schon in wesentlich älteren Perioden vor, und auf eine ganz andere Zeit weist der Dolch, der sicher viel älter ist und als bisher einziger Vertreter einer hier zu Lande noch nicht beobachteten sehr alten Gräbergruppe besonderes Interesse beansprucht.

Dolch

Der Dolch hat in der Mitte der Klinge eine schwach markirte Mittellinie, dachförmigen Querschnitt, schließt oben scharf ab in einem Bogen und hat sechs noch in ihren Löchern sitzende Nieten (in der Form eines anschwellenden Pflockes), darunter zieht er sich zusammen und bleibt dann ziemlich gleich breit bis nahe an die Spitze. Länge 21,5 größte Breite 5, Breite der Klinge 2 cm. Die Form gehört nicht in den Formenkreis der von uns bisher besprochenen Gräber. S. Müller, Ordning 23, bildet sie ab, aber als in Dänemark seltene und wahrscheinlich eingeführte Form. Allgemein setzt man diese Dolchform, wenn nicht an den Anfang, so doch in einen sehr frühen Abschnitt der Bronzezeit; vgl. z. B. Naue, S. 68; Reinecke, S. 235, 12 (Uebergang der ersten ungarischen Bronzeperiode zur zweiten). Aus dem Gebiete der nordischen Bronzezeit liegen besonders für Schleswig=Holstein gute Beobachtungen vor. Splieth giebt die Form auf Tafel I, 7 wieder (vgl. auch Montelius, Chronologie S. 63, Fig. 185). Aus der Statistik auf S. 15 ergiebt sich, daß dort in zwölf Fällen diese Dolche in Gräbern gefunden sind, und zwar in

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fünf Fällen zusammen mit Gegenständen, die ihnen ihre zeitliche Stellung als ganz altbronzezeitlich (M. I) sichern. Die Grabform war ein niedriger Hügel, in dem der beerdigte Leichnam in einem Sarge oder in einer kleinen Steinkiste beigesetzt war. Vereinzelt finden sich Gräber her Periode M. I in Norddeutschland aber auch sonst. Montelius, Chronologie S. 61 und 220 zählt auf aus Westpreußen 3, Posen 1, Provinz Sachsen 6, darunter das berühmte, noch immer nicht veröffentlichte Grab von Leubingen; dazu kommt noch ein Fund aus dem Mansfeldischen, den Größler, Mansfelder Blätter 15, S. 3 veröffentlicht hat. Aus Hannover giebt Montelius keine Funde, doch vgl. den von Hohenaverbergen bei Verden (Grabhügel mit Dolch unserer Art) bei Müller=Reimers, Alterth. v. Hann. IV, 49 und S. 116 und einen älteren Fund von Lehmke bei Bodenteich, wo in einem Flachgrabe ein Dolch unserer Form zusammen mit einem halbmondförmigen Feuersteinmesser, zwei Doppelmeißeln und einer Scheibennadel gefunden ist (v. Estorff, Alterth. v. Uelzen, S. 70). Fast überall scheint es sich um niedrige Hügel (nur in Leubingen ein größerer Hügel), zum Theil mit kleinen Steinkisten zu handeln. Dem reiht sich nun auch unser Land mit dem Warrenziner Grabe an. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir hier ein Grab her ersten Periode der nordischen Bronzezeit vor uns haben, vorläufig als das einzige seiner Art, dem aber wohl bald ebenso gut mehr folgen werden, wie die Schleswig=Holsteinischen Beobachtungen in verhältnißmäßig kurzer Zeit zusammengekommen sind. Das Verbreitungsgebiet dieser Gräber geht etwas über das des nordischen Bronzegebietes hinaus und erstreckt sich Elbe und Saale entlang südwärts; das ist wohl der Weg, auf dem wir unsere ältesten Bronzen erhalten haben. Wie diese norddeutschen (und skandinavischen?) Hügelgräber ältester Bronzezeit mit den im Ganzen wohl noch etwas älteren Flachgräberfunden, die von Ungarn bis Rheinhessen nachgewiesen sind (vgl. Reinecke, Korrespondenzblatt d. Westdeutschen Zeitschrift 1900, S. 207) zusammenhängen, wird noch festzustellen sein; soweit bisher erkennbar, findet die Berührung der beiden Gruppen oder sagen wir lieber Erscheinungen in der Provinz Sachsen statt.

Vignette
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IV.

Der Güstrowsche Erbfolgestreit.

Von
Oberlehrer Dr. Richard Wagner .

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E iner der Vorgänge, in und mit denen sich die Entwickelung Deutschlands aus den Zuständen des Mittelalters zu denen der Neuzeit vollzogen hat, ist die Verwandlung der Länderkomplexe, die die fürstlichen Familien Deutschlands seit der Umbildung der früheren Reichsämter zu erblichen Reichsfürstenthümern als Hausbesitz zu gewinnen gewußt hatten, in moderne Staaten; ein wichtiges Moment in dieser Entwickelung bildet die Einführung des Primogenitur=Erbrechtes, das ein Ausfluß des entstehenden Staatsgedankens war, an Stelle des alten, auf privatrechtlichen Anschauungen beruhenden Erbteilungsrechtes, nach dem in einem Fürstenhause so gut wie in jeder privaten Familie nach dem Tode des Familienvaters seine sämmtlichen Deszendenten, oder wenigstens nach dem salischen Gesetze die männlichen, gleichen Antheil an der gesammten Hinterlassenschaft, auch der an Land und Leuten, zu beanspruchen hatten. Daß jenes alte Erbtheilungsrecht unsäglich viel Unheil, Zank und Zersplitterung im Gefolge gehabt hat, daß also die Einführung des Primogeniturrechtes ein Fortschritt war, ist heute für jeden klar, der nur einen Blick in die Geschichte des Deutschen Reiches wie seiner Territorien wirft. Bekannt ist ja, daß die Stellung, die die Hohenzollern in Deutschland errungen haben, eine ihrer stärksten Wurzeln in der Constitutio Achillea des Jahres 1473 hat, in welcher der Kurfürst Albrecht Achilles die Primogenitur und die Untheilbarkeit, die in der Goldenen Bulle von 1356 nur für die Kurlande im engeren Sinne - die Besitzungen, an denen die Kurstimme haftete - festgesetzt war, für den gesammten Hohenzollernschen Hausbesitz einführte, wodurch

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Brandenburg einen Vorsprung vor sämmtlichen übrigen deutschen Territorien erhielt. Allein, was dem nach Jahrhunderten Zurückschauenden klar zu Tage tritt, liegt für die Mehrzahl der Zeitgenossen noch im Dunkel. Sehr begreiflich also, daß man diese Neuerung nicht sogleich überall in ihrer vollen Bedeutung würdigte, daß sie nur langsam Nachfolge fand, und sehr begreiflich auch, daß von denen, die dadurch in ihren persönlichen Ansprüchen verkürzt wurden, viele den erbittertsten Widerstand erhoben. 1 ) Besonders hat Meklenburg einen langen und schmeren Entwickelungsprozeß durchmachen müssen, ehe es zur definitiven Einführung der Primogenitur gelangte. Die letzte Phase dieses Prozesses ist der Güstrowsche Erbfolgestreit, eben hierin liegt die historische Bedeutung dieses Streites, wie seines Abschlusses, des Hamburger Vertrages, die um die Zeit der 200jährigen Wiederkehr des 8. März 1701 zu einer eingehenden Betrachtung aufforderte und Veranlassung zu der folgenden Studie gegeben hat. 2 )

Vor der Schilderung des Streites selbst einen kurzen Ueberblick über die ihm vorausgehenden Stadien jenes Entwickelungsprozesses zu geben, erschien um so unumgänglicher, als nur aus der Kenntniß dieser früheren Vorgänge ein richtiges Verständniß für den Rechtsstandpunkt zu gewinnen ist, den die streitenden Parteien im Güstrowschen Erbfolgestreit eingenommen haben. Eingehender als die frühere Zeit mußte dabei die Geschichte der drei Testamente Adolph Friedrichs I., sowie der Kamf Christian Louis gegen das letzte dieser Testamente erzählt werden, da alles dieses in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Güstrowschen Erbfolgestreit steht.

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1) Eine kurze Zusammenstellung der Daten für die Einführung der Primogenitur in den deutschen Fürstenhäusern s. bei Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 473.
2) Der vorliegende Aufsatz ist eine ausführlichere, auf erneuter Durchforschung der Akten des Schweriner Archivs beruhende Umarbeitung des vom Verfasser in der Hauptversammlung des Meklenburgischen Geschichtsvereines den 30. April 1901 zu Schwerin gehaltenen Vortrages. Für die letzten Verhandlungen in Hamburg vom August 1700 ab sind auch die im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin aufbewahrten Berichte des Brandenburgischen Gesandten in Hamburg, sowie die an ihn gerichteten Reskripte benutzt; für ihre Uebersendung an das Schwerinrr Archiv sei der Direktion des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin auch hier vor der Oeffentlichkeit der gebührende Dank ausgesprochen. Ein Gesuch an das Archiv zu Strelitz um Uebersendung von dortigen Akten nach Schwerin ist abgeschlagen worden.
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I.

Bestrebungen für die Einigung der meklenburgischen Lande und die Einführung der Primogenitur im Kampfe mit entgegengesetzten Strömungen bis zum Beginn des Güstrowschen Erbfolgesreites.

Konsolidationsbestrebungen neben Fortdauer der Theilungen vom 14. bis 16. Jahrhundert.

Verwandt mit den Bestrebungen für die Einführung der Primogenitur in Meklenburg, aber doch von ihnen zu unterscheiden, sind die der Zeit nach jenen vorangehenden Konsolidationsbestrebungen am Ende des 14. und am Anfang des 15. Jahrhunderts, die das Ziel hatten, das völlige Auseinanderfallen des meklenburgischen Hausbesitzes in Folge der vielen Theilungen zu verhüten, neu gewonnene Landschaften mit dem bisherigen Besitz zu verknüpfen und im Falle des Aussterbens einer Linie den Heimfall ihrer Lande an die noch vorhandenen Linien zu sichern. Sie gingen aus von Herzog Albrecht dem Großen und seinem Bruder Johann und wurden veranlaßt durch den Wunsch, die Landschaft Stargard unauflöslich eng an die übrigen Lande der Hauptlinie anzuketten. Nachdem beide Brüder sich von Kaiser Karl IV. den 10. Juni 1373 aufs Neue mit der Herrschaft Stargard hatten belehnen lassen, erwirkten sie eine Urkunde von ihm, datirt vom 22. Juni, in welcher die dauernde Vereinigung der Herrschaft Stargard mit dem bisherigen reichsunmittelbaren Besitz der Hauptlinie ausgesprochen ward, dergestalt, daß der gesammte Landkomplex ein einheitliches und - unbeschadet der 1352-1355 erfolgten Abtretung von Stargard an Herzog Johann - untheilbares Herzogthum bilden sollte. 1 ) In einer zweiten Urkunde, vom 10. August, wird


1) Die Belehnung mit Stargard s. M. U.=B. XVIII, Nr. 10454; die Urkunde vom 22. Juni Nr. 10461; beide auch bei Sachsse, Meklenburgische Urkunden und Daten, Rostock 1900, Nr. 57 und 58, S. 123 ff. In der Urkunde vom 22. Juni heißt es: Insuper - dominium Stargardie - eidem ducatui univimus et unimus perpetuo - ac idem dominium (  ...  )
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bezeugt, daß trotz der Theilung zwischen den Herzögen Albrecht und Johann ihre Lande dennoch ein Gesammtlehen sein und für alle Zeiten bleiben und im Falle des Aussterbens der einen Linie deren Lande auf den andern Bruder oder dessen Lehenserben fallen sollen. 1 )

Durch die Erbverbrüderung vom 27. Oktober 1418 und die in ihrem Gefolge von den verschiedenen Landestheilen abgelegten Eventualhuldigungen 2 ) wurde auch Wenden=Werle in den Kreis dieser Bestimmungen gezogen. Seinen staatsrechtlichen Ausdruck fand der also geschaffene Zustand wie anderwärts in Deutschland, so auch in Meklenburg in der Formel der Belehnung "zur gesammten Hand", durch welche neben der prinzipiellen Gleichberechtigung der Lehnserben auch die Zusammengehörigkeit des Erbes gegeben ward. Die erste meklenburgische Staatsurkunde, die ihn enthält, ist der Lehnbrief, den im Jahre 1442 (den 24. Juni) nach dem Aussterben der Linie Werle (1436) die Herzöge Heinrich, Heinrich der Aeltere, sein Vetter, und Johann, sein Bruder, von Kaiser Friedrich III. erhielten; 3 ) er wird dann in allen folgenden Lehnbriefen wiederholt.


(  ...  ) Stargardie et eciam universas et singulas terras civitates castra et dominia eorum - cum omnibus et singulis iuribus - in verum princinatum et ducatum Magnopolensem ereximus - in verum illustre feodum ac solidum et indivisum perpetuo principatum et ducatum Magnopolensem.
1) M. U. B. XVIII, 10470 und Sachsse Nr. 59, S. 129. Die Urkunde ist deutsch, nicht, wie Böhlau, Landrecht I, 44, Anm. 36, nach Lützow meint, lateinisch. Die entscheidende Stelle lautet: Ob - der herczogen von Mekelinburg eyner sturbe und rechte eliche lehenserbe mannesgeslechte - hinder ym nicht ließen -, - daß denne allewege - desselben herczogtum, herschafft, lande, - uff die erben des andern bruders, oder ob sie nicht weren, uff derselben lehenserben mannesgeslechte, die denne nach feterlichem stamme und lynien die nechsten lebende weren, ewiclichen erben und gevallen sullen, gleicherweise als ob die obgenannten gebruder oder yr erben yr herczogtum, herschafft, lande und lute nicht gesundert, noch geteilet gewesen weren, und also sullen yme furstentum und herczogtume zu Mikelimburg -, alledieweile und sie beiderseit oder eyn teyl under yn rechte lehenserben mannesgeslechte hinder yn lassen, zusammen erben und an einander ewiclichen volgen.
2) S. Böhlau I, 45 und 39, Sachsse Nr. 66-69, S. 146 ff.
3) Der Ausdruck lautet: "zu rechten gesammten Handen" (Sachsse S. 170). Ich füge hier noch den folgenden Passus des Lehnbriefes bei, der den Heimfall etwa erledigter Landestheile wie die Einheit des meklenburgischen Lehnskomplexes betrifft und ebenfalls in den folgenden Lehnsbriefen sich wiederholt: und (wir haben) Jn auch die besonnder Gnade geton, und tun auch wißentlichen Jn krafft dieser Brieues, ob, Jr einer (  ...  )
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In diesen Urkunden findet der Gedanke des Gesammtbesitzes und der Untrennbarkeit der meklenburgischen Lande einen entschiedenen Ausdruck, durch sie ward der Gefahr begegnet, daß einmal ein Stück des Ganzen etwa als Mitgift oder durch testamentarische Bestimmung an ein anderes Fürstenhaus gelangte oder auch ein Landestheil die Reichsunmittelbarkeit einbüßte. Die Gepflogenheit der Theilungen innerhalb dieses Gesammtbesitzes ward durch sie nicht beseitigt, vielmehr ausdrücklich als zulässig anerkannt. Es war eine Gunst des Geschickes, die schlechte Benutzung fand, daß nach dem Aussterben der übrigen Linien Herzog Heinrich IV. (der Dicke) im Jahre 1471 den ganzen Landbesitz seines Hauses vereinigte. Heinrich unterließ jeden Versuch, dem gerade in den Jahren seiner Alleinregierung gegebenen Beispiele Brandenburgs zu folgen und die Einheit des Landes zu einer dauernden zu machen. Indessen stellte sich nach seinem Tode (1477) eine Art Alleinregierung wie von selbst her, indem von seinen drei Söhnen Albrecht II., Magnus und Balthasar der älteste, Albrecht, schon 1483 kinderlos starb und der jüngste, Balthasar, aus freiem Entschluß die Regierung dem weit bedeutenderen Bruder thatsächlich überließ.

Die gleiche Lage wie 1483, daß also der Bestand der fürstlichen Familie auf zwei Brüder zusammenschmolz, entstand im Jahre 1508, nachdem Herzog Balthasar 1507 und Herzog Erich, der zweite der drei Söhne des Herzogs Magnus, 1508 gestorben war, beide ohne männliche Erben zu hinterlassen. Bis dahin hatten die Brüder mit dem Oheim die Einkünfte gemeinschaftlich genossen, die Regierung aber diesem überlassen unter der Bedingung, daß er nichts ohne Rath, Wissen und Willen der Neffen vornehme. Nach Balthasars Tod hatte Herzog Heinrich als der älteste der Brüder die Regierung zu übernehmen, und noch 1513


(  ...  ) oder mere, von todes wegen abgingen oder verstürben und menliche erben nicht hinder sich ließen, Das dann des oder der verstorben Teile Jrer Lannde und Leute, an die Lebendigen und Jre erben, gefallen und komen sollen, - und - Jre Lande und Leute - sullen alzeit bei Jn und Jren Lehen erben In ungeschiedenen Lehen bleiben, (hetten sich auch die obgenannten unnser Oheimen, mit ettlichen Jren Lannden von einander gesatzt und geteilet, oder würden Sie oder Jre Erben sich hinfür wie In das bequem were, von einander setzen oder teilen, das soll In und allen Jren Lehenserben an Jren gesammeten Handen keinen Schaden bringen,) sondern dieselben Jre Fürstenthum - sollen allezeit nach väterlichs stammes Lynien und darnach von einem an den anndern, komen und gevallen, gleicherweise und Jn aller maß ob Sie von einander nicht gesetzt noch geteilet gewesen weren.
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überließ ihm Herzog Albrecht das Regiment in einem neuen Vertrage auf fünf Jahre, indessen vermochte sich der ehrgeizige und leidenschaftliche junge Fürst nicht so wie früher sein Oheim Balthasar in die Rolle des unthätigen Mit=Nutznießer zu finden und begann auf Theilung zu drängen. Eine vollständige Theilung des Landes in zwei Hälften mit getrennter Regierung setzte er freilich nicht durch; im Neubrandenburger Hausvertrage vom 7. Mai 1520 kam es bei Fortbestand gemeinsamer Regierung zu einer Theilung der Einkünfte, wobei man, um keinen zu benachtheiligen, zu dem wenig glücklichen Auskunftsmittel griff, die beiden Brüder alle zwei Jahre mit ihrem Theile wechseln zu lassen. 1 ) Die Verhältnisse, die dadurch geschaffen wurden, waren nicht eben erquicklich und veranlaßten die Stände des Landes, um ferneren Trennungsbestrebungen einen Riegel vorzuschieben, zum Abschluß des Unionsvertrages vom 1. August des Jahres 1523, dem Grundpfeiler der ständischen Einheit Meklenburgs. Die Streitigkeiten zwischen Heinrich und Albrecht wiederholten sich in noch verschärftem Grade, als nach dem Tode Albrechts (1547) und Heinrichs (1552), dem sein einziger Sohn Magnus (Bischof von Schwerin) schon (1550) vorangegangen war, Albrechts Söhne das Land erbten. Jhr ältester, Johann Albrecht I., vertrat von Anfang an den Einheitsgedanken mit aller Entschiedenheit, allein er vermochte ihn nicht durchzusetzen und ward durch den Ruppiner Machtspruch (1. August 1556) genöthigt, seinem Bruder Ulrich die Hälfte des Landes einzuräumen. 2 ) Wie sehr die Streitigkeiten vor wie nach dieser Theilung dem edlen und hochstrebenden Fürsten das Leben verbittert und die Regierung erschwert haben, ist bekannt.

Das Testament Johann Albrechts I.

Was ihm im Leben nicht gelungen war, suchte er für die Zukunft anzubahnen durch sein Testament, in dem er zum Regenten seiner Landeshälfte mit Ausschluß seines jüngeren Sohnes Sigismund August seinen erstgeborenen, Herzog Johann, bestimmte und sodann im Falle der Erledigung des Güstrower Lande=


1) Die Verträge bei Sachsse Nr. 84, S. 188 (v. 27. Dez. 1503), Nr. 85, S. 191 (v. 21. Mai 1504) Nr. 87, S. 197 (v. Sept. 1507), Nr. 88, S. 198 (v. 6. Febr. 1513), Nr. 89, S. 200 (v. 28. Nov. 1518), Nr. 90, S. 206 (v. 7. Mai 1520), dessen Erneuerung auf 20 J. Nr. 93, S. 27 (v. 22 Dez. 1534); vgl. noch Böhlau S. 92.
2) Sachsse Nr. 104, S. 242, Genaueres über die Streitigkeiten bei Schirrmacher, Joh. Albrecht I. und Schnell, Reformationszeit.
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theiles die Vereinigung des ganzen Landes anordnete. Bei der Bedeutung, die dieses Testament für die folgende Entwickelung und besonders auch für den Güstrower Erbfolgestreit gewonnen hat, mag es erlaubt sein, die betreffenden Bestimmungen im Wortlaut hierher zu setzen:

"Volgendts setzen Wier Vnß zu Erben in diese Vnsere Lande Fürstenthumb und Herrschaft Lehen und Aigen - Vnsere Beyde Freündtliche liebe Söhne Hertzog Johanssen und Hertzog Sigismunden Augusten, also und dergestalt, daß - Hertzog Johanns als der älter regirender Landts=Fürst seyn, und zu mehrer Urkund solcher praerogativ in allen Brieffen diesen stylum gebrauchen soll, vor Vnß und Vnsern Freundtl. lieben Bruder Herzog Sigismunden Augusten u. s. w.

Aber Vnsern Jüngsten Sohn Herzog Sigismunden Augusten, alß der Leibs halben etwas blöd, und zu ertragung der Last und Bürde der Land=Regierung (die dan auch ohne das auf dieser Helfte der Mecklenburgl. Lande, weiter nicht kan zerrissen werden) auß natürlicher angebohrner Schwachheit etwas zu unvermügendt, setzen Wier zum Erben ein in nachfolgende Aembter und Stadt Strelitz, die Combterey Myrow und Juenakh, - ohne die Landtsfürstliche Hoheit, Obrigkeit, und Herrschung über die von der Ritterschaft, - welche alle vnserem ältisten Sohn, Herzog Johanßen, als dem regirenden Landts=Fürsten allein zustehen sollen;" Herzog Sigismund August soll außerdem jährlich aus der Kammer 6000 Gulden erhalten.

"Vnd ob Vnß wohl unverborgen, daß in etlichen Chur= und Fürstl. Heusern die Lande und Leuhte unter den Söhnen zugleich pflegen außgetheilt zu werden, So haben Wier doch erhebliche wichtige Ursachen, warumb wier solchs unter unsern Lieben Söhnen anders verordnen, und die angeregte Gleichheit nicht statt haben lassen können, dann Wier aus der erfahrung gelernet, daß durch kein ander mittel die Herrschaften in grössern abfall, verringerung, unvermügen und abgang gerahten, als durch die vielfältige zerstückung und zerreißung, Darumb auch die Löbl. Kayserl. Lehen=Recht außtrücklich verbieten, die Herzogthumb, Marggrafschaften und dergleichen Fahnlehen nicht zu theilen, sondern in einem Corpore unzergäntzt beysammcn bleiben zu lassen; So wissen Wier auch und seindt es selbs mit unserer mercklichen Beschwerung innen worden, waß auß gesambter ungescheidener Regirung, da der eine Bruder in allem durchauß so viel Gewalts und Macht alß der ander hat,

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vor Vnrichtigkeit erfolgt, und daß keiner der Landtschaft recht und vollkömlich mächtig ist, noch seyn kann, sondern trennungen der von Adel und Städte erwachsen, und wann ein Herr gepeut und der ander verpeut, wann der eine verfolget, der ander vergleitet, und dergl. unheil entstehet, darüber die Herrschaft und ihre Authoritaet zu verachtung und Schimpf gesetzt, auch wohl zwispaltige mißbillige Religion eingeführet, und Kirchen, Schulen, Land und Leuthe verwirret und irre gemacht werden, aus welcher Vrsachen dann auch bey Weiland unsere gnädigen Lieben Herrn Groß=Vaters Herzog Magnus Zeiten seine Gnad die Regierung allein geführt, ungeachtet daß Seine Gnad zween Brüder Herzog Ehrichen und Herzog Baltzarn gehabt, und von wegen solcher einigen unzertheilten und gleichwohl nicht gemeinen noch gesambten, sondern auf seiner Gnaden Perschon allein haftender Regirung diese Lande zu Meckelnburg in höchstem flor, wohlfahrt und ansehen geschwebt, Sein Gnad ein füertreflicher Hochgeachter Fürst bey jedermann im Gantzen Reiche gewesen, und die fürnembsten Chur= und Fürstlichen Heuser in teutschland sich mit derselbigen zu befreundten Lust und verlangen gehabt;"

"Derhalben soll unser Lieber Sohn Herzog SigismundAugustus dieser vnserer Väterl. disposition und wohlbedachten Verordnung ohn eintzige einrede, sperrung oder ausflucht unweigerlich volge thuen, bey denen pflichten damit Er Vnß, als der Sohn dem Vatter, von Gottes Natur und Rechtswegen, kindtlichen Gehorsam zu leisten schuldig;"

"Solte sich auch nach Gottes schickung der Fall der massen zutragen, daß unser Freundlicher lieber Bruder Herzog Vlrich und seiner Lieb Gemahl, oder auch unsere beyde andere Freündtliche Liebe Brüder, Hertzog Christoffer, und Herzog Carl, vor oder nach unsern Todt versturben, und also alle die Lande nnd Herrschaften zu Meckelnburg auf unsere Linien und stamm allein fielen; So wollen wir doch nicht, daß dieselbige zwischen Unsern Beyden Lieben Söhnen getheilet, sondern unser ältester Sohn Herzog Johannes umb obgehörter und anderer mehr bewegenden uhrsachen willen, Fürnemlich aber, damit dies Fürstl. Hauß Meckelnburg wiederumb desto mehr in zunehmen und aufsteigen gebracht werde, darinn allein succediren, herrschen, regieren und erben, Aber mehrgenanndtem vnserm jüngsten Sohn noch einmahl so viel an Aembtern und einkünfften auch Jahrgelt auß der Cammer - mit obberührter Maaß und vorbehalt abtretten und einreümen soll, alß ihme Herzog Sigismunden Augusten albereit hierin vermacht und außgesetzet ist."

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"Solte aber unser ältester Sohn, nach Gottes willen, ohn Mennliche eheliche gebohrne Leibs=Erben versterben, so sollen alß dann alle unsere Land und Leüthe, sambt allen Lehen und aigen - auf unsern jüngsten Sohn Herzog Sigismunden Augusten nach Erbgangs Recht kommen und verstammet werden, Gleicher gestalt es dann auch herwieder mit unsers ältisten Sohns Succession in des jüngsten erbschaft, da der Jüngste am ersten versturbe, soll gehalten werden."

Das Testament erhielt den 12. Juni 1574 die Kaiserliche Confirmation, wodurch es rechtsgültig ward. In der darüber ausgestellten Urkunde heißt es, daß der Kaiser auf Johann Albrechts Ansuchen "ob inserierts Testament - in allen und jeden desselben Worten, Puncten, Clauseln und Articuln sonderlich aber so viel die verordnete Succession und Erbsetzung auch andere Sr. Lieb. Verlassenschaft und dero Fürstenthumb, Landt und Leuthe Regierung anlanget", confirmiere und bestätige: "Und meinen, setzen und wöllen, daß ob inserierts Testament - stett, fest und unverbrüchlich gehalten und vollenzogen, und weder von gedachte Vnsers lieben Oheim und Fürsten Söhnen und Erbnehmen, auch deren Nachkommen, noch sonst jemand andern - darwieder etwas fürgenohmmen, gehandlet oder verstanden werden soll." "Und gebitten darauf allen und jeden Churfürsten, Fürsten u. s. w. -, daß Sie obeinverleibtes Testament - bey würden und Kräften bleiben und Herzog Johanns Albrechten zu Mekelnburg Söhne, Erbnehmen und nachkommen, dessen ruhewiglich geniessen - lassen" - "und dann Jhnen, vielbemelts Herzogs Johanns Albrechten zu Mekelnburg Söhnen, Erbnehmen und Nachkommen, daß Sie solches Testament - gebührlicher weise halten und vollnziehen, auch darwieder nit thuen in kein weise, als lieb einem jeden seye unser und des Reichs schwehre Ungnad und straff und darzu ein Poen nemblich Funfzig Mark Lotiges Goldes zu vermeiden, die ein Jeder, so oft Er freventlich hiewieder thete, vnß halb in unser und des Reichs Cammer, und den andern halben theil oft genants Herzog Johanns Albrechten Söhnen, deren Erben und nachkommen, wider die also gehandelt wurde, unnachleßlich zu bezahlen verfallen seyn solle." 1 )


1) Ein Auszug aus dem Testament ohne die kaiserliche Bestätigungsurkunde jetzt bei Sachsse Nr. 117, S. 287 ff.; das ganze mit der Confirmation in der 1753 erschienenen Druckschrift: Drey Testamente (von Johann Albrecht I., Adolf Friedrich I. und Adolf Friedrich II.).
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Durch dies Testament ward die Primogenitur zunächst für den Landestheil Johann Albrechts und seine Söhne eingeführt und für deren Lebenszeit bei Erledigung der Güstrower Landeshälfte deren Vereinigung mit der Schweriner bestimmt. Daß diese Bestimmungen durch die kaiserliche Confirmation, in der auch von den Nachkommen der Söhne des Erblassers die Rede war, auch auf diese ausgedehnt ward oder werden sollte, ließ sich anzweifeln; 1 ) andererseits wird aus der Begründung der Erbfolgebestimmungen völlig klar, daß Johann Albrecht allerdings auch für die fernere Zukunft nach dem Tode seiner Söhne den Wunsch hegte, seine Nachkommen möchten fernere Theilungen vermeiden, vielmehr gegebenen Falles das ganze Land unter der Regierung eines Fürsten, des jedesmaligen Primogenitus, vereinigen, und wenn er auch dieser seiner Willensmeinung keinen rechtlich bindenden Ausdruck gegeben haben mag, so war es doch jedenfalls ein Abfall von den heilsamen Intentionen des großen Ahnherrn, wenn seine Nachkommen wider den Geist des Testamentes die Vereinigung der beiden Landestheile bei gebotener Gelegenheit unterließen.

Und allerdings vollzog sich die weitere Entwickelung nicht in der von ihm eingeschlagenen Richtung. Nach Johann Albrechts Tode (1576) hielt zunächst sein Bruder Herzog Ulrich, als Vormund des noch minderjährigen Herzogs Johann, das Testament den Ansprüchen seines jüngeren Bruders Christoph gegenüber aufrecht, der seinen früheren Verzicht auf die Regierung, weil in unmündigem Alter geleistet, für nichtig erklärte, dem Testament die Anerkennung weigerte und die Regierung der ganzen Schweriner Landeshälfte beanspruchte auf Grund des Rechtssatzes, den früher seine Brüder gegen ihn geltend gemacht hatten, daß Meklenburg nicht mehr als zwei regierende Herren haben dürfe und daß diese die ältesten Herzöge sein müßten. 2 )


1) Für den betreffenden Passus war die Auffassung möglich, daß dadurch nur die Ausführung des Testamentes selbst sicher gestellt, aber nicht dessen Geltung ausgedehnt werden sollte. Es war z. B. denkbar, daß ein Sohn oder Enkel des Herzogs Sigismund August noch bei Lebzeiten des Herzoge Johann im Falle der Erledigung des Herzogthums Güstrow Anspruch darauf erhob. Solche Ansprüche wurden durch die Confirmation zurückgewiesen. Vgl. noch Böhlau, Landrecht I, 97, A. 38. Beachtenswerth ist jedoch, daß der Kaiserhof sich im Güstrowschen Erbfolgestreit für die Schweriner Interpretation der Confirmation entschieden hat, wovon noch die Rede sein wird.
2) S. hierüber Genaueres bei Bergengrün, Herzog Christoph. Bibliothek Livländischer Geschichte, Bd. II, S. 261 und 279 ff.
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Er ermäßigte indessen seine Ansprüche auf die Forderung der Hälfte von Johann Albrechts Landestheil, aber auch dies erreichte er nicht und starb vor Beendigung des Zwistes, den 4. März 1592. Inzwischen waren die beiden Söhne Johann Albrechts, Johann und Sigismund August, mündig geworden. Als nun Sigismund August ebenfalls das Testament des Vaters anfocht, vermittelte Herzog Ulrich mit Herzog Adolf von Holstein zusammen einen Vergleich zwischen den beiden Brüdern (den 20. Mai 1586 zu Schwerin), in dem Sigismund August noch einmal ausdrücklich auf die Regierung verzichtete und dafür eine ausreichende Apanage erhielt. 1 )

Der Schweriner Landestheil blieb also ungeschmälert in Herzog Johanns Besitz, dagegen gelangte der zweite Abschnitt der Erbfolgebestimmungen des Testamentes, die Vereinigung mit Güstrow, nicht zur Ausführung, da Herzog Johann lange vor seinen beiden Oheimen, Ulrich und Karl, starb (22. März 1592).

Der Theilungreceß des Jahres 1621.

Er hinterließ zwei minderjährige Söhne, Adolf Friedrich und Johann Albrecht. Für sie übernahm nun Herzog Ulrich (bis 1600 noch mit Sigismund August zusammen) die Vormundschaft, und als Ulrich 1603 ohne männliche Erben starb, folgte ihm in der Regierung von Güstrow wie in der Vormundschaft über die beiden Großneffen sein Bruder Karl. Im Jahre 1607 wurden die beiden jungen Herzöge vom Kaiser für großjährig erklärt. Jetzt hätte also, den Intentionen des Großvaters zufolge, der ältere, Adolf Friedrich, die Regierung des Schweriner Landestheiles übernehmen, der jüngere, Johann Albrecht, mit einer Apanage abgefunden werden müssen. Allein beide Brüder traten zunächst die Regierung gemeinschaftlich an, und als im Jahre 1610 durch den Tod des Herzogs Karl auch Güstrow erledigt ward, schlossen sie den 9. Juli 1611 den Theilungsvertrag zu Fahrenholz, dem nach weiteren Verhandlungen der Theilungsrezeß vom 3. März des Jahres 1621 folgte. Auch dieser erhielt, wie früher das Testament Johann Albrechts I., die kaiserliche Bestätigung. 2 )


1) S. Sachsse Nr. 120, S. 302 ff. Vgl. im übrigen Schnell, Reformationszeit, S. 240.
2) Die Theilungsverhandlungen von 1608-1621 s. bei Sachsse Nr. 122-125, S. 306 ff.
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Wenn in der ganzen Zeit von 1607 bis 1621 der ältere Bruder keinerlei Versuch macht, im Sinne des großväterlichen Testamentes die alleinige Regierung des Schweriner Landestheiles und nachher des ganzen Landes zu gewinnen, vielmehr den gänzlich entgegengesetzten Standpunkt einnimmt und auf "Total=Division", d. i. völlige Trennung der beiden Landeshälften - also Zerreißung der Union der Stände -, dringt, so hat er selbst später dies auffallende Verhalten dadurch erklärt, daß ihm wie seinem Bruder damals das Testament des Großvaters überhaupt nicht bekannt gewesen sei. Dies steht zu lesen in einem Testamentsentwurfe, den auf Adolf Friedrichs Geheiß dessen Kanzler Reinking im Jahre 1633 verfaßt hat und in dem verordnet wird, daß, im Falle Herzog Johann Albrecht ohne Leibeserben sterben sollte, der Güstrowsche Landestheil mit dem Schweriner vereinigt und nur eine Regierung sein und bleiben soll, "wohin dann" - so heißt es wörtlich - "Unser in Gott ruhender hochgeliebter Herr Großvater Hertzog Johann Albrecht zu Mecklenburg in seinem Testamente gezielet, daß auff ebenmäßig begebenden Fall es also gehalten, und nicht mehr als ein regierender Hertzog zu Mecklenburg seyn und künfftig bleiben solle, und woll zu wünschen gewesen wäre, daß dasselbe nach Unsers Hochsehl. Herrn Vaters Absterben, Unsern verordneten Herrn Vormündern vorgeleget Uns auch hernachher nicht hinterhalten und bey Unser Brüderlichen Vergleichung consideriret und in acht genommen wehre. 1 )


1) Der Entwurf bei Sachsse Nr. 129, S. 353. In Bezug auf die Vormünder Ulrich und Karl ist die Behauptung, daß sie das Testament nicht gekant hätten, selbstverständlich falsch, allein beide werden das Testament durch den Tod der beiden Söhne Johann Albrechts für erledigt gehalten haben. Allermindestens ist aus der obigen Stelle zu entnehmen, daß Adolf Friedrich bis nach 1621 nicht wußte, daß sich aus dem Testament des Großvaters (mit der kaiserlichen Confirmation) ein Anspruch auf alleinige Regierung auch für ihn noch ableiten ließ. Dies wird bestätigt durch den Passus des Vertrages vom 28. April 1608 (Sachsse S. 309): "Es hat aber Hertzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg hiebey ausdrücklich bedinget, daß Sr. F. G. des Juris primogenturae, was für diesen der Elter Fürst vor dem Jüngern, so beide in gleicher Regierung geseßen, nach Herkommen und Gewonheit des Fürstlichen Hauses Meckelnburgk gehabt haben möchte, sich hiedurch im geringsten nicht begeben, sondern reseruiren und vorbehalten will." Die ganze Fassung der Stelle beweist, daß bei derselben allerdings das Testament Johann Albrechts nicht kann zu Rathe gezogen sein, es ist vielmehr an Fälle gedacht, wo bei bestehender Communion der älteste Fürst die Regierung führte, s. den Vertrag vom 21. Mai 1504 (Sachsse S. 191), Nr. 1, 2 und 15, und vorher das Verhältniß zwischen Herzog Magnus und seinem Bruder Balthasar.
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Ein Fortschritt war es, daß in dem Rezeß eine weitere Theilung der beiden Landeshälften für alle Zeit untersagt ward. Die betreffende Bestimmung lautet: "Es sollen auch Unsere Fürstenthümer und Lande hinführo und zu ewigen Zeiten von Uns oder Unsern Erben und nachkommenden Hertzogen zu Mecklenburg ferner nicht subdividiret, oder in mehr den jetzige zwo Theile getheilet werden, sondern es bey denselben einig und allein verbleiben."

Durch diese Bestimmung ward die Primogenitur innerhalb der beiden fürstlichen Linien eingeführt. Ueber die Regelung der Erbfolge für den Fall des Aussterbens der einen Linie enthält der Rezeß keine Bestimmung, 1 ) und auch aus den Worten des kaiserlichen Lehnbriefes, den beide Brüder d. 9. Juli 1621 erhielten, daß, wenn einer der beiden Brüder ohne Erben mit Tode abgehen sollte, alsdann des Verstorbenen Land und Leute an den Lebenden und seine Lehnserben fallen sollten, war nicht zu ersehen, ob nach dem Tode beider Brüder der Primo= oder Sekundogenitus der überlebenden Linie das Erbe einer erloschenen Linie zu beanspruchen habe.

Die drei Testamente Adolf Friedrichs I.

Eine ganz andere Stellung als in den Theilungsverhandlungen mit seinem Bruder nahm Adolf Friedrich I. zu der Erbfolgefrage ein, als nach der Wallensteinschen Invasion beide Brüder wieder in ihr Land zurückkehrten. Er faßte seitdem die Vereinigung des ganzen Landes für die Zukunft ins Auge. Auf doppeltem Wege strebte er sie an, durch die Formulirung der Huldigungseide, die beide Brüder nach ihrer Rückkehr Ende 1632 und Anfang 1633 ihren Ständen abnahmen, und durch testamentarische Bestimmung.


1) Von Adolf Friedrich I. in seinem zweiten und dritten Testamente - und später von Adolf Friedrich II. und Karl Leopold - ist aus dem Schlusse der o. a. Stelle die Folgerung gezogen, es werde damit die Vereinigung beider Landeshälften ausdrücklich untersagt, es solle stets bei den zwei Theilen sein Verbleiben haben. Allein in dem Zusammenhang, in dem die Worte stehen, können sie nichts weiter bedeuten als eine positive Bekräftigung des vorhergehenden negativen Ausdrucks, daß das Land nicht in mehr als zwei Theile getheilt werden solle. Klar ist allerdings, daß den Anschauungen, aus denen der Rezeß hervorgegangen war, der Fortbestand der Theilung im Falle des Aussterbens der einen Linie entsprach.
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Beide Eide, der zu Schwerin wie der zu Güstrow, nannten neben dem regierenden Fürsten auch dessen ältesten, der in Güstrow den "künftigen" ältesten Sohn, beide enthielten auch eine Eventualhuldigung an den Fürsten der anderen Landeshälfte und dessen Deszendenz im Falle des Aussterbens der Linie des eigenen. Der Vorschlag zu dieser Eventualhuldigung ging von Herzog Adolf Friedrich aus, der ihn in einem Briefe an den Bruder, datirt vom 10. Oktober 1632, damit begründet, daß auf diese Weise ihre rechtmäßigen Erben "umb so viel mehr ihrer anererbten Lande und Leute gesichert sein und pleiben, und nit etwa frembde praetensiones einwenden, und die Landschafft, welche durch absterben Jhres regierenden Landesfürsten Jhrer Pflichten relaxiret, an sich ziehen möchten." Johann Albrecht erschien diese Eventualhuldigung überflüssig, da dieser Punkt, wie er am 16. Oktober schreibt, "ohnehin schon in den Brüderlichen Erbverträgen seine Richtigkeit habe und darin deswegen zu ihrer beederseits assecuration außdrücklich disponiret worden", ging aber doch darauf ein, als Adolf Friedrich seinen Vorschlag erneuerte, der von ihm "auß gutem getreuem und sorgsamen gemüthe, zu keinem andern ende alß zu des Fürstlichen Haußes und deßen rechten Erben ferneren und mehren versicherunge wolmeinentlich erinnert" sei; auch eine abundans cautela schade ja nicht. Die Eidesformeln sind darauf im Auftrage Adolf Friedrichs von dessen Kanzler Reinking abgefaßt, von Johann Albrecht gebilligt und, soweit sie die Erbfolge betreffen, auch ohne Aenderung in der vorgeschlagenen Form benutzt worden.

In der Güstrowschen Eidesformel nun wird in dem Passus der Eventualhuldigung neben dem Namen des Herzogs Adolf Friedrich auch der seines ältesten Sohnes, des Herzogs Christian, ausdrücklich genannt. Auch diesem also schwur die Güstrower Ritterschaft Treue für den Fall, daß ihr Herzog in Ermangelung von Leibeserben sterben und etwa auch Herzog Adolf Friedrich schon todt sein sollte, womit die eventuelle Vereinigung beider Herzogthümer unter Herzog Christian, der Ausschluß von dessen jüngeren Brüdern von der Erbfolge in Güstrow, mithin die Geltung des Primogeniturrechtes auch für den Anfall von Güstroro an Schwerin vorläufig gesichert war. 1 )


1) Die Güstrower Ritterschaft schwur den 6. Dezember in Güstrow, die Schweriner in Schwerin den 7. Dezember. Jedesmal nahm an der Eidesleistung ein Abgesandter des andern Fürsten theil, um die Eventualhuldigung für diesen entgegenzunehmen. Die Städte leisteten im Dezember 1632 und Anfang 1633 den Eid einzeln vor fürstlichen, zu ihnen gesandten (  ...  )
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Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir eben in der Absicht Adolf Friedrichs dies festzustellen den eigentlichen Grund für die ganze Einfügung wie einen Hauptgrund für die Erneuerung der Huldigung überhaupt sehen: er wünschte eben seinem ältesten Sohn und Nachfolger dadurch die Erwerbung auch des Güstrowschen Landestheiles im Falle seiner Erledigung zu sichern. 1 )

Um dieselbe Zeit, im Jahre 1633, ist der Testamentsentwurf entstanden, den im Auftrage Adolf Friedrichs der Kanzler Reinking verfaßte und aus dem oben schon jene Klage, daß Adolf Friedrich bei Abschluß der Erbverträge das großväterliche Testament nicht gekannt habe, herausgehoben ward. Aus diesem Testamentsentwurf spricht dieselbe Anschauung, wie aus dem Eidesformular. Adolf Friedrich setzt darin, wie dies ja dem Erbvertrage entsprach, seinen ältesten Sohn, Herzog Christian, zu seinem Erben in der Landesregierung ein, "allein, so lange Er lebet, oder nach seinem Absterben, seinen ältesten Sohn" u. s. w. "nach Ahrt und Eigenschafft der Primogenitur=Rechten." Dann heißt es weiter: "Wehre es auch Sache, daß Unser - Bruder Hertzog Hans Albrecht zu Meckl.,


(  ...  ) Räthen. Wörtlich - in dem Passus über die Erbfolge - stimmte mit dem Huldigungseid der Lehneid überein, d. i. derjenige Eid, den ein Rittergutsbesitzer bei Belehnung mit dem auf ihn vererbten Gute vor der fürstlichen Kammer zu leisten hatte.
1) Die Vorgänge des Jahres 1632 sind in dem Schriftstreit, der den Güstrower Erbfolgestreit begleitet, von Strelitzischer Seite unrichtig dargestellt. Man prüfe z. B. die Strelitz. Facti Species S. 19 in der obigen Darstellung, die auf den Akten der Huldigung selbst beruht, nach. - Der Wortlaut des Güstrower Eides ist an den entscheidenden Stellen: "Ich lobe und schwere, das ich den - Herrn Hanß Albrechten, Hertzogen zu Meckelnburgk - und nach S. F. Gn. abgangk - künftigen S. F. G. Eltisten Sohn, oder da derselbe alßdann nicht mehr in leben sein würde, den übrigen S. F. Gn. Herren Söhnen und deren Mänlichen leibes lehns Erben, und in Mangel oder gentzlichen abganck deren, S. F. G. vielgeliebten Herrn Bruder, dem - Herrn Adolph Friedrichen, Hertzogen zu M.-und nach S. F. G. tödlichen Hintritt - S. F. G. eldisten Sohn Herrn Christian - oder da derselbe alß dan auch nicht mehr sein würde, den übrigen S. F. G. Herren Söhnen und deren Mänlichen leibes lehns Erben - nach besage der Brüderlichen Erbverträge getrew, hold, gehorsam undt bestendig sein - will." In dem Schweriner Formular heißt es, nachdem Johann Albrecht genannt ist, nur: "und nach S. F. Gn. tödlichem Hintritt - S. F. Gn. übrig bleibenden Mann Leibes Lehns Erben" u. s. w. Wenn hier nicht auch, wie in dem Güstrower Eid ein künftiger ältester Sohn noch besonders vor etwaigen jüngeren Brüdern hervorgehoben ist, so wird sich dies dadurch erklären, daß man von Güstrowscher Seite darauf keinen Werth legte.
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ohne Mann=Leibes Lehens=Erben mit Tode abgehen solte-; so wollen Wir doch, daß - vermüg des iuris Primogeniturae das gantze Hertzogthumb Mecklenburg Fürstenthumb Wenden - mit der gantzen Landesregierung auff Unserm ältesten Sohn, und dessen ältesten Sohn und Nachkommen, wie vorhin gemeldet, nach den Rechten der ersten Gebuhrt fallen, dieser Unser Schwerinischer Theil mit dem Güstrowschen consolidiret, und eine Regierung seyn und bleiben soll," worauf die o. a. Stelle über Johann Albrechts I. Testament folgt. 1 )

Dies Testament war also eine Art Erneuerung des großväterlichen, und zwar eine verbesserte, insofern hier klar und bündig ausgesprochen ist, was man dort vermißt, daß nämlich in alle Zukunft im Falle der Erledigung des andern Landestheiles der Primogenitus und regierende Fürst des Schweriner Herzogthums jenen mit diesem vereinigen soll.

Noch im Jahre 1642 hielt Adolf Friedrich an derselben Anschauung fest, wie aus einem Schreiben an seinen damaligen Kanzler Cothmann vom 13. Januar dieses Jahres hervorgeht. Darin sagt er: "Und da Unseres Pflegesohnes Ld. (d. i. der junge Herzog Gustao Adolf von Güstrow) ohne Männliche Leibes Lehns=Erben verstürbe, muß vermöge des Großväterlichen Testaments, auch sonsten Jure Primogeniturae und dem löblichen Herkommen bey Fürstl. Häusern im Röm. Reich gemäß, Unser Primogenitus auch in dem Güstrowischen Antheile allein succediren, ein Fürstenthumb mit dem andern consolidiret, und im gantzen Lande Eine Regierung geführet werden." 2 )

Indessen scheint er schon damals in diesen seinen Anschauungen nicht mehr ganz fest gewesen zu sein. Darauf deutet die Thatsache hin, daß er schon einige Monate vorher, den 13. Oktober 1641, von Herzog Christian, der auf längere Reisen zu gehen im Begriffe war, einen Revers ausstellen ließ, in dem sich dieser verpflichtete, etwaigen testamentarischen Bestimmungen des Vaters, wie es künftig nach seinem Tode mit der Landes=Regierung, auch mit seiner Gattin und seinen übrigen Kindern gehalten werden solle, Gehorsam zu leisten. 3 )

Was hier schon von ferne sich vorzubereiten scheint, wird im Laufe der folgenden Jahre, als schwere Irrungen mannig=


1) s. Schweriner Facti Species vom 4. Januar 1695, S. 75. Sachsse Nr. 129, S. 353.
2) s. Schweriner Facti Species S. 77.
3) Abgedruckt bei Klüver, Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg III, 2, S. 279 ff.
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facher Art Vater und Sohn einander völlig entfremdeten, zum festen Entschluß. Der sehr ungünstige Eindruck, den der Vater von dem Charakter seines ältesten Sohnes bekam, der Wunsch, dessen jüngere Brüder von ihm möglichst unabhängig zu stellen, die Vorliebe, die er für seinen zweiten Sohn Karl faßte, wohl auch schon die Befürchtung, daß Christian zum Katholizismus übertreten könne, alles trug dazu bei, die Ueberzeugung von der Nützlichkeit der Combination des ganzen Landes in Adolf Friedrich wankend zu machen. Im Jahre 1647 ließ er eine Umarbeitung jenes ersten Testamentsentwurfes vornehmen, nach dem der Schweriner Landestheil allerdings ungetheilt auf seinen ältesten Sohn übergehen und zwar mit dem inzwischen erworbenen Bisthum Schwerin, 1 ) der Güstrower aber im Falle seiner Erledigung seinem zweiten Sohne Karl zufallen und es auf Grund des uralten Herkommens und der 1621 getroffenen Erbtheilung bei zwei Regierungen jederzeit verbleiben solle. Das Testament wurde vollzogen und beim Rathe von Lübeck hinterlegt.

Als darauf im folgenden Jahre durch den Westfälischen Frieden die Bisthümer Ratzeburg wie Schwerin als weltliche Fürstenthümer an die Schweriner Linie fielen, geschah es nicht ohne Zuthun Adolf Friedrichs, daß beide nicht dem Herzogthum Schwerin incorporirt wurden, wie die meklenburgischen Stände wünschten, sondern für jedes von beiden ein gesonderter Lehnbrief ausgestellt ward und jedes sein besonderes Votum auf den Reichs= und Kreistagen behielt. 2 ) Worauf dies abzielte, beweist die Aenderung, die im Jahre 1654 mit dem Testament des Jahres 1647 vorgenommen ward. In diesem dritten Testament, das den 31. Oktober 1654 unterzeichnet und dann an Stelle des zurückgezogenen zweiten in Lübeck deponirt ward, wird angeordnet,


1) s. die Capitulation mit dem Schweriner Domkapitel vom 17. Mai 1634, Sachsse Nr. 130, S. 355. Gerade über das Bisthum Schwerin schwebte zwischen Vater und Sohn ein heftiger Streit, da Christian, schon früher zum Coadjutor gewählt, nach dem Tode des letzten Bischofs (1633) die Bischofswürde schon bei Lebzeiten des Vaters beanspruchte, um die Einkünfte des Bisthums zu gewinnen. Im Bisthum Ratzeburg bekleidete Herzog Gustav Adolf seit 1636 die Coadjutorwürde. Adolf Friedrich traf deshalb im Testamente v. J. 1647 nur die Bestimmung darüber, daß einer der jüngeren Prinzen es erwerben möge.
2) s. die Lehnbriefe b. Sachsse Nr. 135, S. 368. Beachtenswerth ist auch, daß in beiden Lehnbriefen die Worte "zu rechten gesamten Handen" fehlen. Beide Fürstenthümer werden "dem Herzog Adolf Friedrich und dessen Successoren und nach deren Absterben dem Hause Meklenburg Güstrowischer Linie und dessen Successoren" verliehen.
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daß Herzog Christian als Primogenitus das Herzogthum Schwerin (doch ohne das Bisthum), Herzog Karl das Fürstenthum Ratzeburg, Herzog Johann Georg, der dritte Sohn, das Fürstenthum Schwerin, jeder der übrigen Söhne jährlich 3000 Rthlr., und wenn ihm noch mehr bescheert würden, von diesen jeder jährlich 2000 Rthlr. erhalten sollte. 1 )

Wenn Herzog Christian ohne Erben sterbe und also Herzog Karl sein Nachfolger im Herzogthum Schwerin werde, so solle er Ratzeburg an Johann Georg und dieser das Fürstensthum Schwerin an den nächstältesten Bruder, Gustav Rudolf, überlassen, und so solle es auch weiter gehalten werden, wenn der eine oder der andere Bruder ohne Leibes=Erben abgehe, daß alsdann die jüngeren Brüder gradatim in der vorigen Stelle treten und dafür die Schwerinsche Kammer der Zahlung der bis dahin ihnen zukommenden Apanage enthoben sein solle. Eine ebenmäßige Bewandniß solle es auch haben, wenn Herzog Gustav Adolf diese Welt ohne Hinterlassung männlicher Leibes=Erben segnen würde, "da dann - so heißt es wörtlich - vermöge Brüderlicher Verträge allewege zwo Regierungen verbleiben müssen und also - Herzog Carl zur Güstrowischen Regierung kommen würde." Alsdann solle derselbe das Ratzeburgische dem Tertiogenito, und dieser dem Quartogenito das Schwerinsche Fürstenthum, und so fortan, - eröffnen. Jedoch solle auf diesen Fall der Sohn, dem das Güstrowsche zufalle, den übrigen Brüdern, so viel Jhrer Apanage aus der Meklenburg=Schwerinschen Kammer zu fordern hätten, die Hälfte derselben zugeben und so der Schwerinschen Kammer die halbe Bürde abzunehmen - gehalten sein. Die Fürstenthümer sollten erblicher Besitz sein und erst dann mit dem Herzogthum Schwerin wieder vereinigt werden, wenn sie durch den Tod der übrigen Brüder oder das Aussterben ihrer Nachkommenschaft erledigt eien. 2 )

Dies dritte Testament Adolf Friedrichs entfernt sich, wie man sieht, noch weiter als das zweite von der unierenden Tendenz des ersten und bedeutet eine vollständige Rückkehr zu der alten Observanz, nach der möglichst viele der Mitglieder des Fürstenhauses mit Land und Leuten zu versorgen waren, und


1) Adolf Friedrich I. hatte um diese Zeit 5 Söhne: Christian (Louis), geb. d. 1. Dezember 1623, Karl, geb. 1626, Johann Georg, geb. 1629, Gustav Rudolf, geboren 1632 und Friedrich, geb. 1638; der sechste, Adolf Friedrich II., wurde erst nach dem Tode des Vaters 1658 geboren.
2) s. Sachsse Nr. 138, S. 376.
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dafür ist eine Form gewählt, die noch den Nachtheil mit sich brachte, daß die beiden Fürstenthümer häufiger, als es an sich nöthig war, den Regenten zu wechseln Aussicht hatten.

Und gerade wie Adolf Friedrich die Ausführung seines ersten Testamentes durch Aenderung der Huldigungseide im Jahre 1633 zu sichern gesucht hatte, machte er im Jahre 1654 den gleichen Versuch zu Gunsten seines dritten Testamentes.

Den 2. Mai 1654, ward der junge Herzog Gustav Adolf, der einzige Sohn und Erbe des im Jahre 1636 gestorbenen Johann Albrecht II., mündig und berief deshalb die Ritterschaft seines Landestheiles zur Ableistung der Huldigung auf den 5. Juli nach Güstrow. Adolf Friedrich sandte seinen Hofmarschall O. v. Wackerbarth zu diesem Tage nach Güstrow, um dem Akte beizuwohnen und die Eventualhuldigung durch Handschlag entgegenzunehmen, und gab ihm ein Eidesformular mit, das den 21. Juni d. J. bei Ableistung eines Lehnseides auf der Schweriner Regierungskanzlei benutzt war. Es unterschied sich von dem im Jahre 1632 benutzten dadurch, daß der Name des Primogenitus, des Herzogs Christian, fortgelassen war und nach Herzog Adolf Friedrich sogleich dessen "Mann=Leibes=Lehens=Erben" genannt wurden. Ebenso fehlte am Schlusse bei dem Passus der Eventualhuldigung in diesem Formular, wie übrigens ja auch in dem Schweriner des Jahres 1632, der Name des Güstrowschen (künftigen oder schon vorhandenen) Primogenitus. Wackerbarth sollte verlangen, daß das Güstrower Formular genau diesem entsprechend eingerichtet, also bei der Eventualhuldigung der Name des Herzogs Christian nicht genannt werde, und, falls man in Güstrow sich weigere darauf einzugehen, feierlich gegen die Huldigung Protest einlegen. 1 ) In Güstrow verglich man den 5. Juli den Wortlaut des von Wackerbarth mitgebrachten Formulars mit dem des im Jahre 1632 in Güstrow benutzten und bemerkte sogleich die Bedeutung der Aenderung. Der Geheime Rath beschloß sie abzulehnen und bei dem Formular des Jahres 1632 zu bleiben mit der Begründung, Adolf Friedrich hätte, wenn er etwas daran geändert wünschte, dies eher mittheilen müssen, damit man es in Erwägung hätte ziehen und rechtzeitig sich entschließen können; in ipso actu könne nichts mehr geändert werden. Wackerbarth erhielt hiervon Mittheilung; er erklärte darauf, unter diesen Umständen dem Huldigungsakt


1) S. die Instruktion Wackerbarths vom 3. Juli in den Archiv=Akten und das daneben liegende Formular vom 21. Juni.
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nicht beiwohnen zu können und sandte einen schriftlichen Protest dagegen ein. Die Ritterschaft erbat und erhielt, wie dies auch sonst Brauch war, als sie am 5. erschien, Aufschub bis zum andern Morgen. Dies ward Wackerbarth angezeigt und ihm anheim gegeben, einen Expressen mit einem Berichte und einer Kopie des für den Huldigungsakt bestimmten Formulars, in dem also Herzog Christian genannt war, nach Schwerin zu schicken. Er that dies, und man schob am 6. Juli den Huldigungsakt, der auf 11 Uhr angesetzt war, bis halb 3 Uhr hinaus, um noch die Antwort auf Wackerbarths Bericht aus Schwerin abzuwarten; als sie aber bis dahin nicht eingetroffen war, ging der Akt vor sich unter Benutzung des alten Formulars.

Noch am selben Nachmittag traf die Antwort aus Schwerin ein, in der Adolf Friedrich seinen Standpunkt festhielt. Ein Schreiben an Gustav Adolf lag bei, in dem er darauf aufmerksam gemacht wird, daß durch das Formular, das man in Güstrow benutzen wolle, der Schweriner Secundogenitus gegen den Erbvertrag von der Regierung ausgeschlossen würde, woraus eine "Kriegs=combustion" erfolgen könne, durch welche "Land und Leute endlich möchten consumiret werden". Der Brief kam erst an, als die Huldigung bereits vollzogen war, und ward am nächsten Tage, nachdem inzwischen Wackerbarth noch einmal schriftlichen Protest eingesandt hatte, von Gustav Adolf ausführlich beantwortet. In dieser Antwort weist Gustav Adolf darauf hin, daß die Auslassung des (künftigen) Güstrower Primogenitus im Anfang der Eidesformel wieder das alte gleiche Successionsrecht aller Söhne einführe, das durch den Erbvertrag abgeschafft sei, erklärt sich aber mit Adolf Friedrichs Ansicht über die Nothwendigkeit zweier Regierungen in Meklenburg durchaus einverstanden. Er habe deswegen mit den Landräthen verabredet, daß auf dem nächsten Landtage die Ritterschaft eine Supplication übergeben solle, daß es - trotz des Huldigungseides - jederzeit bei zwei Regierungen verbleibe, 1 ) und sei auch erbötig, den Eid bei der bevorstehenden Huldigung der Städte rvie auch den Lehneid hiernach einzurichten.

Adolf Friedrich erklärte sich (den 11. Juli) hiermit einverstanden, nur daß er eine kleine Wortumstellung vorschlug, der Gustav Adolf stattgab (den 15. Juli). Mit dieser Wort=


1) Diese Supplication muß aufgegeben sein; wenigstens steht weder im Spalding etwas davon, noch habe ich sie in den Landtagsakten des Jahre 1654 gefunden. Man hielt sie wohl nach den ausgetauschten Erklärungen und der Aenderung des Lehneides nicht mehr für nöthig.
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Umstellung lautete der Passus der Eventualhuldigung in dem Eidesformular, das bei dem Huldigungsakte der Städte wie auch für den Lehnseid fortab von Gustao Adolf benutzt ward, folgendermaßen: Wir (Jch) loben und schweren - (in Mangel oder gäntzlichen Abgang von Lehnserben der Güstrowschen Linie) "dem auch Durchlauchtigen, Hochgebohrenen Fürsten und Herrn, Herrn Adolph Friedrichen Hertzogen zu Meckl. cum. tot. tit. und nach Sr. F. Gn. tödtlichen Hintritt, den Gott auch lange verhüte, nach Einhalt der Brüderlichen Erb=Verträge S. Fürstl. Gnaden überpleibenden Männlichen Leibes=Lehns=Erben, rechtmäßigen wahren Hertzogen zu Mecklenburg als Unsern von Gott gegebenen Landes=Fürsten und Erb=Herren, getreu - zu seyn." 1 )

Adolf Friedrich also war es gelungen, für seine damalige Auffassung über das Recht des Secundogenitus auf die andere Landeshälfte im Falle von deren Erledigung die Zustimmung auch des Güstrower Neffen brieflich konstatirt zu erhalten. 2 ) Die Wirkung des Huldigungseides, der sich noch auf Herzog Christian als eventuellen Nachfolger im Güstrowschen gerichtet hatte, war durch die folgenden Lehnseide wieder aufgehoben. Somit mochte Adolf Friedrich glauben, die Ausführung seines Testamentes


1) Die Huldigung der Städte zog sich durch mehrere Jahre hindurch hin. Güstrow leistete den Eid den 18. Juli 1654, Rostock (nach dem Eidesformular beim Rostocker Erbvertrage vom Jahre 1573) den 28. August, Boizenburg den 16. November 1655, (genau nach dem Güstrowschen Formular, ebenso die folgenden) Krakow, Teterow, Laage den 9., 10. und 11. Juli 1656, Schwaan, Tessin, Gnoien und Neukalen, den 12., 13. und 15. Mai 1657. Ins Jahr 1658 fällt die Eidesleistung von Malchin den 19. April, Stavenhagen den 20. Mai, Neubrandenburg den 22., Stargard den 23., Friedland den 27., Woldegk den 28., Fürstenberg den 30., Strelitz den 31. Mai, Wesenberg den 3., Röbel den 22. Juni. Da inzwischen Herzog Adolf Friedrich den 2. Februar 1658 gestorben war, so mußte für die eben genannten Städte der Wortlaut des Eventualeides geändert werden. Er lautete nun: "in deren Manael oder gentzlichen abgange S. F. Gn. geliebten, besage Brüderlicher Erbverträge, nächst succedirenden Vettern Schwerinischer linie" u. s. w. Ebenso bei Ribnitz, Plau und Goldberg (den 9., 12., 14. September 1662) und Penzlin, Sülze und Marlow (den 1. und 3. März 1665).
2) Dies das schließliche Ergebniß des Briefwechsels vom Juni 1654. Durch unvollständige Darstellung desselben, indem von dem Brief Gustav Adolfs vom 7. Juli nur der Anfang herangezogen ward, hat die Schweriner Partei im Güstrowschen Streit daraus einen Beweisgrund für das Primogeniturrecht zu gewinnen gesucht, s. Schweriner Facti Species S. 16 und Beilage Q.
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vollends sicher gestellt zu haben. Allein der geschädigte Primogenitus, Herzog Christian, erhob einen erbitterten und erfolgreichen Widerstand.

Christian Louis' Kampf für die Primogenitur bis zum Beginn des Güstrowschen Erbfolgestreites.

Herzog Christian Louis gehört zu den Persönlichkeiten in unserer Landesgeschichte, deren Charakterbild noch schwankend ist. In der Regel ist er recht ungünstig beurtheilt worden. Schon seine Zeitgenossen klagen über seinen "bizarren humeur" und sprechen von seiner "bekannten Unbeständigkeit". 1 ) Jedermann kennt die beißende Schilderung der Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte über die Rolle, die er am französischen Hofe gespielt hat. 2 ) David Franck faßt seine Ansicht über ihn in die Worte zusammen: "Er liebte anders keine Beständigkeit, als beständig unbeständig zu sein. 3 ) In schroffem Gegensatz zu diesen sehr abfälligen Urtheilen steht das eines Forschers aus neuester Zeit, der sich eingehend mit ihm beschäftigt hat: "Herzog Christian I. war vielleicht neben dem großen Kurfürsten von Brandenburg der weitblickendste Staatsmann in seiner Zeit." 4 ) Dies Lob dürfte zu stark sein, doch ist eins allerdings schon aus seinem Verhalten in der Erbfolgefrage klar: Von Unbeständigkeit ist dabei nichts zu spüren, man müßte denn etwa die Zurücknahme des ihm in jungen Jahren abgepreßten Reverses als eine solche ansehen. Von der Ausstellung dieses Reverses abgesehen, zeigt sein ganzes Verhalten in der Erbfolgefrage sowohl seinen Brüdern wie dem Güstrower Vetter gegenüber die zäheste Konsequenz, darauf gerichtet, von seinen Rechten als Primogenitus nichts abbröckeln zu lassen, die fürstlichen Lande ungetheilt und ihre Einkünfte möglichst ungeschmälert - der dreißigjährige Krieg hatte sie ja ohnehin stark genug geschmälert - in seiner Hand zu behalten, gegebenen


1) Beides aus Güstrowschen Aktenstücken vom Jahre 1663; es sind schwedische - offenbar sehr parteiische - Urtheile, die der nach Stockholm gesandte Kammerjunker von Vieregg in seinen Relationen, wiedergiebt, augenscheinlich aber selbst auch billigt.
2) s. Raabe=Quade, S. 338 Anm.
3) s. Altes und Neues Mekl., Lib. XV, S. 261. D. Franck steht unter dem Einfluß der Güstrower Beurtheilung Christian Louis', die begreiflicher Weise recht unfreundlich war.
4) v. Buchwald, Bilder aus der volkswirthschaftlichen und politischen Vergangenheit Mecklenburgs (1631-1700), S. 50, vgl. den. ganzen Abschnitt.
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Falles Güstrow mit Schwerin wieder zu vereinigen und für das ganze Land das Primogeniturrecht zur unbestrittenen Geltung zu bringen. Zu alledem stand das letzte Testament des Vaters in schroffstem Gegensatz, gegen dieses also begann Christian Louis, sobald er einige Kenntniß davon erhielt, einen Kampf, den er dann sein ganzes Leben hindurch ohne jedes Wanken und Schwanken, und wenn auch nicht in allen Stücken siegreich, so doch nicht ohne bedeutende Erfolge fortgesetzt hat.

Schon im Mai des Jahres 1653, also 1 1/2 Jahr vor der Unterzeichnung des letzten väterlichen Testamentes, übergab er auf dem Reichstage zu Regensburg zwei Schreiben an den Kaiser (den 14./4. und 18./8. Mai), in deren erstem er den Kaiser ersuchte, seinen Vater zur Wiederauslieferung jenes Reverses zu veranlassen oder denselben zu annulliren, während er in dem zweiten nach Wiederholung dieses Ansuchens feierlich gegen ein etwaiges Testament des Vaters Protest einlegte, sofern darin etwas ihm Nachtheiliges enthalten sei, sowie auch gegen eine etwaige kaiserliche Confirmation desselben vor Vernichtung des Reverses und die Bitte aussprach, die Confirmation entweder gar nicht zu ertheilen oder zum Wenigsten solange damit zurückzuhalten, bis der Revers zurückgegeben oder kassirt sei. Die Eingaben hatten den gewünschten Erfolg, das Testament erhielt die kaiserliche Bestätigung nicht und so brauchte sich Christian Louis an dasselbe nicht gebunden zu halten, als er im Jahre 1658 nach dem Tode des Vaters den Thron bestieg.

Er nahm die gesammten Schwerinschen Lande in Besitz, weigerte seinen Brüdern die Herausgabe der Fürstenthümer und erbat und erhielt die kaiserliche Belehnung auch über diese (17. Juni 1659).

Auf seine Veranlassung erhielt der Lehnbrief über das Herzogthum Schwerin eine Fassung, die ihm auch den Besitz des Güstrower Landes sicherte, für den Fall, daß es bei seinen Lebzeiten erledigt ward. Er setzte nämlich in dem Passus über den Heimfall (s. o. S. 209) an die Stelle des Wortes Gebrüdern das Wort Gevettern, so daß der Passus nun lautete: "ob einer auß obbesagten beeden Gevettern von Todeswegen abgehen, und keine Männliche Lehns=Erben hinter Jhm verlassen würde, daß aldann des Verstorbenen Theil Land und Leute an den Lebendigen, und seine Lehns=Erben kommen und fallen sollen", während es früher vor 1621 geheißen hatte, an die Lebendigen, womit sämmtliche noch übrige Glieder des Fürstenhauses gemeint waren.

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Eine scheinbar ganz harmlose und selbstverständliche, in Wahrheit sehr bedeutungsvolle Aenderung, denn durch dieselbe wurden für Christians Lebens= und Regierungszeit seine Brüder von der Erbfolge in Güstrow ausgeschlossen und zugleich wurde ein urkundlicher Beweis geschaffen, auf den sich künftighin die regierenden Fürsten von Schwerin berufen konnten, um ihr Recht auf Güstrow gegenüber den anderen Gliedern der Schweriner Linie darzuthun.

Sehr bald darauf trat der Heimfall von Güstrow durch den Tod des jugendlichen Erbprinzen Johann (den 6. Februar 1660), des einzigen Sohnes, den Herzog Gustav Adolf damals hatte, in den Bereich der Wahrscheinlichkeit. Daß Christian Louis schon damals in der That entschlossen war, wenn Gustav Adolf sterben sollte, Güstrow unverweilt in Besitz zu nehmen, beweist eine Instruktion an seine Räthe, die er in Hamburg, den 3. Februar 1661, ausstellte und worin die Räthe Befehl erhalten, wenn in Abwesenheit ihres Herrn Herzog Gustav Adolf sterben sollte, "gestrax" zwei, drei oder mehr von ihnen mit dem Obersten und Kommandanten von Halberstadt nach Güstrow zu entsenden und von Stadt und Land im Namen des Herzogs Besitz zu ergreifen und alles zu verordnen, "was zu maintenirung der possession und beybehaltung competirenden primogenitur und Successions Rechte und Gerechtigkeiten an diesem Fürstenthumb nötig, diensahm und zulänglich seyn mag." 1 )

Die ganze Frage wurde allerdings durch die Geburt eines neuen Erbprinzen von Güstrow, Karl, die am 18. November 1664 erfolgte, wieder in die Ferne gerückt, doch ging am Güstrowschen Hofe das Gerücht, Christian Louis, der mit seiner ersten Gemahlin, einer Schwester Gustav Adolfs, in Unfrieden lebte, die Ehe mit ihr zu trennen wünschte und sich nach Frankreich wandte, um eine französische Prinzessin heimzuführen, wolle die Hülfe Frankreichs gewinnen, um Gustav Adolf vom Thron zu stoßen. Es wird ihm die Aeußerung in den Mund gelegt, ihm gehöre auch der Güstrowsche Theil, Gustav Adolf sei usurpator desselben; er werde Alles bekommen. Die Besorgniß vor Gewaltstreichen des Schweriner Vetters, sowie der


1) Dies wie fast alles folgende nach den - außerordentlich reichhaltigen - Acta Successionis Gustroviensis im Archiv. Es sind deren XV Volumina vorhanden, von denen das erste aus dem. früheren Güstrowschen Archiv stammt. In manchen Einzelheiten, werden sie ergänzt durch die unter den Rubriken Viennensia, Suecica, Brandenburgica etc. . aufbewahrten Gesandtschaftsberichte, die, soweit es erforderlich schien, mit herangezogen sind.
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Wunsch, die französische Heirath Christian Louis' zu hintertreiben, waren es, die Gustav Adolf Schweden in die Arme trieben.

Dem großen Schwedenkönige, dessen Namen der Güstrower Herzog trug, verdankte das Meklenburger Fürstenhaus seine Rettung, die schwedische Königin, Hedwig Eleonore, die nach dem Tode ihres Gatten, Karls X., die Vormundschaft für ihren Sohn Karl XI. führte, war eine Schwester der Gattin Gustav Adolfs, Magdalene Sibylla, 1 ) und wenn auch Meklenburg nicht weniger als seine Nachbarländer an der Ostsee unter Schwedens willkürlichem und herrischem Auftreten zu leiden hatte, 2 ) so durfte man doch von ihm erwarten, daß es dem Platzgreifen französischen Einflusses an der Ostseeküste entgegenarbeiten und schon deswegen, aber auch wegen der nahen Verwandtschaft seines Fürstenhauses mit dem Güstrower diesem seinen Schutz gegen die Schweriner Prätensionen nicht versagen werde. Gustav Adolf sandte also im Jahre 1663 seinen Kanzleirath und Kammerjunker von Vieregg nach Stockholm und ließ dort von den Drohungen Christian Louis' Mittheilung machen; diese hätten allerdings, solange er, Gustav Adolf, lebe und männliche Nachkommen habe, nichts zu sagen, aber, wenn er ohne männliche Nachkommen sterbe, werde Christian Louis gewiß Ernst machen, "Land und Leute hochbetrüben und der Herzogin und ihren Töchtern sehr beschwerlich" sein. Deswegen sei Herzog Gustav Adolf auf den Gedanken gerathen, mit Herzog Karl - dem nächstälteren Bruder Christian Louis' -, der in schwedischen Kriegsdiensten gewesen und nach den Fürstlichen Erbverträgen in Ermangelung eines männlichen Erben Gustav Adolfs rechtmäßiger Nachfolger sei, verhandeln zu lassen, um von ihm bestimmte Zusicherung zu erhalten, was er der Herzogin und ihren Töchtern zuwenden wolle, wenn Gustav Adolf sich anheischig mache, ihm die Nachfolge zu verschaffen und zu dem Zwecke ihm eine Eventualhuldigung leisten lasse. Der König möge hierzu seinen Beistand


1) Beide waren Töchter des Herzogs Friedrich IV. von Holstein=Gottorp und Schwestern des Bischofs von Lübeck, August Friedrich, der bei den Streitigkeiten im meklenburgischen Fürstenhause als Vermittler auftritt (s. u.)
2) Schweden hatte auf Grund der im westfälischen Frieden festgesetzten Abtretung der Zölle und Licenten an der pommerschen und meklenburgischen Küste, was sich nur auf die Zölle aus den abgetretenen Gegenden hatte beziehen sollen, sämmtliche Zölle und Licenten an der Küste beider Landschaften in Besitz genommen, darunter auch den von Warnemünde, und behielt Warnemünde nebst dem Zoll trotz alles Protestirens der Herzöge.
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in Aussicht stellen, auch etwaige Gewaltthätigkeiten Christian Louis' gegen Gustav Adolf oder dessen Erben abwehren helfen und seinen Gouverneuren in Pommern, Wismar und Bremen darauf bezügliche Anweisungen geben. 1 )

Auf diese Güstrower Wünsche ging man in Schweden nur theilweise ein. Man suchte allerdings der französischen Heirath Christian Louis' entgegenzuwirken, versprach auch Beistand gegen etwaige Uebergriffe desselben, aber auf die Erbfolgefrage zögerte man so weit sich einzulassen, wie Gustav Adolf es begehrte, und diesem selbst stiegen Zweifel auf, 2 ) ob wirklich die Erbfolge dem Herzog Karl gebühre. Er ließ also die Sache fallen und begnügte sich mit einer allgemein gehaltenen schriftlichen Zusicherung schwedischer Unterstützung gegen Schwerin, die den 8. August 1663 von der königlichen Regierung - der Königin und den Regentschaftsräthen - unterzeichnet wurde.

Die Geburt des Erbprinzen Karl war dann die Veranlassung zu einer zweiten Sendung Viereggs nach Schweden. Er bot dem jungen Könige Karl und der Gemahlin des schwedischen Kanzlers eine Patenstelle an, die beide annahmen, und verhandelte auch wegen der von Christian Louis angeblich beabsichtigten Besetzung von Dömitz und Bützow mit fremden Truppen und der Differenzen zwischen Güstrow und Schwerin, ohne jedoch besondere Resultate zu erzielen. Erst Anfang 1666 (den 16. Jan.) kam es zum Abschluß eines förmlichen Allianzvertrages auf 4 Jahre, der, in seinen Hauptartikeln allgemein gehalten, einen Neben= und Geheimartikel hatte, in dem der König bei zu besorgenden Unruhen von Seiten des Herzogs Christian dem Herzog Gustav Adolf beizustehen versprach. Das Bündniß ward den 16. Dezember 1670 bis zur Majorennität des Königs und den 22. September 1674 von dem nunmehr mündig gewordenen Könige selbst erneuert.

Indessen unterließ Herzog Christian Louis, mochte er nun jene Drohungen ausgesprochen haben oder nicht, um so mehr bei Lebzeiten Gustav Adolfs Güstrow anzutasten, als ihm im eigenen Lande in seinen jüngeren Brüdern die bittersten Feinde erwuchsen, mit deren Bewältigung er genug zu thun hatte. Sie verlangten die Ausführung des väterlichen Testamentes, mithin die Abtretung der beiden Bisthümer an den Secundo- und den


1) Nach den Güstrower Suecica im Archiv.
2) Er äußerte sie in einer Sitzung des Geheimen Rathes den 10. April 1663.
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Tertiogenitus, während Christian Louis das Testament als nicht vorhanden behandelte und auch, als es im Jahre 1660 infolge eines kaiserlichen Befehls eröffnet ward, seine Ausführung zu weigern fortfuhr. Den langen Streitigkeiten in ihren Einzelheiten nachzugehen, ist hier unnöthig; das Wesentliche ist, daß Christian Louis seinen Standpunkt behauptete. Herzog Karl starb den 20. August 1670, Herzog Johann Georg den 9. Juli 1675, ohne etwas ausgerichtet zu haben. Herzog Gustav Rudolf schloß den 19. März 1669 zu Bützow einen Vergleich, in dem er "auß gutem freyen Willen und vorbedächtlich allen und jeden praetensionen", die er aus dem väterlichen Testament oder auch sonst erhoben, entsagte. Uebrigens starb er schon ein Jahr darauf, den 14. Mai 1670. Herzog Friedrich, der den 24. Mai 1669 einen vorläufigen Verzicht ausgesprochen, wiederholte diesen für sich und die Seinigen den 16. Mai 1681. 1 ) Den jüngsten Bruder, den Posthumus Adolf Friedrich (II.) fand Christian Louis durch einen Vertrag ab, den er den 18./28. Dezember i. J. 1687 zu Paris unterzeichnete, und worin er ihm Schloß und Amt Mirow, die alte Johanniterkomthurei, die vorher schon die Herzoge Karl und Johann Georg besessen hatten, zum Wohnsitz und Nießbrauch überwies, allerdings ohne einen förmlichen Verzicht auf die Fürstenthümer von ihm erlangt zu haben. Für den Augenblick hatte nun Christian Louis Ruhe im Hause, allein nur für ganz kurze Zeit.

Zwei Todesfälle im Beginn des Jahres 1688 schufen eine völlig veränderte Lage. Den 15. März dieses Jahres starb der Erbprinz Karl von Güstrow, und am selben Tage ward die Aussicht, daß ihm seine Gattin, Marie Amalie von Brandenburg, einen Erben schenken werde, durch die Geburt eines todten Prinzen zerstört. Bei Gustav Adolfs Alter und Kränklichkeit war kein Ersatz mehr zu hoffen, das Güstrower Herzogthum mußte also in voraussichtlich nicht allzu ferner Zeit erledigt werden. Die Frage, wer es erben werde, ward weit verwickelter, als sie sonst gewesen wäre, durch den Tod des Herzogs Friedrich von Grabow, der einen Monat nach Herzog Karl am 28. April das Zeitliche segnete und drei unmündige Söhne, Friedrich Wilhelm, Karl Leopold und Christian Ludwig (II.), hinterließ. Es ließ sich bezweifeln, ob diese seine Söhne in die Rechte, die er etwa auf Güstrow hatte, eintreten mußten, oder sein Bruder Adolf


1) Kurze Auszüge aus den Verzichten s. Deductio Juis Prirnogeniturae (Schweriner Schrift aus d. J. 1695) S. 131, Beil. X und Y.
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Friedrich. Wer das Primogeniturrecht als gültig auch für den Heimfall einer Landeshälfte ansah, mußte die Combination beider Herzogthümer unter Herzog Christian Louis oder dessen Nachfolger, dem ältesten Sohne Friedrichs von Grabow, Herzog Friedrich Wilhelm, fordern. Wer dagegen die Combination auf Grund des Rezesses vom Jahre 1621 für unstatthaft hielt, hatte sich noch zu entscheiden, ob der zweite Sohn Friedrichs von Grabow, Herzog Karl Leopold, oder der letzte noch lebende Bruder Christian Louis', Herzog Adolf Friedrich, der dem Güstrower Herzoge um einen Grad näher verwandt war als die Söhne Friedrichs, die bessere Berechtigung habe. Die Entwickelung, die das Erbrecht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, im meklenburgischen Fürstenhause genommen hatte, erlaubte es, für jeden der drei Prätendenten Rechtsgründe genug ins Feld zu führen.

Doch ist Herzog Karl Leopold bis zum Jahre 1700 mit seinen Ansprüchen nicht hervorgetreten, desto entschiedener aber machte Herzog Adolf Friedrich die seinen geltend.

Sein Streit darüber mit den beiden Schweriner Herzögen Christian Louis und Friedrich Wilhelm ist der Güstrower Erbfolgestreit, der also mit jenen beiden Todesfällen im Jahre 1688 beginnt. In seinem ersten Stadium verknüpft er sich mit zwei anderen Streitfragen, die Adolf Friedrich gleichzeitig auf die Bahn brachte, aber eher fallen ließ. Er machte nämlich Miene, den Söhnen Friedrichs auch die Erbfolge in Schwerin zu bestreiten und benutzte den Tod seines Bruders zur Erneuerung seiner Ansprüche auf eins der Fürstenthümer, für das er mindestens eine Erhöhung seiner Apanage verlangte.

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II.

Meklenburgische Combinationspläne in den letzten Lebensjahren des Herzogs Christian Louis.

Verhandlungen der Herzoge Friedrich und Christian Louis mit Adolf Friedrich.

Die Schweriner Erbfolgefrage hatte bereits vor dem Tode des Herzoge Friedrich von Grabow zu Verhandlungen zwischen ihm und Adolf Friedrich Veranlassung gegeben. Im Jahre 1687 hatte nämlich Herzog Friedrich an diesen das Ansinnen gestellt, auf die Erbfolge im Schwerinischen Hause für sich und seine Nachkommen zu verzichten, mit dem Anerbieten, ihm eine zulängliche Apanage sichern zu wollen. Adolf Friedrich lehnte diese Anmuthung ab, und auch eine persönliche Zusammenkunft mit dem Bruder in Grabow ließ ihn nicht andern Sinnes werden.

Durch ihn erhielt sein Schwiegervater Herzog Gustav Adolf 1 ) Kenntniß von diesen Verhandlungen, und auch dieser begann Erwägungen über die Erbfolge im Schwerinischen anzustellen. Sie bezogen sich auf den Fall, wenn Herzog Friedrich noch vor Adolf Friedrich und Christian Louis sterbe. Um sich zu vergewissern, wer dann das bessere Anrecht auf Schwerin habe, die Söhne Friedrichs oder Adolf Friedrich, erbat er sich ein Gutachten von der Juristen=Fakultät zu Frankfurt a. d. Oder (d. 27. März 1687). In der Facti Species, die dem Schreiben an die Fakultät beigegeben war, sind fingirte Namen an die Stelle der richtigen eingesetzt: Ein Fürst Namens Auffridius hat drei Söhne hinterlassen, Cajus, der kinderlos ist, Sejus, der gestorben ist und Söhne hinterlassen hat, und Titius. Die Frage wird aufgestellt, ob beim Tode des Cajus die Söhne des zweiten Bruders Sejus oder der jüngste Bruder Titius das Fürstenthum zu erben hätten. Die Verhüllung der wirklichen Namen ist sehr durchsichtig, Auffridius ist Adolf Friedrich I., Cajus, Sejus und


1) Adolf Friedrich hatte sich den 23. September 1684 mit Gustav Adolfs Tochter Marie vermählt, aus dieser Ehe ging Adolf Friedrich III. hervor, der den 7. Juni 1686 geboren wurde.
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Titius sind die drei Brüder Christian Louis, Friedrich und Adolf Friedrich II. Die Antwort der Fakultät (datirt vom 1. April 1687) stellt die Gegenfrage, ob in dem betreffenden Fürstenhaus das Primogeniturrecht eingeführt sei oder nicht. Wer dies behaupte, werde den Beweis erbringen müssen, daß es ordentlich - durch kaiserliche Confirmation - geschehen sei. Wenn dies nicht zu erweisen sei, so müsse das Fürstenthum in zwei Theile getheilt werden, von denen der eine den Söhnen des Sejus, der andere dem Titius zufallen müsse. Durch dieses Gutachten, das auch Adolf Friedrich bekannt geworden sein wird, mußte dieser noch in seiner Ueberzeugung bestärkt werden, daß seine Befugniß zur künftigen Nachfolge im Herzogthum Schwerin gegründet sei, da kein Hausgesetz über die Primogenitur vorhanden sei. 1 ) Er blieb also den wiederholten Zumuthungen Friedrichs gegenüber unzugänglich und wandte sich nach Friedrichs Tod an den König von Schweden, Karl XI., um diesem seine Berechtigung zur Erbfolge in Schwerin zu erweisen und Schwedens Unterstützung zu erbitten. Der König verlangte eine juristische Deduktion von dem Rechte Adolf Friedrichs und antwortete, als er diese erhalten hatte, er werde Adolf Friedrich in seinem Verlangen nach Möglichkeit willfahren. Es war eine höfliche Ablehnung; Schweden enthielt sich jeder Einmischung in die Schweriner Erbfolgefrage.

Nach Herzog Friedrichs Tod nahm Christian Louis deren Lösung selbst in die Hand. Er gedachte sie zugleich mit den andern Streitfragen, die durch die beiden Todesfälle Anfang 1688 aufgerollt waren, dadurch zu lösen, daß er Adolf Friedrich eine Verbesserung seiner Apanage in Aussicht stellte für den Fall, daß er durch einen Revers auf alle sonstigen Erbfolgeansprüche verzichte.


1) Weniger befriedigt war Gustav Adolf, da in dem Gutachten, die Bestimmung des Recesses vom Jahre 1621, daß nicht weiter getheilt werden sollte, außer Acht gelassen war. Er wandte sich deshalb den 30. Mai 1691 an die Universität Wittenberg, um die Frage, ob die Primogenitur in Meklenburg eingeführt sei, entscheiden zu lassen. In dem Begleitschreiben weist er darauf hin - eine deutliche Beziehung auf die Frankfurter Antwort -, daß eineTheilung des Fürstenthums des Auffridius den Familienverträgen wiederspräche, und fragt, wenn keine Primogenitur zu erweisen, ob dann nicht Titius, als an Jahren älter und dem Auffridius näher verwandt, den Söhnen des Sejus vorzuziehen sei. Eine Antwort der Fakultät ist - wenigstens im Schweriner Archiv - nicht vorhanden.
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Adolf Friedrich scheint eine Zeit lang geschwankt zu haben, ob er sich auf einen solchen Revers einlassen solle. Er wandte sich, wie er in allen wichtigen Angelegenheiten pflegte, an seinen Schwiegervater mit der Bitte um guten Rath, da seine ganze Hoffnung auf Gustav Adolf stehe (Schreiben vom 6. August 1688) und übersandte dabei die Punkte, die von Christian Louis aufgesetzt seien, nebst einem Gegenvorschlag von ihm selbst. Die Antwort Gustav Adolfs ist "dilatorie" gehalten und begnügt sich mit dem Hinweis, welches Interesse er wegen seiner Tochter an Adolf Friedrich nehme.

Welche Wirkung diese Antwort auf Adolf Friedrich gehabt hat, ist nicht ersichtlich; doch ward sein anfängliches Schwanken - wenn er wirklich geschwankt hat und nicht vielleicht der Brief an seinen Schwiegervater nur ein Höflichkeitsakt war - bald zu einer entschiedenen Ablehnung, und bei dieser blieb es, obgleich nun Christian Louis allen Bitten und Forderungen gegenüber, die dürftige pekuniäre Lage, in der Adolf Friedrich sich befand, zu bessern, 1 ) völlig taub blieb.

Diese Behandlung empfand Adolf Friedrich als bittere persönliche Kränkung und gab seinem Unwillen in seinen Briefen häufig lebhaften Ausdruck. Um aus seinen vielen Aeußerungen nur eine herauszuheben, beklagt er sich - Ende 1691 2 ) - seinem Schwiegervater gegenüber "über den fast unversöhnlichen Haß und abwillen", der ihm vom Herzog Christian Louis "zugeworfen" werde, 3 ) ohne auf die sachlichen Motive, die Herzog Christian Louis bei dieser seiner unbrüderlichen Handlungsweise leiteten, irgendwie einzugehen.

In demselben Briefe drückt er seine Zuversicht aus, daß Gustav Adolf ihn und seine Nachkommen zu der Succession erkiesen werde, und sucht darüber nähere Versicherung und Gewißheit zu erhalten. Dann bittet er um Weiterzahlung einer Beihülfe von 1500 Thlr. jährlich, die ihm sein Schwiegervater bei seiner Vermählung versprochen hatte, die aber das letzte Mal nicht bezahlt war, und fragt noch einmal, ob er, falls Gustav Adolf ihn nicht


1) Es handelte sich neben der Apanagefrage auch um Schuldforderungen, die Adolf Friedrich an den Grabowschen Nachlaß hatte.
2) Der Brief ist ohne Datum, die Antwort vom 14. September 1691.
3) Andere Aeußerungen bei Buchwald (S. 83), der über diese Jahre aus dem Strelitzer Archiv viel neues und werthvolles Material ans Licht gezogen und überhaupt das Verdienst hat, unsere Kenntniß des Güstrower Erbfolgestreites, die bisher nur eine äußerst oberflächliche war, wesentlich bereichert und vertieft zu haben.
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weiter unterstützen wolle, den Revers Christian Louis' unterzeichnen könne, wenn Christian Louis ihm mit kaiserlicher Confirmation die Versicherung ertheile, daß der Revers sich nur auf seine, Christian Louis', Person und Erben beziehe. Gustav Adolf verspricht in der Antwort Weiterzahlung der 1500 Thlr., über den Punkt der Erbfolgefrage aber drückt er sich zweifelnd aus: "E. Lbd. wissen selbst, wie delicat derselbe ist;" hierin könne er "so bloßhin für sich nichts disponiren", sondern müsse die gemeinen Lehnsrechte und pacta Familiae gelten lassen.

Kurz nach diesem Briefwechsel, der Adolf Friedrichs Hoffnungen nicht eben zu ermuthigen geeignet war,. entschloß er sich auf den Rath des bekannten Grafen Bernstorff, 1 ) der als Premierminister von Lüneburg=Celle eine einflußreiche und verdienstvolle Thätigkeit entfaltete, dabei aber lebhafte Beziehungen zu seinem Heimathlande Meklenburg zu unterhalten fortfuhr, zu einer Reise nach dem Haag, um in persönlicher Aussprache den harten Sinn des Bruders, wenn möglich, umzustimmen, allein auch diese Reise hatte nicht den gewünschten Erfolg, Christian Louis blieb dabei, vor Unterzeichnung des Reverses könne von weiteren Zugeständ=


1) Buchwald meint (S. 83), Bernstorff habe deswegen zu der Reise gerathen, um endlich klar zu sehen, was sich hinter Christiane I. ablehnender schweigsamer Haltung für ein Plan barg. Allein den Revers, der ja diesen Plan enthüllte, hat Bernstorff ohne Zweife damals schon gekannt, durch Adolf Friedrich. Im Uebrigen finde ich Buchwalds Ausführung über Bernstorffs Stellung zu der Meklenburgischen Combination (S. 81 ff.) durchaus treffend. Glückte die Reise nach dem Haag, so war die Combination, die Bernstorff nicht wünschte, verhindert; glückte sie nicht, so wurde dadurch Adolf Friedrich noch mehr zum Anschluß an Bernstorff und Celle getrieben. Diese Erwägungen werden Bernstorff zu seinem Rath veranlaßt haben. Uebrigens hielt sich Bernstorff sehr vorsichtig im Hintergrunde und vermied es, sich zu Adolf Friedrichs Gunsten in der Successionsfrage zu kompromittiren. So konnte er mit Fug und Recht einige Jahre später auf das Bestimmteste in Abrede nehmen, gegen Friedrich Wilhelms Ansprüche auf Güstrow intriguirt zu haben, in einem Briefe, den er d. 3. November 1693 als Antwort auf ein Schreiben Friedrich Wilhelms an diesen sandte, worin er beschuldigt war, es angestiftet zu haben, daß das Haus Braunschweig zu Wien gegen Friedrich Wilhelms Rechte auf Güstrow auftrete. Dem entgegen versicherte Bernstorff bei seiner Ehre und gutem Gewissen, daß "bis auf diese Stunde so wenig Jhre Churf. Dhl. zu Hannover, als Herr Hertzog Georg Wilhelm (von Zelle) Dhl. noch nicht eins darauff gedacht, im allergeringsten und weder directe noch indirecte und auf was weise es sein könnte oder mögte, in gedachter successions=Sache etwas gegen und zu praejudiz Ew. Dhl. intentionen und interessen - zu negotiiren." Dieser Behauptung widerspricht nicht, daß er in der Apanagenfrage offen für Adolf Friedrich eintrat.
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nissen keine Rede sein. Auf der Rückreise sprach Adolf Friedrich wieder bei Bernstorff in Celle vor, der sich seiner denn auch weiter annahm und von seinem Herrn das Versprechen erwirkte, sich für ihn wegen der Grabowschen Forderung und der Apanage bei Christian Louis zu verwenden und auch eine kaiserliche Kommission in dieser Sache zu übernehmen. Dieser Verabredung entsprechend reichte nun Adolf Friedrich eine Klage in Wien gegen Christian Louis wegen Vorenthaltung der ihm nach dem väterlichen Testamente zukommenden Apanage ein und ersuchte zugleich darum, Lüneburg=Celle ein Kommissorium zur Vermittelung in dieser Sache zu ertheilen.

Mit diesem Schritte, den er ohne Vorwissen seines Schwiegervaters gethan, erregte er nun freilich dessen Unwillen. Gustav Adolf hätte lieber gesehen, wenn er selbst das Kommissorium erhalten, und ließ dies auch durch seinen Wiener Bevollmächtigten, den Geheimen Sekretär Joh. Heinr. v. Pommer Esche, d. 19. März beim Reichshofrath beantragen. 1 )

Wenn Adolf Friedrich in dieser Zeit seinem Schwiegervater gegenüber eine selbstständige Haltung annahm, so lag der Grund hierfür offenbar in der Wahrnehmung, daß er auch an seinem Schwiegervater keine sichere Stütze mehr habe. Herzog Gustav Adolf hatte nämlich schon längst eine ganz andere Lösung der Schweriner wie Güstrower Erbfolgefrage ins Auge gefaßt.

Gustav Adolfs Combinationsplan.

Das erste und dringendste Bedürfniß war für ihn die Sicherung seiner Gattin wie seiner Töchter. Der Vertrag mit Schweden vom Jahre 1666 schien ihm dafür noch zu wenig Gewähr zu bieten, und so sandte er denn Ende 1689 den Oberst Oesterling nach Stockholm, um die Erneuerung desselben in veränderter Form zu erwirken. Nach einigem Zögern ließ sich Schweden dazu bereit finden (d. 22. Februar 1690). Der neue Vertrag enthielt vier Paragraphen: der erste betraf die Erneuerung der alten Allianz, der zweite verhieß Schwedens Unterstützung, um für Gustav Adolfs Wunsch eigenes Militär zu errichten, in Wien die Genehmigung zu erwirken, 2 ) der dritte versprach, daß


1) Beide Anträge blieben unerledigt, da d. 30. Juni, als zum ersten Mal über den Güstrowschen verhandelt wurde, Christian Louis bereits todt war.
2) Gustav Adolf gedachte dazu den noch nicht gezahlten Theil der im westfälischen Frieden bewilligten Entschädigung von 200000 Rthlr. für (  ...  )
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der König nach Gustav Adolfs Tode sich seiner Gemahlin und Töchter annehmen wolle, damit sie im Genusse der ihnen verschriebenen Güter und Einkünfte geschützt würden, der vierte dehnte dieses Schutzversprechen auch auf die Minister, Räthe und Diener des Herzogs aus. 1 )

Nach Oesterlings Rückkehr ging Ende März 1690 Hofrath Thile nach Stockholm mit der Ratifikation des Vertrages, auch einer "Erkenntlichkeit" an die leitenden schwedischen Staatsmänner und dem Auftrage, vom Könige eine geheime Verordnung an seinen Gouverneur von Pommern, Generalfeldmarschall Grafen Bielke, zu erwirken, daß dieser, wenn über kurz oder lang der Höchste über des Herzogs Person verfüge, sofort auf seiner Gemahlin Begehr eine Anzahl Mannschaften in die Residenz Güstrow und die Aemter Güstrow und Schwaan, der Leibgedinge der Herzogin, verlege und nicht verstatte, daß Jemand davon Besitz ergreife wider den Willen der fürstlichen Wittwe, bis diese wegen des Nießbrauchs des ihr und ihren Kindern Zukommenden genugsam versichert sei; auch zum Schutze der fürstlichen Räthe und Minister sollten diese Truppen bestimmt sein. Der Grund für das Ansuchen um diese Verordnung war, daß es zuviel Zeit erfordere, wenn erst von Güstrow an den König berichtet und von diesem dann nach Pommern Ordre gegeben werde. Während Thile hierüber noch verhandelte, ward er in einem Schreiben vom 3. Mai angewiesen, Graf Bielke zu ersuchen, auf ein paar Monate 50 Mann nebst einem Unteroffizier an Gustav Adolf zu entleihen, die zur Ausbesserung der Befestigungen von Güstrow


(  ...  ) ganz Meklenburg, also 100 000 für Güstrow zu verwenden, in der Art, daß er die auf Güstrow fallende Quote der jährlichen Reichsabgabe (der "Römermonate") vorläufig einbehalten wollte. Die Voraussetzung dazu war, daß die Assignation der Quote auf einen der kriegsmächtigeren Höfe (Brandenburg, Lüneburg), der sie zum Unterhalte seiner für den Reichskrieg gestellten Truppen verwenden sollte, unterblieb.
1) Der schwedische Entwurf enthielt noch zwei Punkte, der fünfte zog das früher (1679) gegebene Versprechen des Königs, Gustav Adolf die Hälfte des Ertrages des Warnemünder Zolles abzugeben, zurück, da es bei dem bevorstehenden Aussterben des Güstrowschen Mannsstammes jetzt bedenklich werde; der sechste sollte den Herzog verpflichten, jetzt nichts zu Gunsten Rostocks zu verfügen, das durch Opposition gegen den Warnemünder Zoll Schweden gereizt hatte, sondern nach Rostocks "fernerem comportement die mesures zu nehmen." Schweden suchte also den Herzog selbst gegen seine eigne Stadt ins Schlepptau zu nehmen; Gustav Adolf setzte die beiden letzten Punkte zu fernerer Verhandlung aus, womit Schweden zufrieden war.
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verwandt werden sollten. 1 ) Da Graf Bielke gerade nicht in Stockholm anwesend war, so wandte sich Thile auch mit dieser Bitte an den König. Beide Wünsche fanden Gewährung; den 15. Juli meldet Graf Bielke den Empfang der betreffenden königlichen Schreiben.

Schon im Oktober desselben Jahres ward Hofrath Thile aufs Neue zu Bielke nach Hamburg gesandt. Es handelt sich um den Plan des Herzogs, eigenes Militär zu errichten. Da hierzu schon wegen der finanziellen Schwierigkeiten nicht sobald Aussicht war, so kam Gustav Adolf auf den Gedanken, eine größere Menge schwedischer Truppen in seinen Dienst zu nehmen, und hoffte dabei, daß Schweden sich hierauf einlassen und annehmbare finanzielle Bedingungen stellen werde. Er ließ um ein Regiment guter Fußvölker und eine Schwadron Dragoner anhalten. Da aber Bielke die Meinung äußerte, daß der König ein ganzes Regiment zu geben sich schwer entschließen werde und sicher es nicht ohne Offiziere werde geben wollen, während Gustav Adolf die Truppen unter das Kommando seiner eigenen Offiziere zu stellen wünschte, so erklärte der Herzog auf die Dragoner verzichten und vor der Hand mit 5 Kompagnien zu Fuß zufrieden sein zu wollen; umgekehrt erschien ihm im Dezember 1690 ein Regiment Dragoner von 8-10 Kompagnien zu 80 Mann für seinen Zweck entsprechender. 2 ) Allein der König zeigte gegen Ueberlassung einer irgendwie erheblicheren Truppenzahl ein starkes Widerstreben. Er hatte Wünsche um Abtretung von Regimentern von seiten des Kaisers wie anderer Fürsten mehrfach abgeschlagen und besorgte deshalb, wenn er Güstrow


1) Welches Vertrauen Herzog Gustav Adolf Schweden entgegenbrachte, erweist am deutlichsten sein Ersuchen (v. 17. Mai), der schwedische Gesandte in Regensburg möge angewiesen werden, die Güstrower Stimme im Reichstage mitzuführen. Selbstverständlich war Schweden so großmüthig, auch diesen Wunsch zu erfüllen.
2) Die Verhandlung mit Bielke führte diesmal nicht Thite, der gerade in Schweden war, sondern Kammerrath Mumme, der fortab bis zu Gustav Adolfs Tod fast ausschließlich der Träger der diplomatischen Beziehungen zwischen Güstrow und Schweden war und auch nachher in Friedrich Wilhelms Dienst vielfach in der Güstrowschen Successionssache thätig war. Mumme hatte Ende 1690 den Grafen Bielke auch an einen Vorschuß von 30 000 Th., den dieser versprochen hatte, zu erinnern. Bielke antwortete damals, er habe sein Kapital leider schon bei Gütereinkäufen im Holsteinschen engagirt (Rel. von Mumme d. 5. Nov. 1690), ließ sich aber dann doch zu Geldgeschäften mit dem Güstrower Hofe bewegen. (S. unten S. 237, Anm. 2, und später.)
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gegenüber von dieser Praxis abweiche, den Unwillen des Kaisers wie jener andern Fürsten zu erregen; auch hegte er nicht die Absicht, sich tiefer, als es das Interesse Schwedens wie seine verwandtschaftlichen Gefühle für die Güstrower Herzogin erforderten, in die meklenburgischen Händel hineinziehen zu lassen. Er wünschte keinen Krieg wegen Güstrow zu führen; die Gefahr eines solchen aber ward um so größer, je stärker die schwedische Truppenabtheilung war, die im Güstrowschen stand. Es wurde also vorläufig (Ende 1690) nur die schon in Boizenburg stehende schwedische Garnison von 50 Mann um weitere 50 Mann verstärkt, erst später (Frühling 1692) eine Kompagnie schwedischen Fußvolks nach Güstrow gelegt, dem Vorgeben nach, um dort die schadhaft gewordenen Befestigungen auszubessern, in Wahrheit zu dem im Vertrage angegebenen Zwecke; darauf lautete wenigstens die geheime Instruktion der Schweden.

Herzog Gustav Adolf gedachte sich ihrer, wie auch der größeren schwedischen Truppenabtheilungen, die er zu erhalten hoffte, noch zu einem anderen Zwecke zu bedienen. Welcher es war, davon gab er im Sommer 1691 durch Thile in Stockholm eine erste leise Andeutung. Gustav Adolf war zu Ohren gekommen, daß Adolf Friedrich sich in Schweden um Unterstützung beworben für sein Recht auf Schwerin, und auch Zusage erhalten habe. Er ließ melden, er gönne zwar seinem Vetter alle Beförderung gerne, habe aber bei dieser Sache noch eine und andere wichtige consideration, wovon er künftig dem König pari geben wolle, und darum ersuchen, daß Schweden in dieser Sache ohne Gustav Adolfs Vorwissen keine bindende Verpflichtung eingehe, dagegen ließ er für sich selbst um Ausstellung einer Vollmacht für den Generalgouverneur in Pommern anhalten, ihm ohne weitere königliche ordre auf sein Ansuchen Hülfe zu leisten. Was Adolf Friedrich betraf, so stellte sich bald heraus, daß keinerlei bindende Verpflichtungen von seiten Schwedens für ihn bestanden, vielmehr nur allgemein gehaltene Versprechungen vor mehreren Jahren (s. o. S. 226) gegeben waren. Man willfahrte hierin Gustav Adolfs Begehren, und als sich im Januar 1692 Adolf Friedrich in einem neuen Schreiben an die Königin=Mutter wandte, worin er sich beklagte, daß er so gänzlich verlassen und außer Stande sei, zu seinen Befugnissen zu gelangen, den König um Unterstützung ersuchte und zur nachdrücklicheren Beförderung seiner Affairen um Verleihung eines Obrist=Platzes für ein schwedisches Regiment bat, erregte er wohl Mitgefühl am schwedischen Hofe, erhielt aber auf Thiles Dazwischen=

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treten die Mahnung, er möge zu seinem Schwiegervater ein gutes Vertrauen fassen und seinem heilsamen und wohlgemeinten Rathe folgen; ein Regiment sei nicht vakant. Noch in demselben Monate trat dann Thilo mit dem Plane seines Herrn, nach dem Tode Christian Louis' beide Herzogthümer unter seiner eigenen Regierung zu vereinigen, 1 ) wobei er auf Schwedens Beistand rechne, offen hervor. Hofrath Polus, die rechte Hand des Kanzlers Oxenstierna, war der Erste, mit dem er darüber sprach. Polus erklärte ihm in voller Offenheit: "die Schweden wären was jaloux und sähen ungern, daß eine ihnen benachbarte Macht anwüchse und formidable würde" und auf Thiles Einwurf, daß doch durch die Verstärkung der Macht Gustav Adolfs auch Schwedens Macht verstärkt werde, dessen treuer Freund er sei, hatte Polus nur die Antwort, man müsse die Sache überlegen. Er hatte dann über den Gegenstand eine Unterredung mit seinem Chef. Auch dieser war der Ansicht, daß durch die Vereinigung der beiden meklenburgischen Herzogthümer die schwedische Macht an der Ostsee gefährdet und zurückgedrängt werde. Am gefährlichsten sei diese Combination wenn sie unter dem Hause Schwerin stattfände und dieses sich dann, wie es den Anschein habe, eng mit Brandenburg alliire. 2 ) Dem befreundeten Gustav Adolf gönne man eine solche avantage eher. Den Inhalt dieser Unterredung theilte Polus, um sich für die Erkenntlichkeit, die ihm Thile zu Anfang des Jahres mitgebracht, dankbar zu erweisen, diesem mit, ja er fügte sogar seiner Erzählung den Rath hinzu, der Herzog möge sich in dieser Sache nicht gänzlich auf Schweden verlassen; man werde ihm vielleicht einige Verheißung thun, er wisse aber nicht, ob man in dieser so delikaten Sache zuversichtlich darauf bauen könne. 3 ) Trotz dieser wenig ermuthigenden


1) Es ist bezeichnend, daß sich Thile hierbei auf das Testament Johann Albrechts I. berief, dessen Ausführung durch den Receß von 1621 suspendirt und aufgehalten worden sei, das aber nun, wo durch Todesfall die Pacta erlöschen würden, ins Werk gerichtet werden könne. Sobald Güstrow sich Adolf Friedrich wieder zuneigte, argumentirte es gerade umgekehrt; das Staatsrecht muß für die Politik die Folie hergeben.
2) Man sprach damals von einer beabsichtigten Heirath zwischen dem jungen Friedrich Wilhelm und einer brandenburgischen Prinzessin.
3) Man hat auf den ersten Blick den Eindruck, als wenn Polus hier Verrath an seinem Lande übt, in Wahrheit hat er kein Wort gesagt, das er nicht verantworten konnte. Buchwald hat völlig Recht, wenn er urtheilt (S. 53): "Beide Männer (Oxenstierna und Polus) übrigens haben trotz ihrer stets offenen Tasche nicht gegen den Vortheil ihres Landes gehandelt."
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Nachricht gab Gustav Adolf seinen Plan noch nicht auf, konnte aber die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms nicht hindern, von der er überhaupt erst Nachricht erhielt, als sie bereits vollzogen war.

Christian Louis' Gegenmaßregeln.

Christian Louis hatte, auch aus der Ferne und schon ein sterbender Mann, dennoch gute Wacht gehalten und wohl bemerkt, daß der Güstrower Vetter etwas im Schilde führen müsse.

Die fortwährenden Botengänge nach Schweden und zu Graf Bielke, das Einrücken schwedischer Truppen und ihre Verstärkung, alles deutete auf gefährliche Anschläge hin. Er that also Alles, was möglich war, um ihre Ausführung zu hintertreiben und seinem Neffen Friedrich Wilhelm, dem ohne Zweifel nach dem Primogeniturrecht die Erbfolge gebührte, den Thron zu sichern.

Als ältester Bruder des verstorbenen Herzogs Friedrich hatte er die Vormundschaft über dessen Söhne übernommen. Im Juni 1690 ließ er nun seinen zukünftigen Nachfolger nach Schwerin bringen, wo dieser den 2. Pfingsttag, d. 11. Juni, eintraf und auf dem Bischofshofe Wohnung nahm. In Schwerin ward die letzte Hand an die Erziehung des jungen Fürsten gelegt; er erhielt noch Unterweisung in "Sprachen und Exercitien. 1 ) Die Bemühungen seiner Lehrer wurden durch mahnende Briefe des Oheims unterstützt, der auch mit seinen Räthen in Schwerin fortwährend eine rege Korrespondenz unterhielt.

Anfang 1692 hatte der schon bejahrte Fürst an starkem Husten zu leiden, der ihn so angriff, daß der Schriftwechsel mit Schwerin im Februar des Jahres ins Stocken gerieth. Gerüchte von seinem bevorstehenden Tode verbreiteten sich, und in Schwerin erzählte man, daß Herzog Gustav Adolf Schritte vorbereite, um sich nach Christian Louis' Tode der Vormundschaft zu bemächtigen. Die Räthe wie auch Friedrich Wilhelm selbst schrieben besorgt nach dem Haag und baten um Nachricht über sein Befinden und Instruktion für den Fall seines Todes. Die Antworten des Herzogs sind datirt vom 25. Februar neuen Stils. Er beschwichtigte ihre Besorgnisse wegen seiner Gesundheit, mit


1) s. L. G. Segnitz, Alte Nachrichten, Schwerin d. 20. Nov. 1755. Ein Extract des Aufsatzes, von Segnitz selbst geschrieben, liegt bei den Acta Successionis Frid. Wilh. im Archiv.
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der es jetzt wieder besser gehe, und ordnete an, daß alle seine Räthe und Diener nach seinem Tode Herzog Friedrich Wilhelm als ihren rechtmäßigen Herrn erkennen und ihm in Befestigung seines Regimentes wie auch zur Erlangung der Regierung im Güstrowschen behülflich und beförderlich sein sollen.

Falls Gustav Adolf noch bei seinen Lebzeiten stirbt, soll das erledigte Herzogthum sofort in seinem Namen von Friedrich Wilhelm und der Regierung zu Schwerin in Besitz genommen werden. Christian Louis will auch darauf bedacht sein, seine Verordnungen über die Erbfolge in eine förmliche pragmatische Sanktion zu bringen, vor der Hand aber läßt er es bei den gegebenen Verordnungen bewenden. Friedrich Wilhelm erhält noch einmal eine nachdrückliche Mahnung, die Güstrowsche Succession ja nicht zu vernachlässigen, 1 ) und die Mittheilung, daß Christian Louis Willens sei, mit der verwittweten Herzogin zusammen bei Kays. Maj. für ihn veniam aetatis (d. i. die Großjährigkeit vor der sonst üblichen Zeit) zu erbitten. Solle sich aber vor dem Erfolg dieses Schrittes mit ihm etwas begeben, so möge sich Friedrich Wilhelm nichts desto weniger in der Possession aufrecht halten gegen alle, so ihn darin zu turbiren unternähmen, und sich dazu des Rathes und der Assistenz seiner - Christian Louis' - Leute bedienen, "damit Recht und Gerechtigkeit gehandhabt, und Kai. Maytt. und dem Reiche das Ihrige prestiret werde."

Die Räthe versprachen in ihrer Antwort auf das Schreiben des Herzogs vom 25. Februar auf das Feierlichste Gehorsam und wiederholten ihre Versicherung noch einmal den 9. März/28. Februar, baten aber in einem neuen Schreiben vom 16./6. März, in dem sie sich sehr ausführlich über das Erbrecht auf Güstrow äußern, der Herzog möge, wenn es sein Befinden erlaube, selbst kommen, weil so den etwaigen schädlichen Güstrowschen Plänen am besten zu begegnen sei. Der Herzog erfüllte diese Bitte nicht und hätte


1) Die Stelle lautet wörtlich: "Die Güstrowsche Succession wollen Ew. Lbd. bey des Vetters abgang ja nicht negligiren, denn Sie competiret Mir von Gottes undt Rechtswegen unstreitig, erfolget der Casus mortalitatis daselbst bey Meinem leben, so weiß Meine Regierung, wie es anzugreiffen, daß Ew. Lbd. in Meinem Nahmen die Possession zu nehmen, so Ich Ihro zum höchsten recommendire, hingegen, wo Ich den tag nicht erlebe, so werden doch Ew. Lbd. für Ihro Interesse mit aller vigilantz zusehen, und die restablirung des Juris Primogeniturae, nach der disposition des allväterlichen Testaments, welches Ich Ihro auffs Höchste Sich zu imprimiren empfele, zum Scopo und Fundament führen." Die Worte sind wie ein letztes Vermächtniß des Sterbenden.
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sie, auch wenn er gewollt hätte, wohl kaum noch erfüllen können, da sein Zustand eine so weite Reise schwerlich noch gestattet hätte, allein er blieb bis an seine letzten Lebenstage eifrig darauf bedacht, die Interessen seines Neffen nach Möglichkeit zu fördern und, was ihm etwa bei der Schwerinischen und Güstrowschen Erbfolge in Wege stehen könnte, wegzuräumen.

Den 25. April erließ er an seine Räthe die Weisung, die Landräthe und Deputirten der Ritterschaft und Landschaft nach Schwerin zu berufen und ihnen einen Provisional=Eid oder einen schriftlichen Revers abzuverlangen, daß sie nach seinem Tode Friedrich Wilhelm für ihren rechtmäßigen, angeborenen Landesfürsten und Herrn anerkennen würden. Interessant ist die Begründung dieser Maßregel, die der Herzog in einem Post=Scriptum giebt. Der vornehmste Grund dazu lag nämlich in dem damals jüngst geäußerten Wunsche Brandenburgs, die alten Verträge wegen der Eventual=Erbfolge zu erneuern. Christian Louis war besorgt, daß bei der bevorstehenden Veränderung Brandenburg unter dem Vorwand, seine Leute bei der Huldigung zu haben und sich bei seinem vermeintlichen Rechte zu behaupten, "allerhand unlust und wol gar Thätlichkeiten im Lande anfangen und verüben könnte"; dann sei zu befahren, wie auch schon jetzt verlaute, daß Lüneburg solchem "Dominat"(!) nicht stillsitzend zusehen, sondern auf gleiche Maße widersprechen werde, es könnten sich dann wohl gar noch andere hinzuschlagen und das Unheil vergrößern, woraus aber nichts denn gänzliche Verwüstung (desolation) des Staates, ja wohl gar desselben Zerrüttung erfolgen könne. Diesem großen Unheil sei nicht besser vorzubauen, als wenn man sich durch die Interims=Huldigung fürs erste von der Nothwendigkeit einer öffentlichen Huldigung nach eingetretenem Todesfall zu dispensiren trachte. - Dies also, die Besorgniß Christian Louis', Brandenburg könne seinen Tod benutzen, um auf Grund seines Eventual=Erbrechtes sich in Meklenburg festzusetzen, und dadurch kriegerische Verwickelungen veranlassen, war es in erster Linie, was ihm den Gedanken der Eventualhuldigung eingegeben hat. Erst in zweiter Linie weist er dann auf die Güstrowschen "gefährlichen desseins" hin, gegen die man sich ebenfalls am besten durch den Provisional=Huldigungsakt schützen könne.

Dem Befehle des Herzogs gemäß wurden die Landräthe und Deputirten der Stände auf den 13. Juni nach Schmerin geladen und leisteten hier in feierlicher Versammlung willig dem an=

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wesenden Herzog Friedrich Wilhelm den Handschlag der Treue und des Gehorsams. 1 )

Die letzte Maßregel, die Christian Louis im Interesse seines Neffen traf, war die Besetzung der Festung Bützow durch zwei Kompagnien dänischer Dragoner, die später durch Fußvolk abgelöst werden sollten. Es war die Antwort auf die Besetzung Güstrows und Boizenburgs durch die Schweden. Das betreffende Schreiben des Herzogs aus dem Haag an die Regierung in Schwerin ist datirt vom 6. Juni, es enthielt neben ausführlicher Begründung der Maßregel 2 ) den Befehl, der Oberstallmeister


1) Außer den beiden Landräthen des Herzogthums Schwerin v. Peterstorff und v. Plüßkow waren Deputirte der Ritterschaft aus den Aemtern Mecklenburg (1), Schwerin (2), Bukow (1), Grevesmühlen (1), Gadebusch (1), Crivitz (1) und Deputirte der Städte Parchim, Neustadt, Grabow, Wittenburg, Schwerin, Sternberg und Gadebusch vertreten. Die Stände erhoben, als ihnen die Proposition vorgelesen war, zwei Bedenken: 1. Herzog Christian Louis lebe noch, 2. Herzog Friedrich Wilhelm sei noch nicht majorenn. Beide Bedenken wurden von den fürstlichen Räthen leicht widerlegt. Die Auseinandersetzung hierüber fand nicht im Audienzsaal, sondern in einem anderen Raum statt. Als man einig geworden, was nur kurze Zeit erforderte, ging man wieder in den Saal, worin der Herzog inzwischen verblieben, und hier traten zuerst die Landräthe, darauf die Deputirten des Adels und endlich die der Städte an ihn heran und leisteten das Versprechen und den Handschlag.
2) Auch dieses Aktenstück ist sehr beachtenswerth, insofern es einen tiefen Blick in die politischen Erwägungen Christian Louis' thun läßt. Schon deshalb und auch weil es das letzte Aktenstück über die Güstrowsche Succession ist, das Christian Louis erlassen, wird hier ein Auszug beigefügt. - Der Herzog schreibt, von Celle sei ihm mitgetheilt, daß Schweden unter Bielkes Namen die 40 000 Rth. auf den Zoll zu Boizenburg vorgeschossen, wofür ein Regiment aufgerichtet werden solle, das im Güstrowschen bleiben, solle; es geschehe dies alles unter dem Prätext, daß die Herzogin zu Güstrow sich dadurch in Sicherheit setzen wolle, um in casum mortis Ihres Eheherrn ratione alimentorum nicht von Friedrich Wilhelm abhängig zu sein. "Man möchte primo intuitu fast suspiriren, ob es nicht an seiten Bernstorffs ein abermahliger Versuch were, unß bey gegenwertiger beschaffenheit durch dergleichen ouverture zu allarmiren damit Wir unß denen Fürstl. Lüneb. Häußern intempestive in die arme werffen mögten, woran, und das Sie dermahleins das Directorium in unserm Hauße mitführen, Ihnen soviel gelegen, welches zwegs aber sie sich noch weiter sehr verfehlet sehen werden. An der andern seite ist jedoch auch bedenklich, dieses werk in totum alß eine fable zu aestimiren, weil der Zoll zu Boitzenburg für die 40 000 Th., so viel man weiß, wirklich versetzt -; weiter die intelligence mit Schweden klar vor Augen. "Dannenhero obgleich Luneburgenses selbst die Verhypothecirung des Zolls Boitzenburg an Schweden vielleicht darumb vermittelt, umb Brandenburg, unterm praetext Güstrowscher unrichtigen Zahlung des Reichs=quanti (  ...  )
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v. Bibow solle nach Kopenhagen reisen zum Abschluß der betreffenden Stipulation.

Indessen hatte der Herzog bereits durch direkte Verhandlung mit Dänemark den Abschluß soweit vorbereitet, daß die dänischen Dragoner schon am 9. Juni (a. St.) in Bützow einrückten, obgleich Bibow erst den 7. Juni Nachmittags aus Schwerin abreiste und das Schreiben des Königs Christian von Dänemark, welches die Bewilligung der Truppen ausspricht, erst vom 18. Juni datirt ist. 1 ) Der Eid, den die Dänen dem Herzog schwuren, ward gleich auf Friedrich Wilhelm mit gerichtet. Im Laufe der nächsten Tage wurden kleine Abtheilungen Dragoner


(  ...  ) darauf zu halten, als deßen nachbahrschafft wegen Sachsen Lauenburg Ihnen nicht bequem, So wird doch auß solchem allem, die Güstrowsche intendirende weitleuftigkeit gegen unß merklich confirmiret." - Des Herzogs intention geht dahin, daß, "weil Wir, nach reifflichem examine unser convenientz mit allen benachbahrten keine beßere alß mit Dennemark finden, man sich in aller stille mit Dennemark suche festzusetzen, umb von daher auf begehren assistenz zu haben; vor der Hand wird man auf überlaßung einiger Compagnien Trouppen gegen erträgliche conditiones zu bestehen haben -, dazu fernere Entschließung pro nunc auch schon mit Dennemark eventualiter zu verabreden." Bibow soll nach Dänemark gehen. "Wir können leicht erachten, daß Ihr auf die sorgliche Gedanken gerahtet, ob dürffte auf solche art sedes belli ins Land gezogen werden, aber wir sustiniren vielmehr, daß durch solche mesures noch wol ein Schwerd das ander in die Scheide hält." - Die Landräthe werden ihrer charge zufolge mit zutreten müssen - "im äußersten Fall desperatis malis desperata sunt adhibenda remedia viel ehender, als daß wir unserm Estat von Güstrow sollen subjugiren laßen, oder Ihn das geringste zu unserm nachtheil einreumen." Die Räthe sollen mit den beiden Generalmajors u. Halberstadt und v. Francke überlegen, wie viel für jetzt an Mannschaft nöthig und nützlich sei, hereinzunehmen. "Es dependiret gar zu viel davon, hierunter das geringste tempo zu verabseumen, die gefährlichkeit ab adverso ist zu kennlich, und die darauß unfehlbar entstehende inconvenientzien zu erheblich, daß man nicht alles darin setzen sollte, was zu deren zeitiger hintertreibung erfordert wird."
1) Die Bedingungen für die Abtretung der Gruppen waren sehr günstig; sie sollen für die ersten zwei Monate ihre Löhnung noch von Dänemark ohne Entgelt erhalten. Im Falle noch mehr Truppen begehrt werden, soll der in den Fürstenthümern kommandirende Generalleutnant Eventual=Ordre erhalten, sie zu stellen. Monatliche Kündigung wird aufgemacht. Falls Eifersucht bei den benachbarten Mächten entsteht, will der König sich der Herzöge - er wußte bei Unterzeichnung des Vertrages noch nichts vom Tode Christian Louis' - annehmen, und sie "bei Ihren Hoheiten und Gerechtsahmen. - kräfftiglich handhaben und mainteniren helfen." Der Vertrag entspricht also vollkommen den Wünschen Christian Louis'. Dänemark kam den Schweriner Herzögen bereitwillig entgegen, um Schweden in Meklenburg den Widerpart halten zu können.
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über die Aemter Meklenburg, Redentin, Bukow und Doberan vertheilt und auch Haus und Amt Schönberg (im Fürstenthum Ratzeburg) durch eine Abtheilung besetzt.

Da zu erwarten war, daß bei den benachbarten Fürsten und auch beim Wiener Hofe die Aufnahme der fremden Mannschaft Anstoß erregen werde, so wurden auf Anordnung Christian Louis' von Schwerin aus Schreiben an den Kaiserlichen Gesandten im niedersächsischen Kreise Baron v. Gödens (d. 9. Juni), den churbrandenburgischen Statthalter Fürsten zu Anhalt, die schwedische Regierung zu Stade, den Gouverneur von Wismar, Generalleutnant v. Buchwaldt, und die Regierungen der welfischen Staaten Celle=Hannover und Wolfenbüttel (diese sämmtlich d. 10. Juni) abgelassen mit der Anzeige, daß der Herzog sich entschlossen, zur Ausbesserung der Befestigung von Bützow einige Kompagnien Dänen in sein Land aufzunehmen, die ihm der König abgetreten, und der Bitte, deswegen keinen Argwohn zu schöpfen.

Die Antworten auf diese Schreiben bekam Christian Louis nicht mehr zu Gesicht. Seine Lebenskräfte waren in schneller Abnahme begriffen 1 ) und er verschied den 11./21. Juni. Auf seinen Befehl war sein schwer leidender Zustand verheimlicht worden; die Nachricht von seinem Tode gelangte durch Eilboten zuerst an den Rath von Bünsow nach Ratzeburg und von dort nach Schwerin an die Regierung, wo sie am 15. Juni (a. St.) ankam.

Nachmittags um 2 Uhr fuhr Herzog Friedrich Wilhelm aus seiner bisherigen Wohnung auf das Schloß, um hier als regierender Fürst seinen Wohnsitz zu nehmen. Noch am selben Abend leisteten die Räthe ihrem neuen Fürsten den Eid der Treue. Den 16. Juni wurden die Befehle zur Besitzergreifung für die verschiedenen Theile des Landes unterzeichnet. Nirgends erhob sich Widerstand oder auch nur Widerspruch. In Güstrow erfuhr man den Tod des Herzogs erst am 18. Juni; die offizielle Todesanzeige ward nach Güstrow aus dem Haag erst gesandt, als ein Kourier aus Schwerin die Nachricht dorthin gebracht, daß Friedrich Wilhelm die Regierung unangefochten angetreten habe.

Die Schweriner Erbfolgefrage war damit in der Hauptsache gelöst. Freilich ungefährdet war die Stellung des jungen Herzogs selbst im Herzogthum Schwerin noch nicht. Noch hatte


1) Ein augenfälliger Beweis hierfür ist seine Unterschrift unter einem Schreiben v. 13. Juni, die mit stark zitternder Hand geschrieben und zu hoch, bis in die Zeilen des Textes hinein, zu stehen gekommen ist.
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Gustav Adolf seine Anschläge auf Schwerin nicht aufgegeben, noch viel weniger Adolf Friedrich seine Ansprüche. Diesem bot vielmehr der Tod Christian Louis' Veranlassung, seine Ansprüche auf Grund des väterlichen Testamentes in weitestem Umfange zu erneuern. Ebenso war die Güstrowsche Erbfolgefrage noch ungelöst geblieben.

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III.

Der Streit über die Belehnung Friedrich Wilhelms und das Güstrower Eheprojekt.

Weitere Verhandlungen Gustav Adolfs mit Schweden.

Die gefährlichste Zeit war für den jungen Fürsten die Frist, bis aus Wien der zu erwartende kaiserliche Erlaß mit der venia aetatis eingetroffen war. Sie ging indessen ohne Anfechtung vorüber. Herzog Gustav Adolf wagte keinen gewaltsamen Schritt, da ihm Schweden seine Unterstützung nicht in dem gewünschten Maße lieh. Vom 23. Juli 1692 ist das Dekret datirt, das die Volljährigkeit Friedrich Wilhelms aussprach; mit ihm war etwaigen Vormundschaftsgelüsten des Güstrower Herzogs die Spitze abgebrochen. Er spann indessen seine Verhandlungen mit Schweden noch weiter fort.

Kurz vor dem Tode Christian Louis' hatte er, als die dänischen Truppen nach Bützow rückten, Thilo wieder an Graf Bielke nach Hamburg gesandt und um Ueberlassung von zwei Regimentern gebeten, da die Zahl der schon ins Schwerinische eingerückten oder noch zu erwartenden Dänen vom Gerüchte bis auf ganze Regimenter vergrößert war. An Abtretung einer solchen Truppenmacht dachte Schweden um so weniger, als sich das Uebertriebene jener Gerüchte bald herausstellte, doch wurde noch im Sommer 1692 die eine schwedische Kompagnie in Güstrow durch zwei neue abgelöst. Die bald darauf von Brandenburg wieder begonnenen Verhandlungen mit Herzog Friedrich Wilhelm über die Erneuerung der Eventual=Erbfolge

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boten dann Gustav Adolf einen neuen Hebel, Schweden gegen Friedrich Wilhelm in Bewegung zu setzen. Im Oktober 1692 erhielt Graf Bielke durch Thilo Mittheilung von diesen Verhandlungen und Gustav Adolf ließ ihm sagen, er für seine Person würde viel lieber mit dem König von Schweden einen solchen Erbfolgevertrag aufrichten. 1 ) Den 4. Dezember desselben Jahres sandte Thile einen Bericht ähnlichen Inhalts an Hofrath Polus nach Stockholm. 2 ) In Schweden sprach man sich zwar über dieses Angebot nicht ungünstig aus, es blieb aber bei freundlichen Worten.

Einen letzten Versuch mußte der Geh. Kammerrath Mumme machen, der im Januar 1693, nach Thites Tod, an den Grafen Bielke gesandt ward und überhaupt seitdem die Verhandlungen mit Schweden fast ausschließlich führte. Die Instruktion (datirt vom 4. Januar), die er mitbekam, hatte 9 Paragraphen. Die wichtigsten davon sind folgende: Nach § 1 sollte Mumme sich schon auf dem Wege nach Stettin in Demmin erkundigen, aus was für Leuten die Garnison dort bestehe, und den Kommandanten sondiren, ob er den Befehl habe, wenn man einige Hülfe in Meklenburg begehre, dazu bereit zu sein; nach § 2 hatte Mumme bei Bielke selbst anzuhalten, daß dieser den Major seines eigenen Regimentes als Kommandeur nach Demmin lege. Mumme, der den Grafen am 22. Januar auf dessen Gut Schönenwalde traf und eingehende Unterhaltungen mit ihm hatte, erhielt hierüber von Bielke selbst den Bescheid, daß er nicht allein dem Major in Demmin die gewünschte Ordre gegeben, sondern auch sein ganzes Regiment zu Pferde und einige Kompagnien zu Fuß an die Grenze gelegt habe, so daß sie in kurzer Zeit in Meklenburg stehen könnten. Soweit also war man in Schweden auf Gustav Adolfs Ersuchen um Verstärkung der schwedischen Truppen in seinem Lande eingegangen.

Nach § 3 sollte Mumme den Grafen bitten, er möge befördern, daß der Herzog die gewünschten Truppen mit künftigem Frühling und zwar zuerst ein Regiment Dragoner von 600 Mann bekomme. Bielke erzählte über diesen Punkt, der König habe bisher Bedenken gehabt aus Sorge, daß die Ueberlassung solcher Truppen bei den Nachbarn Verdacht ("ombrage") erregen möchte, versprach aber seinen Einfluß aufzubieten, daß die Bitte gewährt


1) Er ließ auch die Cession der meklenburischen Ansprüche auf das Herzogthum Sachsen=Lauenburg anbieten, das 1689 durch den Tod des letzten Herzogs Julius Franz erledigt war. Auch hierauf ging Schweden nicht ein.
2) Buchwald, S. 55, ein Auszug daraus.
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werde, und rieth ein Regiment von 600 Mann zu Fuß, das Holstein in Dienst gehabt habe, zu nehmen unter denselben Bedingungen wie Holstein (Deponirung von etwa 7200 Rth. bei Uebernahme der Truppen, Rückgabe der Summe bei Rückgabe der Leute). § 4 bezog sich auf die Brandenburgische Eventualhuldigung und ein Gerücht, als wenn es den Kurfürsten gereue, die Sache so früh angeregt zu haben, worüber Bielke nichts zu sagen wußte. Bei Gelegenheit dieser Materie sollte Mumme "incidenter" erwähnen (§ 5), daß Gustav Adolf "lieber sähe, daß mit dem Könige zu Schweden eventualiter etwas pacisciret werden könnte." Bielke ist nach Mummes Bericht auf diese Anregung gerne eingegangen; es werde eine angenehme Materie sein und den König wie den Kanzler noch williger für Gustav Adolfs Interesse machen, doch hat er noch genauere Auskunft gewünscht, worüber aber Mumme nicht instruirt gewesen ist. Auf § 6 wird sogleich zurückzukommen sein. § 7 und 8 können hier bei Seite gelassen werden. 1 ) § 9 enthielt die Frage, ob Graf Bielke nichts von der Absicht Friedrich Wilhelms wisse, Truppen nach den Niederlanden zu senden, "dabey Er dann absonderlich zu sondiren hat, wenn


1) § 7 bezog sich auf die Hannoversche Churwürde, über die der Graf sich ausführlich aussprach. § 8 enthielt die allgemeine Frage, die mit der Hannoverschen Churfrage zusammenhing, "was den Herrn Graffen von dem ganzen Zustande des Teutschen. wesens dünke, auch was man von der continuation der ruhe im Nieder=Sächs. Kreyse zu hoffen habe." Im ersten Entwurf, der bei den Akten liegt, fehlen Punkt 8 und 9; Punkt 8 ist auf der Rückseite dieses Entwurfes mit den Worten characterisirt: "wegen Zustandes der ietzigen affairen in Deutschland und in specie en regard des Hauses lüneburg - was für alliances mit Sachsen und Dennemark möchten vorsein und wie J. Maj. in Schweden sich dabey conduiren würden." Aus Bielkes stark orakelhaft gehaltener Antwort sind die wichtigsten Worte: "Wo Dennemark die Chrohn Sueden mit auff seine seite brächte, dürffte woll eine große Veränderung im römischen Reiche vorgehen, wo aber Sueden still bliebe, sollte er dafür halten, daß ein schwerdt daß andere woll in der scheide halten dürffte." (Es besteht also kein derartiger Zusammenhang zwischen Frage 8 und 9, wie ihn Buchwald (S. 59) annimmt, der die Fragen 5, 8 und 9 "aus der Sprache der Diplomatie in bündiger Deutsch ungefähr folgendermaßen übersetzt: "Das Angebot einer Eventualhuldigung ist doch wohl genug zu einer bewaffneten Einmischung gerade da, wo Friedrich Wilhelm außerhalb Landes ist und ihm leicht etwas Menschliches begegnen kann." Die erste Fassung von Frage 8 wie auch die Antwort Bielkes, in der auch noch von Brandenburg die Rede gewesen ist, beweisen, daß andere Störungen der Ruhe gemeint sind, als eine etwaige bewaffnete schwedische Einmischung in die meklenburgischen Erbfolgefragen.
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etwa dem jungen Herrn etwas Menschliches begegnen solte, ob der Herr Graff auf solchen Fall unser interesse und zu nehmende Entschließung ohn rückreferiren, wirklich secundiren und zu bewerkstelligen unß helfen könnte." Der Graf antwortete hierauf, von des Herzogs zu Schwerin Verrichtungen in Holland und Brabant sei ihm nichts bekannt, er habe auch nicht gehört, daß Friedrich Wilhelm Regimenter zu werben sich anheischig gemacht haben solle. Zu der gewünschten Unterstützung habe er keinen speziellen Befehl, allein seine ordre fei so allgemein eingerichtet, daß er S. Durchl. in allen Begebenheiten assistiren solle, und werde er auf den genannten Fall kein Bedenken tragen, S. Durchl. Willen zu erfüllen. Also die Antwort war so günstig wie möglich, allein die Voraussetzung erfüllte sich nicht: Friedrich Wilhelm behielt sein Schwert in der Scheide und kam wohlbehalten in die Heimath zurück.

Gustav Adolf ließ nun die ganze Sache fallen, er selbst mochte den in der Instruktion angenommenen Fall für wenig wahrscheinlich gehalten haben. Weit mehr beschäftigte ihn damals ein anderer Plan, die Streitfrage zu beseitigen und die Kombination der Meklenburgischen Lande, die auch er für wünschenswerth und heilsam hielt, zu erreichen, den er in § 6 derselben Instruktion dem Grafen Bielke vorlegen ließ. Der Paragraph lautete: "Noch hat Er auch von des Herrn Herzogs zu Schwerin intention daß nemlich derselbe gerne beyde Herzogthumb nach Unserm Absterben in seiner personne combiniret haben wolte, erwehnung zu thun, mit dem anführen, daß wir davon eben so gar sehr nicht abgeneigt weren, wen man nur Unsern Schwieger=Sohn H. Adolf Friedrich vergnüglich contentiren, Uns selbsten auch eine zulängliche satisfaction schaffen wolte, wozu man aber sich bißhero nicht genugsahmb herausgelaßen, dörfften mir also auf die gedanken woll kommen, wenn man zu Schwerin bey der froideur bliebe, lieber auff - Unsern Schwieger Sohn die Succession des Güstrowschen Hertzogthumbs, als der Uns auch einen grad näher, als der Schweriner Herr zu bringen. Ob wir sonsten woll gestehen müßen, das es dem publico zuträglicher wehre, das daß gantze Land nur einen Herren hette."

Graf Bielke versicherte, daß der König die Ehe gerne sehen, daß er aber, wenn man Schwerinischer seits sich nicht finden lassen wollte, Gustav Adolf zur Succession seines Schwiegersohnes gern und willig behülflich sein werde.

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Erste Verhandlungen über das Eheprojekt.

Dieses Eheprojekt bezeichnet einen neuen Weg zur Kombination der beiden Herzogthümer. Es war bereits vor dem Tode Christian Louis' aufgekommen und Gegenstand geheimer Verhandlungen zwischen Güstrow und Friedrich Wilhelm gewesen. Der Anstoß dazu ging von Güstrow aus. Der Güstrowsche Hofmarschall v. Grävenitz war es, der - ohne Zweifel mit Wissen und Willen seines Herrn - bei einem Vesuche in Grabow im Jahre 1692, d. 18. April, eine Heirath zwischen Friedrich Wilhelm und der Güstrowschen Prinzessin Luise anregte, und im Falle, daß diese Ehe zu Stande komme, die Kombination in Aussicht stellte. Er fand in Grabew bereites Entgegenkommen. Bezeichnend für den Standpunkt, den der junge Herzog von vornherein der ganzen Frage gegenüber einnahm, ist ein Brief, den er d. 30. April an den Güstrower Herzog schrieb, worin es heißt: "woh auch Ew. Gn. nicht durch dero hohe Vorsorge und prudence dahin es mit vermögen, daß Mequelbourg unter einen schuh Kombt, wird es sicher allen anfechtungen und wiederwärtigkeiten, sonders den benachbarten zum besten unterworfen sein und bleiben." Man sieht, der junge Fürst hatte in der Schule seines Oheims und dessen Beamtenschaft bereits etwas gelernt, er hatte die hohe politische Bedeutung der Kombination klar erkannt und faßte auch das Eheprojekt, wie es einem Fürsten geziemt, von vornherein durchaus von politischem Gesichtspunkte auf: als ein Mittel zu der gewünschten Einigung zu gelangen war es ihm willkommen; das Herz, das dem jungen Fürsten lebhaft genug in der Brust schlug, wurde nicht gefragt.

Indessen geriethen die Verhandlungen bei ihrem Fortgang bald auf einen toten Punkt. Grävenitz machte einen zweiten Besuch Anfang Juni (Instr. v. 31. Mai), wo besonders die Rede davon war, wie man die Zustimmung Christian Louis' gewinnen könnte. Ob dieser wirklich noch Kenntniß von dem Eheprojekt erhalten hat, ist nicht ersichtlich, eine Aeußerung darüber von ihm ist nicht erhalten. Mitte Juni (Instr. v. 16.), also schon nach dem Tode Christian Louis', der aber in Güstrow noch nicht bekannt war, finden wir Grävenitz wieder in Grabow, mit dem Auftrage, sich zu erkundigen, ob das Gerücht, daß der Herzog gefährlich krank oder todt sei, der Wahrheit entspreche. Gustav Adolf hatte damals die Absicht, die Vormundschaft neben der Herzogin über die unmündigen Kinder des Herzogs Friedrich zu beanspruchen, mit welchen gefährlichen Hintergedanken, ist oben

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dargestellt; in Grabow ließ er sagen, er würde durch die Vormundschaft mehr Gelegenheit haben, den ältesten Prinzen zur Beherrschung des ganzen Landes dermaleins zu befördern. Um veniam aetatis vom Kaiser zu erlangen, dazu sei Friedrich Wilhelm noch 3 Jahre zu jung. Grävenitz sollte versuchen, eine schriftliche Resolution der Herzogin zu erlangen, wozu sich diese indessen nicht verstand.

Schon durch die Worte dieser Instruktion blickt der Plan Gustav Adolfs hindurch, für den er ja gleichzeitig Schweden zu interessiren suchte, Friedrich Wilhelm zunächst bei Seite zu schieben und Schwerin für sich selbst zu gewinnen. Offen trat er mit diesem Plan in einer Instruktion hervor, die Grävenitz d. 3. Juli für eine Reise nach Schwerin erhielt. Grävenitz soll den Wunsch äußern, man möge eine vertrauenswürdige Person nach Güstrow senden, um über die Ehesache zu verhandeln, und dabei "ohne alle Verbindlichkeit" ausprechen, als Satisfaktion für die Zuwendung von Güstrow begehre Gustav Adolf die Abtretung der Regierung auf Lebenszeit und für Herzog Adolf Friedrich die Ueberlassung der beiden Stifter. Man muß gestehen, daß der Plan Hand und Fuß hatte; daß er ehrlich und ernst gemeint war, ist trotz der Verhandlungen mit Schweden, die man ja jederzeit, je nach Bedürfniß, fallen lassen oder, wenn mit Friedrich Wilhelm keine Einigung zu erreichen war, wieder aufnehmen konnte, nicht zu bezweifeln, kein Zweifel auch, daß Adolf Friedrich sich mit den beiden Stiftern oder selbst mit einem derselben begnügt hätte, wenn Gustav Adolf und Friedrich Wilhelm einig waren; allein der Vorschlag fand begreiflicher Weise in Schwerin keinen Anklang.

Am 5. Juli hatte Grävenitz eine Unterredung mit der Herzogin. Sie weigerte sich, die Abtretung der beiden Stifter zu befürworten; Herzog Adolf Friedrich habe kein Recht auf Güstrow; wenn zwei Regierungen im Lande bleiben sollten, sei keiner näher dazu als ihr Sohn Karl, "das wolle sie beweisen mit Hand und Siegel". Wegen Abtretung der Regierung bekam Grävenitz eine ausweichende Antwort: "Wenn es erst so weit sei, würden sich Vater und Sohn darüber wohl vertragen."

Der Streit wegen Mirow und die ersten Verhandlungen zwischen Friedrich Wilhelm nnd Adolf Friedrich.

Inzwischen hatte sich Ende Juni ein ernster Streit mit Adolf Friedrich abgespielt, der sogleich einen recht hitzigen

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Charakter angenommen hatte und von dem in jener Unterredung vom 5. Juli ebenfalls die Rede war. Herzog Christian Louis hatte, als er 1667 die Nutznießung des Amtes Mirow an Adolf Friedrich abtrat, sich ausbedungen, auf dem Schlosse Mirow eine kleine Wache zum Zeichen seiner fortdauernden Landeshoheit zu halten, die Adolf Friedrich zu verpflegen hatte. Sie bestand aus einem Sergeanten und 8 Musketieren. Den 25. Juni berichtete nun der damalige Führer der Abtheilung, Sergeant Reimers, er werde mit seinen Leuten wie Gefangene gehalten. Es werde ihm nicht erlaubt, ein Kind in den Flecken zu senden, um eine Kanne Bier oder Lebensmittel zu holen; keiner dürfe mit ihnen reden. Er habe den Herzog selbst, als er diesem einmal begegnet, angesprochen und gebeten, dann und wann jemand hinunterschicken zu dürfen, es sei ihm aber glatt abgeschlagen. Wenn er hinunterschicken wolle, so solle er alle seine Leute nehmen und marschieren damit hinunter." Vor ihre Munitionskammer sei ein Schloß gelegt, er habe indessen noch einen kleinen Vorrath, daß er "zur Noht ein klein Scharmützel damit halten" könne. Ihr Wachlokal sei von 14 Mann aus dem Flecken und 12 fürstlichen Bedienten umstellt, letztere seien mit gezogenen Büchsen und Flinten bewaffnet, erstere hätten bisher nur alte rostige Degen, doch fügte ein Postskriptum bei, daß soeben ein Wagen mit Gewehren aus Strelitz angekommen sei. Mochte auch der Sergeant, wie Adolf Friedrich nachher behauptete, ihn durch brutales Auftreten und lose Reden gereizt haben, so war es doch augenscheinlich, daß das ganze Verfahren, das Adolf Friedrich einschlug, statt in Schwerin sich über den Sergeanten zu beschweren, darauf hinauslief, den Sergeanten zum Abmarsch von seinem Posten zu nöthigen. Adolf Friedrich machte auch gar kein Hehl daraus, daß er nun, da sein Bruder Christian Louis gestorben sei, die Wache nicht mehr dulden könne, da die getroffene Vereinbarung nur für dessen Lebenszeit Geltung gehabt habe, und ließ deshalb die Schlüssel des Schlosses die der Sergeant bisher in Obhut gehabt, mit Gewalt aus dem Wachlokal abholen.

Friedrich Wilhelm war indessen nicht geneigt, auch nur den geringfügigsten Rechtstitel, den er von seinem Oheim ererbt, fahren zu lassen. Er ließ zunächst die Sache durch einen Auditeur untersuchen und sandte, als dieser die Aussagen des Sergeanten bestätigte, am 27. Juni den Schloßhauptmann Le Vandeuil mit einem Schreiben nach Mirow, in dem er sofortige Abstellung der Beschwerden forderte, Zur Bekräftigung

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dieser Forderung folgte die eine der beiden Kompagnien dänischer Dragoner dem Schloßhauptmann auf dem Fuße und stellte sich ganz in der Nähe des Schlosses auf, während Le Vandeuil ans Schloß ging, um sich seines Auftrages zu entledigen. Er gab das Schreiben ab, ohne selbst ins Schloß und zur Audienz vorgelassen zu werden. Als er sah, daß es mit der Wache noch in dem vorigen Stande war, ließ er dem Kapitän der Dragoner, v. Sydow, Nachricht geben, er möge anrücken, und dieser rückte nun mit seinen Leuten vor das Schloß. Herzog Adolf Friedrich warf sich aufs Pferd, ritt ihm entgegen und fragte nach seiner Ordre, und als der Kapitän erklärte, er habe Befehl, die Wache in den vorigen Stand zu setzen, rief Adolf Friedrich: "So muß man Gewalt mit Gewalt steuern", und ließ im Flecken bei hoher Strafe verbieten, keinem der Dragoner oder Musketiere für Geld etwas zukommen zu lassen, was aber die Dänen nicht hinderte, sich im Orte einzuquartieren und alle Schlagbäume mit Wachen zu besetzen. Der Schloßhauptmann erhielt ein Antwortschreiben von Adolf Friedrich, datirt vom 30. Juni, in dem sich dieser bitter über die unerhörte Vergewaltigung beschwerte, um sofortige Abberufung der Dragoner und um Absendung eines Rathes zu mündlicher Verhandlung bat. Der zu dem Zwecke nach Mirow deputirte Rat Vermehren fand den Herzog indessen d. 2. Juli nicht dort. Er war über den See nach Strelitz entwichen und von dort nach Güstrow gegangen, um auch mündlich bei seinem Schwiegervater, den er schriftlich bereits benachrichtigt, Beschwerde zu führen. Gustav Adolf legte sich denn auch ins Mittel, in Folge seines Eintretens für seinen Schwiegersohn, wie auch in Folge mündlicher Verhandlungen Vermehrens mit Adolf Friedrich den 4. und 5. Juli in Strelitz, kam es zu einer vorläufigen Einigung: Adolf Friedrich ließ durch einen Kammerjunker die Schlüssel zurückgeben, nicht an den Sergeanten, gegen den er eine starke persönliche Abneigung hegte, sondern an Vermehren. Die Dragoner wurden abberufen, die Wache aber blieb zur großen Unzufriedenheit Adolf Friedrichs, der eine entgegenkommende Aeußerung Vermehrens dahin verstanden, daß dieser die schleunige Abberufung der ganzen Wache erwirken wolle; nur der Sergeant, der soviel Anstoß erregt hatte, ward Mitte Juli abberufen.

Der Streit hatte Adolf Friedrich gezeigt, daß der neue Schweriner Regent vor keiner Rücksichtslosigkeit gegen ihn sich scheuen werde, wenn irgendwie einmal über Hoheitsrechte eine Meinungsverschiedenheit entstände; so schlecht, wie von dem jungen Friedrich Wilhelm war er nicht einmal von Christian

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Louis je behandelt worden, dadurch mußte er in seinem Vorsatz nur bestärkt worden, sich in keinerlei Abhängigkeit von dem Schweriner Vetter zu begeben, vielmehr für alles, was ihm etwa von dem Herzogthum Güstrow oder für dasselbe einst zu Theil werde, auf voller reichsfürstlicher Selbstständigkeit zu bestehen. Diese Folge hat der kleine Mirowsche Streit für den bedeutenderen Güstrowschen Erbfolgestreit gehabt.

Zur Verhandlung über die übrigen Forderungen Adolf Friedrichs ward eine Konferenz zu Schwerin verabredet, die den 7. November stattfand, und für welche Herzog Gustav Adolf auf Willen Adolf Friedrichs seinen Geheimen Rath von Leisten in dessen Dienst stellte. Das einzige Ergebniß das sie brachte, war die Erkenntniß des ungeheuren Abstandes von den Forderungen Adolf Friedrichs auf der einen Seite und dem, was die Schweriner ihm boten, auf der andern Seite. Die Mutter der Herzöge Friedrich von Grabow und Adolf Friedrich von Strelitz, die Herzogin Marie Katharina, hatte das Amt Grabow als Witthum besessen und bei ihrem Tode (d. 1. Juli 1665) ein Testament hinterlassen, nach dem Herzog Friedrich und seine Erben die Hälfte der jährlichen Einkünfte des Amtes, also, da diese 3000 Th. betrugen, 1500 Thaler genießen, die übrigen 1500 Thaler in drei Theile getheilt werden sollten, von denen einen Adolf Friedrich erhalten sollte. Von dieser Summe war nur ein geringer Theil ausbezahlt, dazu kam, daß Herzog Friedrich Aliment=Gelder für seinen minderjährigen Bruder erhoben und selbst behalten hatte, im Betrage von 6250 Th., so hoch setzt wenigstens der Rath Vermehren in einem Aufsatze die Summe an. Er zieht dann von diesen Forderungen, deren Berechtigung er so wenig leugnet, wie Friedrich Wilhelm und seine Mutter sie geleugnet haben, was bisher bezahlt sei (3690 Th.), ferner Gerichtskosten, Kontributionsgelder, die Adolf Friedrich widerrechtlich aus dem Amt Mirow zurückbehalten, und den Erlös für verkauftes Holz aus dem Amte Mirow ab und gelangt so zu einer Restsumme von 6390 Th. 29 ßl. Leisten hatte für Adolf Friedrich fast das Zehnfache zu fordern (60765 Rth. 40 ßl.). Ferner verlangte Adolf Friedrich, mit Berufung auf das väterliche Testament, die Abtretung des Fürstenthums Ratzeburg oder Schwerin; wenn dies gar zu große Schwierigkeiten mache, so könne man statt dessen etwa die Summe von 20000 Th. fordern. Sollte die Güstrowsche Erbfolge vorgebracht werden, so sei dies abzulehnen, da es mit der vorliegenden affaire nichts zu schaffen habe. Die Schweriner lehnten alle

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Forderungen aus dem - von ihnen ja niemals anerkannten - Testament Adolf Friedrichs I. ab, und als zur Sprache kam, daß ja schon Herzog Friedrich 3000 Rth. geboten, erklärten sie, dies sei unter der Bedingung des Verzichtes auf Güstrow geschehen. Man ging also unverrichteter Sache auseinander.

Fortgang der Verhandlungen über das Eheprojekt.

Inzwischen hatten die Verhandlungen über das Eheprojekt zwischen Schwerin und Güstrow ihren Fortgang genommen. Zwei Vesuche von Grävenitz (im Juli und August) in Schwerin trugen nichts zur Förderung der Sache bei. Auf dem ersten, der noch vor eintreffen der Großjährigkeitserklärung erfolgte, 1 ) überbrachte Grävenitz ein Handschreiben Gustav Adolfs an die Herzogin und stellte vor, daß ohne Abtretung des einen Fürstenthums, wozu noch andere gelegene Aemter zu geben seien, Adolf Friedrich nicht zu bewegen sein werde, seine Ansprüche auf das ganze große Fürstenthum Güstrow, zu denen er sich berechtigt finde, aufzugeben. Die Herzogin erwiderte, sie sei außer Stande, ihren Sohn dazu zu überreden, weil es ihm von allen Räthen widerrathen sei.

Bei dem zweiten Besuche (d. 18. August), zu dem die Beglückwünschung zur mittlerweile erlangten Großjährigkeit den Vorwand bot, fand Grävenitz den Hof so mit den Vorbereitungen zur Leichenprozession beschäftigt, daß er keine Gelegenheit zu weiteren Besprechungen fand. Die Sache ruhte dann eine Weile und kam erst im Oktober aufs Neue wieder in Fluß durch einen persönlichen Besuch, den Herzog Friedrich Wilhelm seinen Güstrower Verwandten machte.

Den Entschluß dazu scheint er erst kurz vor seiner Ausführung gefaßt zu haben: erst am 15. Oktober meldet er sich zum folgenden Dienstag, den 18. Oktober, an. Der Besuch, bei dem Friedrich Wilhelm von seiner Mutter und seinem Bruder Karl begleitet war, trug einen durchaus familiären Charakter, war aber schon deswegen bedeutsam, weil Friedrich Wilhelm bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal die ihm zugedachte Prinzessin von Angesicht zu Angesicht sah. Auch fand sich immerhin Zeit,


1) Instruktion wie Bericht sind ohne Datum, die Reise fällt aber vor die folgende, wie sich aus der Reihenfolge der Dokumente in den Akten und aus dem Umstande ergiebt, daß hier noch mit der Herzogin und nicht mit dem - noch unmündigen - Herzog verhandelt wird.
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in vertraulicher Unterhaltung die schwebenden Fragen zu berühren. Beide Herzöge gaben sich die Hand darauf, daß sie die fremden Truppen entlassen wollten. 1 ) Zur weiteren Förderung der Ehesache und Successionsfrage wurde eine Konferenz beiderseitiger Räthe verabredet. Dies die positiven Ergebnisse des Besuches.

Was den allgemeinen Eindruck betrifft, den Friedrich Wilhelm aus Güstrow mitnahm, so war er nicht ungünstig; wie ihm die Prinzessin gefallen, darüber erfahren wir nichts, über den Herzog aber erklärte er einige Wochen später, er habe wahrgenommen, daß Gustav Adolf mit ihm "zu einerlei Zweck abziele." Indessen muß er doch den Eindruck bekommen haben, daß eine schnelle Einigung nicht zu erwarten sei, wenigstens ließ er sich durch die Aussicht auf die Konferenz nicht abhalten, für den Fall von Gustav Adolfs Tod


1) Gustav Adolf erzählte dies Grävenitz, der es in einem Briefe vom 28. Oktober dem Hofmarschall von Löwen schreibt, mit der Bemerkung, daß Gustav Adolf den Abmarsch der Schweden eben am 28. bewerkstelligt habe, doch blieben die Schweden in Boizenburg. Friedrich Wilhelm hatte schon vor diesem Besuche, in einem Schreiben vom 5. Sept. 1692, den dänischen König ersucht, einen Theil der Truppen, die Dragoner, wieder abzuberufen und nur die zwei Kompagnien Fußvölker noch zu belassen. Er hatte diese Bitte damit begründet, er verspüre, daß sich "weit mehr dépences zu erhaltung des Estats und Credits" als man vermeint hätte, fänden, "dannenhero ich mit haltung der militz zu menagiren bewogen, sonsten meine Aembter und Unterthanen - gar zu sehr enerviret werden." Der König antwortete d. 13. Sept., er werde die Truppen zurückrufen, habe aber noch "eine und andere gantz wichtige Consideration, worüber er auß Freund Vetterlicher Wohlmeinung, vorher mit Fr. W. vertrawlich zu communicren für nöthig erachte," und werde einen seiner Minister deshalb an ihn senden; Fr. W. möge nicht übel nehmen, wenn der Sache bis dahin Anstand gegeben werde. Den 3. Nov. verhandelte der dänische Minister v. Plessen, der zugleich meklenburgischer Großgrundbesitzer und Landstand war, zu Schwerin mit den Räthen des Herzogs. Auf das Ersuchen der Schweriner, die Dragoner, von denen noch eine Kompagnie (82 Leute mit 85 Pferden) im Lande stand - die andere war schon Mitte Juli nach dem Eintreffen der Infanterie abgerückt - und von den beiden Kompagnien Infanterie die eine wegzuschaffen, erwiderte er, in Holstein sei ein neues Quartier=Reglement gemacht, die Rückgabe der Truppen würde es in Verwirrung bringen und fast drei Monate Arbeit verursachen. Man werde suchen, die Last erträglich zu machen. Es wurde dann verabredet, daß die Dragoner und die eine Kompagnie Infanterie vom König und nur die eine Kompagnie Infanterie vom Herzog erhalten werden sollte. So blieben die Dänen wider den Willen der Schweriner im Lande; ihr Verbleiben bot Herzog Gustav Adolf willkommenen Vorwand, im Frühjahr 1693 die Schweden "zum Arbeitsdienst" wieder nach Güstrow zu beordern; d. 26. Mai sind sie dort wieder angelangt. Erst im August 1693 rückten die Dänen auf erneutes Anhalten des Herzoge ab.
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Veranstaltung zu treffen. In denselben Tagen, in denen das Datum der Konferenz zwischen den beiden Höfen verabredet ward, unterzeichnete er (d. 11. November 1692) eine Ordre an seinen Generalmajor v. Francke, er solle, wenn er die Nachricht von Gustav Adolfs Ableben erhalte, sofort alles, was an Mannschaften aufzubringen, zusammenziehen und Besitz von Güstrow, Stadt und Land, besonders auch von Boizenburg und dem Zoll ergreifen. Eine ähnliche Ordre an seine Räthe trägt das Datum des 20. November. In der Zwischenzeit zwischen diesen beiden Tagen fand die Konferenz in Güstrow statt. 1 )

Gewarnt durch die ungeheuren Ansprüche Adolf Friedrichs, die er mittlerweile genauer kennen gelernt, gab Friedrich Wilhelm den Räthen eine Instruktion mit, die ihnen eine sehr vorsichtige Zurückhaltung auferlegte. Sie wurden angewiesen, die Vorschläge, die etwa von Güstrowscher Seite zur Erreichung des heilsamen Zweckes gemacht würden, ad referendum entgegenzunehmen, selbst aber keine bindenden Verabredungen über Einzelheiten einzugehen. Als ihre eigene Ansicht 2 ) hätten sie, wenn die Güstrower die Rede auf die einzelnen Bedingungen brächten, auszusprechen, daß Friedrich Wilhelm zu der erforderten condition (d. i. der Ehe) geneigt sein werde, wenn er zuförderst versichert sei,

1. daß Gustav Adolf zur größeren Sicherheit sogleich von Adolf Friedrich einen Verzicht in optima forma zu Wege bringen wolle und könne, dafür werde sich Friedrich Wilhelm wegen der Apanage Adolf Friedrichs (der jetzigen wie der künftig, nach dem Heimfall Güstrows zu bewilligenden) "der raison und possibilitat gemäß" erklären;

2. daß Ritter= und Landschaft in einer kurzen Frist mit Vorwissen und in Gegenwart Gustao Adolfs Friedrich Wilhelm die Huldigung abstatte;

3. Kaiserliche Konfirmation erfolge und

4. die schwedischen Truppen aus Boizenburg und den


1) Die Schweriner Instr. ist vom 12. Nov. datirt, vom 13. die Anzeige Fr. W. an G. A. von der Reise seiner Räthe nach G.; d. 16. schreibt G. A., er habe die Räthe empfangen und einige von. seinen Räthen mit ihnen konferiren lassen. Die Konferenz fand also am 14., 15. oder 16. Nov. statt. Eine schriftliche Relation, darüber ist nicht vorhanden.
2) Dieser Kunstgriff, Vorschläge, an die man sich noch nicht binden wollte, als eigene Ansichten der verhandelnden Räthe vorbringen zu lassen, ist in den Verhandlungen dieser Zeit außerordentlich oft angewandt worden.
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ganzen Güstrowschen Landen sogleich ohne Wiederkehr fortgeschafft würden."

"Wenn dies bona fide erfüllt würde, so wollten Wir gleich die Heyraths=alliance schließen und vollziehen, auch wegen treulicher Vorsorge der hochfürstl. Güstrowschen nachbleibenden Fraw Hertzogin und übrigen Princessinnen - Unß zu allem, was die Justitz, aequitaet und nahe anverwandschaft erfodern kann, anheischig machen." 1 )

Ueber die Konferenz haben sich beide Herzöge mündlich Bericht erstatten lassen, und beide zeigen sich wenig befriedigt. Die große Verschiedenheit des beiderseitigen Standpunktes war hier weit deutlicher hervorgetreten als bei der persönlichen Besprechung der Fürsten. Für Herzog Gustav Adolf war die conditio sine qua non eine angemessene Entschädigung Adolf Friedrichs für die Abtretung seines Erbrechtes auf Güstrow. Als solche sah er die Abtretung der beiden oder mindestens des einen der beiden Stifter an, durch welche Adolf Friedrich souveräner Reichsfürst mit Sitz und Stimme auf Reichs= und Kreistagen wurde. Hiervon konnte er um so weniger abgehen, als er allem Anscheine nach seiner Tochter bei deren Eheschließung nach dieser Richtung hin Zusicherungen gemacht hatte. 2 )


1) Es ist aus der Instruktion deutlich ersichtlich, daß der Kern der Frage in den politischen Bedingungen lag, unter denen die Heirath abzuschließen war; persönliche Zuneigung oder Abneigung kam daneben nicht in Betracht. Buchwald scheint mir diesen Kern der ganzen Frage zu verkennen, wenn er urtheilt (S. 61): "Herzog Friedrich Wilhelms Herz war nicht in Güstrow gefangen. Zu diesem an sich ja staatsklugen Heirathsprojekt hatte er keine Neigung", und S. 67: "In der That war Fr. W. in Güstrow gewesen und hatte eine entschiedene Abneigung gegen das Heirathsprojekt heimgebracht." In Wahrheit hatte Fr. W. gegen das Heirathsprojekt als solche keine Abneigung, wohl aber hatte ihm weniger der Besuch in Güstrow, bei dem man auf Einzelheiten nicht eingegangen war, als die Konferenz v. 7. Nov. gezeigt, daß es politisch unklug sein werde, auf die Heirath einzugehen, ehe seine Nachfolge in Güstrow und Adolf Friedrichs Verzicht bestimmt stipulirt war.
2) Dies hat sie selbst behauptet in einem Gespräche mit Graf Bielke, von dem dieser d. 18. April 1694 dem Schweriner Sekretär Varenius erzählte. Nach Varenius Bericht soll sie von einer "in Händen habenden Versicherung" von Ihrem Herrn, Vater gesprochen haben, kraft welcher sie genöthigt worden, sich zu vermählen, sub spe, daß deficiente alterutra linea, Adolf Friedrich regierender Herr werde. In den Ehepacten findet sich allerdings von einer solchen Stipulation nichts. Aber auch in einer Verhandlung zwischen dem Güstrower Geh. Rath v. Scheres und dem Grafen Eck, die Anfang Januar 1694 in Hamburg stattfand, ist davon die Rede gewesen, daß Gustav Adolf seiner Tochter bei ihrer Vermählung die Nachfolge zugesichert habe, im Falle Herzog Karl (der (  ...  )
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Auch hiervon abgesehen, mußte Gustav Adolf auf Abtretung eines Stiftes bestehen, wenn der Zweck der ganzen Verhandlung erreicht werden sollte. Er kannte seinen Schwiegersohn gut genug, um zu wissen, daß dieser ohnedem niemals gutwillig auf die Erbfolge in Güstrow verzichten werde, und doch war ein solcher Verzicht zur Herstellung des inneren Friedens unerläßlich und gehörte ja auch zu den Bedingungen, die der Schweriner Herzog stellte. Friedrich Wilhelm andererseits kam es gerade darauf vor allem an, daß die gesammten politischen Machtbefugnisse der meklenburgischen Lande in einer Hand vereinigt würden; den Ansprüchen des Strelitzer Oheims auf Güstrow und folglich auch seinen Forderungen auf Entschädigung gestand er schlechterdings keine Berechtigung zu und glaubte schon viel zu thun, wenn er um des lieben Friedens willen eine gewisse Summe Geld und etwa einige Aemter abtrat. Hierüber war er bereit zu verhandeln und eventuell das Quantum des Abzutretenden zu vergrößern, die Forderung eines Reichsvotums aber für Adolf Friedrich erschien ihm nach wie vor als gänzlich unannehmbar, und er hat sich erst, als jede andere Möglichkeit, zum Frieden zu gelangen, erschöpft war, dazu entschlossen.

Seine nächste Aeußerung nach der Güstrower Konferenz ist denn auch äußerst kühl, es ist ein Brief, den er d. 20. November, also denselben Tag, an dem er die Ordre an seine Räthe zur gewaltsamen Besetzung von Güstrow erließ, aus Hamburg an Gustav Adolf schrieb: Die Sache sei nicht in dem Stande, daß desfalls einige ouvertures von ihm erwartet morden könnten, auch hätte der Ober=Marschall v. Grävenitz öfter bei seiner Mutter versichert, daß sein Herr schon sothane difficultät zu


(  ...  ) Güstrower Erbprinz) ohne Erben sterbe. Nach einer andern Version, die der Schweriner Geh. Rath v. Koppelow d. 16. Okt. 1695 aus Güstrow mitbrachte, soll bei der Vermählung Gustav Adolfs mit der Prinzessin von Holstein zwischen ihm und Adolf Friedrich stipulirt worden sein, daß Güstrow nach dem Aussterben von Gustav Adolfs Familie auf Adolf Friedrich (den "postgenitum Suerinensem") fallen solle. Dies widerlegt sich von selbst, da im Jahre 1654, als jene Vermählung stattfand, noch die sämmtlichen vier später verstorbenen Brüder Adolf Friedrichs lebten, die sämmtlich nähere Anwartschaft auf Güstrow gehabt hätten. Auch ist in den Acta matrimonialia Gustav Adolfs ebenfalls nichts von einer derartigen Festsetzung zu finden. Es wird hier eine Verwechselung mit der oben angeführten Version vorliegen. Auch bei dieser kann es sich nur um mündliche Zusicherungeu handeln. Denn wenn wirklich etwas Schriftliches hierüber vorhanden gewesen wäre, so würde dies ohne Zweifel von Adolf Friedrich als Beweismittel vorgelegt sein.
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heben von selbst sich getraute. "Alß wird Mir nicht zu verdenken seyn, wen Ew. Lbd. Jch nicht darunter vorgreiffe, sondern zufolge itzerwähnten erbietens das negotium Jhrer hohen prudentz heimbstelle, wie Sie vermeinen, daß man (d. i. Adolf Friedrich) sich daselbst billig und ertreglich herauslaßen und anschicken möge, so denn Ich hinwiederumb zu resolviren nicht ermangeln werde." Gustav Adolf fühlte sich befremdet, daß man sich auf Schwerinischer Seite so lau zeigte; es kam ihm vor, als suche man die Sache hinzuziehen, um inzwischen sich anderweitig umzusehen, doch antwortete er nicht unfreundlich (d. 29. November): Er könne nicht finden, daß Friedrich Wilhelm von ihm noch weiter ouvertures zu erwarten hätte, sondern es beruhe vielmehr "auf dero zulänglicher satisfactions-erklärung." "Wollen nun Ew. Lbd. dieselbe entweder schriftlich mir eröffnen, oder auch Jhren Ministris deßfalls mit den Meinigen darüber in weitere Handlung zu treten - Befehl ertheilen, so soll es an Meiner Cooperation gewißlich nicht ermangeln." Und als Friedrich Wilhelm hierauf nicht antwortete, sandte Gustav Adolf im Dezember wieder Grävenitz an die Herzogin nach Schwerin - Friedrich Wilhelm hatte seine Reise nach Holland bereits angetreten -, um ihr Vorstellungen zu machen, Adolf Friedrich werde nicht zu gewinnen sein, wenn er nicht zum wenigsten eins der beiden Fürstenthümer, nämlich das Stift Bützow, bekomme und ihm dabei von den nächstgelegenen Aemtern, worunter nach Gustav Adolfs Tode auch Schwaan sein könne, so viel zugelegt werde, daß er zu seinem und der Seinen Unterhalt jährlich 20000 Th. an sicheren Einkünften zu heben hätte. Die Herzogin möge veranlassen, daß ein paar geschickte und wohlgesinnte Leute mit genugsamer Vollmacht versehen würden, denn mit dem Hofmarschall v. Löwen und dem Kammerrath Vermehren, die unlängst in Güstrow gewesen, habe man nichts anfangen können, weil sie selbst zugestanden, daß sie keine Vollmacht hätten. Für sich selbst verlange er, ließ Gustav Adolf noch sagen, die Abtretung der Stadt Rostock auf Lebenszeit und 100000 Th. zur Freimachung verschuldeter Aemter, eine Zahlung, die ja übrigens dem Nachfolger, also Friedrich Wilhelm, selbst wieder zu gute kommen werde. In seinen eigenen Forderungen also ist er gegen früher zurückgegangen. Die Abtretung der Regierung wird, da nunmehr Friedrich Wilhelm die Großjährigkeit erhalten und seine Regierung bereits sicher Fuß im Lande gefaßt hatte, nicht mehr verlangt, dagegen die Abtretung wenigstens eines Stiftes an Adolf Friedrich wird festgehalten.

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Auf diese Güstrowschen Forderungen bezieht sich ein Rescript Friedrich Wilhelms vom 7. Januar 1693 an seine Räthe aus Brüssel: Es solle ein Fürstenthum kosten, worauf man "umb verhütung ferner dismembrirung des Estats, und daß nicht Status in Statu formiret werde", unmöglich eingehen könne; die Sache dürfte sich also zerschlagen. "Man wisse, was solchen fals ab adverso in favor - Prinz Adolf Friedrichs intendiret werde." Eben aus diesem Grunde, um einen völligen Bruch zu verhüten, der Gustav Adolf ganz auf die Seite Adolf Friedrichs treiben mußte, that er nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden den ersten Schritt zur Wiederaufnahme der Verhandlungen. Durch Grävenitz, der wieder einmal in Schwerin das Terrain sondirte, ließ er sagen, er werde in 14 Tagen seine Leute zu Tractaten senden (Bericht v. Gräv. d. 6. März) und schlug darauf (d. 28. März) in einem Schreiben an Gustav Adolf eine Konferenz zu Sternberg auf den 3. April vor, damit - so schreibt er - "Jch so glücklich seyn könne, mit mehrem recht von Ew. Lbd. Mich einen Sohn zu nennen."

Die Konferenz fand am 4. April statt, noch zwei andere folgten, den 27. Mai und 8. August. Die Verhandlungen nahmen den Gang, daß Gustav Adolf seine eignen Forderungen mehr und mehr ermäßigte. Am 4. April ließ er die Wahl zwischen Rostock mit 100000 Thalern Zahlung oder 200000 Th. ohne Rostock, den 27. Mai forderte er nur noch 100000 Th. ohne Rostock; für die Konferenz vom 8. August fehlt es an der Instruktion und dem Bericht aus Güstrow, und auch von Schwerinischer Seite ist nur die Instruktion vorhanden und kein Bericht. Doch ist später von eigenen Forderungen Gustav Adolfs überhaupt nicht mehr die Rede. Man sieht hieraus, wie sehr ihm daran lag, die Einigung zu erzielen, allein von der Forderung eines Fürstenthums für Adolf Friedrich wollte und konnte er nicht abgehen. Friedrich Wilhelm kam ebenfalls so weit entgegen, als es sich mit seinem prinzipiellen Standpunkt irgend vertrug. Den 6. August ließ er an Einkünften so viel anbieten, wie eins der Fürstenthümer zur Kammer liefere, theils an Geld, theils an Domainen. Wenn Güstrow auch für diesen Fall keine Hoffnung mache, sollten die Räthe sondiren, ob, wenn Friedrich Wilhelm sich zur Einräumung eines Fürstenthums an Adolf Friedrich ad dies vitae entschlösse, man alsdann aus der Sache glücklich herauskommen könnte, doch mit Vorbehalt der Landeshoheit und des Votums für Friedrich Wilhelm.

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Streit über die Investitur Friedrich Wilhelms vor dem Reichshofrath in Wien.

Die Sache trat darauf in ein neues Stadium dadurch, daß Schweden seine Vermittelung anbot. Es wird darauf sogleich zurückzukommen, vorerst aber noch der juristische Feldzug zu schildern sein, den Adolf Friedrich, während ohne sein Vorwissen diese geheimen Verhandlungen zwischen Schwerin und Güstrow gepflogen murden, in Wien gegen Friedrich Wilhelm geführt hatte.

Der Entschluß dazu entstand in ihm unter dem Eindruck der Konferenz vom 7. November 1692. Am 21. November schreibt er an seinen Schwiegervater, da die Schweriner sich in allen Dingen zuwiderlegten, so habe er sich entschlossen, seinen Sekretär (Karl Heinrich v. Haupt 1 ) nach Wien zu senden. Gustav Adolf, der damals der Hoffnung lebte, durch direkte Verhandlung mit Schwerin ein Abkommen zu Stande zu bringen, räth davon ab; er möge warten, was Friedrich Wilhelm auf ein Schreiben von ihm antworten werde. Hiermit kann nur das Schreiben vom 29. November gemeint sein, das also zur Zeit dieses Briefes noch gar nicht abgegangen war und von Friedrich Wilhelm, der nun seine Reise nach Holland antrat, erst nach seiner Rückkehr, den 28. März 1693, beantwortet wurde. Adolf Friedrich bat d. 28. November um Mittheilung der etwaigen Schweriner Antwort auf Gustav Adolfs Schreiben. Sollte sie in dieser Woche noch nicht kommen, so sehe es "auf lauter Betrug aus, welches leider Jhre größte Qualität ist zu Schwerin, dann sie suchen werden, diese atfaire zu trainiren, bis Sie zu Wien alle Jhre affaires nach Jhrem Willen in stande gesetzet, hernachmahls Sie, so woll Ew. Gnd. als mir alles vorschreiben werden, was Sie nur wollen." Er that dann auf eigene Hand, was er beabsichtigte, und zwar finden mir zunächst den Anwalt Jobst Heinrich Koch in Wien für ihn thätig.

Den 22. Januar übergab Koch an den Reichshofrath eine Eingabe, in der Adolf Friedrich anzeigte, daß Friedrich Wilhelm ihn ungeachtet seiner näheren Verwandtschaft mit dem verstorbenen Herzog Christian Louis ganz von der Regierung (im Herzogthum Schwerin) ausschließen wolle. Obgleich er, wie sich juristisch erweisen lasse, in Bezug auf das Herzogthum den Mitbesitz (die "communionem pro indiviso"), in Bezug auf die


1) s. über ihn Buchwald S. 93.
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Fürstenthümer Ratzeburg und Schwerin aber die Theilung beanspruchen könne, so wolle er doch für jetzt nur bei dem väterlichen Testament sich beruhigen und verlange auf Grund desselben Ratzeburg oder gleichwerthigen Ersatz. Ein kaiserliches Mandat, das sein Recht anerkennt, wird erbeten und das Ersuchen gestellt, die Exekution des Mandates dem Churfürsten Friedrich von Brandenburg und dem Herzog Georg Wilhelm von Celle zu übertragen. Die Güstrowsche Erbfolgefrage war in dieser ersten Eingabe noch nicht berührt. Den 5. Februar beschloß der Reichshofrath, dem Fürst=Bischof Friedrich August von Lübeck, einem Bruder von Gustav Adolfs Gemahlin, ein Kommissorium zur Schlichtung dieses Streites zu übertragen und Herzog Friedrich Wilhelm aufzufordern, sich dieser Kommission zu unterwerfen. Die Kommission kam denn auch zu Stande, sie tagte in Lübeck vom 23. Oktober 1693 ab, hatte es aber nur mit der Abfindung Adolf Friedrichs wegen seiner Ansprüche auf einen Theil des Schweriner Erbes als Sohn Adolf Friedrichs I. und nicht mit der Güstrowschen Erbfolgefrage zu thun. 1 )

Der ersten Eingabe Adolf Friedrichs folgte den 27. Februar eine zweite, worin die Bitte ausgesprochen wird, Friedrich Wilhelm, ehe Adolf Friedrich von ihm zufriedengestellt sei, die Investitur nicht zu verleihen und ebensowenig über das Herzogthum Güstrow eine Eventual=Belehnung zu ertheilen. Noch genauer geht auf die Güstrowsche Erbfolgefrage ein drittes Aktenstück ein, das auf Grund eines Briefes Adolf Friedrichs vom 7. Mai den 1. Juni überreicht ward, mit dem Titel: "Höchst gemüßigte und in jure et Facto wohl fundirte remonstration und allerunterthänigste Bitten (des Anwalts Koch) in Sachen Herrn Adolph Friedrichs Herzogs zu Mecklenburg=Schwerin contra Herrn Friedrich Wilhelm, -, Diversorum gravaminum in specie den Successionsfall des Herzogthumbs Meckl.=Güstrow betreffend." Hier ist eine kurze "Deductio iuris competentis" beigelegt, durch welche Adolf Friedrich sein Recht auf Güstrow zu erweisen sucht. Friedrich Wilhelm wird beschuldigt, er sei


1) Nach langem überaus unerquicklichem Feilschen und mehrfacher Unterbrechung der Verhandlungen kam den 19. August 1694 der Vertrag zu Lübeck zu Stande, nach dem Adolf Friedrich auf Ratzeburg Verzicht leistete und Friedrich Wilhelm ihm das Amt Mirow und eine jährliche Apanage von 3300 Rth. bewilligte, ein Bericht auf die Erbfolge in Güstrow und etwaige Entschädigungsansprüche dafür war aber in den Vertrag nicht mit eingeschlossen.
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bemüht, Adolf Friedrich von dem Herzogthum Güstrow, das ihm zukomme, auszuschließen, auch bei der bevorstehenden Investitur und Belohnung über das Herzogthum Mecklenburg=Schwerin "per sub et obreptionem, in denen verhoffenden Kayserl. Lehenbriefen einige anwartung und Kayserl. promesse auf das Herzogthum Mecklenburg=Güstrow zu erwerben" 1 ) und Adolf Friedrich "dahin zu coactiren, daß Sie aus ermangelnden Mitteln zur Fürstlichen Subsistenz, sich dero willen unterwerffen müsten." Adolf Friedrich übergiebt deswegen die Deductio und wiederholt seine schon den 27. Februar ausgesprochenen Bitten, denen er noch die hinzufügt, ihm selbst zur Ableistung seiner Lehnspflicht auch für Ratzeburg und die Eventual=Erbfolge in Güstrow einen Aufschub von 6 Monaten zu gewähren. Auch macht er auf die fremden Truppen (die Dänen) aufmerksam, die Friedrich Wilhelm im Lande habe und von denen Thätlichkeiten zu besorgen seien, und bittet, einigen angrenzenden mächtigen Reichs= und Kreisständen anzubefehlen, ihm auf solchen Fall Beistand zu leisten und ihn bei seinem Recht auf Güstrow zu schützen.

Ende Mai war nun der Schweriner Bevollmächtigte, welcher mit dem in Wien stationirten Hofrath Johann Adam Diettrich um die Belehnung nachsuchen und sie an Stelle des Herzogs empfangen sollte, Ernst Christoph v. Koppelow, in Wien angekommen mit einem Schreiben des Herzogs vom 15. April, das den 28. Mai an den Reichshofrath eingeliefert ward, und am 19. Juni reichten Koppelow und Diettrich das Gesuch ein, zur Abschwörung des Lehneides zugelassen zu werden.

Die Strelitzer Klage über die dänischen Truppen erwirkte den Erlaß eines kaiserlichen Mahnschreibens an Friedrich Wilhelm, datirt vom 16. Juni, worin er aufgefordert wird, die dänischen Truppen zu entlassen, was denn auch im August des Jahres geschah.


1) Dies bezieht sich auf die Worte in dem Lehnbriefe Christian Louis', "ob einer, aus obbesagten beeden Gevettern, von Todeswegen abgehen, und keine Männliche Lehns=Erben hinter ihm verlassen würde, daß alsdann des Verstorbenen Theil, Land und Leute an den Lebenden und seine Lehns=Erben kommen und fallen sollen", aus denen, wenn sie unverändert aufgenommen wurden, bei Erledigung der einen Landeshälfte der regierende Fürst der andern einen Anspruch auf den Besitz des erledigten Landestheiles ableiten konnte. Da aber in Wien zur Zeit dieser Eingaben überhaupt noch kein Belehnungsgesuch des Schweriner Herzoge eingegangen war, so äußerte der Reichs=Hofrath v. Andler, der Referent in der Meklenburgischen Angelegenheit, noch Anfang Juni, wegen der eventual-Successions-Klausel allarmierte man sich Strelitzischerseits vielleicht nur selbst und zwar umsonst. Der weitere Verlauf bewies übrigens, daß die Besorgniß der Güstrower und Strelitzer durchaus gegründet war.
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Ueber die Investitur fiel die Entscheidung den 30. Juni. Der Reichshofrath hielt dafür, dem Referat des Herrn v. Andler entsprechend, daß Friedrich Wilhelm die Belohnung und zwar für alle drei Schwerinschen Territorien zu ertheilen und Adolf Friedrich an die Kommission zu verweisen sei.

Als Grund für diese Entscheidung wird vorzugsweise angegeben, in der Wahlkapitulation des Kaisers sei ausdrücklich enthalten, daß die Belehnung wegen vorhandener Streitigkeiten nicht gehindert, sondern solche auf den Rechtsweg verwiesen und die Belehnungen im vormaligen tenor ertheilt werden sollten. Dies räth der Reichshofrath auch im vorliegenden Falle an, damit der Kaiser bis zum Austrag der Sache einen geschworenen Vasallen im Herzogthum Schwerin habe.

Adolf Friedrich und seine Bevollmächtigten ließen sich durch diesen Beschluß nicht einschüchtern, sondern verdoppelten vielmehr ihre Anstrengungen, obgleich der Schwiegervater dem Schwiegerwsohn in dieser Sache seine Unterstützung fast ganz entzog. Herzog Gustav Adolf hatte es sehr übel vermerkt, daß sich Adolf Friedrich hinter seinem Rücken nach Wien gewandt, um noch bei seinen Lebzeiten dort Ansprüche auf sein Herzogthum geltend zu machen; er war um so unwilliger, als er, wie oben erzählt, damals sein Erbe nicht Adolf Friedrich, sondern Friedrich Wilhelm zuzuwenden gedachte, jedenfalls wünschte er die Entscheidung darüber nicht an den Kaiserhof gelangen zu lassen, sondern in seiner Hand zu behalten. Somit ließ er durch seinen Bevollmächtigten, v. Pommer Esche, d. 3. Juli um kaiserliche Verordnung bitten, wonach das von seinen Vettern, besonders von Adolf Friedrich geschehene Ansuchen um Eventualbelehnung mit Güstrow nicht angenommen, sondern dieselben mit ihren Ansprüchen an ihn verwiesen werden möchten. 1 ) Nur in einem Punkte erhielt Pommer Esche Anweisung, Adolf Friedrich beizustehen, in der Beanstandung jenes bedenklichen Passus im Lehnbriefe von 1659.

Von Seiten Adolf Friedrichs und seines Bevollmächtigten lief eine Eingabe nach der andern ein, kein Mittel blieb unversucht, um der Sache noch eine günstige Wendung zu geben. 2 ) Den 1. Juli wird gebeten, der Zuschrift


1) Man vergl. hierzu den Brief Ad. Fr.'s vom 3. Juli an Haupt bei Buchwald S. 95.
2) Der Kampf verlegte sich auch bereits auf das Gebiet der juristischen Streitschriften. Wohl die früheste derselben war die dem Rostocker Professor Joh. Joach. u. Schoepffer zugeschriebene Schrift: Das von undenklichen Jahren her getheilte Hertzogthum Mecklenburg. Sie war, wie schon der Titel beweist, für Strelitz günstig; Buchwald S. 79 setzt (  ...  )
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Adolf Friedrichs vom 27. Februar, die nur ad acta gelegt sei, in dem Votum an den Kaiser mit zu gedenken und nichts präjudicirliches vorgehen zu lassen, bis die dem Bischof von Lübeck übertragene Kommission ihr Ziel erreicht habe und der Bericht darüber eingelaufen sei. Den 13. Juli wird auf den präjudicirlichen Passus im Lehnbrief aufmerksam gemacht, der auszulassen sei; und ferner gebeten, wenn wider Verhoffen das väterliche Testament nicht zur Geltung kommen sollte, Adolf Friedrich zugleich mit dem Herzog zu Schwerin zur Investitur zuzulassen und beide coniunctim zu belehnen; den 17. Juli wird auf den Vertrag vom Jahre 1534 hingewiesen, wonach getheilt und über die Theile geloost werden sollte; die Anwendung des Primogeniturrechtes in Meklenburg könne nicht nach=


(  ...  ) sie ins J. 1688. Soweit bekannt ist, hat Schoepffer sie auf eigne Hand, ohne Auftrag, verfaßt. In den Beginn des J. 1693 fallen die Strelitzischen) Gutachten der Universitäten Altorf (datirt v. 3. März) und Halle (ebenfalls v. März) mit der dazu gehörigen, von Strelitz an die Universitäten gesandten Facti Species. Von Schweriner Schriften war die erste die von dem Kanzleirath Schnobel verfaßte "Vorläuffiae Enucleatio Quaestionis: Ob, in casum der Erledigung des Güstrowschen Theils, des Herrn Hertzogs Friedrich Wilhelms Hochfürstl. Dhl. für Herrn Hertzog Adolph Friedriche Hochfürstl. Dhl. zur Succession zu admittiren sey?" Genau ist die Zeit der Entstehung nicht nachzuweisen. 1693 fällt die Schweriner "Facti Species, worin das im Fürstlichen Hause Mecklenburg Introducirte Jus Primogeniturae - deduciret wird", zunächst ohne Beilagen gedruckt, die Anfang 1695 nachgeliefert wurden, und das Gutachten der Universität Ingolstadt, dieses datirt v. 16. Oktob. 1693. Vom 18. Oktob. 1694 ist ein Gutachten der Universität Tübingen datirt; ein früherer, schon vom 3. April 1691 datirtes, mit fingirten Namen, ist, soweit ich sehe, nicht gedruckt herausgegeben. Eine Schrift für Schwerin verfaßte auch der Brandenburgische Kanzler (von Magdeburg), Joachim v. Unverfehrt, wovon unten noch die Rede sein wird. Auf die Schweriner Facti Species antwortete Strelitz, und zwar zu der Zeit, als die Beilagen noch nicht gedruckt waren, mit einer - von der oben genannten verschiedenen - ausführlichen "Facti Species", Worin, daß im Fürstl. Hause Mecklenburg das Jus Primogeniturae - niemahls introduciret - worden, u. s. w. - fürgestellet wird. Sambt angehängter - Wiederlegung der von Seiten Herren Hertzog Friedrich Wilhelms zu Mecklenburg Hin und wieder ohne Beyfügung der angezogenen Beylagen divulgirten Facti Species." Ihr Verfasser ist Gutzmer. Darauf folgte die - 134 Druckseiten lange - Deductio Juris Primogeniturae, deren. beglaubigte Kopien vom 16. März 1695 datirt sind. Alle bisher genannten Schriften sind noch vor dem Tode des Herzogs Gustav Adolf in Wien, Regensburg wie an den interessirten Höfen, verbreitet worden. Nach dem Tode Gustav Adolfs entstanden, sind die Strelitzer Schriften: "Gründliche Remonstration", u. s. w., "Rechtlicher Bedenken", von der Juristen=Fakultät zu Wittenberg (Januar 1696) und "Jura Successionis" (erst aus dem Jahre 1700). Diese sämmtlichen Schriften, außer dem ersten (  ...  )
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gewiesen werden. Den 24. Juli tritt Haupt in Action, der den 15. sein Creditiv (datirt vom 17. Mai) überreicht hatte, und miederholt seinerseits die schon früher von Koch ausgesprochenen Bitten, Adolf Friedrich nach dem väterlichen Testament mit Ratzeburg zu belehnen und den Herzog zu Schwerin zur Belehnung über die drei Schwerinischen Lande nicht zuzulassen. Den 27. Juli legitimirt sich Herzog Adolf Friedrich zur Lehns=Empfängniß entweder nach dem väterlichen Testament wegen Ratzeburg oder ab intestato über alle eröffneten meklenburgischen Lehen, und auch der von ihm zur Lehns=Empfängniß abgesandte Adolf Friedrich v. Malzahn nebst Rath Haupt legitimiren sich für diesen Zweck. Am 2. August kommt Haupt ein um Suspension der Investitur in Schwerin mit einer beigelegten Species facti. Auch am 4. und 12. August finden sich wieder Strelitzer Eingaben in den Protokollen des Reichshofrathes verzeichnet. Neben diesen offiziellen Eingaben geht die private Bearbeitung der Reichshofräthe wie auch der kaiserlichen Minister her, wozu der Strelitzer auch die Gesandten anderer Mächte heranzuziehen wußte. Nach einem Bericht von Pommer Esche vom 1./11. Juli hatte der Braunschweigische Envoyé Befehl, ebenfalls dahin zu arbeiten, daß Herzog Adolf Friedrich künftig Güstrow und vor


(  ...  ) Gutachten von Tübingen, das bei den Archivakten liegt, sowie die später noch zu nennenden "Schreiben eines Freunds an einen Freund" sind mit einer Auswahl von werthvollen Dokumenten über den Güstrowschen Erbfolgestreit, auch einigen Aktenstücken über den daran sich schließenden Prozeß Karl Leopolds theils in gedruckten Exemplaren, theils in Abschriften - im ganzen 60 Nummern. - in einem starken Volumen unter dem Titel Syllabus Scriptorum Successionem in Ducatum Güstroviensem et Jus Primogeniturae in Terris Mecklenburgicis nunc stabilitum concernentium vereinigt, der in der Großh. Reg.=Bibliothek zu Schwerin aufbewahrt wird. Auch ein Band der Sammlung von geschichtlichen. Dokumenten, die der Geh. Rath und Minister Joh. Peter Schmidt († d. 6. Nov. 1790) hinterlassen hat und der sich ebenfalls auf der Reg.=Bibliothek in. Schwerin befindet, bezieht sich großen Theils auf die Güstrowsche Succession, ist aber nicht so reichhaltig wie der Syllabus. Auf den Inhalt dieser Streitschriften etc. . selbst genauer einzugehen, glaubte ich als Nicht=Jurist unterlassen zu sollen; die Hauptbeweisstücke, mit denen auf beiden Seiten operirt ward, wird man aus dem einleitenden Kapitel leicht sich entnehmen können. Auch für den Laien wird bei der Lektüre dieser Schriften leicht klar, daß es auf beiden Seiten nicht an schwachen Argumenten, Trugschlüssen und Entstellungen gefehlt hat; einiges derartige ist in den Anmerkungen zu Kap. I gestreift. Der Einfluß dieser ganzen Litteratur auf die Eutwickelung und den Ausgang des Streits ist nicht besonders hoch zu schätzen; auf die Hamburger Kommissionsverhandlungen hat sie so gut wie gar keinen Einfluß geübt; auch vorher spielen die politischen Gesichtspunkte neben den juristischen Erwägungen schon eine sehr bedeutende Rolle.
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der Hand das Stift Ratzeburg zu Theil werden möge. Auch der Cellische Minister solle gleichmäßigen Befehl haben. Die Ursache sei die Sorge, daß der Herzog von Schwerin sich mit Dänemark entweder ganz alliiren oder doch in genaues Verständniß setzen und vielleicht das Stift Ratzeburg an diese Krone veräußern dürfte, wodurch Streitigkeiten zwischen Dänemark und den Braunschweigischen Häusern erwachsen könnten. Nach den Berichten von Christiani und Koppelow vom 1. August/23. Juli schlug sich selbst Brandenburg, obgleich es eben erst (den 12./22. Juli) den alten Successions=Vertrag mit Herzog Friedrich Wilhelm erneuert und dabei ausdrücklich versprochen hatte, ihm zum Besitz des Herzogthums Güstrow behülflich zu sein, 1 ) auf die Seite von Strelitz, gekränkt, wie wir später aus Berlin erfahren, durch Friedrich Wilhelms Anschluß an Dänemark, den man als ein Zeichen von Mißtrauen gegen Brandenburg auffaßte.

Allein auch die Schweriner waren nicht unthätig. 2 ) In einem Brief vom 8. August an den Hofmarschall von Löwen klagt Koppelow "Sie, auf Strelitzscher seiten haben mehr assistenz, alß Ich iemahls vermuhten können, und haben der hiesigen hohen und großen Gemühter so praeoccupiret, daß es tausend mühe kostet, selbige auf andere meinung zu bringen." Indessen diese Mühe belohnte sich doch: Am 30. Juli machten Koppelow und Diettrich beim Reichshofrath die Anzeige, daß sie die Gebühren auf dem Tax=Amte richtig erlegt, und baten, einen Termin zur Belehnung anzusetzen. Am 19. August fällte der Kaiser die endgültige Entscheidung, daß Friedrich Wilhelm mit den drei Fürstenthümern belehnt, Adolf Friedrich aber ein decretum salvatorium ertheilt werden solle. Am 27. August fand die Belehnung in feierlicher Audienz statt, eine dem Vizekanzler übergebene Protestschrift von Haupt blieb ohne Folgen. Die Lehnbriefe sind vom 26. August datirt; 3 ) der von Güstrow und Strelitz beanstandete Passus ward wörtlich aufgenommen, ja in dem Lehnbriefe für Ratzeburg sogar der Passus eingeschoben, der Kaiser verleihe dem Herzog Friedrich Wilhelm zu Meklenburg, dem Hause Meklenburg=Schwerinscher Linie und dessen Successoren, nach dem lineal- und primogenitur-Recht - das Fürstenthum Ratzeburg etc. ., als sollte


1) Die Verträge s. bei Sachsse, S. 399 ff.
2) Am 23. Juli wurden beim Reichshofrath die Creditive für Koppelow und Diettrich vorgelegt.
3) Gedruckt bei Ungnaden, Amoenitates, S. 444 ff.
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damit ausdrücklich der Anspruch Adolf Friedrichs zurückgewiesen werden. In offenem Widerspruch hierzu erklärte das Decretum salvatorium, das den 27. August ausgefertigt ward, daß die Belehnung wie auch die Ausfertigung der neuen Lehnbriefe Adolf Friedrich in seinen etwaigen "Rechten und Prätensionen gäntzlich ohne einigen Nachtheil und Schaden, und die Außführung dero ansuchens durch den schleunigsten weg Rechtens zu vollführen, außdrücklich reserviret und vorbehalten seyn solle." Am selben Datum ward ein Reskript an den Bischof von Eutin abgelassen, die Kommission fortzusetzen.

Adolf Friedrich hatte das Spiel verloren; nachträgliche Proteste und Bitten, die Huldigung und die Ausfertigung der Lehnbriefe zu inhibiren (vom 28. und 31. August und noch einmal vom 8. October) wurden durch Verweisung auf das decretum salvatorium und die angeordnete Kommission abgethan.

Ebenso fruchtlos blieben die Versuche Pommer Esches, die Auslassung der beanstandeten Stelle im Lehnbriefe oder die Ausstellung eines decretum salvatorium für Gustav Adolf zu erwirken, daß durch den Lehnbrief nichts die Güstrowsche Erbfolge betreffendes weder dem einen noch dem andern zum Vortheil oder Präjudiz angeordnet sein solle. (Eingaben, vorgelegt am 1. September und 25. September.) Auch er wurde in einem Conclusum vom 5. Oktober auf das Adolf Friedrich ertheilte Dekret verwiesen.

Dagegen gewannen die Schweriner im Oktober einen neuen Erfolg. Friedrich Wilhelm hatte in zwei Schreiben vom 24. Juli und 9. August dem Kaiser den Abmarsch der Dänen angezeigt und zugleich auf die Gefahr aufmerksam gemacht, in die er sich dadurch gebracht, da Herzog Adolf Friedrich, dem Gerüchte nach, deutlich zu vernehmen gegeben, daß er sein (Friedrich Wilhelms) Recht auf Güstrow wohl gar armata manu über den Haufen zu werfen gedenke; er hatte dann den Kaiser ersucht, ein "höchst verpoentes Dehortatorium" an Adolf Friedrich ergehen zu lassen, daß er von solchen Thätlichkeiten abstehe und sich an dem ordentlichen Rechtswege genügen lasse. Diesem Ersuchen, das den 8. Oktober durch Koppelow und Diettrich vor den Reichshofrath gebracht ward, gab dieser statt und empfahl den 12. Oktober dem Kaiser den Erlaß eines solchen Dehortatorium, das dann den 9. Januar 1694 unterzeichnet, nach Schwerin gesandt und von dort aus den 19. Februar durch einen Notar Adolf Friedrich zugestellt ward.

Es war augenscheinlich, daß am Wiener Hofe der Schweriner

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Einfluß den Güstrower wie den Strelitzer aus dem Felde geschlagen hatte, desto höheren Werth legte Gustav Adolf auf die vermittelnde Thätigkeit Schwedens, die mittlerweile begonnen hatte, mit deren Hülfe er hoffte, die beiden streitenden Neffen in Güte zu einigen, ohne Zuthun und Eingreifen des Wiener Hofes.

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IV.

Die schwedische Vermittelung.

Graf Bielke als Vermittler.

Mit Schweden und Graf Bielke war Gustav Adolf in fast ununterbrochener Verbindung geblieben. Auf die Sendung Mummes an Bielke Anfang Januar 1693 folgte eine zweite gegen Ende Februar, zum dritten Male suchte Mumme den Grafen Ende März in Stralsund auf, als er auf dem Wege nach Schweden war. An seiner Stelle führte dann der Kanzler Curtius d. 20. April eine Verhandlung mit dem Grafen auf dessen Gut Schönenmalde in Pommern. 1 ) Zwischen diesen persönlichen Verhandlungen ward noch ein reger Briefwechsel gepflogen. Es handelte sich dabei und auch bei der Sendung Mummes nach Stockholm in erster Linie um Gustav Adolfs Wunsch, zu einer stärkeren Militärtruppe zu gelangen. Das Reichskontingent (die "Römermonate") von beiden Meklenburg war wider Gustav Adolfs Wunsch auch für das Jahr 1693 wieder an Brandenburg assignirt. Der Herzog beabsichtigte dagegen einzukommen und wünschte dazu Schwedens diplomatische Unterstützung. Da er aber befürchtete, daß der Churfürst mittelst Einlegung von Truppen ihn zur Zahlung zu zwingen suchen werde, so begehrte er, daß dem Grafen Bielke Vollmacht ertheilt werde, ihm in diesem Falle beizustehen.


1) Ueber diese Konferenz vgl. Buchwald S. 65 f. Bielkes Frage wegen Rostock hat ohne Zweifel den Sinn, den Buchwald darin findet, doch ist weder Bielke noch ein anderer der schwedischen Großen im weiteren Verlaufe der Verhandlungen wieder darauf zurückgekommen. Ueber die damalige Stellung des Grafen, wie des schwedischen Hofes zum Güstrower Heirathsprojekt bin ich zu einer andern Auffassung gelangt wie Buchwald. Vgl. die folgenden Seiten.
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Mumme hatte dafür den schwedischen Staatsmännern einen Vertrag auf Eventual=Erbfolge anzubieten, wie er mit dem Grafen Bielke bereits erörtert war. Er fand indessen in dieser Beziehung bei den schwedischen Staatsmännern nicht das entgegenkommen, was er nach Bielkes Aeußerungen vom Januar erwarten mußte. Auf seine Worte, sein Herr könne unmöglich die brandenburgische Erbhuldigung zugeben, "würde viel lieber eventualiter mit Schweden waß pacisciren," erwiderte Graf Oxenstierna überhaupt nichts. Auch die Ordre an Graf Bielke war nicht zu erhalten. Man hatte in Schweden den Tag von Fehrbellin noch in zu guter Erinnerung, um einen Krieg mit Brandenburg zu wünschen, überhaupt war König Karl XI. im Gegensatz zu seinem Vater wie seinem Sohne eine entschieden friedliebende Natur, dazu mahnte der zerrüttete Zustand der schwedischen Finanzen zu friedlicher Politik, und der Wunsch des Königs, in dem großen europäischen Kriege mit Frankreich als Vermittler auftreten zu können, machte Zurückhaltung in den norddeutschen Händeln nothwendig, damit Schwedens Streitmacht verfügbar bleibe, um jener Vermittelung nöthigenfalls bewaffneten Nachdruck geben zu können. Man hütete sich also in Schweden, zu Brandenburg in Gegensatz zu treten, auch die Bitten des Güstrower Herzogs um eine stärkere Truppenmacht fanden in den ersten Monaten des Jahres 1693 kein Gehör, eine Eingabe Mummes (im April) mit der Bitte um 2 Kompagnien oder 100 Mann Dragoner und 6 Kompagnien oder 600 Mann zu Fuß stieß, wie Mumme den 26. April schrieb, auf allerlei Bedenken. Erst den 7. Juni entschloß sich der König, wieder 2 Kompagnien, aber nicht mehr, aus Pommern nach Güstrow zu senden, die dann dort den 14. Juni wieder eintrafen. Auch was die Verlängerung der Allianz vom Jahre 1690 anbetraf, die zu erwirken ebenfalls Mumme Auftrag hatte, kam er das ganze Jahr 1693 hindurch nicht vom Flecke.

Nicht anders ging es zunächst mit dem Angebot Güstrons, Schweden möge in dem Erofolgestreite zwischen Friedrich Wilhelm und Gustav Adolf die Vermittelung übernehmen und sie dem Grafen Bielke übertragen. Der erste Gedanke hierzu scheint übrigens nicht in Güstrow, sondern vielmehr im Kopfe des Grafen Bielke selbst entstanden zu sein. In dem Gespräche, das Mumme den 27. Februar 1693 mit ihm hatte, kam die Rede auf das Verhältniß zwischen Schwerin und Schweden. Mumme wußte zu erzählen, daß der schwerinsche Hofmarschall von Löwen den Generalleutnant und

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Gouverneur von Wismar, v. Buchwald, dort aufgesucht und gebeten habe, ihm jemand am schwedischen Hofe vorzuschlagen, an den sein Herr sich wenden könne, um mit Schweden gute nachbarschaftliche Beziehungen herzustellen; Herzog Friedrich Wilhelm habe zwei Briefe an den König geschrieben, die aber beide ohne Antwort geblieben seien. 1 ) Buchwald, der unter Bielkes Oberkommando stand, hatte diesen genannt, Löwen aber geantwortet, er sei gar zu gut Güstrowisch. Als Mumme dies Bielke erzählte, rief dieser aus: "Er wolle wünschen, daß der Herzog von Schwerin nur seine confiance zu ihm nehmen wolle, so wolle er sein eußerstes thun, beyde Heuser durch eine mariage in ein gutes Vernehmen zu setzen: wenn solches geschehen, werde der König gleichfalls alle propension vor Suerin haben." Diese Aeußerung traf mit Gustav Adolfs höchstem Lebenswunsch zu damaliger Zeit, eben der Heirath Friedrich Wilhelms mit einer seiner Töchter, zusammen; man glaubte in dem Grafen einen höchst werthvollen Bundesgenossen, um dieses Ziel zu erreichen, gefunden zu haben.

Als aber Mumme zu Oxenstierna davon sprach, rieth dieser ab, sich Bielkes in der Ehesache zu bedienen, wie Mumme ohne Zweifel richtig urtheilte, wegen der erbitterten Feindschaft, die zwischen ihm und Bielke bestand. Indessen, es gab ein Mittel, ihn umzustimmen: In Stockholm wie in Stettin herrschte recht "aureum saeculum"; in dieser Beziehung war es in Schweden noch fast schlimmer als in Wien, wo beim Reichshofrath bekanntlich "Geschenke" gang und gäbe waren, und auch beim Grafen Bengt war, wie Mumme ausfindig machte, "res angusta domi", noch mehr bei seinem Sekretär, der im schwedischen Ministerium die Hauptarbeit zu leisten hatte, Hofrath Polus. Als Gustav Adolf jedem der beiden schwedischen Minister, dem Reichskanzler und Graf Gyldenstolp 1000 Rth. und Hofrath Polus 500 Rth. versprechen ließ, für den Fall, daß Schweden die gewünschte Vermittelung übernehme und die Verlängerung der Allianz zu Stande komme, gab Oxenstierna selbst seine Gegnerschaft gegen Graf Bielke auf, und Mumme war geschickt genug, ihm


1) Der eine Brief war ein Neujahrswunsch, der andere soll quelques petites affaires betroffen haben; die schwedischen Staatsmänner entschuldigten das Ausbleiben, der Antworten, die übrigens später erfolgten, mit Ueberhäufung an wichtigeren Geschäften. Eine Unfreundlichkeit aber lag trotzdem darin, man sah in Schweden den Nachfolger Christian Louis', der zu Schweden in schlechtem Verhältniß gestanden, nicht mit günstigen Augen an.
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den Meinungswechsel zu erleichtern, indem er ihm (d. 13. Juni) vorstellte, sein Herr habe gerade Bielke, der nach Oxenstiernas Urtheil gut danach gesinnt war, vorgeschlagen, damit er keinen Schaden anrichte; wenn ein anderer die Kommission erhalte, so sei zu fürchten, daß Bielke die Sache zu Gunsten Dänemarks bei Schwerin zu hintertreiben suchen werde. Der Reichskanzler meinte darauf, man möge es mit Bielke versuchen, er werde ja dessen Relationen in die Hände bekommen und werde die Sache zu Gustav Adolfs Besten wohl zu dirigiren wissen.

In derselben Relation, in der Mumme dies berichtet, giebt er auch ein Gespräch wieder, das er mit Hofrath Polus gehabt; dieser hatte ihm "treuherzig" erzählt, daß der Herzog von Holstein dem Grafen Bengt (Oxenstierna) ad dies vitae 2000 Rth. jährlich und nach seinem Tode seiner Gattin bis zu ihrem Ableben noch 1500 zu geben versprochen. Herzog Gustav Adolf verstand den Wink und erklärte sich bereit (Reskr. vom 28. Juni), dem Grafen Bengt jährlich zeitlebens 1000 Th. zu geben. Das Opfer hätte für diesen Fall erspart werden können, da das Reskript vom schwedischen Hof an den Grafen Bielke bereits den 23. Juni unterzeichnet war. Mumme hielt es aber doch für nützlich, weil dadurch, wie er hoffe, Graf Bengt völlig auf Gustav Adolfs Partei gezogen werde und man deshalb die Erbfolgesache, wenn sie sich draußen nicht völlig abthun lasse, mit Vortheil nach Stockholm selbst ziehen könne. (Rel. vom 24. Juni.)

In dem königlichen Reskript ward Graf Bielke angewiesen, ein Mittel zu suchen, das Successionswerk gütlich abzuthun; es komme hauptsächlich darauf an, daß Herzog Adolf Friedrich billige satisfaction erhalte. Ein sekretes Postskriptum führte dies noch weiter aus: die größte Schwierigkeit bestehe darin, daß der Herzog von Schwerin Herzog Adolf Friedrich keine genugsahme satisfaction für den Verzicht auf seine vermeintlichen (!) Rechte an das Herzogthum Güstrow widerfahren lassen wollte. Herzog Gustav Adolf schlage vor Abtretung des Stiftes Bützow cum omnibus pertinentiis, jure et superioritate, auch voto et sessione in imperio, und eine Apanage von 20000 Rth. Der König finde diese Vorschläge billig. Bielke soll sich bemühen, den Herzog von Schwerin hierzu zu überreden. Insonderheit soll er für Herzog Gustav Adolfs Interesse sorgen. "Weil Wir auch vor des H. Hertzogen zu Güstrau Lbd. undt dero Fürstliche Familie, sowohl wegen der nahen anverwandtschafft, als vieler andern respecten halber billig consideration haben, würden Wir gerne sehen, wenn Jhr zum besten des Hausses Güstrau

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was nützliches ausrichten und zu Stifftung einer mariage zwischen des H. Herzogen zu Schwerin Lbd. und einer Güstrowischen Princessin contribuiren könt."

Dem Grafen Bielke war die ihm hiermit gestellte Aufgabe in verschiedener Beziehung äußerst willkommen. Sein hochfliegender Ehrgeiz wie seine unersättliche Habsucht fanden hier ein überaus dankbares Feld der Bethätigung und Ausnutzung. Reiche Geldgeschenke von den betheiligten meklenburgischen Höfen, denen allen an der Gunst des Mächtigen gelegen sein mußte, standen in Aussicht, und wenn die Vermittelung gelang, so hatte er sich nicht nur um Schweden ein wesentliches Verdienst erworben und zu Schwedens politischen erfolgen an den Ostseeküsten einen neuen hinzugefügt, sondern sich auch den Anspruch auf fernere Dankbarkeit des meklenburgischen Fürstenhauses erworben. Welche glänzenden Aussichten für die Zukunft!

Er widmete sich also mit unverkennbarem Eifer dem ihm gewordenen Auftrage, und es ist nicht ohne psychologisches Interesse, zu beobachten, wie skrupellos er dabei für sich selbst zu sorgen wußte, ohne doch gegen seine Instruktion zu handeln. Freilich, die Sache kam nicht sogleich in das erwünschte Geleise. Schwerin hielt sich zunächst zurück. Man war hier augenscheinlich wenig erbaut von Schwedens Anerbieten, von dem man nichts Gutes erwartete, und suchte Zeit zu gewinnen, da es nicht anging, das Anerbieten einfach abzulehnen. Das Schreiben Bielkes vom 18. Juli 1693, in dem er von der ihm gewordenen Kommission Anzeige machte, beantwortete Friedrich Wilhelm den 28. Juli, indem er in des Grafen Erwägung stellte, die Mittel, wodurch zum Zwecke zu kommen sei, zu eröffnen. Bielke antwortete den 9. August, die Mittel müßten von den Parteien angegeben werden; der Herzog möge ihm einen Ort bezeichnen, wo er ihm aufwarten könne, oder einen seiner Minister zu ihm senden. Dergleichen geschah aber nicht, vielmehr hörte man aus Wien, daß die Schweriner dort die schwedische Vermittelung zu hintertreiben suchten.

Ebensowenig konnte der Graf bei Adolf Friedrich ausrichten, mit dem er im Oktober 1693 in Pasewalk eine Zusammenkunft hatte. Adolf Friedrich verlangte Ratzeburg; der Graf schrieb darauf ziemlich herabgestimmt an Gustav Adolf, er vermöge nicht abzusehen, wie ein Akkord zu hoffen sei. Indessen fand er bald einen Weg, sich dem Schweriner Hof zu nähern und diesem sein Mißtrauen zu benehmen. Er bat den Herzog zum Gevatter für seine jüngste Tochter. Daraufhin entschloß sich Friedrich Wilhelm zu dem Versuche, den Grafen für sich zu gewinnen.

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Er nahm die Pathenstelle an und sandte im Dezember 1693 seinen Kammersekretair Varenius an den Grafen nach Stettin, um ihm ein theures Präsent - einen kostbaren Ring, den Bielke dann noch bei Varenius' Anwesenheit anlegte - als Pathengeschenk zu überbringen und zugleich ihm - für seine Tochter! - 10 bis 12000 Th. zu versprechen, wenn er Friedrich Wilhelm zum Besitz von Güstrow verhelfe oder wenigstens "simulando et differendo Praejuditz und Schaden declinire", ein Anerbieten, welcheS Friedrich Wilhelm in einem Schreiben vom 12. Januar 1694 wiederholte, in dem er zugleich gute Behandlung der Fürstlichen Wittme und ihrer Töchter und Erhöhung der Apanage für Adolf Friedrich in Aussicht stellte.

Diese Huld des Schweriner Herzogs zog den Grafen für die nächste Zeit völlig auf dessen Seite. Schon das mündliche Versprechen von Varenins hatte die Wirkung, daß Bielke verhieß, es so zu dirigiren, daß die beiden Kompagnien nicht wieder nach Güstrow marschiren, die 50 Mann aus Boizenburg, die noch nicht lange dort gewesen, ausziehen und, was das Wichtigste war, die übrigen 50 Mann, wenn Gustav Adolf sterbe, sich nicht für Adolf Friedrich, sondern für Friedrich Wilhelm "interessiren" und niemand als diesen zur Besitzergreifung zulassen sollten; er werde den Lieutnant dahin instruiren (!).

Anfang Januar erwartete er den Besuch von Mumme und dem Strelitzer Rath Gutzmer; er wünscht, daß Varenins in der Nähe bleibe, damit er ihm sogleich Mittheilung machen könne von dem, was er mit diesen verhandele. Nach Gutzmers Besuch schreibt des Grafen Sekretair, der auch sein Sümmchen abbekommen, an Varenins, der Strelitzer habe ein Kreditiv von Adolf Friedrich und ein Empfehlungsschreiben der Fürstin überbracht. "Es hilfft aber bey Jhr. Excell. eben so wenig alß wen Sie gänzlich nicht davon dächten, weil dieselbe nur allein befließen sein Jhrer Durchl. zu Schwerin Interesse bey dieser affaire zu beobachten." Bielke war es auch, der in einem Brief an den Hofmarschall von Löwen vom 2. Januar 1694 den Rath gab, daß Friedrich Wilhelm in Bützow eine genügende Mannschaft von eigenen Leuten halte, die sofort zu Güstrow Besitz ergreifen könnten. Für die schwedischen Gruppen wolle er bürgen, daß sie es so bald nicht hindern sollten. Am 6. März schreibt er an Varenius, der Herzog von Güstrow habe begehrt, daß wieder zwei Kompagnien nach Güstrow kämen, sie sollten aber bei diesem Zustande nicht hinkommen, und wenn es doch geschehe, in nichts hinderlich sein. Den 24. März fragt

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er, ob Friedrich Wilhelm gern sehe, daß die Schweden in Boizenburg blieben; er könne beides thun, sie dort lassen oder abfordern.

Allein alle diese Beweise von Ergebenheit hatten doch auch den diplomatischen Zweck, den Schweriner Hof geneigter zu machen, auf seine Vorschläge einzugehen, in deren Mittelpunkt die Vermählung Friedrich Wilhelms stand.

Die besten Aussichten, daß das Abkommen auf diesem Wege zu Stande kommen werde, schienen Ende März des Jahres 1694 zu bestehen. In dem eben schon citirten Briefe vom 24. dieses Monats spricht sich Bielke sehr hoffnungsvoll aus. Mumme, der wieder nach Schweden gehen solle, habe Ordre, alles zu thun, was möglich, um Adolf Friedrich zur raison zu bringen, so daß die Kombination ohne die allergeringste Schwierigkeit geschehen könne. Mumme hat versichert, daß Herzog Gustav Adolf gänzlich entschlossen sei, mit dem allerehesten Alles in Richtigkeit zu bringen, an die Herzogin von Strelitz sind die Prinzessinnen geschickt. Er stellte in diesem Brief auch seinen Besuch in Schwerin in Aussicht.

Dieser erfolgte im Osterfest, Anfang April. Der erste Ostertag war am 8., den 12. reiste Bielke wieder ab. Am Osterdienstag, den 10. April, zeigte der Rath Taddel mit dem Archivar dem Grafen die Originale von Johann Albrechts Testament und der Kaiserlichen Konfirmation, dem Vergleich vom Jahre 1586 und der Konfirmation des Rezesses vom Jahre 1621. Vor seiner Abreise fand eine Sitzung des Geheimen Rathes statt, in der beschlossen wurde, wie der Graf gerathen, Jemand nach Schweden zu senden, um dort mit Hülfe des schwedischen Hofes Adolf Friedrich zum Nachgeben zu bewegen, und ferner über die Erbfolge, die Ehe und die Unterstützung durch fremde Mächte, Dänemark und Brandenburg, verhandelt wurde. Bielke wurde ersucht, in Güstrow zu erklären, wenn Gustav Adolf seinen Adel in feierlicher Versammlung an Friedrich Wilhelm als seinen Nachfolger weise, sei Friedrich Wilhelm zu sofortiger Werbung entschlossen. In Betreff der Abfindung Adolf Friedrichs bekam Bielke den Eindruck, daß Friedrich Wilhelm zwar ein Fürstenthum nicht abtreten wolle, aber doch, wenn Adolf Friedrich "sich nur irgend finden lassen wolle", dahin zu bringen sein werde, ihm zu begegnen, daß er als ein Fürst leben könne. Assistenz fremder Mächte werde Friedrich Wilhelm, wie er ihm bestimmt versichert, nicht nachsuchen, er, der Graf, habe ihm deshalb die Gegenversicherung gegeben, daß auch die zwei Kompagnien Schweden in Güstrow sich in die Sache nicht einmischen sollten.

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Von Schwerin reiste der Graf nach Güstrow. Ueber die Vorgänge daselbst ist noch ausführlichere Kunde als über die in Schwerin erhalten, und zwar stammt sie vom Grafen selbst, der nach seiner Abreise aus Güstrow in Demmin den 18. April Varenius eine eingehende Schilderung derselben gab, die im Ganzen einen durchaus glaubwürdigen Eindruck macht. Adolf Friedrich war damals in Güstrow, und Bielke hat mit den beiden Herzögen wie auch den Räthen häufig und eingehend gesprochen. Es kam hauptsächlich darauf an, Adolf Friedrich zum Nachgeben zu bewegen, wobei der Graf von Gustav Adolf bereitwillig unterstützt wurde. Es kam zu Auftritten von recht dramatischem Charakter, allein alles scheiterte an Adolf Friedrichs Festigkeit, dem seine Gattin getreu zur Seite stand. Zuerst benahm der Graf ihm die Hoffnung auf schwedischen Beistand; er fragte in der ersten Unterhaltung, auf was sich denn Adolf Friedrich verlasse, Friedrich Wilhelm habe viele, er aber gar keine Assistenz zu hoffen, und als Adolf Friedrich darauf zu verstehen gab, er setze große Hoffnung auf Schweden, erwiderte der Graf, der König werde sich nicht einmischen, so lange Friedrich Wilhelm keine fremde Hülfe suche. Gustav Adolf rieth er, doch einmal seine Autorität bei seinem Schwiegersohn zu gebrauchen. Dies war am Sonnabend, den 14. April. Gleich nach Mittag an demselben Tage war dann eine Sitzung des Geheimen Rathes, an der auch die zwei Landräthe theilnahmen. Diese erklärten, sie sähen die Kombination der beiden Herzogthümer aus dem Grunde gern, weit dem Lande leichter fiele, einen als zwei regierende Herren zu unterhalten. Es wurde beschlossen, zwei Räthe an Adolf Friedrich zu senden, um ihm vorzustellen, daß sein Schwiegervater die Successionsfrage gerne in Güte verglichen sehe. Am Sonntag ward im Gottesdienst vor wie nach der Predigt im Gebete von der Kanzel der schwebenden Verhandlungen besonders gedacht. Den Nachmittag um 5 Uhr gingen dann die beiden Räthe zu Adolf Friedrich, der zuerst sich sehr unwillig zeigte ("Er sehe nun wohl, wie man es mit Jhm meine"), endlich aber versprach, er wolle sich näher erklären. Am Montag ging der Graf auf Mummes Bitten noch einmal zu Adolf Friedrich, den er in großer Erregung fand. Der Herzog äußerte, er sei zwar nicht gesonnen, etwas zu thun, so Jhro Maj. in Schweden mißfallen könnte, aber "ehe er sich was solle andringen lassen, so ihn hernach sein Lebtag gereuen könnte, wolle er lieber der Krone Schweden sein Lebtag als ein Rittmeister dienen, wie einige seiner Vorfahren gethan, und auf solche

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Art bei ihr Schutz suchen". Wie der schwedische Rath Braun erzählt hat, sprach er so laut, daß man im Vorzimmer die Worte verstand, er wolle lieber der Krone Schweden alle seine Rechte cediren, als Friedrich Wilhelm die Succession abtreten. Ebenso wenig richtete der Graf bei der Herzogin aus, die sich auf frühere Zusagen ihres Vaters berief (s. o. S. 252, A. 2) und äußerte, man thue in Schwerin sehr übel, daß man mit der Mariage Jhren Herrn Vater zu entfremden suche. Darauf ersuchten die Räthe Scheres und Lehsten den Grafen, folgende Bedingungen Friedrich Wilhelm durch ein Schreiben und Adolf Friedrich mündlich mitzutheilen: 1. Abtretung von dem Fürstenthum Ratzeburg und im Ganzen 30000 Th., 2. Schloß Schönberg als Residenz, 3. Auszahlung der Grabowschen Forderung und der andern Gelder. Der Graf will sich zuerst geweigert haben, diese Kommission zu übernehmen, ließ sich aber dann doch dazu bereit finden, aufs Neue eine Aussprache mit Adolf Friedrich nachzusuchen. Dieser erwiderte ihm, er hätte nie gedacht, daß sein Herr Vater "sich ganz Schwerinisch erklärte", und bat um Zeit. 1 ) Bei einem Gegenbesuch erklärte er, so lange ihm sein Recht nicht zweifelhaft gemacht werde, 2 ) könne er sich zu nichts entschließen, und schlug vor, die drei betheiligten Höfe möchten Jemand nach Stettin abordnen, um dort mit Hinzuziehung einiger Rechtsgelehrten die Sache zu untersuchen. Gustav Adolf verlangte indessen kategorischen und schleunigen Entschluß und ließ Adolf Friedrich sagen, er werde Verzögerung desselben für einen Schimpf aufnehmen, ja er drohte, er werde Adolf Friedrich nicht mehr sprechen und seine Hartnäckigkeit dem König von Schweden hinterbringen


1) Adolf Friedrich war also mit dem Güstrower Angebot, das doch das gewünschte Fürstenthum mit enthielt, noch nicht zufrieden, seine eigenen Wünsche gingen viel weiter; man lernt sie aus der u. a. Eingabe Schultzes in Stockholm vom 27. November d. Js. kennen.
2) Zum Erweise seiner Rechtes hatte Adolf Friedrich eine "Deductio" von Gutzmer verfassen und Gustav Adolf übergeben lassen, der sie (d. 9. März) nach Schwerin sandte mit dem Bedeuten, Friedrich Wilhelm möge darauf antworten, was er dagegen zu sagen habe. Man wünschte aber in Schwerin noch nicht das ganze Kampfesrüstzeug dem Gegner bekannt zu machen und zog deswegen die Beantwortung der Deduktion hin unter dem Vorwande, man brauche Zeit, um alle Dokumente zusammen zusuchen. Dadurch kam freilich Gustav Adolf in Verlegenheit, der nun seinem Schwiegersohn gegenüber die Schweriner Rechtsansprüche nicht gehörig zu vertreten wußte. Es wurde deshalb Anfang Mai Mumme nach Schwerin geschickt, dem die Schweriner Geheimen Räthe in einer Konferenz d. 11. Mai Friedrich Wilhelms Erbfolgeberechtigung unter Vorzeigung der betreffenden Originalurkunden auseinandersetzten. Von diesen erhielt dann Mumme Abschriften, die er mit nach Güstrow nahm.
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lassen. Alles fruchtete nichts, vielmehr versuchte Adolf Friedrich durch seinen Vertrauten, den Oberst Putbuß, Bielke dafür zu gewinnen, er möge die Ehe hinziehen und den Besitz von Güstrow ihm zuwenden, der Oberst ward aber kurz abgewiesen. 1 ) Die ganze Verhandlung war also ergebnislos geblieben, hatte aber deutlich die Geneigtheit Gustav Adolfs zum Abschlusse mit Schwerin gezeigt, weshalb der Graf durch Varenius die Fortsetzung der Verhandlungen mit Güstrow rathen ließ.

Nachträglich mochte Gustav Adolf das Gefühl haben, mit seinem Schwiegersohn zu hart umgegangen zu sein, und es entstanden in ihm Gewissenzweifel, ob er auch Recht daran thue, zu den Vermittelungsversuchen seine Hand zu bieten, bei denen Adolf Friedrich zum Verzicht auf Rechte genöthigt werden sollte, die auch Gustav Adolf im Ganzen besser begründet erschienen, als die Ansprüche des Gegners. Die Art, wie er diese Gewissenszweifel zu lösen sucht, wirft ein helles Licht auf den frommen und gewissenhaften Sinn des Herzogs, an dessen Regierungshandlungen sich ja gewiß im Einzelnen manches, wie seine allzu starke Hinneigung zu Schweden, tadeln läßt, dessen Charakter aber über allen Tadel erhaben ist. Er wandte sich nämlich an die theologische Fakultät zu Leipzig in einem Schreiben, datirt vom 5. Mai 1694, in dem er die ganze Sache unter fingirten Namen der Betheiligten ausführlich vorlegte. Das Aktenstück ist zugleich sehr bezeichnend für die Ansicht, die damals Gustav Adolf von dem ganzen Stande der Sache hatte: Unter zwei Herren entsteht ein Streit, wer von ihnen einem dritten nach dessen Tode in der Regierung folgen soll. Der eine, Cajus (Adolf Friedrich), hat nach Meinung der vornehmsten Rechtsverständigen mehr Recht zu solcher Succession, als der


1) Wiederholt betont Bielke, daß Herzog Adolf Friedrich ihm große Anerbietungen habe machen lassen, die er aber ausgeschlagen. Letzteres ist gewiß richtig. Bielke war durchaus nicht für Adolf Friedrich. Seinerseits hätte er nicht einmal darauf bestanden, daß Adolf Friedrich ein Fürstenthum bekäme; schon i. J. 1693 spricht er aus (Rel. Mummes v. 21. April), man solle doch lieber auf ein ansehnliches Stück Geld dringen, weil die Schweriner Land und Leute gerne wieder beisammen behalten wollten. Als er Adolf Friedrichs unbeugsamen Sinn kennen gelernt hatte, versuchte er eine Zeit lang den umgekehrten Weg, er behauptete, Friedrich Wilhelm habe sich ihm persönlich gegenüber zur Abtretung eines Fürstenthums bereit erklärt, was die Schweriner entschieden in Abrede nahmen. Dem Grafen lag eben einzig und allein daran, daß eine Vereinbarung, und zwar durch ihn, zu Stande komme; ob die Bedingungen für Friedrich Wilhelm oder Adolf Friedrich günstiger waren, war ihm völlig gleichgültig.
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andere Prätendent, Sejus (Friedrich Wilhelm); dieser aber gedenkt sein vermeintliches Recht auf allen Fall durchzusetzen ("hinauszuführen"), hat auch Mittel genug dazu, woran es dem Cajus mangelt. Hierbei bemühen sich einige Frieden und Ruhestand liebende Gemüther, diese weitaussehende, gefährliche Sache noch bei Lebzeiten des Dritten, (Justus, d. i. Gustav Adolf), durch gütliche Vermittelung zu schlichten, damit das Land nicht ruinirt werde. Sejus will dem Cajus, wenn dieser ihm seine Ansprüche abtritt, so viel jährliche Renten liefern lassen, daß er seinem Stande gemäß, und was die Mittel betrifft, besser und ruhiger, als wenn er das Land selbst besäße, leben könnte. 1 ) Wenn aber Sejus zur Succession komme und das Land unter einer Regierung vereinigt werde, so "sehen obgedachte Mediatores, daß es dem ganzen Lande zu augenscheinlichem Nuzen und aufnehmen dienen würde, indem Er alsdann capabel seyn würde, einen eigenen militem zu unterhalten, in großer Herren alliance zu treten (: denen im Falle der Division die Bündnüße, wegen dar bekannten Schwachheit des Landes mehr beschwerlich als verträglich fallen würden:) und dadurch bey Kriegszeiten fremde Völcker (: denen das Land sonsten in dergleichen Fällen zu einem allgemeinen Raube dienen müßen:) von seinem Lande ab, und daßelbe im erwündschten Ruhstande zu erhalten, um welcher des ganzen Landes offenbahre Wohlfarth willen alle Kluge und weitsehende Patrioten wündschen, daß, da es die Rechte zulaßen, oder Cajus von seiner vermeintlichen praetension abstehen wolle, die Lande nach dem Todesfall Justi wieder combiniret werden möchten." Die Frage lautet, ob Justus, der sich in dieser zweifelhaften Sache gerne ganz christlich und unparteiisch bezeigen wolle, mit gutem und unverletztem Gewissen die Partei der Vermittler, welche auf die Kombination der Lande abziele, halten könne.

Die "mit Gottes Wort und dem natürlichen Recht überenstimmende" Antwort fiel dahin aus, daß "Justus der Mediatorum partie, melche auf Fried und Ruhe und auf die Wohlfarth des Vaterlandes zielet, mit christlichen, guten und unverletzten Gewißen halten könne." Gustav Adolf setzte also seine Bemühungen fort; ein Beleg dafür, wie eingehend er sich mit der ganzen Frage beschäftigte, ist ein eigenhändig geschriebener Aufsatz über die Kombination, von dem im Archiv ein Auszug vorhanden ist.


1) Die Worte zeigen, wie schwer der herabgekommene verschuldete Zustand des Herzogthums auf der Seele Gustav Adolfs lastete.
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Darin werden die Vortheile der Vereinigung der beiden Herzogthümer für die Machtstellung des meklenburgischen Fürstenhauses, der Nutzen, den sie auch für das Reich hätte, insofern das vereinigte Land besser im Stande sein werde, seinen Aufgaben im Reiche zu genügen, und auf der andern Seite der ungewisse Ausgang eines Processes, die gefährlichen Weiterungen, die durch fremde Allianzen entstehen könnten, durchaus überzeugend dargelegt; die Sache sei so einzurichten, daß Prinz Adolf Friedrich seinen Rang als regierender Herr behalte. 1 ) Letzteres ließ sich auch ohne Abtretung eines Fürstenthums dadurch erreichen, daß Adolf Friedrich auf seinen Apanagegütern eine möglichst selbständige Stellung erhielt. So sehen wir denn Gustav Adolf sogar soweit den Schwerinern entgegenkommen, daß er Adolf Friedrich zu bewegen sucht, von der Forderung eines Fürstenthums abzusehen, was aber mißglückte. (Schreiben an Graf Bielke vom 20. Oktober 1694.)

Im Ganzen kamen die Verhandlungen nach den Apriltagen ins Stocken. Das Hauptinteresse war damals von Seiten beider streitenden Parteien der Lübecker Kommission zugewandt, durch welche der langwierige Streit wegen der Schweriner Apanage Adolf Friedrichs endlich nicht ohne Zureden Güstrows und Schwedens zum Schlusse kam.

Zwischen Schwerin und Bielke trat im Laufe des Sommers eine entschiedene Entfremdung ein. Der Graf war unzufrieden, daß man sich in Schwerin nicht zur Heirath entschließen wollte, ohne über den Verzicht Adolf Friedrichs ganz sicher zu sein, und daß man einer von ihm zu Wismar vorgeschlagenen Konferenz auszuweichen suchte. Noch mehr erregte seinen Unwillen das Mandat, das Friedrich Wilhelm in Wien ausgewirkt hatte, in dem Güstrow zur Entlassung der Schweden ermahnt wurde. Auch blieb ihm nicht unbekannt, daß Schwerin am liebsten die schwedische Vermittelung ganz vermieden und die Entscheidung vor den Kaiserhof gebracht hätte. Einen sehr drastischen Ausdruck gab er seinem Unmillen in einem Schreiben, das er im August an Mumme nach Stockholm schickte. Er beschwert sich


1) Das Schriftstück findet sich - ohne Zeitbezeichnung - in einem Aktenfascikel, auf dem steht: den 17. Jan. 1695 ad acta gegeben, daneben liegt ein Aufsatz über die Rechte Adolf Friedriche, der Brief Friedrich Wilhelms vom 25. August 1694 sowie Entwürfe zu der Antwort darauf. Der eigenhändige Aufsatz Gustav Adolfs gehört also augenscheinlich ins J. 1694, mag aber schon für die Osterverhandlungen geschrieben sein.
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darin bitter über die "Schweriner tromperien", Schwerin habe so gar nichts aufrichtiges im Schilde, indem es die Konferenz, wozu es sich vordem willig erwiesen, nun ganz ausgeschlagen; unter ihrem Vorgeben die Mariage mit Güstrow zu schließen sei eben das Gift verborgen, womit man Güstrow sicher zu machen und neutral zu halten trachte. Varenius erhielt Auftrag, Bielke so viel wie möglich zu begütigen, was ihm auch in so weit gelang, als Bielke die Verbindung und den Briefwechsel mit Schwerin nicht abbrach. 1 ) Der Schwerpunkt der Verhandlungen verlegte sich jedoch in der zweiten Hälfte des Jahres 1694 an den


1) In seinen Briefen und den mündlichen Besprechungen mit Varenius fuhr Bielke unermüdlich fort, bald drängend, bald lockend zur Güstrower Heirath zu rathen. So sagte er den 11. Juni allerdings nach einer etwas reichlichen Mahlzeit zu Varenius in Oranienburg, Friedrich Wilhelm "habe in puncto der Heiraht, Sein Wort so wohl in Schweden alß zu Güstrow dergestalt engagiret, daß er es nicht wohl ändern könte, wenn man ihm eine schleunige Resolution in hoc passu" anmuthe. Den 28. August schrieb er an Varenius, er möge dem Herzog versichern, "daß wo sie nicht ohne solche conditiones suchen ie ehe ie lieber die mariage zu asserviren, daß ich will ein Schellm Seyn, wo sie nicht in ihre mesures werden fehlen, und sich so betrogen finden in ihrer intention, daß sie wol mehr alß einmahl sich reuen werden." Und den 17. November an denselben: "Ich hoffe noch zu (so?) glücklich zu werden, daß Sereniss. vinden wirdt, daß ich sie alß ein treuer Diener gerathen habe undt sage noch daß wo ihre Dhl. nicht eylen undt schließen die allience ie ehe ie lieber, so will ich ihnen macht geben zu glauben, daß ich kein ehrlicher man bin, wo sie eß nicht reuen, undt vielleicht zu der Zeit da kein remedium wirdt mehr sein". - "ohne diese alliance weiß ich keine Hülffe." Den. 12. Dezember sprach Varenius ihn in Lübeck, er rieth wieder auf das Dringendste zu der Vermählung, betheuerte "bei seiner Ehre und Seeligkeit", daß ohne dieselbe nichts als Weitläufigkeit zu erwarten, nach derselben aber "Vollenziehung alles was in puncto Successionis nur zu wünschen." Sehr ward der Graf dadurch gekränkt, daß Friedrich Wilhelm, der sich der Schwedischen Vermittelung zu entledigen wünschte, Ende 1694 eine Konferenz in Hamburg, die Bielke vorschlug, nicht besuchen wollte und ihm selbst eine persönliche Zusammenkunft abschlug. Unzufrieden war der Graf auch damit, daß Schwerin seine Wünsche nach klingender Anerkennung nicht befriedigte: Herzog Gustav Adolf setzte in seinem Testamente jedem der beiden Söhne des Grafen eine lebenslängliche jährliche Rente von 2000 Th. aus, auch von Schwerin hatte der Graf, wie er selbst Varenius offen gestand, ein gleiches gesucht, aber nicht erhalten. Mit Güstrow blieb er in engster Verbindung und benutzte die Geldnoth des Herzogs zu vortheilhaften Kapitalanlagen, er lieh d. 18. Sept. 1694 20000 Th. Spezies, wofür ihm das Amt Wredenhagen verpfändet ward, schon früher 46000 Th. auf das Amt Boizenburg und den Elbzoll (s. S. 237), 1694 noch 70000. Fiedrich Wilhelm erwies ihm hierbei wenigstens die Gefälligkeit, daß er zu dieser Verpfändung seinen förmlichen Konsens ertheilte.
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Hof von Stockholm selbst, wohin damals auch Schwerin und Strelitz Gesandte geschickt hatten.

Verhandlungen in Stockholm.

Der Gedanke dazu stammte schon aus dem Jahre 1693. Die Königin=Wittwe von Schweden war es, die, wie Mumme den 6. Mai berichtet, ihm sagte, sie würde gerne sehen, wenn auch ein Schweriner Minister nach Stockholm käme. Wenn es geschähe, wolle sie ihm schon so viel zureden, daß der Herzog keine andere als die Güstrowische Partei suchen solle.

Im Schweriner Ministerium bildete die Frage, ob man Jemand nach Schweden schicken sollte, zum ersten Mal den Gegenstand einer Geheimen=Rathsverhandlung am 17. und 18. März 1694. Die Absendung nach Schweden selbst erschien in Schwerin noch weit bedenklicher wie die Vermittelung durch Bielke, man glaubte sie aber, da bereits bekannt war, daß von Strelitz jedenfalls Jemand dorthin gehen werde, nicht ablehnen zu können, nur müsse vermieden werden, daß man in Stockholm selbst die Vermittelung in die Hand nehme. Wenn aber einer von den Ministern hingehe, so werde man sie ihm offeriren. Sie anzunehmen, hieße, sich in eben das Netz verwickeln, das man zu Güstrow ausgespannt, und es werde dabei ein Fürstenthum verloren gehen, wodurch das Primogeniturrecht Friedrich Wilhelms umgestoßen und künftiger weiterer Zerstückelung des Staates Thür und Thor geöffnet werde. Schlage man aber die Vermittelung ab, so sei Schwedens Gegnerschaft zu fürchten. Durch die Annahme aber werde der Kaiser beleidigt, die Sache aus seinen Händen gezogen und auch an der Seite alles verdorben, was bisher mit so großer Mühe und Kosten erworben sei.

Man kam auf die Auskunft, nicht einen der Minister, sondern einen Kavalier nach Schweden zu senden, der um die Gewogenheit des Königs für Friedrich Wilhelm sich bewerben, dabei unter der Hand nachforschen könne, was etwa Güstrow mit Schweden abgemacht, und, nach dem Erbfolgestreit gefragt, eine Informationsschrift vorlegen könne mit dem Hinzufügen, die Sache schwebe bereits vor dem Kaiserhofe. Sehe man, daß von Schweden Vortheil zu hoffen, so könne Friedrich Wilhelm noch "allemahl daselbst zuschlagen." Für die Mission ward dann der Geh. Rath v. Koppelow in Aussicht genommen, derselbe, der die Verhandlungen wegen der Investitur in Wien geführt hatte und also in diplomatischen Geschäften kein Neuling war.

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Auch bei Bielkes Besuch in Schwerin war von der beabsichtigten Sendung nach Schweden die Rede. Bielke war damit einverstanden; er hoffte jedenfalls, daß man ihn auch zu den Verhandlungen in Schweden zuziehen werde, da ja doch der König ihm speciell die Führung der Sache übertragen hatte.

In der Sitzung am 12. April beschloß man, in Schweden die Versicherung abgeben zu lassen, Friedrich Wilhelm werde zur Vermählung schreiten, wenn ihm schwedische Hülfe zur Besitzergreifung von Güstrow zugesichert werde.

Da aber die Mission nach Schweden bei allen befreundeten Höfen auffallen mußte, so sollten diese vorher, theils brieflich, theils durch Gesandte, davon in Kenntniß gesetzt und um Anweisung an ihre Gesandten in Schweden, den Schweriner Abgesandten zu unterstützen, ersucht werden.

So geschah es denn auch. Ohne Schmierigkeit ward von Herzog Georg Wilhelm von Celle, dem Kreisobersten, die gewünschte Weisung an seinen Stockholmer Gesandten erwirkt. Nach Kopenhagen ward der Oberstallmeister v. Bibow, der bereits früher dort gewesen war, gesandt, ebenfalls, für den Augenblick wenigstens, mit dem gewünschten Erfolg. 1 ) Am schwierigsten war die Sendung nach Brandenburg, wohin Koppelow selbst sogleich im April ging.


1) In Kopenhagen benutzte man die Gelegenheit zu einem neuen. Versuche, dänische Truppen nach Meklenburg hinein zu bringen; man rieth, Friedrich Wilhelm möge mit Dänemark einen Tractat schließen, damit er im Falle der Noth gleich ein Regiment Dragoner, oder so viel von Nöthen, bekommen könnte, die Truppen sollten sogleich, um zur Hand zu sein, an die Grenze verlegt werden. (Rel. v. 14. Juli). In Schwerin hielt man es zur Zeit für höchst bedenklich "mit einer positiven affirmation zu einer würklichen alliantz vorzueylen" (Schreiben v. 26. August). Im Nov. war der dänische Minister v. Plessen in Schwerin und verhandelte auch über etwaige dänische Unterstützung, Friedrich Wilhelm that die Frage, was Dänemark, im Falle es ihm zur Succession wirklich zu verhelfen übernehmen wolle, dafür begehre. Den 11. Dez. fiel in Kopenhagen eine Resolution des Königs, er wolle 500 Dragoner und 1000 Mann zu Fuß jederzeit auf ein Jahr oder länger bereit halten, gegen Zahlung von 33-34000 Thalern jährlich. Als Friedrich Wilhelm hierauf nicht einging, begannen die dänischen Minister gegen Bibow "sich froid zu zeigen" (Rel. v. 16. März 1695), wozu gewiß auch die bevorstehende schon im Geheimen geplante Vermählung des dänischen Kronprinzen mit der Güstrowschen Prinzessin Louise beitrug. Das Verhältniß zwischen Dänemark und Schwerin verschlechterte sich dann bis zu entschiedener Feindseligkeit (s. u. Abschnitt VIII). Ueber einen andern Versuch Dänemarks aus demselben Jahre 1694, seine Hand wieder zwischen den Güstrowschen Streit zu bringen, s. u. Anm. zu S. 280.
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Mit Brandenburg hatte Friedrich Wilhelm den 12./22. Juli 1693 den alten Erbvertrag erneuert und zugleich einen Geheimvertrag geschlossen, in dem der Kurfürst ihm seine Unterstützung in der Erbfolgefrage versprach. Im Einklang hiermit war Adolf Friedrich, als er sich noch im Jahre 1693 nach Berlin um Unterstützung wandte, abgewiesen worden, wobei sich der Kurfürst auf ein Rechtsgutachten stützte, das er von seinem Kanzler v. Unversehrt hatte anfertigen lassen und das für Friedrich Wilhelm ausgefallen war. Man hatte Adolf Friedrich bedeuten lassen, weil das Recht so klar für Friedrich Wilhelm sei, trage man Bedenken ihm beizustehen; er möge nur auf eine gute Apanage reflektiren. Indessen war man schon damals nicht recht zufrieden mit Schwerin. Schon daß Schwerin so lange säumte, die Nachweise für seine Rechte auf die Erbfolge vorzulegen, empfand man als einen Beweis von Mißtrauen. Man nahm übel, daß Schwerin sich mit Güstrow in geheime Verhandlungen einließ, ohne in Berlin vorher davon Mittheilung zu machen. Der Anschluß an Dänemark erregte entschiedenen Unwillen. Auch hatte Brandenburg in Bezug auf den Erbfolgevertrag noch weitere Wünsche, man begehrte eine Eventualhuldigung bei Gelegenheit der in Schwerin zu veranstaltenden feierlichen Huldigung, auch kaiserliche Konfirmation für den Erbfolgevertrag.

Beides schob Schwerin, offenbar absichtlich, auf die lange Bank. So fand der Rath Schnobel, der Ende 1693 nach Berlin gesandt ward, um das Anrecht Friedrich Wilhelms durch Vorlegung der damals vorhandenen juristischen Schriften zu erweisen und wegen eventueller militärischer Hülfe zu sondiren, kein allzu bereites Entgegenkommen. 1 )

Was man in Berlin wünschte, war ein weit engerer Anschluß Schwerins an Brandenburg. So war denn auch in dem


1) Schnobel nahm die Species facti, die von ihm selbst verfaßte vorläufige Enucleatio und die beiden Gutachten der Universitäten Tübingen und Ingolstadt (das erste; das zweite ist erst von Ende 1694 datirt) mit, außerdem bekam er den Auftrag, Unverfehrt zu einer genaueren Ausarbeitung seines Gutachtens zu veranlassen. Diese Schrift kam mit Schnobels Unterstützung Anfang 1694 zu Stande. - Als Belohnung für Unverfehrt wird die Summe von 100 Dukaten genannt. - Wie der brandenburgische Hof war auch die brandenburgische Universität Frankfurth a. d. Oder Schwerinisch gesinnt. Die hatte, wie Prof. Fuchs d. 23. Dez. 1693 bei dem Rathe v. Stillen in Berlin erzählte (Rel. von Schnobel v. 24. Dez.), eine Bitte Adolf Friedrichs um ein Gutachten unter Rücksendung der von ihm eingereichten Facti Species abgeschlagen wegen des Testamentes Johann Albrechts I., das ihm entgegenstehe.
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Entwurf eines Traktates wegen Bereitstellung einer Kompagnie Dragoner an der Grenze, den der brandenburgische Minister Dankelmann d. 26. Januar 1694 an Schnobel gab, als Entgelt für die zu bewilligende Truppenhülfe gefordert, daß Friedrich Wilhelm "sich mit dem Hause Brandenburg vor allen zusammen setze und zu beyderseits conservation verbinde." Eine so enge Verbindung, die Meklenburg zu einem Vasallenstaat Brandenburgs herabdrücken mußte, war denn doch bedenklich erschienen, überdies hatte sich Friedrich Wilhelm entschlossen, vorläufig von aller fremden Truppenhülfe ganz abzusehen. Schnobel war also Anfang Februar abberufen mit dem Befehl, die Sache in statu quo zu lassen, und man gab auf Dankelmanns Projekt gar keine Antwort, was dieser sehr übel vermerkte. Koppelow bekam dies offen zu hören, als er Ende April nach Berlin kam. Doch zog der brandenburgische Staatsmann bald mildere Saiten auf, und er sowohl wie der Kurfürst erklärten sich mit der Sendung nach Schweden einverstanden.

Im Juli ging dann die Reise nach Schweden vor sich. Man entschied sich schließlich in Schwerin dafür, Koppelow gar nichts Schriftliches mitzugeben, er sollte aus der in seine Instruktion eingeflochtenen Rechtsdeduktion mündlich so viel anführen, wie ihm gut scheine. Den 24. Juli kam auch Mumme in Stockholm wieder an und fand Koppelow und Schultze schon vor.

Ehe die Verhandlungen Früchte zeitigen konnten, suchte man von Wien aus, in vollem Einverständniß mit Schwerin, den ganzen schwedischen Vermittelungsgelüsten die Wurzel abzuschneiden durch ein Memorial, das der kaiserliche Gesandte Mitte August in Stockholm übergab, worin er den König ersuchte, zum Präjudiz des Kaisers, vor dem allein alle und jede Lehnsstreitigkeiten zwischen Reichsfürsten auszumachen seien, nichts zu unternehmen und die Prätendenten, falls einer oder der andere sich um seine Assistenz bewerbe, an den Kaiser zu verweisen. In Schweden ließ man sich ebenso wenig hierdurch wie durch einen Einmischungsversuch Dänemarks, 1 ) abhalten, weiter zu verhandeln. Es ist überflüssig, auf die einzelnen Vesprechungen der schwe=


1) Im August 1694 (Rel. Mummet v. 23. August) bot der dänische Gesandte in Stockholm die Mitwirkung Dänemarks zur Beilegung des Streites an. Schweden nahm sie nicht an und beorderte Bielke nach Stockholm, um mit Koppelow und Schultze über einen Vergleich zu reden. Der Graf kam allerdings erst im März 1695, als auch die schwedische Vermittelung bereits aufgegeben war.
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dischen Staatsmänner mit den drei Abgesandten einzugehen. Das Hauptinteresse konzentrirt sich auf zwei Vergleichsprojekte von Güstrow und von Strelitz, von denen das Güstrower den 4. September an Mumme abgesandt und den 20. von diesem Oxenstierna überreicht, das Strelitzer den 27. November von Schultze in Stockholm übergeben ward.

Das Güstrower Projekt beginnt mit der Forderung wenigstens des einen der beiden Fürstenthümer, und zwar wird Bützow in Aussicht genommen, da Adolf Friedrich genugsam dargethan habe, daß ihm mit Ratzeburg nicht gedient sei, weil es dort an einer passenden Residenz fehle, sich auch keine Edelleute oder Städte darin befänden, und das Land von dem Herzogthum Sachsen=Lauenburg ganz eingeschlossen sei.

2. Dazu wird so viel an Aembtern und Einkünften gefordert, daß im Ganzen, Ratzeburg eingerechnet, jährlich 40000 Rth. herauskommen. Was die Aemter und liegenden Gründe anbelangt, so sollen sie von jeder Landeshoheit der Schweriner Herzöge befreit sein, doch nur die Amtshäuser, Dörfer, Höfe, Mühlen und dergleichen, aus denen Adolf Friedrich seine Einkünfte bezieht, nicht auch der in den Aemtern wohnende Adel und die darin belegenen Städte.

3. wird ein Anschlag im einzelnen aufgestellt und zur Abtretung vorgeschlagen:

  das Stift, veranschlagt auf 6000 Th.
  das Kloster Rühn auf den Todesfall der Prinzessin nebst den Gütern, die die Prinzessin dazu genossen 2000 "
  die Kollekten des Fürstenthums 2000 "
  das Amt Schwaan 6000 "
  die Komthureien Mirow und Nemerow 1 ) 4000 "
  -----------------
  20 000 Th.
  dazu an baarem Gelde jährlich 20 000 Th.
  aus dem Boizenburger Zolle.

4. völlige Satisfaction in der Grabowschen Forderung.

5. Die bis dato noch rückständigen Alimenten=Gelder.

6. Zureichende Alimentations=Gelder bis zum Tode Gustav Adolfs.

Die Eingabe Schultzes vom 27. November zerfällt in zwei Theile, der erste giebt die Gründe an, "warumb das communicirte


1) Für Nemerow schlug Gustav Adolf in einem Reskript an Mumme v. 12. Oktober 1694 das Amt Broda vor, da auf Nemerow der Orden noch Ansprüche machen könnte.
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Project zum Fundament der Transaction nicht gesetzt und dieser seits angenommen werden könne."

Dieser Theil enthält folgende 10 Punkte, die hier in abgekürzter Form wiedergegeben werden:

1. Das Herzogthum Güstrow trage menigtens 150000 Rth., das angebotene betrage nur 31000 Th. - wie nachher im einzelnen nachgewiesen wird - ja, wenn es auch auf 40000 Th. erhöht würde, so würde Herzog Adolf Friedrich auch hiernach trotz seines so offenbaren Rechtes noch nicht den vierten Theil der Einkünfte des Herzogthums bekommen; aber er wolle nicht verhoffen, daß ihm dies zugemuthet werde.

2. Adel und Städte könnten nicht von den Aemtern losgerissen werden, dies gereiche zu Jhrer hochfürstl. Durchl. "despect und Verkleinerung" und würde zu allerhand Konfusion und Streit Anlaß geben.

3. Das Fürstenthum Schwerin trage nicht 6000, sondern nicht viel über 4000 Rth.

4. Das Amt Rühn sei von Herzog Christian Louis bei einem in Wien übergebenen Anschlage nur auf 200 Rth. angegeben, könne also unmöglich jetzt auf 2000 angeschlagen werden.

5. Die Kollekten des Fürstenthums würden nur zu Reichs= und Kreistagen ausgeschrieben und dafür verwandt, könnten also nicht unter die Einkünfte gerechnet werden.

6. Das Amt Schwaan bringe jetzt an freien Einkünften kaum 3000 Th. ein.

7. Man würde bei einer bloßen Assignation auf den Elbzoll zu Boizenburg desselben gar nicht versichert sein, wenn nicht auch Amt und Stadt Boizenburg abgetreten würden.

8. Das Projekt sei auf Adolf Friedrichs Erben nicht mitgerichtet.

9. Es sei wegen der Landes=Aussteuer der Fürstlichen schon erzeugten oder noch zu hoffenden Prinzessinnen, auch fernerer Descendenten nichts bestimmt.

10. Es sei von kaiserlicher Konfirmation und kaiserlicher, wie anderer hohen Häupter Garantie nichts erwähnt, ohne welche der Traktat nicht gesichert sei.

Darauf folgen dann die Forderungen Adolf Friedrichs. Er verlangte cum Jure Superioritatis, Episcopali, mit eingesessenem Adel, zugehörigen Städten, Flecken, Dörfern u. s. w. zu erblichem Besitz:

1. Das Fürstenthum Ratzeburg cum voto et sessione in Comitiis et Circulis, allen seinen Pertinentien und De-

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pendentien, wie auch dem Ratzeburgischen Bischofs=Hofe zu Lübeck, an Werth zu schätzen auf etwa 12000 Rth.

2. Das Fürstenthum Schwerin mit Amt und Ort Warin, Kloster Rühn, dieses erst nach dem Tode der Prinzessin Sophie Agnes, den Hof Gallentien cum Jure Cancellariatus an der Universität, wie es weiland Herzog Adolf Friedrich I.

besessen 5000 Rth.
3. Das Amt Doberan 8000 "
4. Das Amt Schwaan 3000 "
5. Das Amt Stargard 4000 "
6. Die Aemter Strelitz, Feldberg und Wanzka, die er bereits besaß, mit voller Landeshoheit.
7. Das Jus Superioritatis über das zwischen diesen und den folgenden belegene kleine Amt und Städtlein Wesenberg.
8. Die Komthureien Mirow und Nemerow 4000 "
9. Den Elbzoll zu Boizenburg, und weil man dessen sonst nicht versichert, dazu 20000 "
10. Stadt und Amt Boizenburg 3000 "
  ----------------------------
  Zusammen ohne Nr. 6 und 7 59000 Rth.

11. Daneben die Schuldforderungen, 79000 Rth., so weit, was davon bezahlt ist, mit Quittungen nicht bescheinigt werden kann, in einer Summe sofort auszuzahlen.

12. Die Alimente für die letzten 2 Jahre, 6600 Rth.

13. Daß die Pacta Familiae, insoweit sie dem Vertrage nicht widersprechen, beibehalten werden und ihnen gemäß der Aeltere allemal die Oberhand haben müsse.

14. Daß Herzog Adolf Friedrich mit den Landesschulden und sonst darauf haftenden Lasten nichts zu thun habe, sondern das abzutretende frei und ohne jede Belastung geliefert werde.

15. Aussteuerung und Dotirung der (jetzt vorhandenen und künftigen) Prinzessinnen vom Lande.

16. Zu Anbau und Reparirung des Residenzschlosses zu Bützow 10000 Rth.

17. Zulängliche Alimentgelder bis zum Eintritt des Todesfalles und sofortige Einräumung des Jus Superioritatis et Episcopalis über das Amt Mirow.

18. Kaiserliche Konfirmation des Vergleiches auf Kosten der Schweriner, auch Garantie des Kaisers und des Königs von Schweden.

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darunter stand noch die Bemerkung: "Obiges ist nicht einmahl der Helffte des Herzogthums Meklenburg Güstrowschen theils Revenüen zu vergleichen, daher dann davor gehalten wird, daß solches Project gar raisonnable sey, und man fürstlich Schwerinischer seits so viel weniger solches zu refusiren uhrsache haben werde."

Mit der Ansicht, daß dieses Projekt "raisonnable" sei, stand nun allerdings Schultze allein; es erregte vielmehr allgemeinen Unwillen, auch bei Schweden. Der schwedische Reichskanzler erklärte Koppelow, die Strelitzer Forderungen seien gar zu enorm; wenn Adolf Friedrich sich ferner hartnäckig erweisen sollte, so werde der König seine Hand ganz von ihm abziehen. Adolf Friedrich müsse von einem Fürstenthum abstehen. Diese ganz Schwerin freundliche Strömung war freilich nur von kurzer Dauer. Man kam bald wieder auf die Forderung eines Fürstenthums oder wenigstens eines Reichsvotums für Adolf Friedrich zurück und war bereit, dies mit allerlei Vorbehalten zu verklausuliren, daß es nur noch, wie Oxenstierna sich einmal ausdrückte, "einem Schatten ähnlich sei."

In Schwerin hatte man anfänglich, wie oben erzählt, die Absicht gehabt, sich auf eine förmliche Vergleichsverhandlung in Stockholm überhaupt nicht einzulassen, und gleichzeitig mit den Besprechungen in Schweden noch einmal direkte Verständigung mit Güstrow versucht. Man schickte dazu den Sekretär Varenius nach Güstrow (den 9. August), um noch einmal wegen der Ehe zu sondiren. 1 ) Auf Anregung des Sekretärs schrieb dann Friedrich Wilhelm, um dem Einfluß Adolf Friedrichs der vom 21. August bis zum Ende des Monats in Güstrow war, entgegenzuarbeiten, d. 25. August einen Brief an Gustav Adolf, in dem er seinen lebhaften Wunsch ausdrückte, daß nunmehr, da die Kommissionsverhandlungen zu Lübeck beendet seien, in der Successionssache die Ruhe im Hause befestigt werde; Gustav Adolf möge doch Adolf Friedrich bei dessen Anwesenheit die ganze Sache beweglich zu Gemüthe führen und ihn dahin dis=


1) Varenius sah auch die Prinzessin Louise und schrieb über sie (d. 13. August): "Wenn alles übrige seine Richtigkeit hette, so glaube ich, daß Ew. Dhl. nicht beßer alß Princesse Louise choisiren könten. Mir hat Sie so gefallen, daß zu einer Landes Mutter Sie wohl wünschen möchte, und siehet Sie fürwahr recht klug auß." Friedrich Wilhelm antwortete d. 14. August: "Wegen der bewußten mariage bleiben Wir bei Unserer Resolution auff den Fall der Successionspunct für Unß mit des H. Herzoge zu Güstrow Lbd. festgestellt, alß der conditio sine qua non.
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poniren helfen, daß er sie auf billige Bedingungen in Güte und in der Stille heben lassen möge.

Gustav Adolf erhielt das Schreiben erst, als Adolf Friedrich schon wieder abgereist war; er antwortete den 30. August mit dem Vorschlage, daß Friedrich Wilhelm einen seiner vertrauten Räthe senden und ihn wissen lassen möge, was für Aemter und Einkünfte er an Adolf Friedrich neben dem einen saekularisirten Stifte einzuräumen geneigt sei; er könne alsdann, "weil er sonst keine Hoffnung habe, Jhro Lbd. zu gewinnen", denselben mit mehr Nachdruck zur Aufgabe seiner Ansprüche disponiren.

Die Antwort war für Friedrich Wilhelm einer Ablehnung gleich, doch sandte er im November 1 ) den Hofrath Taddel nach Güstrow, der um eine Konferenz mit dem Präsidenten v. Ganß bitten und ihn sondiren sollte, ob Gustav Adolf gegen ein "leidliches Geld=Quantum und das bindende Heirathsversprechen mit Ernst an die Frage eines Aequivalentes für das von Adolf Friedrich geforderte Fürstenthum herantreten wolle. Gustav Adolf ließ hierauf erklären, er könne der schwedischen Vermittelung nicht vorgreifen und seine officia jetzt nicht weiter anwenden. 2 )

Erst jetzt ließ man sich in Schwerin bereit finden, wenigstens mündlich in Schweden auf die Vermittelungsprojekte Bescheid geben zu lassen. Den 12./22. Dezember 1694 erhielt Koppelow ein Reskript mit dem Angebot, daß Friedrich Wilhelm zu dem, was


1) Das Creditiv ist v. 19. Nov., das Güstrowsche Recreditiv v. 23.
2) Die Beziehungen zwischen Güstrow und Schwerin hatten sich schon vor dieser November=Konferenz dadurch verschlechtert, daß man in Güstrow argwöhnisch geworden war, da Varenius auch nach Ablegung seiner Kommission wieder nach Güstrow zurückgekehrt war und seitdem sich dort auffallend oft aufhielt. Varenius hatte in der That schon bei seiner ersten Sendung die geheime Instruktion mitbekommen, sich dahin zu bemühen, - auch mit Hülfe von Geld - Friedrich Wilhelm bei Zeiten Anhang in Güstrow und besonders unter den "vermögenden Subjecten" zu gewinnen und eventuell bei plötzlich eintretendem Todesfall selbst die ersten Maßregeln zur Besitzergreifung vorzunehmen. Varenius wurde auch das ganze Jahr 1695 hindurch bis an Gustav Adolfs Tod noch oft nach Güstrow gesandt, unter irgend welchen Vorwänden, die oft recht fadenscheinig waren, so daß Herzog Gustav Adolf sich persönlich sehr ungehalten darüber äußerte. Trotz dieser Verstimmung wünschte der alternde Fürst nichts sehnlicher als daß eine Verständiguug über die Erbfolge noch bei seinen Lebzeiten zu Stande komme. Als am 19. Dezember Graf Bielke nach Güstrow kam, ließ sich der Herzog zu ihm tragen, umarmte ihn mehrere Male und bat ihn unter Thränen, ihm einen Ausweg an die Hand zu geben, wie er ohne sein Land und Haus in Unruhe zu sehen, seine übrige Lebenszeit zubringen könne.
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Adolf Friedrich schon habe, 16-18000 Th. an Geldeinkünften aus dem Güstrowischen zahlen wolle; wenn aber dies abgelehnt werde, so werde er sich an die Entscheidung des Kaisers halten, Oxenstierna fand das Quantum des Angebotes genügend (Rel. vom 12. Januar), es liege nur an dem Reichsvotum; Mumme gegenüber schlug er den 30. Januar 30000 Th. inkl. Ratzeburg vor. Friedrich Wilhelm erklärte sich darauf den 31. Januar zur Bewilligung von 20000 Th. bereit.

Neben der Höhe der Apanage ward auch das Eheprojekt vielfach besprochen. Man rieth in Schweden - wie auch gleichzeitig Graf Bielke - auf das Dringendste zur Eheschließung; es werde sich dann der Ausschlag zu Friedrich Wilhelms Gunsten bald zeigen (so in der Rel. vom 14. Februar 1695 und ähnlich öfter).

Allein in Schwerin blieb man auf dem Standpunkte, es sei gefährlich, die Ehe zu schließen, bevor man wegen der Erbfolge bestimmte Zusicherung habe, ebenso wies man die Abtretung eines Fürstenthums oder die Bewilligung eines wie auch immer verklausulirten Reichsvotums nach wie vor ab. Auch ein persönlicher Besuch Friedrich Wilhelms in Güstrow, d. 14. und 15. Januar 1695, förderte den Ausgleich nicht, da man von beiden Seiten über Höflichkeitsbezeugungen nicht hinausging.

Inzwischen war, im Dezember 1694, in Wien eine Entscheidung gefallen, die der schwedischen Vermittelung ein Ende bereitete: es war eine kaiserliche Kommission zur Schlichtung des Erbfolgestreites eingesetzt. Im Februar 1695 bekam daraufhin der kaiserliche Gesandte in Stockholm den Auftrag, den mecklenburgischen Gesandten in Stockholm zu sagen, daß sie wohl thun würden, wenn sie auf ihre Rückreise bedacht wären. Man wartete in Schweden noch ein Schweriner Ultimatum ab, das Anfang März eintraf; als auch dies dabei beharrte, daß Friedrich Wilhelm keins der beiden Fürstenthümer abtreten werde, gab man weitere Versuche auf, woran auch das eintreffen des Grafen Bielke nichts mehr änderte. 1 ) Die Zögernng zog den beiden Gesandten eine Erneuerung der Aufforderung zur Abreise in schärferer Form zu. Sie ward von beiden befolgt: Die Episode der schwedischen Vermittelung war abgeschlossen und blieb es


1) Graf Bielke hat seitdem kaum noch Einfluß auf den Güstrowschen Successionsstreit geübt. Anfang 1698, unter Karl XII., wurde er gestürzt, und d. 25. Mai d. Js. erging eine königliche Verordnung, durch welche die auf dem Boizenburger Zoll noch restirenden Gelder mit Arrest belegt wurden; es fehlten indessen nur noch 3445 Th.
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auch, obgleich Güstrow noch mehrfach darauf zurückzukommen suchte. Indessen waren für Güstrow wie für Schwerin Mühe und Kosten der Sendung nicht ganz umsonst. Mumme hatte die Verlängerung der Allianz zwischen Güstrow und Schweden auf weitere vier Jahre erwirkt (d. 29. Januar 1695), und Koppelow sichere Nachricht erhalten, daß die im Güstrowschen stehenden Truppen nicht für Adolf Friedrich einzutreten bestimmt waren.

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V.

Die kaiserliche Kommission bis zum Tode Gustav Adolfs.

Die Einsetzung der Kommission.

Die Darstellung der Verhandlungen in Wien ist oben im Anfang des Jahres 1694 abgebrochen worden. Sie blieben das Jahr 1694 hindurch in langsamem Fluß. Gegen das Dehortatorium, das am 9. Januar erkannt war, wandte sich der Strelitzer Anwalt Koch sogleich d. 14. Januar mit einer Rechtfertigung, in der er schließlich ein Dehortatorium für Friedrich Wilhelm erbat. Den 8. März lief eine zweite Eingabe ein. Adolf Friedrich beklagt sich darin, daß Friedrich Wilhelm die Lübecker Kommissionsverhandlungen aufgehalten und endlich ganz abgebrochen habe. Auch die Unbilden, die Adolf Friedrich in Mirow erlitten, werden erwähnt und schließlich vom Kaiser die Einweisung in das Stift Ratzeburg sowie die Exekution gegen Friedrich Wilhelm erbeten, wenn er nicht von dem Tode Christian Louis ab die Erträge des Fürstenthums Ratzeburg sofort herausgebe. Den 5. April folgt eine dritte Eingabe, worin dem Kaiser angezeigt wird, daß Friedrich Wilhelm ungeachtet der bereits ergangenen Dehortatoria nach Bützow, das nahe bei der Residenz Güstrow liege, Gruppen habe marschieren, auch verschiedene Wagen mit Lunten, Pulver und anderer Munition habe fahren lassen. Er solle auch bei den Königen von Schweden und Dänemark um Ueberlassung einiger Regimenter angehalten und

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auch sonst Allianzen zu gewinnen gesucht haben, um mit bewaffneter Hand das Herzogthum Güstrow nach Gustav Adolfs Tod in Besitz zu nehmen. 1 )

Ein Dehortatorium in arctiori forma wird gegen ihn beantragt und ebenso ein Schreiben an den Kreisobersten und die übrigen kreisausschreibenden Stände. Es wurde denn auch d. 7. April ein neues Mahnschreiben an Friedrich Wilhelm beschlossen, mit der Aufforderung, keine Thätlichkeiten vorzunehmen und dem Versprechen unparteiischer Justiz; d. 15. Mai ward das Schriftstück durch einen Boten Adolf Friedrichs in Schwerin abgegeben.

Den Schwerinern war es ein leichtes, hierauf mit gleicher Münze zu antworten. Den 18. Mai beantragte Rath Diettrich die Kassation dieses Mahnschreibens, zu dem sein Herr keine Veranlassung gegeben; die Verstärkung der Garnison von Bützow, die sich nicht wohl ableugnen ließ, suchte er durch die Behauptung zu verschleiern, daß zwischen den Garnisonen von Dömitz und Bützow, je nachdem es ihr Stand erfordere, häufige Verlegungen stattfänden. In ausführlicherer Form wiederholt er diesen Angriff auf Grund eines am 27. Mai aus Schwerin abgesandten Schreibens, den 23. Juni: Adolf Friedrich habe keinen Grund, sich über die Verstärkung der Garnison von Bützow zu erregen, als seinen eigenen Verdruß, daß ihm dadurch die Macht benommen sei, seine Absichten auf Bützow auszuführen. Friedrich Wilhelm habe niemals Korrespondenz mit dem Könige von Schweden gepflogen außer zur Notifikation seines Regierungsantrittes, habe auch, nachdem er den Abzug der dänischen Sol=


1) Daran, daß Schwerin sich an Schweden mit einem solchen Gesuche gewandt hätte, war kein wahres Wort. Und sollte man wirklich in Strelitz das nicht gewußt haben? Auch mit Dänemark lag die Sachenn in Wahrheit ganz anders, als jene Gerüchte behaupteten (s. o. S. 278); ja, Friedrich Wilhelm hatte damals auch mit Brandenburg die Verhandlungen wegen Truppenunterstützung abgebrochen, obgleich doch die Schweden nach wie vor im Güstrowschen standen, weil Friedrich Wilhelm es für richtig hielt, dem Kaiserhof jeden Grund zur Unzufriedenheit zu benehmen. Dies freilich wird in Strelitz nicht bekannt gewesen sein. Somit ist die Eingabe in diesen ihren Verdächtigungen von Schwerins Verhältniß zu Dänemark und den andern Mächten eines der zahlreichen Beispiele, die uns im ganzen Verlaufe des Streites begegnen, wie leicht eine bereits vorhandene Spannung aus sich heraus Gerüchte erzeugt, durch welche sie selbst verschärft wird. Richtig freilich war soviel, daß Friedrich Wilhelm die Absicht hatte, Güstrow im Erledigungsfalle in Besitz zu nehmen, aber nur mit seinen eigenen Leuten, und daß dazu besonders die verstärkte Garnison von Bützow bestimmt war.
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daten, die von seinem Vorgänger ins Land gerufen, selbst veranlaßt, keinen einzigen Minister nach Dänemark geschickt, 1 ) noch weniger an anderen Orten Allianzen gesucht. 2 ) Was aber Adolf Friedrich nicht allein bei dem Kaiser, sondern auch bei den benachbarten Mächten für gefährliches Ansuchen vorgebracht, ja durch seines Vetters Minister in Schweden gepflogen, sei bei allen bekannt, 3 ) und müsse ja der Vorwand der Arbeit an der Güstrowschen und Boitzenburgischen Befestigung seine besonderen Nebenabsichten haben, zumal für gewiß gelte, daß man damit umgehe, die Eventual=Huldigung oder wenigstens einen Handschlag von der Ritter= und Landschaft der Güstrowschen Landeshälfte an Adolf Friedrich leisten zu lassen; 4 ) auch würden für diesen schon Zimmer auf dem Schlosse zu Güstrow in Stand gesetzt, damit er desto leichter Besitz ergreifen könne. Der Kaiser wird ersucht, schleunigst, weil periculum in mora sei:

1. Das Dehortatorium an Friedrich Wilhelm zu kassiren,

2. das vorige Dehortatorium an Adolf Friedrich in arctiori forma zu erneuern,

3. an Gustav Adolf ein Reskript zu erlassen, daß er die schwedischen Truppen, wie Friedrich Wilhelm mit den dänischen gethan, ungesäumt entlasse,

4. Ritter= und Landschaft des Güstrowschen Theiles bei schwerer Pön aufzutragen, daß sie in keine Eventualhuldigung, auch nicht in einen Handschlag sich einlasse, sondern an die 1632 und 1654 geleisteten Huldigungseide sich erinnere und sich nicht davon abwendig machen lasse. Friedrich Wilhelm versichert dann am Schlusse noch seine schon bisher stets bethätigte und noch immer fortdauernde Geneigtheit zu gütlichem Vergleiche noch bei Lebzeiten Gustav Adolfs.

Am 23. Juli zeigte dann Koch den völligen Abbruch der Lübecker Kommission an mit der Bitte um ein Excitatorium an den Bischof zu ihrer Fortsetzung und eine vorläufige Verordnung auf Zahlung von wenigstens 16000 Th. jährlich und 12000 Th. einmalig als Abschlag auf die Schuldforderungen.


1) Bibow ging erst im Juni nach Kopenhagen, auch war der Zweck seiner Sendung nicht der von Strelitz behauptete.
2) Dies war nicht ganz richtig, die Allianz mit Brandenburg bestand, obgleich die Verhandlungen wegen Waffenhülfe damals abgebrochen waren.
3) Diese Beschuldigung ist falsch, Gustav Adolfs Minister hat in Schweden nicht um Unterstützung für Adolf Friedrich in der Erbfolgefrage geworben.
4) Dies war ebenfalls unrichtig.
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Diese Strelitzer Eingabe wie auch die letzten Schweriner wurden erledigt durch eine Reihe von Beschlüssen vom 28. Juli. Sie entsprachen im Ganzen den Schweriner Wünschen, nur daß man sich in Wien zur Kassirung des einmal ergangenen Dehortatorium begreiflicher Weise nicht verstand. Für Gustav Adolf ward ein Dehortatorium ausgefertigt, keine Eventualhuldigung zuzulassen, alle Neuerung abzustellen, zur Verhütung aller Weitläufigkeit alle fremden Truppen ungesäumt zu entlassen und darüber, daß dies geschehen, binnen zwei Monaten zu berichten. Adolf Friedrich ward mit einem Dehortatorium serium ulterius bedacht, sich aller Neuerung und fremden Anhanges zu entschlagen. Die Ritter= und Landschaft erhielt ein rescriptum inhibitorium, sich aller Eventualhuldigung zu enthalten. Beide fürstliche Parteien wurden durch Reskripte ermahnt, die gütlichen Verhandlungen fortzusetzen, und Friedrich Wilhelm besonders daran erinnert, Adolf Friedrich inzwischen solche fürstliche Unterhaltungsmittel zu bewilligen, daß dieser sich ferner zu beklagen keine Urfache mehr habe. Kopien aller dieser Schreiben wurden dem Bischof von Eutin übersandt mit der Erinnerung, allerseits zu Vollziehung der Kaiserlichen Befehle zu mahnen, Herzog Friedrich Wilhelm zur Darbietung besseren fürstlichen Unterhaltes an Adolf Friedrich zu veranlassen, daneben die Kommission fortzusetzen und über den Stand der Dinge, insbesondere darüber, welcher Theil die Schuld trage, daß bisher ein gütlicher Vergleich noch nicht zu Stande gekommen sei, zu berichten.

Es war eine umfassende Aktion des kaiserlichen Hofes, die freilich den Güstrowschen Erbfolgestreit weder entscheiden konnte noch wollte und in dieser Beziehung nur alles zu beseitigen suchte, was einer künftigen Entscheidung durch kaiserlichen Spruch oder Schiedsgericht im Wege hätte stehen können, aber den Apanagestreit zu einer schnellen Beilegung zu bringen bezweckte. Und dies gelang. Beide Parteien waren beflissen, in dieser weniger wichtigen Angelegenheit entgegenkommen zu zeigen, jede mit der Hoffnung, sich dadurch den Kaiserhof für die künftige wichtigere Streitfrage günstig zu stimmen. Die Kommissionsverhandlungen wurden wieder aufgenommen und führten in Kurzem, wie schon erwähnt, zum Abschluß des Lübecker Vergleiches, der dem unerfreulichen Handel ein Ende machte.

Von den übrigen Schreiben erreichte eines seine Adresse vorläufig nicht, das Dehortatorium an Gustav Adolf, das in Schwerin zurückbehalten ward, da man dort immer noch hoffte,

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den Güstrower Herzog auf die Schweriner Seite zu ziehen, und es deshalb umsomehr vermeiden wollte, ihm Aerger zu bereiten, als jede seelische Erregung dem alten, schon recht siechen Herrn gefährlich werden konnte. Ritter= und Landschaft beantwortete das an sie gerichtete kaiserliche Reskript durch ein Schreiben, datirt vom 19. Januar 1695, das beim Reichshofrath d. 22.Februar einlief und das die Versicherung enthielt, es sei ihr weder eine Eventualhuldigung angesonnen noch von ihr beabsichtigt. Herzog Adolf Friedrichs Antwort auf das neue Dehortatorium ging den 7. November in Wien ein. Es entsprach durchaus der Wahrheit, wenn er darin über die Truppenverlegung nach Bützow behauptete, dort hätten sonst nur 10 oder 15 Mann gelegen, jetzt sei die Garnison auf etliche Kompagnien verstärkt, augenscheinlich zu dem Zwecke, um bei etwaigem Todesfall das Herzogthum Güstrow armata manu zu besetzen. Eine Uebertreibung aber ist, wenn es weiter heißt, es gehe der Ruf, daß im Herzogthum Schwerin allen Förstern, Jägern, Schützen, Heide= und Landreitern, auch Vögten ein harter Befehl ertheilt sei, sich fertig zu halten, um sich auf erste Ordre und wenn man vernehme, daß Gustav Adolf todt sei, auf dem bestimmten Sammelplatz einzufinden. Bibow sei nach Dänemark geschickt, um dort neue Truppen zu werben, Koppelow aus demselben Grunde nach Berlin und von da nach Schweden. Adolf Friedrich vertraue - schließt dann die Eingabe -, der Kaiser werde ihn wider solche augenscheinlich gegen ihn andringende Gemalt mit nachdrücklicher Hülfe versorgen und ein abermaliges, ganz ernstliches Dehortatorium an Friedrich Wilhelm erlassen. Daß er, Adolf Friedrich, Hülfe in Schweden suche, sei ungegründet, er habe nur nach Koppelows Abreise ebenfalls einen seiner Diener dorthin geschickt, um sein Interesse wider Koppelows Gesuch beobachten zu lassen.

Ueber diese Eingabe beschloß der Reichshofrath d. 22. November dem Kaiser ein Gutachten zu erstatten. Als Diettrich davon erfuhr, beeilte er sich, seinen Prinzipal gegen diesen neuen Angriff zu vertheidigen in einer Zuschrift, die auf sein Gesuch dem Gutachten vom 22. angeschlossen wurde. Diettrich führte darin aus, Friedrich Wilhelm habe alles gethan, um die Sache intra parietes abzumachen, dies habe aber nicht mehr gefruchtet, als daß man sich von dem Kaiserlichen hohen Gerichte ex desperatione causae abgewendet und den König von Schweden zum Vermittler erwählt habe. Friedrich Wilhelm habe deshalb, nachdem er seine Absicht Dänemark, Brandenburg und Celle,

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auch Güstrow mitgetheilt, einen Expressen nach Schweden geschickt, um dem König mündlich sein Recht darzulegen und, weil Adolf Friedrich schon vor 1 1/2 Jahren seine Sache durch Einsendung einer großen Deduktionsschrift vor den Reichshofrath gebracht habe, den König zu ersuchen, sich vor der Hand nicht einzumischen. Adolf Friedrich habe dagegen in Schweden die - beigelegten - unbilligen Forderungen vorlegen lassen; da er aber bemerkt habe, daß "die angeborene große Aequanimitaet" des Königs von Schweden so unmögliche Begehren nicht zulasse, wende er sich nun wieder nach Wien und vermeine mit ungegründeten Querellen Friedrich Wilhelm an diesem höchsten Tribunal zu verunglimpfen. Bützow sei deshalb mit mehr Mannschaft besetzt, damit es nicht, wie im letzten pommerschen Kriege, bald von diesem, bald von jenem überrumpelt, ja von dem Fürstlichen Gegner selbst, der laut anliegender Forderungen "so großen Appetit dazu bekommen", weggenommen werde. Noch einmal wird dann die Anschuldigung, Friedrich Wilhelm habe Kriegshülfe bei in= und auswärtigen Mächten gesucht, als unwahr zurückgewiesen, der Lübecker Vertrag beweise sein friedliebendes Gemüth. Der Kaiser wird also gebeten, einen gelinderen Weg zur Beilegung der Sache einzuschlagen, besonders da Friedrich Wilhelm seine Gerechtsame binnen Kurzem durch Druckschriften dem Kaiser und der ganzen Welt vor Augen zu stellen Willens sei.

Die kaiserliche Entscheidung erfolgte den 11. Dezember im Sinne dieser Schweriner Eingabe. Es ward nämlich dem Bischof von Lübeck sammt dem Herzog von Güstrow ein Kommissorium aufgetragen zur Stiftung eines gütlichen Vergleiches, jedoch unter der Bedingung kaiserlicher Ratifikation desselben. Beide streitende Theile erhielten die Anzeige hiervon mit der Aufforderung, sich der Kommission zu unterwerfen und überhaupt sich allein an den Kaiser zu halten und sich aller anderweitigen Anstalten zu entäußern.

Unverkennbar war die Spitze dieser Worte gegen Schweden gerichtet. Auf die schwedische Vermittelung war man in Wien in offizieller Form zuerst durch eine Relation des kaiserlichen Gesandten in Kopenhagen, v. Reichenbach, datirt vom 2. August, aufmerksam gemacht, die den 13. August im Reichshofrath vorgelegt wurde. Es sei im Nieder=Sächsischen Kreise ein schwerer Successionsstreit zu besorgen, der leicht zu einer höchst schädlichen Flamme ausschlagen könne, da von den beiden nordischen Kronen Dänemark dem Hause Schwerin geneigter sei, Schweden aber

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eine andere Intention habe, von anderen benachbarten Fürsten zu schweigen. Schweden habe sich vergebens bemüht, die Sache in Güte abzuthun, allem Anscheine nach würden nächstens von beiden nordischen Kronen Bevollmächtigte nach Meklenburg gesandt werden. 1 ) Reichenbach urtheilt, daß "nicht allein der Kais. Maj. allerhöchsten respect und Reichsoberhaubtlichen authoritaet gemäß, sondern auch dem Interesse garnicht zuwieder seye, von Einer solchen importanz Sach zwischen Fürstlichen Reichsgliedern nicht ausgeschloßen zu seyn, sondern vornehmlich dabey zu concurriren und dasjenige hiebey beobachten zu laßen, was für Kayserl. Maj. und dem Teutschen Vaterland ersprießlich."

Diese Relation hat vermuthlich den ersten Anstoß zu der Entscheidung vom 11. Dezember gegeben. Herzog Gustav Adolf war durch dieselbe unangenehm überrascht, obgleich ihm die Ehre der Theilnahme an der Kommission zugedacht war; er hätte die Fortdauer der schwedischen Vermittelung den Kommissionsverhandlungen unter Wiens Aspekten entschieden vorgezogen.

Auch der Schweriner Bevollmächtigte in Wien, Rath Schnobel, war nicht ganz zufrieden und überreichte, ohne erst in Schwerin anzufragen, den 17. Dezember dem Reichs=Vizekanzler Grafen Windischgrätz eine Eingabe, in der er gegen die Adjunktion Gustav Adolfs Bedenken erhob, da dieser als Schwiegervater Adolf Friedrichs in der Streitsache Partei sei. Allein eine sofortige Beschwerde Gustav Adolfs, der durch seinen Gesandten Pommer Esche umgehend von Schnobels Verfahren Nachricht erhielt, sowie die Befürchtung, daß man sich mit diesem ganz überwerfen könnte, erwirkte am Schweriner Hofe die schleunige Desavouirung von Schnobels eigenmächtigem Verfahren. Dieser zog seine Eingabe zurück, die überhaupt noch nicht an den Reichshofrath gelangt zu sein scheint, wenn sie nicht etwa nachträglich aus den Akten getilgt ist, und reichte eine andere d. 18. Januar und eine ähnliche d. 21. Januar 1695 ein, beide mit der Erklärung, daß Friedrich Wilhelm sich die Adjunktion des Herzogs Gustav Adolf zu der Kommission nicht zuwider sein lasse.

Ein wohlüberlegter Schachzug der Schweriner war es, daß sie in denselben beiden Eingaben die Bitte aussprachen, zu desto schleunigerer Beförderung der Sache den kaiserlichen Gesandten beim Niedersächsischen Kreise, Grafen Eck, 2 ) noch in die Kommission


1) Die Relation steht unter dem Eindruck des dänischen Angebots der Mitwirkung bei der Vermittelung.
2) Er selbst schreibt sich Egkh, mit vollem Namen Christian Graf zu Egkh und Hungersbach. Im Text ist die schon, zur Zeit des Grafen oft gebrauchte abgekürzte Form gewählt, die auch Buchwald benutzt hat.
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zu deputiren. Am Wiener Hofe konnte es nur angenehm berühren, daß auf diese Weise der Kaiserhof noch unmittelbarer auf den ganzen Verlauf der Verhandlungen Einfluß gewann, und in Schwerin hoffte man mit Grund, den Grafen unschwer ins Schweriner Interesse ziehen zu können. Trotz heimlicher eifriger Gegenarbeit der Güstrower kam d. 18. Februar das Conclusum zu Stande, daß Graf Eck der Kommission beigefügt werden solle, in der ihm nun als dem Vertreter des Kaiserhofes naturgemäß der Vorsitz zufiel. 1 )

Am Tage vorher, d. 17. Februar, übergab Koch im Namen Adolf Friedrichs eine Rechtfertigung gegen das Reskript vom 28. Juli 1694 mit angeschlossener Bitte um ein gleiches Rescriptum inhibitoriale an Ritter= und Landschaft, daß sie sich Friedrich Wilhelm nicht verbindlich mache, und an Friedrich Wilhelm, daß er sich aller Thätlichkeit enthalte. Diettrich antwortete d. 1. März hierauf mit dem Antrage, diese Zuschrift überhaupt von den Akten zu verwerfen, unter Berufung auf § 79 des jüngsten Reichsabschiedes: "Daß alle narrata Supplicae etlichermaßen glaubhafft bescheinigt werden sollen; damit der Referent in erkennung der Processen. nicht malitiöse hintergangen werden möge." Und als er das nicht erreichte, ließ er d. 17. März eine Eingabe folgen "pro declinando dehortatorio", der zur Information eine von Schnobel verfaßte Brevissima Solutio quaestionis, cui Principum Suerinensium post obitum. Dni. Ducis Gustroviensis Gustavi Adolphi de Jure competat apprehensio possessionis Ducatus Gustroviensis", beigefügt war, die erste Schrift, in der der Schweriner Rechtsstandpunkt dem Wiener Hof dargelegt ward.


1) Möglicherweise hat dieser Schweriner Antrag dazu beigetragen, eine Anschauung, die am Wiener Hofe Anfang 1695 aufkam, wieder in den Hintergrund zu drängen, nämlich Meklenburg getheilt zu lassen, aber Güstrow an Karl Leopold, den nächstjüngeren Bruder Friedrich Wilhelms, zu geben. Selbst der kaiserliche Gesandte in Stockholm hatte Kunde hiervon; er sprach den 13. Februar - also nach jenen Schweriner Eingaben, doch kann ja seine Nachricht aus Wien leicht aus früherer Zeit stammen - Mumme gegenüber seine Verwunderung aus, daß beide Theile zu einem Vergleich nicht mehr Eifer zeigten, da es sonst bei rechtlichem Austrag leicht geschehen könne, daß beide "für einen dritten, nämlich Herzog Karl würden gearbeitet haben." Den 13. März aber hatte Graf Bielke Nachricht aus Wien, daß man dort wieder für die Kombination sei, was Bielke für eine Folge der unlängst zwischen dem Kaiser und Dänemark - dem Freunde Schwerins - geschlossenen Allianz ansieht.
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Gustav Adolfs Gesuche um Interimsverordnung und Protektorium.

Noch in demselben Monat kam ein neuer Güstrowscher Antrag vor den Reichshofrath, dessen Vorgeschichte bis in das erste Drittel des Jahres 1694 zurückreicht. Am 26. April dieses Jahres hatten nämlich die Landräthe beider Herzogthümer ein Schreiben an Gustav Adolf wie auch Friedrich Wilhelm gerichtet und darin auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die es habe, wenn Gustav Adolfs Nachfolger noch ungewiß sei; beide Herzöge möchten doch nicht ermüden in ihren Bestrebungen, die Sache in Frieden zu schlichten. Beide beriefen darauf die Landräthe, jeder die seiner Landeshälfte, zu einer Besprechung in ihre Residenz. Von den beiden Konferenzen ist die Güstrower, die bereits am Tage nach Abgabe des Schreibens, d. 27. April, stattfand, bemerkenswerth. Die Landräthe riethen nämlich darin dem Herzog, er möge sich an den Kaiser mit der Bitte wenden, eine Provisional=Verordnung ad interim ergehen zu lassen, wie es nach des Herzogs Tod gehalten werden solle, bis der Streit entschieden sei. Was sie meinten, erläuterten sie in einem Schreiben vom 28. April genauer dahin: Gustao Adolf möge ein Kaiserliches Mandat an beide streitende Theile erwirken, bis zum Austrag der Sache weder vi noch alio modo sich des Fürstenthums anzumaßen, sondern alles in statu quo zu lassen, die Regierung aber durch die Güstrower Räthe nach des Herzogs noch bei seinen Lebzeiten zu treffender Verordnung so lange fortsetzen zu lassen, bis die kaiserliche Entscheidung gefallen; die gütlichen Verhandlungen könnten daneben fortgesetzt werden.

Der Gedanke fiel bei Gustav Adolf, den, je mehr seine Leibesschwachheit zunahm, desto stärker die Sorge bedrückte, was aus seinem Lande werden würde, wenn es nicht gelänge, den Streit bei seinen Lebzeiten zu schlichten, auf fruchtbaren Boden. Er ging freilich nicht sogleich darauf ein, weil er damals noch von der schwedischen Vermittelung guten Erfolg hoffte, aber schon den 24. August 1694 schrieb er an Mumme nach Schweden, er werde sich beim Kaiser um "ein remedium provisionale bewerben." Und zwar entschloß er sich, um womöglich dem befreundeten Schweden eine führende Stellung hierbei zu gewinnen, diese Interims=Regierung in der Form nachzusuchen, daß seiner Gattin die Regierung übertragen und Schweden mit der "Manutenenz" derselben betraut werde. Im Oktober mußte Mumme in Schweden anfragen, ob der König bereit sein werde, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Er erhielt die Antwort, daß der König, falls er vom Kaiser einen solchen Auftrag erhalte, allerdings ihn

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übernehmen werde. So erhielt denn Pommer Esche in Wien den Auftrag, die nöthigen Schritte einzuleiten, und der schwedische Geschäftsträger ward angewiesen, auch in dieser Sache ihm zur Hand zu gehen.

Den 2. November übergab Pommer Esche ein Memorial mit dem betreffenden Antrage an den Kaiser. Er fand indessen begreiflicher Weise wenig entgegenkommen: die Interims=Regierung unter Schwedens Schutz war für den Wiener Hof unannehmbar. Sie mußte bei allen interessirten Mächten, wie auch in Wien selbst, die Besorgniß erwecken, daß sie nur die Ueberleitung bilden werde zur völligen Annexion des Landes durch Schweden. Mindestens war anzunehmen, daß Schweden für diesen Dienst irgend einen Lohn, und wenn es auch nur Rostock war, verlangen werde. Man zog in Wien zunächst die Sache hin und ließ das Memorial ohne Antwort. Im Januar berichtete Pommer Esche (Rel. 355 ohne Datum), der Kaiser habe gemeint, die Provisional=Verordnung sei unnöthig, da zu hoffen sei, daß die Kommission den Zwist in Güte schlichte, reichte aber doch den 31./21. Januar ein zweites Memorial ähnlichen Inhalts ein.

Darauf gesellt sich zu der Bitte um eine Interims=Verordnung die um ein kaiserliches Protektorium, d. h. einen Schutzbrief, durch den der Kaiser die Gemahlin Gustav Adolfs und seine Kinder mit dem, was ihnen zugehörte, sowie alle Räthe und Bediente des Herzogs und seine gesammte Hinterlassenschaft gegen alle Gewaltthätigkeit in seinen besonderen Schutz nehmen sollte. Den 9. März (a. St.) schreibt Pommer Esche, er habe das Gesuch um das Protektorium erhalten und übergeben. Von dem Abschlag der Provisional=Verordnung hatte er schon den 19. Februar berichtet. Er giebt in dieser Relation (vom 19./2.) eine Aeußerung des Reichs=Vizekanzlers wieder, durch welche der Standpunkt des Wiener Hofes scharf und deutlich charakterisirt wird: "Man wüßte, daß Schweden vormahls wegen Mecklenburg ins römische Reich zuerst gekommen, daher denn wohl recht kindisch seyn würde, wenn man zu dergleichen Kriegesfeuer, welches zu löschen es so viel Bluts gekostet, selbst wiederum neue Gelegenheit veranlaßen und befördern wolle." Vergebens bemühten sich der schwedische Gesandte, Graf Gabriel Oxenstierna, ein Bruder des Kanzlers, und Pommer Esche, dieses Vorurtheil zu zerstreuen. Man erwiderte, selbst bei guter Absicht Schwedens sei die Eifersucht der übrigen Mächte zu befürchten, und rieth die Kommission zu beschleunigen. Eine Interims=Verordnung über die Regierung in Güstrow, wie sie Gustav Adolf aus

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landesväterlicher Fürsorge dringend wünschte, war also, wenn überhaupt, so jedenfalls nur ohne die schwedische Manutenenz zu erhalten. So entschloß sich denn Gustav Adolf, diese fallen zu lassen und schrieb den 22. Februar an Pommer Esche, er möge die Manutenenz dem Kaiser selbst anheimstellen.

Der kaiserliche Sekretär Connsbruck war es, der gesprächsweise, wie Pommer Esche den 9. März berichtet, den Vorschlag machte, man möchte doch den Auftrag, die Interims=Regierung zu schützen, an die gesammten kreisausschreibenden Fürsten (Schweden, Lüneburg=Celle und Brandenburg) richten. Der schwedische Gesandte, der zugegen war, erklärte sogleich, dieser Vorschlag werde für seinen König wohl annehmbar sein. Pommer Esche erbat also entsprechende Instruktion.

Zur Beförderung der Sache suchte Graf Oxenstierna sogar den englischen und spanischen Botschafter zu veranlassen, die Provisional=Verordnung dem Kaiser zu empfehlen, unter Hinweis auf die schweren Wirren, die zu befürchten seien, wenn nicht rechtzeitig vorgebaut werde.

Das Datum des 20. März trägt der Entwurf zu dem Antwortschreiben an Pommer Esche auf dessen Relation vom 9. Das Konzept zeigt eine ältere Fassung, die Manutenenz möge dem gesammten Niedersächsischen Kreisausschreibe=Amt übertragen werden, also allen drei Kreisdirektoren. Allein Brandenburg, das mit Schwerin so befreundet war, erregte Bedenken, und so setzte man an die Stelle des "Kreis=Ausschreibeamtes" "die beiden kreisausschreibenden Fürsten", also Schweden, welches zur Zeit das Directorium, und Lüneburg, welches das Condirectorium hatte, mit Uebergehung von Brandenburg, in dessen Händen das Directorium pro nunc cessans lag. In dieser Fassung ging das Reskript ab.

Während so Interims=Verordnung und Protektorium von Güstrow aus eifrig betrieben wurden, suchte man die Kommission vom 11. Dezember, deren Beschleunigung vom Kaiserhofe gewünscht und auch von Schwerin nachgesucht ward, hinauszuschieben, da ihre Zusammensetzung für Adolf Friedrich zu ungünstig erschien. Es bot sich dazu ein sehr ausgiebiges Mittel. In den Dekreten vom 11. Dezember war nach der in der Reichskanzlei herrschenden Gepflogenheit, daß geistliche Reichsfürsten den Vorrang vor weltlichen hatten, die sich auch auf die im Westphälischen Frieden anerkannten evangelischen Inhaber katholischer Bistümer, wie den Bischof von Lübeck übertragen hatte, der Name des Bischofs von Lübeck vor den des Herzogs Gustav Adolf gestellt, während in Kreis=

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angelegenheiten der Güstrower Herzog den Vorrang vor dem Bischof von Lübeck hatte. In der Umstellung, infolge deren der Bischof überhaupt in den Kommissionsverhandlungen den Vorrang vor dem Herzog erhalten mußte, sah Herzog Gustav Adolf eine schwere Beeinträchtigung seiner reichsfürstlichen Stellung, eine Schmach für ihn selbst, seine Nachfolger wie den gesammten weltlichen Fürstenstand und verlangte, indem er einen Irrthum der kaiserlichen Kanzlei annahm, neue Ausfertigung der Dekrete mit der richtigen Folge der Namen.

In der kaiserlichen Kanzlei wies man die Möglichkeit eines solchen Irrthums weit ab und berief sich auf den geltenden Usus, auch der Bischof erklärte, die Präcedenz nicht aufgeben zu können. Ein monatelanger Briefwechsel zwischen Güstrow und Eutin sowohl unter sich wie mit Graf Eck entspann sich, in dem die beiden nahverwandten und persönlich befreundeten Fürsten bei allen Versicherungen gegenseitiger Achtung und Zuneigung doch ihren Standpunkt mit großer Schärfe festhielten und verfochten. Dadurch bot sich allerdings für Schwerin eine Handhabe, Güstrows Stellung in Wien, die ohnehin keine starke war, noch weiter zu schwächen, indem man unter Betheuerung der eigenen guten Gesinnung Güstrow beschuldigte, es hintertreibe absichtlich die Kommissionsverhandlungen, damit bei Gustav Adolfs Tod Adolf Friedrich mit Schwedens Hülfe das Land an sich reißen könne. Andererseits erhielt Strelitz durch diese Verzögerung Gelegenheit zu einem Versuche, eine günstigere Zusammensetzung der Kommission zu erwirken. Den 11. April ward eine Eingabe von Koch vorgelegt mit der Bitte, das Haus Wolffenbüttel der Kommission noch beizufügen. Den 14. April erfolgte über alle diese Dinge das Votum an den Kaiser, und den 21. April die kaiserliche Entscheidung. Der Kaiser läßt es bei der Kommission bewenden; wenn aber etwa einer der Kommissare Bedenken trage, sich der Kommission zu unterziehen, sollen die übrigen zwei sie fortsetzen. An Graf Eck ward ein kaiserliches Schreiben für Gustav Adolf gesandt, in dem diesem mitgetheilt ward, falls er dem Grafen Eck in Kaisers Namen eine Eventualhuldigung von seinen Räthen, auch Ritter= und Landschaft leisten lasse und die auf den Kaiser eidlich verpflichteten Garnisonen der kreisausschreibenden Fürsten sammt dem kaiserlichen Kommandanten einnehme, so sei der Kaiser geneigt, die Regierung in Güstrow nach Gustav Adolfs Tod durch dessen Räthe in Seinem Namen führen und denselben zu solchem Zwecke ein Protektorium ertheilen zu lassen, wobei auch seine Gemahlin die Sicherheit ihrer Witthumsforderungen

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finden könne; er müsse aber die schwedische Garnison aus Güstrow entfernen. Zwei andere Schreiben gingen an Friedrich Wilhelm und Adolf Friedrich mit der Aufforderung, ihre Abgesandten aus Schweden zurückzurufen und nur an die kaiserliche Entscheidung sich zu halten. Daß sie Erfolg hatten, ist bereits erzählt worden. Ohne Erfolg blieb aber die Mahnung, die Schweden zu entlassen, obgleich fortdauernd der Kaiserhof hierauf den höchsten Werth legte. Oben mit Rücksicht auf das Verbleiben der Schweden im Güstrowschen hatte der Kaiser, wie der Schweriner Rath Vermehren Ende April von dem brandenburgischen Kanzler hörte, dem Reichshofrath durch den Reich=Vizekanzler Grafen Windischgrätz einen Verweis ertheilen lassen, daß er so langsam in so gefährlicher Sache verfahre und nicht stärker durch wiederholte Befehle in Güstrow dringe, die Schweden wegzuschaffen.

Fast am selben Tage, wo in Wien diese Entscheidung fiel, wurde in der Heimath das kaiserliche Mahnschreiben vom 28. Juli 1694 durch einen Schweriner Reiter in Güstrow übergeben. Aus Gustav Adolfs Ansuchen um Provisional=Verordnung meinte man nämlich in Schwerin schließen zu sollen, daß er Friedrich Wilhelms Recht auf den Besitz seines Landes nicht anerkenne, wovon man bisher keinen deutlichen Beweis hatte. Auch hatte Graf Eck geäußert, man sei in Wien erstaunt, weshalb es so lange zurückgehalten werde. Friedrich Wilhelm glaubte sich deshalb der bisher geübten Rücksicht entbunden. Die Uebergabe des Schreibens fand wieder einen Reflex in Wien, insofern der Güstrower Anwalt Fabricius auf Geheiß seines Herrn beim Reichshofrath eine Exceptio sub- et obreptionis einreichen mußte, die unter dem 22. Juni in den Akten des Reichshofraths verzeichnet ist, ein Schritt, der indessen ohne Wirkung blieb.

Graf Eck erhielt die Kommissionsdekrete vom 21. April den 20./30. Mai und machte sogleich den Betheiligten Mittheilung davon. Gustav Adolf sandte darauf seinen Geh. Rath v. Scheres nach Hamburg, der in den Tagen vom 4. bis 7. Juni fünfmal mit Eck verhandelte. Der Graf zeigte sich schon hier nach Scheres' Bericht im Allgemeinen als Anhänger der Kombination. Es sei, äußerte er, dem Lande und der Familie wohl zuträglicher von einem Herrn regiert zu werden, weil die Theilungen sehr die Kräfte verminderten. Ueber die Interims=Verwaltung sprach er sich im Auftrage des Kaisers und im Einklang mit dessen Schreiben vom 21. April dahin aus, daß der Kaiser der Herzogin=Wittme in keinem Falle die Interims=Verwaltung übertragen werde, er werde aber auch keine Verordnungen wegen Manu=

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tenenz auf die kreisausschreibenden Fürsten ergehen lassen, so lange noch die Schweden im Lande ständen. Ein Protektorium sei unnöthig, da Schwerin sich zu allem Guten erbiete, könne auch keine Kraft haben, so lange die Schweden allein im Lande wären. Erst wenn sie entfernt oder - dies stand in dem kaiserlichen Brief noch nicht - ebenso viele Lüneburger aufgenommen wären, werde ein Protektorium ertheilt werden.

Auch wegen der Präcedenz wurde zwischen Eck und Scheres verhandelt, ohne Erfolg, was den Grafen nicht abschreckte, seine Bemühungen, einen der beiden Theile zum Nachgeben zu bewegen, fortzusetzen. In einem Brief an Scheres vom 25. Juni/5. Juli schrieb er, der Kaiser könne sich nicht an die Gewohnheiten der Kreistage binden, sondern folge dem sonst üblichen Reichs=Stil und =Rang, schlug aber vor, der Eutinische Minister möge bei ihm selbst logiren; dann könne dem Güstrowschen von beiden als einem Gaste unbeschadet des Eutinischen Präcedenzvorrechtes der Vorrang eingeräumt werden. Auch hiermit war man in Güstrow nicht zufrieden. Unter diesen Umständen mußte die Beschuldigung, die Schwerin gegen Güstrow erhob, daß es die Kommission absichtlich in die Lange zu ziehen suche, als begründet erscheinen. Auch ein Schreiben der Landräthe vom 23. Juli, die Gustav Adolf noch einmal die gütliche Beilegung des Streites ans Herz legten und ihn ersuchten, doch an der Kommission sich zu betheiligen, 1 ) brachte keine Aenderung seiner Auffassung zu Wege.


1) Dieser Schritt der Landräthe ward veranlaßt durch ein neues Schreiben von Georg Wilhelm v. Celle (Bernstorff!), der sie als Kreisoberster aufforderte, um Weiterungen vorzubeugen, auf Grund ihrer Verpflichtung nach den Reversalen zu vermitteln. Das Schreiben, wie ein ähnlicher an Adolf Friedrich, war eine Folge einer Sendung Vermehrens an den Hof zu Celle im März d. Js. Die Sendung erfolgte, um die mittlerweile gedruckten Schriften und Gutachten über die Erbfolgefrage in Celle und Hannover bekannt zu machen, mit deren Hülfe die beiden Höfe vollends für Schwerin zu gewinnen, die oben genannten Schreiben zu verwerthen und zu sondiren, ob man von beiden Höfen auch thätlichen Beistand, falls man dessen gegen Schweden bedürftig, erhoffen könne. Sie hatte im Allgemeinen den gewünschten Erfolg, der Celler Hof zeigte sich von dem Rechte Schwerins durchaus überzeugt, rieth allerdings dazu, Adolf Friedrich eine Apanage im Werth von 20000 Th. zu bewilligen, was in Schwerin damals zu hoch erschien. Die gewünschten Schreiben an Adolf Friedrich und die Landräthe gingen den 10. April ab. Zu Waffenhülfe Schweden gegenüber erklärte man sich freilich nicht verpflichten zu können, da man wegen der noch nicht ganz abgeschlossenen Einführung der Primogenitur für die Erbfolge in den Zweigen der jüngeren welfischen Linie (Celle und Hannover), auch wegen der Hannoverschen Churwürde, über die ebenfalls noch keine (  ...  )
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In offizieller Form kam sein Anspruch auf Umstellung der Namen durch zwei Eingaben von Pommer Esche vor das Forum des Reichshofrathes, die unter den Daten des 5. August und 8. August sich verzeichnet finden. Pommer Esche bat darin um Remedur des Irrthums der kaiserlichen Kanzlei durch Ausstellung eines neuen Kommissionsdekretes, in dem Gustav Adolfs Name vor den des Bischofs zu stellen sei; falls der Bischof hiermit nicht einverstanden sei, möge man die Kommission Gustav Adolf und Eck allein übertragen. Ausschließen könne sich der Herzog von der Kommission nicht lassen, da ad transactionem super successione viventis dessen Konsens erforderlich sei.

Auffallend schnell folgte auch diesmal in Wien die Entscheidung, schon am 9. August. Das Conclusum des Reichs=


(  ...  ) Einigkeit herrschte, und drittens wegen der Lauenburgischen Erbfolgesache sich nicht mit Schweden überwerfen könne. Man werde aber Friedrich Wilhelm auf keine Weise bei der Besitzergreifung entgegen sein. Auch mit Brandenburg ward um dieselbe Zeit wieder verhandelt. Den 27. Juni hatten der Hofmarschall v. Löw und der Geh. Rath Taddel zu Neustadt a. d. Dosse eine Zusammenkunft mit dem leitenden brandenburgischen Minister Dankelmann, nachdem vorher Ende April und Anfang Mai der Geh. Rath Vermehren in Berlin gewesen war. Der Berliner Hof zeigte sich empfindlich darüber, daß auf das im Januar 1694 Schnobel mitgegebene Prospekt gar keine Antwort erfolgt sei, und ferner, daß man in Meklenburg auf die brandenburgische Eventualhuldigung, auf die man nach dem Vertrage vom Jahre 1693 Anspruch zu haben meinte, noch immer nicht eingegangen sei. Ja, man wünschte sogar Mitbelehnung von Seiten des Kaisers und hatte zu tadeln, daß Schwerin überhaupt kein rechtes Vertrauen gezeigt, sondern an Berlin vorbei nach Wien gegangen sei, und auch mit Celle einen Separat=Vertrag geschlossen habe. Letzteren Verdacht, den Dankelmann in Neustadt äußerte, konnten freilich die Räthe leicht widerlegen, ein Angebot Friedrich Wilhelme aber, der Kurfürst möge gegen Zahlung von 30000 Th. ihm die Possession von Güstrow zu verschaffen sich verpflichten, hielt Dankelmann für ganz außer Verhältniß zu den Kosten, die der Kurfürst haben werde und schlug seinerseits vor, lieber seinem Herrn als Entgelt für dessen Unterstützung die verlangte Investitur zu gönnen. In einem Briefe an Dankelmann (v. 4. Juli) machten dann die beiden Räthe im Auftrage Friedrich Wilhelms den Vorschlag, der Kurfürst möge diesem einen seiner Räthe überlassen, der im Namen des Kurfürsten in Güstrow residiren, in Wirklichkeit aber in Friedrich Wilhelms Eid und Pflicht stehen und nach erfolgtem Sterbefall die Besitzergreifung in Friedrich Wilhelms Namen vollziehen solle. Auch hierauf ging der Kurfürst nicht ein, Dankelmann schrieb vielmehr (d. 21. Juli), ein brandenburgischer Bedienter sei bisher nie in Güstrow gewesen, werde also Verdacht erwecken. Erreicht wurde nur die diplomatische Unterstützung Brandenburgs in Wien zur Erwirkung eines möglichst scharfen kaiserlichen Mandates an Schweden, daß es die Truppen aus dem Güstrowschen abführen möge.
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hofraths fiel dahin aus, daß Gustav Adolfs Gesuche abzuweisen seien und die Kommission, wenn er nicht nachgebe, von Lübeck und dem Grafen Eck allein fortzusetzen sei; Strelitz sei, falls es sich der Kommission nicht stelle, mit Verlust aller seiner Ansprüche auf Lehen und Eigenthum zu bedrohen. Falls Gefahr sich zeige, solle Graf Eck die Reskripte an die kreisausschreibenden Fürsten, die er im Voraus erhielt, abgehen lassen. Diese Reskripte sind datirt vom 13. August und enthalten die Aufforderung an die Kreisdirektoren, und zwar an alle drei, wenn vor erreichter gütlicher Entscheidung der Tod des Herzogs eintreten sollte, sofort zur Aufrechterhaltung der Ruhe einige Truppenabtheilungen in die Stadt Güstrow zu legen und diese sowohl wie auch die Güstrowschen Räthe und Bedienten im Namen des Kaisers, wenn Graf Eck es wünsche, der sich mit den Kreisdirektoren darüber zu bereden Auftrag habe, in des Kaisers Pflicht zu nehmen und die Administration bis auf weitere kaiserliche Verordnung fortführen zu lassen; der Kaiser werde einen seiner hohen Offiziere senden, um das Kommando zu übernehmen. Brandenburg den beiden andern Kreisdirektoren beizufügen hatte man sich in Wien darum entschlossen, "weil auch der Churfürst von Brandenburg ein merkliches hierunter beytragen könne", etwas deutlicher ausgedrückt, weil man hoffte, mit Hülfe von Brandenburg Schweden besser in Schach halten zu können.

Trotz der Drohung, falls er nicht nachgebe, ohne ihn zu verhandeln, hielt Gustav Adolf in der Präcedenzfrage seinen Standpunkt fest, und da man seiner Mitwirkung nicht wohl entrathen konnte, so entschloß sich endlich der Bischof, auf persönliche Vorstellung des Grafen, nachzugeben, unter der Bedingung, daß der Kaiser die Kommission für eine Angelegenheit des niedersächsischen Kreises erkläre, und daß ihm selbst zugleich durch ein Decretum Salvatorium zugesichert werde, seine Nachgiebigkeit in diesem Falle solle kein Präjudiz für künftige Fälle sein. Den 19. August berichtete Eck dies nach Wien. Den 22. September erfolgte in Wien der zustimmende Beschluß.

Endlich konnten nun die Verhandlungen beginnen; die erste Sitzung ward auf den 30. Oktober in Hamburg angesetzt. Sie fand nicht statt, da Gustav Adolf diesen Tag nicht mehr erlebte.

Gustav Adolfs letzte Anordnungen und Tod.

In zunehmender Leibesschwachheit hatte er den Sommer des Jahres noch überstanden, bald bettlägerig, bald wieder sich er=

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holend. Er hatte noch die große Freude gehabt, die Prinzessin Louise, dieselbe, die Friedrich Wilhelm zugedacht war, als Braut des dänischen Kronprinzen zu sehen; auch die Beendigung des Erbfolgestreites zu erleben, war ihm nicht vergönnt.

Vielleicht erfuhr er selbst überhaupt nichts mehr davon, daß Mitte Oktober zwei Schwerinsche Räthe, Löwen und Koppelow, in Güstrow erschienen, um ein Schreiben Friedrich Wilhelms an ihn zu überbringen und noch einmal über die Erbfolge und die Ehe zu verhandeln. Ein Aktenstück, das Koppelow den 10. Oktober von Graf Eck aus Hamburg mitbrachte, in dem zur Vermählung Friedrich Wilhelms mit einer der Töchter Gustav Adolfs gerathen wurde, durch welche Schweden neutral werden würde, rief in Friedrich Wilhelm den plötzlichen Entschluß hervor, noch einmal einen Versuch in Güstrow zu machen, ob durch ein Eheversprechen eine Einigung zu erzielen sei. Den folgenden Tag ließ er durch den Hofrath Taddel in höchster Eile eine Instruktion fertigen für Werbung der jüngsten Güstrowschen Prinzessin. 1 ) Während Taddel sich an die Arbeit machte, ging der Herzog auf die Jagd; nach seiner Rückkehr forderte er sogleich Taddel zu sich und erklärte ihm, "er habe der Ehesache weiter nachgedacht, befände aber sonderliche Unruhe in seinem Gemüth." Er gab dann weiter an, der Entschluß zu dieser Sendung sei ihm erst am Morgen gekommen; er wolle es aber lieber bei dem lassen, was vor acht Tagen im Geheimen Rathe verabredet sei, die Ehesache so lange in statu quo zu lassen, bis Koppelow, der wieder nach Schweden gehen sollte, von dort zurück sei und günstigen Bescheid mitgebracht habe. Taddel mußte ein zweites Schreiben aufsetzen, in dem die beiden Räthe beauftragt wurden, bei dem Güstrowschen Minister v. Ganß es zu unterbauen, wenn jemand anders um die Prinzessin würbe, man möge mit dem Abschluß sechs bis acht Wochen warten, bis Koppelow Schwedens Gesinnung erkundet habe; interessire sich Schweden für Schwerin, so werde diese Heirath unfehlbar zu Stande kommen. Zugleich wurde Koppelow angewiesen, im Falle es mit Gustao Adolfs Krankheit Gefahr habe, in Güstrow zu bleiben und abzuwarten, um eventuell bei der Besitzergreifung mitwirken zu können.

Der Brief ward den 11. Oktober, Abends 6 1/2 Uhr, durch einen Reiter abgeschickt und erreichte auch die beiden Räthe noch unterwegs, sie richteten ihre Kommission aus und erfuhren, daß


1) Es ist Auguste, geb. d. 27. Dez. 1674, die später bekanntlich in Dargun pietistische Bestrebungen pflegte. In Graf Ecks Brief war die weit ältere Magdalena (geb. 1660) genannt.
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die Aerzte stets auf dem Schlosse beim Herzog seien, auch ein Priester sei stets zugegen. Am 13. kam Löwen, am 15. Abends Koppelow zurück; dieser berichtete, er habe das ihm mitgegebene Schreiben an Ganß eingehändigt, dieser aber habe es noch nicht übergeben können. Ob Gustav Adolf es noch erhalten hat, ist nicht bekannt, übrigens war der Inhalt des Schreibens gleichgültig, es enthielt nur die Anzeige, daß Koppelow im Begriffe sei, nach Schweden zu gehen, und die Frage, ob der Herzog ihm vielleicht Aufträge mitgeben wolle.

Von Güstrow brachte Koppelow die nicht unwichtige Nachricht mit, man habe in diesen Tagen den kranken Herzog an die früheren Zusagen erinnert, die er seiner Tochter wegen der Erbfolge ihres Gemahls gemacht (s. o. S. 252); er habe geantwortet, ja, das sei wahr, und habe sich die folgende Nacht sehr unruhig geberdet.

Es ist wahrscheinlich, daß diese Erinnerung mitgewirkt hat, den sterbenden Fürsten, der sich bisher im Ganzen bei dem Streite neutral gehalten hatte, in seinen letzten Lebenstagen ganz auf die Seite seines Schwiegersohnes zu treiben. Im Angesichte des Todes mochten in ihm vor dem Wunsche, die Zukunft seiner Tochter und ihres Gatten nach Kräften sicher zu stellen, alle anderen Rücksichten zurücktreten. Er ließ deshalb zwei Tage vor seinem Tode (d. 24. Oktober) einen Brief an den Kaiser schreiben, in dem er ihn in rührenden und dringenden Worten bittet, seinen Schwiegersohn, der sein rechtmäßiger Erbe sei, sogleich nach seinem Tode in den Besitz des Herzogthums zu setzen. 1 )


1) Der Brief lauet (nach der Kopie im Syllabus): "Gleichwie gegen Ew. Kayserl. Maytt. und dero glorwürdigsten Herrn Vattern und vorfahren am Reich, von Zeit meiner, nunmehr in die 42 Jahr, geführten Landes=Regierung, mich als einen getreuesten und gehorsamsten Fürsten zu erweisen, vor meine unaussetzliche Schuldigkeit, und größte gloire von der welt erachtet, und nicht eine einzige Begebenheit, dabey ich meine Dienstbegierde und observantz hätte ausüben können, mit wollen verabsäumet, Also habe ich auch in demjenigen, was Ew. Kayserl. Maytt. zu einigen mahlen mir, wegen meiner Vettern und Schwiegersohnes, des Hertzog Adolph Friedrichs zu Mecklenburg Ld. in gnaden rescribiren und anzeigen zu lassen, beliebet, meinen unbedingten gehorsamb erwiesen. Dann ob ich zwar, nach der wissenschafft, die mir von meiner Hauses Herkommen, Verträgen, und umbständen beywohnet, denselben vor meinen Successoren gehalten, auch daher als rechtmäßigen Landes=Erben, in meinem Testament einzusetzen, oder noch bey meinem Leben davor zu declariren, und die Possession würcklich ergreiffen zu laßen, mich wohl befugt erachtet; so habe ich dennoch, aus allerunterthänigsten (  ...  )
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Dem Inhalte des Briefes entsprechend, nahm er, ebenfalls in den letzten Tagen vor seinem Tode, seinen Civil= und Militärdienern die eidliche Versicherung ab, keinem der beiden Kom=


(  ...  ) Respect gegen Ew. Kayserl. Maytt. Verordnung und Befehl, mich solcher Erbeinsetzung und declaration enthalten, dabey verhoffend, es würde der große Gott mir das Leben so lange fristen, biß S. Liebd. durch gütliche Tractaten, mit meines Vetters, des Hertzogs zu Schwerin Ld. oder durch Ew. Kayserl. Maytt. rechten ausspruch dahin gelangen möchten, daß sie künfftig zur unstreitigen Succession die gewißheit hätten. Nachdem aber nunmehro der Herr über Leben und Tod, allem ansehen nach, mich von dieser Zeitlichkeit abzufordern entschlossen hat, so halte ich mich verbunden, bey Ew. Kayserl. Maytt. noch diese allerunterthänigste Bitte abzulegen, Sie geruhen allergnädigst, es in die Wege zu richten, daß mein respectieuser gehorsamb gegen Ew. Kays. Maytt. Verordnung, gedachten meinen Vettern, und Schwiegersohn, zumahlen da ich solche anstalt aus dieser Consideration gemacht, daß er, auch nach meinem Tode, nicht wieder Ew. K. Maytt. Willen, die Possession in meinem Hertzogthumb ergreiffen wird, nicht zum Praejuditz und schaden gereiche, sondern vermittelst dero allerhöchsten Autorität, ihm so forth, nach meinem seelig erfolgten Absterben, in die Possession dieses Hertzogthumbs, und darzu gehöriger Landen, zu setzen, auch darauf förderst schleunige Erörterung der gantzen Sache, Jhme in petitorio wiederfahren zu laßen; gegen Ew. K. Maytt. bezeuge ich hiebey, mit allem Grund der Wahrheit, daß umb dieses, was an Sie ich jetzo schreibe, weder mein Schwiegersohn, noch dero Gemahlin, meine Tochter, Wissenschafft, Vielweniger mich dazu persuadirt, oder die Affecten gegen dieselbe mich dazu bewogen haben, sondern daß solcher herrühre aus einem Trieb meines Gewißens, auf welches, da ich im begriff stehe, vor den allwißenden Richter des gantzen Erdkreißes bald zu erscheinen, ohne genugsamen Grund, mich nicht beruffen würde; Jch sterbe aber desto Freudiger, weil ich mich versichert halte, es werde Ew. Kays. Maytt., als ein Gott Fürchtender allergerechtester Kayser, dieses alles in allergnädigste Consideration nehmen, allermaßen ich darumb mit unterthänigstem Fleiß Bitte, und, weil dieses vermuthlich das letzte mahl seyn wird, daß Ew. Kayserl. Maytt., ich mit meinem gehorsambsten Schreiben aufwarten kann, so will ich hiemit zugleich von deroselben, mit allergeziemender Reverence, meinen abschied nehmen, und nächst allerunterthänigster Dancksagung, vor alle mir bißhero erzeigte Kays. gnade, selbige auch auf meine Gemahlin und Töchter, ingleichen auch meine Diener und gantzes Land, allergehorsambst ausbitten, und dieselbe allerseits zu dero Kayserl. Hulden und gnaden und besonderer Protection, allergnädigst aufzunehmen, auch über meinen letzten Willen allergütigst zu halten, damit demselben in allem nachgelebet werde. Im übrigen wie ich in der Zeit meines Lebens gegen Ew. K. Maytt. die Schuldigkeit des gebethes nicht unterlaßen habe, Also wünsche deroselben, so lange ich Athem schöpffen kan, die Continuation einer glorieusen, und höchstbeglückten Regierung, und siegreich=gesegnete Waffen, eine vollkommene und beständige gesundheit, und ein biß auf die allerhöchste Lebensstufe bringendes Alter, nächst allem andern Hochwesen, dero Kays. Persohn und gantzen höchst Löbl. Ertz=Hertzogl. Hause; contestire anbey schließlich, (  ...  )
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petenten zugethan zu sein, vielmehr die kaiserliche Entscheidung abzuwarten. 1 ) Am 26. Oktober verschied er zwischen 10 und 11 Uhr Morgens.

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(  ...  ) obgleich bey schwacher Beschaffenheit des Leibes, dennoch aus beständig und allerunterthänigst ergebenen Gemüthe, daß ich in meiner nun bald erwartenden, seel. Todesstunde, mit allertiefster veneration und Ergebenheit sey.
  Ew. Kays. Maytt.
Allerunterthänigster
gehorsamster
Fürst
Gustav Adolph.
1) Der Eid ist erwähnt in der Schrift: Fürstliche Strelitzische, mense Januario 1697 denen Ministris des Nieder=Sächsischen Krayß=Directorii insinuirte Gründliche und Acten=mäßige Vorstellung, in welchem Stande sich die Mecklenb. Güstrowische Successions=Sache befinde, und wie darinnen, biß anhero verfahren worden." Ueber die Zeit, wann er geschworen ist, heißt es hier, es sei kurz vor dem Ende Gustav Adolfs geschehen. Nach dem Wortlaut der betreffenden Stelle des Briefes selbst scheint der Eid bereits vor Absendung des Briefes geleistet zu sein.
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VI.

Das Possessions=Urtheil.

Schritte zur Besitzergreifung des Güstrower Landes durch Friedrich Wilhelm, Adolf Friedrich und die Herzogin=Wittwe.

Am Schweriner Hofe ging es in den Tagen vom 23. Oktober ab recht unruhig zu. Man war hier trotz aller kaiserlichen Inhibitorialia entschlossen, Stadt und Land Güstrow, sobald der Herzog todt sei, in Besitz zu nehmen oder wenigstens das Anrecht des Herzogs auf den Besitz öffentlich kundzuthun; angenommen wurde, daß Adolf Friedrich dasselbe beabsichtige. Da dieser sich in Güstrow befand, so konnten die Schweriner den Vorsprung, den er dadurch hatte, nur durch verdoppelte Schnelligkeit wieder auszgleichen hoffen. Im Voraus waren alle Rollen vertheilt, alle Personen bestimmt, die in die einzelnen Aemter und Städte des Landes gehen sollten, alle Instruktionen bis auf das Datum ausgefertigt. Nur auf rechtzeitige sichere Nachricht von Güstrow kam es an, und diese war, trotzdem man in Güstrow Vertrauensmänner hatte, nicht leicht zu erhalten, da man sich am Güstrower Hofe alle Mühe gab, den wahren Sachverhalt zu verschleiern und das Befinden des Herzogs als günstiger hinzustellen, als es war. Es konnte unter diesen Umständen nicht fehlen, daß widersprechende Gerüchte nach Bützow und Schwerin getragen wurden. 1 ) Den 23. Oktober berichtete Oberstleutnant Schenck aus Bützow, er habe sichere Nachricht, daß Gustav Adolf im Todeskampf liege; er möge wohl schon todt sein. So wurden denn am 24. Oktober, Morgens 4 Uhr, die Geheimen Räthe mit


1) Umgekehrt verbreitete sich den 22. Abends in Güstrow das Gerücht, es seien Schweriner Truppen im Anzuge, um die Stadt mit Gewalt zu besetzen. Noch spät am Abend rief man die Truppen ins Gewehr, ließ alle Posten verdoppeln und rings um die Stadt die ganze Nacht hindurch mit brennenden Lunten patrouilliren, auch die Geschütze laden und neun neu angekommene an der Hauptwache beim Schloß aufpflanzen; selbst die Bürgerschaft erhielt Befehl, ihre Gewehre fertig zu halten.
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dem Generalmajor zu Hofe berufen. Den hier getroffenen Verabredungen zufolge reiste Generalmajor v. Francke um 10 Uhr nach Bützow, und eben dorthin wurde Rittmeister Hoffmann mit einiger Mannschaft beordert. Nächst der Hauptstadt Güstrow selbst war Boizenburg mit seinem Elbzoll der wichtigste Ort des Güstrower Herzogthums. Damit Gruppen für seine Besetzung oder menigstens die des umliegenden Amtes zur Hand seien, wurde Leutnant Boulenne nach Dömitz geschickt mit der Ordre, eine Kompagnie von dort ins Boizenburgische zu führen und der in dieses Amt bestimmte Civilbeamte, Amtsverwalter Schultz, der am Nachmittag des 24. ankam, erhielt seine Instruktion des Inhalts, er solle in die Stadt zu gelangen und die Possession dort wie auch aus dem Amte zu ergreifen suchen und versuchen, den kommandirenden schwedischen Offizier durch Versprechungen von Erkenntlichkeit und Beförderung zu gewinnen, daß er die Besitzergreifung nicht hindere. Auch alle Uebrigen, die dazu bestimmt waren, ins Güstrowsche zu gehen, erhielten Befehl, sich bereit zu halten.

Den 25. reiste Oberjägermeister v. Löwen, der in Bützow war, nach Güstrow, um dort Nachricht einzuziehen. Ehe er zurückkam, sandte der Küchenmeister Oldenburg, der von Bützow nach Schwaan vorausgeschickt war, von dort aus Botschaft, daß der Herzog am 24. noch gelebt habe. Dagegen berichtete Abends um 9 Uhr der zurückgekehrte Oberjägermeister, daß der Sterbefall in Güstrow "wohl gewiß" erfolgt sei, und um dieselbe Zeit erhielt die Herzogin, Friedrich Wilhelms Mutter, Nachricht, daß Gustav Adolf so gut wie todt sei. Darauf empfingen die ins Güstrowsche bestimmten Personen ihre Depeschen. Einige Stunden später aber kam ein Schreiben des Generalmajors, der Herzog solle den 25., Morgens, eine geschlossene Kutsche haben anspannen lassen, um auszufahren, was er aber für falsch halte. Da man in Schwerin der gleichen Ansicht war, daß nämlich diese beabsichtigte Ausfahrt eine Finte der Güstrower sei, die den Todesfall noch zu verheimlichen wünschten, um für Adolf Friedrich Zeit zu gewinnen, so wurde die Abreise sämmtlicher Mandatare angeordnet. Den beiden Schweriner Räthen, Beselin und Vermehren, die auf dem gleichzeitig tagenden Landtag zu Sternberg thätig waren, wurde ein Reskript zugefertigt, adressirt an die Güstrowschen und Schweriner Landräthe und Deputirte, das den Befehl enthielt, nach erfolgtem Todesfall in Friedrich Wilhelms Namen allein mit den Landtagsverhandlungen fortzufahren.

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Allein am 26. gegen Mittag kam aus Güstro der Geh. Rath v. Lehsten in Schwerin an mit einem Schreiben vom 25., das der Herzog, wenn auch mit zitternder Hand, noch selbst unterzeichnet hatte, und mit dem Vorschlage, vorläufig den Erbfolgestreit in der Schwebe zu lassen. War man auch hierzu nicht geneigt, so erfuhr man doch nun, daß der Herzog am 25. und selbst am 26. Morgens früh noch am Leben gewesen sei somit wurden alle gegebenen Befehle widerrufen und Boten ausgesandt, um die Bevollmächtigten zurückzuholen. Allein es erwies sich als unmöglich, die Leute noch rechtzeitig einzuholen, und da am selben Tage sichere Nachricht einlief, daß der Todesfall wirklich eingetreten sei, 1 ) so ergingen Abends um 6 Uhr neue Befehle, die Kommissionen sofort auszuführen, die noch am Abend nachgeschickt wurden.

Die Instruktionen, die den Sendboten mitgegeben wurden, lauteten dahin, daß sie überall an den Amts= und Rathhäusern Blech=Plakate, die sie bei sich hatten, mit Namen und Wappen Friedrich Wilhelms anzuschlagen und dabei zu erklären hätten, daß sie im Namen des jetzt regierenden Herzogs Friedrich Wilhelm Besitz von Amt und Stadt ergriffen; zugleich sollten sie von den Beamten und Gutspächtern, auch von Bürgerschaften und Magistraten in den Städten den Handschlag der Treue fordern. Wenn sie Adolf Friedrichs Wappen bereits angeschlagen fänden, sei es abzunehmen und die Besitzergreifung von Strelitzischer Seite nach Möglichkeit zu verhindern. Jeder Sendbote erhielt einige Soldaten mit, ein Trupp von 28 Mann wurde noch am 27. nachgeschickt, um zu je 4 auf die Aemter Goldberg, Plau, Broda, Stargard, Nemerow, Fürstenberg und Feldberg vertheilt zu werden.

Von Strelitzischer Seite ist behauptet werden, Adolf Friedrich habe beabsichtigt, sich jeder Besitzergreifung zu enthalten, erst als er (d. 26.) erfahren, daß Friedrich Wilhelm in einem Orte nahe bei Güstrow - es ist Schwaan gemeint - um die Mittagszeit des 26. bereits Besitz ergriffen, habe er sich genöthigt gesehen, zur Bekundung seiner Ansprüche sein Wappen in Güstrow an das Rathhaus anheften zu lassen; darauf aber habe er sich beschränkt. So steht zu lesen in einem Bericht, den Graf Eck den 6. November nach Wien sandte. Die letzte Behauptung, daß


1) Der Herzog war bereits todt um die Zeit, als Lehsten in Schwerin eintraf, dessen Sendung den Zweck hatte, für Güstrow Zeit zu gewinnen, damit womöglich inzwischen Graf Eck ankomme.
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Adolf Friedrich sein Wappen nur in Güstrow habe anschlagen lassen, ist indessen unrichtig, gerade wie die Boten Friedrich Wilhelms durchzogen auch Bevollmächtigte Adolf Friedrichs das ganze Güstrowsche Land und hefteten an alle Amts= und Rathhäuser und auf allen Domanialhöfen sein Wappen an oder versuchten es wenigstens. Möglich ist allerdings, daß die Befehle hierzu erst ausgegeben sind, als man Nachricht hatte, daß die Schweriner bereits am Werke seien, die ja schon vor dem Tode des Herzogs am 26. in der Frühe sich auf den Weg machten. Ob aber Adolf Friedrich wirklich die Absicht gehabt hat, keinerlei Handlung zur Besitzergreifung vornehmen zu lassen, falls Friedrich Wilhelm sich dessen enthalte, mag dahingestellt bleiben.

Beide Herzöge fanden in ihrem Bemühen, ihre Rechte auf den Besitz des Herzogthums zur Geltung zu bringen, Konkurrenz von Seiten der Herzogin=Wittwe. Auf Grund des Geheimvertrages mit Schweden vom Jahre 1690 ergingen von Güstrow aus die betreffenden Befehle 1 ) an den Major v. Claßen, den Führer einer Reiterkompagnie in Demmin, der bereits durch Bielke eingeweiht war. Er überschritt mit seiner Kompagnie die Grenze und sandte sie, in kleine Trupps vertheilt, über das ganze Land hin, nicht nur in alle diejenigen Aemter, aus denen der Herzogin und ihren Töchtern Einkünfte angewiesen, sondern auch in die, deren Einkünfte verpfändet waren.


1) Die Ordre ist in den Güstrower Akten erhalten. Die ist datirt vom 26. Oktober und hat folgenden Inhalt: Die schwedischen Reiter haben auf den Aemtern, auf die sie verlegt werden, wenn Fremde ankommen oder sich anmelden, sie zu befragen, in welcher Absicht sie kämen, und ihnen nicht zu verstatten, sich einzulogiren, Besitz zu ergreifen oder auch eine Schrift anzuschlagen, sondern ihnen zu vernehmen zu geben, daß sie da wären, um die Possession wegen der Herzogin zu Güstrow zu behaupten, mit Vermeldung, daß sie königlich schwedische Völker seien. Gleichzeitig werden alle Beamten und Gutspächter angewiesen, die Kavallerie, die der schwedische Major von Claßen in die Aemter schicke, auf die Amtshäuser und fürstlichen Meyerhöfe zu verlegen. Ein beiliegender Blatt enthält Anweisung, daß diese Ordre an die Beamten 12 mal abzuschreiben und an die Aemter Ribnitz, Sülz, Gnoien, Nemerow, Stavenhagen, Ivenack, Stargard, Wanzka, Broda, Strelitz, Feldberg, Wesenberg, Fürstenberg und Neukalen zu senden sei. Schwaan, wohin auch Schweden gingen, wird hierbei nicht genannt, dorthin muß also eine besondere ordre gesandt sein, nach Boizenburg, wo ebenfalls einige Amtspertinenzien der Herzogin zugewiesen waren, wurde der Kammerjunker v. Ketelhot gesandt, mit dem gleichen Auftrag, dort für die Herzogin Posseß zu nehmen; er solle sich dabei der Assistenz des Kapitänleutuants Kurck, des Kommandeurs der dort liegenden schwedischen Kompagnie, bedienen.
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In vielen Fällen war Adolf Friedrich den Schwerinern zuvorgekommen, so in Malchin, Ribnitz, Marlow, Plau, Goldberg, Friedland, Neubrandenburg, Wesenberg, Tessin, Röbel und Nemerow. 1 ) Ueberall fanden hier die Schweriner schon das Strelitzer Wappen angeheftet, nahmen es ab und ersetzten es durch das Schweriner. In Neukalen ward Friedrich Wilhelms Wappen den 28. Oktober an das Thorhaus angeschlagen. Während darauf in der Stadt mit Bürgermeister und Rath verhandelt ward, kam ein Kammerschreiber Adolf Friedrichs und ließ in aller Stille dessen Wappen an das Amts= wie Rathhaus heften; beide wurden sofort wieder abgenommen und zwei Reiter auf dem Amtshauss einquartirt. Aehnlich ging ess in Gnoien. Hier aber erschien darauf ein sschwedischer Korporal mit zwei Reitern und ließ das Schweriner Wappen vom Amts= wie Rathhauss wieder abreißen. Auss Sülze, Stargard und Wanzka wird berichtet, daß man dort schon Schweden vorgefunden, die nicht gestattet hätten, daß Friedrich Wilhelms Wappen angeschlagen werde. 2 )

Ein Unterschied zwischen dem Verfahren der Strelitzer und der Schweriner lag darin, daß Adolf Friedrichs Boten sich, so viel ersichtlich, überall mit stillschweigender Anheftung seines Wappens begnügten, während die Friedrich Wilhelms dabei einen notariell beglaubigten Akt der Besitzergreifung vornahmen und von den Beamten wie in den Städten den Handschlag der


1) Nach Adolf Friedrichs eigener Angabe (Syll. Nr. 24) hat er sein Wappen in den Städten und Aemtern Güstrow, Neu=Brandenburg, Plau, Röbel, Wredenhagen, Wesenberg, Strelitz, Wantzka, Malchin, Goldberg, Ivenack anschlagen lassen.
2) In Fürstenberg ward das Anschlagen des Schweriner Wappens durch zwei schwedische Reiter verhindert; als aber dem Schweriner Beamten auf dem Wege nach Woldegk die zu seiner Unterstützung bestimmten Soldaten (ein Gefreiter und drei Musketiere) begegneten, kehrte er mit ihnen wieder um, nahm Adolf Friedriche Wappen, das die Schweden an dieser Stelle unangetastet gelassen hatten, trotz des Protestes der beiden Schweden, die dabei zugegen waren, ab und heftete das Schweriner an. Hier verfahren also die Schweden parteiisch für Adolf Friedrich. Das Gleiche wird aus Feldberg und Wesenberg berichtet. Von Feldberg heißt es ausdrücklich, daß die zwei Schweden behauptet hätten, von Adolf Friedrich dorthin verlegt zu sein, in Wesenberg treten sie als Begleiter des Stadtvogtes von Strelitz auf. Es muß also Adolf Friedrich gelungen sein, eine kleine Abtheiluug Schweden in seinen Dienst zu ziehen, wenn nicht vielleicht ein Irrthum der Berichterstatter vorliegt, die den Schweden ähnlich gekleidete Leute Adolf Friedrichs für Schweden hielten.
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Treue forderten, der ihnen freilich fast überall unter Hinweis auf das kaiserliche Inhibitorium geweigert ward. 1 )

Bei diesem bunten Treiben ging es nicht ganz ohne Gewaltthätigkeiten ab. Ein Gewaltstreich war es schon, daß Friedrich Wilhelm das Siegel Gustav Adolfs beim Landgericht zu Parchim, dessen Auslieferung von dem Präsidenten und den Richtern verweigert ward, durch einen Korporal fortnehmen ließ (d. 28. Oktober). Schlimmer noch war, daß ein Notar, den Adolf Friedrich nach Boizenburg sandte, um dort Besitz zu ergreifen, unterwegs in Banzkow festgehalten und nach Schwerin gebracht ward, wo er sich übrigens dazu gewinnen ließ, im Auftrage Friedrich Wilhelms mit einem Schreiben an Bürgermeister und Rath nach Güstrow zu gehen. Ein zweiter Notar, den der Geh. Rath v. Scheres im Namen der Herzogin=Wittwe nach Boizenburg sandte, ward ebenfalls von den Schwerinern sistirt.

Auf der anderen Seite wurden einem von Bützow aus nach Gnoien und Neukalen gesandten Boten von einem schwedischen Unteroffizier mit zwei Reitern die Ordre und die Wappen, die er bei sich trug, gewaltsam abgenommen und nach Güstrow gesandt.

Ein kriegerischer Zusammenstoß zwischen den schwedischen und Schweriner Truppenabtheilungen ward, obgleich die Schweden, wo sie in der Mehrheit waren, recht brüsk auftraten,vermieden. Am größten war die Gefahr eines solchen in Schwaan und in Boizenburg. In Schwaan hatte der schwedische Sergeant, der auf das Amt gesandt war, auch einige Leute auf den Bauhof gelegt. Als darauf der schwerinische Rittmeister Hoffmann ihn scharf zur Rede stellte und ihm abzuziehen anbefahl, sandte Major Claßen noch einen Kornet, einen Korporal und 9 Reiter, um sich auf dem Bauhof einzuquartiren,


1) Schwaan ist die einzige Stadt, von der berichtet wird, daß die Beamten, und Bürgermeister und Räthe mit Handschlag versprochen hätten, nach Gustav Adolfs Tod keinen als Friedrich Wilhelm für ihren Landesfürsten und Herrn zu erkennen und anzunehmen. Davon abgesehen ward der Handschlag nur in ganz vereinzelten Fällen geleistet, nämlich von den Bewohnern des Doberanschen Hofes in Rostock, von dem Zöllner zu Blücher im Boizenburgischen, der dafür von Amtmann Thile einen scharfen Verweis erhielt, auch von den Pächtern der Domänen, die im Amte Boizenburg von den Schweriner Truppen besetzt waren, und von den beiden Amtmännern Müller und Schultze im Amte Broda. Dies die einzigen Fälle, die in den sehr ausführlichen und vollständigen Akten über die Besitzergreifung sich finden.
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während auch Hoffmann einen Trompeter und vier Leute ebendort einlogirte, was die Schweden geschehen ließen. Auch jeder andere Domanialhof im Amte Schwaan ward mit Schweden (2 Reitern und 1 Musketier) und je einem Schweriner Musketier zugleich belegt. Man vertrug sich indessen, und es begann ein recht fröhliches, kameradschaftliches Leben. Es wird berichtet, daß auf jedem Hofe von den Soldaten binnen 5 Tagen eine Tonne Bier ausgetrunken sei.

In Boizenburg war es d. 28. Oktober Amtsverwalter Schultz gelungen, von der Thorwache unbeanstandet ins Marktthor zu gelangen. Er ging auf das Amtshaus, wo er in Abwesenheit des Amtmanns Thile, der gerade in die Stadt gegangen war, das Plakat mit Friedrich Wilhelms Wappen anheftete, ward aber darauf mit seinem Notar durch die schwedische Wache zum Thore hinausgeleitet und das wiederabgenommene Wappenblech auf seinen Wagen geworfen. Als darauf die Nachricht von der Annäherung der Schweriner Kompagnie aus Dömitz einlief, setzte man die Garnison in Bereitschaft, verschloß die Thore und ließ auch die Bürgerschaft ins Gewehr treten. Die Schweriner sahen indessen, da sie sich überzeugten, daß die Schweden nicht zu gewinnen sein würden, von jedem Angriff auf die Stadt ab und vertheilten sich zu je 6 bis 10 Mann auf die Meierhöfe im Amte. Schon am 30. erging von Schwerin aus Befehl an Boulenne, nur 1 oder 2 Mann auf jedem Meierhof, wo man Possession ergriffen, zu lassen und mit den übrigen wieder nach Dömitz zu marschiren. Anfang November wurden dann auch Schweden auf die Höfe hinausverlegt, doch ohne daß daraus Streitigkeiten entstanden.

Die Einsetzung der Provisionalregierung.

Während überall im Lande bis in den November hinein diese Szenen der konkurrirenden Besitzergreifung spielten, hatten die Verhältnisse in Güstrow selbst schon seit dem 27. eine andere Gestalt gewonnen. Die Güstrowschen Geheimen Räthe waren angewiesen, bei eintretendem Todesfall sich keinem der beiden Prätendenten anzuschließen, sondern auf kaiserliche Verordnung zu warten, die ihnen Graf Eck überbringen werde. Sie verfuhren demgemäß, und obgleich sie nicht hinderten, daß Adolf Friedrich in der Nacht vom 26. zum 27. sein Wappen an das

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Rathhaus heften ließ und es auch unangetastet ließen, so gingen sie doch keinerlei Verpflichtung ihm gegenüber ein. 1 )

Graf Eck war am Todestage des Herzogs bereits unterwegs, die Nacht vom 25. zum 26. brachte er in Boizenburg, die folgende in Crivitz zu. Hier hatte er mit den beiden Schweriner Räthen Bünsow und Taddel eine Unterredung, worin er sie auf die kaiserlichen Inhibitorialia verwies, ohne damit Eindruck auf sie zu machen. 2 ) Am Sonntag, den 27., um die Zeit des Morgengottesdienstes kam er in Güstrow an, wo er den 28. die Geheimen Räthe und die Landräthe, die anmesend waren, ver=


1) Der Generalmajor von Oesterling scheint hiervon eine Ausnahme gemacht zu haben; nach Franck, Altes und Neues Meklenburg, Lib. XVI, S. 51 soll sein Adjutant den 27. dem Bürgermeister einen Befehl gebracht haben im Namen S. Dhl. und auf die Frage, wer Jhro Durchl. wäre, geantwortet haben, der Bürgermeister werde es wohl aus dem am Rathhause angeschlagenen Wappen ersehen haben, daß Herzog Adolf Friedrich ihr Landesherr sei. Der Bürgermeister habe dies dem Rathskollegium berichtet und dieser habe beschlossen, die Sache mit der ganzen Bürgerschaft zu überlegen, was erst am folgenden Tage, dem Montag, geschehen könne, also um einen Tag Aufschub gebeten. Oesterling habe diesen gewährt unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Ankunft des Grafen Eck. Freilich wird Francks Darstellung in ihrer Zuverlässigkeit dadurch erschüttert, daß sein Bericht kurz vorher nachweislich einige Unrichtigkeiten enthält. Seine Behauptung (S. 49), daß kurz vor des Herzogs Tode 4 Kompagnien Kreisvölker auf Grund der kaiserl. Verordnung v. 15. August nach Güstrow gekommen, die Oesterling kommandirt habe, ist falsch. Die Kreisvölker sind erst Anfang des folgenden Jahres gekommen, und Oesterling hat sie niemals befehligt. Auch die Auffassung Francks von den Verhandlungen zwischen Oesterling und dem Bürgermeister Klevenow über Bewaffung der Bürgerschaft nach Gustav Adolfs Tod ist schwerlich richtig. Die Aufforderung an die Bürgerschaft hat nicht den Zweck gehabt, "Adolf Friedrich unvermuthet in Possession zu setzen," wie Franck meint, sondern keinen andern als den vom Geh. Rathskollegium angegebenen, daß man sich wider Gewalt, die man ja von Schwerin befürchtete, schützen wolle. Allein was Oesterlings oder seiner Adjutanten Auftreten am 27. betrifft, so erhält dies eine Beglaubigung durch die Beschuldigung, die sich in den Schweriner Akten ohne weitere Angabe von Gründen gegen den Generalmajor findet, daß er sich nach Gustav Adolfs Tode zu Gunsten Adolf Friedrichs kompromittirt habe. Oesterling scheint sich also in der That nicht ganz korrekt verhalten zu haben, doch gab er etwaige Absichten, für Adolf Friedrich einzutreten, sobald Graf Eck angelangt war, sofort auf, lieferte diesem die Thorschlüssel aus und ertheilte schon d. 28. im Namen des Kaisers die Parole.
2) Nach seinem Berichte zuckten die Räthe die Achsel und erklärten, der Kaiser sei ihnen ein wenig zu weit, interim seien beati possidentes, und wenn sie Possession zu nehmen unterließen, würde es der andere Theil doch thun.
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sammelte und ihnen die kaiserliche Willensmeinung eröffnete, daß das Geheime Rathskollegium bis zur Entscheidung des Successionsstreites die Regierung im Namen des Kaisers weiter zu führen habe.

Nicht ganz bedingungslos übernahmen die Räthe diesen Auftrag, faßten vielmehr ein Schriftstück ab, in dem sie folgende 12 Forderungen aufstellten: 1. alles in statu quo zu lassen, 2. die Regierung nicht als Sequestration, 1 ) sondern als eine Provisionalregierung einzurichten, 3. der Herzogin=Wittwe, ihren Töchtern, den Räthen und dem Lande ein Protektorium zu ertheilen, 4) der Herzogin zu dem, was ex pactis und sonst ihr zukomme, zu verhelfen, besonders auch zu verordnen, daß ihr nicht zugemutet werde, die Residenz zu verlassen, bis ohne ihre Kosten das Wittthumhaus (Dargun) gebührend eingerichtet sei, 5. die Prinzessinnen des Allods und anderer Ansprüche halber von dem Nachfolger völlig befriedigen zu lassen, 6. das Testament zu bestätigen, 7. die Ueberschüsse zur Abtragung der Schulden, in specie zur restirenden Besoldung der fürstlichen Diener anwenden zu lassen, 8. es in die Wege zu richten, daß die kreisausschreibenden Fürsten den Räthen nichts zumutheten, was dem, was sie jetzt thäten und was ihnen vom Kaiser künftig befohlen werde, zuwiderlaufe, 9) keine Kreis= oder andere Truppen mehr in das Herzogthum einlegen zu lassen, wogegen auch der Abzug der schwedischen Truppen befördert werden solle, 10. den kommandirenden Generalmajor als Kommandanten zu bestätigen, 11. das Güstrowsche Militär zu Pferde und zu Fuß nicht abzudanken, unterzustecken oder außerhalb Landes beordern, sondern im Lande zu lassen und in gutem Stande zu erhalten, 12. das Militär, Offiziere wie Gemeine, vom Lande ohne Beschwerung der Kammer, wie bisher, unterhalten zu lassen.

Durch dieses alles solle, so betheuern die Räthe am Schlusse des Aktenstückes, derjenigen Pflicht, womit ihrem Herrn sie verwandt gewesen, wie auch dem Traktat mit dem König zu Schweden, den er gemacht, nicht präjudicirt werden.

Eck verlangte, als er in diese Forderungen Einsicht genommen, eine Erklärung wegen des Vertrages mit Schweden. Die Räthe gaben sie dahin ab, daß in demselben wider Kaiser und Reich nichts enthalten sei, sondern er nur auf die Wahrung der Ruhe


1) Dies bedeutet Beschlagnahme durch den Kaiser, wodurch die Gefahr entstand, daß das Land, falls die streitenden Herzöge sich nicht einigen konnten, österreichisch ward.
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und Sicherheit in den aneinander grenzenden Ländern beider Fürsten abziele, auch eine Vereinbarung dahin zu wirken enthalte, daß der Herzogin und ihren Töchtern, was ihnen zustehe, ohne Abbruch und Hinderung zukommen möchte. Auf Ecks Versicherung hin, dies alles an den Kaiser berichten zu wollen, von dem er günstige Entscheidung zuversichtlich erhoffe, leisteten die Räthe wie der Kommandant den 30. Oktober ein vorläufiges Handgelübde, die Provisionalregierung übernehmen zu wollen, und erklärten das gleiche in einem Schreiben an den Kaiser vom selben Datum, in dem sie auf die Punkte hinwiesen, die sie Eck übergeben, ebenfalls noch am 30. wurden die Güstrower Truppen 1 ) (3 Kompagnien) für die kaiserliche Provisionalregierung eidlich in Pflicht genommen.

Den 2. November ward ein Patent erlassen, in dem Graf Eck im Namen des Kaisers den Beamten und Einwohnern des Herzogthums die Uebernahme der Provisional=Regierung durch das Geheime Rathskollegium anzeigte und sie zum Gehorsam gegen dieselbe aufforderte. Nirgends im Lande erhob sich Widerstand oder Widerspruch, überall ward der verlangte Treueid willig geleistet. Die Aufgabe des Grafen war allerdings hiermit noch nicht gelöst, es lag ihm noch viererlei ob, einmal die Verhandlungen wegen der von den Räthen gestellten 12 Bedingungen zu beendigen, zweitens die beiden Herzöge zu veranlassen, daß sie ihre zur Ergreifung der Possession gethanen Schritte rückgängig machten, sich der Entscheidung des Kaisers unterwürfen und, wie dieser es wünschte, die Hamburger Vermittelungs=Kommission beschickten, drittens die Entfernung der Schweden aus dem Lande zu erwirken, wozu die Sicherstellung der Ansprüche der Herzogin=Wittwe und ihrer Töchter die Voraussetzung bildete, und viertens zu verhüten, daß die Kreisdirektoren jetzt noch Truppen in das Land einrücken ließen. Die Aufforderung, die hierzu d. 15. August ergangen war, hatte einen bedingten Wortlaut, ihre Ausführung erschien jetzt unnöthig, da sich der Uebergang der Regierung in die Hände des kaiserlichen Bevollmächtigten ohne jede Schwierigkeit vollzogen hatte. Das Einrücken von Kreistruppen erschien unter diesen Umständen als eine unnütze Belastung des ohnehin so arg verschuldeten und zerrütteten Landes; auch mußte es eine entschiedene Stärkung des Ansehens des Kaiserhofes in Deutschland bedeuten, wenn es ihm gelang, ganz aus eigener Machtvollkommenheit ohne Hülfe


1) Die Boizenburger Kompagnie wurde durch Major Schildknecht d. 7. Nov. mit den dortigen Beamten zugleich vereidigt.
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der Kreisdirektoren den bedrohten Reichsfrieden an der für Wien so entlegenen Nordgrenze zu wahren und das erledigte Reichsland über das Zwischenstadium bis zur Schlichtung des Streites, die ebenfalls unter unmittelbarer Leitung und unter Mitwirkung des Kaiserhofes zu erfolgen hatte, hinüberzuführen. Somit schrieb Graf Eck sogleich nach Konstituirung der Provisionalregierung an alle drei Kreisdirektoren und ersuchte sie, keine Truppen zu senden, da sie unnöthig seien, und der in Berlin weilende Güstrowsche Legationsrath v. Calnein erhielt Weisung, am Berliner Hofe in demselben Sinne zu wirken.

Daß freilich die Kreisdirektoren eine ganz andere Auffassung von jenem kaiserlichen Reskript hegten, hatten sie in Schwerin unmittelbar nach Empfang der Todesanzeige durch Vernstorff kundgeben lassen, der in einem Schreiben vom 28. Oktober im Namen der drei betheiligten Regierungen dem Herzog Friedrich Wilhelm notifizirte, daß ihnen die Sequestration des erledigten Güstrowschen Landes übertragen sei.

Von den Antworten der Kreisdirektoren auf Ecks Schreiben ist die Georg Wilhelms von Celle im Schweriner Archiv erhalten. Sie macht aus dessen Unzufriedenheit kein Hehl: "Es wäre," heißt es, "zu wünschen gewesen, wan diese sache etwas zeitiger durch diensame mittel praepariret - were. Bei jetzigem Zustande sei das Werk schwerer geworden, und ohne vorgängige Communication mit den übrigen Directoren. schwerlich etwas mit gutem effect auszurichten." Die leitenden Mächte des Kreises zeigten sich also keineswegs geneigt, sich jedes Einflusses auf die Erledigung des Streites wie die zu treffenden vorläufigen Maßregeln zu begeben; ein Konflikt zwischen dem Kaiserhof und den Kreisdirektoren war im Anzuge, der allerdings erst im Beginn des folgenden Jahres akut ward. 1 ) Für Brandenburg und Celle kam noch in Betracht, daß noch immer schwedische Truppen im Güstrowschen standen. Sie ließen deswegen schon in den ersten Tagen des November in Güstrow erklären, falls diese nicht entfernt würden, so würden sie genöthigt sein, die gleiche Anzahl von ihren Truppen ins Land zu legen.

Am Schweriner Hofe herrschte zuerst Neigung, sich an die kreisausschreibenden Mächte anzuschließen, von denen ja zwei Schwerin nicht abgeneigt waren und die dritte eben mit Hülfe der zwei andern wohl am leichtesten in Schach zu halten war.


1) Calnein berichtete d. 7. Nov. aus Berlin, daß 400 Mann von der Garde von Berlin aus nach der Meklenburgischen Grenze abgerückt seien. Sie blieben dort vorläufig stehen.
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Friedrich Wilhelm beantwortete deshalb das Schreiben Bernstorffs durch Absendung des Rathes Vermehren an Bernstorf den 1. November mit einem Memorial, in dem darauf gedrungen wurde, daß keinem der drei Kreisdirektoren besondere Befugnisse eingeräumt, vielmehr die schwedischen Truppen weggeschafft würden, und daß die Interims=Regierung mit Vorwissen und Einwilligung Friedrich Wilhelms eingerichtet und keine verdächtigen Personen dabei gebraucht würden; auf diese Bedingungen hin sei der Herzog erbötig, was er in Besitz genommen, den Sequestratoren zu übertragen, doch müsse auch Adolf Friedrich sich ebenfalls aller vermeintlich ergriffenen Possession begeben.

Wenn dieses Memorial noch am 1. November hat unterzeichnet werden können, obgleich man in Schwerin schon den 31. durch den nach Güstrow gesandten Oberstallmeister v. Bibow Kenntniß von der am 30. in Güstrow vollzogenen Eidesleistung hatte, so muß man daraus schließen, daß man in Schwerin im ersten Augenblick von einem Anschluß an die Kreisdirektoren sich mehr Vortheil versprach, als von einer sofortigen Anerkennung der neuen Güstrower Regierung. 1 ) Indessen stellte sich schon im November ein Einvernehmen zwischen Graf Eck und Schwerin her, in Folge dessen man in Schwerin die Verhandlungen mit den Kreisdirektoren abbrach und sich jeder Parteinahme in der sich herausstellenden Meinungsverschiedenheit zwischen diesen und dem Kaiserhofe über die Sequestration enthielt.

Graf Eck soll, wie sein Sekretär im Dezember Varenius erzählte, Anfangs von der Strelitzer Herrschaft sehr eingenommen gewesen sein, wozu besonders beigetragen, "daß Herr Gutzmer ihm eine tiefe Reverenz mit einem Beutel voll rother Dinge gemacht" habe, allein bald darauf, und wie Herr John aus Eutin nach Güstrow gekommen, habe sich das Blatt gewandt, und er habe demnächst den Gutzmer zu verschiedenen Malen "verteufelt hart angefahren", auch seien seine Briefe nach Wien ganz anders eingerichtet gewesen. Hierzu stimmt, daß Graf Ecks erster Bericht nach Wien, von dem oben die Rede war, entschieden Voreingenommenheit gegen Schwerin zeigt, die später nicht wieder zu bemerken ist.


1) Der Geh. Rath v. Bünsow schrieb noch d. 6. Nov., es werde Friedrich Wilhelm "avantagieuser sein, wegen der Sequestration mit dem Kreise als mit dem kaiserlichen Hofe allein zu schaffen zu haben, es müsse aber, um Eck nicht zu disgustiren, scheinen, als wenn der Kreis sich ex officio und Mandato Caesareo suffultus darin meslire."
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Die erste Beziehung zwischen dem Schweriner Hofe und dem Grafen Eck nach Gustav Adolfs Tode stellte Bibom her, der schon am Todestage des Herzogs nach Güstrow ging, um der Herzogin Friedrich Wilhelms Beileid zu bezeugen. Er erhielt Anweisung (d. 30. Oktober), dem Grafen mitzutheilen, wodurch Friedrich Wilhelm bewogen werden, Possession im Güstrowschen zu nehmen, und um Verfügung zu ersuchen, daß Adolf Friedrich die Residenz verlasse und seine daselbst angehefteten Wappenschilder wieder abnehmen lasse. Den 1. November lief ein Schreiben des Grafen ein mit der Anzeige, daß eine kaiserliche Provisional=Regierung konstituirt sei. Es werde im Interesse Friedrich Wilhelms liegen, wenn er von der Possession abstehe und die Sache schlechterdings Kaiserlicher Verordnung anheimstelle. Man möge sich wegen der gemeinschaftlichen Angelegenheiten mit der Interims=Regierung in Verbindung setzen und auch die im Güstrowschen liegenden Soldaten abberufen; es solle dann mit den von Adolf Friedrich einquartirten ebenso gehalten werden. Darauf ward den 4. November zunächst Varenius an Eck gesandt mit der Versicherung, daß Friedrich Wilhelm sich fügen werde. Und auch Adolf Friedrich gab schon Anfang November die gleiche Erklärung ab. Die Einigung ward dadurch erleichtert, daß die Provisional=Regierung sich beeilte, der Herzogin=Wittwe beruhigende Zusicherungen wegen ihrer Witthumsforderungen zu geben, auch das kaiserliche Protektorium ihr übergeben ward und sie daraufhin nicht nur den 7. und 9. November dem Major Classen mit seinen Leuten den Abzug aus dem Lande anbefahl, sondern auch schon den 4. November in ihrem Namen durch die Geheimen Räthe ein Schreiben an den König von Schweden absenden ließ, worin sie um Abberufung aller schwedischen Truppen, der in Güstrow wie der in Boizenburg liegenden, ersuchte. 1 )

Den 14. November bekam Eck eine Staffette aus Wien mit dem ernstlichen Befehl, beide Kompetenten noch vor eintreffen der "scharfen kaiserlichen Mandate" dazu zu veranlassen, daß sie ihre ver=


1) Aus diesem Schreiben geht zweierlei hervor, worüber sonst keine Nachricht - wenigstens in dem hiesigen Archiv - vorhanden ist, 1. daß beide Herzoge schon vor Abfassung des Schreibens, vermuthlich also Friedrich Wilhelm schon vor Absendung von Varenius, der erst am 5. Nov. mit Eck gesprochen haben wird (seine Relation ist v. 6.), bereits erklärt hatten, "Jhre ergriffene Possession in die Hände Jhr. Kays. Maytt. zu resigniren," 2. daß Brandenburg und Lüneburg schon damals gedroht hatten, wenn die Schweden nicht bald abmarschirten, ebensoviel von ihrer eigenen Mannschaft ins Land legen zu wollen.
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meintlichen Besitzrechte dem Kaiser allein überließen, wie auch der Kaiser in der Interims=Regierung sich Niemanden an die Seite treten lassen werde; die Vermittelungskommission solle fortgesetzt werden. Auf Grund dieses Befehls setzte sich Graf Eck sofort mit dem Bischof von Lübeck in Verbindung, und beide erließen den 18. November ein Schreiben, worin sie den beiden Herzögen von der Kaiserlichen Willensmeinung Mittheilung machten und die erste Kommissionssitzung auf den 13. Januar 1696 in Hamburg festsetzten.

Friedrich Wilhelm hatte schon den 19. November durch Vermehren, den er an den Grafen gesandt, seine guten Gesinnungen betheuern lassen und beantwortete das Einladungsschreiben der Kommission den 3. Dezember mit der Versicherung, daß er die Kommission beschicken werde. An demselben 3. Dezember lief in Schwerin ein Kaiserliches Reskript ein, das mit einem ähnlichen an Adolf Friedrich adressirten zu den in Aussicht gestellten "scharfen" Mandaten gehörte. Sie waren mit anderen zusammen, die sämmtlich vom 28. November datirt waren, das Resultat der Verhandlungen in Wien vom 16. bis 22. November, wo nicht nur verschiedene Relationen des Grafen Eck und das Schreiben der Güstrower Räthe vom 30. Oktober, sondern auch Klagen der Herzogin=Wittwe und Adolf Friedrichs über die gewaltsame Besitzergreifung Friedrich Wilhelms mit der Bitte um Rechtshülfe vorlagen. In dem Reskript an Friedrich Wilhelm giebt ihm der Kaiser sein Mißfallen über die eigenmächtige Besitzergreifung und die gewaltthätige Festnahme des Strelitzer Notars zu erkennen und befiehlt Rücknahme der besitzergreifenden Akte, Abführung der Truppen aus dem Güstrowschen, Rückgabe des Parchimschen Siegels, Abnahme der Wappenschilder sowie Unterwerfung unter die Kommission und deren Beförderung mit der Versicherung, daß dem Herzog die Aufgabe seiner vermeintlichen Possessions=Akte für seine Rechte unpräjudicirlich sein solle, da die Provisional=Regierung nur zu dem Ende angeordnet sei, damit ein Jeder, was ihm zukomme, durch gütliche Verhandlung oder Rechtsspruch ohne kostbare Sequestrations=Verordnung leicht und ohne Weitläufigkeit erhalten könne.

Dies Reskript wird den letzten Anstoß gegeben haben, daß nunmehr ungesäumt, wie schon vorher beabsichtigt war, Vermehren noch einmal, um definitiv abzuschließen, nach Güstrow gesandt ward. Den 5. November reiste er hinüber und verhandelte am 6. mit Eck. Nach seiner Instruktion hatte er eine

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Anzahl Bedingungen zu stellen, deren wichtigste waren, daß Adolf Friedrich Güstrow sowie alles in Besitz Genommene räumen solle, und daß das Regierungskollegium in Güstrow umzugestalten sei, insbesondere der Generalmajor v. Oesterling und der Geheime Rath v. Scheres, die für Freunde des Strelitzers galten, daraus zu entfernen seien. Die Hauptschwierigkeit ward dadurch erledigt, daß Adolf Friedrich an eben dem 6. Dezember nach Strelitz abreiste 1 ) und in der Nacht vom 7. auf den 8. auch sein Wappen abgenommen ward. Darauf gab Friedrich Wilhelm den Befehl, daß auch die Schweriner Wappen im Lande Güstrow, wo sie sich noch befänden, entfernt würden. 2 )

Adolf Friedrich hatte kurz vor seiner Abreise dem Grafen ein Schreiben einhändigen lassen, das vom 4. Dezember datirt war und in dem er erklärte, daß er zum 13. Januar noch keinen seiner Räthe zu den Kommissionsverhandlungen nach Hamburg schicken könne, weil er erst eine Anzahl Dokumente aus dem Schweriner Archiv, deren Auslieferung - in beglaubigter Abschrift - ihm bisher geweigert sei, in Händen haben müsse und auch noch die Adjunktion eines Dritten in die Kommission, die er in Wien nochmals beantragen wolle, erwarte. In denselben Tagen erfolgte auch die endgültige Vereidigung der Geheimen Räthe zur Provisional=Regierung. In einem Kaiserlichen Schreiben an Eck, ebenfalls vom 28. November datirt, waren den Räthen die von ihnen gestellten Bedingungen fast ausnahmslos bewilligt. Das gewünschte Protektorium lag bei, ebenso ein Schreiben an die Räthe, worin ihnen die Regierung nochmals aufgetragen mard; auch die Eidesformel, die sie schwören sollten, war beigegeben. Sie leisteten den Eid den 7. Dezember. Darauf reiste Eck aus Güstrow wieder nach Hamburg.

Das Einrücken der Kreistruppen.

Erst nachher bekam er einen Brief des Reichshofraths v. Andler, er möge nicht eher aus Güstrow gehen, als die Schweden wirklich abgezogen. Diese waren nämlich trotz des Schreibens der Herzogin vom 4. November geblieben, was


1) Er kam allerdings im nächsten Jahre wieder zur Besorgung der Leichenfeierlichkeiten und Regulirung des Nachlasses. Erst den 26. März 1696 reisten er wie seine Gattin endgültig ab.
2) An dem Doberaner Hof in Rostock befand sich allerdings noch am 26. Juli 1696 das Schweriner Wappen; ob es darauf abgenommen ist, habe ich nicht erfahren können.
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freilich Eck, auch wenn er länger in Güstrow verweilt hätte, nicht hätte hindern können.

Das Verbleiben der Schweden aber war die Haupttriebfeder für die beiden andern kreisausschreibenden Mächte, auf einer gemeinsamen Besetzung des Güstrower Landes von Seiten des gesammten Kreisdirektoriums, wie sie in dem kaiserlichen Reskript vom 13. August 1695 eventuell in Aussicht genommen war, ohne dad gegen den Willen des Kaisers zu bestehen. Mit Schweden, uns nicht den Schein auf sich laden wollte, eigensüchtige Zwecke im Güstrowschen zu betreiben, ward ein Einvernehmen erreicht, wonach es sich verpflichtete, nach Einrücken von je einer Kompagnie von Brandenburgern und Lüneburgern nur die gleiche Anzahl in Güstrow zu lassen. Ein schwedischer Offizier, Oberstleutnant v. Klinckowströhm, ward zum Kommandeur der vereinigten Streitmacht bestimmt, die in Eid und Pflicht des Kreisdirektoriums treten sollte.

Alle diese Vorgänge fanden ihren Wiederhall im Reichhofrath in Wien, wo überdies inzwischen wieder einige Eingaben von Schwerin und Strelitz eingelaufen waren, 1 ) und gaben mit diesen zusammen Anlaß zu einer neuen Expedition kaiserlicher Reskripte, datirt vom 11. Februar 1696. Das an Adolf Friedrich gerichtete enthält unter Abschlag seines Antrages auf Verstärkung der Kommission 2 ) die Mahnung, die Kommission nicht weiter zu verzögern; Graf Eck habe gemessenen Befehl, bei den Kommissionsverhandlungen, also nicht vorher, wie Adolf Friedrich beanspruchte, ihm die gewünschten Dokumente mitzutheilen; wenn er die Kommission antrat, werde sich der Kaiser wegen der gewünschten 1000 Th. monatlicher Zahlung entschließen. Die Provisionalregierung wurde angewiesen, die Hin= und Wiederreise Adolf Friedrichs nach Güstrow sowie das Verbleiben eines


1) Adolf Friedrich hatte in mehreren Eingaben, die d. 9. Januar 1696 beim Reichshofrath verzeichnet wurden, seinen Anwalt Koch um Verorduung bitten lassen, daß er aus den Einkünften des erledigten Herzogthums monatlich 1000 Th. erhalte, hatte ferner um Zuspruch des Besitzes von Güstrow angerufen, und seine durch die Besitzergreifung gewonnenen Rechte in die Hände des Kaisers gelegt, nicht ohne Vorbehalt seiner Ansprüche auf das Land, auch dabei gebeten, die Kommission durch den König von Schweden oder den Churfürsten von Brandenburg zu verstärken. Friedrich Wilhelm hatte schon im Dezember (pr. 7. Dez.) um Erneuerung der Investitur über Meklenburg=Güstrow und Anberaumung eines Termins zur Ableistung des Lehnseides ersucht.
2) Als Grund dafür wird angegeben, daß dann Schwerin ebenfalls noch ein neues Mitglied begehren werde und dadurch die Sache weitläuftiger und kostspieliger, auch gefährlicher werde.
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seiner Räthe dort nicht zu gestatten. An Schweden erging ein Schreiben mit nochmaliger Aufforderung, die Truppen aus dem Güstromschen zurückzuziehen. Es sei dort Alles in ruhigem Stande, auch sei Befehl gegeben und unter heutigem Datum erneuert, der Herzogin=Wittwe und ihren Töchtern ihre berechtigten Forderungen zu befriedigen. Die beiden andern Kreisdirektoren wurden aufgefordert, keine Truppen zu senden, es sei Verordnung zur Beschleunigung der Kommission ergangen.

Die Reskripte blieben, soweit sie die Kreisdirektoren betrafen, völlig wirkungslos, ebenso auch der Versuch Friedrich Wilhelms, der in Bezug auf das Kreisdirektorium andern Sinnes geworden war, noch in letzter Stunde die beabsichtigte Maßregel rückgängig zu machen 1 ) und der ins Güstrowsche bestimmten Lüneburger Kompagnie den Durchzug zu versagen. Den 18. Februar überschritt eine Kompagnie Lüneburger unter Kapitän Schönberg in der Stärke von 107 Mann bei Hitzacker die Elbe, blieb die Nacht im Lauenburgischen, marschirte den 19. bis nach Zierzow, den 20. bis Vietlübbe, eine Meile von Plau, und rückte den 21. in Plau ein, wo am selben Tage eine Kompagnie Brandenburger, 111 Mann stark, zu ihr stieß. Beide Kompagnien blieben hier vorläufig stehen 2 ) und beriefen sich, den Abgesandten der Provistonalregierung gegenüber, auf ihre Ordre.


1) Auf zwei Schreiben von ihm, datirt aus Hamburg, wo er sich damals aufhielt, vom 15. und 19. Februar, welche die Antwort bildeten. auf eine Anzeige des Herzogs Georg Wilhelm und Bitte um Verstattung des Durchzuges, erwiderte Georg Wilhelm d. 10. März: Der Kaiser habe zu dem Entschluß des Kreisdirektoriums durch sein Schreiben vom 13. August 1695 Veranlassung gegeben, das Absehen sei auf die Beruhigung des Herzogthums (leerer Verwand!) und Verhütung aller etwa in demselben zu besorgenden Ungelegenheiten, nächstdem auch (und dies war die Hauptsache) zur "conservation derer dem Krayß=Directorio krafft der Reichs= und Krayß=Constitutionen auch der observanz zustehenden iurium und befugnißeu gerichtet worden."
2) Die Brandenburger blieben bis Ende März, die Lüneburger bis zum 27. April in Plau. Ende März wurden 30 Mann nach Krakow und 50 nach Goldberg gelegt, auch Neubrandenburg und Friedland belegt, den 16. April vertheilten sich die Brandenburger auf andere kleine Städte, den 27. April gingen die Lüneburger von Plau nach Malchin. Was die Kosten betrifft, so wurden den 15. Juli zu Malchin und den 16. zu Neubrandenburg Vereinbarungen getroffen, wonach die Städte Plau, Röbel, Goldberg und Krakow zusammen 27 Rth., Malchin, Teterow, Stavenhagen, Neukalen, Gnoien, Ribnitz, Sülze, Marlow, Tessin, Laage, Schwaan zusammen 78 Th. monatlich, also alle genannten zusammen 105 Th. monatlich statt der Naturalverpflegung geben sollten. Sold erhielten die Truppen von ihren Regierungen.
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Den 4. März kam in Güstrow der Oberstleutnant Klinckowströhm an, den 7. marschirte darauf die eine der beiden dort liegenden schwedischen Kompagnien ab, die andere ward den 27. März von Klinckowströhm und den beiden Räthen v. Viereck (aus Berlin) und Spörcke (Lüneburger) für das Kreisdirektorium in Eidespflicht genommen. Dasselbe geschah den 31. in Plau mit den dortigen Kompagnien.

Neue kaiserliche Schreiben, die auf die erhaltenen Berichte hin den 28. März ergingen, änderten hieran nichts, nur daß die Brandenburger und Lüneburger ihre Quartiere wechselten und mehr im Lande vertheilt wurden. Dem geschlossenen Einvernehmen der drei kreisausschreibenden Mächte gegenüber war der Kaiser machtlos.

Das Possessions=Urtheil.

Hinausschaffen ließen sich die Kreistruppen, wenn die Vermittelungs=Kommission wieder ins Leben trat und Erfolg hatte. Allein wiederholte Versuche, sie wieder in Gang zu bringen, blieben erfolglos: Adolf Friedrich hatte immer wieder Gründe, die Beschickung hinauszuschieben.

Man beschritt deshalb in Schwerin den Weg, eine direkte Entscheidung des Kaisers über den vorläufigen Besitz des streitigen Landes herbeizuführen. Zu den dazu erforderlichen diplomatischen Verhandlungen reiste der neue Ministerpräsident, den Friedrich Wilhelm Anfang 1696 in Dienst genommen hatte, Graf Horn, 1 )


1) Friedrich Wilhelm Leopold Graf v. Horn, aus Pommern stammend, war aus schwedischen Diensten, wo er seit dem Jahre 1675 Assessor beim Tribunal zu Wismar, dann Oberappellationsrath, 1689 Gesandter in Berlin, seit 1690 Gesandter in Wien gewesen war, den 24. Januar 1696 als Ministerpräsident in Friedrich Wilhelms Dienste getreten, der für diesen Posten einen erfahrenen Diplomaten zu gewinnen wünschte. Durch die rastlose und geschickte Thätigkeit, die er für seinen Herrn entfaltete, erwarb er sich schnell dessen unumschränktes Vertrauen. Auch bei Kaiser Leopold stand er in hohem Ansehen, besonders seit seinem Uebertritt zum Katholizismus (d. 11. Februar 1697 in Wien); seine Ernennung zum Reichsgrafen war ein Zeichen dieser kaiserlichen Zuneigung. In das persönliche Wesen des Grafen gewährt die Selbstbiographie des Superintendenten Nikolaus Lange einen Einblick (hier benutzt in der Umarbeitung von Pfannenberg, Berlin. 1830), der 1693-95 Legationsprediger des Grafen in Wien war und ihm nach seiner Abberufung auf seine Güter nach Pommern folgte, von wo er d. 15. Oktober 1695 als Prediger nach Derenburg bei Halberstadt berufen ward. Gleich aus der ersten Zeit seiner Amtsführung in Wien erzählt Lange (Pfan. S. 20), daß der Gesandte eines Abends in voller Wuth auf einen seiner Hei= (  ...  )
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selbst nach Wien (im Mai), und zwar nahm er seinen Weg über Berlin, um sich hier womöglich der Mitwirkung des Kurfürsten zu versichem, die ihm aber nicht in dem gewünschten Grade gewährt ward. 1 )

In Wien langte er den 6./16. Juni an. Nach einer ersten persönlichen Audienz beim Kaiser, in der dieser seiner Gewohnheit gemäß die Deduktionen des Grafen mit der allgemeinen Versicherung zu thun, was der Gerechtigkeit gemäß sei, beantwortete, ließ er durch den Rath Diettrich d. 20./30. Juni ein von ihm selbst entworfenes Memorial beim Reichshofrath einreichen, welches die Bitte enthielt, den Besitz von Güstrow Friedrich Wilhelm zuzusprechen.

Es kam dann d. 9. Juli zu einer Verhandlung, in der das gesammte Material, das seit dem Tode des Herzogs Gustav Adolf über den Erbfolgestreit in Wien eingegangen war, dem


(  ...  ) ducken mit bloßem Dege losgestürmt sei und sich erst zurückgezogen habe, als dieser in Langes Zimmer geflüchtet sei. Diesem Hange zum Jähzorn entsprechend zeigt Graf Horn auch in seinem Wirken als Staatsmann eine Neigung zu scharfem, und schroffem Auftreten und raschem, rücksichtslosem Durchgreifen, die ihm viele Feinde schuf, besonders in den Reihen der meklenburgischen Ritterschaft, der gegenüber er mit großer Entschiedenheit, dem Zuge der Zeit entsprechend, die Rechte der Krone zu wahren suchte. Das Vertrauen seiner Herrn hat er sich bis an seinen Tod (1709) zu erhalten gewußt und in der Zeit seiner Amtsführung auf alle wichtigen Fragen der äußeren wie inneren Politik Meklenburgs einen sehr bedeutenden, ja meistens einen ausschlaggebenden Einfluß geübt.
1) Er hatte sich in Berlin um Anweisung an den brandenburgischen Gesandten in Wien zur Kooperation mit dem Schweriner Hofe zu bemühen und nach einer geheimen Neben=Instruktion (datirt vom 4. Mai) auch die Vermählung Friedrich Wilhelms mit einer brandenburgischen Prinzessin anzuregen und eine Defensiv=Allianz vorzuschlagen, für den Fall, daß Friedrich Wilhelm in den Besitz des ganzen Güstrower Landes komme. Eine Vorbedingung dazu war, daß Brandenburg auf die Assignation der Römermonate aus Meklenburg verzichtete, die ihm laut einer Stipulation für die ganze Dauer des Krieges mit Frankreich vom Kaiserhofe bewilligt war. Friedrich Wilhelm, hatte dann die Absicht, von dem Ertrage der Römermonate eigenes Militär aufzustellen, das auf Grund der abzuschließenden Allianz eventuell auch für Brandenburg thätig sein sollte. In Berlin erhielt Graf Horn vom Kurfürsten nach seinem eigenen Ausdruck eine sehr "kaltsinnige" Antwort und in Bezug auf die Allianz einen entschiedenen Abschlag. Brandenburg zog die Benutzung der meklenburgischen Reichssteuer zur Besoldung eigener Truppen der Defensiv=Allianz begreiflicher Weise vor. Auch wegen Güstrow gelang es dem Grafen nicht, die gewünschte Ordre an den Wiener Geschäftsträger zu erwirken, er mußte sich mit "generalen Contestationen" begnügen.
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Reichshofrath vorgelegt ward. 1 ) Das Resultat war lächerlich geringfügig: ein Reskrivt an die Administrations=Räthe in Güstrow, die Geldforderung eines 10 Jahre lang unbezahlt gebliebenen Güstrower Beamten, des Hofgerichtssekretärs Martens, an dessen Sohn zu begleichen, "Ponantur interim reliqua ad acta," lautete der Schluß dieses Konklusums.

Der Grund, weshalb man über die Hauptfragen sich noch nicht zu entscheiden wagte, lag in der Besorgniß, daß durch eine einseitige kaiserliche Entscheidung der bereits eingetretene Zwiespalt zwischen Kaiserhof und Kreisdirektorium sich verschlimmern werde. Das Kreisdirektorium blieb fortdauernd den kaiserlichen Vorhaltungen gegenüber bei der Behauptung, daß sein Verfahren den Reichskonstitutionen gemäß sei; es bestritt dem Kaiser das Recht, die Regierung im Güstrowschen in seinem Namen allein führen zu lassen, und erklärte es nicht für vollkommen ausgemacht, ob in Sachen von Fürstenthümern, die vom Reiche zu Lehen gingen, der Kaiser allein durch den Reichshofrath zu urtheilen und nicht vielmehr die Kurfürsten und Fürsten des Reiches dabei hinzuziehen habe; die Verhandlung sollte dann nach Absicht des Kreisdirektoriums, wie aus einem Schreiben Friedrich Wilhelms an Horn vom 12. Juli zu ersehen ist, nach Regensburg verlegt werden. Von Seiten der Kreisdirektoren war eine Konferenz ihrer Wiener Gesandten mit kaiserlichen Bevollmächtigten über diese Streitfrage vorgeschlagen worden; und wenn auch einzelne der Reichshofräthe sich schon damals für ein summarisches Urtheil ausgesprochen hatten, so hatte doch die Mehrheit sich dafür entschieden, vorerst das Ergebniß jener Konferenz abzuwarten. Obgleich Graf Horn vielfach hiergegen remonstrirte, da die Konferenz dem Kaiser gefährlich und seinem Herrn schädlich sei, so trat doch auch der Kaiser dem Vorschlage des Reichshofraths bei. Die Konferenz ward auf den 19. August angesetzt und zu derselben neben zwei andern Reichshofräthen der Vicepräsident, Graf Zeyl, und der Referent, Herr v. Andler, deputirt. Sie erhielten die Aufgabe, den Ministern der Kreisdirektoren die Befugniß des Kaisers zur alleinigen Entscheidung der Sache nachdrücklich vorzustellen, sich aber auf weitere Erörterungen nicht einzulassen. Allein die Konferenz kam überhaupt nicht zu Stande. Als nämlich die Bevollmächtigten zusammentraten, erhob der schwedische Gesandte, Graf Gabriel Oxenstierna,


1) Es werden im Ganzen 27 Aktenstücke (Eingaben oder Berichte) als Gegenstand der Verhandlung genannt.
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den Anspruch, als Gesandter eines auswärtigen Königs den Vorrang selbst vor den kaiserlichen Räthen zu erhalten. Wegen dieser Formfrage mußte die Konferenz, noch ehe sie die Verhandlungen begonnen, abgebrochen werden. Die Entrüstung über diese Anmaßung des Schweden war groß unter den Wiener Staatsmännern, ebenso groß aber auch ihre Verlegenheit, was nun zu thun sei. Sie zeigte sich schon darin, daß man Wochen lang zögerte, dem Kaiser den Vorfall zu referiren. Erst den 12./22. September schreibt Graf Horn, der es an Mahnungen nicht hatte fehlen lassen, daß Graf Zeyl zum ersten Mal dem Kaiser Bericht erstattet habe. Graf Horn hatte darauf sogleich auch persönlich wieder Audienz erbeten und erhalten und mit Erlaubniß des Kaisers diesem ein Schriftstück vorgelegt, worin er die Bitte ausspricht, weil er auf den Gedanken gekommen, "daß einige ihm verborgene Zweifel Ursache der Verzögerung seien", der Kaiser möge einige von seinen Ministern zu Kommissarien benennen, mit denen er über die Hindernisse, die etwa dem Spruch im Wege ständen, konferiren und ersehen könne, ob sie nicht zu heben seien, wenn sie etwa "das Publicum concerniren" (d. h. politischer Natur sein) sollten. "Der Justice nach" finde er nicht den geringsten Zweifel, warum nicht wenigstens über das Possessorium unverweilt ein Spruch erfolgen könne, weil sein Herr eventualiter schon mit dem Güstrowschen belehnt sei und also die wirkliche Belehnung ihm nicht wohl zu versagen stehe, die Einreden des Herzogs von Strelitz aber auf dem Prozeßwege sich untesuchen ließen; weil ferner auch der Herzog von Strelitz Spruch wiederholt begehrt und genugsam gehört sei und weil endlich nach den Reichskonstitutionen, wenn dergleichen Gefahr wegen Besitz oder Verwaltung eines Reichslandes sich zeige, der Kaiser auch ex officio über den Besitz entscheiden könne."

Dieses Aktenstück gelangte den 24. September an den ReichShofrath, der dann den 29. September in Betreff der Konferenz mit den Kreisministern das Konklusum faßte, daß der Kaiser seiner Autorität nichts vergeben könne, was dem schwedischen Gesandten angezeigt ward, ohne diesen zum Nachgeben zu bewegen. Es dauerte wieder einige Wochen, bis eine Konferenz mit dem brandenburgischen und cellischen Gesandten - ohne den schwedischen - zu Stande kam (d. 25. Oktober). Auch diese aber förderte die Sache nicht, da auch Brandenburg und Celle fest auf dem Anspruch beharrten, das Kreisdirektorium habe an der Interims=Regierung Antheil zu nehmen.

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Die Verstimmung der Wiener leitenden Kreise über diesen Fehlschlag suchte Graf Horn eifrig und nicht ohne Erfolg zu Gunsten seines Herrn auszunutzen. An den sehr einflußreichen Prästdenten des Reichshofraths, Grafen Oettingen, der nach längerer Abwesenheit wieder zurückgekehrt war, wandte er sich mit einem schriftlich ausgearbeiteten Aktenstück, 1 ) um ihn zur Beförderung eines günstigen Spruches zu bestimmen.

Auch auf die übrigen Mitglieder des Reichshofrathes suchte er, unterstützt von dem Legationssekretär Christiani, in vielfachen Unterhaltungen einzuwirken, wobei er auch die in Wien bekanntlich so gern gehörten "klingenden" Gründe wohl zu benutzen mußte. 2 )

So bequemte man sich denn endlich im Dezember 3 ) zu der entscheidenden Verhandlung. In 8 Sitzungen, vom 7. bis


1) Es ist betitelt: Pro nuda Informatione. Ohnmaßgebliche Gründe, warumb v. d. Löbl. Kayserl. Reichshoffraht ein ohnverzüglicher Spruch in possesssorio vel ordinario vel saltem summarissimo zu ertheilen, und Jhre hochf. Dchl. d. Herr Hertzog Friedrich Wilhelm in Meckl. in die würckliche possession des Güstr. Hertzogthumbs zu setzen ist." Es enthält die bereits o. bei dem Aktenstück, das Horn dem Kaiser selbst überreichte, angegebenen Beweisgründe und dazu den Hinweis, daß der Zustand der meklenburgischen Lande selbst eine solche Entscheidung fordere, da sie, besonders das Herzogthum Güstrow, bei Fortdauer der Interims=Regierung zu Grunde gehen müßten: Es könne den Domänen im Güstrowschen nicht recht aufgeholfen werden, gemeinsame Landtage müßten unterbleiben, auch die gemeinsame Rechtspflege im Konsistorium (zu Rostock) und beim Land= und Hofgericht (zu Parchim) könne nicht gehandhabt werden, weil die Schwierigkeiten, die vorher abgethan werden müßten, viele und geraume Zeit erforderten. - Hierzu ist die Bemerkung zu machen, daß der Schweriner Hof es nicht eben eilig hatte mit der von den Ständen wiederholt erbetenen Beseitigung dieser Schwierigkeiten, die ausschließlich formaler Natur waren, vielmehr sie geflissentlich fortdauern ließ, um die Nothwendigkeit eines Spruches in Wien recht dringend erscheinen zu lassen. - Im Anschluß an die positive Begründung der Schweriner Forderung werden dann von Graf Horn verschiedene "Dubia" beseitigt. Beachtenswerth ist aus den Ausführungen darüber, daß nach Horns Ansicht bei weiterer Fortdauer des Streites der Kaiser zu fürchten habe, selbst des Besitzes von Güstrow verlustig zu gehen, wenn nämlich das in des Kaisers Dienst getretene Güstrowsche Militär mit den begonnenen Desertionen fortfahren und also die ganze Truppe sich auflösen sollte.
2) Der Referent, H. v. Andler, hatte; von Anfang 1697 zurückgerechnet, in 3 Jahren gegen 15000 Rth. von Schwerin aus erhalten, 4000 andere waren bereite für ihn sichergestellt für den Fall, daß ein günstiger Spruch erfolge; die Summe ward dann auf 6000 Th. erhöht.
3) Ueber einige Nebenfragen waren seit dem 9. Juli Conelusa ergangen. Den 19. September hatte die Güstrower Ritterschaft auf Grund eines Conclusums vom 17. ein Protektorium wegen der Lehns= (  ...  )
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20. Dezember, 1 ) hielt Herr v. Andler Referat über die Güstrowsche Successionsfrage. Den 20. Dezember erfolgte das Konklusum, die Entscheidung des Kaisers fiel den 12. Januar 1697. Sie lautete: "Jhro Kayserl. Maytt. haben dem H. Hertzog Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg das Possessorium des Hertzogthums Güstrow und deßen Lande und Leuthen zuerkennet, auch anbey resolviret, daß zu solchem ende so woll an die Kayserl. Kommission und Abgesandten im Nieder=Sächsischen Kreyse, dem Grafen von Egg, als an die Kreyßausschreibenden Herrn Fürsten, die Herren Herzogen zu Schwerin und Strelitz, die verwittibte Hertzogin, die verordnete Kayserl. Regierung zu Güstrau, und die Ritterschaft rescribiret, an die unterthanen auch zulängliche Patentes abgefaßt. Er Herr Hertzog Friedrich Wilhelm zur wirklichen belehnung admittiret, daß Petitorium aber vor dero in sachen verordneten Kayserl. Commission auszuführen reserviret sey, und dem H. Herzogen zu Strelitz ein Decretum Salvatorium ertheilt werden sollen, und solches alles dem Kayserl. Abgesandten im Nieder=Sächsischen Kreyße, behöriger Ohrten zu publiciren und zu insinuiren auf getragen."

Von demselben Datum sind die in dem Konklusum genannten Schreiben datirt. In dem an die Kreisdirektoren wurden sie aufgefordert, ihre Truppen nunmehr aus dem Güstrowschen sofort zurückzuziehen und Friedrich Wilhelm nicht zu hindern, das ihm zugesprochene Land in Besitz zu nehmen, sondern ihm vielmehr, wenn es erforderlich werde, dazu behülflich zu sein. Der Kaiser hatte also, vorläufig wenigstens, völlig zu Gunsten von Schwerin entschieden. 2 )


(  ...  ) muhtungen erhalten, für die sie wegen der Erledigung des Throne von Güstrow von Innehaltung des sonst üblichen Termins dispensirt ward. An demselben Tage ging aus einer Berathung des Geh. Rathes unter dem Vorsitz des Kaisers (zu Eberstorff) ein Reskript hervor, durch welches auch für die Grabowsche Schuldforderung, an die Adolf Friedrich wieder einmal hatte erinnern lassen, die Fortsetzung der bereits eingesetzten Kommission angeordnet ward. Ein Reskript vom 5. Oktober bezog sich auf die Alimente der unvermählten Prinzessinnen von Güstrow.
1) D. 7., 10., 11., 13., 17., 18., 19 und 20. Dezember.
2) Aus dem umfangreichen Gutachten., das der Reichshofrath v. Andler erstattete, sind im Schweriner Archiv einzelne Stellen in Auszügen vorhanden, die eine lautet wörtlich: Obiicies: Ulricus u. Carolus haben nicht consentiret in testament. Alberti primi fratris, welche doch damahls das Hertzogthumb Güstrow innen gehabt; Ergo testamentum et primogenitura non valet quoad Güstrau. Respondeo: Testator disposuit von allem, was Ihm vor oder nach seinem tode zu= (  ...  )
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VII.

Besitzergreifung von Güstrow und Depossedirung.

Die Vollziehung des kaiserlichen Spruches.

Das Urtheil war ergangen, jetzt galt es seine Ausführung. Da jedenfalls von Seiten des Herzogs von Strelitz und wohl auch von Seiten des Kreisdirektoriums Widerspruch zu erwarten war, so dachte man am sichersten zu gehen, wenn man das Urtheil zunächst möglichst geheim halte und es unverweilt zur Ausführung bringe. Der vollzogenen Thatsache gegenüber, hoffte man, werde das Kreisdirektorium wenigstens nicht zum äußersten schreiten und offene Gewalt vermeiden, da für alle drei den Kreis dirigirenden Mächte die Erhaltung guter Beziehungen zum Kaiserhofe in ihrer damaligen Lage werthvoll sein mußte.


(  ...  ) fallen würde, 2. potuit ita disponere inter liberos. 3. et quidem in feudis, die Jhm oder seinen Kindern richtig zufallen müßen. Knipschild de fideicom. c. 5 n. 91 quamuis enim de feudis non possit disponi, si tamen filij simul sint heredes, tenentur propter allodialia et multo magis si approbent testamentum patris. Filij tenentur ad debita et voluntatem patris, alias pater nunquam posset instituere primogenituram; quod esset contra publicam praxin et praejudicia totius Imperij. Nostra enim moderna feuda Imperij non habent amplius pristinam naturam. 4. disposuit ita pro honore et conservatione familiae. 5. filij et agnati agnoverunt dispositionem weiln Er Ulricus beide filios a. 1586 auff das Testament mit einander verglichen, vide facti speciem Suerin lit. D. und interveniente Saxone et Brandenburgico Electoribus das testament agnosciret. 6. Der Kayser hat in confirmatione testamenti alles suppliret. Eine andere Stelle lautet: "Wie kan Strelitz etwas von dem Hertzogthumb, ehe der Casus au Jhn kombt, fordern, da Er in simultanea investitura niemahlen gestanden, niemahlen belehnt worden, niemahlen fidelitatem geschworen und kein primogenitus ist, daß Jhm weder die Kayserl. Capitulation noch die textus juris feudalis noch die vorhergehende Lehnbrieffe auff keine weiß zu hilff kommen, sondern alle entgegen stehen." Wie weit die nicht unbedeutende "Erkenntlichkeit", die Friedrich Wilhelm den Reichshofräthen gespendet oder in Aussicht gestellt hatte, auf die obige Auffassung Einfluß gehabt hat, muß dahin gestellt bleiben. Der Spruch, an sich betrachtet, ist eine Konsequenz aus den früheren Entscheidungen für Christian Louis und Friedrich Wilhelm (vom 30. Juni und 19. August 1693), die, wollte der Kaiserhof seiner eigenen, früheren Auffassung nicht untreu werden, kaum andere ausfallen konnte.
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Schweden hatte im Kriege gegen Frankreich die Vermittelung übernommen und legte, wie man in Wien wußte, großen Werth darauf, weshalb man annahm, daß es um der weit unbedeutenderen Güstrower Affaire willen nicht in offenen Gegensatz zum Kaiser treten werde, weil dadurch jene Vermittlerrolle erschwert, wo nicht unmöglich gemacht werden konnte. Die beiden eng verbundenen welfischen Häuser Lüneburg=Celle und Hannover waren zur Durchführung der von ihnen vereinbarten Union und für die Hannoversche Kurwürde 1 ) fortdauernd auf das Wohlwollen des Kaiserhofes angewiesen. Und Friedrich von Brandenburg vollends konnte für sein Streben nach der Königskrone der Zustimmung des Kaisers nicht entrathen, auch war die geheime Klausel in dem Vertrage vom Jahre 1693 zwischen Kurfürst Friedrich und Herzog Friedrich Wilhelm, die sich auf die Güstrowsche Succession bezog, in Wien bekannt. Man glaubte also ein summarisches Verfahren in der Güstrower Sache einschlagen zu können, wobei man sich freilich vollständig verrechnete.

Noch am 23. Januar n. St. erhielt in Wien der Strelitzische Rath Haupt auf eine Frage die Antwort: "Man habe diesseits nichts zu besorgen, weil in Wien die Sache nicht übereilt, sondern an die Kommission verwiesen werde. Man müsse Geduld haben; wenn der Graf v. Oettingen (der Vizepräsident des Reichshofrathes, der krank war) wieder zu Hofe komme, solle das Votum dem Kaiser vorgetragen werden."

Inzwischen war der Eilbote mit den kaiserlichen Reskripten an den Grafen Eck bereits längst unterwegs. Als er in Hamburg angekommen war, ließ Graf Eck den dortigen Ministern der Kreisdirektoren anzeigen, er habe im kaiserlichen Dienst eine nothwendige Reise vorzunehmen, und gab Befehl, daß ihnen die betreffenden Reskripte erst 24 Stunden nach seiner Abreise eingehändigt werden sollten. In möglichster Eile machte er sich auf den Weg nach Güstrow, unterwegs schloß sich ihm Herzog Friedrich Wilhelm, der bereits eingeweiht war, mit geringem Gefolge an, und so langten beide den 16. Januar (a. St.) Nachmittags 2 Uhr in


1) Georg Wilhelm von Celle und Ernst August von Hannover waren Brüder, Georg Wilhelm war kinderlos, Ernst August hatte sechs Söhne, führte aber mit Beistimmung Georg Wilhelme die Primogenitur ein durch Testament (datirt vom 21. Oktober 1682, vom Kaiser bestätigt d. 1. Juli 1683), die jüngeren Söhne erhoben aber erbitterten Widerstand und fanden Unterstützung bei Herzog Anton Ulrich von Wolfenbüttel. Auch die hannoversche Kurwürde, verliehen d. 9./19. Dezember 1692, war noch nicht allgemein anerkannt. Genaueres bei Havemann, Gesch. der Lande Braunschweig und Lüneburg, Bd. III.
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Güstrow an. Eck gab Befehl, sofort die Thore zu schließen und fuhr mit Friedrich Wilhelm beim Oberpräsidenten v. Ganß vor, wohin schleunigst, während der Herzog in geschlossenem Wagen vor der Thür verblieb, die übrigen Mitglieder des Regierungskollegiums, der Kommandant Generalmajor v. Oesterling, der Kanzler Curtius, der Geheime Rath v. Scheres und der Geheime Sekretär v. Pommer Esche berufen wurden. Als sie versammelt waren, trat auch der Herzog unter sie, und Eck eröffnete ihnen im Namen des Kaisers das ergangene Urtheil, erließ sie ihrer bisherigen eidlichen Verpflichtung und wies sie sofort an Friedrich Wilhelm als ihren Herrn. Darauf erklärte der Oberpräsident im Namen des ganzen Geheimen Rathskollegiums, daß sie alle fortab Herzog Friedrich Wilhelm für ihren Herrn und Landesfürsten erkennten, und Oesterling ließ alle Thore militärisch besetzen und deren Schlüssel dem Herzog überliefern.

Da kam die Meldung, daß der schwedische Kommandant, Oberstleutnant Klinckowströhm, der mit dem größten Theil seiner Leute sich außerhalb des Schlosses zum Zwecke einer Musterung befunden hatte, seine Kompagnie zusammengezogen und durch eine Pforte im Schloßgarten auf das Schloß geführt habe. Der Generalmajor ließ nun sofort Anstalt machen, das äußere Schloßthor und die Pforten zu besetzen. Dabei kam es wegen einiger Geschütze, die auf dem Schloßplatze standen und deren sich sowohl die Schweriner wie die Schweden zu bemächtigen suchten, zu einem feindlichen Zusammenstoß. Klinckowströhm ließ nämlich 6-8 seiner Leute auf die Schweriner Feuer geben, dabei ward dem Generalmajor Oesterling, der hier selbst die Führung hatte, der Rock durchschossen, und zwei Gemeine wurden an den Füßen, aber nur leicht, verwundet. 1 ) Den Meklenburgern war verboten zu feuern, sie behaupteten indessen die Geschütze sowie ihre Posten rings um das Schloß, während die Schweden das Schloß selber mit dem Schloßgarten in Besitz behielten.

Kurz darauf fuhr der Herzog an alle Thore und Posten und nahm überall den Offizieren und Soldaten des früheren Güstrowschen Militärs truppweise, wo man sie gerade fand, den


1) Klinckowströhm handelte hier ohne den Befehl der Herzogin=Wittwe, ja gegen ihren Willen. Sie ließ ihm durch ihren Rath Knegendorf erklären, sie wolle an diesen Thätlichkeiten, durch die des Kaisers Autorität verletzt werde, keinen Theil haben, vielmehr dawider auf das Kräftigste protestirt haben. Klinckowströhm berief sich dem gegenüber auf seine Ordre.
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Eid ab, worauf er im Hause des Geh. Kammerraths Mumme 1 ) Wohnung nahm.

Zwei Versuche, mit der Herzogin=Wittwe in Verbindung zu treten, mißlangen, da die Schweden dem Abgesandten, dem Geh. Rath v. Koppelow, den Eintritt ins Schloß verwehrten, während sie zur selben Zeit einen dänischen Gesandten frei passiren ließen.

Am Morgen des nächsten Tages, eines Sonntages, kam das Gefolge des Herzogs und die Garde zu Fuß und zu Roß an, 2 ) und etwa um Mittag wurde eine berittene Ordonnanz (ein "Einspänniger") nach Strelitz an Adolf Friedrich abgesandt, um ihm das an ihn adressirte kaiserliche Reskript zu überbringen.

Um dieselbe Zeit versammelte sich der Rath und die Bürgerschaft vor dem Rathhause und Graf Eck theilte zunächst dem Rath den kaiserlichen Spruch mit und forderte ihn zur Ableistung des Treueides auf. Nach Besprechung mit der Bürgerschaft antwortete der Rath, es sei wider ihre Privilegien und Freiheiten, zu schwören, ehe diese bestätigt seien; doch genüge dafür ein schriftlicher Revers des Herzogs. Indessen gaben sich Rath wie Bürgerschaft am Montag nach längerem Hin= und Herreden mit der ihnen überbrachten mündlichen Zusicherung zufrieden und leisteten den Handschlag. Am selben Tage wurden nach allen Seiten Beamte ausgesandt, um in allen Aemtern und Städten die kaiserlichen Patente bekannt zu machen und den Handschlag der Treue entgegenzunehmen. Fast überall vollzog sich der Uebergang der Regierung auf den neuen Herren ohne Schwierigkeit. 3 )


1) Es war zugleich das Posthaus, da Mumme die Verwaltung der Post gepachtet hatte, und gehörte dem Fürstlichen. Häuserblock an, den Lisch Jahrb. 24, S. 44 ff. nachgewiesen hat. Aus den Beschreibungen der Vorgänge bei Friedrich Wilhelms Vertreibung ist zu schließen, daß das Posthaus seinen Eingang von der Kleinen Schul=Straße aus gehabt haben muß, an deren Südseite es also lag.
2) Noch am selben Tage wurden von den in Bützow stehenden 30 Mann 20 nach Güstrow beordert und Befehl gegeben, daß der noch in Schwerin verbliebene Rest der Garnison zu Wagen nach Güstrow gefahren werden sollte. In beiden Städten wurde die Bürgerschaft zu den unentbehrlichen Wachen herangezogen.
3) In Fürstenberg, Wesenberg und Penzlin baten Rath und Bürgerschaft, den Handschlag aufzuschieben; was die größeren Städte thun würden, dem würden auch sie sich nicht entziehen, und wenn es zur wirklichen Huldigung käme, so würden sie sich als gehorsame Unterthanen erzeigen. Das die Aemter, die Adolf Friedrich in Nießbrauch hatte, betrifft, so fand der Schweriner abgeordnete in Wanzka, wohin er den 21. Januar kam, den Amtmann nicht zu Hause, in Feldberg ließ man die Anheftung des Plakate geschehen, weigerte aber den Hand= (  ...  )
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Eine sehr unliebsame Ueberraschung war allerdings das plötzliche Anrücken von drei schwedischen Kompagnien aus Wismar gegen Güstrow den 19. am Spätnachmittag. Der sie kommandirende Offizier erklärte, er komme auf Befehl der Herzogin. Man ließ ihn aufs Schloß, wo er von der Herzogin die Weisung erhielt, sich mit seinen Leuten wieder von der Stadt zurückzuziehen. Er gehorchte und quartierte den 20. die eine Kompagnie im Amte Güstrow, die zweite im Amte Ribnitz, die dritte im Amte Schwaan ein. In Schwaan traten die Schweden den Schweriner Beamten entgegen, welche für den Herzog Besitz ergreifen wollten. Und als man die Herzogin=Wittwe, die selbst schon am 18. durch ihren Rath v. Behr mit Friedrich Wilhelm Beziehung angeknüpft hatte, deswegen um Auskunft ersuchte, ließ sie sagen, es sei dies (d. h. das Auftreten der Schweden in Schwaan) wider ihren Willen geschehen. 1 ) Augenscheinlich waren die Bewegungen der Schweden nicht ausschließlich von der Herzogin abhängig. Was weiter daraus sich entwickeln sollte, blieb vorläufig noch unklar. Für das Schloß und seine Umgebung war mit Klinckowströhm schon am 18. ein Abkommen getroffen worden, daß man es auf beiden Seiten bei dem status quo belassen wolle. Klinckowströhm hielt es aber doch für nöthig, den 18. Abends die Lüneburger Kompagnie und den 19. die Brandenburger näher an die Stadt heranzuziehen. Auch diese entfernten sich dann wieder weiter, gaben aber einen Theil ihrer


(  ...  ) schlag, weil das Amt von Herzog Adolf Friedrich abhängig sei. In Strelitz, der Residenz Adolf Friedrichs, ward der Abgesandte den 24. Januar mit offener Feindseligkeit empfangen: Nur mit Mühe fand er ein schlechtes Logis, wo er seinen Wagen bespannt auf der Straße stehen lassen mußte; er wurde auf Befehl des Herzogs mit Beschlag belegt. Ein Kammerschreiber erschien und fragte im Auftrage des Herzogs nach seiner Kommission und weiter, ob er Befehl vom Kaiser unter dessen Hand und Siegel habe; andernfalls solle er sich nicht unterstehen, etwas anzuschlagen, oder es werde über seine Person hergehen. Als er aus dem Hause ging, um seine Kommission dennoch auszuführen, gewahrte er auf der Straße bei 10 Lakaien und Stallknechte, die sämmtlich bewaffnet waren, und "ein guter, treuer Mensch", der ihre Reden mitangehört hatte, warnte ihn dringend, seine Absicht auszuführen. Er befolgte die Warnung; am nächsten Tage (d. 25.) mußte er zu Fuß bei grimmiger Kälte und durch halbknietiefen Schnee eine starke Meile bis nach Weisdin gehen, wo er einen Wagen sich aufsprach, der ihn nach Penzlin brachte.
1) Ob der Marsch der drei schwedischen Kompagnien und ihre Einquartierung in den drei Aemtern überhaupt nicht auf Befehl der Herzogin geschehen, sondern eine Eigenmächtigkeit Klinckowströhms gewesen ist, hat sich aus den Akten nicht mit Sicherheit feststellen lassen.
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Leute zur Verstärkung der Besatzung des Schlosses ab und wurden in der Nähe auf dem Lande einquartiert. Das große Vorderthor des Schlosses wurde von innen verrammelt und gegen einen Einfall verwahrt, auch die hintere Pforte verschlossen und mit Schießlöchern versehen.

Um jeden Schein, daß um des Schutzes der Herzogin und ihrer Töchter willen die Anwesenheit der Kreistruppen im Lande nöthig sei, zu beseitigen, wurden schon den 19. von Seiten der Schweriner der Herzogin 1500 Rth. zu vorläufiger Bestreitung ihres Hofhalts gezahlt und den 20. gütliche Verhandlungen in Graf Ecks Wohnung mit ihren Bevollmächtigten begonnen, die den 1. Februar auch auf die Prinzessinnen ausgedehnt wurden. Der Herzog bewies ein so weitgehendes Entgegenkommen, daß man sich den 19. Februar bereits über die Hauptpunkte des Vergleiches einigte: Der Herzogin=Wittwe ward ein jährliches Einkommen von 12000 Rth. in Aussicht gestellt, jeder der Prinzessinnen 4000 Th. Courant und 1000 Th. Species, der letzten, nach dem Tode der andern übrig bleibenden 7000 Th. Die Schweriner erklärten indessen die beiden Verträge nicht eher vollziehen zu können, als die Kreistruppen abmarschiert seien, und setzten in Wien wie an allen betheiligten Höfen alle Hebel in Bewegung, um deren Abberufung zu erwirken.

Der Vertrag der Kreisdirektoren vom 24. Februar 1697.

Die ersten Nachrichten, die noch im Januar aus Berlin und Celle einliefen, 1 ) lauteten nicht ungünstig, wenn auch nicht völlig zufriedenstellend. In Berlin erklärte man, Schwerin sein


1) Nach Berlin war den 18. Januar v. Bibow geschickt, nach Celle Vermehren, nach Schweden ging v. Koppelow. Von Berlin aus waren auf die erste - entstellte - Nachricht, daß Friedrich Wilhelm sich auf eigene Haud gewaltsam in den Besitz von Güstrow gesetzt, sogleich vier Kompagnien Garde an die Grenze gesandt, auf Bibows Vorstellungen aber ward Befehl gegeben, daß sie an der Grenze stehen bleiben sollten. Im Februar wurde dann Bibow in Berlin durch Taddel abgelöst, der aber das drohende Unheil nicht abzuwenden vermochte. Zum Grafen Bielke ward zuerst Varenius geschickt (d. 20. Jan.), später (d. 18. Febr.) Mumme. Der Graf verrieth, daß Adolf Friedrich an ihn vor dem Bekanntwerden des kaiserlichen Urtheiles das Ansinnen gestellt, zum 20. oder 21. Januar, wo Ecks und Friedrich Wilhelms Ankunft in Güstrow zu erwarten sein werde, Truppen, dorthin, zu werfen, um zu verwehren, daß etwas ihm Präjudizierliches vorgenommen werde. Der Graf hatte dies abgeschlagen. Auch mit Dänemark trat man wieder in Beziehung, einmal durch den Oberschenken v. Halberstadt, der im Februar nach (  ...  )
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Recht gerne zu gönnen, allein man habe sich bei Ergreifung der Possession übereilt. Es könne nicht gut geheißen werden, daß man bei Ausführung des Urtheils das Kreisdirektorium übergangen habe. Einer bindenden Antwort mich man an beiden Höfen durch die Wendung aus, da die Leute Kreisvölker seien, so bedürfe es zu ihrer Abberufung der Zustimmung des gesammten Kreisdirektoriums. Indessen schien von beiden Höfen nichts Böses weiter in Aussicht zu stehen. Weit ernstere Nachrichten kamen aus Schweden, wo die Herzogin von Strelitz selbst auf Besuch weilte. Sie war, wie auch die Königin=Mutter, auf das Höchste erschrocken gemesen über das kaiserliche Urtheil und mehrmals von Ohnmachten befallen worden. Dann hatte sie den König fußfällig um Beistand gegen das ungerechte Urtheil angefleht und auch erreicht, daß der schwedische Hof sich entschloß, das kaiserliche Urtheil oder wenigstens dessen übereilte Ausführung kraft des kreisausschreibenden Amtes anzufechten.

Rechtsgründe dazu waren reichlich vorhanden und wurden auch von Adolf Friedrich, der sofort nicht nur beim Grafen Eck und in Wien gegen das ungebührliche Verfahren protestirt, sondern sich auch an die Kreisdirektoren mit einer Beschwerde gewandt hatte, zur Benutzung an die Hand gegeben. Nach kürzeren Protesten brachte Gutzmer nach Hamburg zu den Verhandlungen der dort zusammentretenden Konferenz der Kreis=


(  ...  ) Kopenhagen ging und seitdem der stehende diplomatische Geschäftsträger des Schweriner Herzogs am dänischen Hofe ward. Er bekam den Auftrag von dem Regierungsantritt im Güstrowschen, der bereits brieflich angezeigt war, nochmals Mittheilung zu machen und den König zu bitten, Friedrich Wilhelm, was ihm "Gott und die Justiz" beigelegt, nachdrücklich behaupten zu helfen, auch den Minister von Plessen im höchsten Vertrauen zu sondieren, ob Friedrich Wilhelm, wenn es zu Thätlichkeiten käme, sich der wirklichen Assistenz des dänischen Hofes werde zu erfreuen haben, besonders wenn es vom Wiener Hofe von der Krone Dänemark selber verlangt werden sollte. Schon vor ihm sprach Koppelow auf der Reise nach Schweden in Kopenhagen ein und konferirte den ganzen 21. Febr. mit Plessen; er schreibt darüber, er habe sehr schwitzen müssen, zumahl da Plessen ihm "solche rationes wegen der praecipitirten verenderung zu obiciiren gewußt, die er wenig beantworten können." Mit seinem Hülfegesuch erfuhr Halberstadt einen runden Abschlag. In seiner Relation v. 20. März heißt es, der König erinnere sich noch an das Anerbieten der Defensivallianz vor einigen Jahren, worin man aber von seiten Ew. Dhl. bedencken getragen, und das gute Wohlmeinen fruchtlos zerrinnen laßen, darumb Jhro Königl. Maytt. von keinem eintzigen fundament appuyret Ew. Dhl. beyzutreten - impracticabel fänden. Es war der Einfluß der Güstrowschen Heirath, der schon jetzt bereits in Kopenhagen deutlich zu Tage trat.
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minister eine ausführliche Darstellung der Begebenheiten in Strelitzischer Auffassung mit. 1 ) Er beklagt sich darin, daß man seinen Wunsch auf Adjungirung eines dritten Kommissars zu der Vermittelungskommission nicht erfüllt, auch trotz mehrfachen Ansuchens ihm die Eingaben des Gegners zur Beantwortung nicht mitgetheilt, auch bereits den Spruch gefällt, obgleich die Sache erst in dem Stadium der Kommissionsverhandlungen und Mittheilung der eingekommenen Schriften (in puncto Commissionis et Communicationis) gestanden. Er beschwert sich ferner darüber, daß dem Schweriner Geh. Rathspräsidenten Grafen o. Horn auf dessen Ansuchen eine Kommissionsverhandlung mit einigen Reichshofräthen (d. 15. Januar) gewährt sei, ohne daß der Strelitzische Bevollmächtigte trotz seines vorher eingegebenen Ansuchens hinzugezogen sei. 2 ) Daß das Urtheil in Wien nicht sofort, wie es der Brauch verlange, publicirt, vielmehr der Rath Haupt geflissentlich in Unkenntniß darüber gehalten sei, und die Reskripte sogleich an den Grafen Eck gesandt seien, der dann in höchst gewaltsamer Weise mit Herzog Friedrich Wilhelm Besitz von Güstrow ergriffen und nachher erst das kaiserliche Reskript Herzog Adolf Friedrich zugestellt habe, so daß es diesem dadurch unmöglich gemacht sei, einen Aufschub der Ausführung des Urtheils zu erwirken ("das remedium suspensivum zu ergreifen"), wie den Reichskonstitutionen gemäß sei.

Die Minister der Kreisdirektoren in Hamburg wie ihre Regierungen eigneten sich die Strelitzer Auffassung von der Unrechtmäßigkeit des ganzen Verfahrens in allen Stücken an. Das eigentlich ausschlaggebende Moment war indessen für sie die völlige Uebergehung des Kreisdirektoriums bei der Ausführung des Urtheils. Die sämmtlichen drei kreisdirigirenden Mächte waren sich darin einig, daß der Kaiser auf Grund der Reichsverfassung verpflichtet gewesen sei, das Urtheil vor der Ausführung den Kreisdirektoren mitzutheilen und diesen dann dessen


1) Es ist die bereits o. S. 306 a. Gründliche und Acten=mäßige Vorstellung u. s. w.
2) Auf diesen Beschwerdepunkt war die Antwort leicht, die Konferenz hatte erst d. 15. Jan. n. St. stattgefunden, während die kaiserlichen Edikte bereits d. 12. Jan. unterzeichnet waren. Ueber den Gegenstand dieser Konferenz haben die Schweriner damals nicht öffentlich sich geäußert. Aus den Akten sieht man, daß darin von einem Regimente Infanterie die Rede gewesen ist, das Friedrich Wilhelm für den Kaiser stellen wollte, wenn die neuen Römer=Monate ihm assigniert würden. Er selbst trat bei den drohender werdenden Konjunkturen bald von dem Vorschlag zurück.
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Ausführung zu übertragen. Auch hier war wie so oft in ähnlichen Fragen nicht der juristische Befund entscheidend: Das Reichsrecht erwies sich als dehnbar und unklar genug, um beiden Auffassungen, der kaiserlichen wie der entgegengesetzten, eine Begründung zu gestatten. Den Ausschlag gab für die leitenden Mächte des Kreises der politische Gesichtspunkt. Die Entscheidung eines solchen Streites rein aus kaiserlicher Machtvollkommenheit erschien den norddeutschen Fürsten als ein Präcedenzfall, dessen Wiederholung für die Selbständigkeit des deutschen Fürstenstandes gegenüber der Habsburgischen Weltmacht die bedenklichsten Folgen nach sich ziehen konnte. Anstoß erregte auch bei den protestantischen Höfen der zufällige Umstand, daß einem Katholiken, wie Graf Eck war, die Ausführung des kaiserlichen Urtheils über ein protestantisches Fürstenthum übertragen war. Im Hintergrunde standen dabei sicher schon damals, was im Laufe der folgenden Jahre deutlicher zum Vorschein kam, Besorgnisse, als könne auch für das lutherische Bekenntniß eine Gefahr daraus erwachsen. 1 )

Diesen Erwägungen gegenüber blieb eine neue Expedition kaiserlicher Reskripte, datirt vom 5./15. Februar, in denen über das eigenmächtige Auftreten Klinckowströhms Beschwerde geführt und Anerkennung des kaiserlichen Schlusses verlangt ward, völlig wirkungslos. Den 24. Februar (a. St.) kam in Hamburg eine Konvention zu Stande, in der die drei Höfe ein festes Zusammenhalten in dieser Angelegenheit verabredeten. Auch Brandenburg schloß sich trotz des Geheimvertrages mit Friedrich Wilhelm vom Jahre 1693 der Vereinbarung an. In zwei Schreiben, von denen das eine, datirt vom 18. Februar, von dem Grafen Mellin, dem schwedischen Gouverneur in Stade und Herzog Georg Wilhelm von Celle, das andere, datirt vom 21. Februar, von Kurfürst Friedrich unterzeichnet war, wurde Herzog Friedrich Wilhelm in scharfen und schroffen Worten auf den empfindlichen Eingriff in das Amt der Kreisdirektoren, der von ihm begangen sei, hingewiesen und aufgefordert, alles wieder in den Stand zu setzen, darin es vor der "so genannten Execution" gewesen; das


1) Man traute in dieser Beziehung dem Nachfolger des Apostaten Christian Louis nicht recht. Dies Moment hat dazu beigetragen, den Widerwillen der benachbarten Mächte gegen die Vereinigung Meklenburgs unter Friedrich Wilhelm zu verstärken und bildet den Hauptgrund, weshalb man so oft in ihn drang, sich mit einer protestantischen Prinzessin zu vermählen. Recht ungünstig wirkte deshalb der Uebertritt des Grafen Horn zum Katholizismus.
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Schreiben schloß mit der Drohung, daß bei etwaigem widrigem Bezeigen Friedrich Wilhelms ihr Amt die Kreisdirektoren "unumgänglich dahin würde anleiten müßen", dem Herzogthum Güstrow "den gehörigen Schutz zu verschaffen".

Die Schreiben waren gleichlautend bis auf den einen freilich sehr wichtigen Unterschied, daß in dem Schreiben von Schweden und Lüneburg der Ausdruck gebraucht war "ohne einzigen Verzug", während das brandenburgische Schreiben eine Frist von zehn Tagen, um das Geschehene rückgängig zu machen, setzte. Beide Schreiben wurden nicht sogleich abgesandt, sondern zurückgehalten, bis man ihnen mit Waffenmacht zwingenden Nachdruck geben konnte.

Vom 25. Februar ist das ausführliche Antwortschreiben der Kreisdirektoren auf das kaiserliche Reskript vom 12. Januar datirt, worin nach kurzer Rechtfertigung ihrer bisherigen Schritte das Verfahren des Reichshofrathes bei dem Konklusum wie auch die Art der Ausführung desselben ausführlich beleuchtet wird. Nothwendig müsse daraus die Sorge erwachsen, daß "wie also, ohne den einen Theil auf das gegenseitige Einbringen zu hören, ohne Egard auf die Reichs= und andere gute Ordnungen, ja fast ohne allen formellen Process ex nudo arbitrio einiger der Reichs=hoff=Räthe über gantze Fürstenthümer disponiret werden solte, kein Stand, viel weniger andere im Reiche eine Stunde sich des seinigen versichert halten können." Bei der Exekution habe dann ein zu ganz andern Sachen verordneter Kommissarius in das Amt der Kreis=Direktoren gegriffen und diese gleichsam nur in subsidium dazuziehen wollen, auch habe man ihre Völker, die sie zur Erhaltung der gemeinen Sicherheit ins Fürstenthum Güstrow verlegt, ohne ihnen selbst oder dem kommandirenden Offizier ein Wort, wenigstens so zeitig, daß die deshalb nöthigen Ordres hätten gegeben werden können, davon zu sagen, theils mit List, theils mit Bedrohung, theils gar mit Gewalt zu delogiren gesucht. Die Fürsten urtheilen, indem sie die Person des Kaisers selbst aus dem Spiele lassen, daß alles dies "aus irrigem und mangelhaftem Bericht sub- et obreptitie erschlichen werden", und verlangen gänzliche Aufhebung alles bisher in der Sache Geschehenen und ein Gericht aus unparteiischen Reichsfürsten. Inzwischen wollen sie - dies wird hier bereits offen ausgesprochen - ihre Truppen im Güstrowschen noch verstärken.

Allen Bemühungen des Schweriner Herzogs gelang es nicht, das drohende Unwetter abzuwenden, das sich dann Mitte März entlud.

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Der Feldzug der Kreisdirektoren gegen Herzog Friedrich Wilhelm.

Die Zwischenzeit war in Güstrow im ganzen ruhig, doch nicht ohne jede Störung des Friedens verlaufen. In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar gegen 1 1/2 Uhr versuchten die Schweriner eine Pforte am Leninschen Thore einzuheben, um dieses gegen einen Ausfall der Schweden zu sperren. Es wurde aber vom Schlosse aus bemerkt, worauf Pechkränze und Granaten nach den Meklenburgern geworfen und 50 bis 60 Musketenschüsse auf sie abgegeben, auch einige verwundet wurden. Die Schweriner antworteten mit Musketenfeuer und brannten auch zwei Geschütze ab, mußten sich aber zurückziehen und die Pforte liegen lassen. 1 ) Den 15. Februar ward die lüneburgische Kompagnie durch eine andere abgelöst, die 120 Mann stark war, und zugleich die brandenburgische in die Vorstädte verlegt, so daß dort jedes Haus mit 10 bis 30 Mann belegt war. Den 19. begann Klinckowströhm Anstalten zu treffen, um eine Brücke über den Schloßgraben zu bauen. Friedrich Wilhelm ließ, um dies zu hindern, der Arbeitsstelle gegenüber in der nächsten Nacht eine Batterie aufwerfen, allein als es Tag ward und die Schweden den Bau bemerkten, versahen sie das Dach des nächstgelegenen Schloßthurms mit Schießscharten, von wo aus sie die Batterie bestreichen konnten.

Da immer bestimmtere Nachrichten von Truppenbewegungen gegen die Grenze hin einliefen, so verstärkte Friedrich Wilhelm die Garnison von Güstrow durch 50 Mann aus Boizenburg und ebenso viele aus Dömitz, die den 1. März ankamen, und verlangte von der Bürgerschaft, daß sie sich verpflichte, für ihn im Nothfall die Waffen zu ergreifen. Indessen bat diese, durch ein


1) Auch in Boizenburg kam es den 14. Febr. zu einem Zusammenstoß. Der schwedische Leutnant rückte Abends zwischen 6 und 7 Uhr mit 26 Mann vor das Amtshaus, ließ die dortige Schweriner Schildwache wegstoßen, drang ins Haus ein, schloß die dort befindlichen Schweriner Leute mit dem wachhabenden Unteroffizier ein und stellte zwei Schweden als Schildwachen vor das Haus. Auf Anfrage des Kommandeurs der Schweriner, Leutnants Boulenne, erwiderte er, er habe expresse Ordre von seinem König, diesen Posten, wie früher, zu behaupten. Er ließ sich aber auf die Vereinbarung ein, daß beide Theile ihre Leute aus dem Amtshaus nehmen und dieses leer bleiben solle; die zwei schwedischen Schildwachen blieben aber vor dem Amtshause stehen. Den 1. März versuchten die Schweden, nachdem Ende Februar 50 Mann von der Schweriner Besatzung mit Leutnant Boulenne nach Güstrow berufen waren. Morgens früh 5 1/2 Uhr das Mühlenthor zu überrumpeln, was aber der stellvertretende Kommandeur, Fähnrich Lanckow, mit Hülfe der Bürgerschaft verhinderte.
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Schreiben von Klinckowströhm gewarnt, in mehrfachen Eingaben flehentlich, von dem Erscheinen unter Gewehr verschont zu bleiben. 1 )

Um wenigstens der Treue der früheren Güstrowschen Mannschaften versichert zu sein, von denen manche, die man am 16. Januar nicht gerade auf den Straßen oder Posten getroffen hatte, noch nicht geschworen hatten, wurden sie den 6. März noch einmal alle in Eid genommen. 2 )

Ein letzter Versuch, durch Unterhandlungen mit Adolf Friedrich die schon im Zuge befindliche Bewegung zum Stehen zu bringen, scheiterte. Adolf Friedrich antwortete auf ein Schreiben, in dem ein Vergleich vorgeschlagen war, mit der höhnischen Abweisung: Wenn sein Vetter sich mit dem Schwerinischen begnüge und ihm das Güstrowsche lasse, so sei der beste Vergleich zu hoffen. Auch die Unterhandlungen mit der Herzogin=Wittwe und ihren Töchtern, die nahezu abgeschlossen waren, kamen ins Stocken.

Endlich rückten, in den Tagen vom 11. März ab, die für den kleinen Feldzug bestimmten Kreistruppen ins Land ein. Die drei schon früher aus Wismar ins Güstrowsche gerückten schmedischen Kompagnien zogen sich wieder näher an Güstrow heran, dazu kamen noch zwei andere Kompagnien zu Fuß, vier Kompagnien Lüneburger zu Fuß und eine zu Pferde und ebenso viele Brandenburger, 3 ) so daß also zu den schon seit 1695 im Lande stehenden drei Kompagnien noch jede der Mächte 5, alle drei also im Ganzen, die frühere Besatzung eingeschlossen, 18 Kompagnien stellten. Die ganze Streitmacht, die sich unter dem Kommando des Oberstleutnants Klinckowströhm in Güstrow zusammenzog, war mithin 1800 bis 2000 Mann stark.

Den 15. März näherten sich die Truppen von allen Seiten der Stadt, und zwischen 10 und 11 Uhr Morgens erschienen die beiden Kapitäns v. Wolfrath (ein Schwede) und Baron v. Löben (ein Brandenburger) beim Herzog und übergaben die beiden Schreiben der Kreisdirektoren vom 18. und 21. Februar mit dem Ersuchen an den Herzog, binnen 24 Stunden den Ort


1) Eine Episode aus diesen Tagen war noch, daß die Schweriner vor das große Schloßthor ein Schloß hingen, um einen Ausfall der Kreistruppen zu erschweren.
2) Den 4./14. März erhielt in Wien Graf Horn im Namen seines Herrn die Belehnung mit Güstrow.
3) Auch die Schweden hatten eine Kompagnie Reiter stellen wollen, statt ihrer aber, da gerade keine zur Hand war, eine Kompagnie Fußvolk mehr gegeben.
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zu verlassen. Der Herzog ließ sofort Schreiben an die drei Kreisminister nach Hamburg entwerfen, in denen die Bitte enthalten war, ihm Zeit zum Bericht an den Kaiser zu lassen, und als am 16. die zwei Offiziere wiederkamen, erhielten sie den Bescheid, der Oberstleutnant möge bis zum Eintreffen der Antwort von Hamburg alles in statu quo lassen. Klinckowströhm bewilligte indessen nur nochmals 24 Stunden Bedenkzeit und bezeichnete die 10tägige Frist in dem brandenburgischen Schreiben als einen Irrthum. Als am 17. Morgens die beiden Offiziere wiederkamen, ward ihnen die erfolgte Absendung des Couriers (am 16.) nach Hamburg angezeigt und die Bitte wiederholt, wenigstens bis zu dessen Wiederkunft, die binnen drei Tagen zu erwarten sei, noch Frist zu gewähren. Allein Klinckowströhm schlug dies ab.

Als man darauf wahrnahm, daß er im Schlosse viele Fenster ausheben und an deren Stelle Hölzer mit Schießlöchern anbringen ließ, um den Schloßplatz und die Straßen bestreichen zu können, traf Friedrich Wilhelm Vertheidigungsanstalten: Er verstärkte sämmtliche Wachen, ließ den Rest seiner Leute vor sein Quartier - das Posthaus - rücken und auf der Straße sowohl an ihrer Ausmündung nach dem großen Schloßplatze zu, wie auch an der andern nach dem Domplatze einen Erdwall aufwerfen und mit je 2 Geschützen besetzen.

Darauf führte noch am selben Abend Klinckowströhm fünf Kompagnien seiner Streitmacht beim Bauhofe über die von ihm geschlagene Brücke in den Lustgarten, er selbst mit gezogenem Degen an ihrer Spitze. Sodann ließ er einen Theil dieser Truppen aus dem Schloß auf zwei Wegen in die Stadt marschieren, sich über die Wälle vertheilen und das große Schloßthor mit Gemalt aufschlagen. Ueberall wurden die Schweriner Wachen verdrängt, und auch die Hauptwache an der Schloßbrücke, welche versuchte durch Vorhalten der Bajonette - zu schießen hatte der Herzog verboten - sich der Gegner zu erwehren, mußte der Uebermacht weichen und zog sich, wie sämmtliche übrigen Wachen, nach dem Quartier des Herzogs zurück. Als Stadt und Wälle auf diese Weise in die Gewalt der Kreistruppen gelangt waren, ließ Klinckowströhm den Herzog noch einmal auffordern, er möge jetzt belieben, mit seinen Truppen den Ort zu verlassen, gab indessen, da es bereits spät geworden war, noch einmal Bedenkzeit bis auf den folgenden Morgen.

Am Abend trennten sich die früheren Güstrowschen Mannschaften von den Schwerinern. Sie blieben die Nacht auf dem

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Domkirchhof, verweigerten den Gehorsam und ließen sich drohend vernehmen, sie würden auf die Schweriner Feuer geben.

Im Posthause rieth Graf Eck auf das entschiedenste, nicht zu weichen und im Falle des Angriffs Feuer geben zu lassen. Daraufhin erklärte der Herzog noch am 18. früh, als Klinckowströhm wieder jene beiden Offiziere sandte, er werde nicht fortgehen und Gewalt mit Gewalt vertreiben. Klinckowströhm zog nun noch die beiden Reiterkompagnien in die Stadt, ließ sie mit vier Kompagnien Infanterie bis an die Brustwehren heranrücken und das Posthaus auch im Rücken umstellen. Schon drang ein Trupp der Gegner durch die Justiz=Kanzlei von hinten nach dem Posthause vor, die allerdings wieder zurückgedrängt wurden; schon begannen die bis an die Brustwehren gerückten Kreistruppen diese zu übersteigen: da entschloß sich der Herzog zum Nachgeben trotz Ecks Widerspruch; 1 ) er ließ also die beiden Kreis=Kapitäne zu sich entbieten und sagte ihnen, daß er - unter Vorbehalt seiner Rechte - der Gewalt weiche, und obgleich der im Zimmer anwesende Graf Eck ihm sogleich ins Wort fiel und ihn inständigst bat, sich nicht fortzubegeben, blieb er doch bei seinem Entschluß und bewilligte auch die Forderung, daß das frühere Güstrowsche Militär am Platze bleiben solle. Die Kreistruppen bildeten nun in den Straßen bis zum Schnoienthor Spalier, um die Schweriner hindurchmarschiren zu lassen. Der Herzog selbst erhielt bis 4 Uhr Aufschub, erschien aber unerwartet schon um 1 Uhr vor seinem Quartier, stieg zu Roß und sprengte mit seinem Gefolge und der berittenen Garde hinter dem Dom herum und an der Mauer entlang zum Hagebökschen Thore hinaus. Seine Fußtruppen zogen um 2 Uhr mit Trommelschlag, doch ohne Schalmeien und mit zusammengebundener Fahne durch das Spalier ab. 2 )


1) Dies war besonnen und richtig gehandelt, denn weiterer Widerstand wäre ebenso unnütz wie politisch unklug gewesen; er hätte nur zweckloses Blutvergießen zur Folge gehabt und die Versöhnung des Kaisers mit den Kreisdirektoren, die nicht weniger im Interesse des Kaisers wie jener lag, bedeutend erschwert.
2) Für alle diese Vorgänge wie auch die folgenden sind besonders drei ausführliche Diarien, das eine von einem Schweriner Beamten, das andere in der Stadt (beide aus dem Archiv), das dritte (gedruckt, aus der Regierungsbibliothek) auf dem Schlosse geführt, und ein Bericht von Klinckowströhm an die Kreisminister, datirt vom 19. März, benutzt, für das folgende noch ein späterer vom 13. Juli, der die ganze Szene der erzwungenen Abreise Ecks in der ausführlichsten Weise mit sämmtlichen Einzelheiten erzählt unter Beigabe von eingehenden Aussagen der betheiligten Unteroffiziere wie anderer Augenzeugen, sowie der erste (  ...  )
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Graf Ecks erzwungene Abreise.

Noch war der kaiserliche Bevollmächtigte Graf Eck anwesend. Obgleich ohne Ordre, wie er es mit ihm halten solle, glaubte doch Klinckowströhm sich verpflichtet, auch dessen Entfernung aus Güstrow zu erzwingen. Eine persönliche Begegnung zwischen Beiden fand im Zimmer des Herzogs nach dessen Abreise statt. Klinckowströhm betrat das Haus mit einer Anzahl von Offizieren, nach seiner Aussage, um die Räume, die der Herzog bewohnt hatte, zu besehen. Erst im Hause selbst hörte er, daß der Graf drinnen sei, und ließ sich darauf bei ihm anmelden, wurde auch vorgelassen und forderte nun den Grafen auf, weil dessen Verbleiben "Seiner Pincipalen Intention, sonderlich da Friedrich Wilhelm bereits abgereist und Er also an andern Ohrten commoder alß hier leben könnte, ganz nicht conveuable were, sich anderswohin zu begeben, da ihm besser seyn werde." 1 ) Der Graf schützte zuerst Mangel an Pferden und Wagen vor, schlug aber Klinckowströhms Anerbieten, sich seiner eignen Wagen und Pferde zu bedienen, aus; er werde nicht gehen, man trüge ihn denn hinaus. Er berief sich auch auf das Völkerrecht und erklärte, man möge ihm, da er keine Ordre zur Abreise habe, auch solche nicht anmuthen. Der Oberstleutnant erwiderte darauf, als ein Soldat begreife er nicht in diesem Stücke, was Jus gentium wäre, und bestand darauf, daß Eck binnen zwei Stunden abreisen müsse. Dann empfahl er sich und ließ kurz darauf, während Eck noch in des Herzogs Zimmer sich aufhielt, die Thorschlüssel, die dort aufbewahrt wurden, durch einen Fähnrich und einen Sergeanten mit vier Gemeinen abholen, wogegen Eck feierlich Protest einlegte.

Der Schluß der Szene spielte sich einige Stunden später in Ecks Wohnung, im Hause des Kanzleiraths Stieber, ab. Hier erschienen zuerst die beiden auch zu den bisherigen Verhandlungen benutzten Kapitäne v. Wolfrath und v. Löben und


(  ...  ) kurze Bericht des Grafen Eck (v. 19./29. März) und ein ebenfalls nur kurzer Schweriner Bericht, der an Taddel nach Hamburg geschickt ward zwecks Einlegung eines Protestes bei den Kreisministern, und endlich noch ein Wiener Aktenstück in französischer Sprache.
1) Nach Ecks Bericht soll er gesagt haben: da es ihm "beßer alß hier" gehen dürfte, was Klinckowströhm in seiner späteren ausführlichen Verantwortung als unwahr bezeichnet. Dieser ausführlichen Verantwortung sind sehr eingehende Zeugenaussagen der betheiligten Offiziere und Unteroffiziere beigegeben, die ich der folgenden Erzählung zu Grunde gelegt habe.
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drangen nochmals auf Abreise; auf Ecks Weigerung gaben sie noch zwei Stunden Frist, während dessen sie Pferde für die Kutsche des Grafen, auch für die Dienerschaft und Bagage Wagen und Pferde besorgen lassen wollten. Durch Requisition beim Bürgermeister wurden dann drei Wagen und 16 Pferde herbeigeschafft und Kapitän Schultz (aus Stralsund) an Eck gesandt, um ihm diese anzubieten. Nach Schultz's Bericht antwortete Eck, die Pferde und Wagen könnten zur Abfuhr der Bagage dienen; er für seine Person werde bleiben und warten, bis der Herr Oberstleutnant Leute schicke, die ihn hinaustrügen.

Nach Ablauf der zwei Stunden brachte der schwedische Sergeant Seeger die Anzeige, daß die "verlangten" Wagen und Pferde bereit und vor der Thüre seien. Auf der Diele begegnete ihm der schwerinische Oberstleutnant v. Schenk, der nach Seegers Aussage betrunken war. Mit ihm gerieth Seeger in einen Wortwechsel, bei dem der Oberstleutnant ihn hart anfuhr. Durch die lauten Worte aufmerksam gemacht, öffnete der Graf die Thür und fragte, was es gebe, worauf Seeger seine Meldung anbrachte. Schenk warf die Frage dazwischen: "Habt ihr auch einen Stuhl zum Tragen?" Seeger antwortete, man müsse zusehen, daß man einen herbeischaffe. Der Graf, der diese Worte hörte, schwieg dazu und schloß die Thür wieder.

Seeger meldete darauf Klinckowströhm, der Graf wolle nicht weg, wenn man ihn nicht trüge, und berichtete auch, was der Oberstleutnant Schenk gesagt, worauf Klinckowströhm anordnete, daß Seeger fünf Unteroffiziere, darunter auch Brandenburger und Lüneburger - zwei waren von Adel -, mitnehmen und einen bequemen, auf seinem Zimmer stehenden, mit rothem Sammet beschlagenen Sessel hintragen lassen solle, um einen solchen bei der Hand zu haben, falls der Graf "ferner befehlen werde, getragen zu werden". Doch will er den Unteroffizieren nachdrücklich eingeschärft haben, sich gegen den kaiserlichen Gesandten "mit der allergrößten praecaution, civilitaet und respect" zu betragen und keine Gewalt zu gebrauchen, vielmehr ihm vorzustellen, er möge sich selbst und den Fuhrleuten durch spätes Fahren zu keiner Unbequemlichkeit Anlaß geben. Der Sergeant trat also mit seinen Kameraden, indem sie den rothen Sessel vor der offenen Zimmerthür auf der Diele stehen ließen, in das Vorzimmer des Grafen ein, in dem sich neben andern auch der Graf befand. Seeger machte seine Bestellung, es sei Alles zur Abreise fertig. Eck antwortete, es sei ihm nicht gelegen, er wolle nicht weg, und fragte, als er durch die offene Thür

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den Sessel erblickte, was dieser solle. Seeger erwiderte, S. Excellenz hätte ja solchen selber verlangt, worauf Eck sagte, er sei Gottlob noch in dem Stande, selber zu gehen. Auf eine neue Mahnung Seegers, der Graf möge die Fuhrleute nicht aufhalten, rief Eck aus: "So greifet mich denn an," und schlug, als Seeger auf ihn zutrat, mit beiden Händen vor sich mit den Worten: "Gegen einen Kerl wehre ich mich, aber nicht gegen viele." Seeger trat zurück und sagte: "Bewahre Gott! Jhro Excellenz, das hat gantz die Meinung nicht, ich finde mich auch nicht capable mit Ew. Excellenz mich zu überwerffen, habe auch im geringsten vom H. oberstleutnant keine ordre dazu, vielmehr Ew. Excellenz mit aller civilitaet zu begegnen und helffen, daß Sie vohrt zu Wagen kommen mögen." Nach einem weiteren Wortwechsel, worin der Graf fragte, ob die Unteroffiziere Ordre hätten, Gewalt zu gebrauchen und Seeger dies in Abrede nahm, that Eck einige Schritte nach der Thür mit erhobenen Händen und laut protestirend, daß ihm zu viel geschehe; Seeger ging rückwärts vor ihm her. In diesem Augenblick trat ein Lakai herein mit der Meldung, es sei noch nicht Alles fertig. Seeger ging nun hinaus, um nachzusehen, was es gebe. Es fand sich, daß des Grafen Diener, die inzwischen die Bagage aufgepackt hatten, die Befürchtung hegten, vier Pferde würden dessen Chaise nicht ziehen können. Als aber der Fuhrmann dies für möglich erklärte, trat Seeger wieder ins Zimmer mit der Anzeige, jetzt werde es an nichts fehlen, und bitte er gehorsamst, weil der Herr Graf einmal schon gütigst resolvirt hätte wegzugehen, bei der vorigen Meinung zu verbleiben. Eck gab wieder die Antwort, er ginge nicht von seinem Posten, er werde denn mit Gemalt davongetragen, und ob der Sergeant Ordre dazu habe? Seeger verneinte dies. Darauf schwieg der Graf einen Augenblick und rief dann überlaut: "Wo ich weg soll, so fasset mich an! Nach einigem Zaudern trat Seeger mit einer Verbeugung an den Grafen heran und rührte, wie er selber nachher behauptet hat, nur mit seiner rechten Hand an des Grafen linken Aermel, als wenn er ihn fortführen wolle. Der Graf hob nun beide Hände auf und rief überlaut, ihm geschehe die größte Gewalt. Seeger trat sofort einige Schritte zurück und sagte, Excellenz möchte dies für keine Gewalt von ihm aufnehmen, er wisse nicht, daß er eine einzige Miene gemacht haben sollte, woraus man eine Gewalt abnehmen könne. Darauf sagte Eck, er habe auf sie nichts zu sagen und sei mit ihrer Höflichkeit wohl zufrieden; er würde auch des Herrn Kapitäns Conduite,

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so der Herr Oberstleutnant zu ihm geschickt, zu rühmen wissen, welchem er seinen Gruß zu hinterbringen bitte, das übrige aber wolle er für die größte Gewaltthat annehmen, da er leicht merken könne, was Seeger für Ordres haben müßte. Darauf ging er - wie die Kreisunteroffiziere ausgesagt haben -, ohne angefaßt zu sein, indem die Unteroffiziere ihn begleiteten, aus dem Zimmer und dem Hause, mit erhobenen Händen protestirend, stieg in die Kutsche - es war gegen 6 Uhr - und ward nach Bützow gefahren, von wo er am nächsten Morgen nach Schwerin zum Herzog sich begab.

Nach Ecks eigenem Bericht sind die Unteroffiziere zuletzt auf Seegers Befehl auf ihn zugetreten und haben ihn zwar anfangs um Verzeihung gebeten, aber ihn endlich nach und nach zur Thür aus der Stube bis an den Wagen geschoben. 1 )


1) Hierin wird der Bericht des Grafen mehr Glauben verdienen, als der schwedische, der das Geschehene möglichst abzuschwächen versucht. Die betreffende Stelle seiner Relation lautet: "und kahmen damahls gleich darauff - d. h. nach dem Abschluß der vorhergehenden Relation - zwölff oder mehr officiers zu mir in die Stube gedrungen, bedeutend, es wäre nun alles angespannt, und Klinckoströhm ließ mich bitten, ich solle fort; Jch andtworttete, daß ich bei meiner Resolution bleibe: hätten sie ordre mich anzugreifen, solten Sie es thun, aber eines kerls würde ich mich erwehren; darauff griff mich ein Schwede an, den ich zweymahl (!) zurückstieß, und mich loß riße; alßdaun commandirte Er, es solten die andern zukommen, welche zwar anfang umb Verzeihung bathen, aber mich endtlich nach und nach zur Thür aus der Stube (so zur Erden war) biß an den Wagen schoben, da ich dann (nachdem Ew. Kays. Maytt. Autorität und jurisdiction so lange, alß ich konte, mainteniret) noch mahlen mit lauter Stimme in beyseyn einer großen menge Volcks vor Gott und aller Welt über diesen, affront und gewalt protestirte, welchen man Ew. kays. Maytt. Authorität anthäte." Das Schweriner Diarium schildert die Szene mit den Worten: "Der Unterofficier zog hierauf den Herrn Grafen bei dem Ermel, und die andern trungen von hinten zu, und mit sothanem Gedrenge gingen sie nach der Stuben= und Haußthür, auch Gutsche mit ihm zu, vor der Gutsche protestirte der Herr Graf nochmahl öffentlich und salvierte Kays. Maytt. respect fuhr auch gegen 6 Uhr den weg hinten an der mauer zur Stadt hinauß." In dem Güstrower Diarium heißt es: "Darauf sie alle umb ihn hertraten, und umb Verzeihung baten, denn sie es nicht gerne thäten, sie müßtens aber thun, der Herr Graf fiel ihnen in die Rede, daß er sich nicht über ihre indiscretion, sondern wol über die indiskrete ordre beschwerte, alßbald hielt man ihn zu beeden seiten an der Hand, und schoben ihn sanft an den wagen, da dann der Herr Graf nochmahlen unter freyem Himmel vor Gott und der gantzen welt feyerlichst protestirte gegen die Gewalt und affront, so man seinem allergnädigsten Herrn anthäte." In dem Diarium, das auf dem Güstrowschen Schlosse geführt ist, wird diese Szene nur kurz berührt. Ecks Darstellung wird, wie man sieht, durch die Güstrower bestätigt, (  ...  )
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Der Handstreich war also vollkommen gelungen. Da eine neue Regierung sich nicht auf der Stelle einsetzen ließ, so wurden noch am Abend des 19. die Justizkanzlei, das Geheime Rathszimmer, die Räume der Kammer und Renterei versiegelt.

Am folgenden Tage wurde das Güstrowsche Militär, mit Ausnahme der Offiziere und der meisten Unteroffiziere, die man entließ, durch Drohungen, man werde sie sonst an Händen und Füßen fesseln lassen, genöthigt, "dem Hause Mecklenburg unter dem Kommando der kreisausschreibenden Fürsten" einen Treueid zu leisten. Die drei Kompagnien zu Fuß gehorchten auch, ohne sich viel zu sperren; die Leibgarde zu Pferde weigerte dagegen anfänglich den Eid, allein in kleinen Trupps vorgeführt und hart bedroht, fügte auch sie sich. Noch einmal versuchten dann die Güstrower eine Auflehnung, als sie den 22. auf Wache kommandirt wurden. Sie schützten vor, sie hätten nur dem Hause Meklenburg und nicht dem Oberstleutnant Treue geschworen und versagten den Gehorsam, allein eine reichliche Anwendung der Prügelstrafe gegen die Renitenten brach ihren Widerstand. 1 )

Inzwischen war auch Boizenburg, nächst der Hauptstadt der wichtigste Ort des Herzogthums, in den Besitz des Kreises übergegangen. Der schwedische Kapitän Wulfrath war hier den 20. erschienen und hatte nach Weigerung des Fähnrichs Lanckow, freiwillig abzuziehen, mit Hülfe der dort noch liegenden Schweden die Schweriner Wachen von ihren Posten fortdrängen lassen und die früheren Güstrower unter der Besatzung von den Schwerinern


(  ...  ) auch wird die Glaubwürdigkeit des schwedischen Berichtes dadurch erschüttert, daß die ihm beigelegten Aussagen der Unteroffiziere verbotenus gleich sind. Man hatte ein Protokoll des Thatbestandes aufgenommen, dies wurde den Unteroffizieren d. 1. Mai vorgelesen, und sie bestätigten durch ihre Unterschrift die Richtigkeit. Hätte man die Unteroffiziere getrennt von einander einzeln vernommen, so würden ihre Aussagen schwerlich so übereinstimmend ausgefallen sein. Das Ganze macht den Eindruck des für den Zweck zurechtgestutzten, der auch durch die Versicherung der Unteroffiziere, ihre Aussagen, wenn es verlangt werde, eidlich erhärten zu wollen, nicht beseitigt wird. - Entstellt und übertrieben, ist die Darstellung bei Droysen, Gesch. d. preuß. Politik IV, 1, S. 170 und nach ihm bei Zwiedeneck=Südenhorst, Deutsche Gesch. i. Zeitraum der Gründung des preuß. Königthums II, S. 154. "Die am häufigsten auftretende Version gibt an, daß ihn der schwedische Oberstleutnant Klinckowström von Grenadieren auf einen Sessel setzen und aufs freie Feld habe tragen lassen."
1) Anfang 1698 wurde aus Sparsamkeitsrücksichten das Güstrowsche Militär bis auf 15 Reiter entlassen.
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getrennt. Es wurde dann vereinbart, daß die Schweriner den 21. früh abmarschiren sollten, was auch Morgens um 6 Uhr geschah. Die Güstrower leisteten auch hier den gleichen Eid wie ihre Kameraden in Güstrow.

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VIII.

Der Streit zwischen dem Kaiser und den Kreisdirektoren.

Die letzten kaiserlichen Reskripte vor der Depossedirung und die ersten nach derselben.

So war durch das vereinigte Kreisdirektorium der kaiserliche Richterspruch gewaltsam umgestoßen, der durch ihn eingesetzte Landesfürst verjagt und der Vertreter der kaiserlichen Majestät ebenfalls, und zwar nicht ohne persönliche Verunglimpfung, aus dem Lande entfernt worden.

Es konnte nicht fehlen, daß dieses Vorgehen in aller Welt das größte Aufsehen, in Wien helle Entrüstung erregte. Der Kaiser, sagte einer der Wiener hohen Beamten, 1 ) werde eher Krone und Szepter daran setzen, als solche unerhörte Beschimpfung dulden. Im ersten Unwillen ward (d. 20./10. April) den Gesandten der drei Mächte in Wien der Hof verboten. Allein der Gewalt mit Gewalt zu begegnen, war man nicht in der Lage. Gern hätte man eine andere Macht, z. B. Dänemark, vorgeschoben, indessen Dänemark verhielt sich gegenüber den Sondirungen des Schweriner Gesandten v. Halberstadt ablehnend, noch viel weniger dachte von den übrigen deutschen Fürsten einer daran, der Koalition der drei mächtigsten norddeutschen Höfe mit Gewalt entgegenzutreten, wenn sie es auch an höflichen Betheuerungen der Theilnahme für Friedrich Wilhelm, auch wohl des Unwillens über das Geschehene nicht fehlen ließen.

Die nächsten zwei Expeditionen aus der kaiserlichen Hofkanzlei nach der vom 6. März, eine vom 20. März und eine vom 3. April, waren noch abgesandt, ehe man Kenntniß von den


1) s. Droysen IV. 1, S. 170.
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Vorgängen des 18./28. März hatte, doch waren die Absichten der Kreisdirektoren sowie die Truppenansammlungen an der meklenburgischen Grenze bereits bekannt. Der Kaiser spricht demzufolge den 20. März in einem Schreiben an Eck die Hoffnung aus, daß diese Gerüchte grundlos oder die Kreisdirektoren inzwischen durch die Verordnungen vom 6. März auf andere Gedanken gebracht seien, sendet aber doch auf alle Fälle neue Verordnungen an Friedrich Wilhelm, die Possession von Güstrow weder an die kreisausschreibenden Fürsten noch an jemand anders abzutreten und sich, falls Gewalt gebraucht werden sollte, auf alle thunliche Weise dagegen zu schützen, an Adolf Friedrich, sich nur an den Kaiser und den ordentlichen Weg Rechtens zu halten, an die Ritter= und Landschaft sowie die Beamten und Unterthanen des Herzogthums Güstrow, bei Vermeidung der kaiserlichen Ungnade und scharfer Bestrafung, Niemandem als dem Kaiser und Herzog Friedrich Wilhelm anzuhängen, an die kreisausschreibenden Fürsten, deren Amt es sei, vielmehr die kaiserlichen Urtheile in Fällen, da es nöthig sei und deswegen requirirt werde, zu befördern als zu hindern, sie möchten das etwaige Vorhaben ihrer Minister in Hamburg inhibiren und Adolf Friedrich an den Kaiser verweisen; auch die kaiserlichen Gesandtschaften in Regensburg sowie in Schweden, im Haag und in England werden angewiesen, wenn die Rede auf den Güstrowschen Erbfolgestreit komme, "aller Orten den Unfug des Kreisdirektoriums vorzustellen". 1 )

Bei Abgang der Expedition vom 3. April war schon bekannt, daß sich eine ziemliche Anzahl Kreisvölker der Stadt Güstrow nähere. Friedrich Wilhelm wird deshalb ermahnt, sich nichts gegen die kaiserliche Autorität aufdrängen zu lassen, noch sich des Besitzes von Güstrow zu begeben; die Herzogin=Wittwe, die man in dem - allem Anschein nach unbegründeten - Verdacht hatte, ihre Hand mit im Spiele zu haben, wird gewarnt, "von all dergleichen abzustehen"; die Kreisdirektoren werden nochmals ernstlich ersucht, dem kaiser=


1) Letzteres geschah in Folge einer Anregung des Grafen Eck. Es ist bezeichnend, daß Eck für die Reskripte an die Gesandtschaften die Wendungen vorschlägt, der Kaiser werde gezwungen sein, "seine sonst dem publico zum besten destinirte Trouppen zu verwahrung dero authorität wieder des Kreyß unerhörte zunöhtigungen zu employren, item daß dergleichen unfreundliches bezeigen der Cron Schweden mit der mediation bei den Friedens=Tractaten nicht compatibel," daß aber weder die eine noch die andere Wendung in die Reskripte Aufnahme gefunden hat. So scharf wünschte oder wagte man in Wien nicht aufzutreten.
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lichen Urtheil nicht zuwider zu sein; ja es wird an ihre Truppen ein besonderes Mandatum Avocatorium et Inhibitorium erlassen, in dem Jeder mit der Reichsacht (!) bedroht wird, der sich gegen den Kaiser gebrauchen lasse; Ritter= und Landschaft, Bürger, Unterthanen und Angehörige des Herzogthums Güstrow erhalten ein Protectorium, worin aber zugleich auf Zuwiderhandlungen, d. h. auf Unterstützung der Kreistruppen u. dergl., eine Strafe von 100 Mark Goldes gesetzt wird.

Ueber die vollzogene Thatsache der Deposedirung äußerte sich der Wiener Hof den 13. April. Das Reskript an die Kreisdirektoren, das von diesem Tage datirt ist, ergeht sich in den schärfsten Ausdrücken des Unwillens über das "niemahlen, seit des unter einem Christlichen Haupte stehenden Römischen Reichs, erhörte, contra jus gentium, ja wider Vernunfft selbsten lauffende factum." In keinen Reichs=Satzungen sei dem Kreisausschreibe=Amt solche absolute Gewalt gegen ihr von Gott vorgesetztes allerhöchstes "Oberhaupt mit so entsetzlichen, auf so vielfältiges unschuldiges Blutvergießen abgezielten violentien. außzubrechen gegeben", vielmehr werde den Kreisdirectorien in krafft des klaren Inhalts des Recesses vom Jahre 1555 § 73 befohlen, "sich keiner Hoheit über andere Stände anzunehmen, oder sich unter dem Schein dieses Amts Verwaltung in einige Superiorität über die andern einzudringen, oder ferneren Gewalts und Macht, alß Jhnen vermöge dieser Ordnung zustehet, anzumaßen", und nur wenn Kriegs=Empörung, Rottirung und scheinbare (d. i. augenscheinliche) Gefahr zur thätlichen Handlung vorhanden, werde den Kreisdirektoren durch die Reichskonstitutionen aufgetragen, darauf Obacht zu haben, solches abzuwenden, jedoch aber dem Kaiser als des Reichs höchstem Oberhaupt und dem von dem Kreise erbetenen General=Obristen, von ihrem Vorhaben und, was sie dazu veranlaßt, Nachricht zu geben. Der Kaiser weist dann darauf hin, wie er in seiner vierzigjährigen Regierung sich jeder Zeit auf das Aeußerste angelegen sein lassen, damit "die heilsahm justitz, alß die grundfeste eines wollstehenden Reichs, bey ihrer gerechtsahme manuteniret, und dan das gesamte Heil. röm. Reich von aller in= und außwärtigen beunruhigung frey gesetzet werde. Er habe dazu mit exponirung seiner Erb=Königreiche und Lande, sacrificirung seiner milice, und Erschöpffung seiner Cameral=Mittel ohnaußsetzlich und jederzeit gantz geneigt concurriret, und werde nicht ermangeln, auch noch ferner, auf und so lange dem Allerhöchsten, Jhn die Bürde des Reichs=Regiments tragen zu laßen, gefalle, ohnverrückt darin zu verharren." Dieser

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Gedanke bietet den Uebergang zu der Erklärung, daß der Kaiser auch jetzt zur Bezeigung seiner auf gänzliche Beruhigung des Reiches beständig gerichteten Gesinnung, obgleich er ganz wohl befugt sei, diesen gegen ihn "außgebrochenen ärgerlichen hostilitaten mit höchstbilliger Gleichförmigkeit zu begegnen", damit noch anstehen wolle; und da er für den König (resp. Kurfürsten oder Herzog) jeder Zeit eine "particuliere propension getragen" und solches ihm selbst wie seinem Hause durch die That bezeugt habe, so könne er nicht glauben, daß dieses alles von jenem so schlechterdings außer acht gesetzt sei, vielmehr sei er überzeugt, daß jener "als Teutscher, auf die beforderung und Concurrirung der Kayserl. Ehre und reputation verpflichteter Fürst, und vornehmes Mitglied des heil. Reichs, sonderlich bey jetzigen beschwerlichen Kriegen und conjuncturen, solche unerhörte abscheuliche Mißhandlung und Vergreiffung an den Kayserl. characterisirten Personen fürzunehmen, keines weges werde befohlen und bewilliget haben, oder auch guht heißen und approbiren, sondern vielmehr dieses alles, auß einem unzeitigen Eyfer und Hitzigkeit derer von Jhrem Hause, und in Hamburg sich befindlichen Ministrorum und des Klinckoströms herrühren", und daß deshalb die Fürsten ihre Truppen aus Meklenburg wieder abberufen, die schuldigen Räthe und Minister exemplarisch bestrafen, Klinckomströhm aber und diejenigen, welche sich an dem kaiserlichen Gesandten vergriffen, zur Abstrafung unverlängt stellen, damit der Kaiser "wiedrigenfalß nicht gemüßiget werde, gegen dieselben zu würklicher satisfaction und redressirung des gantzen werckes selbsten, eine demonstration fürzunehmen." Im Falle die Fürsten "sich sothanen scandaleusen Verfahrens theilhafftig machen, und es approbiren, auch darauf weiter verharren, und die verlangte satisfaction entziehen wollten, werde der Kaiser nicht allein die gebührende ferner fürnehmen laßen, sondern hebe auch hiermit alles, was von jenen bey diesem wercke, gegen die allerhöchste Kayserl. authorität und jurisdiction wie auch gegen alle Rechte und Reichssatzungen verübet worden, gänzlich auf, cassire und annullire es, alß menn dergleichen Thätlichkeiten niemahls vorgegangen oder verübet werden wären, dem Herzog Friedrich Wilhelm aber confirmire und bestätige Er alle seine Rechte und Gerechtigkeiten hiermit kräfftigst." Der Kaiser hofft, daß die Fürsten "dero bey dem Reiche erworbenen ruhm eines Patriotischen Fürsten, durch etwanige hitzige consilia, und von Privat=Personen herrührende passiones auf solche wieder ein gekröhntes, und dem reiche so viele jahre, in ver=

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schiedenen schweren Angelegenheiten, mit Anwendung aller möglichsten kräffte, vorgestandenes allerhöchstes Oberhaupt ergriffene Art, nicht in die Gefahr setzen."

Auch an die Regensburger Gesandtschaft ging den 13. April wieder ein Schreiben aus Wien ab, worin sie Nachricht von dem Vorgefallenen erhielt, damit sie das Verfahren des Kreises gehöriger Orten vorstellen könne, und die Güstrowsche Ritter= und Landschaft erhielt ein Mandat mit dem erneuten Befehl, bei Strafe von 100 Mark lötigen Goldes, ungeachtet der Thätlichkeiten des Kreisdirektoriums, sich nur an den Kaiser zu halten und Friedrich Wilhelm nach wie vor für ihren Landesfürsten zu achten; auch in diesem Schriftstück wird alles, was das Kreisdirektorium vorgenommen, für null und nichtig erklärt.

In ähnlichem Sinne hatte Friedrich Wilhelm sogleich nach seiner Wiederankunft zu Schwerin an die Stände wie Beamte Schreiben erlassen, in denen er sie mahnt, ihm treu zu bleiben und dem Kreisdirektorium den Gehorsam zu versagen, und den 24. März ein Reskript folgen lassen, worin u. a. allen Beamten anbefohlen wird, sub poena dupli nichts von den Revenüen des Herzogthums Güstrow an den Kreis auszuzahlen.

Freilich, Herzog Friedrich Wilhelm war machtlos, der Kaiser in Wien, und die Truppen der Kreisdirektoren standen im Lande, Gehorsam fordernd und ihn zu erzwingen gewillt. Dadurch kam das Güstrowsche Land, wie seine Stände und Beamten in eine höchst mißliche Lage.

Die Güstrowschen Beamten und Stände unter der Interims=Regierung.

Gleich im März war jedem der Landräthe, als sie sich weigerten, bei einer Vertheilung der Kosten für die Einquartierungslast mitzuwirken, eine Kompagnie auf ihre Güter gelegt worden. Indessen zogen die Kreistruppen größtentheils Ende März wieder ab, mit Ausnahme derer, die bereits vorher im Lande gestanden hatten, und der drei im Januar aus Wismar ausgerückten schwedischen Kompagnien, die wieder in den Aemtern Güstrow, Schwaan und Ribnitz Quartier nahmen. Auch diese drei marschierten den 2. Ostertag (d. 5. April) nach Wismar zurück und ließen nur auf jedem Hofe und auf den Amtshäusern in den drei Aemtern einen oder einige Mann liegen "zur Behauptung der Possession". Und für die noch im Lande verbleibenden Truppen wurde nicht die Löhnung, sondern nur das

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Service verlangt, dieses aber sollte schon vom Januar ab nachgezahlt werden. Für die früheren Güstrower Truppen mußte auch Löhnung beschafft werden, weshalb Klinckowströhm sich wieder an die Stände wandte.

Auf Anweisung Friedrich Wilhelms (vom 1. April und 3. Mai) weigerten diese fortgesetzt ihre Mitwirkung bei der Repartition der Kosten, worauf Klinckowströhm sie auf eigene Hand vornahm. Um Geld zur Löhnung der Güstrower Truppen zu bekommen, ordnete er an, daß sämmtliche Domänenpächter des Amtes Güstrow die Pachtsumme, die sie zu Ostern d. J. schuldig waren, vom 7. April an ihn abliefern sollten. Sie baten durch ein Schreiben vom 4. April in Schwerin um Verhaltungsmaßregeln und stellten dabei vor, daß ihre Bauern bereits ohnehin durch die Einquartierung so mitgenommen seien, daß sie weder Brod= noch Saatkorn mehr hätten, und also durch eine Exekution völlig ruinirt werden würden, so daß sie würden davon gehen und die Höfe wie die Bauern=Hufen unbestellt und unbesät würden bleiben müssen. 1 ) Angewiesen, die Summe nicht an Klinckowströhm, sondern an den Güstrowschen Landrentmeister Dörckes zu bezahlen, gehorchten sie und machten Klinckowströhm Anzeige davon. Dieser ließ nun den 8. April durch einige Soldaten 1000 Th. aus dem Hause des Landrentmeisters abholen trotz der Proteste desselben. Den 28. April wurde Dörckes aufgefordert, die Schlüssel zur Rentkammer herauszugeben, und als er es weigerte, ein Schmied geholt, um die Thür zu erbrechen; endlich, als dieser schon bei der Arbeit war, entschloß sich der Rentmeister, die Thür aufzuschließen. Es fanden sich noch 1060 Th. in der Kasse; Klinckowströhm ließ sie den 5. und 6. Mai abholen und den 6. auch durch einen Sekretär den Schlüssel zur Rentkammer trotz der Proteste des Landrentmeisters wegnehmen.

Am 5. Mai kamen in Güstrow die drei Räthe an, die von den Kreisdirektoren zur Einrichtung und Führung einer Interims=Regierung abgeordnet waren: J. Chr. Koch (Schwede), T. Schreiber (Brandenburger) und E. W. Spörcke (Lüneburger) 2 ). Sie eröffneten die versiegelten Collegia wieder, for=


1) Das Schreiben gewährt zugleich einen Einblick in die recht zerrüttele Finanzwirthschaft des Herzogthums Güstrow: es war dort Sitte geworden, die Pachtsumme im Voraus zu bezahlen; manche der Pächter hatten Weihnachten schon mehr bezahlt, als zu Ostern fällig war.
2) Dieser wurde Oktober 1697 abgelöst durch J. Speirmann, in den letzten Monaten ihres Bestehens ward die Interims=Regierung noch durch einen vierten Rath, Gackenholtz, verstärkt.
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derten die Schlüssel von den Beamten, in deren Verwahrung sie waren, nöthigenfalls mit Gewalt, ab und suchten die Landesverwaltung wieder neu zu organisiren und die Finanzgefälle des Landes an sich zu ziehen; auch begannen sie sogleich mit den fürstlichen Amtleuten über einen zu leistenden Eid sowie mit den Ständen zu verhandeln. Da sie fast ohne Unterbeamte gekommen waren, so suchten sie von den früheren Güstrowschen Beamten so viel, wie sie brauchten, zur Fortführung ihrer Funktionen im Dienste des Kreises zu bewegen.

Die drei Männer hatten eine recht dornenvolle Aufgabe übernommen, denn sie sahen sich anfänglich bei jedem Schritte, den sie thaten, einem einmüthigen Widerstande gegenüber. Es muß anerkannt werden, daß sie, um ihn zu brechen, kein größeres Maß von Strenge anwandten, als für ihren Zweck unvermeidlich war. Weit höhere Anerkennung aber verdienen die Güstrowschen Beamten wie Stände, die ihrem vom Kaiser eingesetzten Fürsten die Treue hielten und seinen Weisungen folgten, so lange es irgend möglich war, so viel Ungemach sie sich auch dadurch zuzogen.

Es würde zu weit führen, hier die Schicksale eines jeden einzelnen Beamten, wie sie sich aus den im Archiv aufbewahrten Berichten herausschälen lassen, ausführlich zu erzählen, ein kurzer Ueberblick aber ist nicht nur für die damalige Lage des Landes lehrreich, sondern erfüllt auch eine Art Ehrenpflicht der Geschichtsschreibung gegen die Männer, die damals für ihren Fürsten gelitten haben. Wir beginnen mit den in Güstrow selbst wohnenden Beamten.

Ein Abtrünniger fand sich unter ihnen gleich in den ersten Tagen der Kreisregierung, es war der Archivar Chop, der dann später - 1701 - in Adolf Friedrichs Dienste trat. Auch der Rentschreiber Storm leistete den 12. Mai, nachdem er sich einige Tage lang hatte nöthigen lassen, dem Kreise den Eid und ward dafür mit der Funktion des Landrentmeisters betraut an Stelle des bisherigen Landrentmeisters Dörckes, der sich für den Kreis nicht hatte gewinnen lassen. Später stellte sich heraus, daß Herzog Gustav Adolf, als er auf dem Todtenbette lag, Storm die Obhut über eine Anzahl wichtiger, in der Renterei aufbewahrter Urkunden besonders ans Herz gelegt hatte, zu denen dieser, da ja die Räume der Renterei beim Einbruch der Kreistruppen versiegelt worden waren, nicht anders gelangen konnte, als wenn er sich durch Wiederaufnahme seiner Funktion Zutritt dazu verschaffte. Er fand denn auch Gelegenheit, sie für die Zeit der

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Interims=Regierung unauffällig bei Seite und in sichere Verwahrung zu bringen. Von diesen beiden abgesehen, ließ sich keiner der in Güstrow selbst stationirten Beamten des Geh. Rathes, der Kammer und Renterei für den Kreis gewinnen, 1 ) und soweit Amtshandlungen von Seiten des Kreises von ihnen begehrt wurden, ließen sie sämmtlich es erst auf den Zwang ankommen.

Der Kammersekretär Joh. Schuckmann lieferte den Schlüssel zur Kammer den 12. Mai nicht aus, sondern ließ ihn sich wegnehmen, der Kanzleisekretär Moritz Heim wurde, als er den 14. die Schlüssel zur Justiz=Kanzlei abzuliefern sich weigerte, mit 20 Thaler Strafe und mit Exekution bedroht, falls er die Schlüssel bis zum 15. Mittags 12 Uhr nicht ausliefere. Er sah sich also genöthigt, zu gehorchen. Dann verlangte man Rechnung über die fiskalischen Strafgelder von ihm, er berichtete dies nach Schwerin und erhielt von dort Befehl (d. 26. Mai), sie zu weigern. Dafür ward er den 26. Juni mit Hausarrest belegt, bis er die Rechnung eingeliefert; den 7. Juli erhielt er ein neues Drohschreiben, und da ihm zu Ohren kam, daß man ihn in Gewahrsam bringen wolle, so fügte er sich und lieferte die Rechnung ab.

Auch vom Landrentmeister Dörckes ward Ablegung der Rechnung von Johannis 1696 an verlangt; er ward den 29. Mai mit 1000 Th. Strafe bedroht, wenn er sie nicht binnen sechs Wochen einliefere, und erhielt den 2. Juni zur vorläufigen Bestrafung 2 Musketiere in Exekution, wodurch er sich denn auch das Versprechen abnöthigen ließ, mit der Arbeit zu beginnen.


1) Von den Geheimen Räthen wurde dies auch nicht begehrt, da ja die Kreisräthe selbst deren Funktion übernahmen, sie wurden vielmehr für ihrer Aemter enthoben erklärt. Ihre Schicksale sind kurz folgende: der Oberpräsident v. Ganß blieb in Güstrow wohnen, starb aber noch vor Beilegung des Streites d. 16. März 1700, der Generalmajor u. Oesterling erbat d. 24. Dez. 1697 seinen Abschied, den er auch erhielt, der Kanzler Curtius starb plötzlich am Schlage d. 18. April 1697, v. Scheres zog fort, nach vorübergehendem Aufenthalt in Karlsbad und Nürnberg finden wir ihn von Ende 1698 bis 1701 in Frankfurt a. M. Von den übrigen Beamten wurden manche, wie Mumme und der Kammerrath Schuckmann, sogleich wieder im Schwerinischen Dienst verwandt, letzterer um von Güstrow aus zu berichten, wie auch Mumme zeitweilig. Allen Geh. Räthen und Beamten sicherte Friedrich Wilhelm nach der Depossedierung Fortzahlung des Gehalts zu, konnte aber seine Zusage auf die Dauer nicht halten, so daß die Beamten sich von Mitte 1698 ab bis zum Abschluß des Streites ohne Gehalt behelfen mußten. Von den Beamten, der Justizkanzlei trat der Rath Geiling (nach s. Schreiben v. 25. Sept. 1697) in den Kreisdienst und später in den Dienst Adolf Friedrichs.
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Ueber sämmtliche frühere Güstrowsche Beamte, die ihren Wohnsitz dort noch hatten, kam Ende Juni eine empfindliche Heimsuchung. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Kursachsen für den Kaiser mit Heeresmacht eintreten werde, und daß 8000 Sachsen auf dem Marsche nach Meklenburg seien. Die Kreismächte trafen deshalb Anstalten, um ihnen zu begegnen, und Schweden warf zur Verstärkung der Güstrower Garnison vier aus den 18 in Wismar liegenden ausgesuchte Kompagnien Infanterie, zusammen 400 und etliche 30 Mann, nach Güstrow (d. 24. Juni). 1 ) Bei deren Einquartierung wurden - wie Mumme schreibt, auf Veranstaltung der "gottlosen" Bürger selbst, aber doch vermuthlich auch als Strafe für ihre ablehnende Haltung - gerade die Beamten, die als fürstliche Diener sonst von solchen Lasten frei waren, besonders stark belegt. Mumme hatte auf seiner kleinen Meierei vor der Stadt drei Tage lang einen Kapitän und 30 Gemeine liegen, er löste deshalb seinen Haushalt in Güstrow ganz auf und zog nach Rostock, um dort bessere Zeiten abzuwarten. Das Gerücht vom Anrücken der Sachsen erwies sich übrigens sehr bald als falsch, und am 8. Juli marschirten die Schweden nach Wismar zurück.

Noch aber war den Beamten keine Ruhe gegönnt. Es fand sich, daß in den Registraturen und im Archiv nicht alle Akten vorhanden waren; die fehlenden vermuthete man in den Händen der früheren Güstrower Beamten. Es erging also an diese die Aufforderung, die Akten, die sie etwa noch in Verwahrung hätten, herauszugeben oder einen Eid zu leisten, daß sie seit Anwesenheit der Kreisregierung keine mehr gehabt hätten. Am glimpflichsten verfuhr man mit dem alten und kranken Oberpräsidenten v. Ganß; er erhielt d. 7. Juli Befehl, sobald sein schwächlicher Zustand eine Durchsicht seiner Papiere erlaube, alle öffentlichen Dokumente und Akten herauszugeben; soweit ersichtlich, ist indessen der Befehl unausgeführt geblieben.

Schärfer trat man gegen die übrigen auf. Den Hofräthen Duncker und Schäffer z. B. holte man die Akten, da sie sie einem Befehl aus Schwerin zufolge nicht ablieferten, mit Gewalt aus ihren Zimmern hinweg. Der Geh. Sekretär v. Pommer Esche, der eine Anzahl Akten nach Schwerin gesandt hatte, ward den 8. Juli mit Exekution (von einem Musketier) und Stadtarrest belegt, bis er die geforderten Akten herausgebe oder beschwöre, daß er sie bereits früher an Friedrich Wilhelm abgeliefert habe.


1) Zugleich rückten 200 Schweden aus Pommern ins Stargardische ein.
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Er erwirkte die Erlaubniß zu einer Reise nach Schwerin, um in der dortigen Geh. Registratur die abgelieferten Akten nach sehen und ein Verzeichniß derselben nebst einem Lieferungsschein sich ausstellen zu lassen. Auch damit war indessen die Kreisregierung noch nicht zufrieden; sie verlangte den Eid, der aber war pommer Esche in Schwerin verboten werden. So wurde den 20. Juli der Soldat ihm wieder ins Haus gelegt, auch Stadtarrest wieder verhängt. Den 24. ward die Exekution verdoppelt und der Stadtarrest in Hausarrest verschärft. Pommer Esche klagte in einem Schreiben, das er den 26. Juli nach Schwerin sandte, die beiden Leute forderten Branntwein und Bier, "so viel sie saufen könnten" 1 ) und verübten auch sonst allerlei Mutwillen, den Tag über hätten sie meistens einige ihrer Kameraden bei sich und verursachten mit beständigem Tabackrauchen nicht geringen Verdruß. Es ginge das Gerücht, daß er bei weiterem Widerstand gefänglich eingezogen werden solle, er bat deshalb um die Erlaubniß, den Eid leisten zu dürfen, worauf er denn auch d. 2. September die Erlaubniß erhielt und den 6. September durch Leistung des Eides sich von Exekution und Hausarrest befreite.

Von den außerhalb Güstrows stationirten fürstlichen Beamten waren die wichtigsten der Zollinspektor Thilo in Boizenburg und der Verwalter der Saline in Sülze, Valentin Möller. Thile wurde schon auf den 15. Mai nach Güstrow geladen, erhielt aber (d. 29. Mai) Aufschub bis zum 7. Juni, bei Gelegenheit einer Reise nach Güstrow - Ende Mai - wurde er hier sogleich von der Kreisregierung vor die Amts=Kammer gefordert und ihm der Antrag gemacht, in Kreisdienst zu treten. Er lehnte dies ab, stellte sich den 7. Juni nicht und erhielt den 28. Juni Befehl, die Zollzettel vom Januar an mit einem Extrakt, was von dieser Zeit an bis Johannis an den Grafen Bielke abgeführt werden, einzusenden. Zum 6. Juli wieder peremptorie vorgefordert, ward er in Güstrow krank und konnte schon deshalb der Citation nicht Folge leisten; darauf ward er den 10. Juli - in Güstrow - mit zwei Mann Exekution belegt, und als er den 16. Juli zum ersten Mal seit seiner Krankheit ausgehen wollte, ward ihm der Hausarrest angekündigt.


1) Auf Pommer Esches Anhalten, über die Beköstigung der Leute bestimmte Verordnung zu treffen, ordnete Klinckowströhm an, daß an jeden für Speise und Trank täglich 12 ßl. und an Executionsgebühr 4 ßl., also beiden zusammen täglich 32 ßl., gezahlt werden sollte.
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Den 17. Juli schrieb der Oberpräsident v. Ganß nach Schwerin und rieth, der Herzog möge gestatten, daß Thile sich dem Kreise pflichtig mache; es sei gefährlich, die arcana des Zolles in andere - z. B. lüneburgische - Hände kommen zu lassen. Von Schwerin aus bekam Thilo nun Ordre, zu veranlassen, daß er auf Kaution entlassen werde, und nach Schwerin zu einer mündlischen Besprechung herüberzukommen (d. 19. Juli), allein sein Gesuch wurde von der Kreisregierung abgeschlagen und ihm nur noch drei Tage Bedenkzeit gegeben (d. 23. Juli). Man wartete aber mit weiterer Verfügung noch einige Tage länger, und in einer Geh. Ratssitzung am 29. Juli gab Herzog Friedrich Wilhelm seine Einwilligung zur Unterwerfung Thiles unter die Kreisregierung. Dieser erhielt im Geheimen einen Wink, es nicht zum Aeußersten kommen zu lassen, und es gelang ihm, den 31. Juli die Kreisräthe zu bewegen, ihn von der Leistung eines langen Eides, den sie ihm vorgelegt hatten, zu entbinden und sich mit einem Handschlag und der kurzen Versicherung zu begnügen, daß er auf Grund seines dem Herzog Gustav Adolf geleisteten Eides "des Fürstl. Mecklenburgischen Hauses Beste unter des Kreises Direction" beobachten wolle.

Der Salinen=Verwalter Möller, der etwa 3000 Th. Kapital in der Saline stecken hatte, folgte einer Citation nach Güstrow auf. den 7. Juni und ward hier mit Verjagung von seinem Posten bedroht, wenn er sich nicht dem Kreise pflichtig mache. Er meldete dies den 11. Juni nach Schwerin, erhielt aber von hier (d. 13. Juni) einen Verweis, daß er überhaupt der Citation der sogenannten Kreisregierung gehorcht habe, und die Mahnung, den kaiserlichen Verordnungen bei der darin angedrohten Strafe nachzuleben. Als er darauf zwei von der Kleisregierung geforderte Schriftstücke, darunter einen Ueberschlag über die von Johannis 1697-98 etwa zu hoffende Einnahme, nicht einsandte, ward er d. 25. August bei 100 Th. Strafe sofort nach Güstrow vor die Kammer geladen. Den 4. September ward er zu 100 Thaler Strafe förmlich verurtheilt und Exekution durch einen Reiter verhängt, wofür die tägliche Gebühr 8 ßl. nebst freiem Mahl und Futter für das Pferd betrug, die Citation aber bei Strafe erneuert. Er ging darauf den 21. September nach Güstrow, wo ihm mitgetheilt ward, daß er die Stadt nicht eher wieder verlassen dürfe, als bis er durch einen Eid sich der jetzigen Regierung verbindlich gemacht; weigere er sich noch ferner, so werde er kassirt werden. Darauf endlich leistete er den Handschlag in derselben Weise wie Thilo.

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In eine sehr üble Lage geriethen auch manche der Beamten auf den Aemtern, die bei Uebernahme derselben Kautionen gestellt und auch wohl Summen aufgewandt hatten, um die Ackerwirthschaft in Gang zu bringen, und die nun in Gefahr kamen, Kaution wie Vorschüsse einzubüßen.

Schon im Mai verlangte die Interims=Regierung von den Amtshauptleuten und Domänenpächtern die Auszahlung der von Johannis 1696 bis 97 etwa noch restirenden Pension, und zwar ward die Entrichtung der erst zu Johannis fälligen Quote gleich mitverlangt und außerdem ein Handschlag der Treue gefordert. Ueber das Verhalten der Gutspächter fehlt es an Nachrichten, es mag noch mehreren ähnlich gegangen sein, wie dem Pächter von Schwiesow im Amte Güstrow, Namens Reuter, dessen Erlebnisse aktenmäßig feststehen. Reuter ward, als er den Handschlag weigerte, sogleich zu 200 Th. Strafe verurtheilt und mit Verjagung von seinem Hofe bedroht. Als er für diesen Fall Auszahlung des früher gemachten Vorschusses und Ersatz für das den Bauern geliehene Korn und Vieh im Werthe von etlichen 100 Th. verlangte, ward er damit abgewiesen. Ein anderer Pächter, der das Gut übernehmen sollte, war bereits zur Hand; so fügte sich Reuter, um nicht ruinirt zu werden.

Ueber die Aemter fließen die Nachrichten reichlich. Das Amt Ivenack verwaltete im Auftrage des Hauptmanns Junge, der dafür 6000 Th. Kaution gestellt hatte, der Leutnant Röhl, der selbst wieder 3000 Th. an Junge gezahlt hatte. Er ward auf den 27. Mai nach Güstrow berufen, um dort die Pension bis Johannis 1697 zu entrichten, und zugleich angewiesen, das Salzgeld 1 ) einzuziehen und 14 Tage vor Johannis einzuschicken. Er gehorchte nicht, erhielt also Exekution und wurde dann bei einer Reise durch Güstrow festgehalten und vor die Kreisräthe geführt. Ein Mandat auf 100 Th. Strafe lag ausgefertigt da, ihm ward mitgetheilt, er habe den 3. Juni die Pension zu zahlen. Als er auch dies unterließ, ward zu dem einen Musketier noch ein zweiter und ein Korporal auf seinen Hof gelegt. In einem Klagebrief, den er darauf noch Schwerin schickte, heißt es, das Amt sei ohnehin schon ruinirt, im verwichenen Jahre sei das Getreide meistentheils taub gewesen und erfroren, die Bauern hätten weder Saat= noch Brodkorn, das Amtshaus, in=


1) Für jedes Amt ward eine bestimmte Menge Salz aus Sülze enquotiert, das Geld vorher eingezogen und dann ein bestimmter Tag zur Abholung des Salzes festgesetzt; für die Eingesessenen des Amtes Ivenack wurde von der Interimsregierung der 16. und 17. Juli bestimmt.
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gleichen die Zimmer auf dem Meyerhofe fielen zusammen, so daß er selbst das Futterkorn nicht mehr ins Trockene bringen könne und in seiner Wohnung (im Amtshause) in Lebensgefahr schwebe. Weitere Nachrichten fehlen; es ist anzunehmen, daß auch Röhl sich über kurz oder lang zum Gehorsam gegen die Kreisregierung bequemt hat.

Exekution (einen Reiter) finden wir auch in Fürstenberg bei Hauptmann Vict. Siegism. v. Oertzen, in Broda bei Amtmann Brunsich und in Neukalen bei O. Fr. v. Thun, der den 4. Juni ebenfalls lebhaft über "den miserablen Zustand der armseligen Bauern" klagt, die wegen Mangels an Brodkorn kaum das Leben haben. Trotzdem ward ihm von der Kreisregierung noch ein Vorschuß von 150 Th. auf die Herbstpension, zahlbar in drei Raten, d. 28. Juli, 28. August und 28. September, abgefordert. Ebenso erhalten Hauptmann v. Erlenkamp im Amte Plau und Amtmann Grabow in Goldberg Exekution wegen Nichtzahlung der Pachtgelder, die seit dem 20. August verdoppelt ward. Erlenkamp rechnet den 3. Januar 1698 aus, daß die Exekution, die er schon 8 Monate im Hause gehabt, ihn bereits 120 Th. gekostet. Selbst das Amt Wredenhagen, das Graf Bielke in Pfandbesitz hatte, ward nicht verschont. In Ribnitz mußte der Amtmann Christiani nicht nur verdoppelte Exekution leiden, sondern ward schon im Juni durch zwei Reiter nach Güstrow in Gewahrsam gebracht und mußte sich hier d. 15. Juni zum Handschlag verstehen.

Amtmann Krull in Boizenburg hatte schon seit dem 15. Mai doppelte Exekution, den 1. Juni wurde er gar, weil er wieder einer Berufung nach Güstrow nicht Folge geleistet hatte, mit einem Korporal und 12 Mann belegt. Er hatte mit seinem Vater einen Vorschuß von 7-8000 Thaler auf das Amt gemacht, und der Vater besaß in Boizenburg eine große Holzhandlung mit bedeutender Schifffahrt auf der Elbe; alles dies war in Gefahr, trotzdem gehorchte er der Weisung von Schwerin (Schr. v. 9. Juni), lieber alle Extremitäten zu leiden, als die fällige Pachtsumme - 600 Th. .- nach Güstrow zu zahlen. Endlich bedrohte man ihn d. 17. Juni in Güstrow mit persönlichem Arrest, wenn er nicht zahle. Da er das Geld nicht bei sich hatte, so mußte er es sich von einem dortigen Freunde borgen, um nur wieder freizukommen. Ebenso ward Hauptmann Dechow zu Stargard, der es schon zu verdoppelter Exekution und zwei Strafmandaten auf je 100 Th. hatte kommen lassen, bei einer persönlichen Anwesenheit in Güstrow gezwungen, das

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verlangte Geld (700 Th. auf Abschlag) dort aufzuleihen und leistete auch das Treuversprechen, da man ihn mit sofortiger Ausweisung aus dem Amte bedrohte, in dem er fast sein ganzes Vermögen angelegt hatte.

Hauptmann Wolfrath hatte im Jahre 1694 das Amt Schwaan auf vier Jahre bis Johannis 1698 gepachtet und dafür 4000 Th. Kaution gestellt. Für diese Kaution waren ihm jährlich 200 Th. aus den Einkünften des Amtes verschrieben, den Bauhof hatte er gegen 800 Th. jährlicher Pacht und 20 Th. Flachsgelder in eigene Bewirthschaftung genommen. Im letzten Pachtjahre sollte der Vorschuß abgetragen werden. Er hatte die Absicht, den Kontrakt nicht wieder zu verlängern, da er nach seiner Ansicht den Bauhof zu theuer gepachtet hatte. Er ward auf den 26. Mai nach Güstrow citirt und, als er nicht kam, laut Ordre vom selben Datum mit 2 Musketieren auf Exekution belegt, an deren Stelle d. 5. Juli ein Reiter trat. Zum 7. Juli bei Strafe von 100 Th. wieder citirt, blieb er wieder aus und erhielt den 16. Juli ein neues Schreiben, er solle bei 200 Th. Strafe den 23. sich persönlich stellen und das erste Strafgeld mitbringen. Er berichtet dies den 18. Juli nach Schwerin und fügt hinzu, der Herzog möge ihm nicht übel nehmen, wenn er der Gewalt nachgebe. Den 5. August schreibt er, daß er sich gefügt habe. Die Kreisräthe bewiesen ihm dafür das entgegenkommen, daß sie auf der Zahlung der 100 Th. Strafe nicht bestanden, sondern versprachen, deswegen an ihre Herren referiren zu wollen.

Auch die Städte wurden vielfach mit Exekution belegt, weil sie auf Friedrich Wilhelms Befehl die Accise=Gelder an die neue Regierung nicht zahlten, die diese auch für den April und Mai schon verlangte; sie hatten es aber leichter als die Amtshauptleute, weil auch für sie die Exekution nur in einem einzelnen Mann bestand. So mard Güstrow d. 26. Mai mit einem Reiter belegt und meldete deshalb d. 9. Juni, daß es die Accise gezahlt, erhielt aber dafür den 13. Juni von Schwerin die Warnung, nicht wieder zu pariren. 1 ) Auch Friedland erhielt Ende Mai Erekution. Ebenso ward nach Neubrandenburg schon den 26. Mai ein Reiter geschickt, der täglich bei freiem Futter und Mahl 6 ßl. zu beanspruchen hatte. Den 11. Juni langte


1) Bezeichnend ist, daß die Kreisregierung in Güstrow die Abhaltung des Königschusses durch Strafdrohungen erzwang, wofür sich Friedrich Wilhelm (d. 15. Juli) künftige Bestrafung der Stadt vorbehielt, auch über Boizenburg wurde d. 7. August wegen Unterlassung des Scheibenschießens Exekution verhängt, und es fand dann auch dort statt.
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ein zweiter an und ein Schreiben, datirt vom 9., mit der Drohung, die Stadt werde mit 100 Th. Strafe und schwerer Exekution belegt werden, wenn nicht die restirende Accise und Orbör gezahlt werde. Bürgermeister und Rath richteten an den Herzog eine Bittschrift, um Gottes willen ihnen zu erlauben nachzugeben. Friedrich Wilhelm aber antwortete den 13. Juni, es verbleibe bei den kaiserlichen Mandaten. Da die Bürgerschaft sich weigerte, die Exekutionskosten und die Strafe mit tragen zu helfen, so legten der Bürgermeister und die Rathsmitglieder den 18. Juni ihre Aemter nieder, erhielten aber aus Güstrow einen Befehl, datirt vom 21. Juni, bei 100 Th. Strafe sich des Regiments der Stadt weiter anzunehmen. Die Bürgerschaft, die sich zu dem Standpunkt des Rathes, daß man um des rechtmäßigen Landesherrn willen auch Leiden zu ertragen habe, nicht aufzuschwingen vermochte, hatte nämlich den 19. eine Eingabe an die Kreisräthe gemacht und auch eine Deputation nach Güstrow gefandt, worin sie vorstellte, sie sei an der Nichtablieferung gänzlich unschuldig, die Gelder seien längst eingegangen, und um Befreiung von der Exekution und den Gebühren dafür bat. Der Rath schickte darauf das Geld mit der Post nach Güstrow, womit man dann zufrieden war. 1 )

Während alle diese Einzel=Erlebnisse sich abspielten, hatten die Verhandlungen der Kreisregierung mit der Gesammtkörperschaft der Güstrowschen Stände einen ähnlichen Verlauf genommen. Die Landräthe waren schon auf den 26. Mai nach Güstrow entboten. Sie erschienen nicht, sondern schickten nur ihren Sekretär, um sie mit dem Hinweis auf die kaiserlichen Verordnungen zu entschuldigen. Am selben Datum erhielten sie durch Friedrich Wilhelm das kaiserliche Protektorinm vom 13. April, freilich ein Dekret von recht fragwürdigem Werth für sie, das ihnen nur einen papiernen Schutz gewährte und sie zugleich mit schweren Strafen bedrohte, wenn sie dem Kreisdirektorium gehorchen würden.

In Güstrow fand man ihre Entschuldigung nicht ausreichend; eine nochmalige Citation auf den 22. Juni erging in verschärfter Form: Ritter= und Landschaft sollte, möchten ihre Deputirten erscheinen oder nicht, jedenfalls zu allem, was


1) Auch Rostock wurde citirt, folgte aber nicht. Den dortigen Konsistorialräthen wurde verboten, ihre Sitzungen im Namen des Herzogs Friedrich Wilhelm allein zu halten, und zwar bei 1000 Gulden Strafe für jeden!
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in Güstrow beschlossen werde, verbunden sein, "zu dessen Effect man alsdann gebührende Mittel anzuwenden" wissen werde (d. 8. Juni). Trotzdem blieben die Deputirten auch diesmal aus und schickten wieder nur ihren Sekretär, wandten sich aber den 23. Juni, an demselben Tage, wo, wie oben erzählt, das Land wieder mit stärkerer Einquartierung belegt ward, mit einer Eingabe an den Kaiser. Sie versichern darin, daß sie Friedrich Wilhelm auch ferner als ihren Herrn erkennen würden, sprechen aber die Erwartung aus, der Kaiser werde ihnen, was sie sich "lediglich studio conservandi und ad evitandum majus malum würden abdringen lassen", nicht als Ungehorsam anrechnen, und legen ihm die Bitte vor, er möge das Werk so dirigiren, daß das unschuldige Land vor weiterem Verderben errettet werde.

Auf einer Konferenz zu Schwerin d. 27. Juni ließ sich endlich Friedrich Wilhelm erbitten, ihnen zu bewilligen, daß sie sich, menn der Druck zu stark werde, "protestando accomodiren" dürften. Die Stände suchten in lobenswerther Loyalität diesen Zeitpunkt so lange wie irgend möglich hinauszuschieben. Zum 29. Juni kamen ritterschaftliche Deputirte nach Güstrow, aber als Privatleute; sie fuhren bei den drei Räthen nach einander vor und ersuchten jeden um Anstand, bis Antwort vom Kaiser eingelaufen, allein ohne Erfolg. Kurz vor 11 Uhr wurden sie vor die Geheime Kammer gefordert, wo sie eine ganze Anzahl von städtischen Deputirten vorfanden, die nach Aussage der Räthe die Proposition der Kreisregierung zu hören und sich zu unterwerfen gekommen waren. Dem war indessen nicht so. Als die Deputirten der Ritterschaft auch hier ihre Weigerung, eine Proposition von der Kreisregierung anzuhören, wiederholten und den Saal verließen, folgten ihnen die sämmtlichen städtischen Abgeordneten.

Aufs Neue wurden Ritter= und Landschaft auf den 25. August nach Güstrow citirt. Sie suchten vor diesem Termin die Kreisräthe auf und machten geltend, daß vom Kaiser noch keine Antwort da sei. 1 ) Man drohte aber mit Exekution. Trotzdem erschienen sie nicht, einer Weisung von Schwerin aus folgend. Nun wurde d. 27. September ein Kontributions=Edikt für 200 Römermonate von Güstrow aus publicirt, und ein neues Reskript bedrohte die Stände mit 6000 Th. Strafe und Exekution, falls sie nicht d. 4. November erschienen und d. 5.


1) Diese erfolgte erst unter d. 27. Januar 1698; sie war ablehnend, worauf die Stände d. 15. April antworteten; s. darüber unten.
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die Proposition anhörten. Als sie wiederum ausblieben, marschirten d. 15. November 120 Mann zu Fuß (die Officiere und Unteroffiziere nicht gerechnet) mit etlichen Reitern aufs Land, um sich auf den Gütern der Führer des Adels zu vertheilen. Der Landrath v. Jasmund hatte beispielsweise einen Leutnant mit 22 Mann vom 15. bis zum 24. November zu verpflegen. 1 )

Am 6. November gelangte ein Reskript aus Schwerin an die Güstrowschen Stände mit dem Schweriner Kontributions=Edikt (vom 27. Oktober) und dem Befehl, die Kontribution für den Güstrowschen Landestheil nach Schwerin zu liefern, worauf die Interims=Regierung d. 11. November bei 200 Th. Strafe verbot, die Schweriner Edikte anzunehmen oder etwas darauf auszuzahlen. Die Exekution dauerte nach einem Schreiben der Stände an den Kaiser vom 15. April 1698 zu diesem Zeitpunkt noch fort, doch muß sie dann aufgehört haben, wann, ist aus den Akten nicht zu ersehen. Auch die Stände fügten sich und besuchten fortab die Konventionstage der Interims=Regierung. 2 )

Fortsetzung des Schriftstreites.

Ausführliche Berichte von allem, was im Güstrowschen geschah, gelangten durch Friedrich Wilhelm und Graf Eck nach Wien und wurden in den Akten des Reichshofraths aufgespeichert, ebenso auch Eingaben von Adolf Friedrich, der unermüdlich um Aufhebung der Entscheidung vom 12. Januar und um Einsetzung eines unparteiischen Fürstengerichts bat. Auch die Antworten der Kreisdirektoren auf die verschiedenen kaiserlichen Reskripte langten allmählich an. Diejenigen auf das erste Schreiben (vom 12. Januar) wurden zurückgehalten, bis die Depossedirung vollzogen war. Sie finden sich erst den 5. August in den Akten des Reichshofraths verzeichnet, zugleich mit späteren Schreiben vom 24. April (von Graf Mellin und Herzog Georg Wilhelm) und 18. Mai (von Brandenburg). Ein Antwortschreiben Georg


1) Dies aus Klüver, IIIb, S. 405.
2) Die finanziellen Forderungen der Interims=Regierung waren übrigens mäßiger als die der Schweriner. Sie verlangte keinen Beitrag zu den Garnisons=, Fortifications= und Legationskosten, über die damals in Wien der bekannte Prozeß schwebte, während Friedrich Wilhelm trotz des schwebenden Prozesse fortfuhr diese Steuern zu fordern und durch scharfe Exekution eintreiben zu lassen, s. Dav. Franck, Altes u. Neues Mekl. Lib. XVI, S. 82, 88, 91, 93.
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Wilhelms auf das Reskript vom 13. April, datirt vom 23. April (a. St.), ist schon den 31. Mai, und eins von der Regierung zu Bremen, datirt vom 17. Mai, den 13. Juni beim Reichshofrathe präsentirt worden.

In den Schreiben vom 24. April und 18. Mai wird die dem Kaiser hinterbrachte Darstellung von dem Verhalten Klinckowströhms bei der Besitzergreifung als unrichtig und das Einrücken der Schweriner als ein listiger, heimlicher und gewaltthätiger Ueberfall bezeichnet. Die Schweriner seien heimlich in die Stadt eingerückt, die doch dem Oberstleutnant Klinckowströhm anvertraut gewesen, und hätten sich auch des Schlosses zu bemächtigen gesucht; auch seien sie bereits bis in die Thore des äußeren Schloßhofes vorgedrungen gewesen unter vielem Hohnlachen der Gemeinen, die die Ueberraschung für gelungen gehalten hätten, als Klinckowströhm, der auf einem andern Wege mit einem Theil der Seinen ins Schloß gelangte, ihnen noch rechtzeitig entgegengetreten ei. Daß der Oberstleutnant auch nachher den Grafen Eck in das Schloß zu lassen Bedenken gehabt, sei unter solchen Umständen zu entschuldigen, dagegen sei keine Ursache gewesen, den dänischen Minister abzuweisen, der dem Vernehmen nach über die Allodial=Erbschaft (des verstorbenen Herzogs) mit der Herzogin habe verhandeln wollen. Auch die folgenden Rencontres seien dem Kaiser ganz falsch dargestellt, eine "berichtigte" Darstellung liegt bei. Weiter wird dann, obgleich die Schreiben noch nicht Antwort auf die kaiserlichen vom 13. April sind, die Vergewaltigung Ecks erwähnt, über die sich dieser sehr solle beschwert haben. Es wird erklärt, was auch auf anderen Wegen dem Kaiser bereits insinuirt war, daß Klinckowströhm keinerlei Ordre in Bezug auf den Grafen Eck gehabt habe; es thäte den Fürsten gar leid, daß dabei etwas passirt sein solle, was Kais. Majest. auch nur das allergeringste Mißfallen verursachen könnte. Klinckowströhm selbst mache sich anheischig, mit Allen, die dabei gewesen, genugsam erweisen zu können, daß, obzwar er als Soldat geglaubt, daß er den Grafen Eck zu der Zeit nicht mehr als einen kaiserlichen Minister, sondern vielmehr als einen Schweriner Mandatar anzusehen habe, folglich ihm nicht verstatten könne, nachdem der Herzog Güstrow verlassen, noch dort zu bleiben, dennoch der Person des Grafen keine Gewalt angethan sei, vielmehr sei der Graf auf wiederholte Aufforderung von selbst in den Wagen gestiegen und weggefahren. Es wird ihm vorgeworfen, er habe darauf gedrungen, daß Friedrich Wilhelm Feuer auf die Kreisvölker geben lasse, und andere auf das Aeußerste abzielende

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Dinge gerathen. Der Kaiser wird nochmals gebeten, zu verordnen, "waß die Rechte, der Sache billigkeit, des Reiches wollfahrt, und Ew. Kays. Maytt. eigene glorie erfordern", und was die Fürsten schon in ihrem vorigen Schreiben erbeten haben. Schließlich wird es zu seinem gnädigsten Gefallen verstellt, weil die in Schwerinische Pflicht getretenen Räthe und Bedienten bis zu rechtlicher oder gütlicher Entscheidung der Sache den Landesgeschäften vorzustehen nicht vermöchten und man daher, weil das Land ohne Administration nicht gelassen werden könne, einige Leute dazu zu befehlen für unumgänglich nöthig erachtet, ob der Kaiser Jemand der Seinigen verordnen wolle, der als Direktor dem Rath präsidire. 1 )

Unter dem 3. Oktober ist in den Akten des Reichshofraths das Schriftstück verzeichnet, in dem der Herzog von Celle und die Bremische Regierung die ausführliche Verantwortung Klinckowströhms (unter dem Datum des 11. August) vorlegten, die bereits oben bei der Erzählung des Hergangs verwerthet ist. 2 )

Im Juni des Jahres sandte Friedrich Wilhelm den Grafen Horn, der inzwischen für kurze Zeit nach Meklenburg zurückgekehrt war, wieder nach Wien mit dem Auftrage, ein schärferes (fiskalisches) Verfahren gegen die Verletzer des kaiserlichen Protektoriums für Güstrow und des Possessionsdekretes zu betreiben. Zu diesen schärferen Maßregeln rechnete man auch die Auf=


1) Die übrigen Schreiben enthalten inhaltlich nichts Neues; Brandenburg schickte außer dem Schreiben vom 18. Mai überhaupt keine Antwort auf das kaiserliche Schreiben vom 13. April.
2) Auf die Vorgänge des J. 1697 beziehen sich auch die beiden "Schreiben eines Freundes an Einen Freund in der Meklenburg. Güstrowschen Successions=Sache," mit der Antwort auf das erste Schreiben. Das erste richtet sich gegen die Strelitzer Eingabe an den Kaiser v. 25. Januar 1697 und trägt das Datum des 18./8. Juni 1697. Von Strelitzer Seite erschien darauf (d. 28./18. Sept.) eine ausführliche Gegenschrift unter dem Titel: "Nöthige Erinnerungen über das so genandte Schreiben Eines Freundes an einen Freund u. s. w." Das "Zweite Schreiben Eines Freundes an Einen Freund," datirt v. 18./8. Dez. 1697, bespricht vom Schweriner Standpunkt aus die vier o. g. Schreiben der Kreisdirektoren an den Kaiser. Von dem zweiten Schreiben finden sich in den Manual=Akten des Grafen Horn, die im Schweriner Archiv bei den Akten über den Güstrowschen Successionsstreit aufbewahrt werden, zwei verschiedene Entwürfe; dadurch ist erwiesen, daß Graf Horn das zweite und folglich wohl auch das erste Schreiben selbst verfaßt hat. Man wußte dies auch in Strelitz. Die Stelle S. 41 der Nöthigen Erinnerungen: "Alles dieses wird aus einem fast übelgestimmten Horn also intoniret," ist augenscheinlich eine Anspielung auf Horns Namen.
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hebung der Assignation der diesjährigen Römermonate an Kurbrandenburg und Braunschweig, die damit ihre Truppen im Reichskriege erhalten sollten, und die Zuweisung der Steuer an Friedrich Wilhelm selbst als Entschädigung für die erlittene Einbuße an Einkünften und die aufgewendeten Unkosten.

Trotz der mehrfach wiederholten Klagen über die "Attentata" der "anmaßlichen" Kreisregierung und Bitten um schnelle Hülfe, zu denen sich noch ähnliche Gesuche der Güstrower Stände gesellten, verfuhr man in Wien äußerst bedächtig. Man war dort in arger Verlegenheit. Das Verfahren der Kreisdirektoren gutzuheißen, war unmöglich, ebenso unmöglich aber, mit Waffengewalt den Vertriebenen zurückzuführen, da die Kriege mit Frankreich und der Türkei ja noch fortdauerten. Auf der andern Seite war von dem Kreisdirektorium Nachgiebigkeit in der Hauptsache, also Räumung von Güstrow, nicht zu erwarten. In Schweden war zwar König Karl XI. d. 5. April 1697 gestorben, und man wußte noch nicht recht, wessen man sich von seinem Nachfolger, dem jungen Karl XII., zu versehen hätte, allein so viel wurde bald klar, daß Schweden auch unter dem neuen Regime in der Güstrowschen Angelegenheit im alten Fahrwasser bleiben werde. Auch die Friedensvermittelung mit Frankreich wünschte Schweden fortzuführen, und der Wiener Hof legte Werth auf diesen wichtigen Dienst. Von Brandenburg und Celle standen Gruppen für Kaiser und Reich unter Waffen; in eben diesem Jahre (d. 11. September 1697) gewann Prinz Eugen seinen glorreichen Sieg bei Zenta über die Türken, bei dem sich die Brandenburger in seinem Heere besonders auszeichneten. Da bei Aufhebung der Assignation der Römermonate aus Meklenburg an Brandenburg und Lüneburg die Zurückziehung der brandenburgischen und lüneburgischen Truppen zu befürchten war, so war man in Wien nicht einmal in der Lage, Friedrich Wilhelm diesen pekuniären Erfolg zu verschaffen. Man darf annenmen, obgleich es nicht in den Akten zu lesen steht, daß der Wunsch, eine Antwort auf dieses Gesuch Friedrich Wilhelms überhaupt zu umgehen, ein Hauptgrund mit gewesen ist, weshalb man in Wien die Sache so lange hinzog, bis die Zahlung bereits geleistet sein mußte, und damit diese Frage erledigt war. Erst den 4. November befaßte sich der Reichshofrath mit dem seit April eingelaufenen Aktenmaterial. Er beschloß ein Votum an den Kaiser, aber dessen Entscheidung verzögerte sich noch bis Ende Januar des folgenden Jahres (1698).

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Versöhnung des Kaisers mit den Kreisdirektoren.

Inzwischen war es gelungen, mit Hülfe von Holland und England eine Verständigung zwischen dem Kaiser und dem Kreisdirektorium herbeizuführen, wenigstens insoweit, daß die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt werden konnten, und also der Güstrower Streit für die hohe europäische Politik unschädlich gemacht wurde. Die Kreisdirektoren selbst hatten in ihren Schreiben an den Kaiser den Weg angedeutet, auf dem sich eine solche Verständigung anbahnen ließ: Klinckowströhm hatte seine Instruktion überschritten; obgleich es auf der Hand lag, daß die Kreisdirektoren, wenn sie der Regierung von Güstrow sich bemächtigen wollten, den Grafen Eck nicht dort dulden konnten, so hatten sie doch vorsichtiger Weise vermieden, darüber bestimmte Anordnungen zu geben. Klinckowströhm also wurde zum Sündenbock ausersehen, dessen Opferung den Frieden wiederherstellen sollte. Er ward d. 21. Dezember 1697 von seinem Posten abberufen, 1 ) nachher wieder nach Güstrow geschickt und hier in Arrest gesetzt (August 1698). Eine Abbitte desselben beim Grafen Eck ward in Vorschlag gebracht. Den 8. Dezember ließ der Kaiser durch den Grafen Kinsky den Gesandten von Holland und England seine Antwort auf ihre Vermittelungsvorschläge mittheilen, und diese gaben sie den 9. Dezember an die Bevollmächtigten von Schweden und Celle weiter - ein Brandenburgischer Gesandter war damals überhaupt nicht in Wien. Der Kaiser verzichtete in diesem Aktenstück auf genauere Untersuchung des Thatbestandes, weil sie unnöthig sei; der Bericht Ecks, der übrigens als kaiserlicher Gesandter sicherlich mehr Glauben verdiene, als die Aussagen Klinckowströhms und der Unteroffiziere, unterscheide sich nur in Bezug auf das plus et minus von diesen. Auch aus diesen erhelle schon zur Genüge, wie im Einzelnen nachgemiesen wird, daß man den kaiserlichen Gesandten in unverantwortlicher Weise verunglimpft habe. Der Kaiser besteht also darauf, daß hierfür Genugthuung gegeben werde, und erklärt sich unter der Voraussetzung, daß diese binnen zwei bis drei Monaten erfolge, bereit, den Ministern der drei Höfe den Zutritt wieder zu gestatten, vorausgesetzt, daß man in Schweden zur selben Zeit dasselbe dem Grafen Stahremberg gewähre. 2 )


1) Sein Nachfolger war Graf C. J. Löwenhaupt.
2) Die Abbitte Klinckowströhms erfolgte erst den 15./25. Nov. in Hamburg in Gegenwart des englischen, spanischen und holländischen Gesandten. Sie lautete: "Ich komme anhero, Ew. Excellence gebührend (  ...  )
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Wiedereinsetzung der Vermittelungskommission.

Erst nachdem dies erledigt war, entschloß man sich in Wien, die lang erwarteten Reskripte abzulassen. Sie sind datirt vom 27. Januar 1698 und halten ihrem Wortlaute nach den Standpunkt des Kaiserhofes in der Güstrowschen Frage sehr entschieden fest, zeigen aber insofern ein entgegenkommen, als durch sie die alte Vermittelungs=Kommission, die seit Gustav Adolfs Tod noch aus dem Grafen Eck und dem Bischof von Lübeck bestand, bisher aber geruht hatte, wieder ins Leben gerufen und durch den König Christian V. von Dänemark als Herzog von Holstein und die Herzöge Rudolf August und Anton Ulrich von Wolffenbüttel verstärkt wurde.

Das Schreiben an die Kreisdirektoren berief sich auf den Artikel 17 des Westfälischen Friedens und § 161 des Reichs=Rezesses vom Jahre 1654, kraft deren einem Stande gegen den andern, vielmehr noch also gegen den Kaiser dergleichen verboten sei. Wenn ein solches Verfahren erlaubt wäre, so "würde die Justitz aller orthen gehemmt, und so viel Kayser im Röm. Reich und Oberste Richter über alle anderen Jhre mitstände sich auff=


(  ...  ) zu bezeugen, waßmaßen ich von Hertzen bereue, daß mich, mit Hindansetzung des Jhrem hohen characteri schuldigen respects, wieder dieselbe so gröblich vergriffen habe. Jch erkenne mein Verbrechen, und würde mich der Vergebung unwürdig schätzen, wenn ich nicht zu Ew. Excellence Gühtigkeit die Hoffnung setzte, daß Sie solches vielmehr für eine von einem der Völcker Rechten unerfahrenen Solldahten, auß Unwißenheit und Unbedachtsamkeit, begangenen Fehltritt, alß vor eine vorsetzliche Beleidigung ansehen würden. Jch lebe demnach der tröstlichen Zuversicht, daß Ew. Excellence dieser Wahrheit und meiner hertzlichen leidwesens dergestallt werden versichert seyn, daß Sie mir nicht allein diesen Fehler verzeihen, sondern auch bey Jhro Kayserl. Maytt. allerunterthänigst für mich dahin intercediren werden, auf daß dieselbe, dero angebohrenen clemence nach, dero wieder Mich gefaßete Ungnade um so viel mehr fahren laßen mögen, alß ich hiemit gehorsahmst versichere, daß ich, dero höchste Maytt. zu beleidigen, niemahlen den geringsten gedancken oder vorsatz gehabt habe." Unter diese Urkunde haben die drei Gesandten das Zeugniß gesetzt: "Nous temoignons que le Lieutenant Colonel K. a proferé devans nous la contenue de ce qui est dessus, d'une mani6egrave;re, que Monsieur le comte d'Eck en a été entièrement content et satisfait." Nach Dav. Franck, Lib. XVI, S. 104 ist Klinckowströhm von Schweden bald darauf dadurch entschädigt, daß man ihn die Oberstencharge überspringen ließ und sogleich zum Generalmajor machte. Indessen wird er in einem Aktenstück (aus den von mir benutzten Berliner Akten) vom 30. August d. J. 1700, das von dem schwedischen und lüneburgischen Minister in Hamburg herrührt, "der vormahlige Obrist=Lieutenant nunmehrige Obrist v. Kl. "genannt; Dav. Franck irrt also.
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werffen, so viel Kreyß=Directores sich in selbigen befänden." Dann werden ihnen auf Grund der Berichte von Friedrich Wilhelm und dem Grafen Eck alle einzelnen widerrechtlichen Handlungen, die sie im Güstrowschen begangen, in langer Reihe vorgehalten, die Hauptschuld dafür aber wieder auf die fürstlichen Räthe in Hamburg und diesmal auch auf den "unruhigen" Strelitzischen Rath Gutzmer geschoben. Noch einmal werden alle Regierungshandlungen der Kreisräthe im Güstrowschen kassirt und die Verstärkung der Kommission angezeigt.

Das an Strelitz gerichtete Reskript ist zugleich an Adolf Friedrich und den Rath Gutzmer adressirt. Dem Herzog wird vorgehalten, "daß er auf übles einrathen des Gutzmers sich gesetzet, und bey dem Kreyß=Directorio in Nieder=Sachsen darüber, alß ob einige nullitates dabey mit untergeloffen, contra fidem actorum beschweret, demselben die revision über unsere allerhöchste Kayl. judicata wieder alles Herkommen, constitutiones Imperij, Jeder Vernunfft selbsten, zugemuthet und auffgetragen, und dagegen deßelben assistentz undt hülff begehret" u. s. w. 1 ) Adolf Friedrich sowohl wie Gutzmer werden bei Strafe von 100 Mark löthigen Goldes aufgefordert, zu gehorchen und Urtheil und Prozeß abzuwarten. Beide werden in feierlicher Form binnen zwei Monaten von Insinuirung dieses kaiserlichen Gebotes an vor den kaiserlichen Hof citirt, um dort persönlich oder durch ihren bevollmächtigten Anwalt anzuzeigen und zu erweisen, daß sie diesem Mandat gehorsam nachgelebt hätten und nachleben würden oder aber "erhebliche beständige ursache, da Sie einige hätten, warumb solche erklährung nicht geschehen solte, in rechten vorzubringen, und endlichen Entscheidts, und erkenntnüß darüber zu gewarten."

Die Güstrower Stände werden noch einmal ernstlich ermahnt, allen widrigen Zumuthungen ungeachtet den kaiserlichen Man=


1) Aus den Vorwürfen, die ihm gemacht werden, hat oben noch keine Erwähnung gefunden, daß Adolf Friedrich selbst die Administration des Herzogthums Güstrow "effectuirt" (ein übertriebener Ausdruck, doch gingen in Güstrow zuweilen Gerüchte, daß sie ihm werde übertragen werden), daß "er zu dem Ende einen größeren Hoff formiret, mehrere Ministros angenommen, eine guarde von etzlichen pferden angeworben, eine kostbahre livreè darzu verfertigen laßen, auch eine absonderliche guarnison zu sich in Strelitz hineingezogen, die verdächtige Correspondentz mit dem Klinckenstrohmb (sic!) unterhalten, und sich der gerichtlichen cognition und execution einiger Sachen angenommen, gleich Sie den Executorem zu Stargardt nach Strelitz gefänglich abhohlen lassen."
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daten den schuldigen Gehorsam zu leisten, dagegen der angemaßten Kreis=Regierung keineswegs zu gehorchen noch Dekrete derselben anzunehmen oder zu vollziehen. Auch sie werden binnen zwei Monaten vor den Kaiserhof geladen.

Der entscheidende Entschluß, diese Dekrete, die durch das Reichshofrathsgutachten vom 4. November vorgeschlagen waren, zu vollziehen, ward, wie Graf Horn in Erfahrung brachte, im kaiserlichen Geheimen Rath am 27. Januar gefaßt, von diesem Tage wurden sie deshalb datirt. Puplicirt wurden sie indesen erst am 6. März, weil die Mittheilung der kaiserlichen Resolution an den Reichshofrath "aus bewegenden Ursachen" so lange verschoben sei. Diese Ursachen sind in Vermittelungsverhandlungen zu suchen, die zur selben Zeit, besonders von Berlin aus, betrieben wurden und deren Gelingen die Absendung der kaiserlichen Reskripte überhaupt überflüssig gemacht hätte.

Berliner Vermittelungsversuche.

Diese Verhandlungen begannen schon im letzten Quartal des Jahres 1697, als der Minister Dankelmann noch im Amte war. Dieser hatte sich noch kurz zuvor feindselig gegen Schwerin erwiesen. Es war nämlich der Gedanke aufgetaucht oder vielleicht von ihm selbst aufgebracht werden, daß der Johanniterorden die Gelegenheit benutzen möge, die beiden 1648 an Meklenburg abgetretenen Komthureien Nemerow und Mirow wiederzufordern oder mit Hülfe des Kreisdirektoriums gewaltsam wieder in Besitz zu nehmen. Der Kurfürst von Brandenburg war Schutzherr des Ordens, es hätte dies also einen Raub Brandenburgs an dem schutzlosen Lande bedeutet, und zwar einen Raub, der ebenso Adolf Friedrich, den Herrn von Mirow, wie Friedrich Wilhelm betroffen hätte, und außer ihnen noch den frühern Güstrowschen Präsidenten v. Ganß, dem Nemerow von Herzog Gustav Adolf für Lebenszeit überwiesen war, und dessen Forderungen im August d. J. 1697 nach seiner eigenen Angabe noch 24000 Rth. betrugen. Mit dem Oberpräsidenten hatte Dankelmann durch den Geheimen Rath v. Viereck schon im Juli angeknüpft. Er soll beabsichtigt haben, die Komthurei seinem Sohne zuzuwenden. Mochte dies wahr sein oder mochte er nur den von anderer Seite aufgebrachten Plan benutzen, um auf beide Herzöge einen Druck auszuüben, daß sie sich zu einem möglichst schnellen Vergleich entschlössen: jedenfalls rieth er in einem Gespräche mit dem kaiserlichen Geschäftsträger Heems im November, in welchem er die

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Forderung des Ordens erörterte, zugleich zu einer gütlichen Vereinbarung über die Erbfolge. Sein Bruder, der Gesandte in Hamburg, versuchte um dieselbe Zeit eine Zusammenkunft der beiden Herzöge in Hamburg zu Stande zu bringen.

Die Gefahr für die beiden Komthureien ward indessen durch den Sturz des allmächtigen Dankelmann noch im November beseitigt, 1 ) seitdem war davon nicht weiter die Rede. Leiter der auswärtigen Politik Brandenburgs wurde Herr v. Fuchs, der schon unter Dankelmann mit den meklenburgischen Angelegenheiten viel zu thun gehabt hatte, ein Mann von vielen glatten Worten, dem aber wenig zu trauen war. Indessen war sein Wunsch, den Güstrower Streit beigelegt zu sehen, durchaus aufrichtig; in Berlin empfand man das Unbequeme der Situation nicht weniger als in Wien. 2 )

Fucks suchte Schwerin zu gewinnen, indem er die ganze Schuld für das Geschehene auf den gestürzten Dankelmann schob, der in sehr eigenmächtiger Weise und ohne etwas davon zu verstehen (!!) die Auswärtige Politik geleitet habe. 3 ) Man werde jetzt suchen, das Geschehene zu redressiren. Das freilich wagte auch Herr v. Fuchs nicht in Aussicht zu stellen, daß Brandenburg sich von den beiden andern Kreisdirektoren trennen könnte, mit großer Entschiedenheit rieth er aber zu einem Vergleich und schlug Abtretung von Ratzeburg cum voto et sessione vor, wünschte auch Absendung eines Schweriner Ministers nach Berlin. Der hier verabredete Vergleich könne dann in Hamburg durch die. kaiserlichen Minister abgeschlossen werden. Da durch dieses Ver=


1) s. Droysen IV. 1, 183. Heems berichtete Dankelmanns Entlassung d. 29. Nov. nach Schwerin.
2) Auch Hannover und die Herzogin=Wittwe von Güstrow machten damals Vermittelungsanerbietungen.
3) Aehnlich sprach sich auch eine andere Berliner Größe, der Feldmarschall v. Barfuß, im Januar 1698 dem Geheimrath Taddel gegenüber aus: der Kurfürst sei nicht schuld, "man käme je länger je mehr hinter solche Dinge, so von einem vormahligen Minister wider Redlichkeit und des Churfürsten interesse betrieben," und der Oberst=Kämmerer Kolbe v. Wartenberg: "der vormahlige Minister hätte den Churfürstlichen Hof mit dem Kaiser "schändlich brouillirt und in seinen Dingen niemand zu Rathe gezogen, sondern alles auf sich allein genommen und doch nicht verstanden." Die Schakale zerzausten den gefangenen Löwen! Auch der Hamburger Bruder, der in den Sturz des Ministers mit verwickelt wurde, bekam sein Theil. Man gab ihm schuld, er habe eigenmächtig die 10 Tage Frist in das Depossedierungs=Reskript der Kreisdirektoren eingesetzt. Charakteristisch ist, daß diese Beschuldigung von denselben Leuten erhoben wurde, die die große Strenge des Kreisdirektoriums gegen. Friedrich Wilhelm zu mißbilligen behaupteten.
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fahren den Rechten des Kaiserhofes nichts vergeben wurde, so wurde Taddel im Januar 1698 nach Berlin geschickt.

Den 17. Januar berichtet er über eine ausführliche Konferenz, die er mit Fuchs gehabt. Dieser hat erklärt, es sei seinem Herrn gleich, durch wen, wo und auf welche Art die Endschaft erreicht werde, wenn es nur schleunigst geschehe: sonst sei zu besorgen, daß der Kreis noch weiter gehen und das Werk noch schwerer machen werde. Die Abtretung von Ratzeburg sei der kürzeste Weg zur Beilegung, doch werde Brandenburg nicht darauf bestehen. Taddel erwiderte, von Abtretung eines Fürstenthums mit Reichsvotum zu sprechen sei nur vergeblicher Aufenthalt, da dieses dem kaiserlichen Spruche e diametro zuwider sei.

Fuchs hatte dann eine Apanage im Werthe von 20000 bis 25000 Th. als nach seiner Meinung ausreichend bezeichnet, wie schon früher in Schweden ausgesprochen sei. In einer andern Unterhaltung rieth Fuchs, Friedrich Wilhelm möge wieder einen Bevollmächtigten nach Schweden senden, um dort seine Interessen wahrzunehmen.

Ein Vorurtheil fand Taddel in Berlin zu bekämpfen, das offenbar schon früher auf die Maßnahmen der drei Kreisdirektoren einen Einfluß geübt und jüngst noch eine Verstärkung erfahren hatte: Man besorgte, Friedrich Wilhelm werde zum Katholizismus übertreten, wie es sein leitender Minister Graf Horn bei seinem Aufenthalt in Wien 1697 gethan hatte. 1 )

Gegen Ende Januar erschien auch Gutzmer in Berlin. Man redete ihm eifrig zu und suchte ihn dafür zu stimmen, daß Adolf Friedrich von votum und sessio abstehen möchte. Gutzmer drohte, sein Herr werde seine Rechte an einen Mächtigeren, womit nur Schweden gemeint sein konnte, abtreten. Er persönlich indessen zeigte sich, wenigstens nach der Behauptung des Herrn v. Fuchs, diesem gegenüber nachgiebig in Bezug auf das Reichsvotum wie das geforderte Fürstenthum; nur müsse seinem Herrn sonst ein Distrikt Landes cum omni Jurisdictione et Jure Episcopali abgetreten werden. 2 ) Daraufhin arbeitete man


1) Den 24. Mai 1698 schreibt Taddel aus Hamburg, er habe dort erfahren, daß Friedrich Wilhelm die Sorge der Kreisdirektoren "wegen S. Durchl. in puncto religionis sehr entgegenstehe"; "man suspicire, daß Er zum Römisch=katholischen Glaubensbekenntnis inclinire." Es werde deshalb zu einer Vermählung mit einer Prinzessin aus evangelischem Hause gerathen, "Dies changement des H. Grafen wäre sehr nachdenklich."
2) Ob Gutzmer wirklich so weit gegangen ist, wie Fuchs behauptet hat, ist zu bezweifeln. Heems gegenüber ist er dabei geblieben, sein (  ...  )
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in Berlin ein Vergleichsprojekt aus, das Herr v. Fuchs den 10./20. Februar, einen Tag nach Taddels Abreise, dem kaiserlichen Residenten Heems brachte. Graf Eck sandte es dann fünf Tage später aus Hamburg nach Schwerin. Es wird darin vorgeschlagen, das Strelitz zu bewilligende Quantum müsse etwa 40000 Th. an Einkünften betragen oder wenigstens 36000 und steuerfrei sein bis auf die Reichssteuern. Strelitz werden in den cedirten Stücken die Jura Ecclesiastica und das Gericht erster Instanz zugebilligt, dazu freie Administration seines Antheils, Ein= und Absetzung seiner Bediensteten, auch Jurisdiktion über sie. Ueber die Ritterschaft heißt es, sie könne nicht ad aliam curiam feudalem, als welche sie bisher gehabt, gezogen werden. 1 ) Es wird noch einer Heirath Friedrich Wilhelms gedacht.

Diesem Vergleichsprojekt gegenüber verhielt sich Friedrich Wilhelm vorläufig kühl, ebenso fand ein anderer Vorschlag, der von Berlin ausging, in Schwerin nur eine kühle Aufnahme, wenn auch keine Ablehnung: man möge von beiden Seiten einen Bevollmächtigten nach Wien senden und hier einen Vergleich abschließen. Da Graf Horn noch dort war, so brauchte nur das Faktotum Adolf Friedrichs, Gutzmer, ebenfalls nach Wien zu reisen, und die Verhandlungen konnten beginnen. Eine Schwierigkeit war, daß Gutzmer vom Kaiserhofe mit Strafe bedroht war, doch diese ließ sich durch die Ausstellung eines Salvus Conductus heben, zu der man sich in Wien entschloß.

Allein der Wortlaut dieses Geleitspasses erregte Anstoß bei Adolf Friedrich. Der Paß war, wie selbstverständlich, von dem Standpunkte des Kaiserhofes aus abgefaßt, wonach Friedrich Wilhelm der Besitz von Güstrow zuerkannt war und es sich bei Vergleichsverhandlungen nur um eine Apanage für Adolf Friedrich handeln konnte. Dieser über blieb dabei, daß er sich durch seine Suppliken die Appellation wegen des Besitzrechtes auf Güstrow vorbehalten, und wünschte hiernach die Fassung des


(  ...  ) Herr beanspruche ein Fürstenthum cum voto et sessione, allerdings soll er auch hier im Fortgehn geklagt haben, daß "gegen gewisse fürstliche Persohnen (er meinte die Herzogin), wenn gleich die Diener gerne wollten, nicht aufzukommen, denn selbige mit solcher vanitat eingenommen, daß Sie Jhnen hierauf (nämlich aus dem votum) was sonderliches machten." Man darf hieraus schließen, daß Gutzmer nicht mehr mit voller Seele bei der Sache war.
1) Das Projekt stimmt nur in dem Quantum der 40000 Th. mit dem späteren Hamburger Vergleich überein, im Uebrigen ist es für Schwerin weit günstiger als dieser. Das Reichsvotum ist nicht darin erwähnt, die Ritterschaft soll unter Schwerin bleiben.
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Geleitsbriefes geändert; sobald dies geschehen, sollte Gutzmer sofort, wenn die nöthigen Kosten aufzubringen seien, 1 ) seine Reise antreten.

In Wien empfand man es als eine Kränkung, daß Adolf Friedrich sich der Gnade des Kaisers gegenüber, wie sie sich in der Ausstellung des Geleitsbriefes äußere, so abwehrend verhalte, und diese Verstimmung richtete sich auch gegen Brandenburg, das nach Ansicht der Wiener Staatsmänner Schuld an diesem Mißerfolg trug, insofern es die Pflicht gehabt hätte, ehe es den betreffenden Vorschlag in Wien anregte, sich erst bei den beiden Parteien zu vergewissern, daß beide ihn annehmen würden.

Andrerseits ward auch in Berlin eine Verstimmung gegen Wien durch die kaiserlichen Reskripte vom 27. Januar hervorgerufen, die um Ende März dort abgegeben wurden. Man beschwerte sich bitter über die darin enthaltenen harten Ausdrücke, ließ sich indessen durch Heems besänftigen, der durch eine ihm den 26. März zugegangene Instruktion zu milderen mündlichen Erklärungen Vollmacht erhielt. Da überdies Schwerin Bedenken gegen die Verhandlungen in Wien neben der Kommission äußerte, die die Sache nur aufhalten könnten, so kassirte man in Wien den Geleitsbrief an Gutzmer wieder (im Juni) und verwies Adolf Friedrich von Neuem an die Kommission, die nun wirklich ins Leben trat.

(Schluß folgt.)
Vignette

1) Hierin lag ein Wink, der Wiener Hof möge, wenn er Gutzmers Reise wünsche, dem Gesuche um Auszahlung von monatlich 1000 Th., das Adolf Friedrich an das Kreisdirektorium gestellt hatte, nicht entgegensein.
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