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D ie im Jahre 1540 bereits vorbereitete, 1541 und 42 ausgeführte Visitation bezeichnet meines Erachtens einen Fortschritt in der Entwicklung der landesherrlichen Kirchengewalt. Es war nicht allein eine K.=O. gegeben, der man folgen sollte, sondern der Landesfürst bezeugt es als seine Pflicht, über die reine Lehre derselben zu wachen, und - das kommt als das Neue hinzu - er wird alten Ungehorsam dagegen strafen, durch welchen die Ruhe und Ordnung des Landes gefährdet ist. Der Landesherr hat also die volle potestas ecclesiastica mit dem alleinigen Vorbehalt, daß er über die Lehre der K.=O. hält; er hat also auch Zwangsgewalt. Das Neue also ist nicht, daß der Landesfürst sich als Erben der bischöflichen Gewalt ansieht, sondern daß er sein kirchliches Handeln mit der weltlichen Strafgewalt in Beziehung setzt. Indem er aber einen Superintendenten hält, und dieser auch neue Superintendenten einsetzen soll, z. B. in Wismar und Rostock, bezeugt er doch, daß es neben seinem landesherrlichen Kirchenregimente, das mit der Strafgewalt verbunden ist (vi), ein innerkirchliches Amt giebt, jedoch verbo. Es ist beachtenswerth, wie der Visitator Riebling 1 ) die Pflicht des Landesherrn zu erweisen sucht; er beruft sich auf Adam, Josua, Samuel, David u. s. w., dann auf Konstantinus, gerade so wie Luther
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in seiner Vorrede 1528 zum Visitationsbuche; deshalb habe S. F. G., geleitet durch den heiligen Geist, den Entschluß gefaßt, die Kirche zu "besuchen". Der allmächtige Gott fordere solches heilige Amt von S. F. G., denn wenn die Unterthanen verführt werden durch Mönche, Gotteslästerer und Rottengeister, sowie dadurch, daß wider die erkannte Wahrheit gehandelt wird, so würde es auf S. F. G. kommen, der Gott Rechenschaft dafür geben müsse. Deshalb will der Fürst darüber wachen, daß die ewige Wahrheit gepredigt wird, und will sowohl seine Unterthanen dabei beschützen, als auch selbst bis ans Ende dabei verharren. Wo man aber das verachtet, will der Fürst ein "ernstlich Zusehen haben, da es wider Gottes Wort ist und Gottfürchtenden Herzen wehe thut". Als äußerliches Zeichen der gegen 1535 veränderten Anschauung visitiren neben zwei Theologen, Riebling und Kückenbieter, zwei weltliche Beamte, der Rath v. Pentz und der Sekretär Leupold. Aber auch die weitere Errichtung von Superintendenturen wird angestrebt, damit, wie in Wismar, "ein gut Regiment in der Kirchen bleiben" möchte, oder damit, wie in Rostock, "rechte Einigkeit unter den Predigern sei und gute Ordnung gehalten werde". Daneben hielt Riebling im Lande Synoden mit den Predigern ab; wenigstens aus dem Jahr 1546 ist eine solche von Gnoien bekannt.
Die Visitation selbst giebt ein getreues Bild der damaligen Zustände. Vielfach hatten die Edelleute die "Börungen" an sich gezogen, oder die katholischen Vikare gaben dem Prädikanten keine reditus. Oft waren auch die Besitzer der geistlichen Lehne davongegangen, thaten ihre Pflicht nicht, sondern zogen nur ihre Bezahlung ein, so daß die Prädikanten keine Einkünfte hatten. Viele Geistliche waren noch "arge Papisten", "nicht sonderlich gelehrt", sondern "grob und unverständig" und führten außerdem einen anstößigen Lebenswandel; oft werden auch die Prädikanten bedroht, von den Kirchherrn gezwungen, nach der alten Lehre zu predigen, ja letztere stellen überchaupt keinen Seelsorger an; und nur von wenigen wird berichtet als "gelehrten Leuten und guten Lebens", von andern, daß Sie sich bessern wollen. 1 ) Auch Herzog Magnus ließ 1542 und wiederum 1544 visitiren, aber nicht in Schwerin, sondern nur in seinen Stiftslanden zu Bützow. 2 ) Eine Anwendung von Gewalt mochte derselbe nicht wagen, da er ja ohnehin mit dem Kapitel zu Schwerin, das die Frei=
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heiten des Stiftes wahren wollte, auf gespanntem Fuße stand. Darum mußte er auch wohl auf Verlangen des Patronats, das die vakant gewordenen Einkünfte zu vergeben hatte, noch hin und wieder einen papistischen Geistlichen instituiren; aber ob dieser, wie noch 1548 in Rostock, 1 ) zur Ausübung seines Amtes kam, ist zweifelhaft. Wenigstens mußte ein solcher, wie der vom Ratzeburger Erzbischof 1541 zu Wismar .eingesetzte Meßpriester, 2 ) sich wohl nur auf den Genuß seiner Pfründe beschränken und konnte höchstens einen noch übrigen Anhänger der alten Lehre bedienen oder hinter seinen festen Mauern bleiben.
Herzog Magnus hatte durch seine Vermählung am 26. Aug. 1543 hinter sich die Brücke abgebrochen und konnte mit seinem Vater für die neue Lehre wirken. Dennoch war die unge hinderte Wirksamkeit der beiden nicht nur durch die fortbestehende Macht der Domkapitel gehindert, sondern hatte auch auf Albrecht Rücksicht zu nehmen. Zwar hatte dieser seinen Sohn Johann Albrecht evangelisch erziehen lassen; es ist auch nicht bekannt, daß er offen gegen die eingeführte Lehre etwas unternahm; hatte er doch den Seestädten gegenüber zur Neutralität sich verpflichtet! Weil er aber wegen der sog. spanischen Schuldforderung zum Kaiser sich halten mußte, konnte allein schon in Rücksicht auf ihn von Heinrich nichts unternommen werden, wodurch Meklenburg dem Kaiser gegenüber als ein lutherisches Land erwiesen wurde. Albrecht blieb bis an sein Ende katholisch, ja hatte auch gewünscht, daß seine Söhne es bleiben sollten, wie Anna an dieselben am 2. Febr. 1547 Schrieb. 3 ) Allein es kam anders.
Johann Albrecht war nicht vergebens evangelisch erzogen, hatte nicht vergebens mit Melanchthon verkehrt; 4 ) er war ein Freund der Wissenschaft. 5 ) Von großem Einfluß auf ihn mußte auch Dietrich von Maltzan 6 ) werden, sowie der Kanzler Johann von Lucka 7 ) dem er am 5. Oktober 1547 versprach, ihn "bei seiner itzigen christlichen Religion, die man lutterisch nennt," zu schützen. Seine Gesinnungen offenbarte er, indem er noch vor
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Ostern 1547, im Einverständnis mit seinem Oheim Heinrich, den Gerd Omeken von Schwerin nach Güstrow holte und zum Dompropst daselbst bestellte. 1 ) Johann Albrecht befand sich in Franken, als ihn die Nachricht vom Tode seines Vaters erreichte. Als er dann nach einem flüchtigen Besuche in Meklenburg zum Kaiser zurückkehrte, mußte es ihm auf dem am 1. September eröffneten Reichstage zu Augsburg vor allem darauf ankommen, für sich und seinen ältesten Bruder die kaiserliche Belehnung zu erwirken. Daß er diese bekam, verdankte er nicht zum wenigsten dem Druck der spanischen Schuldforderung, derentwegen er Ansprüche an den Kaiser hatte. 2 ) Als Johann Albrecht die Belehnung erhalten hatte, reiste er am 7. Dez. 1547 in die Heimath zurück, um zunächst die Landeshuldigung vornehmen zu lassen. Bei dieser gaben die Stände unzweideutig ihr Verlangen nach der neuen Lehre kund, indem am 27. März 1548 der Fürst gebeten wurde, das reine Wort Gottes im Lande verkündigen zu lassen und die Unterthanen bei der wahren Religion zu beschützen, besonders auch Kirchen und Schulen mit gelehrten Leuten zu versehen. 3 ) Wie sollte sich der jugendliche Sohn des katholischen Albrecht dazu Stellen? seine Erziehung stellte ihn auf die Seite der Stände seines Landes, von denen er keine Hülfe in der Tilgung der spanischen Schuld erwarten konnte, wenn er in den Wegen seines Vaters wandelnd den Katholizismus begünstigen wollte. Offen Partei gegen den Kaiser zu nehmen, war mißlich, da er die Strenge desselben in der Behandlung der Ketzer und seine Uebermacht nach dem Schmalkaldischen Kriege aus eigener Anschauung kannte. Erst nach einem Jahre nahm Johann Albrecht entschiedene Stellung zum Augsburger Interim, nachdem "allerhand bedreuliche Schriften an ihn ergangen waren," d. h. als der Kaiser in verschiedenen Mandaten auf die endliche Durchführung des Interims in Meklenburg gedrängt hatte. 4 ) Heinrich und Albrecht schrieben einen Landtag nach Sternberg aus, um "in der allerhochwichtigsten Sache der Seelen Seligkeit belangend" Beschluß zu fassen 5 ) Am 20. Juni traten die Stände zusammen, mit ihnen die beiden Superintendenten Riebling und Omeken,
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sowie die Rostocker Professoren nebst einer großen Zahl von Geistlichen. Der Kanzler Johann von Lucka leitete die Verhandlungen. Er machte auf den Vorsatz der Fürsten aufmerksam, die wahre Lehre zu behaupten, sowie auf ihre Bereitwilligkeit, das Interim von der Hand zu weisen, und verfehlte nicht, auf die möglicherweise entstehenden Gefahren hinzuweisen. 1 ) "Wenig geistlicher München Ordens ausgenommen," und "gemeine lantschaft in großer anzal als yne by einander gesehen, mit iren s. g. Sich vereiniget, vergliechen und de unterthenigk irpetung und zusag getan, da nit über drei personen, so der papistischen lehre zugethann, sich des geussert, mit Irer f. g. by der reinen evangelischen und apostolischen lere zuplieben, mit untertheniger bith, das se von Irer f. g. darby muge beschützet werden, darzu se alse de getruwen unterthanen bei Irer f. g. lieb guedt und bluet zu setzen erputich." 2 ) Durch den Beschluß an der Sagsdorfer Landbrücke ist dann einstimmig illa pestis Sphingos Augustauae verworfen. 3 ) Und Meklenburg antwortete 4 ) dem Kaiser, daß es bei den prophetischen und Apostolischen Schriften und dem Symbolo Apostolico, Niceno, Athanasiano, Ambrosii und Augustini beständig verharren und verbleiben wolle. Und indem ein Bekenntniß der Hauptartikel der Lehre sowie eine Beschreibung der gottesdienstlichen Gebräuche gegeben wird, erklären die Fürsten, daß sie, da diese Lehre dem Worte Gottes gemäß wäre, mit gutem Gewissen ihren Unterthanen eine Veränderung nicht befehlen könnten. 5 ) Obwohl die Conf. Aug. in dieser Erklärung nicht erwähnt ist, ist doch durch dieselbe die politisch bedeutsame Erklärung Meklenburgs für die Sache der Protestanten abgegeben; die Neutralitätspolitik ist verlassen; das Wehen des neuen Geistes ist mächtig, wie mag es den kränkelnden Herzog Heinrich erfreut haben! Das Bestreben, den noch vorhandenen päpstlichen Sauerteig abzuthun, befremdet nicht, mag nun noch ein besonderer Landtagsbeschluß gefaßt sein oder nicht. 6 ) Meklenburg hat in einem förmlichen Nationalkonzil vor Kaiser und Reich sein Glaubensbekenntniß abgelegt, Meklenburgs Geistlichkeit, seine
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Stände, seine Fürsten. Der 20. Juni 1549 ist der Geburtstag unserer Landeskirche. 1 )
Und um dies Glaubensbekenntniß nöthigenfalls mit den Waffen zu vertheidigen, schloß Johann Albrecht am 26. Februar 1550 ein gegenseitiges Hülfsbündniß mit Markgraf Johann von Küstrin und Albrecht von Preußen ab, an dessen Hof er weilte, und mit dessen Tochter er sich verlobt hatte, daß jeder von ihnen dem andern im Falle eines feindlichen Angriffes mit seiner ganzen Kraft zu Hülfe kommen sollte. 2 ) Ja, in dem nun folgenden großartigen Fürstenbunde, der die völlige Sicherung der Protestanten dem Kaiser gegenüber zum Ziel hatte, steht Johann Albrecht oben an: er ist persönlich in Dänemark, in den Hansestädten, bei den evangelischen Fürsten, hat Gesandte nach Frankreich abgefertigt, ist vor Magdeburg, auf der Zusammenkunft in Torgau; er nimmt an den kriegerischen Unternehmungen theil, unterhandelt in Passau, wo er seine Bedingungen betreffs der Religion dahin stellt, daß 3 ) "der Artikel der wahren Religion, vermöge der Augsburgischen Konfession, muß ganz rein und klar dastehen, ohne daß von Konzil und Kolloquium geredet wird". In dieser Forderung ging er noch über Moritz hinaus, der vom Kaiser eine Nationalversammlung forderte, darin "die Gelehrten der heiligen Schrift beiderseits gehört, damit die Irrungen dem Worte Gottes gemäß verglichen würden." 4 ) Johann Albrecht wußte die kriegerischen Erfolge dahin auszunutzen, daß er sein 1549 dem Lande gegebenes Versprechen, es bei der reinen Lehre zu erhalten, erfüllen konnte. Im Herbst 1551 befahl er die Abfassung einer Kirchenordnung.
Für die Entstehungsgeschichte derselben ist der Bericht des Chyträus von der K.=O., den er im Auftrage des Herzogs Ulrich
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1599 verfaßte, von der größten Wichtigkeit . 1 ) Chyträus war bereits 1551 an die Rostocker Universität gekommen, woraus folgt, daß seine Angaben Anspruch auf Zuverlässigkeit haben. Ein Seitenstück bildet der Bericht des Rostocker Superintendenten Lucas Bacmeister, ebenfalls aus dem Jahre 1599, der an der Revision der Kirchenordnung hervorragend betheiligt war, sowie die Berichte der zur Revision seit 1585 verordneten Theologen. 2 ) Hinzu kommen einzelne dürftige Nachrichten der gleichzeitigen Landtagsverhandlungen. Nach den Worten des Chyträus zu urtheilen, ist er Augenzeuge der Entstehung der K.=O. gewesen. Er sagt nämlich in der Einleitung: "Nach meiner unterthänigen Diensterbietung übersende ich Ew. F. G. diesen unterthänigen ausführlichen Bericht, wie ich denn von Anfang an derselben beigewohnt." Er fährt dann fort: "Der Anfang vnd erste Beredung von der Meckelnburgischen Kirchenordnung verfassung ist anno 1551, Mense Novembri geschehen, da uff E. F. G. herrn brudern, hertzog Johann Albrechten, nu in Gott ruwenden, anhalten, der Durchleuchtige und Hochgeborne Fürst, Hertzog Henrich zu Meckelnburg, seinen Superintendenten, Ern Johann Riebling, mit einem gemeinen Schreiben, an D. Johannem Aurifabrum die zeit J. F. G. Pastorn zu S. Nicolaus in Rostock, und andere abgefertigt, und von einer gewissen bestendigen Kirchenordnung zu berathschlagen, befohlen." Daß Johann Albrecht seinem Oheim das Werk überließ, erklärt sich wohl daraus, daß dieser in der Angelegenheit eine reichere Erfahrung hatte, als auch daraus, daß Johann Albrecht an den Verhandlungen des Fürstenbundes um diese Zeit betheiligt war. War er doch am 17. Oktober auf Schloß Lochau zugegen, wo Moritz Verhandlungen pflog! [ 3 ) seit dem 3. November war er daheim, aber in eifrigem Briefwechsel mit seinem Schwiegervater wegen des abgeschlossenen Offensivbündnisses. Und Mitte Dezember ist Johann Albrecht schon wieder auf dem Wege nach Dresden, von wo er am 22. Dezember nach Meklenburg zurückkehrte. 4 ) Mitte März 1552 begab er sich nach dem Kriegsschauplatz. Wem aber sollte Herzog Heinrich die Arbeit der K.=O. eher übertragen als seinem Superintendenten Riebling! Dieser soll sich mit Aurifaber in Verbindung setzen. Letzterer muß eine angesehene Stellung in Meklen=
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burg inne gehabt haben. Er ist 1550 von Wittenberg an die Universität und nach Rostock gekommen. Schon am 4. September 1550 bittet Melanchthon ihn um die Fortdauer seiner Freundschaft, am 1. November um regeren Briefwechsel. Am 25. März 1551 widerräth er ihm, nach Lübeck zu gehen; am 30. Mai erinnert er ihn daran, daß ihrer beider Freundschaft nur ad consociationem ecclesiarum communem dienen solle; und am 24. Juni bittet er ihn um ein Gutachten zu seiner repetitio confessionis, die dem Kaiser vorgelegt werden solle. 1 ) Aurifabers Wirksamkeit im Lande dauerte allerdings nicht lange, denn 1554 ist er bereits in Königsberg an Osianders Stelle. 2 ) Die Person des in Wittenberg gebildeten Professors und Pastors, des Freundes Melanchthons, durfte in der That für die Mitarbeit an der K.=O. geeignet erscheinen. Aber es werden in jenem Bericht noch "andere" erwähnt. Chyträus selbst kann nicht gemeint sein, sonst würde er es gesagt haben; er sagt aber im Gegentheil, daß ihm erst hernach von Aurifaber Mittheilung gemacht sei, ihm "einem jungen gesellen." In Rostock selbst käme wohl noch Büren in Betracht, ebenfalls ein Freund Melanchthons. Zu vergessen ist auch nicht Omeken in Güstrow. Dieser hatte 1523 in Rostock studirt und bereits Slüter gehört. 3 ) Dem "jungen martinischen Ketter" stand man damals nach dem Leben, so daß er nach Lübeck und Wittenberg ging. Seit 1529 wirkte er dann in Bürich im Kleveschen; aber von hier wie auch von Lippe mußte er seines harten Auftretens wegen weichen. In Soest verfaßte er im Anschluß an die Braunschweiger K.=O. die Soest'sche K.=O. 4 ) Nach seiner Wirksamkeit in Lemgo, in Minden, - als Superintendent zu Minden unterschrieb er die Art. Smalc. - in Dannenberg, in Gifhorn, kam er 1547 durch Herzog Heinrich als Hofprediger nach Schwerin und bald darauf, auf Johann Albrechts Veranlassung, nach Güstrow in die Hochburg des Katholizismus. Hier gab er dem fallenden Papstthum den letzten Stoß und brachte das Kirchen= und Schulwesen in gute Ordnung. 5 ) Auch nahm er an den Visitationen der fünfziger Jahre theil.
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Nach Rostock hatte Riebling ein "gemeines Schreiben" mitgebracht. Einen Schluß auf den Inhalt desselben zu thun, erlauben uns die Worte Thyträi: "Es hatte aber derselbe Riebling ein besonder nebenschreiben von seinem herrn, hertzog Henrich, an D. Aurifabrum, das er nichts newes stellen, sondern bey der Ordnung der Missen, so wenig jar zuvor herr Riebling hette drucken lassen, verbleiben solte." Diese Worte können sich nur auf die Ordnung von 1540-45 beziehen. Da aber diese keine Lehre, auch nicht die übrigen Punkte einer K.=O. enthält, mit Ausnahme der Ceremonien, so kann der Sinn nur sein: weil eine K.=O. verfertigt wird, sollen die Ceremonien, jedenfalls die alten, ungeändert bleiben. Riebling muß für die Beibehaltung derselben sehr besorgt gewesen sein, ebenso Herzog Heinrich, der durch die Visitation und auf Grund derselben die Kirchengebräuche in seinem Lande geordnet wußte. Aber Thyträi weitere Worte bekunden, daß Riebling auch gegen jede neue K.=O. war. "Welche widerwertige furstliche Schreiben, als sie mir hernachmals von meinem Praeceptore und collega D. Aurifabro angezeiget, mich die zeit, als einen jungen gesellen, nicht unbillig etwas befremdet, aber nicht gedacht, das mir über 48 Jar, in meinem alter, ettlicher maßen dergleichen begegnen würde." Damit zielt Chyträus, wie später darzuthun sein wird, auf das Schreiben des Herzogs Ulrich, das der Rostocker Superintendent Bacmeister bei der Verhandlung zur K.=O. vorbrachte, des Inhalts, daß keine neue K.=O., sondern nur eine Revision der alten vorgenommen würde. Damals war am Hofe Ulrichs - Chyträus nennt den aulicus Niebur - eine philippistische Partei, welche an der K.=O. von 1552 aus Rücksicht auf den Namen Melanchthons nichts ändern wollte. Wenn nun Chyträus von dem Versuch des Jahres 1551 bemerkt: 1 ) hoc pium et salutare consilium arte quorundam impeditum est usque ad anuum 1552, quo . . . Johannes Albertus solus has terras gubernavit, so liegt die Vermuthung nahe, daß zu Schwerin, ebenso wie hernach 1599, so schon 1551 eine Meinung vorherrschend war, die am Alten festhalten wollte. Lindenberg, der von Magnus in seinem Briefe 1540 als katholisch oder doch wenigstens als behutsam vorgestellt wird, mochte auch 1551 von Neuerungen abrathen, die die neue Lehre ja erst recht festigen sollten. Vielleicht wirkte auch Heinrichs Kanzler Zeiring gegen das von Johann Albrecht angestrebte Werk; wenigstens wirft
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letzterer in seiner Regierungsverordnung, April 1552, 1 ) ihm vor, daß er allerlei nachtheilige Uneinigkeit u. s. w. zwischen unserm Vetter, d. i. Heinrich, und uns angerichtet habe. Daß aber Riebling der Anstifter war, geht aus Thyträi weitern Worten hervor: "Nu blieben die Sachen die Zeit, wie sie Er Riebling practicirt hatte, in einem stillstand ettliche Monat, biß uff hertzog Hinrichs seligen abschied" 1552. Man muß zum weitern Verständniß beachten, daß Chyträus ein Schüler Melanchthons war; dieser gebraucht inbetreff Rieblings das Wort "praktiziert". Der Mitarbeiter Aurisaber, der Sekretär Leupold, der Kanzler Lukanus, auch Omeken waren Melanchthons Schüler. Dagegen Riebling, kein Schüler Melanchthons, hat eine K.=O. in Meklenburg eingeführt, die ein Werk Osianders war. Als nun der Kampf gegen Osiander ausbrach, und das war seit dem Jahre 1549, da ist die Annahme wohl nicht von der Hand zu weisen, daß der theologische Gegensatz die Ursache für das gemeine Schreiben und den Aufschub der Arbeiten zur K.=O. gewesen ist. Riebling sieht in der Abfassung einer neuen K.=O. eine Stellungnahme Meklenburgs gegen Osiander; die meklenburgischen Theologen wollen aber nicht eine Ordnung annehmen, die aus der Hand des bekämpften Gegners hervorgegangen war.
Anders wurde es, als Johann Albrecht allein zur Regierung kam. Hören wir Chyträus weiter: "Da alsbald nach Jr. f. G. leichbestettigung, hertzog Johann Albrecht die Theologen nach Suerin verschrieben, vnd eine Newe gemeine K.=O. zu verfassen befohlen, welches auch alsbald für die hand genommen, vnd als sie entworffen und von Ir. F. G. approbieret, Doctor Aurifabro dieselbe drucken zu lassen befohlen ist. Der damit nach Wittenberg gereiset, und Philippum Melanthonem mit zu Rath gezogen, der sonderlich das erste teil, die Lere, Artikell im Examine ordinandorum formlicher und besser gestellet, und sonst hin und wider ettliche Stück eingesetzt hat. Diese K.=O. ist unter dem Namen des hertzogthumbs Meckelnburg erstlich gedruckt, 1552." Die Arbeiter an der K.=O. Sind also die "Theologen", wohl dieselben, welche hernach an ihrer Einführung durch die Visitation von 1552 betheiligt waren, Aurifaber, Riebling, Omeken. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß auch Schwerinsche Pprediger betheiligt waren, wenigstens erwähnt Westphal in seinem "Evangelischen Schwerin", daß auch Kückenbieter und Ernst Rothmann betheiligt waren. Bei der Größe der Arbeit ist es
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anzunehmen, wie denn auch 1599 die Rostocker Geistlichkeit an der Revision zusammen mit den Superintendenten gearbeitet hat.
Die Arbeit der Theologen hat Melanchthon in Wittenberg durchgesehen, und daselbst ist auch der Druck in 500 Exemplaren geschehen. 1 ) Aurifaber war selbst in Wittenberg anwesend, 2 ) reiste aber vor Fertigstellung des Druckes nach Hause zurück. 3 ) Denn der Druck verzögerte sich recht lange. Am 30. Juni 1552 schreibt Melanchthon an Georg von Anhalt: Liber Meekelburgensis nondum est finitus, sed pauca restant; mitto igitur medias paginas de ordinatione, ritu et de visitatione. 4 ) Erst am 18. Juli ist das Buch fertig; Melanchthon schreibt an Peucer:
Typographiis hodie, quod faustum et felix sit, librum de ecclesia Megapolitanis edit, intra biduum iturus Rostochium. 5 ) Der nach Meklenburg mit seinen Büchern reisende Drucker, der sich übrigens, wie aus der Rechnung Aurifabers hervorgeht, pränumerando hatte bezahlen lassen, nimmt den Brief Melanchthons an Aurifaber vom 20. Juli 1552 6 ) mit. Melanchthon bittet den Aurifaber, die mora editioms zu verzeihen, wenn das Buch erst nach Beginn der Kircheninspektion anlangen sollte.
Es erhebt sich nun die Frage, wer der Verfasser der K.=O. ist, ob Melanchthon oder Aurifaber, genauer: wieviel Melanchthon zugetragen hat. Aus dem Bericht des Chyträus ist nur zu ersehen, daß Melanchthon die bessernde Hand daran gelegt hat, indem er die Artikel im ersten Theil "formlicher und besser" stellte und "sonst hin vnd wider ettliche Stück" einsetzte. Und dennoch nennt sich Melanchthon gerade wegen dieser K.=O. einen civis Megalopyrgensis ecclesiae. 7 ) Und schon Chemnitz berichtet, daß der Herzog durch Philipp Melanchthon eine gewisse Form der Lehre habe verfassen lassen; ebenso Hederich in seinem Verzeichniß der Bischöfe von Schwerin. Diese Angaben werden die Veranlassung gewesen sein, daß Melanchthon hinfort mehr oder weniger als der Versasser der ganzen K.=O. oder wenigstens
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des ersten Theils erscheint. Masch 1 ) meint, daß Melanchthon den Entwurf Aurifabers erhalten hat, aber davon nur im zweiten und fünften Theil etwas behielt, das übrige ganz neu ausarbeitete oder aus der sächsischen K.=O. entnahm. Dagegen behauptet Krabbe, 2 ) daß die K.=O. wesentlich Aurifabers Werk sei, indem zwar Melanchthon dem Verfasser sein examen ordinandorum einschickte. Um Klarheit zu gewinnen, ist vor allem noth, den Inhalt der K.=O. Selbstanzusehen und, wo es möglich ist, den Ursprung der einzelnen Stücke selbst anzugeben.
Die Gedanken der Vorrede sind folgende: Gott will im menschlichen Geschlecht eine ewige Kirche sich sammeln; darum hat er das Predigtamt eingesetzt und will, daß "öffentliche, ehrliche Versammlungen" seien. Weil das Predigtamt besonders die Regenten erhalten sollen, sieht die Herrschaft in Meklenburg ein, daß sie Gott Gehorsam vor allen darin schuldig ist, daß sie auf rechte Anrufung Gottes, Bestellung der Kirchen und Handhabung ordentlicher Zucht achtet Damit Jedermann die Anordnungen kenne, sei diese K.=O. gedruckt; nicht, um die Schrift zu beeinträchtigen, sondern dieselbe solle dadurch erst recht gepredigt werden, wie sie in der Propheten und Apostel Schrift gefaßt ist, in dem Verstande des Apostolicum, Nicaenum, Athanasianum, mit denen Luthers Katechismus und Confessio stimmen, sowie die Conf. Aug., wie diese Lehre in den sächsischen Landen gepredigt werde. Mit diesen will Meklenburg einig sein; wenn ein Zweifel entsteht, mit diesen Kirchen sich unterreden. Denn der Fürst hat keine Lust an "fürwitziger Sonderung und spaltungen," sondern nur an der rechten Anrufung Gottes. Wenn man zu diesen Sätzen Aurifabers lateinische Disputation 3 ) "de ecclesia et de propria ecclesiae doctrina" in These 1, 2, 78 vergleicht, so findet man dieselben Gedanken: Gott hat sich vielfach geoffenbart; das menschliche Geschlecht soll erkennen, daß es nicht zum Elend geboren ward, sondern daß Gott überall gehört werden will; er sammelt sich eine Kirche im menschlichen Geschlecht und will, daß immer öffentliche, ehrliche Versammlungen seien u. s. w. Mithin ist sehr wahrscheinlich, daß Aurifaber diese Vorrede verfaßt hat.
Es folgt die Disposition der K.=O. 1. Pflanzung und Erkenntniß der rechten Lehre des Evangelii. 2. Erhaltung des Predigtamts, dazu gehört a) Ordination, b) Kirchengericht, Synodi,
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Visitation. 3. Die Ceremonien. 4. Erhaltung christlicher Schulen und Studien. 5. Verordnung gewisser Güter und Einkommen. Diese Theilung lag schon in der "Wittenberger Reformation" vor, jedoch mit dem Unterschiede, daß in derselben die Ceremonien fehlen, dafür aber das zweite Stück in zwei selbstständige Theile zerfällt.
Die Einleitung des ersten Stückes von der Lehre weist darauf hin, daß Gott von Engeln und Menschen gepriesen werden will. Darum will er auch nach dem Fall eine ewige Kirche sich sammeln, weshalb er eine gewisse Lehre geoffenbart hat An diese ist die Kirche gebunden, und wo die reine christliche Lehre gepredigt wird, da ist Gottes Kirche. Darum muß man die reine Lehre erhalten. Es folgt dieselbe in 25 Artikeln, und zwar wesentlich thetisch dargestellt, mit Verweisung auf Schrift und Symbole, "wie dieser Artikel weiter in Symbolis erklärt wird". Die Artikel erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit; z. B. es wird gefordert, daß "die Verständigen sich und andere davon weiter unterrichten" sollen. Sie sollen nur sein "Anleitung und Erinnerung" mit dem doppelten Zweck, einmal, damit "die Orbinanden und andere wissen, wovon das Examen fürnemlich gehalten wird"; sodann, daß "die Prediger sich und die zuhörer gewenen, die Christliche lere in eine Summa zu fassen und die Heubtartikel bey sich selb offt und vleissig betrachten". Dieser erste Theil "Von der Lehre" erscheint in einem besonderen Buche wieder: "Der Ordinanden Examen. Wie es in der Kirchen zu Wittemberg gehalten wird. Darinnen die Summa Christlicher lere begriffen, allen Gottesfürchtigen nützlich und notwendig zu wissen. Geschrieben durch Herrn Philipp Melanchthon." Noch beträchtlich erweitert kommt derselbe Stoff vor in "Examen eorum qui audiuntur ante ritum publicae ordinationis, von Philipp Melanchthon. 1554." Es entsteht nun die Frage: Ist das examen Melanchthons älter als der erste Theil unserer K.=O.? Das scheint Krabbe 1 ) anzunehmen, der dem Aurifaber dieses von Melanchthon zugeschickt sein läßt. Aber es wird sich gerade zeigen, daß das examen aus der K.=O. abgedruckt ist. Denn erstens ist dasselbe auf eine fünftheilige K.=O. angelegt, da es in seiner Einleitung die fünf Theile christlicher K.=O. nennt, selbst aber nur den ersten bedeutet. Sodann siud in demselben zwei Stellen beibehalten, welche nur für eine K.=O. passen. Auf S. 102 nämlich wird der Artikel "Vom Ehestand"
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mit einem Hinweis auf den zweiten Theil der K.=O. geschlossen:"Was weiter vom Ehestand zu wissen ist, wird zum teil hernach in den Kirchengerichten gemeldet." Und ganz am Schluß, S. 119, wird auf das Einverständniß der Kirchen sächsischer Lande Bezug genommen "als zu Lübeck, Hamburg, Lüneburg", eine Bezeichnung, die nur für Meklenburg und seine Beziehungen zu diesen paßt. Mithin ist das examen ordinandorum aus der K.=O. entnommen. Aber hier ist es keineswegs von Melanchthon verfaßt. Denn die Wahrnehmung zahlreicher wörtlicher Wieder holungen führt auf das Werk mehrerer Arbeiter. Der Satz "Gott will ihm eine ewige Kirche sammeln" erscheint auf Seite 2 a in der Vorrede, S. 5 b in der Eintheilung, S. 6 b in der Einleitung zum ersten Theil, S. 64 a am Schluß. Noch auffälliger ist die Wiederholung einer ganzen Periode auf S. 4a der Vorrede und S. 64b des Schlusses des ersten Theils, des Inhalts, daß Meklenburg eine neue Lehre nicht einführen will. Wenn also Chyträus in seinem "Bericht" sagt, daß Melanchthon die "Artikel formlicher und besser stellte", so hat doch Melanchthon seine Zusätze dem Gegebenen nicht gehörig angepaßt. DerRuhm Melanchthons also, der Verfasser des examen ordinandorum zu sein, schrumpft dadurch sehr zusammen; ihm bleibt nur das "formlicher und besser gestellt haben", dessen, was die Meklenburger ihm schon vorlegten. Für die besondere Ausgabe seines examen vermehrte und verbesserte Melanchthon dasselbe noch weiter, z. B. der Artikel vom Gebet ist neu hinzugesetzt Auf diese Veränderung scheint er sich in einem Briefe an Chyträus, unmittelbar nach Fertigstellung der K.=O., zu beziehen: 1 ) Der Drucker, der auch die K.=O. nach Meklenburg brachte, bringt dem Chyträus ein Buch; librum diligenter relegite et mihi iudicia significate. Non gigno nova dogmata, sed seutentiam ecclesiae nostrae cupio verbis maxime perspicuis et illustribus recitare. Agnosco me tantis rebus non esse parem et opto, ut amanter conferamus iudicia. so ist es erklärlich,. daß schon 1585 die zur Revision der K.=O. versammelte Kommission das erste Stück der K.=O. von Melanchthon "gestellt" sein läßt, und Chyträus 1599 am examen als Magistri Philippi Werke nichts ändern will, um so erklärlicher, als die späteren Drucke der K.=O. nach dem von Melanchthon wiederholt veränderten examen sich richten.
Als Vorlage hatten die Meklenbnrger die K.=O. von 1540, von Osiander verfaßt. Dennoch haben sie diese im Punkte der
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Lehre nicht benutzt. Nur einige Artikelüberschriften finden sich 1552 wieder, die Artikel selbst sind ganz neu. Das mußten sie auch, da sich z. B. in der Heilsordnung osiandristische Anklänge fanden. Und auch in den übrigen zeigt sich ein dogmengeschichtlicher Fortschritt, indem das Wesen des Gesetzes, der Begriff der Buße, die Predigt des Evangelii vollständig herausgestellt werden, worin 1540 noch offenbarer Mangel war; die Verfasser von 1552 nehmen also offenbar auf den Verlauf des antinomistischen Streites Bezug. Auch die katholischen Gebräuche finden sich nicht mehr; beseitigt ist z. B. die Elevation der Hostie, das Fest Mariä Himmelfahrt. Auch die Polemik gegen die katholische Rechtfertigungslehre ist vollständiger als 1540. Ganz neu ist der Artikel "Von weltlicher Oberkeit"; ist er doch historisch durch die Interimsstreitigkeiten bedingt; neu ist auch der Artikel "Von den Ceremonien", durch die adiaphoristischen Streitigkeiten bedingt. Mithin haben Aurifaber und seine Genossen an die Nürnberger K.=O. Sich nicht angelehnt. Es lagen ihnen aber zwei Arbeiten vor, die in den ersten Theil der K.=O. übergegangen sind. Von der einen, der Reformatio Wittenbergensis Melanchthons vom Jahre 1545 1 ), ist ja anerkannt, daß sie die "Grundlage" der meklenburgischen K.=O. geworden ist. Dieselbe ist "ein von Melanchthon gefaßtes notwendiges Bedenken, das zum Zwecke christlicher Reformation und Vergleichung dem Reichstage vorzuliegen bestimmt war". Ihre Anlage weicht darin von der K.=O. ab, daß sie hinter dem ersten Theil von der Lehre einen zweiten, von den Sakramenten, einschiebt, der in der K.=O. mit dem ersten vereinigt ist, sowie daß sie den zweiten Theil in zwei Stücke theilt. Ihr erster Theil aber enthält so viele Anklänge an den Wortlaut der K.=O., daß eine Benutzung derselben für letztere außer Zweifel steht. Zu beachten ist ferner die lateinische Disputation Aurifabers von 1550. Außer den schon genannten finden sich in These 4, Absatz 2; These 5, Absatz 1; These 10, Absatz 3, These 12, Absatz 2 und 3; These 14 u. a. wörtliche Anklänge an den Text der K.=O., so daß Aurifaber offenbar diese seine Disputation benutzt hat. Vielleicht ist also auch dem Aurifaber der ganze erste Theil übertragen gewesen.
Der zweite Theil unserer K.=O. "Von der Erhaltung des Predigtsamts" beweist zunächst die göttliche Einsetzung desselben. Unberufene Personen dürfen nicht zu ihm gelangen; deshalb ist
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eine Prüfung vor dem Superintendenten zu fordern, nach Lehre und Leben. Es folgt die forma ordinationis, wie Luther sie gestellt hat, dieselbe, die auch in der Braunschweiger K.=O. 1 von 1543 sich findet. Der zweite Abschnitt handelt von den Kirchengerichten, die von dem in Rostock zu errichtenden Konsistorio geübt werden sollen. Der dritte Abschnitt handelt von der Visitatio; nach dem Sprichwort "Des Hausvaters Augen und Fußtritt machen den Acker fett" müssen treue Aufseher die Kirchen besuchen. Von dem Ursprung dieses zweiten Theils hat schon Mark in seiner "Einleitung zur Schwerinschen Kirchengeschichte" mit Recht erinnert, daß er mehr Kenntniß von den Angelegenheiten Meklenburgs voraussetzt, als man Melanchthon zutrauen kann; er muthmaßt richtig, daß ein meklenburgischer Theologe, der bei der Visitation thätig war, ihn ausgearbeitet habe. Meklenburgische Verhältnisse sind es offenbar, wenn trotz der Ordinatio durch den Bischof die Patronatsrechte gewahrt werden, "nachdem wir niemand seine alte gerechtigkeit an der Kirchen bestellung oder Jus patronatus zu nemen begeren." Weiter, das Kirchengericht soll in Rostock eingesetzt werden; es wird Bezug genommen auf die noch zu stellende Instruktion des Konsistoriums. Die Jungfrauenklöster erhalten besondere Vorschriften. Es werden also die beiden Landessuperintendenten Riebling und Omeken die Verfasser gewesen sein. Hatte doch ersterer bereits die Visitation der vierziger Jahre geleitet, und letzterer hatte schon in seiner K.=O. 1532 der Superintendenten und Visitationen Erwähnung gethan. Eine Anleitung für ihre Arbeiten fanden sie an der Ref. Witt. in den Abschnitten de regimine evangelico et regimine episcoporum, de iudiciis ecclesiasticis.
Der dritte Theil der K.=O. "Von den Ceremonien" giebt die Veranlassung zur Feststellung derselben, nicht um die Gewissen zu binden, sondern "wir wollen solchs mit einander umb der armen Jugend und umb des Volks willen also gleich halten; denn so man ein Ding offt höret und von jugent uff gewonet, kann mans besser bedenken und betrachten." Es folgen in acht Unterabtheilungen die Ordnung der Ceremonien in Pfarrkirchen der Stadt und, da Schulen sind, K.=O. uff den Dörfern, eine Auswahl von Kollekten und Präsationes, Abendmahlsvermahnung, Ordnung der Taufe, auch der Nothtaufe, Ordnung der Beichte, Tröstung der Kranken, Trauung. Sogleich in der Einleitung steht der Satz: "Dieweil nu die Kirchen in diesen Landen dieser folgenden Ordnung, des grössern teils gewont sind, lassen wir Sie also bleiben." Da die meklen=
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burgischen Gemeinden seit 1545 ihren geordneten Gottesdienst hatten infolge der Rieblingschen Misseordnung, so kommt dieselbe in der K.=O. von 1552 wieder zur Geltung, allerdings in manchen Stücken vermehrt, aber auch verändert; z. B. die katholische Elevation ist beseitigt; aber das Westerhemd, lateinische Verlesung und lateinischer Gesang sind noch beibehalten. Wenn die Rieblingsche Ordnung auch grundleglich gemacht ist, so wird sich doch zeigen, daß der Stoff auch aus andern K.=O. zusammengetragen ist. 1) Die Ordnung des Sonnabends S. 79 b, 4 Absätze, ist wörtlich aus der sächsischen K.=O. von 1539 1 ) genommen; nur daß neben die lateinische Verlesung die deutsche tritt 2) Die Ordnung an gemeinen Sonntagen und Feiertagen, S. 80 a, 4 Absätze, ist aus derselben K.=O. entlehnt. 3) Meß oder Kommunio. Da heißt es: "Die soll wie vorhin in diesem Lande geordnet und im brauch ist, mit der öffentlichen Beicht, gebet und Absolution angefangen werden." Wir werden also auf die Ordnung der Misse Rieblings geführt. Und wirklich ist dieselbe hier in hochdeutscher Sprache abgedruckt; soweit sie sich auf Beichte und Absolution erstreckt, genau nach dem Rieblingschen Text. Vom Introitus an folgt sie der sächsischen K.=O., doch in freier Auswahl des dort Gebotenen. Die Bestimmung inbetreff der einstündigen Dauer der Predigt stammt von Riebling, ebenso nach der Predigt die Anordnung der Vorbereitung zur Abendmahlsfeier. Von den Kollekten nach derselben ist nur die erste aus Riebling herübergenommen. 4) "Wenn keine Kommunikanten sind." Dieser Theil ist weder aus Riebling noch aus der sächsischen K.=G. genommen. Als Grund, weshalb hier die Rieblingsche nicht steht, sondern eine Vermahnung zum fleißigen Abendmahlsbesuch, wird angegeben: Wo das Herz kalt sei, da sei auch die Kommunio weniger geachtet; und aus dieser Ursache "ist vornemlich die erste gewohnheit geendert worden". Nach der ersten nämlich folgte der Predigt die Litaney u. s. w. Um aber dem "faulen und kalten" Volke aufzuhelfen, soll jetzt die Ermahnung eintreten. Da die Ausführungen in keiner K.=O. vorhanden sind, so wird Riebling der Verfasser sein. 5) Am Nachmittag. Die Anordnung ist eine weitere Ausführung des Artikels "Vesper" in der sächsischen K.=O. 6) Die besondern Feste; es sind dieselben, wie bei Riebling, nur ist das Fest Mariä Himmelfahrt "furder gantz abgethan". 7) An Werktagen.
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Die Bestimmungen finden sich in Riebling nicht, weichen auch recht oft von der sächsischen K.=O. ab, sind also wahrscheinlich von Riebling oder Omeken, der auch Bugenhagens Buch "Vom Leiden Christi, aus den vier Evangelisten zusammengezogen" für Fastenpredigten empfiehlt. 8) Die K.=O. uff den Dörfern ist wörtlich aus Riebling herübergenommen. 9) Meß auf den Dörfern; vieles ist aus der sächsischen K.=O. entnommen, das übrige stimmt aber auch nicht ganz mit der Rieblingschen Ordnung. 10) Sonntag Nachmittag auf den Dörfern; die Ausführungen sind zum Theil aus der sächsischen K.=O. 11) Von den 13 Kollekten sind die ersten 9 aus Riebling, die andern 4 aus der sächsischen Ordnung. 12) Präsationes sind aus der Ordnung von 1545, doch mit Weglassung zweier. 13) Die Vermahnung vor der Kommunio ist ganz neu, obwohl 1545 schon drei Formen sich vorfanden. 14) Von der Taufe. Die Anrede ist aus der sächsischen K.=O. wörtlich entnommen; dann folgt Luthers Taufbüchlein in der verkürzten Form. 15) Von der Nothtaufe ist alles wörtlich aus der sächsischen K.=O. entnommen, wie auch 16) Von der Beichte und 17) Wie man Kranke berichten soll. 18) Bräutigam und Braut zu segnen. Dies ist ein Abdruck von Luthers Traubüchlein. Mithin ist wohl klar geworden, daß man nicht mit Masch ohne Weiteres sagen kann, Melanchthon habe diesen Theil verfaßt. Die Anlehnung an Rieblings Messe, ja die Herübernahme daraus ist so groß, daß dieser als Arbeiter angesehen werden darf. Wie viel Melanchthon "hineingesetzt" hat, wie viel die übrigen Mitarbeiter hinzugethan haben, läßt sich nicht feststellen.
Der vierte Theil "von erhaltung Christlicher Schulen und Studien" ist nur kurz. Die Einleitung lehnt sich an "de scholis" der Wittenberger Reformation an. Der erste Theil beschäftigt sich mit den Vorschriften über die Universität, welche die Herzöge erhalten wollen, mit tüchtigen Personen, Lektion, Ordnung der Studien, Disciplin, Einkommen, Schutz beständiglich versorgen. Da sie eine besondere Zier der Kirche ist und "den landen tröstlich", so wird die Landschaft, auch die Nachbarn gern Hülfe thun. Als Verfasser dieses Theils ergiebt sich wohl Aurifaber, der an der Neubegründung der Universitat theilnahm. Das zweite Stück "Von den Kinderschulen" ist ein ausführlicher Lehrplan, der sich an den Unterricht der Visitatoren von 1528 anschließt und zwar zum Theil wörtlich, zum Theil abweichende Bestimmungen enthält. Vielleicht hat Omeken dieses zweite Stück ausgearbeitet, der ja Verdienste um das Güstrower Schulwesen hat.
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Der fünfte Theil "Von unterhaltung vnd Schutz der Pastorn, Predicanten und Legenten in der Universität und andern Schulen". Die Herrschaft zu Meklenburg will die Kirchengüter nicht zerreißen lassen, sondern dazu erhalten, daß "nach Gelegenheit der Stadt und Dörfer daraus der Universität und den Kirchen mit gutem Rat zulag geordnet werde". Auch die Städte werden zu solchem Werk willig sein; für die armen Kirchen aber soll am Freitag eine Kollekte abgehalten werden. Dieser letzte Abschnitt geht selbstständig vor, obgleich in der Ref. Witt. der Grundgedanke gegeben erscheint.
So ist die Meklenburger K.=O. von 1552 auf Befehl des Herzogs Johann Albrecht, unter Zusammenwirken der meklenburgischen Theologen und unter Mitwirkung Melanchthons entstanden, indem die Verhältnisse Meklenburgs berücksichtigt, aber auch Luthers, Melanchthons, Jonas- Schriften mit verwerthet wurden.
Wir sind dennoch mit der Geschichte dieser K.=O. nicht fertig. Es finden sich nämlich verschiedene Ausgaben derselben, deren Entstehung noch in völliges Dunkel gehüllt ist . 1 ) Sogleich im Jahre 1552 findet sich eine zweite Ausgabe, die dadurch schon äußerlich von der ersten verschieden ist, daß sie das Meklenburger Wappen nicht führt. Wiggers hat in den Jahrbüchern XVIII, S. 180 ff. eine Untersuchung angestellt und kommt zu dem Resultate, daß beiden Ausgaben kein verschiedener Satz zu Grunde liege, trotz der Verschiedenheiten. Indem wir auf Wiggers- Untersuchungen verweisen und bemerken, daß sich noch mehr Verschiedenheiten finden lassen, als derselbe anführt, ist besonders die Abweichung auf S. 17 a zu betonen. Hier hat B (nach Wiggers die Ausgabe mit Wappen) eine viel kürzere Version als A (die Ausgabe ohne Wappen). Zwischen den Worten "ewige Seligkeit ... durch diese Verheißung" hat B 11 Zeilen, während A über eine Seite hat. Es handelt sich um das Alter des Evangeliums. Während nämlich in B ganz kurz erzählt wird, daß zu Adams Zeiten schon das Evangelium gepredigt worden ist, steht in A dieser Gedanke ausgeführt da, mit der Spitze: Das Evangelium ist nicht eine neue Predigt, die vor
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Christi Geburt nicht gewesen wäre. Dieser Umstand giebt zu denken. Wiggers allerdings meint nur, daß nach vollendetem Drucke einer Anzahl von Exemplaren die Veränderung vorgenommen und sogleich eine erneuerte Korrektur der folgenden Bogen geschehen sei, und muthmaßt, daß A älter sei, weil, nachdem man die Wappenausgabe B erst hatte, man gewiß so weiter gedruckt haben würde. Ganz das Gegentheil ist meines Erachtens der Fall. 500 Exemplare mit Wappen hat Aurifaber bestellt, und wie es aus der schon erwähnten Rechnung hervorgeht, auch bezahlt (Ausgabe B bei Wiggers). Ausdrücklich heißt es: "Dem formschneider von beiden woppen zu schneiden" und "dem Lucas Maler vor zweien wapen m. g. h. zu reißen". Daß diese Ausgabe für Meklenburg und nur für Meklenburg berechnet war, beweist das Wappen. Dennoch hat Melanchthon die Meklenburger K.=O. weiter drucken lassen. Schreibt er doch am 10. September 1552, also bereits 50 Tage nach Fertigstellung der Wappenausgabe, an Aurifaber: 1 ) Liber ecclesiarum vestrarum nunc recuditur. Zu welchem Zwecke er dies that, erhellt weiter aus einem Briefe vom 19. Juni 1552, worin er dem Peucer die Zustellung eines Exemplars der Meklenburger K.=O. in Aussicht stellt, und aus einem Briefe vom 24. Februar 1553 2 ) an den Bürgermeister von Augsburg, Johann Baptist Henzel: Vides in Megalburgensi scripto comprehendi in forma coenae admonitionem, confessionem, absolutionem, precationem et gratiarum actionem. Beruft sich hier Melanchthon auf die K.=O., die er in der Hand des Bürgermeisters weiß, sendet Melanchthon seinem Schwiegersohne Peucer die K.=O., hatte er drittens dem Fürsten Georg von Anhalt schon am 30. Juni 1552 einige Seiten der noch nicht zu Ende gedruckten K.=O. übersandt, so geht schon daraus hervor, für wie wichtig, ja für wie normativ er diese K.=O. angesehen wissen wollte. Ist ja doch auch diese in verschiedene andere K.=O. übergegangen: z. B. in die Kurpfälzische von 1556, die Pfalz=Zweibrücksche von 1557, die Braunschweig=Lüneburgsche von 1563, die Hessische von 1566, die Kurländische von 1570, die Oldenburgische von 1573, die Hoyasche von 1582. 3 ) Wenn aber Meklenburg nur 500 Exemplare bestellt hatte, so mußte Melanchthon sich selbst Exemplare besorgen, die er ohne Wappen herstellen ließ, offenbar, weil Sie in nicht meklenburgische
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Gegenden gelangen sollten. Chyträus in seinem Berichte erwähnt ausdrücklich außer Landes gemachte Abdrücke. In der That hat später Melanchthon die Ordnung mit Weglassung des Namens Meklenburg drucken lassen, z. B. 1559, 1565 "wie es zu Wittenberg und in etlichen Chur und Fürstentum, Herrschaften und Stedte der augsburgischen Confeßion verwandt, gehalten wird." Dieses Verfahren Melanchthons erscheint in einem eigenthümlichen Lichte, wenn wir Chyträus hören: "Als im eingange des 1557 Jars E. s. G. Herr Bruder, aus guter Christlicher wolmeinung, die unglückselige Friedeshandlung zwischen den Theologen zu Witteberg und Magdeburg fürgenommen, die Artikell der Friedeshandlung von hertzog Hans Albrecht fürgeschlagen gantz widerlich vnd bitterlich verchasst waren: da haben Philippus und sein tochtermann D. Peucer den namen des hertzogthumbs Meckelburg auff dem Titel der K.=O. weggethan, und dieselbige forthin in der Wittenbergischen Kirchen namen zu drucken befohlen." Melanchthon hatte unter dem 9. Dezember 1556 Herzog Johann Albrecht aufgefordert, den zwischen ihm und Flacius schwebenden Streit zu vergleichen. 1557 hatte der Herzog seine Abgeordneten gesandt; aber Melanchthon nennt die Bedingungen, die Johann Albrecht ihm stelle, fast allzu harte. 1 ) Die Thatsache, daß Meklenburg eine mit vielen andern Kirchen gemeinsame K.=O., und also keine eigene hatte, war nach des Chyträi weiterm Bericht die Veranlassung, daß die Meklenburger Ordnung revidirt werden sollte. Bei der anerkannten Thatsache aber, daß Melanchthon stets an seinen Schriften geändert hat, ist es nicht verwunderlich, daß er auch die ursprüngliche Ordnung änderte, zumal da der fortdauernde antinomistische Streit in dem locus de lege et evangelio die genauere Festsetzung des Alters des Evangeliums gefordert haben mag. Schon in dem Begleitschreiben vom 20. Juli 1552, das der Drucker an Aurifaber mitnahm, bittet er, daß alle Frommen ihr Urtheil über die K.=O. abgeben mögen; er wolle non libenter ίδοβουλεύειν. Und am 10. September 1552 bekennt er seine Aenderungen selbst: Liber ecclesiarum vestrarum nunc recuditur, in quo etsi de sententia nihil mutatum est, tamen quaedam explicatius recitare conatus sum ut videbis. Daraus folgt also, daß im September 1552, kaum zwei Monate nach der ersten Ausgabe, die zweite, in etwas (quaedam) veränderte von Melanchthon herausgegeben wurde. Da diese Ausgabe als solche nicht für Meklenburg bestimmt war, so ist jetzt das Votum von
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Wiggers wohl erledigt, daß ein abschließendes Urtheil über die Entstehungsursache der doppelten Rezension von der Auffindung weiterer urkundlicher Nachrichten abhängig zu machen sei. 1 )
Die dritte Ausgabe der Meklenburger K.=O. erschien im Jahre 1554 zu Wittenberg, ebenfalls ohne Wappen. Daraus, und weil sie in den Landtagsberichten nicht erwähnt wird, schließe ich - gegen Wiggers -, daß sie überhaupt in Meklenburg nicht eingeführt gewesen ist. Wiggers allerdings beruft sich auf M. U. L. Unpartheiische Prüfung, eine Schrift aus dem Jahre 1739, welche sagt: Anno 1554 ward jetztgedachte K.=O. mit gutem Willen der Ritter= und Landschaft revidiret und in Herzog Albrechts I. Namen wieder aufgelegt, nachdem darin einige Ender= oder Verbesserung in den Lehrstücken wider die Päbstler geschehen." Aber gerade in dem Wismarschen Vertrag 1555 heißt es "die von gemeiner Landschaft angenommene K.=O. anno 52 ausgegangen." Und im Landtag zu Güstrow, 14 Tage vor Ostern 1555, will die Landschaft die reformatio Johannis Auri Fabri erst zur Hand nehmen; und in der Antwort fordert der Fürst, daß sie nach gethaner Verlesung anzeigen solle, ob etwas darin zu erinnern sei. Und 1557 zu Sternberg erinnert man an die noch beim Leben des Herzogs Heinrich durch die Gelehrten verfaßte der Couf. Aug. gemäße Konfession des Landes. 2 ) Mithin ist dieser Druck im Lande garnicht autorisirt worden. In den vier letzten Theilen findet sich gegen 1552 nur eine Veränderung; an den dritten Theil ist eine Vermahnung inbetreff der Ehegelübde und eine Belehrung inbetreff der Ehehindernisse angehängt, welche sich im Examen ordinandorum zuerst findet. Mit letzterem hat der erste Theil dieser K.=O. die größtmöglichfte Uebereinstimmung. Deshalb sind die Abweichungen von der K.=O. 1552 weit zahlreicher, als Masch und hernach Wiggers meinen. Diese führen nur zwei an, ich habe mit leichter Mühe 13 gefunden. Die Zahl ließe sich wohl noch vergrößern.
In den ersten 4 Lehrartikeln finden sich sechs wesentliche Abänderungen. 1) S. 9b ist die Aussage von der ersten Person viel vollständiger als 1552; 2) S. 10a ebenso der Artikel von der zweiten Person; 3) ebenso der dritte Artikel, ohne daß abzusehen wäre, ob irgend ein dogmatischer Gesichtspunkt vorgeherrscht habe. 4) S. 10 b wird als Beweis für die Trinität auf die Logoslehre Bezug genommen und die Bedeutung der Taufe in Bezug auf die Trinität erklärt Dies fehlt 1552 ganz.
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5) S. 11 b sind drei lange Absätze eingeschoben als Antwort auf die Frage: "Warum ist der Sohn Gottes genannt Wort?" 6) S. 12b ergeben sich viele Abänderungen in dem Artikel "Vom Unterschied christlicher Anrufung und der heidnischen." 7) S. 13b ist im Artikel von der Schöpfung eine kleine Erweiterung. 8) S. 15a findet sich eine genauere Erklärung der Erbsünde, welche auch nicht auf Flacius Bezug nimmt. 9) S. 19a ist gerade so wie in der wappenlosen Ausgabe 15 2 dieselbe ausführliche Erklärung hinsichtlich des Alters des Evangeliums. 10) Vielleicht im Gegensatz gegen die Schwärmer ist S. 19b eingefügt: "Die Predigt ist nicht ein vergeblich schallen oder fliegende Gedanke." 11) In der Rechtfertigungslehre ist offenbar im Gegensatz zu Osiander eine Reihe von Ausführungen eingeschoben, acht an der Zahl, S. 21 a u. b. 12) Offenbar gegen denselben ist auch S. 25 a u. b neu eingesetzt - wesentliche Gerechtigkeit! 13) Im Abendmahl S. 33 a findet sich eine unwesentliche stilistische Veränderung, indem das Substantiv "der Herr Jesus Christus" statt des Pronomens "Er" wiederholt wird. Ich kann deshalb nur annehmen, daß diese K.=O. ein in Wittenberg beschaffter Abdruck der alten von 1552 ist, jedoch so, daß die wappenlose Ausgabe zu Grunde gelegt ward, nachdem sie von Melanchthon seinem examen ordinandorum gleich gemacht war, oder indem Melanchthon sein examen 1554 nach dem ersten Theil dieser Ordnung separat druckte, je nachdem man die Abfassungszeit desselben im Jahre 1554 vor oder nach dieser K.=O. ansehen will.
Die vierte Ausgabe der Meklenburger K.=O. erschien im Jahre 1557, zu Rostock durch Dietz gedruckt, mit dem meklenburgischen Wappen. Es ist die niederdeutsche Uebersetzung derjenigen von 1552. Aus dem Vergleiche der in Betracht kommenden Stellen ergiebt sich, daß der Uebersetzer sich nach der K.=O. von 1554 richtet, ohne alle Veränderungen zu adoptiren, welche Melanchthon gcmacht hatte An drei Stellen vielmehr (vielleicht lassen sich noch mehr finden) folgt er der Ausgabe von 1552, und zwar der wappenlosen. Denn S. 11 a hat er in der Anrufung Gottes die ausführliche Erklärung aus 1554 nicht herübergenommen, sondern sich mit der kürzern von 1552 begnügt; ebenso S. 9b in den Bestimmungen der drei göttlichen Personen. S. 30b hat er wie 1552 das Pronomen "Er" statt des wiederholten Substantivs. Falsch urtheilen also Masch und auch Wiechmann, 1 ) wenn sie diese Ausgabe im ersten Theil derjenigen von
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1552 folgen lassen. Vielmehr besteht durchgehends Uebereinstimmung mit der Ausgabe von 1554; S. 12a ist der Absatz "Wente de ewyge Vater - krafft gegeuen" aus 54; in 52 fehlt er ganz. S. 13b richtet sich die Erklärung der Erbsünde nach 54. S 17 a richtet sich die Bestimmung des Evangelii als neuer Predigt wohl nach 54 und 52, aber doch nur der wappenlosen Ausgabe. Aehnliche Uebereinstimmungen mit 54, die 52 garnicht sich finden, sind auf S. 18a (Evangelium nicht leerer Schall); S. 19 a (Rechtfertigung des Sünders); S. 23a (Gottesgerechtigkeit); 123b (Eheverwarnung); 18b eine kleine stilistische Veränderung, die 54 ist, aber nicht 52. Ganz neu sind in dieser K.=O. vier Zusätze. S. 111a sind zwei lange Absätze eingeschoben. Ihr Inhalt zielt auf eine strenge Kirchenzucht, daß ein Papist und offenbarer Sünder nicht Gevatter stehen soll, auch vom Abendmahl ausgeschlossen wird. S. 118b ist ein Artikel "Vom Begreffnisse" eingerückt, daß Papisten, Wiedertäufer und ruchlose Verächter des göttlichen Worts stille begraben werden sollen. S. 123a ist ein Absatz eingerückt "dat man am Sondage nene Brudtlacht holden schal." S. 130a ist eingerückt, daß der Landesfürst aus den Feldklöstern jährlich "veerdehalff dusent gülden" geben wolle; dies ist offenbar zugesetzt infolge der Verhandlungen über die Einziehung der Klöster.
Wie Wiechmann 1870 zuerst entdeckt hat, existirt noch aus demselben Jahre 1557 eine neue Ausgabe der K.=O. - die fünfte. Er muthmaßt, daß es diejenige ist, welche die älteren Litteratoren ins Jahr 1560 Setzen, z. B. Nettelbladt in succincta notitia: novis typis repetita fuit. In der That ist die Abweichung dieser Ausgabe nur gering. Nach W. weicht der zweite Druck (B) im Bogen b und m von dem ersten Drucke A ab, ohne daß von einer Textverschiedenheit die Rede sein kann. In der Ueberschrift nämlich Stehen bei B die Namen der Herzöge in einer Zeile mit Lettern von gleicher Größe, in A steht der Name Ulrich unter dem seines Bruders, und zwar mit kleineren Lettern. Auf Blatt b 3 a Zeile 3 von unten liest A "vnde Confession", B verbessert den Druckfehler "un de Confession". Auf Blatt b Seite 4b Zeile 10 von unten hat A "vnde vam troste der bedröuen Christen, B verbessert "um vam troste der bedröuenden Christen." Andere Druckfehlerverbesserungen finden sich nach Wiechmann besonders Bogen m, 6 Stück. W. hält B für einen späteren Druck, weil er Druckfehler von A verbessert. Von einer besonderen Ausgabe darf man wohl nicht sprechen,
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indem Hofmeister in der Fortsetzung des W-schen Werkes darauf aufmerksam macht, daß es "Mischexemplare" giebt. 1 )
Derselbe hält Freder, den Wismarschen Superintendenten, für den Uebersetzer, nach seinem eigenen Zeugniß. In der Vorrede zu seinem Liber continens u. s. w. 1562 sagt er: Cum hoc libro ia vernacula lingua publicato praeclaram confessionem fidei Celsitudines vestrae ediderint .... (S. 5) und: Cum autem, illustrissimi et laudatissimi principes, hic liber in Megalburgica lingua a me de V. C. mandato aute sit conversus et in eadem lingua Vestrarum Celsitudinum nominibus editus et vestris ecclesiis sit commendatus. (S. 8.) Daraus geht zugteich hervor, daß die Fürsten die Uebersetzung anordneten. Der nächste Zweck war wohl, dem plattdeutsch sprechenden Volke und allen Pastoren die K.=O. verständlich zu machen. Wenigstens sagt Gryse davon (p. 2): Ock hebben ere F. G. derwegen de Kercken ordenung alhyr dorch Ludewich Dietzen in dissem Jahre drucken laten up dat ein jeder wo he syk in der Lere und Kercken saken Christlik scholde vorhalden, eigentlick weten mochte." Daß die K.=O. im Namen Albrechts und Ulrichs erlassen ward, erklärt sich daraus, daß dieser seit dem 10. Juni 1554 mit seinem Bruder das Land getheilt hatte. Nach dem Erbvertrag zu Wismar war das Kirchenregiment gemeinschaftlich, nur im Bisthum Schwerin hatte Ulrich als erwählter Bischof das Reformationsrecht. 2 ) Die Einsätze in dieser K.=O. sind, wie Chyträus angiebt, von dem durch seine Kirchenzucht in Rostock bekannten Heßhus: "Und kurtz zuvor 1556 Dr. Hesshusius, als die K.=O. alhie in Meckelburgische sprache vertiret, ettliche artikell von der Kirchen disciplin (als das mann die Offentliche sünder namhafft von der Cantzel auffkündigen, nicht gefattern stehen vnd mit Christlichen cerimonien begraben sol) hinein geflicket hat, die Philippo nicht gefallen." Daraus würde hervorgehen, daß Melanchthon diese Artikel nicht approbiert habe. Allein im Streit gegen Drakonites, der den Rostocker Theologen vorwarf, Melanchthon habe jene Sätze nicht gutgeheißen, erklären letztere: 3 ) Melanchthon sei die K.=O. vor dem Druck zugeschickt worden, und er hätte eigenhändig geschrieben: Judico habentes notoria peccata non admittendos esse ut sint testes baptismi et a coena domini plane arcendos esse. Chyträi Urtheil muß also zurecht gestellt werden: Entweder gefiel es Melanchthon überhaupt nicht,
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daß man selbständig Einschaltungen machte, ohne ihn vorher zu fragen; oder er war erzürnt, daß man von seinen "Verbesserungen" von 1554 nicht alle angenommen, sondern auf 1552 sich zurückbezogen hatte.
Die sechste und siebente Ausgabe der K.=O. bilden die lateinischen Uebersetzungen derselben von Freder 1562. Aus der Vorrede geht hervor, daß Freder sie auf eigenen Antrieb verfertigte, damit seine Uebersetzung ein Zeugniß der meklenburgischen doctrina und εύταξία hommibus exteraruin nationum sein sollte, damit sie nicht allein die lutherischen Ordnungen bewundern, sondern selbst zum Uebertritt angelockt werden möchten; andererseits will er den Latein Lernenden ein Buch an die Hand geben. Dieses widmet er den beiden Herzogen, weil ihr erlauchter Name das Buch vor Verleumdungen der Papisten sicher stellen möchte. Noch in demselben Jahre erschien ein neuer Druck mit dem verkürzten Titel: Oeconomia ecclesiastica. 1 )
Die K.=O. von 1552 bezeichnet den wichtigsten Fortschritt in der Entstehung der meklenburgischen Landeskirche, sie bringt nicht nur die Lehre und die Ceremonien, sie regelt auch die kirchliche Verfassung, sowie ihr Verhältniß zur landesherrlichen Gewalt. Weil sie letzteres nicht enthielt, ist die K.=O. von 1540 nur unvollständig; da die Verfassung aber geregelt werden mußte, so verstehen wir, weshalb gerade der Kanzler Joh. Lukanus, den Chyträus in seiner Rede den suasor novae ordinationis nennt, dem eifrig reformatorisch gesinnten Johann Albrecht ihre Niederschrift anrathen mußte.
In der K.=O. erlangt das Verhältniß der weltlichen Gewalt zur Kirche seinen bestimmtesten Ausdruck. Die K.=O. geht von der Wichtigkeit des göttlich gestifteten Predigtamts aus. Damit Jesus Christus und die göttliche Lehre im menschlichen Geschlecht bekannt wären, damit öffentliche Versammlungen seien, und die Lehre öffentlich vorgetragen werde, hat Gott das Predigtamt eingesetzt (S. 3a). Es ist "ein befelh, das heilig Evangelium zu predigen, Sacramenta zu reichen, Sünden zu vergeben, Prediger sampt den Kirchen zu ordnen, Sünde zu Strafen, allein mit Gottes wort" (S. 59 a). Darum ist es ein "warlich selig Kirchenregiment" (S. 67 a); doch nicht "weltliche macht und leiblicher Zwang" (S. 59 b). Darum gehört ihm weltliche
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Herrschaft ganz und garnicht zu, die der Herr Christus vom Kirchenregiment ausdrücklich unterschieden hat (S. 133 b).
Dem Predigtamt gegenüber wird das Recht der weltlichen Obrigkeit zu kirchlichem Handeln festgelegt. "Die hochlöbliche Herrschaft im Hertzogthum Meckelnburg ist Gott vor allen dingen schuldig vleis zu thun, das in jren Landen das heilig Evangelium rein und trewlich gepredigt werde u. s. w." (S. 3b). Dieser religiöse Beruf der weltlichen Obrigkeit, der "allgemeine Rechtsüberzeugung jener Zeit" 1 ) war, wird in unserer K.=O. von zwei Seiten her näher begründet; aber nicht ist die Rede von einer Uebertragung oder Annahme der bischöflichen Gewalt, noch von einem seit längerer Zeit geübten kirchlichen Handeln. Vielmehr bildet die eine Seite der Begründung der Hinweis auf Jes. 49, 23 und 60, 16 "Und die Könige sollen deine Nährer sein" (S. 3a und 134 a) und Ps. 2 "Und nun, ihr Könige, laßt euch lehren". Daraus wird gefolgert, daß Gott der Herr die Regenten ernstlich angesprochen hat, zur Erhaltung des Predigtamts treulich Hülfe zu thun. Es ist das dieselbe theologische Begründung, wie sie bereits Riebling 1540 und hernach Omeken 1557 für das Visitationsrecht der weltlichen Gewalt geben. Ersterer weist darauf hin, daß schon Adam, Josua, Samuel, David, Salomo, Josaphat, Ezechias, Josias für den rechten Gottesdienst gesorgt haben. 2 ) Und letzterer ließ sogar ein Buch erscheinen "Von der Visitation nödige vnderrichtinge" und beweist, daß die Fürsten immer das Recht dazu gehabt haben. Allerdings ein göttliches Recht des landesherrlichen Kirchenregiments damit zu erweisen, lag diesen Männern fern. Die andere Seite der Begründung für den religiösen Beruf der weltlichen Obrigkeit ist von der custodia tabulae utriusque hergeleitet, nimmt also Bezug auf die Meinung der mittelalterlichen Kirche, als ob der Staat nur die temporalia zu besorgen habe. Letztere Anschauung wird ausdrücklich zurückgewiesen. "Das Ampt der weltlichen Regierung ist Gottes ordnung, ein gut werck" (S. 62 a). Sie soll über das Gesetz wachen zur Erhaltung äußerlicher Zucht; aber das ist nur ein "stücklin vom Ampt"; sie soll auch über Abgötterei wachen und rechte Lehre pflanzen; kurz "die Oberkeit soll beide tafeln der Zehen gebot, Gott zu ehren, in erhaltung eusserlicher zucht, handhaben, mit ernstlicher Execution" (S. 63 a). Es ist das ja die Lehre der Reformatoren,
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die dem sich erweiternden Staatsbegriff entsprach, wie dieselbe Agrikola dem Johann Albrecht einst nahe gelegt hatte: Principes sunt non tantum secundae, sed primae etiam tabulae custodes, ut per eos floreat ecclesia et politeia. 1 ) Aber diese Gewalt ist nach zwei Seiten hin eingeschränkt: Einmal soll sie nicht eigne Lehre oder Interim oder Gottesdienst aufrichten, außer Gottes Wort. Das ist der Grund, warum in der K.=O. als ein erster T'heil die Darlegung der Lehre erscheint, welche "die einige ewige ist, die in Propheten und Apostel Schrift gefaßt ist, in dem Verstand der ökumenischen Symbole, mit dem Luthers Katechismus, sein Bekenntniß vom Abendmahl, sowie die Conf. Aug. von 1530 übereinstimmen." (S. 64 a.) Der Landesherr bestimmt also nicht den Bekenntnißstand seines Landes, das ist vielmehr das durch Reichsgesetz seit 1555 geregelte Recht der Landesherrschaft, sondern für letztere giebt es nur eine Wahrheit, die wahre Lehre der K.=O., und somit eine Pflicht, für diese zu sorgen. Die zweite Einschränkung liegt in den Worten: "Es sol auch die Oberkeit selb gleichförmig leben göttlichen Gesetzen." Die Obrigkeit ist also schuldig, für das Evangelium zu sorgen; darum muß sie auch den Irrthum strafen und beseitigen. Johann Albrecht wendet dieses Recht selbst an im Stifte zu Schwerin, als Ulrich durch die Kapitulation sich gebunden glaubte, ebenso in Lübz gegen seine Mutter, in Dobbertin, Ribnitz, Rostock u. a. An seine Mutter schrieb er am 23. März 1567: 2 ) Er erkenne seines von Gott ihm befohlenen Amtes halber sich für schuldig, seine Unterthanen mit dem allein selig machenden Worte Gottes versorgen zu lassen. Es ist also der religiöse Standpunkt, den der Herzog einnimmt, nicht der formal juristische, der erst 1555 für die Fürsten in ihrem Verhältniß zum Reiche festgelegt ward. Der Herzog will auch nicht mit seinem Lande sich isoliren, sondern es wird (S. 64 b und S. 4a) ausdrücklich betont, daß man Eintracht zu halten begehrt mit den Kirchen der sächsischen Lande, als zu Lübeck, Hamburg, Lüneburg und anderen dergleichen, wo die reine Lehre ebenso verkündigt wird.
Aber welche Geltung hatte die K.=O.? Von dieser Frage wird die Bestimmung der Grenzen abhängen, innerhalb deren die meklenburgische Landeskirche sich ausbreitete. Die K.=O. erschien 1552 nur in Johann Albrechts Namen, erst 1557 ist sie auch in Ulrichs Namen ausgegangen. Aber seit dem Tode
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Herzog Heinrichs 1552 bestanden Irrungen wegen der Regierung zwischen Ulrich und Johann Albrecht. Außerdem behaupteten die beiden Bisthümer Schwerin und Ratzeburg wenigstens in ihren Stiftsländern ihre eigenthümlichen Rechte. Allein erstere wurden durch den Wismarschen Vertrag beigelegt, 1555, nach welchem das Kirchenregiment von beiden Fürsten zugleich bestellt wird; beide wollen Kirchen und Schulen mit gottesfürchtigen Männern zu versorgen Fleiß haben; beide wollen nach der K.=O. von 1552 eine Visitation anstellen. 1 ) In demselben Vertrag ist auch das Verhältniß zu Ratzeburg und Schwerin bestimmt. Für seinen zum Bischof von Ratzeburg erwählten Bruder Christoph hatte Johann Albrecht am 3. Oktober 1554 die Verwaltung angetreten und sich anheischig gemacht, das Stift apud sedem catholicam zu vertreten. 2 ) Indem in dem Revers von Bestimmungen über den Konfessionsstand nichts enthalten ist, ließ sich das Domkapitel die Herrschaft Johann Albrechts gefallen. Und im Wismarschen Vertrag wird es demselben anheimgegeben, "zu befördern und fortzusetzen Bestellung, Verordnung und Unterhaltung des Kirchenregiments." Das war im Sinne der evangelischen Lehre gemeint und auch so durchgeführt; denn als 1561 die päpstliche Konfirmation Christophs 3 ) eingeholt werden sollte, hatte man nur geringe Hoffnung auf die Erlangung derselben, weil man nicht mehr antiquae religionis sei. Dennoch kam erst 1566 der Beschluß des Kapitels zustande, die alten Ceremonien abzuschaffen, und erst 1589 wurde in der Visitation die Annahme der Meklenburger K.=O. beschlossen, nachdem bei der Visitation von 1581 sich herausgestellt hatte, daß einige nach der Meklenburger, andere nach der Holsteiner und andern Ordnungen sich hielten. 4 ) Im Schweriner Stift hatte Ulrich geschworen, "den Ritus und die Ceremonien der katholischen Kirche zu wahren", und da das Kapitel das Mitaufsichtsrecht über alle geistliche Angelegenheiten hatte, so waren Ulrich die Hände gebunden. Er mußte vielmehr protestiren, als Johann Albrecht am 27. Juli 1553 den Befehl zur Visitation der Domkirche zu Schwerin gab, da nach den Worten Johann Albrechts "unser Bruder den Pfaffen verpflichtet ist." Allein, als die päpstliche Bestätigung auf sich warten ließ, erlangte Ulrich trotzdem die Huldigung. Im Wismarschen Vertrag übernahm er die
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Verpflichtung, das Kirchenregiment im Stifte seinerseits zu bestellen und, sofern es ohne Verletzung seines Eides geschehen konnte, die untüchtigen Personen abzuschaffen, damit nichts anders gehalten würde, als was der Conf. Aug. gemäß und dem Meklenburgischen Bekenntniß von 1549 gleichförmig sei. Und bereits 1557 ordnete er selbstdie Visitation der Stiftskirchen an, da die Kapitularen, denen er durch seinen Eid verpflichtet war, selbstlutherisch geworden waren. Allerdings jene Bestimmung von der katholischen Religion wurde auch dem Wortlaute nach erst 1568 aufgehoben, als die Kapitularen ihre Pflicht, für das Kirchenregiment zu sorgen, dem Bischofe abtraten. Als das Stift am 21. Oktober 1561 für reichsunmittelbar erktärt wurde, erlitt sein Verhältniß zu Meklenburg auf kirchlichem Gebiete nur insofern eine Veränderung, als es seinen eigenen Superintendenten bekam. So lassen sich beide Stifte mit ihren Gebieten als Theile der Meklenburgischen Landeskirche betrachten, allerdings selbständige Theile, da sie ihre eigenen Administratoren und diese wieder ihre Superintendenten, bezw. Konsistorien hatten. 1 )
Die K.=O. von 1552 ist von den Ständen des Landes angenommen worden. In der That, ist es der Beruf der weltlichen Obrigkeit, für das Seelenheit der Unterthanen Sorge zu tragen, 2 ) so ist die Landesobrigkeit als solche es, welche zu kirchlichem Handeln in ihren Gebieten berufen ist. Der Landesherr kommt also nicht in Betracht als Person, sondern als Träger der landesobrigkeitlichen Gewalt. Darum sind, wie bei allen Landesangelegenheiten, die Stände betheiligt, die rechte Religion ist Landessache. Zwar die Sorge der Landesobrigkeit für die Religion ergab sich nach mittelalterlichem Begriffe nicht schon aus der landesobrigkeitlichen Stellung. Erst im Reformationszeitalter ist sie ein wesentlicher Theil des obrigkeitlichen Berufes, also nicht der Person als solcher. Nur wo und seitdem der Religionsfriede zu Augsburg 1555 so ausgelegt ward, als ob den Kurfürsten und Ständen augsburgischer Konfession das ius episcopale übertragen wäre, wie es dem territorialistischen Systeme eigen war, konnte es kommen, daß der Landesfürst die Stände von der kirchlichen Mitregierung ausschließen wollte. In Meklenburg hatten sich noch zu Atbrechts Zeiten die Städte Malchin, Neubrandenburg, Friedland und Rostock, wie gezeigt ist, bereits an die Stände gewandt, um Schutz gegen Albrecht
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zu erlangen. 1538 hatte Magnus seine Bitte um eine K.=O. den Fürsten und den vornehmsten Räthen der Landschaft vorgetragen. 1549 waren zur Berathung über das Interim die Stände zu Sternberg anwesend, und in den Landtagen der fünfziger Jahre versichert Johann Albrecht, die Landschaft bei der neuen Religion zu beschützen, "da die gemeine Landschaft sich mit Serenissimo wegen der Antwort verglichen hat". Zwar beklagen die Stände, daß der Prälatenstand nicht mehr vorhanden ist, aber dennoch bitten sie um eine vollständige Durchführung der Reformation. Der Fürst übergiebt ihnen die K.=O. zur Berathung, daß "sie nach Verlesung derselben anzeigen, ob etwas darin zu erinnern oder zu verbessern sei", ebenso die Instruktion zur Visitation. Und im Wismarschen Vertrag heißt es von der K.=O. ausdrücklich, daß sie von der Landschaft angenommen worden sei. Indem also und soweit die Landstände die kirchlichen Interessen des Landes vertreten, ist die Landeskirche auch nach dieser Richtung hin entwickelt.
Auf die kirchliche Verwaltung nimmt die K.=O. insofern Bezug, als sie die Errichtung eines Konsistoriums verheißt, weil "ein großer Unterschied zwischen weltlichen Gerichten und Strafen und Kirchengerichten und Strafen" sei (S. 72 a). Eine eigentliche Konsistorienordnung wurde erst 1570 veröffentlicht und das Konsistorium am 27. März 1571 eröffnet Das Institut der Visitationen wird in der K.=O. ausdrücklich beibehalten und eine allgemeine Instruktion gegeben. An denselben waren hervorragend die Superintendenten betheiligt, ja sie bildeten die Aufgabe der letzteren, deren Zahl nach und nach vermehrt wurde, bis sie 1571 in der Superintendentenordnung bestimmt wurde. Was die Bedeutung dieser Aemter für die Landeskirche und das landesherrliche Kirchenregiment betrifft, so würde die nähere Ausführung zu weit von unsern K.=O. uns abführen; es genüge der Hinweis auf Rieker, mit dem Dieckhoff (Die Anfänge des landesherrlichen Kirchenregiments, Theol. Zeitschrift 1863, S. 682 ff.) übereinstimmt. 1 ) Nach beiden "fand in der Einrichtung der Konsistorien
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als kirchlicher Behörden im Unterschied von den politischen Behörden des Landesherrn die Selbständigkeit des in die Hand des Fürsten gekommenen Kirchenregimentes ihren organisch befestigten Ausdruck". 1 ) Und das Superintendentenamt ist das rein innerkirchliche Organ des Kirchenregimentes, seine Thätigkeit allein aufs Wort eingeschränkt, in seiner Autorität getragen durch den Landesherrn, aber keine Behörde desselben, sondern ein selbständiges kirchliches Amt . 2 )
Die K.=O. giebt endlich auch die Bestimmungen über das Kirchengut Die Unkost der Visitatoren soll aus den Klostergütern genommen werden (S. 75 a). Die Obrigkeit will die Räuber, welche den Kirchen die Güter entziehen, in Strafe nehmen. Denn die Herrschaft will dieselben nicht zerreißen lassen, sondern dazu erhalten, daß der Universität und den Kirchen Zulage verordnet würde (S. 133). Ausdrücklich wird auf das kanonische Recht Bezug genommen, daß das kirchliche Stiftungsgut seinen kirchlichen Charakter nicht verlieren dürfe; unter letzterem befaßte man dem Geiste der Zeit entsprechend auch die Unterhaltung von Hospitälern und Hülfe für die Armen. Die Kirchengüter werden also nicht als bona vacantia angesehen. Obwohl das Kirchengut zum landesherrlichen Gut eingezogen war, so empfing dasselbe durch die K.=O. und ebenso durch den Wismarschen Vertrag seine von der Pertinenzqualität des sonstigen Stammguts abweichende Pertinenzqualität; und im Ruppinschen Machtspruch 1556 wird ausdrücklich bestimmt, daß jährlich vierthalbtausend Gulden für die kirchlichen Zwecke der Universität angewiesen sein sollen; eine Bestimmung, welche auch in die K.=O. von 1557 Aufnahme fand.
So ist eine meklenburgische Landeskirche fertig; eine Landeskirche neben vielen andern, mit denen sie "Eintracht zu halten begehrt"; aber auch eine ausschließtiche Landeskirche, sofern Andersgläubige nicht geduldet werden. Durch ein besonderes
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Mandat der beiden Herzöge vom 13. Januar 1560 ward noch einmal auf die Verpflichtung zur Erfüllung der K.=O. hingewiesen, den Widersetzlichen aber die Auswanderung anbefohlen. 1 )
War so die meklenburgische Landeskirche in Lehre und Verfassung fertig gestellt, so versuchen dennoch die dogmatischen Streitigkeiten in dieselbe einzudringen. Ausgewanderte Engländer waren im Winter 1553 nach Rostock gekommen, von wo sie nach einem Gespräch mit dem Prediger Ryke am 12. Januar 1554 vertrieben wurden. In Wismar fanden sie bei den zahlreichen Mennoniten Aufnahme, deren Führer Menno Simons aus Friesland herbeigeeilt war, jedoch bald mit ihnen in theologische Streitigkeiten verwickelt ward über Menschwerdung Christi, Ehescheidung, besonders aber über das Schwert der Obrigkeit. Trotzdem die Engländer durch ihren Sprecher bei dem Rath ihr Glaubensbekenntniß einreichten, in dem sie das Recht der Obrigkeit anerkennen, das Abendmahl nicht bloß für ein Kennzeichen, sondern für die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi halten, so jedoch, daß sie in kalvinischer Weise die menschliche Natur Christi nicht unendlich an allen Orten ausgebreitet sein lassen wollten, mußten sie mit den Mennoniten zusammen aus der Stadt, am 22. Februar 1554. 2 ) Durch ein Mandat der sechs wendischen Städte, Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Rostock, Wismar, Stralsund vom 1. August 1555 sollen alle, welche "den Jrthum der Wiedertäufferey lehren," desgleichen auch die Sakramentierer "unnachlässig gestraft, vertrieben, auch nicht beherbergt werden". 3 ) - Am 16. Januar 1556 hielt Omeken in Ribnitz mit Wiedertäufern ein Examen ab inbetreff der Kindertaufe, des Abendmahls, der Obrigkeit u. s. w. Da dieselben halsstarrig blieben, wurde ihre Sache der Obrigkeit empfohlen, damit größerer Schade verhütet werde. 4 ) 1562 hielt eine vom Hergog bestellte Kommission ein Examen mit den zu Wismar wieder aufgetauchten Wiedertäufern ab, die sich bekehren ließen. Die Kommission hielt es jedoch für nöthig, dem Wismarschen Ministerium in einem längern Schreiben Unterricht inbetreff der Wiedertäufer zu geben. Noch 1571 erschien eine Abhandlung zur Bekämpfung der Schwärmerei. 5 )
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In Schwerin hatte 1556 der Hofrath Justus Jonas, ein Sohn des bekannten Wittenberger Theologen, sich gegen das lutherische Abendmahlsdogma erhoben. Die drei Prediger, Rothmann, Langner, Kückenbieter, wandten sich in einer Konfession gegen diese Berengarsche Häresie. 1 ) In Rostock war zu derselben Zeit ein Student Münchhausen, der die Gegenwart des Leibes und Blutes im Abendmahl leugnete. Er wurde aus der Stadt verbannt. Das Rostocker Ministerium vertheidigte die lutherische Abendmahlslehre gegen ihn in acht Artikeln. 2 ) Zum römischen Dogma hinsichtlich der Abendmahlslehre neigte in Rostock der Prediger Beatus seit 1568; er lehrte, daß schon vor dem Gebrauch Leib und Blut da seien. Nach langen Verhandlungen wurde er seines Amtes entsetzt; er ging nach Wismar, wo sich Holtzhüter, Korvin, Isensee auf seine Seite stellten. Am 10. December 1569 hatten die Herzoge eine formula doctrinae aufsetzen lassen, die gegen Beatus ausgefallen war. 3 )
Auch der antinomistische Streit spülte seine Wogen nach Meklenburg hinein, indem zu Rostock nach Vertreibung des Eggerdes und Heßhus Drakonites Superintendent wurde, der sich des offenbaren Antinomismus schuldig machte, indem er u. a. lehrte: Trolle dich, Moses; das Gesetz gehört aufs Rathhaus; das Sonntagsgebot bindet die Christen nicht; die Abendmahlsverweigerung ist unchristlich. 1559 erließ das Ministerium gegen seinen Superintendenten ein Bekenntniß seiner streng lutherischen Lehre. Drakonites mußte 1560 aus der Stadt weichen. 4 )
Der osiandristische Streit ist zwar nicht nach Meklenburg verpflanzt worden; doch hatte der Herzog Johann Albrecht denselben bereits auf seiner Hochzeit 1555 kennen gelernt, als mitten im Winter Flacius nach Wismar geeilt war, um mit dem dort anwesenden Leibarzte des Herzogs Albrecht von Preußen, Aurifaber, einem Schwiegersohn Osianders, zu verhandeln. 5 ) Chyträus mußte deshalb ein Gutachten einreichen, und auf einem Kolloquium zu Riesenburg 1556 'hat 6 ) "Herzog Johann Albrecht mit großem Fleiß und Ernst befürdert, daß über den Osiandristischen Handel ein Ratschlag und Vertrag aufgerichtet wurde." Wenngleich dieser Streit also für Meklenburg auch keine weitere Bedeutung
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hat, so geht doch daraus hervor, wie Johann Albrecht die Schlichtung der theologischen Lehrkämpfe sich angelegen sein ließ.
Dasselbe ersehen wir auch, wenn wir sein Einwirken auf Melanchthon im adiaphoristischen Streit bemerken. "1557 hat Johann Albrecht auf Herrn Philippi Melanchthonis und Matthiä Flacii Jlyrici Anhalten Gesandten zu Versuchung gütlicher Vergleichung zwischen ihnen abgefertiget." 1 ) Mit einer von Chyträus aufgesetzten Vergleichsformel reisten die Gesandten ab. Bereits am 25. Februar 1557 beklagt sich Melanchthon bei Johann Albrecht, daß ihm von seinen Theologen noch härtere Bedingungen als von den sächsischen gestellt wären, "ut proditori et hosti harum ecclesiarum." 2 ) Ebenso ließ der Herzog seinen Hofprediger Langner einem Konvent der niedersächsischen Theologen zu Braunschweig beiwohnen, der sich mit der Frage der Adiaphoristen, Majoristen, Antinomisten befassen sollte. Wie das Verhältniß zu Melanchthon war, läßt sich aus den Worten Langners abnehmen: Falso nos insimulant Antinomi, qui legem Dei penitus pellamus ex ecclesiis nostris, Philippum cogitemus interficere. 3 )
Inbetreff des Frankfurter Recesses ließ Johann Albrecht durch seine Theologen am 14. August 1558 ein iudicium stellen. 4 ) Es wird anerkannt, daß christliche Fürsten vor Gott schuldig sind, sich göttlicher Lehre und christlicher Kircheneinigkeit anzunehmen; darum denken die meklenburgischen Fürsten auf Mittel, die wahre Lehre zu erhalten, Sekten zu widerlegen, Einigkeit anzurichten. Diese kann aber nicht bestehen, es sei denn zuvor dieser Grund gelegt, daß man die göttliche Lehre rein und unverfälscht behalte und die ungegründete ausdrücklich verwerfe. Darum ist es recht, daß die Fürsten in Frankfurt bei der Conf. Aug. und der Apologia verharren wollen. Die meklenburgischen Herzöge halten dafür, daß der beste Weg wäre, christliche Einigkeit wieder anzurichten, wenn man nicht viel neue confessiones schreibe, sondern die unveränderte Conf. Aug. und Apologia drucken und von den Fürsten unterschreiben lasse; von den nach 1530 Streitig gewordenen Artikeln möge man nur categoricam declarationem dabei thun. Falsch sei die Einigkeit dadurch gewinnen zu wollen, daß man die Irrthümer nicht namhaft verwerfe; denn zweifelhafte Reden, die beide Theile auf ihre Meinung ziehen können, dienen nicht zur Einigkeit, sind vielmehr nur poma eridos. Meklen=
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burg tadelt deshalb, daß die Artikel von der Lehre nur generaliter und ambigue gestellt werden sollen. Im ersten Artikel "Von der Gerechtigkeit" vermißt es, daß gegen Osiander und die Papisten nicht expressae declarationes hinzugesetzt seien. Im zweiten Artikel "Von der Notwendigkeit der guten Werke" wünschen sie das ratione meriti noch erweitert, ratione praesentiae, gegen Major. Im dritten Artikel "Vom Abendmahl" beklagen sie sich, daß er so gestellet sei, daß Kalvinisten und alle Sakramentierer dahinter sich verstecken könnten; auch wünschen Sie im vierten Artikel eine vollere Erklärung der Adiaphora. Indem dies Bedenken das erste war, das gegen den Receß geltend gemacht wurde, erkennen wir, wie ernst es Meklenburg mit der Festhaltung des Strengen lutherischen Lehrbegriffs war. Inbetreff der streitigen Artiket verfaßte auch das Rostocker Ministerium auf Befehl Johann Albrechts 1560 ein iudicium 1 ) Auf dem Fürstentag zu Naumburg 1561 war Herzog Ulrich durch Chyträus vertreten, war aber mit der dort beliebten Art der Vereinbarung nicht zufrieden, 2 ) weshalb darauf der Lüneburger Konvent im Juli mit seiner streng lutherischen Lehrfestsetzung mehr Sympathien im Lande fand; ja als ein Rath Herzog Ulrichs die Bestimmungen desselben beseitigen wollte, gab eine theologische Kommission ihre Erklärung mit scharfen Worten für denselben ab. 1567 legen noch die Rostocker Theologen ihr Gutachten gegen den Wittenberger Synergismus dar, in einer Beurtheilung der ihnen von Johann Wilhelm von Sachsen zugesandten Weimarer Confutation. 3 )
Sehen wir so bei den meklenburgischen Theologen fortwährend das Bestreben, in welchem sie von den Herzögen gestützt wurden, die strengere Fassung des lutherischen Lehrbegriffs sowohl den eigenen Streitigkeiten im Lande gegenüber, als besonders den Philippisten gegenüber aufrecht zu erhalten, so wird sich schon ein Anhalt dafür ergeben, warum 1569 Chyträus den Auftrag einer neuen K.=O. bekommen konnte. Als ersten Grund giebt letzterer in seinem Bericht selbst an, daß die K.=O. von 1552, "nicht mer der hertzogen zu Mekelnburg allein und eigene kirchenordnung" ist, weil ja Melanchthon die Ordnung mit Weglassung des Namens Meklenburg in der Wittenberger Kirchen Namen gedruckt hatte. Darum habe Johann Albrecht mündlich ihm aufgetragen, "ein besondere vnd eigene K.=O. für das
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hertzogthumb Meckelburg zu entwerffen". Ein zweiter Grund für Abfassung einer K.=O. lag in den dogmatischen Streitigkeiten der damaligen Zeit, welchen gegenüber die K.=O. von 1552 keinen Anhalt hinsichtlich scharfbegrenzter Lehrbestimmung bot. Dies mußte um so mehr vermißt werden, als etliche Hofräthe, Jonas und Bouke, der zweideutigen Richtung zugethan waren. Es lag mithin das Bedürfniß vor, die K.=O. um die Erklärung jener streitig gewordenen Artikel zu erweitern. Aber wie? Wenn die K.=O. von 1552 für nicht mehr geeignet gehalten wurde! Man war in einen persönlichen Gegensatz zu Melanchthon gekommen, man hatte sich in allen theologischen Fragen gegen seine Partei erklärt. Im Jahre 1584 klagt Chyträus: In der meklenburgischen K.=O. Sind etliche Artikel der Lehre mit beidenhändischen zweizüngigen Worten also meisterlich auf Schrauben gesetzt, daß beides, Lutherische und Kalvinistische, dieselben Worte zugleich annehmen und unterschreiben et sic vera dicendo ambos fallere possint. Wiewohl nun dieser Grund erst 1584 geltend gemacht erscheint, so entspricht er doch bereits den Verhältnissen des Jahres 1569. Hatte doch der Herzog in der Antwort auf den Frankfurter Rezeß ausdrücklich bemerkt, wie sehr ihm zweideutige Bestimmungen zuwider wären, und hatte bestimmte Er klärungen gefordert! So hat denn Chyträus - nach seinen eigenen Worten - die Einleitung einer K.=O. dem Fürsten eingereicht, die ihm gefiel.
Daß die angeführten Gründe für die Abfassung einer neuen K.=O. die rechten sind, ergiebt sich aus dieser Vorrede. 1 ) Da heißt es: "Nachdem viele hochlöbliche christliche Fürsten in unserer Nachbarschaft und anderswo ihre Christlichen K.=O. verneuert haben, und innerhalb dieser Zeit von vielen hochwichtigen Artikulen Christlicher Lehre ganz ärgerliche Uneinigteit erwachsen sind". Als Datum der Ablieserung dieser Einleitung zur K.=O. ergiebt sich das Jahr 1570. Im Bericht nämlich sagt Chyträus "schon lang vor 30 jaren". Das würde auf das Jahr 1569 führen, wo Chyträus den Auftrag bekam. Aber er ist erst 1570 fertig; denn er spricht von der alten K.=O., die vor 18 Jahren ausgegangen ist: 1552 + 18 = 1570. Erst im nächsten Jahre empfing Chyträus den Auftrag, auf Grund dieser Einleitung die K.=O. selbst in Angriff zu nehmen. Denn in einem Briefe an Johann Albrecht von 1572 2 ) nennt er als das Jahr des
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herzoglichen Auftrages "superior annus", also 1571. Man geht in der Annahme wohl nicht fehl, daß der Auftrag bei der Eröffnung des Konsistoriums ertheilt wurde, 27. März 1571. Denn einmal ist Chyträus an der Eröffnung desselben hervorragend betheiligt; sodann heißt es ausdrücklich in dem Briefe, Chyträus solle formam doctrinae nicht nur, sondern auch totius administratioms ecclesiarum beschreiben in libro, qui ecclesiarum ordinationem complecteretur. Noch 1599 ist das Bestreben der Revisoren, die Konsistorialordnung in die K.=O. hineinzuarbeiten.
Aus demselben Briefe geht auch noch einmal ausdrücklich hervor, daß die dogmatischen Streitigkeiten die neue K.=O. ver anlaßten. Chyträus soll die forma doctriüae fassen imprimis de praesentibus dogmatum controversiis, quae aliarum regionum ecclesias et politias horribiliter perturbant, aber als perspicuas et explicatas sententias, jedoch sine ulla personarum mentione aut condemnatione - ganz wie es dem Standpunkt Johann Albrechts gelegentlich des Frankfurter Rezesses entsprach.
Nach seinen eigenen Worten im Bericht hat Chyträus nur die Vorrede an Johann Albrecht eingereicht. In dem genannten Briefe von 1572 sagt er, daß er fast mit seiner ganzen Arbeit fertig sei, nur wäre er einstweilen durch ein Familienfest an der Arbeit verhindert. Schütz (vita Chytraei II, S. 232) und nach ihm Wiggers (Kirchengeschichte S. 172) nehmen nun an, Chyträus habe die K.=O. fertig eingereicht. Allein Chyträus sagt im Bericht: "Als hernach bey Jr. f. G. ich, durch den frommen Man, Fridrich Spe vnd seinem Eidam in vngnade gebracht: ist alles biß vff Jr. f. G. seligen Abschied liegend geblieben". 1 ) Jedenfalls als 1599 Chyträus seinen Bericht einreichte, hatte Ulrich weder die an Johann Albrecht eingereichte Einleitung bei den Akten, noch die ganze K.=O., welche Chyträus ihm erst zusenden muß. Wenn nun schon Schütz a. a. O. und nach ihm Nettelbladt, Succ. not. p. 127, behaupten, daß die K.=O. von 1572 im Archiv zu Schwerin sei, so ist das ein Irrthum. Es ist allerdings eine K.=O. da, aber die von 1585, auf die wir noch zu sprechen kommen. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß Chyträus seine Arbeit für die K.=O. verwerthete, welche er für die österreichischen Stände stellte und zu Rostock drucken ließ: Der Fürnemsten Heubstück Christlicher Lehr Nützliche und kurtze Erklerung. Rostock 1578. Darauf scheinen die Worte der 1585 versammelten Superintendenten zu weisen, daß nämlich Chyträi
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designation hernach in andern Oertern gebraucht sei. Jedenfalls ist zu Johann Albrechts Lebzeiten eine neue K.=O. in Meklenburg nicht erschienen.
Inzwischen betheiligte sich Meklenburg an den Vorarbeiten zur Formula Concordiae hervorragend. Als Chyträus im Dezember 1568 auf seiner Reise nach Oesterreich Wolfenbüttel berührte, traf er dort Jakob Andreä, der ihm seine Eintrachtsformel mittheilte. Derselbe war dann im Auftrage des Herzogs Julius im folgenden Jahre mit seinem Aufsatze in Rostock, um auch Herzog Ulrich für den Plan zu gewinnen. Ueber die fünf Artikel des Andreäschen Aufsatzes ließ Ulrich seine Professoren berichten, welche im Verein mit den Superintendenten am 8. Januar 1570 ihre Erklärungen abgaben. Sie unterschrieben weder den deutschen noch den lateinischen Aufsatz, setzten vielmehr, die Kürze der Ausführungen Andreäs tadelnd, ihre eigene Meinung fest, welche Sie aber niemand aufdringen zu wollen erklärten. 1 ) 1571 hatte Chyträus mit Chemnitz eine Zusammenkunft zu Boizenburg, in demselben Jahre noch einmal zu Salzwedel, dann zu Rostock mit Pouchenius. 2 ) Als Chyträus dann im November 1573 zu Berlin war, machte er einen Abstecher nach Frankfurt zu Musculus. Inzwischen war ein Brief von dem Hamburger Superintendenten Westphal eingetroffen, der zum Anschluß an Andreä aufforderte. Die Fakultät holte erst das Gutachten Chyträi ein und schrieb dann an Westphal, indem Sie Lüneburg als Versammlungsort vorschlug, aber Gott für die Arbeit am Werk um offene Augen und Ohren bitten wollte. 3 ) Im April 1574 theilte Chemnitz den Rostockern mit, daß die Tübinger bald ihre Arbeit und zwar formam exponentem thesin et antithesin den Rostockern zur Beurtheilung senden würden. Die Fakultät lud deshalb die Superintendenten Schermer und Becker zum 27. Oktober nach Rostock ein. 4 ) Nachdem hier in der Tübinger Arbeit die nöthigen Interpolationen gemacht waren, auch die Seestädte ihre Meinungen dazu gesetzt hatten, schickte Chyträus Pfingsten 1575 das Buch an Chemnitz zurück. 5 ) Als nun die Frage entstand, welches Buch grundleglich gemacht werden sollte, die von Lukas Osiander aufgesetzte sog" Maul=
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bronner Formel oder die von den niedersächsischen Theologen begutachtete sog. schwäbische, da legte sich Kurfürst August von Sachsen ins Mittel und lud die Theologen nach Torgau ein. Am 24. April 1576 bekam Ulrich die Aufforderung, den Chyträus nebst anderen zu senden. 1 ) Als Chyträus sich weigerte, kam ein neuer Befehl am 4. Mai, aber "nichts einzuwilligen, was wider Gottes Wort und zu dieser bisher stillen Kirchen in Mecklenburg Beunruhigung wäre". Am 25. Mai kam Chyträus in Torgau an. Hier wurden die beiden Formeln in ein Buch zusammen gearbeitet Am 16. Oktober 1576 gaben die Professoren und Superintendenten zu Rostock ihre Censur über das Torgausche Buch ab: 2 ) Sie freuen Sich, daß trotz aller Irrthümer derjenigen, die, wo Lutherus selbst gesessen hat, heimlich und meuchlich, zuletzt öffentlich abgewiesen sind, Kurfürst August beständig geblieben ist; alle Artikel des Buches stimmten mit dem göttlichen Worte und Schriften Luthers überein, und seien ein aufrichtiges lutherisches Bekenntniß; dennoch wünscht man, daß an manchen Stellen Wiederholungen vermieden würden, ausführlichere Erklärungen hier und dort gesetzt werden. Als die Censuren dem Kurfürsten zugesandt waren, versammelte dieser die drei Theologen, Andreas, Chemnitz, Selneccer, zu Bergen; auf seinen und Ulrichs Wunsch reiste auch Chyträus am 14. Mai 1577 nach Bergen ab. Am 12. November lag das Bergische Buch den Superintendenten zur Unterschrift vor; sie senden es an den Herzog mit ihrer Unterschrift zurück "Nos Superintendentes ecclesiarum in Ducatu Megalopolensi hunc librum in timore Domini perlegimus et quoad summam rerum approbamus". 3 ) Am 20. November befahl Ulrich den Superintendenten, daß ein jeder in seinem Bezirke die Unterschriften einsammeln sollte; jedoch möge jedermann Bedenkzeit haben, nur nicht von den Kanzeln das Buch schmähen. 466 Unterschriften wurden gesammelt. Besonderer Widerspruch fand sich zuerst in Rostock, wo bereits 1576 zwei Prediger, Rütze und Waldberg, die flacianische Erbsündenlehre vertheidigten und deshalb gegen die schwäbische Formel eiferten; sie wurden abgesetzt. Größeren Widerspruch fand die fertige Formel in Wismar, wo der Superintendent Michaelis, nebst den Pastoren Jsensee, Holtzhüter, Culemann nicht unterschreiben wollten, angeblich weil in den Negativa die Irrlehrer nicht namentlich aufgeführt wären, sie auch nicht wissen könnten, ob vor dem Druck
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die Formel doch nicht noch heimlich verändert würde; vor allem forderten sie, daß der Verdacht des Synergismus durch noch schroffere Setzung der betreffenden Artikel beseitigt würde. 1 ) In der Antwort bemerkt Ulrich, daß er an Kurfürst August geschrieben habe, damit ja das unveränderte Exemplar gedruckt würde; weiter werden die Prediger auf die christliche Liebe verwiesen, die den Bruder nicht verdammen wolle; darum wären die Namen von Philippus und Jllyricus nicht gesetzt; dieselben könnten ja auch nicht widerrufen, da Sie schon todt wären u. s. w. Am 21. Oktober 1578 mußten die Ungehorsamen die Stadt räumen. Aber noch im Jahre 1580 war in Bentwisch bei Rostock ein Prediger, der nicht unterschreiben wollte. Auch die Rostocker Fakultät hatte nicht umhin gekonnt, am 12. Januar 1579 noch eine Censur abzuschicken. 2 ) Obwohl sie bereits unterschrieben habe, wären doch noch Stimmen laut geworden, besonders aus Dänemark, daß zu wenig Männer an der Abfassung des Buchs betheiligt gewesen wären; im Einklange mit diesen forderten Sie deshalb einen allgemeinen Synodus, nach Art der alten Kirche. Außerdem habe Sie noch Wünsche hinsichtlich zehn Punkte, daß der status controversiae beim freien Willen richtig gesetzt werde; das "damnamus" solle in "reicimus" verändert, in die Einleitung Magister Philipps Name ehrend gesetzt werden. Diese Censur nahm Chyträus mit nach Jüterbogk, wo wegen der Vorrede verhandelt wurde. Wegen der Unterschrift dieser ertheilte die Fakultät am 25. August 1579 ein Gutachten an Ulrich 3 ) und am 15. Dezember ein zweites, worin sie zur Unterschrift sowohl der Formel als auch der Vorrede räth, wenn Sie auch an letzterer auszusetzen hat, daß in ihr der Frankfurter und Naumburger Abschied als "christlich" erwähnt wird. Aber an demselben Tage sendet man eine zweite Censur an die Verfasser der Eintrachtsformel ab, wiederum mit manchen Bedenken, doch dem Schluß, daß, wie zwar nichts mehr geändert werden solle, dennoch die Rostocker ihre συμάδεια und sollicitudinem deklariren wollten.
Indem die Formula Concordiae von Horzog Ulrich unterschrieben wurde, erhielt sie die Anerkennung als Symbol der meklenburgischen Landeskirche.
Die K.=O. mußte von den Arbeiten zur Eintrachtsformel mitberührt werden. War doch ihr erster Theil von Melanchthon
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mitverfaßt; war sie doch noch unberührt von den Kämpfen nach Luthers Tode, die auch in Meklenburg eingedrungen waren! Mußte doch auch schließlich die Landeskirche neben den mit andern Kirchen gemeinsamen Symbolen ein eigenes Buch haben, daraus ihre Glieder und sonderlich die Pastoren in aller Kürze sich belehren konnten! Daß diese Erwägungen zutreffend sind, ergiebt sich sofort. Als die Superintendenten nach Rostock zur Begutachtung des Torgauschen Buches gefordert wurden, wurde ihnen zugleich aufgetragen, die Verbesserung der Kirchenagende vorzunehmen. In der Antwort an Ulrich vom 16. Oktober 1576 1 ) berichten sie jedoch, daß sie wohl "von allen Stücken, so zu einer gantzen und vollkommenen Christlichen K.=O. gehoren, fleißig sich unterredet und verglichen haben"; Sie müßten aber die Bedenken der beiden abwesenden Superintendenten von Güstrow und Wismar erst erfordern. "Sobald etwas davon schrifflich gefasset und zusammengebracht, wollen sie weiter davon unterthänigst berichten." Der Bericht sowie die weitere Arbeit ist ausgeblieben, theils weil man, und besonders Chyträus, mit der Eintrachtsformel genug zu thun hatte, theils weil gerade der Wismarsche Superintendent wegen der Unterschrift zur Formel in langwierige Auseinandersetzungen verwickelt wurde, die zu seiner Absetzung führten. Auch dieser zweite Anfang zur neuen K.=O. blieb ohne Erfolg, erst der fünfte sollte zu der K.=O. von 1602 führen.
Am 17. November 1584 erließ Ulrich an Chyträus und seine Superintendenten einen neuen Befehl: 2 ) An Bokatz, Superintendent zu Parchim, an Chyträus, sowie an die Superintendenten zu Rostock, Güstrow, Stargard. Vnsern gnedigen gruß Zuuor. Wirdiger vnd Wolgelarter lieber Andechtiger vnd getreuwer, Wir machen vns keinen Zweiffell, Jhr werdet euch gehorsamlichen Zu erinnern wissen, Das offtmalß in beratschlagung kirchen sachen, in vnsern Landen vorgelauffen, das in etzlichen Artickeln vnd Puncten in vnser Kirchenordnung noch allerhandt mengell vnd vnrichtigkeiten seinn sollen, welche einer Reuision, vnd verbesserung benotigt. Dahero wir vns dan auch etzliche mahl in gnaden erbotten, Dieselbe vor die handt Zu nehmen, vnd in notigen puncten Zu ercleren vnd verbessern. Sonderlich Weill wir auch vnder andern, offt vnd viel befunden, das etzliche Predicanten,
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in Steten vnd auff den Dorffern, sich derselben vnd Jhres beuolenen Ambts merklichen mißbrauchen, Vnd do die Leute Jhnen nicht baldt Jhres gefallens wilferen wollen, oder sie sonst aus gefasten vnwillen, eigenen Affecten vnd Rachgeirigkeit, den Leuten nicht gewogen, Sie sich vnderstehen, Jhres gefallens, Jhnen die heiligen Sacramenta, des Leibs vnd Bluts Christi vnd heiligen Tauff Zu verbieten, Auch zum Beichtstule nicht zu gestaten, vnd also Jhre Scharten an Jhnen auszuwetzen, Do Sie doch nicht herrn der Sacramenta, vnd Gottes wordts sein, sondern Diener der Kirchen vnd Ministerij Evangelici, wie Jhrer einsteilß den auch hin vnd wieder ganz ergerlichen wandell vnd Leben fueren, mit Sauffen, fluchen, Hurerei vnd anderen hochstrefflichem wesen vnd Lasteren, Welches alles wir dan einer guten Emendation vnd Correction nottig sein erachten. Wan vnß aber allenthalben nicht bewust, Jn wasserlei stucken gedachte vnsere Kirchenordnunge fernere Reuision vnd Verbesserunge benottigt, Jhr aber, Die Jhr vor vnd vor, in Visitationibus vnd anderen Kirchen vnd Kirchen Diener sachen damit umbgehet, Solche mengell sonder Zweiffel woll werdet in specie auffgemerket haben, Auch ferner denselben notturfftigk nachdenken konnet, Demnach so begeren wir hiemit in gnaden, Das Jhr solche vnsere Kirchenordnung furderlichen Vornehmet, Sie in allen vnd Jeden Jhrer Jnhaltenden Artikeln vnd Puncten mit Vleiß examiniret, vnd erweget. (Jnmassen wir dasselbe den andern vnsern Superintendenten auch zu thun beuolen) Vnd darneben auch, Was Jhr sonsten derselben Zu abschaffunge alles hochergerlichen vnd straffbaren wesens in den Kirchen, Auch bei den Kirchen Dienern vnnd sonsten Zu Insinuieren nottig sein erachten werdet, Jn Vleissig nachdenken Ziehet, vnd in Acht nehmet, Und also alle mengell neben euwerm Rhatlichen gutachten vnß schrifftlich verzeichnet furderlichen Zuschicket, damit wir es bei vns auch gnedig erwegen, vnd dan nach gehabtem Rhat Darauff viellgedachte vnsere Kirchenordnung Reuidiren, Verbessern, vnd Reformiren moegen, Vnd also alles in vnseren Kirchen, in vnsern Landen, Richtigk, Gottseligk vnd Christlich zugehen, vnd hinfuro gehalten, Dargegen aber alle ergerliche mißbreuche, Leben vnd Wandell, bei Namhafften vnd ernsten Straffen muege gewandelt vnd abgeschaffet werden. Daran erstatet Jhr vnsern Zuuorsichtigen willen vnd meinung. Vnd wir seint euch mit gnaden gewogen. Datum Stargard, den 17. Nouembriß anno etc. 84.
Das Neue in diesem Befehl ist einmal, daß nicht die unsichere Lehrfeststellung der K.=O. als Grund der neuen Ordnung genannt
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wird, sondern vielfältige Mißbräuche und Laster eingerissen sind, welche verhütet werden müssen. Sodann ist nicht mehr von einer Neuarbeit die Rede, sondern nur von Revision, Verbesserung und Reformation. Allerdings werden "allerhand mengel vnd unrichtigkeiten" erwähnt, die in der K.=O. Sein sollen; es ist also der schon 1569 geltend gemachte Grund noch nicht ganz aufgegeben. Die Arbeit der Superintendenten ging nur langsam von statten. Denn am 7. Dezember 1585 mahnt Ulrich bereits 1 ) "dieweil uns bis dahero ewer Bedenken noch nicht zukommen und wir gleichwohl dies christlich nötige Werk soviel möglich gern befördert sehen möchten". Die Superintendenten, die wegen des Kirchengerichts auf Sonntag Laetare doch in Rostock wären, sollten dann sogleich ans Werk gehen; dispensirt ist nur der Stargardsche wegen hohen Alters. Nunmehr schritt die Arbeit rüstig vorwärts. Am 25. März 1585 sandten sie das "Bedenken" an Ulrich ab. 2 ) Auf dieses gehen die Worte Chyträi im Bericht: 3 ) "Da wir semptlich E. F. G. vnterthenig erinnert, das E. F. G. keine eigne K.=O. für sich allein in so vielen jaren gehabt vnd das in der Meckelburgischen, nun mit andern Stenden gemeinen K.=O. etzliche artikelt der lehre mit beidenhendischen zweyzungigen Worten also meisterlich uff schrauben gesetzt, das beides, Lutherische und Calvinische Lerer dieselbige wort zugleich annemen vnd vnterschreiben vnd ihre widerwertige lehre vnd meinung Darunter verthedigen vnd vortpflantzen et sic vera dicendo ambos fallere possint u. s. w." Man sieht, es sind dieselben Worte, welche Chyträus bereits in seiner Vorrede 1570 gebraucht hat.
Der erste Theil des Bedenkens möge hier wörtlich folgen. Nach einem Dank an den Fürsten für seinen Befehl und Bekenntniß ihrer Dienstwilligkeit fahren Sie fort:
"Zum anderen Sollen E. f. g. wir unterthenig nicht unerinnert lassen, das gegenwertige E. f. g. Meckelburgische K.=O. fur etzlich vnd Zwanzigk Jharen von denen zu Wittenberch in ihrem eigenen Nhamen alß die Wittenbergische vnd Churfurstliche Sechsische K.=O. etzlichemhall vmbgedrucket ist, darzu die ungeluckliche friedehandlung, so E. f. g. her bruder Hertzogk Hans Albrecht hochloblicher vnd seliger gedechtenus Zwischen den Wittenbergischen vnd Magdeburgischen Theologen die Zeit vorgenommen, vrsach gegeben, vnd das Philippus Melanchton, als die K.=O. Anno 52
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durch D. Johannem Aurifabrum so deßfals gegen Wittenberch gereiset in Druck erstlich vorfertiget, das Examen ordinandorum vnd etzliche andere stucke darinne gestellet hatt.
Dieweile nu diese E. f. g. Meckelburgische K.=O. jetzunt die Wittenbergische vnd Churf: Saßsische K.=O. geworden ist: haben wir billich bedencken, ob sich auch geburen vnd geziemen werde, in einem frembden wercke der Churf. Saßsischen K.=O., vnd sonderlich in Examine Ordinandorum, oder Summa der Christlichen lehre, von Philippo gestellet, etwas zu revidiren, vnd wie E. f. g. schreiben lautett, zu uorbesseren vnd Zu reformiren, welliches so es von vns fürgenommen wurde, sonderlich die gewesenen Wittenbergischen Theologi vnd ihres glaubens verwanten Zu Neustadt, Vielichte ehe es alhie ganz beradtschlaget vnd beschlossen, Zum ergsten Vnd gifftigstem vorkeren vnd vns durch offentliche schrifften, alse die Philippo sein Examen ordinandorum meisteren, das Magnificat Corrigiren vnd vorbesseren wolten, in die welt außtragen werden.
Stellen derhalben Zum dritten in J. F. g. hochuorstendiges gnediges bedencken vnd wolgefallen, ob J. f. g. nochmals in der vorigen Meckelb: vnd jetzundt Wittenb: vnd Churf. Sassischen K.=O. etzliche stucke reuidiren oder aber eine eigene K.=O. fur E. f. g. furstenthumb vnd lande Kirchen vnd vntherthanen fur sich haben wollen, wie alle andern Christliche Chur= vnd fursten, auch die benachbarte Stadt Lubeck, Hamburgk, Braunschweig, andere, ein jeder seine K.=O. hatt.
Wie den die Zeit fur 25 Jharen als gegenwertige Meckelburgische K.=O. Zu Wittenbergk, in der Wittenbergischen Kirchen namen, nachgedrucket, E. f. g. her Bruder hertzog Hans Albrecht dafur gehalten, das es ihren vnd deroselbigen Kirchen ehrlich, vnd Zu erhaltung ihren furstlichen Reputation notig, das wie andere Chur= vnd fursten, einn jeder fur sich seine K.=O. hette, Vnd darauff D. Dauidius bepfolenn solliche uff weiter bedencken Zu entwerffen, welliches auch Zum mherertheill geschehen, Vnd dieweil von der Zeit, bis ietzundt darinne nicht weiter furgenommen oder befholen, soll dieselbe Designation hernach in anderen orteren gebraucht sein.
Zum Vierten dieweile der grundt vnd Kernn aller Christlichen K.=O. die einige ewige warhafftige lehre von Godt vnnd vnserem heilande Jesu Christo ist, welche im ersten theill der K.=O. im Examine Ordinandorum gefasset ist: Vnd aber diese Zwei Vnd dreissig Jhar, nachdem die Meckelburgissche K.=O. erstlich, von ausgegangen vielen Articulen Christlicher lehre allerlei
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neuwe vorworrenne disputationes Vnd hefftige Religionstreit in offentlichen Schrifften Zum theill von newen erreget, Zum theill uff das eußerste gescherffet sindt,
Alß nemlich Von der person vnd gegenwertigkeit Jesu Christi
(Es folgen die Artikel, von Vereinigung und Mittheilung der Eigenschaften der göttlichen und menschlichen Natur in Christo, von der Erbsünde, vom Evangelio, von der Rechtfertigung, vom freien Willen) .
Dieweile nun von diesen hohen Articulen allerlei ungeleiche Schrifften, durch den Druck ausgesprenget, den pastoribus fur kommen, welliche nicht allein selbst dadurch irr gemacht, sunder auch woll vnnotigk vngegrundet gezenk uff die Canzell bringen mochten,
So erfordert die hohe nottrufft, das sonderlich von denen Articulen, so diese 32 Jhar vber, nach erster vorfassung der Meckelb: oder Wittenbergisch K.=O., inn streit getzogen, deutliche erklerungen Gottes wordt vnd schrifften vnserer Väter vnd lerer so Zur Zeit der vbergebenen Ausburgisschen Confession ausgangen, geleich vber einn stimmend, in denselbigen Articulen gesetzt werden, damit die pastores, vnd andere, was Christlich vnd Gottes wordt gemeß, vnd was demselben wiederich, selbs wissen, vnd nicht vnnotig oder sunsten vngegrundete fantasiien uff der Cantzell tregen mochten. Stellenn derhalben auch dieses in E. f. g. Christlich gnedich bedencken, ob man sich allein uff das Concordienbuch referiren vnd beruffen, oder aber uff das Kurtzest vnd deutlichste, als muglich, in dem ersten theile der K.=O. von der lere erkleren soll, wie wir danne vnderthenig erinnern vnd bitten, das E. f. g. neben der Bibell auch das Concordienbuch vnd Historia der auspurgischen Confession auch der Apologia in alle Kirchen e. f. g. lande vorordnen wollen."
Wenn wir die übrigen Punkte zusammenfassen dürfen, so sind es kurz diese: die Superintendentenordnung möge der K.=O. eingefügt werden; neu bestätigte Superintendenten sollen sich von den übrigen prüfen lassen; die herrischen oder lasterhaften Pastoren mögen Landes verwiesen, aber nicht gehindert werden diejenigen, welche rechtmäßig handeln nach Joh. 58 und Ez. 3, 33. Darum dürfen letztere Citate in der K.=O. nicht geändert werden. Aber die Pastoren sollen nicht sofort bannen, sondern nach dem Prozeß Christi vorgehen. Für das Konsistorium soll der Fürst Register verfertigen lassen von den Einkünften u. s. w. der Pfarren; es folgen einzelne Beschwerden über die fürstlichen Amtleute, gegen das Hofgericht, über den Bann, der vom Konsistorium ausgeht,
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über die Visitationen, deren Kosten von den Kirchen allein nicht getragen werden können. Die Ceremonien will man gern unverändert lassen. In den Schulen wünscht man Uebereinstimmung der Grammatiken. Aus den Klostergütern mögen Stipendien gegeben werden an die, so Landeskinder sind, wie auch der Kurfürst von Sachsen 300 Thaler, der Herzog von Württemberg 150 Thaler für ein collegium zu Tübingen gäbe, daraus ganz Oberdeutschland mit Pastoren und Superintendenten versehen wird. Der Schluß lautet:
"Stellen dieser unserer unterthenige erinnerungen alle in E. f. g. hochuorstendiges Rath vnd wolgefallen, vnd sindt deroselben vntherthenich Zu denen alle Zeit pflichtich. Dat. Rostogk 25. Martii Anno 85."
Erst am 16. Juni antwortet Ulrich. Inzwischen sind die Wünsche der Superintendenten und ihre Aufgaben nicht geheim geblieben. Am 8. April bietet sich der Schulrektor Franz Oemich dem Herzog zur Besorgung des Papiers der K.=O. und einiger Bücher an. 1 ) Er habe gehöret, daß der Neudruck der K.=O. beschlossene Sache wäre; weil aber in Rostock kein gutes Papier sei, so wolle er in Neustadt oder Grabow mit den Papiermühlen unterhandeln, damit bei diesem guten Wetter einige Ries auf Vorrath gearbeitet würden; dann würde des Papiers halben in dem hochnöthigen Werke keine Verzögerung eintreten. Oemich will auch deutsche Bibeln, Kirchenpostillen, Konkordienbücher, auch die reine Conf. Aug. von Leipzig besorgen "für bessern Kauf als hier zu Lande, weil ich's mit Postillen verstehen kann". Ulrich antwortet ihm vorläufig, daß er hierauf sich noch nicht erklären könne, weil die Sachen noch zu weiterer Berathschlagung ständen. Am 20. April schreiben die Revisoren selbst an Ulrich: 2 ) Bei der mancherlei vorher entstandenen Jrrsal und Korruption können die Pastoren auf dem Lande alle ausgegangenen Streitschriften Unvermögens halber nicht kaufen und lesen. Deshalb mögen bei etlichen der fürnehmsten Kirchen in Städten und Dörfern die deutsche Bibel, Luthers Kirchenpostille, das Konkordienbuch sowie die eben veröffentlichte historia der Augsburgischen Konfession 3 ) deponirt werden. Auch wenn die K.=O. jetzt nicht zu Stande käme, möchte dies dienstlich sein. Der Fürst solle deshalb dem nach Leipzig reisenden Oemich Auftrag geben, von
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den genannten Büchern je 100 Exemplare mitzubringen. Ulrich ist damit einverstanden, läßt aber durch Melchior Dankwart am 22. April an Oemich schreiben, 1 ) daß er statt der Kirchen= lieber die Hauspostille kaufen solle, und da auf dem Lande viele Pastoren wären, welche die hochdeutsche Sprache nicht lesen und verstehen könnten, solle er sie "in sächsischer Sprache zu wege bringen". S. F. G. zweifle nicht, daß Sie in dieser Sprache wohl zu bekommen sein werde. Daß der Auftrag von Demich ausgerichtet ist, erfahren wir aus seinem Briefe an Dankwart vom 23. Juni; 2 ) Ulrich war ungehalten, daß Oemich für die sächsische Bibel mehr als 6 fl. forderte.
Am 16. Juni sandte der Herzog von Güstrow aus seine Antwort "an die Verfasser des Bedenkens" ab. 3 ) Er sendet eine Abschrift des eingereichten Bedenkens, dem seine Resolution an den einzelnen Stellen ad marginem zugefügt war. Ohne auf die Befürchtung der Revisoren hinsichtlich. der Veränderung der Arbeit Melanchthons einzugehen, bestimmt Ulrich, daß Chyträus auf Grund des Bedenkens der Revisoren sowie des vom kranken Neubrandenburger Superintendenten eingegangenen Berichtes und der dazu gemachten fürstlichen Resolutionen die Inserirung und Extendirung der Artikel vornehmen solle. Chyträus wäre ja der Kirchen= und Landgewohnheiten am besten kundig, auch bei der Verfassung der alten K.=O. mitgewesen. Dann soll er die so revidirte Kirchen= und Kirchengerichtsordnung dem Herzog wieder zustellen, der sie von seinen Hof" und Landräthen abermals verlesen und dann drucken lassen will.
Wie stellte sich nun Chyträus zu dieser Aufgabe? Er hatte es doch für nicht geziemend gehalten, in fremdem Werke etwas zu verändern! Er klagt in seinem Bericht, daß den Revisoren keine andere Antwort geworden sei als "etliche scholia ad marginem, so ethwann von Doctor Niebur beym schlaffdrunck dazu gesmirt", aber mit dem fürstlichen Befehl, solche in ein corpus zu bringen, d. h. eine K.=O. darnach zu verfertigen. Welcher Art sind nun diese scholia ad marginem? Wir finden sie in dem Bedenken, das Chyträus 1599 den Revisoren vorlegt und 1600 an Ulrich einsendet - es ist dasselbe Exemplar. 4 ) Chyträus redet tadelnd von Niebur "beim Schlaftrunk dazu geschmiert", ja in seinem Bericht verdächtigt er diesen als einen Kalvinisten: "Jn diesen scholiis waren etzliche Stück der K.=O. gantz widerwertig und
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von deutlicher erklerung der Lereartikell kein Wort gedacht". Chyträus zweifelte deshalb, ob der Fürst von Niebur und den Seinen auch recht berichtet sei. "E. F. G. wissen ja auch, was Religion D. Niebur zugethan, wie er sich dann offenbar dazu bekandt hat, Vnd derselben Diese zweifelhaffte vnd uff schrauben gesetzte form der Lere im examine in der ersten Meckelburgischen Kirchenordnung, da er vnd seine glaubens genossen sich vnter verbergen konten, lieber hat behalten gesehen, denn etwas deutlicher vnd klarer vnterschied der rechten vnd falschen Lere setzen lassen." Es ist also klar, daß jener kalvinistische Hofrath Niebur Interesse daran hatte, möglichst die alte K.=O. beizubehalten, und wohl nicht mit Unrecht darf vermuthet werden, daß er solche Aenderungen machte, die Chyträus, dem Theologen, nicht genehm sein konnten, weil sie es auch nicht sollten. Niebur gehörte aber mit Bolfras, Lieben, Graß zu den zum Hofgericht verordneten Räthen. 1 ) Persönliche Feindschaft kam wohl hinzu; wenigstens Schütz bemerkt, 2 ) daß Chyträus manchen Zwist mit ihm hatte. Bei der Rektoratswahl im März 1571 hatte Chyträus von der Wahl dieses eben erst angekommenen J. U. Licentiati abgerathen; er ward aber doch gewählt. 1577 war er Chyträi Nachfolger im Rektorat. 3 ) 1574 heißt es, sei Niebur Hamburgensis zum Licentiaten in Rostock kreirt. Daß er zeitlebens Chyträo feind geblieben ist, erhellt nach Schütz 4 ) auch daraus, daß Chyträus seinen selbstmörderischen Tod sogar in seinem Chronicon Saxoniae mitgetheilt habe. Daselbst ersehen wir auch aus einem Briefe Selneccers, wie verhaßt er den Theologen war: Sein Ende solle viele mahnen, nichts gegen das Gewissen zu thun. Die Gründe dieses Hasses liegen nach Schütz auch darin, daß Niebur den Chyträus um seine Gunststellung bei Hofe beneidete, und schon in der Ausarbeitung der Konsistorialordnung vieles gegen Chyträi Willen hineinsetzte, auch "in aliis negotiis" Chyträo feindselig war.
Diese Feindschaft hat damals das Werk der K.=O. vereitelt. Allerdings hat Chyträus dem fürstlichen Befehle gemäß die Arbeit in ein corpus gebracht und an den Hof geschickt. Aber er muthmaßte nicht unrichtig, daß "das, was er schriftlich erinnerte, von D. Nieburn und andern, so täglich von E. F. G. gehört wurden, leichtlich konnte verhindert und verkehrt werden". Und der Fürst hatte in dem Briefe vom 16. Juni in Aussicht
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gestellt, daß er das von Chyträus verfaßte Exemplar von seinen Hof= und Landräthen abermals verlesen lassen wollte. Chyträus hat auf sein eingereichtes corpus keine Antwort bekommen. "Es hat mir auch nicht gebüren wollen, um antwort anzuhalten, denn ich von vielen jaren gelernet, daß man zu hoff ohn bevehl nichts fürnemen sol, vnd das kein antwort auch ein antwort sey. Hat mir auch darum nicht gebüren wollen, damit ich nicht als der mein privat ehre suchte, verdacht würde." Dennoch ist die Arbeit Chyträi nicht verloren. Wie er selbst sagt, hat er in "eignem und keiner Herrschaft Namen" das Buch bald drucken lassen. Nach Schütz, vita Chytraei II, S. 109, hat Chyträus in Helmstadt durch Jakob Lucius 1587 eine K.=O. drucken lassen. Hierauf und nur hierauf ist die Angabe bei Klüver 1 ) zurückzuführen, daß 1587 ein Neudruck der K.=O. erfolgt sei. Handschriftlich findet sich die Arbeit zu Schwerin, "Bedenken von der Kirchenordnung", 366 Doppelseiten stark, und im Rostocker Archiv, Tomus I, S. 431-899, unter demselben Titel. Die Einleitung zu derselben ist diejenige, welche Chyträus 1570 Herzog Johann Albrecht eingereicht hatte, nur daß statt der "18 jare" es jetzt heißt "vor 30 jaren". Die ganze Anordnung der K.=O. weicht von 1552 wesentlich ab; es sind nur drei Theile, gerade so wie in der 1578 von Chyträus für Oesterreich gedruckten. Der erste Theil ist die Summa christlicher Lehre in 16 Artikeln. 1. Wahre Anrufung Gottes. 2. Erschaffung aller Kreaturen. 3. Gesetz. 4. Sünde. 5. Evangelium. 6. Menschwerdung Christi. 7. Rechtfertigung des Glaubens. 8. Erneuerung. 9. Buße. 10. Freier Wille. 11. Predigtamt. 12. Sakramente. 13. Menschensatzungen. 14. Weltliche Obrigkeit und Ehestand. 15. Trost in Anfechtung. 16. Auferstehung. Der zweite Theil ist die Kirchenagende und handelt in 12 Artikeln vom Amt der Prediger, Ordnung der Gesänge, Ceremonien beim Abendmahl, Festen, Kollekten und Litanei, Reichung der Taufe, Verhör der Abendmahlsgäste, Beichte, Trauung, Kirchenzucht, Krankenbesuch, Begräbniß. Als dritter und letzter Theil folgt die christliche Bestellung des Predigtamts, wozu das Examen der zu Ordinirenden gehört, ferner Instruction der Superintendenten und Kirchenräthe, Bestellung christlicher Schulen, Verwendung der Kirchengüter, Visitation und Synoden, Ordnung des Kirchengerichts.
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Die Arbeit des Chyträus, wie sie hier vorliegt, stellt in der That eine so durchgreifende Veränderung der K.=O. von 1552 dar, daß von einer "revidirten" füglich nicht mehr die Rede sein kann. Chyträus ist seiner Meinung getreu geblieben, daß es nicht geziemend sei, in einer Ordnung, die man mit andern Ländern gemeinsam hätte, und besonders in Philippi Arbeit etwas zu ändern, und daß andererseits Meklenburg seine eigene K.=O. haben müßte.
14 Jahre hat das Werk unserer K.=O. geruht Das Rostoder Ministerium unter seinem Superintendenten Bacmeister war es, das den Herzog Ulrich, als er zur Visitation der Universität 1599 nach Rostock kam, um eine Revision der K.=O. anging. Vom 21. März 1599 datirt seine Supplik: 1 )
"Durchleuchtiger Hochgeborner Furst, E. f. g. sein Vnser andechtiges gebett sampt Vnsern Vnterthenigen Diensten hohestes vleißes Jeder Zeit Zuuor, Gnediger Herr, Weill E. F. G. diese J. f. g. Vnterthenige Stadt Rostock einmall Jn gnaden besuchen wollen, Vnd daß Christliche heilsame werck der Visitation E. F. G. loblichen Vniuersitet alhie Jm namen der heiligen Dreyfaltigkeitt vorgenommen, Alß bitten wir denselben waren Godt Vater, Sohn vnd Heiligen Geist, er wolle E. F. G. vnd anwesenden Hern Räthe vnd beiderseits verordenten hertzen erleuchten, vnd regieren, Daß dies werck Zu seines heiligen namens ehre, Zu erhaltung vnd fortpflantzung warer Christlicher lehre, aller guten Kunsten vnd Sprachen, vnd Zu großem nutz der studirenden Jungen Jugent, auch Vnser nachkommen Heill Vnd segen gereichen moge.
Nachdem aber E. f. g. alß ein loblicher Christlicher vnd hochverstendiger Furst bißher allewege vber die reine vnd wahre Christliche religion vnd lehre deß heiligen Euangelii mit sonderlichem eiffer vnd ernst gehalten, Vnd die falsche verfuhrische lehre wider Gottes klare wordt Vnd stifftung der heiligen Sacramente gehaßet, vnd Jn Jhren Furstemthumen vnd Kirchen auch Jn dieser E. F. G. Vniuersitet nicht haben dulden wollen, so Zweiffeln wir auch Jn Vnterthenigkeit nicht, E. F. G. werde solches nochmals bey diesem Visitations wercke Jn gnediger acht haben, wie dan auch E. F. G. wir hirumb gantz Demutig Vnd Vnderthenig bitten thunn, Denn Dieweill durch Gottes gnad
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vnd auß=Versehung die lobliche Vniuersitet mit vielen berumbten Professorn Jtziger Zeitt woll versehen, vnd daneben Jn dieser kirchen ein feines wollbestelletes Ministerium von dreizehen Personen bei einander sein, Vnd Gobt lob bißher Jn guter Christlicher einigkeit, liebe vnd friede Vnternander meistentheils gewesen Vnd geblieben, so were auch Vnsers erachtens nicht beßeres Zu wunschen, den daß es Jn solchem friedtlichen stande vnd Christlicher guter Correspondentz Zwischen gedachten beiden ordinibus also auf die liebe posteritet lange Zeit erhalten mochte werden.
Nun ist aber am tage, wie leider, Godt erbarme es, an Vielen orten, Vnd gemeinlich Jn berumbten Vniuersiteten Jn den negsten Jahren mancherley streit Vnd Zanck Jn der religion vnd Godtlicher lehre erreget sein, Vnd Jnsonderheit die Sacramentirische oder Caluinische secta mit Jhrem gifft listiglich einschleichet, Viele furneme gelerte leute einnimpt, Vnd darnach groß ergerniß vnd Zerrüttung anrichtet. so wirdt der Teuffel auch woll endtlich bey vns nicht feieren, Vnd den langen gewunschten vnd berumbten friede vns nicht gerne Jn die lenge gönnen. Wie er dan woll bißweilen sich etwas mercken lest, Kan Aber noch nicht gar herauß brechen, Weill Jhm Vnser lieber Herr Jesus Christus durch E. F. G. vnd Godtselige trewe vnd furneme leute, so woll an E. F. G. hoffe alß Jn der Vniuersitet Vnd Ministerio alhie daran Verhinderlich Jst.
Derhalben wir woll hochnötig erachten, Jm ferner Jn Gottes furcht Vnd hülffe Vor Zubawen, Damit er nicht dermall einst lufft Krige, Vnd wen die leute schlaffen, sein Vnkraut Vnter den reinen weitzen see. Worinne E. F. G. auch bey diesem heilsamen Visitations werck Dem lieben Godt Zu ehren Vnd den nachkomen Zum besten viel guts werdenn thunn konnen Demnach auch E. F. G. wir vnsers ampts halben vnd auß Christlicher Vorsorge hiruon Vnterthenig erinnern wollen, Weill vnß theil auch nicht Vnbewust, waß die Anno 1563 auffgerichtete Concordia der Vniuersitet, Von diesem Punct, Die erhaltung warer Christlicher religion Jn dieser E. F. G. Vniuersitet betreffend, meldet.
Damit aber auch von den Theologen, Superintendenten vnd Predigeren selbst keine newrung vnd Vneinigkeit Jn lere Vnd ceremonien erreget wurde, vnd der Teuffel hierdurch vrsache Zu seinem bosen furnemen krigete, stellen wir Jn E. F. G. Christliches vnd gnediges bedencken, ob nicht dienstlich vnd notig were, daß Zu gewißen Zeiten ein conuentus der Theologen dieser Uniuersitet vnd der Superintendenten des gantzen fursten=
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thumbs gehalten Vnd daselbst von erhaltung Vnd fortpflantzung reiner lehr, Von friedtsamer vnd eintrechtiger regirung der Kirchen Vnd von andern notigen Kirchensachen tractiret, Vnd solche handlung hernach E. F. G. kirchenordnung oder den regirenden Landesfursten Vnterthenig notificiret Vnd J. f. g. ratification Vnd execution gebetenn wurde, wie dan auch Jn E. F. G. K.=O. von gemeinen Synodis zu erfordern, vnd daß solches Zu der herschafft bedenken stehen soll, meldung geschicht. Vnd nachdem fur etlichen Jahren eine notwendige reuision der K.=O., derer wir vnß auch Jhmer Zu gebrauchet, unß E. F. G. gnedigen beuhell von den Theologen vnd Superintendenten vorgenommen, Aber noch nicht gentzlich Jns werck gerichtet, Wir auch von den Ehrwirdigen vnd hochgelarten Hern D. Dauide Chytraeo Vnserm lieben hern Seniorn Vnd praeceptorn vernomen, daß er hiebeuor auch E. F. G. Vnterthenig Jn schrifften erinnert, von Jtztgemeltem Synodo vnd Continuirung derselbigen reuision, Alß sein wir so viel mehrer Vnd Vndertheniger hoffnung, E. F. G. werden auch solch Christlich vnd heilsam werck umb Gottes ehr Vnd seiner Kirchen friedt vnd langwiriger erhaltung willen, vor Zu nemem vnd mit Godtlicher hülff in effectum Zu bringen Jn allen gnaden geruhen. Solches alles wirdt neben diesem loblichen vnd guten visitations werck, dem Sohn Gottes Jesu Christo, dem heupt seiner kirchen, vnd Hern aller Heren sehr angenem sein, Vnd er wirts E. F. G. mit langem leben, glucklicher regirung Vnd entlich mit ewiger sehligkeit gnedig vnd reichlich vergelten. Vnd bitten E. F. G. wir Jn aller demut vnd Vnterthenigkeit, Dieselbe wolle diese Vnsere wollmeinende vnd vnterthenige erinnerung dauon wir auch mit wollgemeltem Hern D. Dauide Chytraeo Vnd E. F. G. Superintendenten, D. Joanne Fredero vnß freundtlich vnterredet, Jn gnaden auffnemen, vnd vnser gnediger Furst vnd Her sein vnd bleiben. Datum Jn E. F. G. Stadt Rostock den 21. Martii Anno 1599.
E. F. G. | |
Vnterthenige
diener
Superintendens, Pastores Vnd alle andere prediger daselbst. |
Herzog Ulrich erließ darauf unter dem 6. April 1599 einen Befehl an die theologische Fakultät, nämlich Chyträus, Bacmeister, Freder, Schacht, Lobech, 1 ) worin er bestätigt, daß er Gottes
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Wort nach den Prophetischen und Apostolischen Schriften rein bewahren will, nach den vier Symbolen, der Confessio Augustana und der "darausgenommenen Formula Concordiae". Weil aber die K.=O. angezweifelt wird, ob Sie lutherisch oder kalvinisch sei, weil zweifelhafte Worte darin wären, die auf zweierlei Meinung interpretirt werden könnten, auch manche Stücke vermißt würden, sollten die Theologen mit andern unsern Superintendenten am 6. Juni in Rostock zusammenkommen, die Mängel observiren und annotiren, die ganze K.=O. mit Fleiß revidiren, und was darin zu reformiren und etwa dazu oder davon zu thun, in Gottesfurcht erwägen, die einhellige Meinung in Schriften dem Fürsten vorstellen, damit den Calumnianten begegnet und von uns ferner zu Werk gerichtet werden möge, was sich zum besten schicken und nöthig sein will. Inbetreff der nun folgenden Verhandlungen haben wir zwei Berichte, den schon genannten des Chyträus und eine Schrift Bacmeisters an die Konsistorialräthe, Albin, Cling, Cothmann, vom 19. Januar 1601, ersteren im Schweriner, letztere im Rostocker Archiv.
Vor der Ankunft der Superintendenten versammelten die Rostocker Theologen sich allein. Es entstand aber eine "Zweinung" so groß, daß dadurch das ganze Werk wieder fraglich wurde. Chyträus bringt nämlich seine Meinung vor, warum man in Pilippi K.=O. nicht ändern dürfe, sondern eine neue stellen müßte; er hatte auch zwei Theologen auf seiner Seite, die, ohne daß Chyträus es ausdrücklich begehrt hatte, seine den österreichischen Ständen 1578 gestellte K.=O. dem Fürsten zu empfehlen vorschlugen. Gegen ihn trat Bacmeister und noch ein anderer auf, mit dem Hinweis auf den Befehl des Fürsten, daß keine neue K.=O. verfaßt werden sollte; Bacmeister berief sich eigens darauf, daß er noch zweimal mündlich vom Kanzler Bording denselben Befehl erhalten hätte. So fanden die Superintendenten die Lage vor, als sie am 7. Juni in der Wohnung des kranken Chyträus zusammenkamen. Chyträus legt ihnen das Bedenken vor, welches er 1585 schon gestellt hatte. Bei diesem blieb er auch jetzt stehen: Es sei nicht rühmlich, in einer K.=O. zu reformiren, die man mit andern Ständen gemein habe; besonders da Philipp Melanchthon das examen gestellt habe; es würde nur Flickwerk herauskommen, wollte man hier und dort verbessern; besser wäre es, etwas Eigenes für sich selbstzu machen. Da wurde der Bruch mit Bacmeister offenbar. Dieser hatte schon beantragt, daß noch "2 Ratstheologen uff der alten Stadt, weil sie von den Kirchensachen mehr erfahren und lernen möchten"
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hinzugezogen würden. Aber er wurde von allen hiermit zurückgewiesen, weil "jene nicht mit verschrieben wären". Dieser Antrag Bacmeisters bildet den einen Grund für die Gegnerschaft des Chyträus. Aber letzterer hat noch einen andern. Wenigstens in seinen letzten Briefen an Ulrich vom 1. und 14. Januar 1600 1 ) scheut er sich zwar den Grund offen mitzutheilen, erbietet sich jedoch einem Vertrauten des Herzogs, ihn zu offenbaren. Am 14. Januar erklärt er sich denn, er habe den Einfluß der Rostocker Theologen deshalb zu verhindern gesucht, weil er fürchtete, daß die Rostocker sich daran einen Präcedenzfall schaffen könnten, auch gewiß alle Mängel der fürstlichen Kirchensachen breit treten würden. Bacmeister gesteht in seinem Bericht dies unumwunden ein: "Nachdem ich aber auch erfahren, das S. f. g. wie auch E. Exellenzen -- also die Konsistorialräthe - vnd ander furnemer leute mehr in die gedanken gefuhrt worden, als geburete mir so sehr nicht mich dieser sach an Zu nehmen, sintemahl ich hier in der Stadt Rostock allein Superintendens bin, Vnd daher ein Erbar Rath hieselbst sich etwas mit in diesem werck, welches das geistliche Kirchenregiment betrifft, anmaßen, vnd ich dazu vnterschlupf geben mochte." Zum Verständniß muß bemerkt werden, daß trotz der herzoglichen Patronatsrechte der Rath Rostocks nur unwillig das geistliche Regiment des Herzogs sich gefallen ließ. Gewiß war also die Weigerung des Chyträus, die Rathstheologen zuzulassen, objektiv genug begründet. Aber auch persönliche Feindschaft kam hinzu. Chyträus beklagt sich, daß die Superintendenten alle bei Bacmeister gegessen hätten, daß die späteren Sitzungen alle im Ministerium abgehalten wären, besonders aber, daß Bacmeister ohne Wissen des Chyträus nach der Vorberathung an den Herzog geschrieben hätte. In der That hatte ersterer noch einmal an Ulrich geschrieben. Und indem dieser am 5. Juni an Bacmeister schrieb, 2 ) daß wir es nochmals bei unserm vorigen sub dato Dobran den 6. April abgegangenen Schreiben und der darin ausdrücklich gesetzten Meinung gnädiglich beruhen lassen, daß nämlich unsere K.=O. revidirt, und an den Orten, da es nöthig, korrigirt, auch die Defizit und Mangel, so dabei zu finden, supplirt, aber sonsten in der Form, darin sie zuvor begriffen, gelassen werde, konnte Bacmeister, nachdem Chyträus sein auf anderem Standpunkte beruhendes Bedenken vorgelegt hatte, triumphiren: Man dürfe
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Chyträi Vorschlag in Betreff einer neuen K.=O. nicht annehmen, weil es wider fürstlichen Befehl wäre. Chyträus entgegnete, daß er "oftmals erste Schreiben unter J. F. G. Hand auf ungleichen Bericht empfangen hätte, da S. F. G. auf empfangenen Gegenbericht sich anders erklärt hätte". Der Vorschlag des Chyträus, noch einmal an den Fürsten zu berichten, fand bei den Superintendenten keinen Anklang, welche vielmehr ihre zu Hause gemachten annotationes hervorholten, zuerst die K.=O., beides in meißnischer und in sächsischer Sprache, ordentlich unter einander verlasen, die Mängel anmerkten. Die Notata Bacmeisters finden sich im Rostocker Archiv, Tomus I, S. 199-209, die observata des Bokatz S. 215-230. Auch auf die Konsistorialordnung dehnte sich ihre Thätigkeit aus; wenigstens baten sie in einer Schrift vom 14. Mai um Abstellung mancher Beschwerden, die sie namentlich aufführen, besonders um eine volle Revision dieser Ordnung, damit sie in allen Stücken mit der K.=O. gleichstimmig sei.
Chyträus hielt sich fern, während Bacmeister noch einmal mündlich in Doberan vom Herzog Bescheid holte. Aber am 13. Juni kamen die Superintendenten zu Chyträus, mit ihren Notata, um dieselben zusammen mit Chyträi Bedenken an den Hof einzusenden. Chyträus forderte sie vorerst auf, "den ganzen Wust, scopae dissolutae", rein abzuschreiben und in ein corpus zu bringen. Da sandte man den Superintendenten Bokatz nach Dargun an Ulrich ab, damit letzterer entscheide, zugleich aber dilationü ertheilte, damit Sie "was Sie in Verlesung und Erwägung der K.=O. notirt hatten, in eine rechte Ordnung und caput bringen könnten". Ulrich antwortete unter dem 20. Juni: 1 ) Wir lassen es bei unserer vorigen Meinung und Erklärung beruhen, daß keine neue K.=O. gemacht, sondern die alte korrigirt werden soll. Die Frist zur Ausarbeitung wird gewährt. Chyträus hatte den Brief an den Herzog nicht mitunterschrieben.
Dennoch bleiben die Revisoren mit ihm in Verbindung. Die Rathstheologen, die von den nach acht Tagen heimreisenden Superintendenten bestellt waren, die Verbesserungen zu sammeln, reichten diese am 8. September an Chyträus ein. Derselbe wunderte sich, daß dabei die Vorschläge der übrigen Superintendenten ganz unbeachtet geblieben wären; er fand allerdings nicht "das Wort Gottes zuwider wäre; aber weil es ein ganzer Haufe bloßer Notationen sei, welche je auf einen Zettel geschrieben,
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allenthalben in die K.=O. eingelegt werden sollten", so widerrieth Chyträus nach wie vor "in anderer Leute Arbeit einzuflicken". Es sei dem Fürsten nicht rühmlich und löblich bei andern verständigen Herrn und Gelehrten, wenn in dieser gemeinsamen K.=O., besonders im examen, das das beste und fürnehmste Stück der K.=O. ist, viel reformirt würde; das würde bedeuten, das Magnifikat korrigiren zu wollen. Dennoch deutet er jetzt schon an, daß es andere Wege gäbe, wenn man einmal keine neue K.=O. stellen dürfte. Es scheint, als ob er den Revisoren entgegenkommen wollte. Aber näher sprach er sich noch nicht aus. Als dann am 18. Oktober Lobech ihm ein Exemplar der revidirten K.=O. brachte, allerdings mit viel weniger annotationes, bat Chyträus wiederum auszusetzen, daß man nicht die K.=O. von 1557 gewählt habe, sondern die von 1552 "daran doch nicht viel gelegen ist". Wir müssen dabei erinnern, daß Chyträus nur die K.=O. von 1557 für die meklenburgische hält, weil Sie eigens für Meklenburg übersetzt war. Bacmeister persönlich kommt noch einmal am 12. November, um Chyträus zur Unterschrift zu bewegen. Letzterer aber wollte "sich mit dem Manne nicht weiter einlassen", weil, wie er nun hervorhebt, sein ganzes Werk von 1585 so gar keine Berücksichtigung gefunden hatte, und weil man gänzlich unterlassen hatte, darauf hinzuweisen, daß Meklenburg bisher keine eigene K.=O. gehabt hätte; besonders auch, weil Bacmeister so "klüglich" ohne sein Wissen jenen Brief vom 6. Juni vom Herzog erwirkt hätte. Chyträus behielt sich vor, selbst an letzteren zu berichten. Mit Recht bedauert Bacmeister später, daß Chyträus nicht sogleich mit seinem Plane eines Appendicis hervorgekommen wäre; dann hätte man gewußt, was Chyträus eigentlich wollte; nun aber sei das ganze Werk stecken geblieben. Bacmeister muthmaßt, daß am meisten der Umstand hinderlich gewesen sei, daß ihm und den Rostockern die correctiones und additiones übertragen seien, und daß S. F. G. aller, insonderheit Chyträi Subskription und Konsens hätten haben wollen. Wirklich ist Bacmeister, als nach Chyträi Tode das Werk fortgesetzt wurde, zuerst nicht zugezogen worden. Er übergab sein Exemplar dem neuen Superintendenten von Güstrow, Köhler, damit dieser sich auch dazu erklären könnte.
Gerade Chyträus führt nun mit dem Herzog einen lebhaften Briefwechsel. Um demselben die Möglichkeit eines selbstständigen Urtheils an die Hand zu geben, übersandte er ihm den Bericht von der K.=O., den wir zu unseren Ausführungen benutzten. Am Schluß dieses macht er den vermittelnden Vorschlag, in einem
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Appendix die Stücke zu geben, die einer Erklärung bedürften. "Und dieweil es ja wahr ist, daß etliche Stücke sonderlich in dem examine oder Lehrartikeln besserer Erklärung bedürfen, davon ich auch selbst unterthenig erinnert, so konnten E. F. G. die jetzige K.=O., was den Text an sich selbst belanget, wie bisher diese 40 Jahre gewesen ist, bleiben lassen und in eine besondere von der K.=O. unterschiedene Schrift oder Appendix, was hin und wieder in der K.=O. zu erklären, mit Verzeichniß der Blätterzahl nach einander anzeigen und ausführliche und deutliche declarationes stellen und zusammenbringen lassen. Welche Arbeit vielleicht bei verständigen mit weniger Schimpf und Spott als das jetzige Flickwerk würde aufgenommen werden. Jedoch nicht rathsamer und besser - und damit kommt er auf seinen alten Vorschlag zurück - hierin und E. F. G. löblicher und rühmlicher, denn daß E. F. G. wie andere Chur= und Fürsten und fürnehmen Städte ihre eigene und nicht mit andern gemeine, sondern vor sich und ihre Unterthanen allein und eigene K.=O. hätten." Der Herzog forderte daraufhin alle Arbeiten Chyträi ein, Sonnabends nach Weihnacht 1599: 1 ) die Vorrede von 1570, das gedruckte Buch von 1586 oder 87, das Bedenken aus dem Jahre 1585. Am 1. Januar 1600 sendet Chyträus, "so vergangen Monat beide Hände verloren gehabt, nun aber die linke Hand sich mit der Zeit wieder findet", die Aktenstücke ab, 2 ) indem er sich zugleich erbietet, durch eine vertraute Person von etlichen andern Stücken, so in dieser Berathschlagung für E. F. G. Person dienstlich sein, erinnern zu wollen. In der Vorrede, mit A gezeichnet, ist das "18 jar" durchgestrichen und darüber geschrieben "sind itzund 47 jar" also: 1599 - 47 = 1552. Das gedruckte Büchlein bezeichnet er mit B; das Bedenken trägt das Zeichen D und ist unterschrieben 8. Mai 1599 "Bedenken, das Chyträus den Theologen gab". Es weicht nicht unerheblich von dem ursprünglichen vom 25. März 1585 ab. 3 ) Am 10. Januar antwortet Ulrich, daß er das Bedenken vorher nie gesehen hätte. 4 ) Hat Niebur es seiner Zeit unterschlagen? Doch er hatte ja die scholia ad marginem dazu "gesmiert". So hat er also damals dasselbe dem Fürsten überhaupt nicht gezeigt? Ulrich ist auch jetzt noch nicht geneigt, eine neue K.=O. zu stellen, weil es den Anschein hätte, "als hätten wir bis daher keine reine K.=O. im Lande gehabt, daß wir dieselbe nunmehr selbst verwerfen. Jedoch war er mit dem Appendix einverstanden. Er belohnte Chyträus
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mit einem Geldgeschenk; Chyträus aber solle entweder schriftlich seine vertrauliche Mittheilung abgeben oder selbst an den Hof kommen. Am 14. Januar 1 ) antwortet Chyträus, daß er den Appendix so verfaßt sehen möchte, daß in ihm als einer besondern Schrift die nothwendigen Erinnerungen, sonderlich in doctrinalibus abgefaßt werden sollen. Aber das Konsistorium solle die Arbeiten verrichten, damit die Rathstheologen ausgeschlossen wären. Chyträus versichert noch einmal, daß er vorher nur durch Bacmeisters Verfahren abgestoßen gewesen sei, jetzt aber "weil E. F. G. nach Verlesung des Berichts auf solcher Meinung beständiglich beruhen, soll es billig auch meiner geringen Einfalt nicht zuwider sein". Nun sendet er auch das mit den scholia ad marginem versehene Bedenken, E, ab. Aber er bittet um Rücksendung sammt der Vorrede A. In einem Postscriptum läßt er sich jetzt herbei, seine vertrauliche Mittheilung abzugeben, die wir schon kennen lernten S. 54.
Am 30. Januar 2 ) bekommt Chyträus die Anzeige, daß der Superintendent Köhler als Mitglied des Konsistoriums sich mit ihm bereden solle, das Konsistorium selbst den Befehl, die Revision der K.=O. vorzunehmen, aber mit der Mahnung, daß, da "etliche Theologen, denen wir es nicht aufgetragen, sich der Direktion mehr denn sichs gebührt, angemaßt haben, die Berathung in Kirchensachen fürnehmlich unserm Konsistorio zustehe. Jedoch möge dasselbe andere mehr, so die Nothdurft erfordert, zuziehen". Man sieht, Chyträus hat mit seiner Warnung vor den Rostockern Erfolg gehabt. Am 6. Februar allerdings ist Köhler in Rostock und giebt Bacmeister die beruhigende Versicherung, daß nach Meinung des Konsistoriums die Publikation nicht eher geschehen sollte, als bis die K.=O. sämmtlichen Superintendenten kommunicirt wäre. 3 ) Am 8. Februar bittet Chyträus sich die Aktenstücke aus, die er zu seiner Arbeit haben müsse. 4 ) Ueber die nun folgenden Verhandlungen im Konsistorium berichtete Köhler am 14. Februar 1600 an Ulrich. 5 ) Man beschloß zunächst, für die Arbeit die sächfische und die oberländische K.=O. vorzunehmen, also die von 1552 und 1557; die politischen Ordnungen erboten sich die Juristen zu machen, die doctrinalia sollten die Theologen übernehmen. Als die Räthe forderten, daß alle Punkte, die disputirlich wären, herausgesucht würden, hat Köhler und Freder
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Nachmittags die K.=O. durchgelesen und bei Taufe und Abendmahl Ausstellungen gemacht, die man dem Chyträus nannte. Darauf beschloß man, daß man allein bei dem Exemplar von 1557 bleiben wolle, weil in andern viel hin und her geflickt wäre; man solle besonders die verba und sententiae beachten, die die Kalvinisten verkehren. Der Artikel de unione naturarum und ebenso de communicatione idiomatum müsse neu hineingesetzt werden. Was die Rathstheologen vorgeschlagen hätten, solle ausgelassen werden. Die doctrinalia sollte einer arbeiten. Chyträus fragt: Wer? Köhler schlägt ihn vor. Er entschuldigt sich, er wäre ein alter schwacher Mann und müßte alles seinem Schreiber in die Feder diktiren, das käme ihm sauer an. Endlich willigte Köhler ein. Allein die Juristen entschuldigten sich für ihr Theil mit andern wichtigen Geschäften. Privatim bat Köhler den Chyträus noch einmal um die Uebernahme der doctrinalia. Und wirklich ließ sich dieser jetzt herbei, besonders da Ulrich ihm schrieb: 1 ) "Unseres Ermessens lassen wir es bedünken, daß niemand besser die neue K.=O. wird verfassen können als Chyträus selbst". So schickt Ulrich ihm die erbetenen Akten, von denen Abschriften zu machen Bording dem Fürsten rieth, A, D, E sowie das geheime Postscriptum zurück. 2 ) Von anderer Hand findet sich auf demselben jetzt eine interessante Bemerkung "Chyträus fürchtet Schwestermann Bording". Weil also verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Bording und Bacmeister bestanden, hatte Chyträus seine Meinung nicht offen abgeben wollen! Daß diese Verwandtschaft bestand, ergiebt sich aus dem schon genannten Briefe Ulrichs vom 5. Juni 1599; der Brief, von Bording geschrieben, hat auf der dritten Seite private Grüße des Schreibers Bording an seinen Schwager.
Am 24. Februar bereits schickt Chyträus den Anfang des Appendix 3 ) an Ulrich ein und bittet, daß er aus des Fürsten eigenem Buche, "Hauptstücke" betitelt, etwas herübernehmen dürfe. Am 28. Februar 4 ) schreibt Köhler an Ulrich, daß er mit der Arbeit des Chyträus einverstanden sei, nur wünschte er die Aufnahme der Artikel von der Taufe, freiem Willen, Erbsünde; denn "obwohl hiervon in der Form. Conc. nothdürftig gehandelt wird, so kann's doch nicht schaden, daß diese Dinge im Appendix wiederholt werden, damit alle erfahren, daß wir der Meinung noch seien und davon niemals abgewichen haben". Am 1. März theilt Ulrich dem Chyträus sein Einverständniß mit dem Ueber=
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sandten mit, 1 ) wünscht aber, daß aus Philipp Nikolais Buch "Spiegel des bösen Geistes" etwas aufgenommen werde, und giebt seine Einwilligung zu der Benutzung seiner "Hauptartikel". Am 6. März antwortet Chyträus, daß er Nikolais Buch benutzen wolle. 2 ) Am 31. März sendet Chyträus den Appendix: 3 ) zu Ende der Artikel von der Gnadenwahl hat er Nikolai benutzt. 4 ) Chyträus kann sich aber der Befürchtung nicht erwehren, daß es ihm wieder so ergehe wie vor 16 Jahren, "dieweilen diese Leute noch vorhanden sein". Die Vermuthung scheint nahe zu liegen, daß am Hofe noch immer kalvinistische Räthe waren. Genaueres läßt sich nicht ermitteln, da Chyträus auf die Anfrage Ulrichs 5 ) keine Namen nannte. Herzog Ulrich ist dagegen, 18. April, 6 ) der Meinung, daß die Schuld der Verhinderung bei den Theologen selbst zu suchen sei. Aber mit der Arbeit des Chyträus ist er einverstanden, er wünscht so bald wie möglich die Publikation des ganzen Werks. Dennoch schickt er noch die Bedenken Köhlers mit, welche Chyträus in seiner Antwort vom 20. April 7 ) berücksichtigen zu wollen erklärt. Sie betreffen fol. 102 einige Worte, welche zu Anfang des Paragraphen gesetzt werden sollen; dann die specialis electio, wegen welcher Chyträus sich gern mit Köhler vergleichen will, "damit man den Kalvinisten nicht entlaufen möge," u: a. u. a. Leider haben die Juristen die politica noch nicht fertig, auch wird Köhler mit ihnen über die ceremonialia sich noch zu besprechen haben. Er selbst, Chyträus, kann sich dieser Sachen nicht annehmen, "so soll ich mich auch nicht in Sachen, die ich nicht verstehe, oder da ich kein Befehl von hab', nicht mengen oder anbieten". Am 16. Mai 8 ) erging der Befehl ans Konsistorium, den Appendix zu verlesen, die Superintendenten= und Konsistorialordnung aber schnell zu beenden, damit Chyträus dem ganzen Werk seine gebührliche Form gäbe. Die Konsistorialräthe entschuldigten sich mit Geschäften, 24. Mai; 9 ) nur D. Kling hat den Appendix zum Theil gelesen, Köster und Freder sind ganz fertig. Die Juristen sollen die Agenda machen; wenn sie nicht können, hat Chyträus sich schon erboten. Derselbe läßt zugleich anfragen, ob meißnische oder sächsische Sprache angewendet werden soll. Die Antwort Ulrichs lautete dahin, daß die Juristen die Agenda machten, sie dem Chyträus einreichten, dieser vor dem Druck sie an den Hof geben sollte.
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Am 25. Mai 1600 starb Chyträus. Die Arbeit war dadurch unterbrochen. Erst im nächsten Jahre nahm das Werk seinen Fortgang. Am 8. Oktober 1 ) entschuldigt sich Freder, daß er nicht nach Schwerin kommen konnte, wo die Superintendenten in anderer Veranlassung zusammengekommen waren; er schickt aber den Appendix und die Ceremonialia ein. Bacmeister benutzte inzwischen die Zeit, beim Konsistorio vorstellig zu werden, daß er zur Revision hinzugezogen werden müsse. Er machte in dem schon genannten Berichte geltend, nachdem er einleitend ausführlich die Verhandlungen zur K.=O. aufgezählt hat, daß er, wohl von zwei Personen des Rostocker Raths und dem Ministerium gewählt, vom Herzoge bestätigt sei, laut des ersten Güstrower Erbvertrages; er bekäme auch sein Gehalt nicht vom Rath, sondern von der Kirchenökonomie, 200 Gulden sundisch. Als das Rostocker Ministerium wegen der Ungleichheit in der K.=O. oftmals befragt sei, hätte es sich ohne des Raths Wissen an den Herzog mit einer Supplik um Revision gewandt Auch während der Versammlungen 1599 habe der Rath sich nicht darum gekümmert, weil er wohl wußte, daß es S. F. G. allein gebührte und Polizei und andere weltliche Ordnung nicht anging, in denen der Rath für sich in dieser Stadt zu disponiren Macht hat. Denn durch den zweiten Güstrower Erbvertrag ist die suprema inspectio dem Landesfürsten zugeeignet. Dieser setzt den Superintendenten ein; deshalb durfte Bacmeister auch um revision bitten. Auch persönlich sei er tüchtig zur Arbeit, da er schon 42 Jahre im Amte stände, davon 39 in Rostock. Zur Erhaltung des Friedens habe er die revision erbeten, ohne dem Rath das geringste ius hierin per occultam practicam zuzubringen. Nur als Pfarrer und Professor beziehe er sein Gehalt vom Rathe. Diese Ausführungen Bacmeisters zeigen uns, wie mißtrauisch man trotz der Güstrower Verträge gegen den Rostocker Rath in kirchlichen Sachen war.
Am 8. Juni 1601 ergeht dann auch der Befehl Ulrichs an die Superintendenten "sammt und sonders". 2 ) Sie wüßten sich zu erinnern, welcher Gestalt eine geraume Zeit her das Werk der vorgenommenen Revision fürnehmlich in ceremonialibus stecken geblieben sei; deshalb sollen sie am 13. Juli in Rostock zusammenkommen, ihre sententias konfirmiren, zuvörderst daran sein, daß die doctrinalia sowohl als die ceremonialia mit deutlichen und bequemen Worten begriffen und die darin angezogenen
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loca recht allegirt werden, damit den Widersachern alle und jede Gelegenheit zu calumniae und Zänkereien völlig benommen werden möge. Am 18. Juli berichten die Superintendenten Bacmeister, Köhler, Dinggräf, Neuwin und Freder, daß Sie alles überlesen hätten; zwei von ihnen würden die Arbeit in ein corpus bringen, Köhler würde den Verhandlungsbericht einsenden. 1 ) Aus diesem, datirt 24. Juli, 2 ) entnehmen wir, daß in den doctrinalia, wie Chyträus Sie gelassen hatte, nur bisweilen in den Worten etwas geändert ist; - es findet sich auch nur eine Seite voll notata 3 ) Bacmeisters - man ist aber in betreff einiger Stellen aus Kalvinistenbüchern zweifelhaft, ob "dieselben einem frommen Christen nicht gar abscheulich zu hören sein würden". Die einen sind dagegen, weil es gar zu unchristliche Worte seien; die andern, zu denen Köhler gehört, meinen, daß man sie gerade setzen soll, damit jeder erführe, was für Lehren die Widersacher führen, und man sie also an ihren Früchten erkennen könne. Der Fürst allein solle entscheiden. Auch die ceremonialia hat man berathen und mit Einschaltungen versehen, welche Bacmeister und Freder in ein corpus bringen; dazu gehören aber 4-6 Wochen, "gut Ding will Weil haben". Dann soll alles dem Fürsten zugeschickt werden, der auch die Sprache, ob meißnisch oder meklenburgisch, bestimmen soll. Ulrich antwortet am 25. Juli, 4 ) daß er erst die Ausdrücke und den Namen der Kalvinistenbücher wissen will, gleichwohl aber der Meinung sei, daß hierin "eine gebührliche Diskretion und Fürsichtigkeit gebraucht werden muß". Besonders sollen die Stellen genau angeführt, nicht aus dem Zusammenhang gerissen und gemißdeutet werden, "ohne einige Affekten, damit die Widersacher keine Ursache zu kalumnieren und kavillieren gewinnen". Die Sprache soll die hochdeutsche sein, weil nunmehr fast jedermann in diesem Lande kundig und erfahren ist; der Druck soll zu Rostock geschehen. Bacmeister aber und Freder mögen die ceremomalia bearbeiten.
Im Sommer sind nun die Theologen an der Arbeit. Die Notata Bacmeisters und Freders finden sich im Rostocker Archiv, S. 147-188; von Köhler liegt eine admonitio vor, S. 231. Interessant sind zwei Briefe von letzterem an Bacmeister, unter dem 10. und 29. Oktober. 5 ) In dem ersten theilt er das mit, was er inserirt zu haben wünscht; unter andern folgendes: Bei
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der Verpachtung von Kirchenacker sollen die Küster berücksichtigt werden, wenn sie soviel geben wie andere. Wenn Aposteltage außerhalb der Predigttage fielen, solle man sie verschieben auf den nächsten Predigttag. Ungehorsame Dienstboten der Pastoren soll der "Caspel Junker" oder Amtmann oder Küchenmeister zum Gehorsam zwingen. Etliche Pastoren hätten Eichbäume auf ihren Pfarren, davon die Bauern und Junker die Eicheln wegnehmen und sagen: die Bäume allein gehören den Pastoren, die Eicheln aber den Junkern. Köhler nennt das ein gottlos Wesen; es gehöre beides den Pastoren; qui enim sentit onus, commodum sentire debet, sagt nämlich die regula iuris. Wenn das Vieh des Pastors mit zur Weide geht, so soll der Pastor auch den Hirtenlohn bezahlen. Schließlich klagt er, daß mit den Kirchengeldern so schlecht umgegangen wird; darum fordert er, daß der Pastor der erste unter den Kirchenjuraten sei und allezeit auch ein Schloß vor dem Gotteskasten habe, daß ohne Wissen des Pastors nichts herausgenommen würde. Fremde Theologen, die von den Patronen angenommen sind, sollen erst vom Superintendenten geprüft werden. Weil der Katechismus auf dem Lande meist nicht gewußt wird, manche nicht einmal das Vaterunser können, sollen Braut und Bräutigam nicht eher getraut werden, als bis sie die fünf Hauptstücke können.
Am 14. November 1601 sendet man einen Bericht an Ulrich mit dem bearbeiteten Exemplar, d. h. der alten K.=O. mit den überall eingelegten Zetteln. 1 ) Im ersten Theil haben Sie den Citaten des Chyträus die Stellen zugesetzt, auch neben das Lateinische die deutsche Uebersetzung gestellt; den Schluß des Appendix hat man an das Ende der ganzen K.=O. gesetzt, weil er dorthin gehört. Die Ceremonien möge der Fürst vor der Reinschrift erst begutachten. Man bittet, daß die Superintendenten=, und Konsistorialordnung der K.=O. angehängt werde. Die Exkommunikation der Befehder, Brandschätzer, Mordbrenner, wenn sie so bald nicht offenbar werden, will man lieber nicht in die K.=O. aufnehmen. 2 ) Letzteres hatte Köhler beantragt, der in Berlin solches Bannformular gesehen zu haben vorgab; Brände kämen so vielfach vor; er habe es immer so gehalten, und stets sei der Brandstifter nach drei Monaten oder schon sechs Wochen ertappt worden; denn "Gott ist beim Predigtamt". Der Herzog läßt durch seinen Sekretair Reutzen am 28. November antworten,
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daß er erst die ganze K.=O. verlesen wolle, dann solle sie ins Reine geschrieben, und in folio auf schön weißem Schreibpapier mit ziemlich großen Buchstaben, auch mit Figuren bei jedem Hauptartikel, gedruckt werden; aber eine besondere Vorrede in Ulrichs Namen sei erforderlich. 1 ) Vom Folioformat rieth Bacmeister ab und schlug "mediocris forma" vor. Das ins Reine geschriebene Exemplar sandte Ulrich an die Fakultät zur Begutachtung, am 10. März 1602; sie solle nochmals mit Fleiß revidiren und korrigiren, oder wo etwas aus der pfälzischen K.=O. noch nöthig sei, suppliren und konfirmiren, das Exemplar dann wieder einschicken. Die neue Vorrede aber, die Bacmeister geschrieben hat, ist von Ulrich angenommen. 2 ) Am 15. März stellen die Professoren ihre Notata. 3 ) Am 21. März giebt die Fakultät ein vorläufiges Urtheil ab, "in welchem nützlichen und hochnötigem Werk viel heilsame Lehre verfasset sein, die man in vielen andern K.=O. nicht findet, damit E. F. G. in ihrem hohen und hochlöblichen Alter vor der ganzen Welt ihres reinen christlichen Glaubens ein herrliches Bekenntnis thut." Am 12. April schickt man das Buch ab, dem am 13. April noch ein Schlußurtheil folgt: 4 ) Man habe das ganze Buch durchgehend paginirt; im zweiten Theile habe man etwas aus der pfälzischen K.=O. genommen, 5 ) welche ihrerseits schon Vieles aus der meklenburgischen von 1557 entlehnt hätte. Bei der Ordination hätte man den Satz hinzugethan, daß fremde Theologen vor dem Superintendenten, fremde Superintendenten vor ihrer Anstellung von der Fakultät geprüft werden sollen. Die Ausgabe, meint die Fakultät, geschehe am besten in Quart, und zwar in Rostock, von Steffen Mülmann, der von seinem Vorfahren Dietz die Lettern und Noten noch besäße. Dann könnte die Fakultät neben dem correctore besser auf den Druck Acht geben. Ulrich aber bestand auf der Folioform, übergab den Verlag dem Buchführer Langen in Güstrow, bestellte bei Mülmann 1000 Exemplare im Druck, unter der Bedingung guten Papiers, Typen und Figuren. David Lobech und Lukas Bacmeister juniör sollten unter der Aufsicht der Falultät die Korrektur haben. Doch da man solche Figuren in Rostock nicht kennt, so sendet Reutzen eine Pommersche K.=O., die 1563 in Wittenberg gedruckt sei, wonach man sich richten
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solle; doch behalte Ulrich sich noch genauere Bestimmung der Figuren vor. 1 )
Zu Weihnacht war der Druck fertig. Im Rostocker Min. eccl. befindet sich im Tomus II "die gantze abgeschriebene neue K.=O., sowie sie in der Druckerei gewesen." Allgemein wurde nach den Büchern verlangt; je eher, je lieber wollte man kaufen, wenn auch ungebunden. Die Fakultät schlug als Preis vor für die auf Schreibpapier gedruckten 14 Schilling, 12 Schilling für Druckpapier "damit der gute Mann seines gethanes Verlages und gehabter Mühe etwas Erstattung bekomme"; denn es seien 73 Bogen, darunter 7 mit Noten, auch wäre es nach der Wittenberger und Leipziger Taxe. Die Errata sollten noch auf halbem Bogen besonders gedruckt werden. Als Grund der Verzögerung führte man an, daß man immer noch gehofft hätte, die Superintendenten= und Konsistorialordnung würde beigefügt werden. 2 )
Am 5. März 1603 ist die revidirte K.=O. veröffentlicht worden. Die Gedanken des Publikationspatentes 3 ) sind: Gott zur Ehre und zur Erbauung der christlichen Kirche und zur Pflanzung reiner Lehre ist diese K.=O. gestellt worden, reiner Lehre, wie sie aus den prophetischen und apostolischen Schriften in der Augsb. Konf. und Konk. Buch begriffen ist, "damit vor aller Welt kund und offenbar sei, daß wir uns samt unsern getreuen Unterthanen je und allerwege zu der wahren unverfälschten Religion Augsburgischer Konfession erkannt und bekannt haben und nochmals erkennen und bekennen und derowegen von allen andern irrigen und verführerischen Lehren und Sektirern uns absondern". Es ist des Fürsten Wille und Befehl, daß solcher K.=O. sowohl in Glaubensartikeln als auch in Kirchenceremonien und allen andern gestracks und unweigerlich nachgegangen wird. Dies Patent war der Fakultät zur Begutachtung vorgelegt und dann in 500 Exemplaren gedruckt worden. Am 9. März erging an alle sieben Superintendenten der Befehl, das Edikt am Sonntage Invokavit, 13. März, auf allen Kanzeln ablesen zu lassen. Im Rostocker Minist. eccles. ist folgender Zettel von Bacmeisters eigener Hand 4 ): Dis mandat ist zu der Ehre Gottes vnd nach
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unsers gnedigen Hern vnd Landesfürsten wolbedachtem Rath vnd be fehl, auch zu der christlichen Kirchen so wol in dieser Stadt als im gantzen Furstenthumb heil, fried vnd wolfart abgelesen vnd niemand zu verdruß oder verfenglichkeit. Gott gebe ferner zu diesem hochnotigen, christlichen wergk seinen geist vnd gnad vnd segen. Amen.
Ulrich starb am Montag, den 14. März, morgens 3 Uhr. Sein Nachfolger, Karl, sorgte in einem Schreiben vom 12. April 1603 dafür, daß alle Kirchen herzoglichen patronates die Ordnungen bekämen, und zwar gebunden für den Preis von 24 Schillingen. Dennoch waren nicht alle Exemplare verkauft, manche Kirchen zeigten sich säumig. 1 ) Daher erließ Karl am 27. Mai einen Befehl an die Superintendenten, daß Sie darauf achten sollten, daß die Amtleute und die Adligen, welche eigenes ius patronatus hätten, die K.=O. von Werner Langen kauften. 2 ) Und als dem Herzog Klagen kamen, daß der revidirten K.=O. nicht nachgelebet würde 3 ), da beruft er am 4. Juni 1606 die Superintendenten auf Mittwoch den 18. Juni nach Rostock, wo sie in der St. Johanniskirche zusammenkommen und berathen sollten, wie dem Mangel abzuhelfen sei, so der revidirten K.=O. zuwider bei den Kirchen ihrer Kreise eingerissen sei. Denn als von Gott vorgesetzter Obrigkeit liege es ihm ob, wie er auch aus väterlichem Gemüth sich schuldig erkennt, gebührend anzuordnen und zu befördern, was zu nothwendiger Verbesserung eingerissener ärgerlicher Unordnungen zuvörderst im Kirchenregiment dienlich sein mag.
Auf dem Landtage zu Sternberg 1602 4 ) hatte Ulrich den Ständen angezeigt, daß, weil etliche Sekten, insonderheit die Kalvinisten die K.=O. mißbrauchten, der Herzog sie durch seine Theologen und Superintendenten hätte revidiren lassen. Am 18. Juni antwortet die Landschaft darauf, daß die K.=O. vorerst den Theologen in Wittenberg vorgelegt werden solle, weil "zwischen den Kirchen in Sachsen und Meklenburg gute Einigkeit" herrschte. Vor allem aber solle sie einem jeden Stand an seinen besonders habenden Rechten, iure patronatus, vocandi, nominandi und andern unschädlich sein. Der Fürst ließ darauf erwidern, daß die K.=O. von tüchtigen Theologen verfaßt sei; auch sei der Druck schon bestellt; Niemand solle sich mit unnöthiger Sorge beladen, ob ihm durch die K.=O. etwas abginge. Diese Erklärung nahm die Landschaft an, weil das Werk bereits unter der Presse wäre; nur dürfte ihnen an ihrer Gerechtigkeit nichts präjudizirt werden.
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Am frühen Morgen des 13. März, des Sonntags Invokavitt 1603, protestirte der Rostocker Rath durch einen Notar und zwei Zeugen gegen die Publikation der K.=O. 1 ): der Superintendent Bacmeister und das Ministerium wollten sich der Publikation auf den fürstlichen Befehl hin unterziehen, ungeachtet der Rath die K.=O. noch nicht gesehen hätte, ob etwas darin enthalten sei, was der Stadt an ihrer Inspektion, Freiheit und Gerechtigkeit zuwider wäre, und obwohl er zu Sternberg schon dagegen protestirt hätte; besonderen Grund zum Proteste glaubten sie zu haben, weil das Publikationsmandat an den Superintendenten und nicht an den Rath gerichtet wäre. Der Superintendent und das Ministerium erklärten dagegen 2 ), daß der Stadt Jurisdiction daburch kein Abbruch geschehe. Denn die K.=O. von 1540 und 52 sei bis auf den heutigen Tag im Lande und zu Rostck gebraucht, ebenso die von 1557, auf welche hin alle Prediger zu Rostock angestellt wären. Da Sie aber wegen der Sekten und nach Veränderung der Zeiten nicht mehr ausreichte, so sei jetzt nur eine nöthige Revision, keine neue K.=O., erfolgt.
Interessant ist, daß das Ministerium sich ferner darauf beruft, daß die Jurisdiktion in geistlichen Dingen zu Rostock immer dem Bischofe von Schwerin und seinem Offizial zugestanden habe; deshalb sei auch im 2. güstrowischen Erbvertrage 1584 die geistliche Jurisdiktion dem Fürsten zugesprochen worden. Interessant für uns ist es deshalb, weil hier das Kirchenregiment des Landesherrn ausdrücklich als eine Uebertragung der bischöflichen Gewalt erscheint. Diese Begründung wird dem ganzen Landtage gegenüber von dem Herzoge auch 1607 gegeben: Die geistliche Jurisdiktion ist durch den Religionsfrieden 1555 suspendirt, und das ius episcopale und die suprema inspectio ecclesiarum in doctrinalibus et ceremonialibus den Kurfürsten und Ständen Augsb. Konf. zugeeignet worden. Aber im Religionsfrieden ist zwar die geistliche Jurisdiktion suspendirt; aber wem sie zukommen sollte, ist nicht bestimmt. Nach Rieker (S. 127) tritt diese Berufung der Stände erst sehr spät auf und hat auch meistens den Sinn (S. 136), daß damit ein bestimmtes einzelnes mit der Landeshoheit verknüpftes Recht bezeichnet werben soll, das früher nicht dazu gehörte. In der K.=O. ist von diesem bischöflichen Amte nicht die Rede. Ulrich nennt sich in der Vorrede nur "Oberste Patron und Schutzherr der Kirche und heiligen Predigtamts."
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Aber in der fürstlichen Antwort auf die Resolution der gemeinen Landstände auf die fürstliche Proposition (Spalding S. 327) kommt auch der andere Gesichtspunkt zur Geltung: Der Fürst beruft sich für seine Jurisdiktion nicht bloß auf den Religionsfrieden, sondern auch auf das Recht der Obrigkeit, über beide Tafeln zu wachen.
Bacmeister meinte, Amts, Befehls, Gewissens halber auf den Protest nicht achten zu sollen, und so wurde das Mandat thatsächlich von allen Kanzeln Rostocks verlesen. Derselbe rechtfertigt sich in einem Schreiben 1 ) an den Senator Scharfenberger, warum er den Protest nicht beachtet habe; "man muß Gott mehr gehorchen denn den Menschen." Der Professor Schacht 2 ) und der Sekretair Reutzen 3 ) gaben dem Superintendenten zustimmende Erklärungen.
Am 25. Juni 1606 beklagen sich die Stände, daß die K.=O. ohne ihre Zuziehung publizirt sei; sie protestirten deshalb gegen dieselbe, da ihren iuribus darin präjudizirt sei, ihnen auch auferlet werde, ein mehreres zu geben; ja der Wendische Kreis bat, bei der alten K.=O. zu verbleiben und sie nur mit einer declaration gegen die Kalvinisten zu versehen. Am 22. April 1607 antwortete der Fürst auf die gravamina, indem er auf sein ius episcopale hinwies. Die Landschaft erneuerte die Protestation, erbot sich jedoch, sich zu akkommodiren, wenn der Fürst in etwas die K.=O. mit Zuziehung der Stände revidiren würde; sie acceptiren aber die Erklärung, daß ihren Rechtsamen ein Nachtheil nicht zuwachsen soll. Der Fürst ließ anworten, daß die K.=O. keine neue, sondern die alte sei, welche von der Landschaft angenommen wäre. Letztere protestirte wiederum, jetzt besonders deshalb, weil sie sich an ihrem ius patronatus beschwert fühlte, und hat also die K.=O. nur angenommen unter der fürstlichen Erklärung, daß ihnen kein Präjudiz an ihren Rechten erwüchse.
Die Vorrede der K.=O. war in den ersten neun Absätzen durchaus dieselbe, wie sie Chyträus 1570 ausgearbeitet hatte und 1600 dem ganzen Werke wiederum vorgesetzt wissen wollte; das
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Uebrige dieser Arbeit Chyträi bildete jetzt die Vorrede zum Appendix. Die Absätze 10-15 sind laut Brief Ulrichs vom 10. März 1602 an die Fakultät von Bacmeister verfertigt. Nach dieser Vorrede folgt unverändert die "Vorrede der alten K.=O.", sodann ebenfalls unverändert die Disposition der ganzen K.=O., unverändert auch die Vorrede zum ersten Theil "Von der Lehre"; ebenso der Schluß nach den Lehrartikeln. Was diese selbst anbetrifft, so sollte ja nach wiederholtem Befehle Ulrichs die K.=O. in ihrer Form belassen und nur, wo es nöthig war, etwas supplirt werden; Chyträus war dann damit durchgedrungen, daß im examen nichts geändert werde. Nach fürstlichem Befehl sollten aber die loca allegirt werden; so findet sich die Angabe der Kapitel, der Sprüche; letztere sind hin und wieder um einige vermehrt, so S. 9 b, 11 a b, 13 a, 14 b, 15 a, 29 a, 51 b, 52 b; manche Absätze sind 1602 zusammengezogen, oder manche erst getheilt, so 14 b, 25 b, 26 a, 55 a, 70 b und 75 b; Bilder=Initialen sind hinzugekommen, Druckfehler verbessert, letztere 24 a, 45 b; einige wenige rein stilistische Varianten und Umsetzungen, sowie unbedeutende höchstens einen Satz umfassende Erklärungen finden sich, z. B. 13 a, 13 b, 16 a b, 19 a, 21 b, 33 a, 41 a. Immer erscheint Text und Tenor von 1557 grundleglich. Nur S. 24 a b im Artikel der Glaubensgerechtigkeit folgt 1602 genau der K.=O. von 52, nicht 54 oder 57, welche hier ohne Aenderung des Sinnes anderslautende Ausführungen haben. Ganz neu aber ist 1602 im examen das Lehrstück XXVI "Vom Tod vnd auferstehung von Toden, Jüngsten Gericht, vnd Ewigen Leben." Es steht mit denselben Worten in der K.=O. Chyträi 1578, ist also von Chyträus verfaßt. Neu ist auch in Artikel V S. 10 a der Schluß, 13 Reihen, welche eine ausführlichere Erklärung des Schöpfungszweckes bringen. Eingesetzt ist S. 11 b "Erbsünde ist nicht substantia ein selbstständig Wesen oder des Menschen Natur Leib und Seele selbst," eine Einschiebung, welche sich in Rücksicht auf den Flazianischen Erbsündenstreit erklärt. Aus dem Gegensatz gegen alles antinomistische Wesen erklärt sich S. 14 b die Trennung eines dritten Brauches des Gesetzes. 1552-1557 findet sich nur ein zweifacher Gebrauch. Von diesen ist der erste 1602 in zwei selbstständige Arten getheilt. Dennoch bleibt zu beachten, daß die K.=O. hier von der Form. Conc. abweicht, insoweit erstere den usus politicus nicht hat, den usus paedagogicus aber in die damals auch gebrauchte Form des elenchticus und paedagogicus theilt. Diese Theilung ist hier auf Chyträus zurückzuführen; zwar 1578 unterscheidet er einen vierfachen
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Gebrauch, doch in der Ausarbeitung von 1585 bestimmt er den dreifachen. Auf Chyträus zurückzuführen, der es 1578 hat, ist auch Seite 18 a b die hier neu erscheinende Setzung eines dreifachen Gegensatzes von Gesetz und Evangelium. Der spätere nomistische Streit bedingte diese Klarstellung. .Der majoristische Streit erforderte S. 30 b den ganz neuen Theil unter der Frage "Warum muß man gute Werke thun?", ein Theil, der 1578 sich findet, also ebenfalls von Chyträus stammt. Neu ist 33 b auch die kurze Definition der Taufe, auch aus 1578 entnommen. S. 34 a ist das mißverständliche "tho bedüdinge" der K.=O. von 1557 hinsichtlich der Kraft der Taufe jetzt verändert in "zur vergewissung vnd krefftiger versigelung". Um alles wiedertäuferische Wesen fern zu halten, ist S. 35 b der Theil ganz neu unter der Ueberschrift: "Was ist zu halten von der Sacramentirer und Wiedertäufer Lere?" Es ist fraglich, ob er von Chyträus herrührt, da 1578 davon sich nichts findet. S. 36 a sind die letzten fünf Zeilen (von unten) aus 1557 geblieben, obgleich sie der Deutung einer blos geistlichen Nießung fähig sind, während die mißverständlichen Worte "sichtbare Tekene alse ene Vorinneringe van der Thosage" (S. 30 b 1557) 1602 S. 36 b voller lauten: "gehengt alse erinnerung vnd versigelung der verheissung". Neu sind zwei Absätze S. 37 von dem Unterschiede der würdigen und unwürdigen Nießung, aber diese Ausführung findet sich 1578. S. 42 b finden wir eine korrekte Fassung der Buße, indem der neue Gehorsam nicht mehr als das dritte Stück erscheint, wie 1552-57, sondern blos als folgende Frucht bezeichnet wird. Seite 57 b ist das dritte Gebet ganz neu, ebenso die ganze Ausführung der Ceremonien auf S. 60 b, 61, 62 a; sie kommt auch 1578 nicht vor.
Da Chyträus fortwährend sich weigerte, im Examen Melanchthons Aenderungen zu machen, so können die aufgeführten Zusätze von ihm nicht herrühren. Nimmt man hinzu, daß S. 45 b drei notae der christlichen Kirche aufgeführt werden, Chyträus aber 1578 nur zwei hat, so ist ersichtlich, daß die späteren Revisionsarbeiter die Zusätze gemacht haben, die sie zum Theil aus Chyträi K.=O. von 1578 nahmen. So heißt es denn am Anfang des Appendix: "Bis hieher sein die Lehrstücke, wie sie in der ersten vnser K.=O. im Examine gesetzt, vnd erklert worden, widerholet vnd behalten, jedoch auch an etlichen weinig orten, notwendig vnd besser erkleret." Dies stimmt ja zu den Worten des Berichtes vom 24. Juli 1601 (S. 62).
Der Appendix enthält die "Lehrstücke, die noch darin mangelten, oder wegen eingefallener Streite ausführlicher erklärt werden
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müssen". Die Einleitung erwähnt, daß man im Abendmahl die Frage: "Was wird im Abendmahl des Herrn ausgetheilt und empfangen?" und die Antwort: "Der wahre Leib und Blut unsers Herrn Jesu Christi" so aufgefaßt habe, als ob dieser Artikel meisterlich und "beidenhendisch" mit kurzen Worten auf Schrauben gesetzt sei, daß ihn beide, Kalvinische und Lutherische, nennen können. Die Kalvinische Lehrausführung wird durch ein Excerpt aus des Herzogs Ulrich Schrift unterbrochen, in Sätzen, die sich auf S. 84 a - 87 a finden. Das Buch ist recht selten. Sein voller Titel lautet: Kurtze Wiederholung etlicher fürnemer Hauptstücke christlicher Lehre nach Ordnung des Katechismi, durch eine hohe fürstliche Person zusammengetragen. Mit Vorrede des Andreas Celichius. Letztere ist von 1593 datirt. Das Buch ist 1595 von Werner Langen gedruckt, ein zweiter Druck fand 1600 zu Leipzig statt 1 ). Zu Ende des Abschnittes "Von der Gnadenwahl" ist, wie schon bemerkt, etwas aus Philipp Nikolai's Buch genommen: Spiegel des bösen Geistes, der sich in der Kalvinisten Bücher reget, und kurz Vers, worin Gott will geehrt sein. Vielfältig sind Citate aus den kalvinistischen Schriften beigebracht. Da man mit "Verwundern" findet, daß die Kalvinisten nicht nur im Abendmahl abweichen, sondern auch in andern Hauptartikeln der Confessio Augustana, so wird näher auf den 1. bis 7. Artikel dieser eingegangen. Darauf erst wird die lutherische Abendmahlslehre festgestellt, aus der Schrift, der Conf. Aug., der Apologie, dem Regensburger Kolloquium, den Katechismen, Art. Smalc., Luthers Bekenntnisse vom Abendmahl; im Anschluß daran werden die Unterschiede der lutherischen und der sakramentirerschen Lehre festgestellt, auch der dogmenhistorische Beweis aus den Kirchenvätern geliefert Die folgenden Artikel handeln von der Taufe, Erbsünde, freiem Willen, ewigen Gnadenwahl. Bei dem letzten Artikel wird auf die Form. Gonc. verwiesen, "wo ausführliche Erklärung" vorhanden ist. Darum geht man auf andere Artikel nicht mehr ein, sondern räth, daß überall das Konkordienbuch zum Nachschlagen vorhanden sein möge.
Die Revision der übrigen Theile der K.=O. ist gründlicher als diejenige des ersten Theils. Das dem Druck zu Grunde gelegte Exemplar befindet sich beim geistlichen Ministerium zu Rostock und zeigt eine Menge von Einschaltungen und Zettelchen, so großen und vielen, daß eine genaue Registrirung ermüdend wäre. Zweierlei verdient hervorgehoben zu werden: Meklenburg wollte
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eine neue Ordnung, eine Ordnung für sich haben; daher mußte es hier besonders ändern; andererseits lagen feste Gestaltungen des Gottesdienstes vor, so daß der Rahmen der Ordnung schon gegeben war. So erklärt sich das häufige wörtliche Herübernehmen aus und das gänzliche Abweichen von der alten K.=O. Nur einige der letzteren Stellen sollen hervorgehoben werden.
"Die göttliche Ordnung des Predigtamts" ist wörtlich aus 1552 herübergenommen. Neu ist dann die Bestimmung S. 123 b Absatz 1, daß auch auf den Dörfern keine fremden Kandidaten predigen dürfen ohne Erlaubnis des Superintendenten. S. 124 a ist dann der verhängnißvolle Satz eingeschoben, daß unbeschadet der Patronatsrechte die Kandidaten, mit Vorwissen des Superintendenten präsentirt werden. S. 124 b wird für das Ordinandenexamen noch neu vorgeschrieben die Kenntniß der Form. Conc. und der revidirten K.=O. sowie der fürnehmsten Sprüche der Bibel. S. 125 a ist eingeschoben, daß die Ordinanden nicht gar zu jung oder unansehnlich sein dürfen; ebenso: der Superintendent soll Untüchtige abweisen und die Patrone vorkommenden Falls anweisen sich einen andern zu suchen. Die Ordination am Orte oder auf der Pfarre abzuhalten, steht im Belieben der Superintendenten, S. 126 b. In der forma ordinationis, S. 127, sind zwei Kollekten eingeschoben, dazu eine freie Vermahnung des Superintendenten. S. 130 wird die institutio solcher Prediger, die schon ordinirt sind, neu gegeben; 1552 fehlt sie noch ganz. Auf S. 131 ist auf das eingesetzte Konsistorium Rücksicht genommen, nur soll - entgegen 1552 - der Güstrower Superintendent Mitglied sein. Die Machtbefugniß des Superintendenten erscheint dahin erweitert, daß er zunächst die Parteien verhören darf. S. 133: Die Anzeige von Ehehindernissen soll rechtzeitig gemacht werden. Auffallend erscheint auch hier, daß die Sachen zuerst vor den Superintendenten gebracht werden sollen und erst, wenn jener mit seiner Handlung keinen Erfolg hatte, an das Konsistorium. Man sieht den Einfluß der mitarbeitenden Superintendenten, besonders Bacmeisters, von dessen Hand alle diese Zusätze geschrieben sind. S. 136: Das Protokoll der Visitatoren ist bis ins Einzelne vorgeschrieben. Die Visitation soll vorher angezeigt werden, Arbeiten der Gemeindeglieder fallen für solchen Tag aus. Beim Examen soll auch nach dem Beichtverhältniß des Pastors gefragt werden; die Gemeinde aber wird befragt, ob Jemand vor dem Abendmahl die Kirche verlasse, ob während des Gottesdienstes die Läden offen wären, oder Arbeiten verrichtet würden. Man soll sich auch erkundigen nach dem Begräbniß, S. 138, zugleich
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nach der "Beygrafft" und den "Kirchhöue". Auf S. 141-145 ist neu: Es soll aus den Archiven nachgesehen werden, ob auch nichts von den Einkünften abhanden gekommen ist; die Pastoren sollen ihre Einkünfte genau wissen. Die Pastoren werden ermahnt, ehrbar zu leben, nicht in fremdes Amt zu greifen, noch Bier zu brauen, oder in "Gilden" zu sein. Der Küster soll eine Kinderschule halten. Die Herrschaft will alles thun, damit Mängel abgestellt werden. S. 146-148, von Synodis, ist ganz neu, jedenfalls von Bacmeister, von dessen Hand es geschrieben ist.
Theil III. Aus den Worten auf S. 150 a "dieweil nu die Kirchen in diesen Landen, dieser folgenden Ordnung, des grössern teils gewont sind, lassen wir sie also bleiben" ergiebt sich schon, daß keine umstürzenden Veränderungen vorgenommen sind, wenn sich auch bisweilen eine andere Auswahl oder Anordnung findet. Die allgemeine Beichte und Absolution zu Anfang des Gottesdienstes sind in Wegfall gekommen. Nach dem Abendmahl ist eine neue Kollekte hinzugekommen, die sich von der ersten alten nur durch den Schluß unterscheidet. S. 160 wird unter Bacmeisters Hand wiederum auf die Freiheit der Ceremonien verwiesen. Eine besondere Bestimmung wird getroffen, für den Fall, daß ein Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr einfällt, und ebenso zwischen Neujahr und Epiphanienfest. Neu ist, daß Visitationis Mariä und Michaelis ganze Festtage sind. Die Tage der Apostel bleiben halbe Festtage und sinken zu "Betetage" herab. Eine besondere Verordnung erfährt das Pfingstfest, "als welches sehr prophanirt wird". S. 164 wird auch für die armen "Baursleut" gesorgt, daß Sie Sonnabends ihres Dienstes eher entlassen werden. Hinsichtlich des Katechismusexamen und der Auslegung der Leidensgeschichte ist die K.=O. auf den Dörfern vermehrt; besonders werden die Dorfleute ermahnt, fleißig mitzusingen. S. 168-172 ist die Gesangtafel neu. Für bas Fest Annunciationis ist eine neue Kollekte eingesetzt, ebenso für Himmelfahrt; beide sind aus der Rieblingschen Messe entnommen; ebenso die Kollekten auf Johannistag und Michaelis. Neu ist diejenige auf Visitationis Mariä. Das zweite Gebet um Friede ist neu, aber aus der Rieblingschen Messe; ebenso das dritte Gebet. Daher sind auch die Kollekten inbetreff des Reiches Gottes und seines Willens, Sündenvergebung, Erdenfrucht, Regen, Pestilenz, Türkengefahr. Neu eingeschoben "ist die Perikopentafel, ebenso Luthers Gebete wider den Türken, ebenso die Litaney nebst den ersten zwei folgenden Gebeten. Die erste Abendmahlsvermahnung steht schon 1552, die zweite ist aus der Rieblingschen
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Messe entnommen. In der Taufordnung ist die "Pathenvermahnung" neu, S. 209 b, und die zweite, S. 211 a; ebenso die Anweisung der Gemeinde für eine baldige Taufe, die der Hebammen hinsichtlich ihres Verhaltens zur Nothtaufe sowie die, warum man nicht cum condicione in zweifelhaften Fällen taufen soll; ebenso von Findelkindern, ungebornen und ungetauften Kindern, von Gevattern. In der Beichtordnung wird auf die Nothwendigkeit der Privatabsolution hingewiesen, auch das Wesen der Beichte erörtert, wie überhaupt die ganze Beichtordnung vollständiger gestellt. Ganz neu ist S. 231 "Von christlicher Kirchenzucht". Die Handschrift ist die Bacmeisters. Auffällig ist, daß entgegen Luther die K.=O. drei Arten des Bannes unterscheidet. Besonders erweitert erscheint auch der erste Absatz "Von Besuchung und Kommunion der Kranken". Ganz neu ist die Ordnung vom Begräbniß und "Wie mit Missethätern zu handeln". In der Trauordnung ist die Einleitung neu, die sich auf die Nothwendigkeit der kirchlichen Trauung bezieht; neu auch die Schlußanweisung vom Aufgebot und Wohnungsverbot, zweifelhaften Fällen, Verbot der Hochzeiten in der geschlossenen Zeit.
Theil IV, die Schulordnung. Die Einleitung ist so wörtlich herübergenommen, daß S. 264 a sogar wiederum dasteht: "Derhalben ist von Gottes gnaden Vnser Johans Albrecht vnd Ulrich, Gebrüdern, Hertzogen zu Meckelnburg, etc. ernstlich gemüt", obwohl die K.=O. doch nur in Ulrichs Namen gedruckt ist. Weiter aufgenommen ist S. 264, was 1557 weggelassen war, aus 1552 der Wunsch, daß die Landschaft und die Nachbarländer zur Universität beitragen. In den "Kinderschulen" wird die Lektüre des Donat und Kato in die zweite Ordnung verwiesen, das erste Häuflein soll dafür mehr Sprüche lernen. Die Auswahl der Lektüre der zweiten Klasse ist vielfach erweitert, ebenso die der dritten Klasse, welcher als neue Lehrmethode das "Certiren" vorgeschrieben wird. Besonders betont wird das Lernen der Grammatik. "Etliche verachten die Regeln, wollen die Sprache one Regeln lernen." Diese Thorheit soll nicht geduldet werden. Die lateinische Katechese des Chyträus wird vorgeschrieben. Ganz neu sind die Bestimmungen der Aufsichtsrechte der Superintendenten, der öffentlichen Schulexamina, des rechten Lehrganges, der Lehrergehälter, der Mädchen= und Küsterschulen. Ausgelassen ist der Passus von der Lehrerprüfung zu Rostock.
Theil V. S. 276 b wird Fürsorge getroffen, daß beim "Bauernlegen" der Pastor nicht um sein Einkommen komme. Neu ist 277 b-280 a: Die Pastoren sollen nicht mit Hofdiensten
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belegt, auch nicht ohne weiteres abgesetzt werden; ein Gnadenjahr wird festgesetzt, Verheirathung des Kandidaten mit Pfarrertochter oder der Wittwe gewünscht".
Als Anhang erscheinen die Noten des "Kyrie" und des "Gloria in excelsis", welche deshalb hinzugefügt werden, weil sie Blatt 151 nicht stehen, aber noch aus der alten Ordnung von 1545 gebraucht werden sollen.
Ein Neudruck dieser K.=O. von 1602 fand 1650 statt, durch Martin Lamprecht in Lüneburg. Meklenburg hatte ja unter dem dreißigjährigen Kriege furchtbar gelitten. Im Güstrower Lande lagen 34 Hauptkirchen und 33 Fillalkirchen wüste, und nur 149 Haupt= und 96 Filialkirchen waren in Benutzung. 1 ) Aber auch deren Vermögen war sehr gering; nur 119 Haupt= und 39 Filialkirchen waren in der Lage, die neue K.=O. bezahlen zu können. Am 20. November 1650 schreibt Herzog Adolf Friedrich an den Superintendenten zu Güstrow 2 ): Gott sei Dank, daß nun wieder Friede ist; aber die Pastoren, die wegen der Kriegsgefahr ihre Mäntel versteckt hatten, sollen jetzt gehalten werden, dieselben wieder zu gebrauchen. Auch die K.=O. waren abhanden gekommen. Am 8. Dezember 1636 bereits schreibt Lucas Bacmeister der Jüngere 3 ), Superintendent zu Güstrow, an den Herzog, daß die Soldaten die Bücher zerrissen und geraubt hätten; ein Neudruck sei erforderlich. Dabei wünscht er, daß etwas deutlicher gesetzt werden möge, z. B. da vom Ehestand in gradibus licitis und illictis gehandelt wird, welcher Punkt in der K.=O. etwas dunkel steht, weil bisweilen casus vorfallen, da die gemeinen pastores information bedürfen, und was sonsten etwa zum guten Kirchenwesen nöthig sein könnte. Bacmeister bittet deshalb erst um einen conventus aller Superintendenten. Es ist wohl infolge der Kriegswirren bei seinem Vorschlage geblieben. Denn 1650 hören wir dieselbe Klage inbetreff des gänzlichen Mangels an K.=O. 4 ) Nach dem Frieden ließ der Herzog den Neudruck vornehmen. Bei einem Besuche in Lüneburg 1649 hatte er den Drucker Lamprecht mit dem Drucke beauftragt 5 ), nachdem der Rostocker Drucker sich geweigert hatte. Gedruckt wurden für Schwerin und Güstrow je 1440 Exemplare, welche der Drucker mit 2160
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Thalern berechnete. Aber der Kanzler Cothmann klagt, daß bei der Armuth der Kirchen die Renterei sehr belastet wäre. 1 ) Es bedurfte häufigerer Ermahnung zum Kauf 2 ), ja des Befehls, daß für die Filialkirchen je ein Exemplar, für die Hauptkirchen je zwei Exemplare angeschafft würden, eins auf den Altar, eins in die "Wedeme" des Pastors. Aber noch am 12. August 1658 3 ) klagt der Güstrower Verleger, daß die K.=O. schwer zu verkaufen sei, weil schon alle Kirchen im Lande Meklenburg hiermit versehen seien, anderswo aber wohl dieselben nicht üblich wären. Aber von den Studenten wurde sie fleißig studirt, weil sie im Examen daraus antworten sollten; ja Vorlesungen über die K.=O. wurden gehalten. 4 )
Die K.=O. von 1650 ist unveränderit diejenige von 1602; nur ist in Adolf Friedrichs Namen eine Vorrede vorangesetzt sowie ein genauer Index hinten angefügt, beides vom Parchimschen Superintendenten Prenger.
Von Adolf Friedrichs Hofkirchenordnung 1613, der erläuterten K.=O. 1708, sowie von den Arbeiten zu einer neuen K.=O. im 18. Jahrhundert und dem Neudruck von 1855 zu handeln, mag einer späteren Arbeit vorbehalten bleiben.