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III.

Zur

Urgeschichte des Geschlechts von Pritzbuer.

Von

cand. hist. Erich Gritzner in Steglitz.

~~~~~~~~~~~~~~~~

I m 32. Bande der Jahrbücher hat der Geh. Archivrath Dr. Lisch gelegentlich anderer Forschungen es unternommen, auf Grund vier damals schon erschienenen vier ersten Bände des Meklenburgischen Urkundenbuchs und des Codex dipl. Pomeraniae Kosegartens Licht in das vielfach von Sagen durchwobene Dunkel der Urgeschichte der Familie von Pritzbuer zu bringen. Allein einige fehlerhafte Interpunktionen, die ihm Schwierigkeiten bereiteten, und eine vorgefaßte Ansicht, von der er sich nicht zu befreien vermochte, verhinderten den sonst so scharfblickenden Forscher, ein klares Bild der etwas verwickelten Verhältnisse zu gewinnen. Zudem sind seit dem Jahre des Erscheinens des Lisch'schen Aufsatzes (1867) durch das Pommersche Urkundenbuch theils verbesserte Lesungen bereits bekannter Urkunden, theils ganz neue Urkunden auf den Plan getreten.

Es wird sich daher verlohnen, das gesammte Material noch einmal nachzuprüfen und mit dem neu hinzugetretenen zu vergleichen und in Beziehung zu setzen, und das soll der Zweck der nachfolgenden Studie sein. Vielleicht läßt sich jetzt doch ein günstigeres Ergebniß über die älteste Geschichte der von Pritzbuer aus dem Quellenmaterial feststellen.

Zum ersten Male erscheint in Meklenburg der Name Pritzbuer in der Form Priceburh in einer Urkunde vom

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1. Mai 1262 (M. U.=B. II, Nr. 947). Hier tritt ein Knappe des Namens als Zeuge im Gefolge des Fürsten von Werle auf. In einer zweiten vom 25. September 1270 (Nr. 1199) tritt derselbe als "miles", als Ritter auf, zusammen mit einem Bruder, der gleichfalls Ritter ist, aber ohne Namen gelassen wird ("Priscebure et frater suus"). Letzterer erhält bei dem gemeinsamen Auftreten 16. April 1273 (Nr. 1283) den Vornamen "Johannes" und beide den Zusatz "dicti de Robele", d. h. in Röbel wohnend; im selben Jahr am 23. April (Nr. 1284) werden beide genannt "filii domini Jeroslai" (eine Bezeichnung, an die später anzuknüpfen ist), und ferner am 29. April 1273 (Nr. 1285) nur einfach "Priseburius et Johannes frater suus" bezeichnet. 1274, 13. Januar (Nr. 1314) tritt Priscebur allein ohne seinen Bruder in Röbel auf. - Soweit befinde ich mich mit Lisch im Einklang. Allein schon die nächste Urkunde stellt mich seiner Ansicht entgegen: diese Urkunde, datirt Röbel, 5. Juni 1274 (Nr. 1327), nur überliefert im Havelberger Kopialbuch, führt Lisch dazu, anzunehmen, daß der hier genannte Prizbur nicht identisch sei mit dem obigen: denn hier würde neben ihm als "frater eius" genannt "Sabellus de Redichsdorp". - Nun vergleiche man diese Verbindung (Prizbur et frater eius) mit den andern in der Zeugenreihe: es steht direkt davor: "Henricus et frater eius de Holdorp." Hier ist der Name des Bruders ebenso ausgelassen worden, wie das auch in der Urkunde Nr. 1199 (1270) der Fall war: "Priscebure et frater suus." In letzterer Urkunde müßte man dann auch den aus "frater suus" folgenden Namen Harnet Bere mit Priscebur verbinden, analog wie oben Lisch es mit Zabel Restorf that. Nun ist aber ein Pritzbur Behr (nach Lisch, Gesch. des Geschl. v. Behr) nicht nachweisbar. Andererseits ergiebt auch schon die Zeugenreihe der voraufgehenden Urkunde (Nr. 1314), daß Priscebur und Zabel Restorf keine Brüder waren, sonst wären sie hier nicht durch sieben andere Personen getrennt genannt, sondern der Zusammengehörigkeit halber ebenso nahe aneinander gerückt. 1 ) Lisch ist zu seiner falschen Auffassung nur durch Wigger's Abdruck der


1) Zabel Restorf erscheint, wie Lisch selbst anmerkt, von da an nur noch als brandenburgischer Vasall und hat laut Cod. dipl. Brandenb. von Riedel (vergl. Register) in einer Urkunde von 1263 noch vier Brüder und zwei Schwestern, keiner der Brüder aber heißt Pritzbur. - Die Weglassung der Namen ist gar nicht sehr selten, so auch 1254 (II, 731) Harnith dictus Bere et fratres sui; 1230 Her. comes de Orlamunde et frater suus (I, 374); 1194 Heinricus de Reken et frater eius (I, 156).
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Urkunde vom 5. Juni 1274 im Meklenburgischen Urkundenbuch (II, 1327) verleitet worden, wo unbegreiflicher Weise bei den Worten "Prizbur et frater eius, Sabellus de Redichsdorp" das in Wigger's Vorlage, dem Codex dipl. Brand. Riedels, stehende Komma weggelassen wurde. Setzt man das Komma wieder ein, so fällt auch die Vermuthung Lisch's, daß wir es hier mit einem andern Ritter des Namens Pritzbur, einem Gliede der älteren Familie von Restorf, zu thun haben.

Lisch sagt nun in der angeführten Abhandlung weiter, nachdem er bemerkt hat, daß die Brüder Pritzbur und Johannes 1 ) (laut Urkunde Nr. 1284) die Söhne des Ritters Jeroslaus sind, letzterer sei ein Bruder des Ritters Unislaus, und alle diese könnten wohl dem Geschlecht derer von Havelberg zugeschrieben werden. Diese letzten beiden Behauptungen sind durchaus anfechtbar. Schon das Register zu Bd. 1 - 4 des Urkundenbuches macht zu der Bezeichnung "Bruder" bei Unislav und Jeroslav und ebenso zu ihrer Zugehörigkeit zur Familie von Havelberg ein Fragezeichen. Wie Lisch aus dem zufälligen Nebeneinanderstehen des Unislav und Jeroslav und wohl auch daraus, daß beide Kastellane von Röbel sind, auf ein verwandtschaftliches Verhältniß der beiden, wo ein sonstiger urkundlicher Beweis fehlt, schließen kann, ist unverständlich. Ein sicherer Beweis vom Gegentheil ist der Umstand, daß, während bis 1244 Unislav voransteht, seit 1249 Jeroslav zuerst genannt wird. Brüder werden stets in der ihnen dem Alter nach zukommenden Reihenfolge genannt. Daß Lisch die angeführten Personen der Familie von Havelberg zuwies, kann nur aus dem Umstande erklärt werden, daß er noch in keiner Weise die in Nr. 377 transsumirte Urkunde vom Jahre 1230 für unecht hielt, obschon damals schon schwere Bedenken gegen die Jahreszahl geltend gemacht waren. Aus dieser Fälschung entnahm nun Lisch die drei Gebrüder Pritzbur, Johann und Gerslav als "heeten Havelberge". 2 ) Der letztere, Gerslav, ist nun überhaupt nicht anderweitig in dieser Zeit nachweisbar. Der Name ist bei der augenscheinlichen Verstümmelung des echten Textes durch Zusammenziehen der Zeugenreihe aus der von Dr. Wigger (II, Nr. 1284 Anm.) mit Recht als Vorbild angesehenen Urkunde (Nr. 1284) vom 23. April 1273 wohl durch den Passus "filii


1) Ueber Jaroslav s. später.
2) In Jahrb. II, 97 verwendete Lisch nur Hans und Gerslav für die Familie von Havelberg und quälte sich mit dem falsch verstandenen Wopen ab, einen Wohnort darunter suchend.
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domini Jeroslai" entstanden, während das "heten Havelberge" dem Familiennamen der gleich folgenden Brüder Heinrich und Berthold von Havelberg entnommen ist. Trotzdem nun Wigger in der Note zur Urkunde (Nr. 1284) die Urkunde von 1230 (Nr. 377) als offenbare Fälschung des Klosters Broda gekennzeichnet und überzeugend nachgewiesen hat, und namhafte andere Forscher (Klempin, Pomm. U.=B. I, S. 214 und Kratz, Gesch. des Geschl. v. Kleist I, S. 721) sich diesem Urtheil angeschlossen haben, hiermit aber auch die Zugehörigkeit der Brüder Prizbur und Johann zu den von Havelberg hinfällig wird, findet sich dennoch in fast allen neueren die Familie von Pritzbuer mitbehandelnden Arbeiten die alte Behauptung: daß die Pritzbuer und Havelberg stammverwandt sind. 1 )

Haben wir so die Brüder Prizbur und Johann und ihren Vater Jeroslaus hoffentlich endgültig der Familie von Havelberg entrissen und als Vorfahren der Familie von Pritzbuer gerettet, so fragt es sich, ob sich denn über Jeroslaus hinaus dieses Geschlecht in Meklenburg nicht weiter verfolgen läßt. Allerdings wird es sich dabei nicht vermeiden lassen, daß wir den gesicherten Boden des urkundlichen Beweises etwas verlassen und uns auf das Gebiet der Vermuthungen begeben, aber es sind doch immer noch solche Vermuthungen, die in sich den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit tragen, so daß wir berechtigt sind, für sie, solange das Gegentheil nicht bewiesen werden kann, den Charakter der historisch erwiesenen Thatsache zu beanspruchen.

Jeroslaus tritt zuerst 1239 (Urkunde Nr. 499) beim Fürsten von Werle in Meklenburg auf, wird 1241 (Urkunde Nr. 523) "miles de Robele" und 1242 (Urkunde Nr. 541) als "castellanus de Robele" bezeichnet. Aus dieser doch sehr verantwortungsvollen Stellung der Burgmannschaft und aus dem Umstand, daß er schon im dritten Jahre seines Auftretens in Meklenburg Ritter genannt wird, kann man wohl auf ein schon höheres Alter des Jeroslaus schließen, zumal er schon nach dem Jahre 1257 nicht mehr erscheint. Vor dem Jahre 1239 aber findet sich in Meklenburg von einem Knappen Jerolaus keine Spur. Dagegen


1) z. B. noch in der äußerst werthvollen Arbeit des Dr. Crull: Ueber die Wappen der meklenburgischen Geschlechter (in Meklenb. Jahrb., 52. Jahrg., 1887, S. 101). Die dort gelieferte, an sich sonst sehr zusagende Erklärung der schwierigen Frage, woher sich das Wappen des Geschlechts gänzlich verändert hat: nämlich daß der geköpfte Doppeladler der Pritzbuer ans den Havelberg'schen gestürzten Flügen entstanden sei, wird nach obigem Ergebniß leider auch hinfällig.
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hat schon G. Kratz (in seiner Geschichte des Geschl. v. Kleist 1873) darauf hingewiesen, daß dieser Jeroslaus vielleicht erst nach Meklenburg eingewandert und identisch mit einem Gleichnamigen in pommerschen Urkunden ist. Dieser pommersche Jeroslaus oder Jaroslaus wird zuerst 1224 als Zeuge des Herzogs Barnim I. (Klempin, Pomm. U.=B. I, Nr. 219) zusammen mit seinem Vater Prisnobor erwähnt und läßt sich dort 1229, 1234 und 1235 mit diesem zusammen nachweisen (Pomm. U.=B. I, Nr. 257, 302, 311). Von dieser Zeit aber tritt der Vater Prisnobor (auch Priznibor, Prisnibor, Priscebur geschrieben) stets allein auf bis 1240.

G. Kratz weist mit Recht darauf hin, daß um diese Zeit der Verkehr zwischen den Gegenden von Stettin, wo der Vater Prisnobor ansässig war, und Röbel, wo Jaroslaus zuerst in Meklenburg 1239 erscheint, ein sehr belebter war, und daß viele Edle bald in Pommern, bald in Meklenburg auftreten (wie das Beispiel der Gebrüder Lippold, Theodericus und Harnith Behr dies urkundlich nachweist). Der leitende Faden aber, um die in pommerschen und meklenburgischen Urkunden zeitlich nach einander auftretenden beiden Jaroslaus zu identifiziren, und damit die Herkunft des meklenburger Jaroslaus aus Pommern festzustellen, ist der Name des Vaters des pommerschen Jaroslaus Prisnobor (Priznibor etc. .), und vor Allem die Form Priscebur (M. U.=B. I, Nr. 401; Pomm. U.=B. I, Nr. 264). Da der älteste Sohn des Jaroslaus in Meklenburg Priscebur genannt ist und es damals allgemein üblich war, den ältesten Sohn mit dem Namen des väterlichen Großvaters zu belegen, so folgt hieraus mit Nothwendigkeit, daß der jüngere Priscebur einen gleichnamigen Großvater haben muß. Da ein solcher in Meklenburg vor 1239 urkundlich nicht nachweisbar ist, dagegen aber in pommerschen Urkunden ein solcher auftritt, so ist, glaube ich, damit die Herkunft des meklenburger Jaroslaus aus Pommern zur höchsten Wahrscheinlichkeit erhoben. 1 )

Der Vater des Jaroslaus, Prisnobor, wird 1219 als camerarius des Herzogs Bogislaw II. von Pommern genannt (Pomm. U.=B. I, Nr. 196); in einer Urkunde aus nahezu gleicher Zeit in Stetin (ebda. Nr. 197). 1228 tritt er zweimal mit dem Beisatz de Stetin (ebda. Nr. 250, 251), 1235 und 1236 wieder als camerarius de Stetin auf (ebda. Nr. 311, 328). Ein


1) Dieser Schlußfolgerung nach hat auch schon das Register zum Pomm. U.=B. I. Bd. die in Frage stehenden Personen so angeordnet.
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Mal nur tritt er um 1232 in einer Originalurkunde des Schweriner Archivs als Priscebur castellanus de Stetyn uns entgegen (Pomm. U.=B. I, Nr. 264; M. U.=B. I, Nr. 401), während er ein anderes Mal 1235 als vir nobilis in Stetin bezeichnet wird. Ohne weitere Bezeichnung erscheint er 1220 (Nr. 199), 1235 (Nr. 312), 1237 (Nr. 339) und 1240 (Nr. 373). Nach diesem Jahr wird er nicht mehr erwähnt, dagegen werden 1267 (Pomm. U.=B. II, Nr. 843) und 1268 (Pomm. U.=B. II, Nr. 862) als "filii Prisnibori" die Ritter Pribislaus und Dubeslaus im Gefolge der pommerschen Herzöge genannt, welche G. Kratz in seiner Gesch. des Geschl. v. Kleist als Stammväter der Familien von Kleist und von Woedtke nachzuweisen versucht hat. Ich verweise, ohne näher auf diese Darlegung einzugehen, auf die betreffende Arbeit. 1 )

Prisnobor tritt nun stets ohne jede Bezeichnung seiner Abstammung auf, doch dürfte, analog der obigen Auseinandersetzung, für seinen Sohn Jaroslaus, als seinen Aeltesten, ein Großvater Jaroslaus zu beanspruchen sein. Ein solcher wird nun, allerdings ein einziges Mal, am 13. November 1175 (Pomm. U.=B. I, Nr. 66) in Treptow als "camerarius" beim Fürsten Kasimir von Pommern erwähnt. Wenn man bedenkt, daß Prisnobor ein Mal mit der damals seltenen Bezeichnung "vir nobilis" (Pomm. U.=B. I, S. 244), dann 1220 als erster Laienzeuge und unter lauter Zeugen aus dem Herrenstande, den "Zupanen", steht, er selbst das wichtige Amt eines Kämmerers und Kastellans bekleidet, so muß schon sein Vater eine hervorragende Stellung am pommerschen Fürstenhofe eingenommen haben. Der Kämmerer Jariszlav von 1175 (der auch zeitlich ganz gut mit Prisnobor zusammengebracht werden kann, insofern dieser schon um 1175 - sein ältester Sohn Jaroslav tritt 1224 schon als Zeuge auf! - geboren sein muß) besitzt nun diese hervorragende Stellung wie der Sohn. Denn das Kämmereramt war nach slavischer Sitte kein Hof=, sondern ein Verwaltungsamt, welches direkt nach dem ersten des Kastellans im Range folgte und sicherlich nur mit dem bedeutendsten Manne der Kastellanei besetzt wurde.


1) Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, daß 1276 in Barnims I. Gefolge ein Ritter Prisniborizs erscheint (Pomm. U.=B. II, 1044); Lisch druckte in seinen Behrschen Urkunden (und danach M. U.=B. IV, 2706); Prisiborizs. Die Urkunde ist nur in zwei Transsumten durch Kopialbücher auf uns gekommen. Da vor ihm Dubislaus steht, so halte ich für wahrscheinlich, daß Dubislaus Prisniborizs als eine Person und Prisniborizs als Patronymikon aufzufassen ist.
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Ueber diesen Kämmerer Jarislav hinauszugehen, dürfte wohl unmöglich sein. Die wahrscheinliche Stammreihe der älteren Generationen ist bisher also folgende:

Stammbaum

Nachdem wir so den Stammvater und die Herkunft des Geschlechts gefunden haben, wollen wir im Folgenden vom ersten des Namens Priscebur in Meklenburg, von dem die Untersuchung ausging, aus abwärts die Stammlinie verfolgen.

Wir sahen zuletzt, daß die Brüder Priscebur und Johannes, die Söhne des Ritters Jaroslaus, zusammen 1277 (M. U.=B. Nr. 1437) vorkamen. Nach dieser Zeit wird Johannes nicht mehr erwähnt, dürfte also, wenn er nicht nach dem Vorbild seines Vaters ausgewandert ist, ziemlich jung gestorben sein. Dagegen erscheint der "dominus" Priscebur (Pritzebur) noch häufig, so 1282, 1284, 1285, 1292 und 1293, im letzten Jahre als Führer eines Geleites, welches einem brandenburgischen Vasall Conrad Wolf vom Fürsten von Werle gestellt wurde. Nach diesem Jahr tritt der Ritter jedoch nicht mehr auf. Denn meines Erachtens kann er nicht, wie Lisch vermuthet, identisch sein mit dem am 13. Oktober 1299 (M. U.=B. Nr. 2576) an letzter Stelle in der Zeugenreihe genannten Ritter Hinricus Pryssebur (NB. des ersten, der aus dem Vornamen Priscebur

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einen Eigennamen gemacht hat!), noch mit dem am 6. Juli 1300 (Nr. 2618) erwähnten, gleichfalls an letzter Stelle stehenden Ritter Pryscebur de Kelle. Vielmehr darf man diese beiden jungen Ritter, die als Knappen vielleicht in anderer Herren Dienst gestanden haben mögen, ohne Zweifel als seine ältesten Söhne bezeichnen. Wohl der letzte von diesen wird identisch sein mit dem stets unter den letzten der Zeugen aufgeführten Ritter Priscebur in den Urkunden vom 1. September 1302 (Nr. 2819), vom 9. Juni (Nr. 2938), 22. Juni (Nr. 2939) und 24. September (Nr. 2959) des Jahres 1304. Ein anderer, dritter Sohn ist zweifelsohne der in der Urkunde (Nr. 3024) vom 20. September 1305 zuerst als fürstlicher Marschall und erster unter den Knappen auftretende Prissebur, welcher (in Nr. 3064) 1306 als letzter unter den Rittern, und zwar noch in der Eigenschaft als Marschall, genannt wird. Er wird auch der Ritter Pritzebur in der Urkunde (Nr. 3178) vom 9. August 1307 sein. Vielleicht kann man auch noch, und zwaar als ältesten Sohn, der analog wie oben nach seinem väterlichen Großvater genannt ist, den 1291 (Nr. 2110) auftretenden Ritter Jerizlaus in Röbel beim Fürsten von Werle als Sohn des Ritters Priscebur d. Ae. hinzu nehmen. Dieser erscheint nur dies eine Mal, ist anscheinend also jung, vielleicht im Kriege, gestorben. Nach 1307 hören wir nichts mehr von diesen vier muthmaßlichen Söhnen des Priscebur des Aelteren; sie scheinen mithin bald darnach gestorben zu sein; denn auch die für die weitere Forschung äußerst wichtige Urkunde (Nr. 3680) vom 17. März 1314 nennt sie nicht mehr. In dieser Urkunde wird von den Fürsten von Werle der Verkauf von Besitzungen bei Poppentin an das Kloster Malchow seitens der Gertrud, Wittwe des Ritters Priscebur, bestätigt. Diese Wittwe kann nur die des nach 1293 verstorbenen Priscebur des Aelteren sein, denn sie hat zwei erwachsene Söhne Johann und Vicco, Knappen. Diese haben ferner zwei "patrueles", eine Bezeichnung, die man für diese Zeit wohl richtig mit "Neffe" deutsch wiedergeben kann. Der ältere dieser patrueles ist zwar Knappe, muß aber noch sehr jung sein, da ihm die Koseform des Namens Priscebur - Prisceko - beigelegt wird (vergl. einen gleichen Fall unten); der zweite scheint noch unmündig, da nicht einmal sein Name genannt ist. Ich halte nun dafür, daß Johann und Vicco die jüngsten Söhne des Priscebur des Aelteren und der Gertrud sind und deren patrueles die später auftretenden Söhne eines der drei ältesten Brüder. Zur Uebersicht des bisher Gewonnenen diene die zusammenfassende Tafel am Schluß.

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Eine große Lücke, welche sich in dem Zeitraum von 1314 bis 1333 für die weitere Forschung findet, insofern der Name Pritzbur nicht ein einziges Mal vorkommt, vermehrt die an sich schon bedeutenden Schwierigkeiten, ganz sichere Resultate zu erzielen. Sie läßt die Vermuthung wach werden, daß in diesem Zeitraum auch die letzten Söhne des alten Ritters Priscebur, die erwähnten Knappen Johann und Vicco, die (nach Nr. 3715) als fratres dicti Pritzebur zuletzt am 2. Oktober 1314 als Zeugen der Fürsten von Werle in Güstrow erscheinen, mit Tode abgingen und nur Kinder im jugendlichsten Alter nebst denen der drei älteren Brüder zurückließen. So erklärt sich wenigstens am wahrscheinlichsten das gänzliche Fehlen des Namens Pritzbur in den Zeugenlisten der Herrn von Werle. Wie gesagt, erst das Jahr 1333 (Urkunde Nr. 5386 vom 2. Januar) macht uns wieder mit einer Anzahl Familienmitgliedern bekannt. Da verkaufen Gerslav von Walow, Pryscebur von Karghow (Karchow), Pryscebur von Kelle und Dubeslaus von Kelle Fischereigerechtigkeiten im Kölpinsee, und es stehen unter den Zeugen die Knappen Prysceko de Grabenisze und die Brüder Hinricus und Hennekinus Priscebur de Poppentin. Die Verkäufer besaßen die Gerechtigkeiten zur gesammten Hand, sind daher wohl, wenn nicht alle Brüder, so doch Vettern, sicherlich aber alle der späteren Familie von Pritzbuer zugehörig. 1 ) Die beiden auf Kelle ansässigen Pryscebur und Dubeslaus darf man ohne Zweifel dem Ritter Pryscebur von Kelle als Söhne zuweisen, und sind diese vielleicht identisch mit den 1314 auftretenden Prysceko und dessen unbenannten Bruder; Gerslav von Walow und Pryscebur von Karghow vielleicht dem Marschall Prissebur. Denn für die Brüder Heinrich und Henneke Pritzbur auf Poppentin möchte ich den Ritter Heinrich Pryssebur als Vater mit Beschlag belegen aus mehreren Gründen: 1) besaß schon der alte Ritter Pryscebur Poppentin, wie aus dem Verkauf seiner Wittwe hervorgeht. Heinrich war wenigstens nach dem Auftreten wohl der älteste Sohn, wenn wir von dem als sehr jung und kinderlos verstorben angenommenen Ritter Jeroslaus als ältesten Sohn absehen, und wird dies Hauptgut auf seine Söhne vererbt haben; 2) trägt der älteste der 1333 erwähnten Poppentiner Brüder und ebenfalls auch sein 1358 auftretender Sohn den Namen Heinrich, woraus man wohl auf einen Träger dieses in dem Zweige forterbenden Namens als Vater schließen darf.


1) Pryscebur de Kelle besaß z. B. auch in Walow Güter, wie aus seiner Schenkungsurkunde (Nr. 5598) an die Johanniskirche zu Altröbel am 11. Juni 1335 hervorgeht, ebenso wie der darnach benannte Gerslav von Walow.
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Der durch die Koseform (wie oben) als noch jugendlich gekennzeichnete Knappe Prysceko von Grabenitz nennt sich seit 1344 Priscebur von Grabenitz und späterhin 1346 und 1347 (Nr. 6722) Bruder eines Heinrich Priscebur von Grabenitz und dieser wieder in derselben Urkunde von 1347 einen Sohn des verstorbenen Knappen Vicco von Grabenitz. Außerdem tritt seit 1345 noch als Sohn von Vicco's älterem Bruder Johannes und als Stiefsohn einer Hanna von Vietgest ein Knappe Johann (Hennekin) Priscebur von Küz auf. Alle genannten, mit Ausnahme der nicht wieder auftretenden Gerslav von Walow, Pryscebur von Karghow und des nur noch einmal 1335 mit Pryscebur von Kelle erwähnten Dubeslaus, nennen sich in den folgenden Urkunden untereinander "patrui". Diese Bezeichnung darf man nun in dieser Zeit ebenso wie oben den Ausdruck "patrueles", nicht in der streng klassischen Bedeutung "Oheim" durchweg auslegen. Sie bedeutet vielmehr ein sehr wechselndes Verwandtschaftsverhältniß und wird am häufigsten für die Söhne von Brüdern, also Vettern, angewandt (ein Wort, welches ja mit "patruus" eines Stammes ist). Für unsere Betrachtung paßt dieser Verwandtschaftsgrad nun bei der Anwendung auf die einzelnen Familienmitglieder ausgezeichnet, wenn man nach der obigen Darlegung sie alle von Brüdern abstammen läßt.

Es mögen noch einige Vermuthungen über die Frauen der letzten Generation gestattet sein. Die zweite Frau des Knappen Johannes Pritzebur, Hanna de Vitegast (Nr. 6591) oder morans in Vitegast (Nr. 6618) ist schon erwähnt. Ihr Stiefsohn ist nach diesen Urkunden Johannes Priscebur de Kuz. Dieser tritt nun in einer Urkunde vom 23. April 1346 (Nr. 6646) unter den "amici" d. h. Verwandten des Gotemar Gamm auf, welcher mit deren Zustimmung Hebungen aus seinem Gute Goldewin an diesem Tage verkauft, und zwar ist obiger Johannes der einzige nicht zum Geschlecht der Gamm Gehörige unter diesen "compromissores" des Verkäufers. Ferner steht er in einer andern Urkunde vom 16. Februar 1347 (Nr. 6727) unter den "amici" und "compromissores" des Heinrich, Sohnes des Zubbekin Gamm, welcher ebenfalls Hebungen aus Goldewin verkauft. Diese engen Beziehungen zu den Gamm lassen es wahrscheinlich erscheinen, daß Henneke's Mutter, also des Knappen Johannes Pritzebur erste Gattin, aus dem Geschlechte der Gamm stammte.

Eine andere verwandtschaftliche Beziehung ist zwischen den Brüdern Pritzbur de Grabenitz und dem Knappen Conrad Bune festzustellen, als dessen compromissor der ältere Grabenitzer

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21. Oktober 1346 (Nr. 6685) erscheint. Andererseits steht Conrad Bune ebenso als compromissor in der Verkaufsurkunde des jüngeren Heinrich Priscebur von Grabenitz, des Sohnes von Vicko, (Nr. 6723) vom 26. Januar 1347 und zwar hier mitten zwischen andern Mitgliedern der Pritzbur. Mithin dürfen wir wohl als Mutter dieser beiden Pritzbur auf Grabenitz und Gattin des Knappen Vicko Pritzbur de Grabenitz eine Tochter des Geschlechts der Bune annehmen.

Eine dritte verwandtschaftliche Verbindung dürfen wir zwischen dem vor 24. Februar 1358 verstorbenen älteren Priscebur de Grabenitz, hier zuerst mit dem Vornamen Hennekin belegt, und dem zum Vormund seiner unmündigen Kinder bestellten Knappen Heyno Pinnowe, alias dictus Wagel (Nr. 8459 und 8471) suchen, so daß dieser letztere der Schwager des Verstorbenen, und die Mutter seiner Mündel also eine Pinnow genannt Wagel war.

Die Gesammtgenealogie würde also bis zum Jahre 1360 ungefähr so, wie die am Schluß stehende Tafel sie zeigt, sich als wahrscheinlich darstellen.

Fassen wir zum Schluß das Ergebniß kurz zusammen, so ergiebt sich: die Schwierigkeit in der Erforschung der Urgeschichte des Geschlechts besteht lediglich in dem Umstand, daß die Familie nach wendischem Gebrauch keinen eigentlichen Stammnamen bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts führt. Man ist also allein auf Analogieschlüsse angewiesen, die immerhin ein leidlich richtiges Bild zu geben im Stande sind. Man kann demnach für sicher halten, daß die Familie aus Pommern stammt, dann nach Meklenburg übergesiedelt ist, daß sie nicht stammverwandt ist mit den von Havelberg, noch mit den von Restorff, und daß die Träger des wendischen Vornamens Priscebur alle ein und derselben Familie, der späteren mit diesem Eigennamen, angehören.

Da es nun nicht mehr anzunehmen ist, daß es eine Urkunde giebt, welche bisher im Meklenburgischen und Pommerschen Urkundenbuche übersehen sein dürfte, die über die Urzeit des Geschlechts eine weitere Klarheit verbreiten könnte, so muß sich der Forscher mit dem Wenigen bescheiden, was ihm ein glücklicher Zufall erhalten hat, und aus ihm herauslesen, was herauzulesen ist. Hoffen wir, daß diese Studie der Wahrheit um ein Weniges näher gekommen ist.

 

Vignette
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