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III.

Ein Protokoll des Schweriner Niedergerichts.

Von

Dr. Friedrich Stuhr.

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D as Schweriner Niedergericht (Stapel), das seine Sitzungen im Rathhause abhielt, hat bei dem Stadtbrande von 1651, ebenso wie der Magistrat, seine im sogen. langen Gewölbe des Rathhauses aufbewahrten Acten eingebüßt. Außer wenigen rauchgeschwärzten Fragmenten, die nach Fromm 1 ) damals geborgen wurden, ist uns von den Niedergerichtsacten vor 1651 nur das kurz vor dem Brande abgeschlossene Protokollbuch durch einen glücklichen Zufall erhalten. 2 ) Wahrscheinlich war es zur Zeit des Brandes von dem Stadtvogt oder einem Beisitzer des Gerichts zur Benutzung in seine Wohnung genommen. Welche Schicksale das Buch dann weiter durchgemacht hat, darüber lassen sich Vermuthungen, die auch nur etwas Wahrscheinlichkeit für sich haben, nicht aufstellen. Das Protokollbuch ist neuerdings in der hiesigen Regierungsbibliothek vorgefunden und von dort 1892 an das Geheime und Haupt=Archiv abgegeben, während ein Theil (S. 47 - 70) von den in dem eigentlichen Buche fehlenden ersten 90 Seiten schon vorher im Archiv bei den Jurisdictionsacten der Stadt Schwerin gelegen hat, ohne jedoch bisher als Bruchstück des Protokollbuches erkannt zu sein. Jetzt sind beide Theile im Archiv wieder vereinigt. Da die Eintragungen in dieses Protokollbuch manchen für das damalige Wirthschaftsleben interessanten Zug enthalten, so ist eine kurze Besprechung 3 ) wohl gerechtfertigt.


1) Fromm, Chronik von Schwerin, Schwerin 1862, S. 227.
2) An Acten des Schweriner Magistrates sind aus der Zeit vor dem Stadtbrande von 1651 erhalten: 1. ein Urteilsbuch in Folio mit Eintragungen aus den Jahren 1539 - 1594, jetzt in der Universitäts=Bibliothek zu Rostock. 2. ein Stadtbuch in Folio, angelegt am 1. December 1424, mit Eintragungen über Häuser= und Grundstücksverlassungen bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, im Besitze der Stadt Schwerin, s. Böhlau, Beiträge zum Schweriner Stadtrecht, in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Bd. IX, S. 276 u. n.
3) Für die folgenden Ausführungen sind auch benutzt die Acten über die Stadt Schwerin im Geh. und Haupt=Archiv.
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Das Protokollbuch, ein Folio=Band von 4 cm Dicke, ist geheftet in eine Pergamenthandschrift mit Aufzeichnungen aus dem Evangelium Matthäi von Cap. 7, Mitte des 10. Verses, bis Cap 8, Mitte des 15. Verses. Auf den vom Evangelientext freigelassenen Stellen des Pergamentes finden sich die Worte: "Protocollum judiciale den 10. Mai 1648 gehalten per me Johannem Germann p. t. Actuarrum, vnnd ist geschehen bey Zeiten des Herrn Stadtrichterß Samuelis Meußling vnd der Aßeßoren Herrn Theodori Fuxii vnd Nicolai Hoppen."

Die damalige Besetzung des Gerichts ist aus dieser Notiz ersichtlich. Der Stadtvogt Moißling war herzoglicher Beamter und führte in dem Gerichte den Vorsitz. Die anderen Beiden waren vom Magistrat aus der Zahl der Rathsherren ausgewählt und dem Vogt als Gerichtsassessoren beigegeben. Der jüngere von ihnen vereinigte in seiner Person stadtverfassungsmäßig zugleich das Amt eines Stadthauptmanns. 1 ) Als solcher läßt sich Nicolaus Hoppe 1654 aus Acten nachweisen; wahrscheinlich hat er das Amt schon 1648 zu Beginn des Protokollbuches inne gehabt. Außer diesen werden noch die Rathsherren und Stadtkämmerer Heinrich Scheffuß und Peter Malchow, zumal bei Häuserbesichtigungen und Taxierungen, im Protokollbuch genannt.

Einen eigenen Actuar hatte das Gericht in den vergangenen unruhigen Kriegszeiten nicht mehr gehabt. Zu diesem Amt hatte sich Niemand gefunden, weil das feste Gehalt nur 10 fl. jährlich betrug und die Accidentien gleichfalls äußerst gering waren; aushülfsweise hatte der Stadtsecretair Christoph Schlotthuber die Protokolle besorgt. Am 14. Januar 1648 suchte das Gericht beim Herzog um Anstellung eines besondern Gerichtsactuars und um Erhöhung seiner Besoldung aus den einkommenden Brüchen nach, da der Stadtsecretair mit den Raths=Kämmerei= und gemeinen Sachen genug zu thun habe, und die Parteien sich beschwerten, daß dieselbe Person beim Rath und Niedergericht protokollire. Auf dieses Gesuch hin wurden am 20. Januar desselben Jahres 10 fl. aus den Gerichtsbrüchen als Zulage zum Gehalt bewilligt, und dann wurde Johann Germann als Actuar bestellt, der das obige Protokollbuch anlegte. Doch schon am 24. Juli 1648 bat Germann um die vakante Schelfvogtsstelle, weil Besoldung und Sporteln bei der Actuarstelle zu schlecht wären, als daß sich ein redlicher Mann davon ernähren könnte. Diese Bitte wurde ihm nicht gewährt, doch wurde sein Salair als Gerichtsactuar 1650 auf 30 Thlr.


1) Fromm, S. 41.
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erhöht. Nach einem Vermerk im Protokollbuch verwaltete Germann das Amt eines Gerichtsactuars bis zum 31. Juli 1650, an welchem Tage er zum Stadtsecretair befördert wurde. Sein Nachfolger beim Gericht wurde David Stein.

Als Gerichtsdiener fungirte 1648 und 1649 nachweisbar Daniel Reddelin.

Mit den Eintragungen in das Protokollbuch hat Germann wahrscheinlich gleich nach Anlegung des Buches, also im Mai 1648, begonnen; doch sind die Protokolle auf den ersten 90 Seiten herausgerissen und größtentheils verloren gegangen. Auf den im Archive neuerdings gefundenen Blättern (S. 47 - 70) stehen nächst einer Zeugenvernehmung, deren Datirung fehlt, die Protokolle vom 29. Juni bis 18. Juli 1648. Auf S. 91 setzt das Buch mit dem Protokoll vom 4. September 1648 und dem Schluß des unmittelbar voraufgehenden wieder ein. Die Paginirung ist unter Ueberschlagung einer Seite bis 410 fortgeführt, und folgen dann noch 49 nicht numerirte Seiten. Das Protokollbuch umfaßte also ursprünglich 460, jetzt noch 394 Seiten.

Die Protokolle vertheilen sich, abgesehen von der Lücke zwischen Juli und September 1648, ziemlich gleichmäßig auf die Zeit vom 29. Juni 1848 zum 14. März 1651. Sie enthalten zunächst oben links herausgerückt eine Angabe der Parteien, dann im Text eine kurze Darstellung der Sachlage, häufig unter Anführung der Zeugenaussagen und zum Schluß den Bescheid des Gerichts oder einen Vermerk über den durch das Gericht herbeigeführten Vergleich.

Das Niedergericht zog die Bürger vor sein Forum in allen straf= und civilrechtlichen Fällen unter Zulässigkeit der Appellation an den Rath und übte die Markt=, Bau= und Straßenpolizei aus. Die im Protokollbuch angeführten Gerichtsfälle bieten nicht viel Interessantes, dagegen lohnt es sich sehr, die Ausübung der Polizeibefugnisse des Niedergerichts zu betrachten.

Eine Revision des Brodes nach Gewicht und Beschaffenheit hat, wie sich aus den regelmäßigen Eintragungen des Jahres 1649 in das Protokollbuch schließen läßt, bei den Bäckern monatlich einmal stattgefunden. Zugegen waren in den meisten Fällen der Stadtvogt Samuel Moißling und einer der Gerichtsassessoren, nur in einem Fall wird Nicolaus Hoppe allein aufgeführt. Der Befund wurde im Protokollbuch notirt, und bei mangelhaftem Gewicht oder bei Unsauberkeit des Brodes wurden Bemerkungen über verhängte Strafen hinzugefügt. In vielen Fällen ist auch der Einkaufspreis des Scheffels Roggen und Weizen dabei angegeben. Die umstehende Tabelle giebt davon eine Uebersicht:

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Tabelle mit Eintragungen des Jahres 1649

Man beobachtet, daß der Preis des Scheffels Roggen in 2 Jahren, von 1648 - 1650, allmählich um über das Doppelte steigt, nämlich von 23 auf 54 ßl. Die Ernte von 1648 muß recht schlecht gewesen sein, denn sie hat das Steigen des Preises von 23 ßl. im Juli auf 30 ßl. im October nicht zu verhindern vermocht. Ein vorübergehendes Fallen des Preises ist zwar nach der Ernte von 1619 zu konstatiren; denn während der Scheffel Roggen im Juni dieses Jahres 44 ßl. kostete, ist der Preis im August auf 40 ßl. zurückgegangen. Doch wird auch die Ernte von 1649 ungünstig ausgefallen sein, da der Scheffel Roggen im October schon wieder 44 ßl., im Frühjahr des nächsten Jahres sogar 56 ßl. kostete. Leider sind die Aufzeichnungen aus dem Jahr 1650 sehr unvollständig. Man kann aus den wenigen Notizen nur feststellen, daß der Preis, wahrscheinlich wieder in Folge der Ernte, im Herbst von 56 ßl. auf 54 ßl. heruntergegangen ist.

Vom Weizen weiß man noch weniger als vom Roggen, doch ist auch bei jenem das Steigen des Preises in der kurzen Zeit vom October 1649 bis zum September 1650 von 54 auf 70 ßl. auffallend und nur damit zu erklären, daß schlechte Ernten damals noch nicht durch umfangreiche Einfuhr von außen ausgeglichen werden konnten.

Ganz anders stellten sich die Kornpreise wenige Jahre später. Nach der reichen Ernte des Jahres 1653 konnte man den Scheffel Roggen und Weizen schon für 12 ßl. 1 ) einkaufen, und im Februar 1655 betrug nach einem im Archiv erhaltenen Gesuch des Schweriner Bäckeramtes um Herabsetzung des ordnungsmäßig zu liefernden Brodgewichtes der Preis des Scheffels Roggen 16 ßl., des Scheffels Weizen 32 ßl.


1) Fromm, S. 230.
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Es wird nicht uninteressant sein, an dieser Stelle einzuschalten, welches Brodgewicht die Bäcker nach der bis 1655 gültigen Bäckerordnung je nach dem Preise des Korns zu liefern hatten. Im Folgenden sind aus den im Archiv vorliegenden Tabellen die Angaben zusammengestellt, die den Kornpreisen des Protokollbuches entsprechen:

Tabelle entsprechend Protokollbuch zusammengestellt

Es müssen die Kornpreise des Jahres 1650 in Schwerin ganz abnorm hoch gewesen sein, da sie in der Bäckerordnung ursprünglich sowohl für Weizen als für Roggen nicht vorgesehen waren. Die Roggentabellen reichen nur bis zum Preise von 48 ßl. für den Scheffel hinauf und sind auch nicht erweitert; die ursprünglich die Preise bis 50 ßl. umfassende Weizentabelle hat jedoch auf der Rückseite einen Nachtrag von 51 - 60 ßl.

Ebenso wie die Bäcker wurden auch die Schlachter beständig controllirt. Nach einer Eintragung ins Protocollbuch vom 10. April 1649 hatte der Herzog am verwichenen Sonnabend mit ganz ungnädigem Mißfallen vermerkt, daß das Amt der Schlachter kein Rindfleisch in die Schranken geschafft, sondern dieselben habe leer stehen lassen, was dem Amte eine Gerichtsstrafe von 10 Thlr. eintrug. Am 4. Juni desselben Jahres wurde der Verkaufspreis des Pfundes Hammelfleisch auf 2 ßl. festgesetzt. Die Verordnung wurde jedoch nicht befolgt, vielmehr wie vorher 2 1/2 ßl. für das Pfund gefordert. Darauf wurde das Amt am 18. Juni 1649 von Neuem mit einer Geldstrafe belegt und zugleich der Preis des Pfundes Kuhfleisch auf 3 Sechslinge festgesetzt. So wird sich der Preis bis Ende des Sommers 1650 gehalten haben. Im Herbste 1650 machte das Gericht bekannt, es würde das Fleisch in den benachbarten Städten nach glaubwürdiger Kundschaft weit wohlfeiler verkauft als in Schwerin; er ordnete am 23. October an, das Pfund Rind= und Hammelfleisch sei fernerhin für 21 Pf. (1 ßl. 9 Pf.) zu verkaufen. Doch war der Preis des

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Rind= und Hammelfleisches im März 1651 bereits wieder auf 2 ßl. 3 Pf. gestiegen.

Die Bierbrauer und Zäpfer wurden im Mai und Juni 1649 angewiesen, einerseits stets gutes Bier zu brauen, andererseits sich beim Ausschank der Maße zu bedienen, die das Gericht hierfür angeordnet habe.

Die Amts= und Freihöcker sollen sich nach einer Bestimmung vom 23. September 1648 mit dem Preise ihrer Waaren nach den Lübeckern richten.

Wie das Gericht nach Obigem streng darauf hielt daß die Zünfte den Einwohnern die Lebensmittel nicht vertheuerten, so suchte es auch jeglichen Vorkauf der in die Stadt eingeführten Waaren zu verhindern. 1650 ergingen zwei Verordnungen an die Bewohner der Neustadt (Schelfe), die über den See eingeführten Waaren, wie Korn und Hühner, nicht aufzukaufen, weil durch solches Beginnen Theuerungen in der Stadt hervorgerufen würden.

Schließlich sei aus dem Protokollbuch noch ein alter Gebrauch der Bürger bei Besichtigung der Feuerstätten erwähnt. Am 17. September 1649 wurden die Bürger zu diesem Zweck vom Gericht zusammengerufen und sind danach zunächst die Ungehorsamen,. so nicht erschienen, auf je 1 fl. 8 ßl. gepfändet worden, fürs Ander ist ein alter Gebrauch und Gewohnheit, daß die jüngsten Bürger, so sich mit den ältesten Bürgern bei dieser Zusammenkunft ergötzen wollen, zuvor ihre Schuldigkeit ablegen und sich mit etwa 1 fl. an Gelde oder auch nach Gelegenheit mit einem guten Schinken zum Frühstück freundlichst bezeigen müssen.

Worauf dann für diesmal Jochim Löwe, Christian Rohne, Peter Schulze und Simon Gudeknecht zur Konfirmation ihrer Gewohnheit sich mit der Bürgerei als die jüngsten Bürger freundlichst abgefunden haben mit Bitte, weil auch vermuthlich noch ältere und jüngere Bürger seien, die ihre Schuldigkeit noch nicht abgelegt haben, daß selbige künftig mal nicht vergessen, sondern gleicher Gestalt nebst ihnen gebührlich angesehen werden mögen.

Das Niedergericht benutzte nach dem Rathhausbrande von 1651 zunächst eine Miethswohnung als Gerichtsstube. Als das diese Wohnung enthaltende Haus 1652 zum Verkauf kam, wurde dem Niedergericht auf Bitten des Stadtvogts Samuel Moißling die am Kirchhof belegene Rathsbude zur Gerichtsstube eingeräumt und zugleich dem Magistrat durch ein herzogliches Mandat vom 30. October 1652 befohlen, für schleunige Reparirung der Gerichtsstube im Rathhaus Sorge zu tragen.

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