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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

 

gegründet von                  fortgesetzt von
Geh. Archivrat Dr. Lisch. Geh. Archivrath Dr. Wigger.

 


 

Einundsechszigster Jahrgang

herausgegeben
von

Archivrath Dr. H. Grotefend,

als 1. Sekretär des Vereins.

 


Mit angehängten Quartalberichten und Jahresbericht.

 

 

Auf Kosten des Vereins.

 

 

Vignette

Schwerin, 1895.

Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei.
Kommissionär: K. F. Koehler, Leipzig.

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Inhalt des Jahrbuchs.


I. Zur Topographie des alten Schwerin. Von Baudirector a. D. Hübbe S. 1
II. Wismar und die Vemgerichte. Von Dr. F. Techen in Wismar S. 15
III. Ein Protokollbuch des Schweriner Niedergerichts. Von Dr. Friedrich Stuhr S. 75
IV. Eine Hugenotten=Kolonie in Meklenburg. Von Professor Dr. Wilhelm Stieda in Rostock S. 81
V. Angelus Sala. Ein Vortrag, gehalten von Professor emer. Dr. G. Dragendorff zu Rostock S. 165
VI. Neue Funde aus der jüngeren Bronzezeit in Meklenburg. Von Dr. R. Beltz S. 182
VII. Das Lied vom König Anthyrius. Von Bibliothekar Dr. Ad. Hofmeister in Rostock S. 239
VIII. Die meklenburgische Vogtei Schwaan. Von Gymnasialprofessor Dr. Rudloff S. 254
  1. Entstehung der Vogtei S. 255
  2. Die Abtei Doberan und die Grenzen der Herrschaft Rostock S. 265
  3. Die Werle=Meklenburgische und die stiftsländische Grenze der Vogtei S. 289
  4. Die älteren Meklenburgischen Landestheilungen S. 338
IX. Seeräuberei an Meklenburgischer Küste. Von Dr. Friedrich Stuhr S. 365

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Inhalt der Berichte.


Nachträge zu den Stammtafeln des Großherzoglichen Hauses (Jahrb. L) I, 2
Einzeldrucke geistlicher Gedichte des Herzogs Gustav Adolph von Meklenburg I, 6
Untergegangene Ortschaften I, 9
Das Steinkreuz zu Schönberg I, 10
Jagdfalken I, 12
Münzfund von Mamerow I, 12
Die Wappen in der Kirche zu Sternberg II, 18
Der Wiederaufbau des Schweriner Rathauses nach dem Stadtbrande von 1651 II, 22
Alterthümer von Sülten bei Stavenhagen II, 25
Wie die Rostocker Fischer ihre Privilegien erhielten II, 27
Die Statue des Heiligen Christophorus in der Kirche zu Warnemünde II, 27
Hausmarken (?) aus Warnemünde II, 28
Mistewoi (Mistizlav) III, 30
Die Wappen in der Kirche zu Sternberg (Berichtigung zu II, 18 ff.) III, 36

 

Vignette
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I.

Zur Topographie des alten Schwerin.

Von

H. W. C. Hübbe.

D ie unter meiner Oberleitung vor einigen Jahren in den Straßen der Stadt Schwerin zwecks deren Kanalisation stattgehabten Aufgrabungen des Untergrundes haben mancherlei zu Gesicht gebracht, was für die topographische Geschichte der Stadt von Interesse ist. Im Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde habe ich darüber im Jahre 1891 bereits einige Vorträge gehalten, deren Inhalt nun auch im Jahrbuch wiedergegeben werden mag.

In Band 42 des Jahrbuches hat Herr Senator Lisch auf Grund der ersten 10 Bände des Meklenburgischen Urkundenbuches die Entstehung der Stadt und ihre Entwickelung zum späteren Zustande geschildert und dabei zweifelsohne die vorhandenen älteren Urkunden vollständig benutzt. Dagegen hat er zu seiner Darstellung nur sehr kurz (auf S. 86) ein im Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchiv aufbewahrtes Memorial des Baumeisters Wedel nebst Grundriß herangezogen, welches in genauen Maßen die Flächen des im Jahre 1651 abgebrannten Stadttheils und die für den Wiederaufbau in Vorschlag gebrachten, hernach ausgeführten Umänderungen bezeichnet und für die Kenntniß des ältesten Zustandes der Stadt sehr wichtig ist. Es dürfte gewiß von Interesse sein, wenn dasselbe nebst Plan im Jahrbuch zum Abdruck gebracht würde.

Einleitend möge hier Bekanntes kurz vorangeschickt werden, dem ich hin und wieder Bemerkungen zur Erwägung beifüge.

In der dem Wendischen verwandten russischen Sprache heißt ein wildes reißendes Thier Swerj; davon das Adjektiv swerinüi, und

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unter Abwerfung der Endung spricht der Russe in Verbindung mit "Land" oder "Ort" swerin; also nicht, wie bislang wohl gedeutet ward, "Thiergarten"=Swerinez, sondern "Wildethier=Land", "Wildethier=Ort" ist die Deutung des Namens der Stadt Schwerin und des Gaues, in welchem sie liegt. Diesem Charakter des Landes entsprechen die Ortsnamen Medewege, urkundlich Medewede, von Medwedj der Bär, und Thurow, niedergelegtes Dorf in der Schweriner Feldmark, Genitiv Pluralis von Tur, der Ur oder Auerochs, sowie vielleicht noch andere mehr. In diesem wilden, waldreichen Lande lag auf einer kleinen niedrigen Insel, vielleicht künstlichen Erhöhung, rings von Wasser umgeben, die alte wendische Burg Swerin; nach ihrer Zerstörung ward auf derselben Stelle die sächsische Burg erbaut, der Ursprung des jetzigen Schlosses. Zwischen der Burginsel und dem hohen Festlande (beim jetzigen Marienplatze) und von letzterem durch eine Sumpfniederung getrennt, lag eine lang nach Norden hingestreckte Hochinsel, auf deren südlichem Ende Herzog Heinrich der Löwe 1161 die Sachsenstadt Schwerin gründete und dem Grafen Gunzelin überwies.

1. Schwerin innerhalb der Planken, bis 1340.

Von dem größeren nördlichen Theile der Insel, der Schelfe, ward die Stadt durch einen Stadtgraben abgetrennt. Im Niederländischen 1 ) heißt Schelfer Splitter, Abkerbung; in Urkunden findet sich gleichbedeutend auch das Wort scala, Kerbstock; es mag nun der Einschnitt des Stadtgrabens oder auch mehrere in der Insel vorkommende natürliche Einbuchtungen ihr den Namen gegeben haben.

Grundbedingungen einer Stadtgründung waren in älterer Zeit: Sicherung gegen Feinde, Kornmühle, Kirche, Fischerei, Zufahrt. Auch für Schwerin suchte man diese Bedingungen zu erfüllen.

Zur Wendenzeit war der Pfaffenteich noch ein Zipfel des mit dem Großen See in offener Verbindung stehenden Ziegelsees. Bei Gründung der Stadt Schwerin ward dieser Zipfel durch Anlage des Spielthordamms vom Ziegelsee abgetrennt, und durch Anlage eines von der Höhe der Stadt beim Kreuz der Schusterstraße und Engen Straße bis an die Höhe südwärts des jetzigen Marienplatzes reichenden Mühlendammes das aus dem Medeweger See durch die Aue herabkommende Wasser um etwa 2 1/2 Meter angestaut, so daß sich ein


1) Bekanntlich zog Herzog Heinrich der Löwe zu seinen Kolonisationen an der Elbe und in den Wendenlanden vielfach Niederländer, welche des Wasserbaues kundig waren, heran, und erklärt sich dadurch wohl das Vorkommen mancher niederländischer Worte.
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größerer Mühlenteich bildete, welcher auch einen Theil der Niederung im Westen der Stadt bedeckte. In vorgedachtem Mühlendamm, auf der Stelle des an der Ecke von Schloß= und Kaiser=Wilhelmstraße belegenen Herbordt'schen Hauses (Cataster=Nr. 978) ward von dem Grafen eine Kornwassermühle erbaut, welche ihr Triebwasser aus dem Mühlenteiche mittelst eines Mühlen= oder Fließgrabens empfing und nach dem Burgsee abführte. Diese hernach auch Binnenmühle genannte Grafenmühle ist vor etwa 60 Jahren aufgehoben. Zur Vergrößerung des Triebwassers ward auch der Ostorfer See durch Anlage des Dammes beim Püsserkrug auf gleiche Höhe mit dem Pfaffenteiche angestaut und sein Wasser mittelst eines am Fuß der Höhe hergestellten und durch einen Damm gegen den Burgsee abgetrennten Grabens (der Seeke) nahe oberhalb der Mühle dem Fließgraben zugeführt. Bei Aufhebung der Grafenmühle ist der Wasserstand des Pfaffenteiches, wie ich aus mancherlei örtlichen Umständen schon muthmaßte und hernach auch die Akten des Großherzoglichen Amtes ergeben haben, um etwa 80 Centimeter gesenkt, so daß er ursprünglich der Stauhöhe des Ostorfer Sees gleich war.

Eine zweite, dem Bischofe gehörige Kornwassermühle, die Bischofs=, auch Außenmühle genannt und schon 1171 urkundlich erwähnt, ward vom Medeweger See mittelst der Aue getrieben und förderte das Wasser in den Pfaffenteich. Auch diese Mühle ist bereits aufgehoben, ihre Stelle (Cat.=Nr. 1042) aber bekannt; ihr Mühlendamm erstreckt sich quer über die Aue von Höhe zu Höhe. Da der Pfaffenteich einst höheren Wasserstand hatte und die Bischofsmühle etwa 2 Meter Stauhöhe gehabt haben wird, so dürfte auch der Medeweger See früher 1 1/2 bis 2 Meter höher gestauet gewesen sein, als jetzt.

Die Schelfe gelangt durch verschiedene Verleihungen der Grafen nach und nach ganz in den Besitz des Bischofs. Der Spielthordamm, als dem Zwecke der Grafenmühle dienend, wird von den Grafen unterhalten. Laut eines mit dem Bischofe im Jahre 1284 geschlossenen Vertrages darf der Graf die zur Unterhaltung erforderliche Erde von dem auf bischöflichem Gebiete (vermuthlich der Schelfe) belegenen Weinberge (vinea) entnehmen; auch soll der Damm (via nova per aquam) von den Bewohnern der Schelfe nicht als Weg benutzt werden (das Befahren mit Wagen verdirbt den Damm). Deshalb ist quer über den Damm ein Zaun gesetzt, ein Spiltun (aus dünnen Pfählen - spilen - und Flechtwerk), im Gegensatze zu einer Festungsplanke, welche Vertheidigungszwecken dient.

Die älteste zur Sicherung der Stadt dienende Einschließung war eine Planke; außerhalb derselben befand sich ein Stadtgraben und innerhalb ein von den Vertheidigern benutzter Laufweg. Des Stadt=
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grabens im Norden der Stadt gegen die Schelfe, vom Pfaffenteiche bis zum Beutelsee, ist bereits vorhin gedacht worden; die innerhalb desselben befindliche Planke setzte sich im Westen des Domplatzes längs des sumpfigen Uferlandes des Pfaffenteiches bis zur Schmiedestraße fort. Der hinter der Planke hier angelegte Laufweg war vermuthlich im Laufe der Zeit von der Geistlichkeit anderweitig benutzt und eingegangen, denn in einem Vertrage vom Jahre 1313 verpflichtet sich das Domkapitel, an den Planken hinter der Domkirche herum vom Schmiedethor bis zum Schelfthor einen Weg (spätere Bischofstraße und Friedrichstraße) anzulegen und diesen nebst einem Laufwege vom Markte quer über den Kirchhof nach den Planken den Bürgern bei feindlichem Angriffe offen zu halten. Ostwärts des Schelfthors lag hinter der Planke der bischöfliche Obstgarten, welchen Bischof Hermann 1267 dem Domkapitel schenkte, bis ans Moor.

Die Felsenfundamente des nordwärts zur Schelfe hinausführenden Schelfthores sind beim Sielbau in der Königstraße zwischen Friedrichstraße und Burgstraße gefunden; letztere lag also außerhalb der Planke. Vor dem Thore lag quer durch den Stadtgraben ein Damm, in dem sich ein Siel befand, durch welches das Wasser des Pfaffenteichs nach dem Beutelsee abfloß, wenn es eine gewisse Maximalhöhe, die Stauhöhe der Grafenmühle, überschritt. Bei einer Erneuerung dieses Siels hatte das damals im Besitze der Mühle befindliche Kloster Reinfeld im Jahrre 1344 mit dem Domkapitel wegen der zulässigen Höhenlage einen Streit; das Kloster hatte Interesse an möglichst hoher Lage des Durchlaufsiels und dementsprechend großer Stauhöhe des Pfaffenteiches, das Kapitel dagegen an möglichst tiefer Lage, demgemäß geringerer Ueberstauung des Westrandes der in seinem Besitze befindlichen Schelfe und geringerer Höhe des Unterwassers seiner Bischofsmühle. Die Reste des Durchlaufsiels wurden bei der Aufgrabung in der Königstraße gefunden und zeigten, daß der Pfaffenteich, wie bereits erwähnt, ehemals eine größere Stauhöhe besaß, als jetzt.

Der mehr gedachte Grundriß des abgebrannten Stadttheils von 1651 zeigt vom Kreuz der Schmiedestraße und jetzigen Wladimirstraße in grader Linie bis zur Mitte der ersten Engen Straße, und dann die Richtung ändernd, in gerader Linie weiter bis zur Bischofsmühle eine Straße, die Faule Grube. Ich erblicke hierin die Lage des ältesten Stadtgrabens, dessen Spuren beim Sielbau in der Mitte der ersten Engen Straße gefunden sind; im Kreuz der Schmiedestraße und Wladimir=Bischofstraße stand dann das älteste Schmiedethor; von ihm zog sich die Planke in gerader Linie zur Mitte der ersten Engen Straße, bog hier nach Osten um und folgte

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über die Höhe hinweg bis an das Moor den Engen Straßen und der Salzstraße, die als Laufwege gedient haben werden. In der Königstraße wurden beim Sielbau an der südlichen Ecke der Salzstraße Felsenfundamente gefunden, welche einem zur fürstlichen Burg hinausführenden Thore angehört haben dürften.

Die älteste Stadt innerhalb der Planken erfüllte somit den Raum zwischen der Salzstraße, der zweiten Engen (1651 Zwerch=) Straße, der ersten Engen Straße bis zu deren Mitte, von hier hinüber zum Kreuze der Wladimir= und Schmiedestraße, Bischofstraße, Friedrichstraße, und bis an die Burgstraße. Ostwärts reichte die Stadt bis an das für Bebauung wenig geeignete Moor und entbehrte auf dieser Seite vermuthlich der Planken, da das Sumpfland genügende Sicherung gewährte. Hier wird die städtische Bebauung sich noch auf die höher liegende Schlachterstraße erstreckt haben, während die Baderstraße, dem unehrlichen Charakter des Badergeschäftes entsprechend, sicherlich den Rand der ältesten Stadt bezeichnet.

Nach dem Memorial von 1651 über den Wiederaufbau des abgebrannten Stadttheiles hatten Schusterstraße und Markt vor dem Brande andere Richtung und Form. Die Ostseite von Königstraße und Markt war auch vormals annähernd in gleicher Lage wie jetzt. Eckhaus der südlichen Königstraße (früheren Filterstraße) am Markt und an der Schusterstraße war das Haus von Wilde (609), dessen nördliche Seitengrenze die Südseite des Marktes bildete; die Grundstücke von Zander (610) und Dr. Bäßmann (611) waren noch freier Platz; die Pumpe auf Dr. Bäßmanns Hofe war vor dem Brande die Marktpumpe und wird in dem Memorial ausdrücklich erwähnt. Die Schusterstraße ging dann in schräger Richtung nach dem Theilpunkte der zweiten und ersten Engen Straße durch den hinteren Theil der Grundstücke von Brunnengräber (614/15) und von Zanzig (616), und in gleicher Richtung weiter bis zur Schloßstraße, wo wir in dem vorspringenden Hause von Stargardt (694) diese ehemalige schräge Richtung der Schusterstraße und deren Ecke noch erkennen; die Fundamente der Häuser an der alten Schusterstraße haben wir bei der Sielaufgrabung, die Straße schräge durchkreuzend, gefunden. Die Westseite des Marktes war bis an das Haus von Dr. Bäßmann vorgerückt; das Grundstück des Restaurateurs Jörg (612) lag mit der südöstlichen Ecke am Anfang der Schusterstraße, mit der östlichen Seitengrenze am Markte, und mit dieser in gleicher Richtung zog sich die Westseite des Marktes bis zu der in gerader Richtung ostwärts verlängerten Südseite der Schmiedestraße.

Südlich vor dem jetzigen Neuen Gebäude lag ein dreieckiger Baublock, dessen Ostseite neben dem jetzigen Rathhause eine Verlängerung der nördlichen Königsstraße (ehemaligen Steinstraße) bildete,

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und dessen Spitze sich neben dem überwölbten Durchgange des Rathhauses befand. Der keilförmige Raum zwischen der schrägen Südwestseite des Baublocks, der verlängerten Südseite der Schmiedestraße und den jetzt Zegelin (642) und Nieske (644) gehörigen Häusern war auch vor dem Brande von 1651 freier Platz, an dessen Nordwestecke in etwas geänderter Richtung der noch vorhandene Aufgang zum Dom lag. Der Markt hatte also einst, abgesehen von dem Keil, eine rechteckige Form von 60 Meter Länge und 20 Meter Breite, während er jetzt 60 Meter lang und 52 Meter breit ist. Bekanntlich hat Herzog Friedrich nochmals den Markt nordwärts durch Abbruch mehrerer Häuser um circa 5 Meter verlängert und durch den Bau des Neuen Gebäudes künstlerisch begrenzt.

Der Hauptzugang der Stadt befand sich anfänglich in der Schusterstraße, wo im Kreuze mit den Engen Straßen das Thor in den Planken gewesen sein wird; der Weg führte auf dem Mühlendamm (der südlichen Hälfte der Schusterstraße und dem Westende der Schloßstraße) und auf einer Brücke über das Mühlengerinne bei der Grafenmühle vorbei durch die Niederung nach dem hohen Lande beim jetzigen Marienplatze; dies Thor mag Mühlenthor genannt sein.

Die südöstliche Hälfte dieser vorbeschriebenen alten Stadt war gräflich und gehörte den Bürgern, die nordwestliche Hälfte war bischöflich und gehörte der Geistlichkeit; diese Theilung ist jedenfalls von Anfang an durch den Sachsenherzog Heinrich erfolgt, als er die Stadt gründete. Als dieser 1171 das alte Wendenbisthum von Meklenburg nach Schwerin verlegte und mit Gütern neu bewidmete, gab er ihm zwar außer anderem entfernteren Besitze nur die Pfarre in Schwerin und die bei Schwerin liegende Insel (den Schelfwerder), spätere Erneuerungen und Bestätigungen der Stiftungsurkunde bezeugen jedoch, daß die Geistlichkeit die Hälfte der Stadt in Anspruch genommen hat. So heißt es 1178: "ein Theil der Insel Schwerin nach Theilung des Herzogs", und 1186: "der Theil der Stadt Schwerin vom Hause des Fischers Suck zum alten Begräbnißplatze gerade hindurch geschieden" gehöre dem Bischofe; aus einer kaiserlichen Confirmationsurkunde von 1211 erfahren wir, daß dieses Haus des Fischers Suck auf dem südlichen Theile der Sumpfniederung lag, und aus einem Vergleiche von 1284, daß damals auf der Stelle des ehemaligen Fischerhauses das Heilige Geist=Haus errichtet war, das bis auf die neueste Zeit als städtisches Armenhaus an der Ecke der Wladimir= und ersten Engen Straße gestanden hat (jetzt Grundstück des Klempnermeisters Kruse, Nr. 678).

Das Fischerhaus stand außerhalb der Stadtplanke, denn die Fischer lagen ihrem Berufe nächtlicher Weile ob und konnten bei Thor=

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schluß nicht in der Stadt sein. Ebenso lag das Heilige Geist=Haus außerhalb der Stadt; Stiftungen dieses Namens entstanden auch in Hamburg und in andern Städten in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts unmittelbar innerhalb oder außerhalb der Stadtmauer in der Nähe des Thores, um Pilger, Kranke, Reisende zu beherbergen, welche man in die Stadt nicht einlassen wollte, sei es wegen des Thorschlusses oder aus anderen Gründen; man nannte diese Stifte oder deren betreffende Annexe dann auch wohl Gasthäuser.

Der andere Endpunkt der Grenze zwischen der gräflichen und bischöflichen Stadthälfte war ein alter Begräbnißplatz, cimeterium vetus, dessen Spur bei der Sielaufgrabung hinter dem Rathhause neben dem Hofe des Rathskellers gefunden ward; nach der Beschaffenheit der freigelegten Gräber dürfte dies ein Begräbnißplatz der Wenden aus der ersten christlichen Zeit sein, die 1066 ins Heidenthum wieder zurückfiel. Nach der Urkunde von 1267 lag zwischen diesem Begräbnißplatze und der Stadtplanke beim Schelfthor der dem Domkapitel vom Bischof geschenkte Obstgarten; letzteren finden wir also in den Grundstücken vom Stadthause bis zur Burgstraße, den Begräbnißplatz unter dem nördlichen Theile des jetzigen Rathhauses und dem Stadthause. Die gräfl.=bischöfl. Grenze ging somit, wie die Urkunde von 1284 besagt, vom Heiligen Geist=Hause quer über den Laufweg hinter der Stadtplanke allmählich den Hügel hinan, mitten über den Marktplatz zum Begräbnißplatze und endete am Moor.

Obgleich jedenfalls schon 1161 eine Kapelle St. Marien in der Stadt erbaut sein wird, in welcher 1185 Graf Gunzelin I. beigesetzt und in welche 1222 das Heilige Blut gebracht ward, und 1171 der Grundstein zum Dom neben dieser Kapelle gelegt ist, haben Bischof und Geistlichkeit zunächst doch ihre Stadthälfte anscheinend nur wenig angebaut und benutzt, zumal der Bischof nicht in Schwerin residirte. Daneben werden zwei Umstände darauf gedrängt haben, die Bürgerstadt zu erweitern: die Enge des ihr ursprünglich gesteckten Raumes und die Beschädigung des zum Aufstau des Wassers bestimmten Dammes der Grafenmühle durch die darüber verkehrenden Wagen und Heerden; denn für die Stadt, das Schloß und die Schelfe war dazumal nur dieser eine Ausgang vorhanden.

Wir sehen, daß der Graf, vermuthlich schon vor 1238, die Bürgerstadt in den bischöflichen Stadttheil vorgerückt hat und sich dieserhalb nachträglich 1284 mit dem Bischofe vergleicht. Der letztere giebt dem Grafen in diesem Vergleiche den dreiseitigen Stadttheil zwischen der alten Grenzlinie (Heilige Geist=Haus - alter Begräbnißplatz) einerseits und einer Linie vom Schmiedethor über jetzt unbekannte Stellen gleichfalls bis zum alten Begräbnißplatze, zu Lehn.

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Die neue Grenzlinie entspricht also ungefähr der jetzigen Südgrenze des Domgebietes mit geradliniger Verlängerung bis zum Moor hinab. Auf diesem Dreieck hatte der Graf die Schmiedestraße angelegt und vor derselben in der Stadtplanke (bei der Wladimir=Bischofstraße) das Schmiedethor erbaut. Die Sielaufgrabungen zeigten, daß hier in 2 bis 2 1/2 Meter Tiefe unter dem Straßenpflaster auf moorigem Untergrunde ein alter Knüppeldamm liegt, dessen westliches Ende bei der Wladimirstraße sich nur wenig über den ehemaligen Stand des Pfaffenteiches erhebt; die Schmiedestraße fiel also einst viel steiler als jetzt vom Markte zum Thore ab. Beiläufig sei bemerkt, daß man damals weichen Straßengrund noch nicht mit Steinen, sondern mit Holzstämmen (Knüppeln) brückte; auch in der Königstraße (ehemaligen Steinstraße) ward bei der Aufgrabung zwischen dem Stadthause und dem ehemaligen Schelfthor in 1 Meter Tiefe unter dem Straßenpflaster ein Knüppeldamm gefunden.

1238 verständigten sich Domkapitel und Graf gelegentlich einer Bischofswahl dahin, daß der Graf und der neuzuwählende Bischof sich innerhalb Jahresfrist wegen Erbauung einer Bischofswohnung in Schwerin vereinbaren sollten; die bevorstehende, 1248 erfolgte Fertigstellung und Weihung des Domes wird die Uebersiedlung des Bischofs dringend gemacht haben. In Folge dessen wird die Bischofswohnung, der Bischofshof (das jetzige Postgrundstück), außerhalb der Stadtplanke im sumpfigen Uferlande des Pfaffenteiches erbaut; das Jahr dieser Erbauung und der Uebersiedlung des Bischofs ist mir nicht bekannt.

1298 verkauften die Grafen ihre Mühle an das holsteinische Kloster Reinfeld; dabei wurde verabredet, daß der Mühlendamm nicht mit Wagen befahren, noch mit Vieh betrieben werden dürfe, und daß die Mühle nicht zur Stadt gehöre; zur Mühle ward der Fischfang auf Steinwurfsweite oberhalb und unterhalb des Mühlengerinnes gegeben, in welchem damals 4 Wasserräder (früher - prius - neben - praeter - den 4 noch mehr - aliae - Räder; Urk. 1298) gingen. Das Kloster scheint aus diesem Vertrage Veranlassung genommen zu haben, die Sumpfniederung oberhalb der Mühle am Mühlendamm auf größere Entfernung hin, vielleicht längs des ganzen südlichen Endes der Schusterstraße bis an das Stadtthor, in Besitz zu nehmen und aufzuhöhen, 1326 auch für gut befunden zu haben, der Stadt Schwerin sich anzuschließen und sich vom Rath den Platz außerhalb der Stadt, auf welchem die Mühle stand, und zwar innerhalb des Zaunes, an beiden Seiten des Grabens, zu ewigem Besitze nach Bürgerrecht zusichern zu lassen, sowie ebenso den Platz "auf der neuen Stadt", wie ihn der Klosterbruder Gerd eingefriedigt und mit Scheunen und Speichern bebaut hatte.

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Der Reinfelder Verwalter der Mühle hatte also an dem Mühlendamme auf der Seite nach dem Stadtthore hin, vielleicht auch auf der andern bis an den Holzzaun, welcher quer über den Mühlendamm gesetzt war und ihn gegen Wagenfahrt und Viehtrift schützte, sowie auch die Mühle gegen feindlichen Ueberfall vorläufig sicherte, Gebäude zu Kornspeichern und für andere Zwecke, vielleicht auch zu Wohnungen, errichtet, welche bereits den Namen der neuen Stadt im Volksmunde trugen. Dieser neue Stadttheil ist meiner Ansicht nach die südliche Hälfte der Schusterstraße und die Schloßstraße von der Schusterstraße bis zur Kaiser Wilhelmstraße (Lisch hält ihn für das Glaisin, U.=B.VII, Nr. 4712, Anm.); und als Zubehör wird das Kloster auch die ganze Niederung des Fließgrabens südwärts des Heiligen Geist=Hauses (die Steinwurfsweite!) in Besitz genommen haben.

Der Graf scheint wegen dieser Vorkommnisse in Wissenheit und damit einverstanden gewesen zu sein, denn er nimmt in den nächsten Jahren mehrfach an Verhandlungen mit dem Kloster Theil. 1328 tritt der Schweriner Bürger Hermann Wend an den Grafen ein Klappensiel oder Wehr (gurgustrium) ab, welches bei der Grafenmühle lag, und wegen dessen er mit dem Kloster in Streit war; daß dies Wehr die Faule Grube (den Stadtgraben, welcher durch die Anlage des Bischofshofes seinen Wasserzufluß verloren hatte und dadurch faul geworden sein wird) zu wirklichem oder vermeintlichem Nachtheil der Mühle aufstauete und entleerte, ist wahrscheinlich; der gräfliche Vogt bezeugt die Erledigung des Streites.

1331 vergleicht sich die Stadt mit dem Kloster Reinfeld wegen Spülung des Stadtgrabens; der Graf tritt diesem Vertrage 1339 bei. Die Stadt hatte einen neuen Zuflußgraben vom Fließgraben zum Stadtgraben neben dem Heiligen Geist=Hause hergestellt (der bis vor Kurzem noch als Wasserlauf vorhanden gewesen ist bei Scharffenberg (674) die Wladimirstraße kreuzte und bei Haase (994) in der Kaiser Wilhelmstraße in den Fließgraben mündete) und in diesem Zuflußgraben ein Wehr oder Schleuse zum Anstauen des Wassers querdurchgelegt. Die Verträge bestimmen nun, daß das Kloster, so oft es nöthig ist, das Schloß dieser Schleuse öffnen und Wasser zum Spülen des Stadtgrabens aus= und einlaufen lassen solle; es könne aber statt dessen auch in dem Stadtgraben am unteren Ende bei der Mühlenbrücke ein Schoß oder Schütte (gurgustrium, vorescutte) anlegen, durch dessen Schließung oder Oeffnung das Wasser des Stadtgrabens angestauet, beziehlich direct in das Mühlengerinne geleitet werden konnte, alles Maßregeln, um die Spülung des faulen Gewässers mit der Nutzbarmachung des Spülwassers für die Mühlräder zu vereinigen, und den Graben vertheidigungsfähig voll Wasser zu halten.

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Als der Graf in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Ausfahrt aus der Stadt beim Mühlenthor über seinen Mühlendamm aufhob und die Schmiedestraße mit dem Schmiedethor anlegte, mußte er außerhalb dieses Thors über das Sumpfgewässer und den Fließgraben eine Brücke nach dem hohen Festlande beim jetzigen Marienplatze bauen; es geschah dies auf eingerammten Pfählen (eine Bolbrügge). Wir nennen den Rammblock jetzt Bär, der Niederländer nennt ihn Boll (Bullen, Stier), das Rammen (engl.: ram = Widder) selbst "bollen"; so ist "Bollwerk" ein Uferdeckwerk von eingerammten Pfählen, nicht zu verwechseln mit dem in der Technik jetzt gebräuchlichen Ausdruck "Bohlwerk," mit Bohlen bekleidete Uferbefestigung.

Seine "Bolbrügge" schenkt der Graf (nach 1326) als innerhalb der städtischen Feldmark, also außerhalb der Stadtplanken belegen, an die Stadt, um sich "mit Mauern und andern bequemen Festungen zu befesten", und bezeugt dies 1340. Es handelt sich hier meiner Ansicht nach um das Terrain, auf welchem die Brücke lag, nämlich um den dem Grafen gehörigen Sumpf des Pfaffenteichs zwischen dem Schmiedethore und dem Heiligen Geist=Hause, beziehlich vom Bischofshofe bis an die von der Reinfelder Mühle aus in Besitz genommene Fläche, einschließlich des mit Holz und Sträuchern bewachsenen westlichen Abhanges. Wir sehen also das Jahr 1340 als Beginn des Besitzes der Stadt an der Niederung und an dem Fließgraben zwischen Schmiedestraße und Helenenstraße, in welchem Gewässertheile ihr seit jener Zeit auch die Fischerei zuständig gewesen ist, während weiterhin neben dem Bischofshofe das Gewässer und die Fischerei bischöflich geworden waren.

Die Brücke führte vermuthlich zunächst vom Schmiedethor südwärts nach der Stelle, an welcher hernach zwischen ihr und der Stadtplanke das Heilige Geist=Haus als Herberge der Reisenden erbauet ward, und dann in der Richtung der Helenenstraße über den tieferen Wasserlauf nach der Landhöhe.

2. Schwerin innerhalb der Mauern, nach 1340.

Schon seit 1326 (Fromm, Chron.) hatte die Stadt mit dem Bau von Mauern begonnen. Die vorgeschobene Lage der Mühle und der Hinausbau des Bischofshofes wird es dem Grafen haben zweckmäßig erscheinen lassen, die Stadtbefestigung zwischen diesen beiden Endpunkten zu verbessern. Die Stadt bauet nun statt der Planke die weiter in die Niederung hinausgerückte Mauer, vom Bischofshofe bis an die Mühle. 1331 liegt die neue Schleuse und das Heilige Geist=Haus schon innerhalb der Stadtmauer. Mühlenthor und

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Schmiedethor werden neugebauet, neben dem Heiligen Geist=Haus, in der Mauer ein Thurm, der später, als beim Aufhören dieser Mauerbefestigung ihn ein Plötzky kaufte, Plötzenthurm genannt ward. Die Fundamente des neuen Schmiedethors haben wir beim Sielbau unten in der Schmiedestraße neben Bärensprung & Ehlers Hause (660) gefunden; das neue Mühlenthor lag neben der Mühle (Herbordts Haus) auf dem Mühlendamm (jetzigen Schloßstraße), wo im Untergrunde jetzt auch der Schutt gefunden ward; die Fundamente des Plötzenthurms sind in der Mitte der dritten Engenstraße gefunden. Die Mauer zog sich also, wie auch ein vorhandener Plan aus dem vorigen Jahrhundert zeigt, im Bogen vom Schmiedethor zum Mühlenthor, und erst bei späterem Abbruche der Mauer sind die Grundstücke in die gerade Linie der jetzigen Kaiser Wilhelmstraße vorgerückt.

Nach Wegräumung der entbehrlich gewordenen Planke zwischen dem Schmiedethor und dem Heiligen Geist=Hause konnte der hinter ihr befindliche Laufweg als städtische Straße bebauet, auch bis zur Mühle südwärts verlängert werden; auch auf der anderen Seite des neben der Straße liegenden Grabens wurden vielleicht Häuser gebaut. Dieser Graben, der nun durch Einschütten von Hausunrath erst recht faul geworden sein wird, ward schon vor dem Brande von 1651 zugeschüttet, wie aus dem Memorial und Plan von 1651 ersichtlich ist; der Graben übertrug den Namen "Faule Grube" auf die Straße, die beim Wiederaufbau nach jenem Brande ebenso, wie die Schusterstraße, in die heutige gerade Richtung mit 10 Meter Breite verlegt ist.

Das Terrain außerhalb der Stadt zwischen dem Moor, der Stadtplanke, dem Mühlendamm, dem Burgsee und dem Schloß wird als Burgfreiheit im Besitze des Grafen geblieben sein; über dasselbe führte vom Schloß her bis zum Mühlendamm eine Straße (die jetzige Schloßstraße) mit Abzweigung zur Stadt (jetzige Königstraße). Der Abhang des festen Landes erstreckte sich etwa längs der Ritterstraße, Schloßstraße bis zur Königstraße und schräg hinüber zum alten Mühlenthor; bis an diesen Abhang reicht im Untergrunde das Sumpfland des Burgsees, in welchem die Straßendämme aufgehöht worden sind.

Die Schlacht von Bornhövede hatte 1227 die Dänenherrschaft vernichtet, in den nordalbingischen Ländern wieder gesichertere Verhältnisse geschaffen und Muth zu Stadterweiterungen und anderen Unternehmungen gegeben. Wie in Hamburg und Lübeck, so ward damals auch in Schwerin ein Franziskanerkloster gegründet, für welches der Graf den Platz außerhalb der Stadt, wo das jetzige ältere Regierungsgebäude steht, anwies, und dessen Baukosten aus den seit 1222 fließenden Einnahmen aus der Verehrung des Heiligen

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Blutes bestritten wurden; 1236 war das Kloster nebst Kirche und Begräbnißplatz bereits fertig. Mit Wirthschaftsräumen, Gartenbenutzung etc. . dehnte das Kloster sich vermuthlich in der Folgezeit in dem Uferlande des Burgsees am Abhange der Schloßstraße nach der Mühle hin aus, und so entstanden vielleicht die Anfänge der jetzigen Klosterstraße, die früher "Hinter dem Klosterhof" genannt ward.

1345 bezeugte der Rath der Stadt Schwerin dem Grafen, daß der innerhalb der städtischen Feldmark, also außerhalb der Stadt belegene Kobelendalen dem Grafen gehöre; Kovel heißt im Niederdeutschen die Mönchskutte; ich möchte zur Erwägung verstellen, ob dies Kuttenthal etwa die von den Mönchen hinter dem Klosterhofe in (widerrechtliche?) Benutzung genommene Niederung bedeutet?

In der Folge wird der Graf auf seinem Terrain vor seinem Schloß noch weitere Anweisungen von Bauplätzen, namentlich an Personen, die zu seinem Hofhalte in Beziehung standen, vorgenommen haben. So verspricht Graf Gunzelin 1266 dem Grafen Adolf von Dannenberg einen Wohnplatz "beim Kloster oder in der neuen Stadt," also etwa an der jetzigen Schloßstraße. Im Jahre 1403 ist im Besitz der Familie Split ein Ritterhof auf dem Tappenhagen, 1 ) einer sich im Zusammenhange mit dem Terrain der jetzigen Glaisinstraßen gleich einem Zapfen von der Schloßstraße her in das sumpfige Moor erstreckenden Höhe festeren thonigen Untergrundes; der Hof wird 1439 Splitshof genannt und gehörte später den Raven auf Stück (daher später Ravensburg genannt). Es entsteht also hier: allmählich aus dem Bedürfnisse der gräflichen Hofhaltung (z. B. Ritterstraße) ein neuer Stadttheil, der im Anschluß an die untenstehende Note bald nach 1476 einschließlich des Moors zu Stadtrecht gelegt sein wird.

Die im 14. Jahrhundert zwischen dem Schmiedethor und der Mühle von den Bürgern errichtete Mauer ist abseiten der Geistlichkeit um den Bischofshof herumgeführt und an Stelle der Planken auch längs der Nordseite der Stadt erbaut worden. Das Fundament der Mauer wurde vor einigen Jahren bei Außhebung eines Baugrundes an der Nordseite der Friedrichstraße freigelegt; dasselbe ist in 1 1/2 Meter Breite aus großen Felsen ohne Mörtel hergestellt, und an der Außenseite gegen den Stadtgraben durch eine Wand von dicht an einander eingerammten Rundpfählen von 40 Centimeter


1) Um 1409 zahlen 2 bäuerliche Bewohner des Tappenhagen je 1 Mark Sundisch (wie die Ostorfer) an das Amt Schwerin; 1454 wohnten 5 dort; 1476 kommt der Tappenhagen zuletzt in den Amtsregistern vor.
         Der Herausgeber.
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Durchmesser gegen Unterspülung gesichert; seine Unterseite lag 1 Meter unter der ehemaligen Stauhöhe des Pfaffenteiches (dem ehemaligen Wasserstande des Stadtgrabens), und die Köpfe der Pfähle standen etwa 25 Centimeter unter diesem Wasserstande.

Ueber den Beginn städtischen Anbaues in dem Moor ist mir nichts bekannt; Fromm setzt die Erweiterung Schwerins in die Moore um das Jahr 1500; muthmaßliche Fundamente der vielleicht in späterer Zeit verlängerten Stadtmauer haben sich bei der Sielaufgrabung im unteren Theile der jetzigen Burgstraße bis an den großen Moor und auch quer über diese Straße hinweg vorgefunden. Die obere schmale Strecke der Straße "Großer Moor" scheint nicht ursprünglich vorhanden gewesen zu sein; die an ihr liegenden Grundstücke haben so geringe Tiefe, daß die darauf stehenden Häuser an der Hinterseite weder Höfe noch Fenster besitzen. Man gewinnt den Eindruck, als ob diese Straßenstrecke erst nachträglich über ein an der Königstraße belegen gewesenes Grundstück gelegt sei, um einen neuen Zugang nach dem Moor zu gewinnen. Der ursprüngliche Zugang zum Moor ging über die Schlachterstraße, sowie über den Laufweg hinter der Stadtplanke (die Salzstraße), und von hier aus wird auch die Bebauung des Moors mit Häusern in der Baderstraße ihren Anfang genommen haben. Der Plan von 1651 zeigt die Stadtmauer längs Burgstraße, Tappenhagen bis zum Burgsee.

Die in der zweiten Hälfte des dreißigjährigen Krieges erfolgte Anlage eines bastionirten Walles mit Graben von der Klosterstraße bis zum Pfaffenteich in der Niederung ist aus noch vorhandenen Plänen bekannt (vergl. den Plan in Jahrb. LIII); die Spuren dieser Anlage haben sich beim Sielbau in der Helenenstraße und Martinstraße im Untergrunde vorgefunden. Diese Anlagen haben die genaue ehemalige Lage des Stadtzuganges (der Bolbrücke) unauffindbar gemacht.

Die genauere Lage des alten Wenden=Wohnplatzes Schwerin ist durch die bisherigen Forschungen noch nicht ermittelt. Wahrscheinlich haben die bei der Burg wohnenden Wenden ihre Wohnstätten in der Nähe ihres ersten christlichen Begräbnißplatzes gehabt; da sie bei Anlage der Sachsenstadt in dieser nicht wohnen bleiben konnten, hat der Herzog sie vielleicht nach der Schelfe übersiedeln lassen, die vorhandenen Urkunden geben darüber aber keinerlei Nachricht, und auch örtlich lassen sich keine Spuren als Fingerzeig bislang entdecken.

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Der Marktplatz

vor und nach dem Brande von 1651.
Der Marktplatz vor und nach dem Brande von 1651.
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Das alte Schwerin innerhalb

der Planken vor 1340
1 : 10000
Das alte Schwerin innerhalb der Planken vor 1340

Erklärung der Buchstaben:

a. Das Schelfthor,
b. das Schmiedethor,
c. das Mühlenthor,
d. das Burgthor,
e.der alte Begräbnisplatz
f. das Heilige Geist Haus, vorher Fischer Suck,
g. das alte Rathhaus,
f-e. - . - . - die Grenze zwischen dem gräflichen und bischöflichenStadttheil,
h-e. - . - . - desgl. die spätere Grenze,
i. die Marktpumpe.

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Schwerin

innerhalb der Mauer nach 1340
1:10000
Schwerin innerhalb der Mauer nach 1340

Erklärung der Buchstaben

a. DasSchelfthor,
b. das Schmiedethor,
c. das Mühlenthor,
d. der Plötzenthurm,
e. der alte Begräbnisplatz,
f. das Heilige Geist Haus,
g. das alte Rathhaus,
i. die Marktpumpe.

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II.

Wismar und die Vemgerichte.

Von

Dr. F. Techen.

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W ohl keine Einrichtung des Mittelalters ist dem Namen nach so allgemein bekannt wie die heilige Veme, und mit keiner verbindet die Allgemeinheit bestimmtere Vorstellungen. Das Verdienst fällt, abgesehen davon, daß das Geheimnißvolle immer anzieht, vor Allem den Dichtern Goethe, Kleist und Immermann zu. Die beiden ersten tragen aber auch die Schuld, daß die verbreiteten Vorstellungen durchaus irrig sind und trotz aller Bemühungen der Geschichtsforscher und Geschichtschreiber, so lange man den Götz und das Käthchen von Heilbronn auf der Bühne sehen oder lesen wird, irrig bleiben und immer aufs Neue zu bekämpfen sein werden.

Aus diesem Grunde ist es nicht nur erlaubt, sondern unumgänglich einleitungsweise darzulegen, was die neuere Forschung über Wesen und Geschichte der Veme festgestellt hat. Ich schließe mich dabei vor Allem an Lindners Veme (Münster und Paderborn 1888) an und benutze daneben Wächters Beiträge zur Deutschen Geschichte (Tübingen 1845) und Wigand, das Femgericht Westphalens (Hamm 1825).

Wenn die Gleichheit des Wortes Veme, das nebeneinander in den Formen »veme, vemme, vime, vimme, veyme« vorkommt, mit dem mitteldeutschen Feimen (Kornschober) und dem hiesigen Fimm (hundert Bund Rohr) als höchst wahrscheinlich angenommen werden muß, so kann über die ursprüngliche Bedeutung "Vereinigung, Verband" kein Zweifel aufkommen, um so weniger als das Wort »veem« im Sinne von Gesellschaft, Genossenschaft, Schaar, Haufe noch im Niederländischen fortlebt. Daß sinnlich Greifbare ist immer daß Aelteste.

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In der Anwendung auf das Rechtsleben würde Veme zunächst Gerichtsgenossenschaft, Gerichtsverband, dann synonym mit Gericht und insbesondere ein über gewisse todeswürdige Verbrechen befindendes Strafgericht gewesen sein. Namentlich im Osten erscheinen unabhängig von der westfälischen Einrichtung außerordentliche Gerichte zur Wahrung des Land= und Stadtfriedens 1 ) unter dem Namen »veme«. Hier ist die ursprüngliche Bedeutung noch sehr durchscheinend. Auch diese Gerichte befanden über Verbrechen, die mit dem Tode zu ahnden waren, über Todtschlag, Raub, Diebstahl, und zwar nicht nach gemeinem Rechte. Von Strafgericht aus ergibt sich die Bedeutung Strafe und die Bildung eines Verbums »vemen« strafen ungezwungen. Der Umstand, daß die letzte Bedeutung in der Litteratur 2 ) zuerst, schon im zwölften Jahrhunderte, belegt ist, beweist nichts gegen die Entwicklung. 3 )

In Westfalen, der Heimath der bekannten Vemgerichte im engern Sinne, war übrigens ihr eigentlicher Name Freigerichte. Sie reichen bis in das graue Alterthum zurück, hatten Civil= und Kriminalcompetenz und waren ursprünglich gar nichts besonderes. Erst dadurch, daß Verfassung und Recht in Westfahlen sich anders entwickelten als im übrigen Deutschland, daß dort der Stand der Freien sich in größerem Maße hielt daß die Freigrafen fortwährend sich den Bann vom Könige einholten und somit die Gerichte den Zusammenhang mit dem Könige bewahrten, erst dadurch erhielten sie ein eigenes Gepräge. Sie müssen schon in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts einen bedeutenden Ruf erlangt haben. Im Jahre 1332 erwirkte sich der Bischof von Minden, Herzog Ludwig von Braunschweig=Lüneburg, vom Könige die Befugniß, in seinem freien Herzogthum im Stifte Freigerichte zu besitzen unter Königsbann nach Vemerecht, wie es in Westfalen Recht sei an weltlichem Rechte. Es folgte 1348 der Landgraf Herman von Hessen, 1349 die Abtei Korvey, dann eine ganze Reihe geistlicher und weltlicher Fürsten in der Nähe Westfalens und Engerns. Auch die Fürsten in Westfalen selbst begannen sich um die Freistühle zu kümmern, und vor Allen die kölnischen Erzbischöfe. Sie erreichten 1374 die Anerkennung, daß nur in ihrer Herrschaft, dem Herzogthume Westfalen, Freigrafschaft bestehn dürfe, ohne daß dies für die nächstbetheiligten Bis=


1) Z. B. in Braunschweig. S. Varges, Die Gerichtsverfassung der Stadt Braunschweig, S. 53 - 59.
2) Benecke=Müller=Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch unter »veme« und »vemen«.
3) Jostes vertritt die Zurückführung des Worts auf die Bedeutung Vereinigung, bei Lindner, (S. 304 - 308.
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thümer Münster und Osnabrück bemerkbare Folgen gehabt hätte. Im Jahre 1382 erhielt der Erzbischof Friedrich von Saarwerden das Recht, die Freigrafen seines Herzogthums selbst zu investiren, da die Schwierigkeit zum Könige zu gelangen, oft verschulde, daß die erledigten Stühle nicht besetzt würden. Sein Nachfolger Dietrich von Mörs erwarb 1422 das Recht, alle Freigrafen in Westfalen jährlich zu versammeln und übte das Recht der Bestätigung und Belehnung der Freigrafen auch außerhalb seines Herzogthums.

Sodann scheinen die westfälischen Landfrieden aus den siebziger Jahren des vierzehnten Jahrhunderts von Einfluß darauf gewesen zu sein, daß sich die Freigerichte besonders die Bestrafung der Friedensbrecher, Mörder, Räuber, Diebe angelegen sein ließen.

Bald begann sich die Thätigkeit der Gerichte, die im Anfange natürlich auf ihren eigenen Sprengel beschränkt gewesen waren, über Westfahlen hinaus zu erstrecken. Sie Berechtigung dazu leitete man aus dem Umstande her, daß sie unter Königsbanne richteten, also eigentlich königliche wären, des Königs Gericht aber überall zuständig sei. Und die strenge und rasch geübte Gerechtigkeit wird vermuthlich die Auswärtigen mehr und mehr veranlaßt haben, ihr Recht, das sie an zuständiger Stelle nicht erlangen konnten, hier zu suchen, wie sie es von Rechts wegen an des Königs Hofe hätten thun müssen.

Im Jahre 1379 versicherte sich Minden des Schutzes der Grafen von Ravensberg gegen die Freigerichte, Herford ward zwischen 1374 und 1385 vorgeladen, 1385 hatte Hildesheim Verdrießlichkeiten, 1386 ergeht eine Warnung vor dem Umsichgreifen der Freigerichte nach Oberdeutschland, 1387 haben Frankfurt und Köln mit diesen Gerichten zu schaffen, 1396 planen schon die sächsischen Städte ein Bündniß dawider, 1399 werden Lübecker Bürger vorgeladen, und so geht es weiter.

König Wenzel verfügte auf eine Beschwerde Goslars 1385, wenn der Bürgermeister oder sein Stellvertreter selbsiebent die Schuld eines Verklagten beschwöre, so dürfe dieser nicht zum Reinigungseide zugelassen werden, doch solle diese Satzung nicht dem westfälischen Landfrieden und den freien Stühlen daselbst zum Schaden gereichen. Dann sah sich 1408 König Ruprecht veranlaßt, über Wesen, Verfahren und Ansprüche der Freigerichte genauere Erkundigungen einzuziehen, die Ruprechtschen Fragen. Sein Nachfolger König Siegmund ward selbst Schöffe. Zu dessen Zeit wurden 1430 die Soester und Dortmunder Kapitel abgehalten und in seinem Todesjahre 1437 die Arnsberger Reformation beschlossen, unter König Friedrich III. 1442 die Frankfurter Reformation. Wenn man hier auch die Freigerichte einzudämmen suchte, so fanden sie doch An=

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erkennung dafür, daß sie bei Rechtsverweigerung durch den eigentlichen Richter zuständig seien.

Die Sachen, die vor sie gehörten, werden verschieden aufgezählt, in fünf bis zwölf Punkten, was sich hauptsächlich durch mehr oder minder scharfe Abgrenzung erklärt. Nach den Dortmunder Aufstellungen waren »vemewroge« 1 ) 1. Raub und jede Gewaltthat gegen Kirchen und Geistliche, 2. Diebstahl oder einem andern das Seine nehmen wider Recht und unverwahrter Ehre (also ohne Absage), 3. Beraubung einer Kindbetterin oder eines Sterbenden, 4. Reraub (Beraubung eines Todten), 5. Mordbrand und Mord, 6.Verrath, 7. Verrath der Veme an einen Nichtwissenden, 8. Nothzucht, 9. Fälschung von Münze oder Gut, 10. Raub auf der Kaiserstraße, 11. Meineid und Treulosigkeit, 12. wenn einer nicht zu Ehren antworten will auf Stätten, wo es sich gebührt. Vermöge dieses letzten Punktes konnte All und Jedes, auch Geldschuld, wegen deren im Uebrigen die Ansichten geschwankt haben und die von Rechtswegen nicht dahin gehörte, vor die Freigerichte gezogen werden.

Was die Einrichtung anlangt, so waren die Gerichtsstätten althergebracht im Freien, mit Vorliebe an erhöhten Orten unter einem Baume. Gerichtszeit war der Lauf des Tages zwischen Aufgang und Untergang der Sonne. Richter (Vorsitzender) ein Freigraf, d. h. kein Graf in dem heutigen beschränkten Sinne des Wortes, sondern ein freier Mann, dem das Richteramt unter diesem Titel von dem Stuhlherrn, dem Edlen oder Fürsten oder der Stadt, in deren Gebiete die Mahlstätte lag, verliehen war, und der den Bann, die Gerichtsgewalt, vom Könige oder dessen Vertreter erworben hatte. Der älteste bekannte Eid, den der Freigraf dabei zu leisten hatte, verpflichtete ihn, dem Reiche, den Kaisern und Königen und dem Erzbischofe und dessen Nachfolgern gehorsam zu sein, Niemand zum Freischöffen zu machen, der nicht durch Ruf, Geburt und sonst geeignet sei, und der nicht Treue gegen Reich, Kaiser und die Kölner Kirche gelobt habe, und sein Amt gerecht und gesetzmäßig zu führen.

Das Urtheil fanden die Freischöffen, ursprünglich die Freien, die im Gebiete des Stuhles Grundeigenthum hatten, dann, als deren Zahl zusammenschmolz, die Ministerialen, Bauern und Bürger, die den Eid geleistet hatten. Freie Geburt war Bedingung, und guter Ruf. Zu geloben hatte der Freischöffe Geheimhaltung der Veme »vor man, vor wif, vor torf, vor twich, vor stock, vor stein, vor gras, vor grein«, daß er alle vemwrogigen Sachen, die er glaublich erfahre, vor Gericht bringen und das aus keinen Rücksichten


1) Der Rüge der Veme unterworfen, durch das Vemgericht zu strafen.
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unterlassen wolle. Er gewann das Recht ihm genommenes Gut, wo er es in der Freigrafschaft traf, wiederzunehmen, den Dieb zu hängen oder laufen zu lassen oder vor Gericht zu bringen. 1 ) Außerdem Vorrechte in der Ladung, falls ihm selbst etwas zur Last gelegt ward, und Vorzüge in der Vertheidigung und im Anbringen einer Klage. Er hatte aber die Pflicht, Vervemte, wenn es von ihm mit genügenden Beweisen gefordert ward, richten zu helfen und auch bei Ladungen mitzuwirken. Auf den Verrath des Geheimnisses der Veme stand eine schrecklich ausgemalte Todesstrafe. Die Sporteln für die Aufnahme unter die Schöffen waren bedeutend, und mochte auch ein Erlaß gewährt werden, so muß doch ihr Ansatz warnen, eine übermäßige Ausdehnung des Schöffenthums anzunehmen. Freilich wissen wir, daß König Siegmund selbst wie schon erwähnt ist, Markgraf Friedrich I. von Brandenburg, die sächsischen Herzoge Friedrich I. und II. und Wilhelm, Herzoge von Baiern und Oesterreich, Pfalzgrafen, Landgrafen von Hessen und andere Fürsten, von Geistlichen der Erzbischof Johann II. von Mainz, Bischöfe von Brixen und Speier, um minder hoher Prälaten zu geschweigen, sich hatten wissend machen lassen. Und wenn 1428 der schwäbische Städtebund es in Erwägung zog, ob nicht jede Stadt einige Glieder ihres Rathes sollte Freischöffen werden heißen, so muß man sich doch besondere Vortheile davon versprochen haben, während ein Zeitgenosse in Bremen 1436 es für eine Tollheit erklärte. Wer klagen wollte, wird in der Regel wissend geworden sein, vielfach auch, wer sich einer Klage erwehren wollte.

Auf die von einem Freischöffen erhobene Klage ward erst entschieden, ob die Sache vemwroge sei, dann der Beklagte vorgeladen, und zwar wurden dem Freischöffen drei Termine bewilligt, dem Nichtwissenden in der Regel nur Einer. Gewöhnlich gieng eine Warnung voraus. Der Beweis ward gegen den Ausgebliebenen, nachdem richtige Ladung festgestellt war, dadurch geführt, daß der Kläger seine Klage beschwor und sechs Freischöffen als Eideshelfer seinen Eid als rein und nicht mein ihrerseits eidlich bekräftigten. Darauf erfolgte die Vervemung (wofür die Formel gewechselt hat), und der Freigraf gebot allen Freigrafen und Freischöffen bei ihren Eiden, den Vervemten, sobald sie seiner habhaft werden könnten, an den nächsten Baum zu hängen. Der erscheinende Beklagte oder sein Vertreter konnte durch genügend verbürgtes Gelöbniß, gehörigen Ortes sich zum Rechte stellen zu wollen, das Verfahren durchbrechen und ebenso Fristen gewinnen. Wie es hergieng, wenn der Beklagte


1) Rechtsbuch aus dem funfzehnten Jahrhunderte, bei Wigand, S. 557.
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erschienen war und sich auf das Verfahren einließ, ist nicht sicher bekannt, da von einem solchen Vorgang keine Urkunde zeugt. Ueber das ergangene Urtheil ward, falls es nicht sofort vollstreckt werden konnte, dem Kläger eine Urkunde ausgestellt, und seine Sache war es, für Vollzug zu sorgen. Ihm Hülfe durch die Freischöffen zu schaffen, dienten die geheime Losung und andere Zeichen, an denen die Schöffen einander erkannten. Selbdritt konnten sie an jedem Orte den Spruch durch Hängen vollziehen, und zum Zeichen, daß die Veme gewaltet, stießen sie ein Messer in den Baum.

Die Zahl der auf diese Weise vollzogenen Hinrichtungen kann nach den wenigen darüber vorhandenen Nachrichten so groß kaum gewesen sein, daß sich daraus der Schrecken vor den westfälischen Freigerichten erklären ließe. Und auch nur zum sehr geringen Theile wird es sich aus dem Eindrucke des Geheimnißvollen des Verfahrens auf ein böses Gewissen erklären lassen. Das Selbstbewußtsein, mit dem die Gerichte handelten, wird der Wirkung nicht verfehlt haben, da sie selbst Fürsten vorladeten und vervemten. Am schwersten mag es für die Städter ins Gewicht gefallen sein, daß die Vervemung jedem Schnapphahn den Anlaß bieten konnte, nicht nur den Betroffenen selbst und sein Gut, sondern auch jeden seiner Mitbürger aufzugreifen, 1 ) und die Furcht davor wird es gewesen sein, was die Städte so früh zu Klagen über und zu Maßregeln gegen die Gerichte trieb.

Der Weg, den man wählte, war verschieden. Entweder suchte man sich Einfluß auf Freistühle zu verschaffen, wie Frankfurt und Deventer; oder man wollte, wie Bremen, keinen oder, wie Höxter, nur eine geringe Anzahl Vemenoten (Vemgenossen) in der Stadt dulden; oder man schloß Bündnisse ab wie die sächsischen und brandenburgischen Städte, wobei man sich zu Rechte erbieten und im Falle der Erfolglosigkeit den Kläger verfesten und an die Acht sich nicht kehren wollte. Auch der Hansebund befaßte sich wiederholt mit der Sache. Schon 1417 hatte Lübeck seinen Abgesandten in Konstanz angewiesen, ein Privileg für seine Bürger wider Ladungen vor die freien Stühle zu gewinnen. 2 ) Ob mit Erfolg, steht dahin. Denn Köln zwar hatte 1415 ein solches erhalten, später aber wollte König Siegmund davon nichts wissen und erklärte sogar das Kölner für ungültig. 1447 ward auf dem allgemeinen Hansetage zu Lübeck beschlossen, daß außer in den westfälischen Städten Niemand in einer


1) Vgl. das Urtheil des Freigrafen zu Brakel 1460, September 4 (im Anhange).
2) Hanserecesse A.VI, S. 429.
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Hansestadt Freischöffe werden dürfe, und wer es dennoch würde, sein Bürgerrecht verlieren solle. 1 ) Auf diesen Receß wurden die livländischen Städte verwiesen, als sie nach vier Jahren wieder über die heimlichen Gerichte klagten, 2 ) und 1456 ward der Beschluß auf Bremens Beschwerden erneuert. 3 ) Eingeschränkt mag dadurch der bekämpfte Mißbrauch sein, wegen dessen in Augsburg sogar 1468 zwei Bürger hingerichtet wurden, aber ausgerottet ward er nicht. Ja, als 1474 der wismarsche Rath einem lübischen Unterthan sein formales, aber, wie es scheint, nicht wirkliches Recht, 4 ) nicht gewähren wollte, konnte Lübeck warnen, aus solchen Ursachen würden fremde, ausheimische Gerichte gesucht, die westfälischen nämlich. Bei solcher durchleuchtenden bundesbeschlußwidrigen Nachsicht ist es dann kein Wunder, wenn auch später solche Fälle begegnen.

In Wismar war der Rath, der durch zwei Richteherren als Beisitzer wohl von Anfang an Einfluß auf das Vogtgericht hatte, frühzeitig darauf ausgewesen, dies zu erwerben, und es war ihm bereits im Jahre 1308 gelungen. Der unglückliche Kampf mit dem Landesherrn führte jedoch 1311 zur Aufgabe desselben, wie anderer Privilegien. In den folgenden Jahrzehnten war die Vogtei bald an diesen, bald an jenen verpfändet und gelangte erst Ausgangs des Jahres 1373 dauernd in den Besitz der Stadt, bis in unsern Tagen, nach rund fünfhundert Jahren, die städtische Gerichtshoheit dem neuen Reiche zum Opfer fiel. Wie auf das weltliche, so warf auch auf das geistliche Gericht der Rath bei Zeiten sein Auge, nur daß an dessen Erwerb nicht zu denken war und man sich darauf beschränken mußte, alle Uebergriffe abzuweisen, zu denen dies Gericht nur allzu geneigt war. So willkürte der Rath 1330, man wolle über jeden Laien richten, der einen Kleriker stäche oder schlüge, wie der Bischof über den Kleriker, der sich in dieser Weise an einem Laien vergriffe, und in der Bürgersprache ward es von 1373 an


1) Hanserecesse B. III, S. 183, 28; 334, 2.
2) Hanserecesse B. III, S. 570, 10.
3) Hanserecesse B. IV, S. 324, 9. Die angeführten Stellen hat theils Lindner, theils der Zufall an die Hand gegeben; durchgesucht habe ich die Hanserecesse nicht.
4) Zu Avendorf auf Femern war Klawes Kröger erschlagen. Auf ein Zeugniß der Kämmerer und Geschworenen des Landes hin, wonach Thewes Loman, Hinr. Holste und Hans Boisel aus Wismar den Frevel verübt hatten, verlangte Hans Kröger, der Bruder des Erschlagenen, Entschädigung. Die Wismarschen aber wollten ihre Unschuld beschwören (Schreiben Lübecks an Wismar 1474, Juni 8 und Juni 27). 1481, Januar 31, erklärte Hans Kröger nach einer Verhandlung vor zwei Bürgermeistern und den Richteherren in Wismar, daß er den Beschuldigten Glauben schenke und nimmer auf die Klage zurückkommen wolle. (Zeugebuch, S. 191 - 193.)
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eingeschärft, daß kein Bürger seinen Mitbürger außer vor dem lübischen Gerichte des Raths verklage, noch seine Sache zur Verfolgung an einen Geistlichen abtrete. Im Jahre 1400 erwarb die Stadt vom Papste das Privileg, daß kein Bürger vor ein auswärtiges geistliches Gericht gezogen werden dürfe. Das Verbot der Bürgersprache, die Sache an Geistliche abzutreten, legt die Annahme nahe, daß unter dem verpönten fremden Gerichte vorzugsweise das geistliche zu verstehn sei. 1 ) Aber ohne Zweifel war darauf die Warnung nicht beschränkt: finden wir doch schon geraume Zeit vorher, von 1347 an, in der Bürgersprache die allgemeine Mahnung, es solle sich keiner beifallen lassen, über erlittenes Unrecht, das er verschweigen könne, auswärts zu klagen; komme er heim, so solle er erhalten, was lübisches Rechtes sei. Trotzdem mußte der Rath es erfahren, daß Bürger gegen ihn selbst die westfälischen Gerichte anriefen.

Die Brüder Johann und Lüdeke Banzkowe hatten, damit ihr Vater, der Bürgermeister Herr Johann Banzkowe, vom Rade zum Schwerte begnadigt würde, geloben müssen, wegen der Verurtheilung keine Klage gegen die Stadt zu erheben. 2 ) Sie sahen ihren Eid aber als erzwungen an, und der Jüngere wenigstens hielt sich nicht für gebunden und strebte nach Genugthuung. Zu diesem Zwecke klagte er vor dem Freistuhl zu Sachsenhausen, den damals als Freigraf Kurt Rube besaß, während Graf Heinrich zu Waldeck Stuhlherr war. Er erreichte, daß dieser, in dessen Dienst er trat, den Rath der Stadt Lüneburg um Vermittlung angieng, damit die Beklagten, Rathmannen und Bürger, den Kläger befriedigten, wobei er für den Weigerungsfall mit seinen heimlichen Gerichten drohte. 3 ) Gleichzeitig setzte der Freigraf Kurt Rube den verklagten Bürgern eine Frist von vierzehn Tagen, um dem Rechte zu genügen, wenn sie nicht wollten, daß er über ihren Leib und ihre Ehre zu Gericht säße. 4 ) Wirklich beschritt der Rath den Weg der Verhandlungen und beeilte sich, durch Vermittlung der Herzogin Katharina das Verfahren der Veme abzuwenden. 5 ) Was daraus geworden, ist unbekannt, denn die Genugthuung, die die Banzkowe erlangten, ward ihnen in Folge des Einschreitens König Siegmunds. 6 )


1) So in der That ausdrücklich 1480: Nen borger edder borgersche schall den anderen theen vor ein geistlick recht. Nach dem Verschwinden der geistlichen Gerichte werden 1572 ff. wieder die fremden Gerichte und das Klagen auswärts verboten.
2) Jahrb. 55, S. 65 f.
3) Jahrb. 55, S. 69 f.
4) Jahrb. 55, S. 70 f.
5) Jahrb. 55, S. 72 f.
6) Jahrb. 55, S. 58 - 64.
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Ueber einige andere Rechtsfälle unterrichten uns nur vereinzelte Urkunden oder Stadtbuchschriften. So erklärte 1436 der lübische Bürger Hinrik Lippe vor dem Niederen Stadtbuche, er habe Berthold Weitendorf und Genossen vor einem freien Stuhle in Westfalen angesprochen, nun aber seien sie gütlich verglichen. 1 ) Dietrich v. Bodberg und seine Hausfrau Elske waren aus unbekannten Gründen vom wismarschen Rathe in die Büttelei gesetzt, hernach zu Urfehde gezwungen und der Stadt verwiesen. Er war oder ward Freischöffe und belangte wegen des ihm geschehenen Unrechtes den Rath vor Johann v. Hülschede, Freigrafen zu Brakel. Die Wismarschen suchten sich der Ladung zu entziehen, indem sie den Lübecker Rath veranlaßten, die Sache an sich abzufordern als das Haupt der Hanse und Oberrichter der von Wismar. Diese Abforderung ward jedoch 1460, September 4, von dem Freigerichte, als Freistuhls Recht nicht entsprechend, nicht angenommen und die Beklagten wegen Ausbleibens in Buße und Kosten und zu Genugthuung verurtheilt, der Kläger aber des erzwungenen Eides ledig gesprochen. Mehr geht aus der einzigen, im Anhange abgedruckten Urkunde nicht hervor.

Noch weniger ist aus der Urkunde 2 ) des Freigrafen zu Bergfeld, Heinrich 3 ) zum Busche, zu entnehmen, der die wegen einer gegen Herman Rampe 4 ) verübten Gewaltthat vor seinem Freistuhle ehemals


1) Pauli, Lübeckische Zustände III, S. 203, Urk. 171. Lübisches Urkundenbuch VII, S. 646 f.
2) Gedruckt im Anhange.
3) Lindner gibt ihm S. 174 wohl irrthümlich den Vornamen Herman. S. 550 nennt er ihn selbst Heinrich (1461), und mit diesem Vornamen werden wir ihn noch unten S. 26 wiederfinden (1468).
4) Möglicher Weise steht mit dem letzten Handel das folgende undatirte Schreiben des Herman Scharpenberg an den wismarschen Rath in Verbindung:
Vruntliken grut touorn. Leuen sunderghe gude vrunde, also gy screuen vmme Hermen Rampen, dat ik den scole huset vnde hauet hebben myt Clawes Pundes gude, dar segghe ik nen tho vnde hebbe des nicht ghedan. He was vppe myme velde vnde was my des an sinne. Des sede ik em des nen. He wolde de lude hebben bunden an dat holt an de r u gghen, des gunde ik vmme der lude willen, dat he se lauen ! . led an den krocht ! . Do my dat tho wetende ward, dat id jwe (iw mit durchstrichenem w) gholt, do wolde ik se dar nicht lengher hebben vnde hete se gan. Were id, dat gy my des nicht belouen wolden, wen gy my scriuen, so wil ik kamen an jw stad vnde wil dat vorantwerde ! , also id my boret to vorantwerdende. Dar mede gade bevalen. Screven vnder myme ingesegele. Hermen Scarpenbergh to Bernstorp. Papier, mit dem Reste eines Siegels. Dieser Herman Rampe, der nicht mit dem etwas früheren Rathmanne und dem etwas späteren Bäcker gleiches Namens zu verwechseln ist, war vermuthlich der Stiefvater des Hans Sperling, dem der Nachlaß seiner Mutter Ida 1473 ausgefolgt ward.
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vervemten Wismarschen nach erfolgter Sühne auf Rampes Bitte wieder in den Frieden einsetzte (1467, November 26).

Wenig aufgehellt ist auch der Rechtshandel über den Nachlaß der Tilse Thieleman, obwohl ein volles Dutzend Urkunden darüber vorhanden sind. Ihr Bruder und Erbe Rekart Hageman hatte viel mehr zu erben gehofft als die 253 Mk. 6 ß. lüb., die man ihm nach Bezahlung der Schulden und der Nachsteuer (Abschoß, Zehnten) auskehrte, und verkaufte seine vermeintlichen weiteren Ansprüche an Johann Rekarding zu Herford um 600 rheinische Gulden. 1 ) Dieser machte darauf bei verschiedenen Freistühlen Klagen gegen den Rath und die Bürgerschaft anhängig, und trotz der Abforderung der Sache durch die Herzoge ward auch, nachdem Bielefeld zweimal für die Wismarschen Frist erwirkt hatte, 1440, Juni 30, von dem Freigrafen Kurt Stute die Acht der Veme über funfzehn Rathmannen und vierzehn Bürger ausgesprochen, darunter merkwürdiger Weise auch über Rekart Hageman.

Da die im Anhange wortgetreu wiedergegebene Urkunde den Hergang vor Gericht lebendig schildert so mag eine Umschreibung hier ihre Stelle finden. Nach Erzählung der Vorgeschichte fahrt der Richter fort: "So ist denn der genannte Johann Rekarding heute zu rechter Gerichtszeit bei Tage vor mir am freien Stuhle zu Schildesche erschienen und ließ mich durch seinen Fürsprech fragen, ob ich ihm der Vorladung der von der Wismar und der Fristen geständig wäre. Das räumte ich ein. Da forderte er mich bei meinem Eide auf, über die von der Wismar Gericht zu halten. So heischte ich die Vorbenannten bei ihren Taufnamen nach Osten, nach Westen, nach Süden und nach Norden drei Male 2 ) hinter einander bei ihrem Halse, der schuldigen Buße und der höchsten Strafe, in die sie dem heiligen Reiche, mir und allen Freischöffen durch die beklagte Frevelthat verfallen sind, wenn noch jemand von ihretwegen erschienen sei, noch für sie Rede zu stehn für ihr Leben und ihre Ehre.

"Da weder die Verklagten noch jemand von ihretwegen erschienen war, so ließ der Kläger durch seinen Fürsprech um ein rechtmäßiges


1) Da 1441 der rheinische Gulden zu 20 ß. 9 Pf. lüb. festgesetzt ward (Hanserecesse B. II, S. 445), so handelte es sich um eine Summe von 778 Mk. 2 ß. lüb.
2) Der Freigraf zu Brakel heischt die Beklagten drei Male und zum vierten Male über das Recht hinaus (1460, (September 4). Ebenso wird Herzog Heinrich von Baiern vor dem Freistuhle zu Limburg 1429 geheischt. (Thiersch, Vervemung Herzog Heinrichs, S. 73.) Vergl. auch die Hegungsformel des Arnsberger Rechtsbuches bei Wigand, S. 552.
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Urtheil unter Königsbann fragen, wie er seine Klage recht bezeugen und wahren sollte um seinem Schöffeneide zu genügen, und Königsbanne, des heiligen Reiches Rechte und den Verklagten nicht zu nahe zu treten. Darauf ward für Recht gewiesen, der Kläger solle sich bereit machen bloßes Hauptes und sich vor des Königs Bank vor mir dem Freigrafen auf seine Knie niedersetzen und zwei Finger seiner Rechten auf das Schwert und den Strick legen. So that er. So stabte ich ihm einen Eid dieses Lautes, daß die Verklagten ihrer Frevelthat wegen wider ihn, da sie oftmals ihm in Ehre und Recht fehlsam geblieben, daß sie des Königs Feinde, des Herzogs Feinde, aller Freigrafen Feinde und aller Freischöffen Feinde seien und solcher Frevelthat halber den Strick wohl verdient haben. Daß ihm Gott so helfe und die Heiligen. Das bewährten nach seinem Eide ebenso folgende sechs echte, rechte Freischöffen Hinr. vom Hagen, Herman Stacius, Hinr. Ukeman, Herm. Aldach, Albert Polman, Herm. Pothof, und schwuren gestabtes Eides also: den Eid, den Johann Rekarding nun eben geschworen hat, daß der recht sei, rein und nicht mein, so euch Gott helfe und die Heiligen.

"Danach heischte mich der vorgeschriebene Kläger durch seinen Fürsprech bei meinem dem Könige geleisteten Eide die letzte Sentenz der Veme über die verklagten Frevler (die hier aufgezählt werden) zu verhängen. Das that ich und durfte es meines Eides wegen nicht lassen also: die beklagten, überführten, gerichteten Männer alle vorgenannt nehme ich, der vorbenannte Freigraf, aus allen Frieden, Rechten, Privilegien, die Päpste und Kaiser gesetzt und bestätigt haben, setzen und bestätigen, und die Fürsten, Herren, Ritter und Knappen, Schöffen und Freie beschworen haben und beschwören, und setze sie aus allen Frieden, aus allen Rechten und Privilegien vorgenannt in des römischen Königs Bann und Strafe, in den höchsten Unfrieden und gebe ihre Leiber allen unvernünftigen Thieren und Vögeln zum Fraße und befehle ihre Seele in Gottes Macht. Daselbst gab ich der Freigraf mit meinen Schöffen Zeichen und Schein über den Spruch der Veme, wie es sich von Rechts wegen gebührte.

"Weiter fragte der Fürsprech des Klägers um ein rechtes Urtheil unter Königs Bann, wie Schöffen, die diese vorbenannten verklagten, gerichteten, verurtheilten, vervemten Leute, nachdem sie unter Königs Banne rechtmäßig überwunden seien - wie Schöffen, die diese Leute etwa träfen und sie überwältigen könnten, mit ihnen fahren sollten um ihren Eiden genug zu thun und des Königs Bann zu stärken. Darauf ward gewiesen, man sollte ihnen einen Strick oder eine Weide um den Hals flechten und sie von der Erde auf in die Luft aufziehen, so hoch man könne.

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"Weiter fragte der Fürsprech um ein rechtmäßiges Urtheil unter Königsbanne, wie man mit dem fahren solle, der etwa die Vervemten vertheidigte, schirmte, schützte. Darauf ward gewiesen, den oder die solle man behandeln und mit ihnen thun, wie mit den Vervemten selbst." Es folgt die Aufzählung der Freischöffen, die zu Gerichte gesessen hatten, Beglaubigung und Datum.

Das Urtheil war gesprochen, scheint aber keine Wirkung gehabt zu haben, da zwei Jahre später der Gograf Lüdeke Tegheler zum Heinlo neun andere genannte Bürger und Einwohner Wismars und alle dort lebenden Mannspersonen über zwölf Jahre, ausgenommen Ritter und Geistliche, auf die Klage desselben Rekarding friedlos legte, nachdem sie trotz dreifacher Ladung ausgeblieben waren (1442, April 10). Dreißig Jahre gehn ins Land, und Johann Rekarding ist noch nicht befriedigt. Er hat aber nicht geruht und einen Partner Gert tor Kerken, mit anderm Namen Goldschmid, gewonnen, der die Sache auch beim Hofgerichte anhängig gemacht hatte. Doch der ist darüber hingestorben und hat seinem Sohne Hinrik Goldschmid seinen Theil an dem Processe vererbt. Da endlich kommt, da der Freigraf Kurt Pekelhering die Sache auf Gelovesbriefe Herzog Heinrichs von Meklenburg und die Bürgschaft zweier im Lande Begüterter nach den Bestimmungen der Frankfurter Reformation abgeben mußte, ein Vergleich zu Stande, und Johann Rekarding und sein Partner verzichteten gegen 200 Mk. lüb. auf ihre Ansprüche (1470, August 17). Leider erfahren wir nicht, was ihm und der Stadt der Handel gekostet hat.

Ein anderer Fall. Dadurch, daß das Haus des Peter Loste eingestürzt war, hatte das seines Nachbarn Hinrik Schulte solchen Schaden genommen, daß es geräumt werden mußte. Die beiden Nachbarn geriethen in Händel, in deren Verlaufe Schulte in die Hechte gesetzt ward. Sein gleichnamiger Sohn brachte deshalb vor dem oben genannten Freigrafen Heinrich zum Busche eine Klage an. Der Streit ward 1468 verglichen. Der ältere Schulte erhielt eine Entschädigung und verpflichtete sich, seinen Sohn zum Zurückziehen der Klage zu veranlassen. (Zeugebuch, S. 121 f.)

Unbekannt war also die Stadt nicht mit dem Verfahren der Freigerichte, als zu Ende der achtziger Jahre der Hutfilter Hinrik Kracht 1 ) seinen Proceß begann. Er hatte, wie es scheint durch Heirath,


1) Ein Hutfilter Hinrik Kracht lebte 1469 in Lübeck: Wehrmann, die älteren Lübeckischen Zunftrollen, S. 474. In Wismar kommt H. K. im Zeugebuche S. 160 und 218 (1477, 1483) vor, und ohne Vornamen als Besitzer einer Bude in der Krämerstraße 1475 und 1477 in den Registern über die kleine Wacht. (Vergl. Hans. Geschichtsbl. 19, S. 87.)
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ein Haus "hinter dem Rathhause," nach damaliger Benennung "bei dem Hohen Hause" 1 ) oder in der Alt=Wismarstraße, an der Nordseite und eine Bude in der Krämerstraße an der Ostseite in Besitz. Beide lagen nahe zusammen und standen durch die Höfe vielleicht in Verbindung. In der Bude in der Krämerstraße ward Hutfilterei betrieben, in dem Hause Hinterm Rathhause aber wohnte Johann Dudenborch, 2 ) dessen Frau Agneta Hinrik Krachts Stieftochter war. Als diese im Wochenbette lag, gerieth aus irgend einem Grunde Hinrik Kracht mit dem Amte der Hutfilter wegen eines Gesellen in Uneinigkeit, und der Werkmeister Herman Klokow holte in Eintracht mit seinen Amtsbrüdern Arnd Hollander, Hinrik Wend und Peter Praell 3 ) den ungehorsamen Gesellen aus der Werkstatt und ließ ihn gefangen setzen. Der Geselle versöhnte sich später mit dem Amte vor den Bürgermeistern und in Gegenwart Hinrik Krachts und wird Urfehde geschworen haben. Auch der Schwiegersohn, der demnach irgendwie betheiligt gewesen sein muß, machte seinen Frieden. Hinrik Kracht dagegen konnte sich nicht beruhigen, sondern ward aufsätzig, so daß er schließlich die Stadt räumen mußte, und da er meinte, mit Stadt= und Landrecht nichts ausrichten zu können, so klagte er durch einen Verwandten Bernd Kock in Westfalen vor dem Freigrafen Werner v. d. Sunderhues, 4 ) Richter des Freistuhls unter den Sieben Linden im Kirchspiele Laer. Er beschuldigte Bürgermeister und Rath, sie hätten zugegeben, daß die Hutfilter seiner Tochter Kindbett und (sie) in dem heiligen Amte, worin sie in großer Schwäche lag, beraubt hätten mit Gewalt und gewaffneter Hand, 5 ) und daß sie seinen Gesellen herausgenommen hätten und gefangen, ihn selbst aber in der Folge mehr als einmal ohne Recht und Gericht aus der Stadt vertrieben. Die Sache ward für vemwroge erkannt, und am 7. October


1) Das Hohe. Haus ist das Eckhaus an der Krämerstraße und Hinter dem Rathhause.
2) Sollte er derselbe sein, den die Rostocker 1511 ergriffen und in Ribnitz gefänglich festhalten ließen, weil er des Herzogs Unterthanen vielfach muthwilliger Weise vor die westfälischen Gerichte gefordert habe ? Jahrb. 54, S. 205. Hier Dudenberg. In Wismar ist er, abgesehen von dem weiter unten Angeführten, sonst nicht bezeugt. - Den Nachlaß eines Bruders des Hinr. Kracht hatte die Witwe Konrad Retmeiers 1477 zu reguliren (Zeugebuch S. 160). In dieser Familie findet sich der Vorname Agneta. (Jahrb. 54, S. 127, Nr. 123*.)
3) Nur er ist sonst als Hutfilter nachzuweisen; verstorben 1513. (Zeugebuch, S. 319.)
4) Lindner kennt ihn nur auf den Stühlen zu Altenforde und Landwering, sowie zu Bertramming.
5) Nach der Erzählung in der zweiten Ladung.
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wurden Richter, Bürgermeister, Schöffen 1 ) und Rath, Bürger und Einwohner geladen, sich deshalb am 24. November vor dem genannten Stuhle im freien, offenbaren 2 ) Gerichte zu verantworten. Die Ladung war am 21. October in den Händen des Raths.

Man suchte, da man ihr nachzukommen nicht geneigt war, die Vermittlung der Landesherren, der Herzoge Magnus und Balthasar, nach, und diese forderten in einem Briefe vom 6. November gemäß der Frankfurter Reformation die Klage dem Freistuhle ab und vor ihr Gericht. Denn nie wären die Beklagten vor ihnen, als ihren ordentlichen Richtern, mit Recht verfolgt noch hätten sie sich geweigert, zu Rechte zu stehn, vielmehr jetzt noch ausdrücklich sich erklärt, sie, die Herzoge, sollten ihrer zu Recht und Freundschaft mächtig sein, und hätten dafür die Bürgschaft zweier glaubwürdiger, guter, erbgesessener Mannen beigebracht. Auch die von Volrath vom Lohe zu Scharfstorf und Hinrik Bersse zu Rambow geleistete Bürgschaft liegt urkundlich vor, vom selben Tage datirt wie der Herzoge Brief. Mit diesen Briefen machte sich der Kleriker und spätere Stadtschreiber Herman Krumthunger auf den Weg. Aber weder saß der Richter am Tage der Ladung zu Gerichte, noch war der Kläger erschienen. Dieser ließ zwei Tage später durch seinen Sachwalt angeben, er sei lügnerischer Weise zwecks Vergleichsverhandlungen in Ratzeburg besendet worden und habe deshalb den Termin nicht innehalten können. Jener wollte im Dienste seines Herrn an einem Orte gewesen sein, von wo aus er, durch Wassersnoth gehindert, seinen Richtstuhl zu erreichen unvermögend gewesen sei.

In solcher Lage begnügte sich Herman Krumthunger, sich von drei Freischöffen bezeugen zu lassen, daß er mit seinen Briefen zu rechter Zeit und auf rechter Stelle erschienen sei, Kläger aber und Richter sich nicht eingefunden hätten, was sie nach Freienstuhls Rechte vor zwei weiteren Freischöffen als Zeugen mit einem Kreuzpfenninge 3 ) wahr machten (1489, December 3). Ehe die Urkunde darüber ausgestellt war, hatte aber der Freigraf Werner v. d. Sunderhues eine neue Sitzung gehalten, die alte Klage zum zweiten Male angenommen, für vemwroge erkannt und die Wismarschen (Richter, Bürgermeister,


1) Ungenaue Anreden fremder Behörden gemäß den heimischen Verhältnissen trifft man häufig. Richter und Schöffen hätten fehlen müssen.
2) Diese Ladung Auswärtiger vor das offenbare Gericht ist mit der Erklärung Schröders, Rechtsgeschichte, 2. Aufl., S. 564, nicht in Einklang zu bringen.
3) Wenn ein beklagter Freischöffe durch seinen Eid sich der Klage entledigt, wirft er vor dem Grafen einen Kreuzpfenning hin und geht seiner Wege. Lindner, Veme, S. 573.
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Rathmannen und Einwohner, alles was männlich ist und zwölf Jahre alt) wiederholt auf den 9. Februar des folgenden Jahres geladen. Die vom 26. November datirte Ladung heftete die Hausfrau Krachts am 21. December an den Thürpfosten des Hauses des Bürgermeisters Gert Loste. Für das neue Verfahren bevollmächtigte, da die Vollmacht Herman Krumthungers nur auf die Ladung zum 24. November lautete, der Rath den Canonicus Herrn Johann Vernouwer und den Bürger Hinrik Krumthunger, beide aus Dülmen und Mitaussteller der Urkunde vom 3. December, in umfassender Weise, um die Abberufung der Sache auf Grund der älteren Urkunden zu erlangen, zugleich aber auch den Kläger für die Kosten haftbar zu machen, in die er durch seine lügenhafte Klage und insbesondere durch den Rechtstag vom 24. November die Beklagten gestürzt hatte. Die Bevollmächtigten wurden aber noch besser ausgerüstet, um auch vor der Veme dem Kläger den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Am 9. und 13. Januar 1490 nahmen die beiden Notare Herman Krumthunger und Johann Betzendorp beglaubigte und von dem bischöflich ratzeburgischen General=Official Magister Joh. Gronow besiegelte Instrumente über Aussagen Joh. Dudenborchs und Herm. Klokows auf. Joh. Dudenborch erklärte in der großen Schreiberei vor den drei geschäftsführenden Bürgermeistern auf die Fragen des Stadtsekretärs Mag. Gottfried Perseval: 1) daß weder er noch seine Hausfrau Hinrik Kracht oder sonst wen zu ihrem Sachwalt in Klagen gegen den Rath bestellt hätten, 2) daß sie überhaupt und in Sonderheit in der Sache, wegen der Werner v. d. Sunderhues den Rath vor seinen Stuhl geladen, keine Klage hätten, 3) daß Hinrik Krachts Knecht aus seiner Hausfrau Kindbett und Kram nicht genommen wäre, und der Rath auch nicht seine Zustimmung dazu gegeben hätte, sondern Herman Klokow hätte den Knecht aus seines Herren Werkstatt um Unthat und Vergehn holen lassen, und zwischen seinem Hause und jener Bude lägen noch zwei Wohnungen; deshalb habe er und seine Hausfrau mit dem Rathe keinen Unwillen und sei auch mit Herm. Klokow in Gegenwart Hinr. Krachts vor den Bürgermeistern verglichen, wisse auch mit dem Amte der Hutfilter nur Freundschaft, 4) seine Frau Agneta wäre nicht Hinrik Krachts Tochter, sondern seine Stieftochter, so daß jenem nicht zukomme, sie zu vertreten.

Der Hutfilter Herm. Klokow sagte auf Befragen des Bürgermeisters Gert Loste ebenso aus, daß die Werkstätte Krachts und das Kindbetthaus durch andere Wohnungen getrennt wären, daß er ohne Beliebung des Raths den Knecht in der Werkstatt habe greifen lassen, daß der Knecht sich mit ihm verglichen habe. Wahr gemacht ward

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seine Aussage noch durch Arnd Hollander, Hinr. Wend, Peter Praell, die bei der Gefangennahme des Knechtes wie beim Vergleiche zugegen gewesen, und aus deren Zeugniß wir erfahren, daß, wie schon erwähnt, Dudenborchs Haus Hinter dem Rathause lag.

Gebraucht wurden die so fürsorglich beschafften Notariatsurkunden nicht. Denn am vorletzten Tage des Januars, also beträchtliche Zeit vor dem Termine, wies der Freigraf Hinr. Kracht mit seiner Klage und Ansprache auf Grund der Urkunden vom 6. November, die er auf Geheiß seines Stuhlherrn, des Herren zu Steinfurt Grafen Eberwin von Bentheim, annehmen mußte, an die meklenburgischen Herzoge zu Austrag in Güte oder Recht. Der Graf besiegelte die Urkunde mit.

Hierauf forderten die Herzoge Magnus und Balthasar am 25. März. beide Parteien auf, am 8. April vor ihnen in Schwerin zu erscheinen, damit man einen Vergleich suche, ladeten sie aber zugleich für den Fall, daß daraus nichts würde, auf den 23. April nach Boizenburg vor ihr Gericht zu rechtlicher Entscheidung.

Es konnte nicht fehlen, daß der wismarsche Rath darauf eingieng, Hinrik Kracht jedoch war übel damit zufrieden, daß er statt Kaiserrechtes schwerinsches Recht, d. h. Landrecht eintauschen sollte. Er behauptete in die Abberufung nicht eingewilligt zu haben und wollte beim Vemgericht und seiner Klage beharren. Freilich wäre er, so schreibt er, auf Zureden seiner Fürsten darauf eingegangen, es mit Güte zu versuchen, und liege deshalb schon drei Wochen zu Ratzeburg und warte, wolle auch noch eine Woche dort warten; aber könne ihm keine Güte widerfahren, die ihm behage, so sei ihm von seinen Herren aller Beistand in seinem Rechte zugesagt. Als Richter erkenne er, der nie Bürger, sondern nur Einwohner in Wismar gewesen sei, die meklenburgischen Herzoge nicht an und appellire von ihrer Ladung, deren Termin er festlicher Zeiten halber so wie so nicht annehmen könne, an den freien Stuhl. Das ist der Inhalt zweier Briefe, die ihm sein Sohn geschrieben hatte, und die er am 1. April an die Herzoge und den wismarschen Rath absandte. Er kam auch nicht, während der wismarsche Bürgermeister Joh. Hoppenacke 1 ) zur Vertretung seiner Stadt pünktlich in Schwerin war und erklärte, auch den zweiten Termin in Boizenburg innehalten zu wollen. Der aber kam nicht zu Stande. Denn die Herzoge waren über die vom Kläger eingegangenen Briefe, die beide am 8. April in Schwerin verlesen wurden, empört und fanden es unerträglich, daß Kracht die


1) Seine Vollmacht (im wismarschen Raths=Archive, das alle benutzten Urkunden aufbewahrt) ist merkwürdiger Weise vom 26. März (ame sonauende vor Palme sondaghe) 1491 datirt.
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vom Grafen von Bentheim besiegelte Urkunde Lügen zu strafen wagte. Sie schrieben deshalb unter Beifügung von Abschriften an den Herzog Johann von Sachsen und baten ihn, den frechen Mann in Ratzeburg anzuhalten, damit er seiner Schreiben wegen vor dem Grafen Eberwin, der in Kürze nach Schwerin kommen werde, sich verantworte. Wirklich willfahrte ihnen der Herzog und schickte Kracht gefangen auf seinem Wagen nach Schwerin, wo unterdeß der Graf zu Besuch 1 ) eingetroffen war. Am 7. Mai ward in Gegenwart der wismarschen Rathssendeboten die Sache vor den Fürsten aufgenommen, und es wurden, nachdem Herzog Magnus kurz über die Vorgeschichte berichtet hatte, zunächst die bösen Briefe vorgelesen. Noch war Hinrik Kracht fest und wollte von der Remission nichts wissen, behauptete aber merkwürdiger Weise, er habe den Rath gar nicht vor dem Freigrafen verklagt oder vor ihn laden lassen. Das ertrug der Graf nicht und nahm nach Vorlesung der Ladungsbriefe den störrigen Ränkeschmid selbst ins Gebet und hielt ihm vor, daß der Remissionsbrief vor der Besiegelung ihm zweimal vorgelesen und mit seiner Bewilligung vollzogen sei, wie er selbst auch wisse, daß Kracht die Wismarschen habe laden lassen. Der Graf mag nicht gerade sanftmüthig geredet haben, und gefangen obendrein war der arme Sünder in keiner beneidenswerthen Lage. So ist es begreiflich, daß er klein beigab, die Remission als mit seinem Wissen und Willen geschehen anerkannte und wegen der Briefe, die er aus Furcht geschrieben habe, um Vergebung bat. Als ihm diese auf Fürsprache des Herzogs Magnus und der Räthe zu Theil geworden war, verzichtete er weiter frei und ungezwungen, wie es in der darüber aufgenommenen Urkunde heißt, auf alle Klage und Zusprache an die Wismarschen wie an die Hutfilter im besonderen, da er dazu keine Ursache hätte, und schwur Urfehde. (Urkunde von 1490, Mai 14).

Hinrik Kracht war hartnäckig und verbissen genug, auch jetzt seine Sache noch nicht verloren zu geben. Wieder wandte er sich an die Veme, um von dem Eide entbunden zu werden. Ein Kapitelstag zu Arnsberg 2 ) im Baumgarten unter der Burg sollte darüber entscheiden.

Auf das Anschreiben des Freigrafen Gert Strukelman bevollmächtigte 1491, August 22, der wismarsche Rath nun den Grafen


1) Die Hamburger Kämmereirechnungen verzeichnen (III, S. 573, Z. 16 f.) nach den Auszügen Laurents unter dem Jahre 1491: 67  14 ß pro expensis comitis de Benthem hic personaliter cum sua conthorali constituti. Ob ein Irrthum vorliegt oder der Graf zum zweiten Male eine Reise nach Osten angetreten hat, vermag ich nicht zu entscheiden.
2) Kapitelstage sollten nach der Arnsberger Reformation jährlich an bequemer Stätte gehalten werden. Lindner, Veme, S. 422.
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Eberwin von Bentheim und Herrn Eberwin von Steinfurt, seinen Vetter, mit der Befugniß ihrerseitz Vertreter zu bestellen. Der Auftrag ging dahin, der Lossprechung vom Eide entgegen zu treten und Hinrik Kracht seines Unterfangens wegen für meineidig richten zu lassen, ihn außerdem aber noch auf die Kosten zu belangen, die sich auf über 200 rheinische Gulden beliefen. Zu besserer Abwehr ward noch eine Urkunde vom Herzog Heinrich von Sachsen erwirkt darüber, daß der wismarsche Rath an der Gefangensetzung Krachts gänzlich unbeteiligt gewesen sei (1491, August 17).

Wiewohl die Verhandlung erst auf den 20. September 1491 angesetzt war, saß Gert Strukelman schon am 19. zu Gericht. Es war eine stattliche Versammlung von fürstlichen Räthen, Rittern und Freigrafen, die uns hier entgegentritt. Vierunddreizig derselben zählt die Urkunde bei Namen auf, ohne ein vollständiges Verzeichniß zu geben. Die Verhandlung zerfällt in drei Theile.

Hinrik Kracht erhob seine Klage, er sei ungebührlich von den Wismarschen zu Eiden gedrängt worden, und bat um Lösung davon. 1 ) Dagegen ließ der Vertreter seiner Gegner Christian Berschamp die von Herzog Magnus und dem Grafen von Bentheim über die Urfehde des Klägers ausgesandte Urkunde lesen und danach ein Urtheil fragen, ob Kracht, wenn er die gelesenen Briefe und Instrumente 2 ) vor diesem Gerichte nicht widerlegen könne, diese Sache gewonnen haben solle. Das Urtheil stellte der Richter an Evert v. Ekell und Johann v. Tulen, Bürgermeister von Brilon. Diese wiesen darauf mit Folge für Recht: Hinrik Kracht könne mit seinen schlichten Worten die Briefe nicht widerlegen, sondern nur mit Recht. Zugelassen ward das Urtheil von den drei Freischöffen Gödert de Wrede, Johann Voigt zu Ahusen und Herman Budde, Freigraf zu Osnabrück.

Hierin geschlagen, ließ Hinrik Kracht durch seinen Fürsprech um ein Urtheil bitten, ob er darunter leiden solle, wenn die vor einem Freistuhl anhängig gewordene Sache auf die Gelovesbriefe und Bürgschaft hin, nicht nach Freienstuhls Rechte, von dem Stuhle abgegeben sei. Darüber ward das Urtheil an Dietrich v. Hanxleide und Thieleman Kukelheym, Bürgermeister zu Emden, gestellt. Sie wiesen unter Folge für Recht: hätte Hinrik Kracht nicht seine Zustimmung dazu gegeben, daß die Klage anderswohin verwiesen werde, so solle er des


1) So hatte 1460, September 4, der Freigraf zu Brakel Dietrich v. Bodberg des erzwungenen Eides ledig erkannt. (S. die Urkunde im Anhange.)
2) breue vnd instrument auch vorher; von den genannten Fürsten kann aber nur Eine Urkunde in Frage kommen.
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genießen. 1 ) Auch dies Urtheil ließen drei Freischöffen zu: Evert v. d. Broke, Hinrik v. Berinkhusen und Herman Middendorp, Freigraf zu Münster.

Dagegen ließ der wismarsche Sachwalt das dritte Urtheil fragen, ob Hinrik Kracht schuldig sei, der Stadt ihre Kosten und ihren Schaden zu ersetzen, da die vorgelegten Urkunden als von Macht erkannt seien. Das Urtheil wiesen Wigant v. Hanxleide und Gert Krösener zu Geseke unter Folge dahin, er sei schuldig, Ersatz zu leisten. Drei schildbürtige Freischöffen Güntherman v. Plettenburg, Heidenrich v. Enße genannt Schneidewind und Tonies Schurman ließen es zu.

Sonach war die Entscheidung durchaus zu Ungunsten des Hinrik Kracht gefallen. Er blieb nach dem Spruche an seinen Eid und seine Urfehde gebunden. Das mittlere Urtheil mochte ihm ein Trost sein, aber auch danach hätte er erst erweisen müssen, daß er in die Abgabe des Processes nicht gewilligt habe, was er schwerlich konnte. Brauchbarer als das mittlere Urtheil für Kracht war für die Wismarschen das letzte. Aber dennoch ist es wahrscheinlicher, daß sie nichts erhalten haben, als daß sie zu ihrem Gelde gekommen sind, da wir annehmen müssen, daß ihr Gegner vor Beginn seines Processes bei den Vemgerichten alle Beziehungen zu der Stadt sorglich wird gelöst haben. Gering waren die Unkosten nicht und mit den 200 rheinischen Gulden, deren Ersatz man am 22. August beanspruchte, kaum zu hoch berechnet, wenn wir bedenken, daß allein der letzte Gerichtstag nach einer erhaltenen Abrechnung 2 ) 41 rheinische Gulden kostete. Fast scheint es, als ob Hans Dudenborch die Sache später wieder aufgenommen hat. Leider ist aber nur ein kurzes Regest 3 ) erhalten.


1) Nach dem im Dortmunder Kapitel 1430 gefundenen Weisthume sollte der Angeklagte, der in gehöriger Weise zu Rechte stehn wollte und das verbürgte, von weiterer Verfolgung frei sein. (Lindner, Veme, S. 226.) Noch im selben Jahre übrigens widersetzte sich der Freigraf Clawes Düker der Abforderung einer Sache und behauptete, Sachen, die man im heimlichen Gerichte richten solle, gebühre sich nicht aus der heimlichen Acht vor offene Gerichte zu ziehen oder in gemeine Tage, und beharrte auch darauf. (Thiersch, Vervemung Herzog Heinrichs von Baiern, S. 122, 125, 131. Angeführt von Lindner, S. 435, 554). Gemäß der Frankfurter Reformation mußte unter den Bedingungen des Dortmunder Weisthums der Abforderung nachgegeben werden. Wächter, Beiträge, S. 189. Vergl. auch das Urtheil des Freistuhls zu Brakel 1460, September 4 (im Anhange). Uebrigens hatte Kracht seine Einwilligung in die Abforderung gegeben.
2) S. im Anhange.
3) Schreiben der Freigrafen zu Wartberg an Bürgermeister und Rath in Sachen Hans Dudenborgs gegen die Hutmacher zu Wismar 1494; Schreiben derselben an das Amt der Hutmacher in gleicher Sache 1495. Der Verbleib der ehemals in Händen des Prof. Crain befindlichen Urkunden ist unbekannt.
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Wenn sonach die strengsten in der Bürgersprache angedrohten. Strafen nicht hinderten, daß Bürger gegen Mitbürger und Obrigkeit die Veme anriefen, und wenn bei den Vemgerichten so leichtfertige Klagen anzubringen Gelegenheit war, wenn es nur durch Vermittlung des Stuhlherrn zu erreichen war, daß der Freigraf bei Erfüllung aller Bedingungen der Frankfurter Reformation von 1442 die Klage an den zuständigen Richter wies, und dann noch der Kläger einwenden konnte, er habe seine Zustimmung dazu nicht gegeben, und der Kapitelstag das Urtheil fällte, ohne solche Einwilligung sei die Verweisung nichtig: dann war es hohe Zeit, gegen den Mißbrauch der Vemgerichte neue Schranken zu ziehen oder die alten zu erneuern und aufrecht zu halten. Es dauerte auch nur wenige Jahre nach Austrag des Krachtschen Processes, daß Kaiser Maximalian zu Worms 1495 eine neue Reformation verkündete. Noch aber ward den Vemgerichten nicht verboten, sich mit auswärtigen Sachen zu befassen, vielmehr wurden sie aufs neue anerkannt als gegebene Instanzen bei Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, nur ward ihnen geboten, der Abforderung durch den ordentlichen Richter nachzugeben bei Strafe von 20 Mark löthiges Goldes, und wurden Schritte diesem Statute zuwider für ungiltig und nichtig erklärt. In demselben Jahre, 1495 Juni 28 erwirkte sich Herzog Magnus von Meklenburg einen Schutzbrief 1 ) wider die westfälischen Gerichte, wie solche auch für Bayern und Württemberg ertheilt wurden. 2 ) Möglicherweise haben die Krachtschen Händel einigen Anlaß dazu gegeben, aber auch sonst hatten die letzten Jahrzehnte unbequeme Berührungen mit jenen Gerichten gebracht. 3 ) Trotz dieses Schutzbriefes blieb man jedoch nicht unbehelligt, vielmehr sahen sich die Herzoge Heinrich und Albrecht im Beginne des Jahres 1512 vielleicht in Rücksicht auf die Dudenbergschen 4 ) Streitigkeiten veranlaßt ein Mandat 5 ) gegen die westfälischen Gerichte zu veröffentlichen, während gleichzeitig auf dem Reichstage zu Trier ein Antrag auf ihre Aufhebung gestellt ward. 6 ) Aufgehoben wurden diese Gerichte nun zwar nicht, aber die wachsende Macht der


1) Transsumt des bischöflich ratzeburgischen Generalofficials Herman Winterpoell von 1510 März 27 im wismarschen Raths=Archive. Chemnitz bei Gerdes, Nützliche Sammlung, S. 623. Rudloff, Mecklenburgische Geschichte II, S. 987.
2) Lindner, Veme, S. 525.
3) Hofmeister, Jahrb. 54, S. 205 Rudloff, Mecklenburgische Geschichte II, S. 987.
4) S. oben S. 27.
5) Hofmeister, Jahrb. 54, S. 202 - 204; übrigens gedenkt Rudloff, Neuere Geschichte von Mecklenburg I, S. 337, des Mandates.
6) Wächter, Beiträge, S. 144. Wigand, Femgericht, S. 540, Anm. 168.
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Landesfürsten und das Kammergericht drängten sie rasch zurück, und schon im Jahre 1516 fand man es in Meklenburg überflüssig, der westfälischen Gerichte in der Polizeiordnung auch nur zu gedenken, während man sich der Uebergriffe geistlicher Gerichte noch zu erwehren hatte. 1 ) Was Wismar belangt, so scheinen Hinrik Kracht und sein Schwiegersohn die letzten gewesen zu sein, die diese Gerichte gegen die Stadt oder ihre Bürger angerufen haben.

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Urkunden.

I.

1440, Juni 30. [Schildesche.]

Der Freigraf Konrad Stute vervemt auf die Klage Johann Rekardings benannte Bürgermeister, Rathmannen und Bürger der Stadt Wismar.

Ick Conrait Stute, vrijgreue des hillighen romschen rikes vnde des irlufftigesten vnde hoegheboren ffursten vnde heren hern Gerardes to Guilke vnde Berghe hertoghen vnde greuen to Rauensberge in der herschopp van Rauensberge, 2 ) enkenne vnde betuge vor allen vrienbencken vriengreuen vrien vnde vrienschepen, dat ick hebbe bezeten vnde bezät dess romschen koninges st oe l in der hemeliken achte des hillighen rikes in den jaren vnsses heren, alse men screff dusentverhundert vnde vertigh jaer, des neisten mandages na sunte Antonius daghe, dar vor my is ghekomen an de koningliken dinxstät vnde vrienstöl to Schildesche, belegen in der herschopp van Rauensberge 2 ) vorgescreuen, de ersame Johan Rekardingk, in vortiden borgher to (to) Heruorde, vnde was swerliken clagende ouermiddest synem ghebeden ghewunnennen ! vnde toghelaten vorspraken ouer eyndelss borgermester ratman vnde borgher der stät Wismar also nemptliken Hinr. Daruesouw Peter Wilde Petir Luste Gert Welsyn Gert Stubbe Otbart Ludestorpp Hermen Rampe Hermen Cropelyn Johan Zasse Johan Kertzeb oe m Hinrich Peill Johan Otbracht Johan Werckman Hermen


1) Abdruck der Polizeiordnung von Groth in Jahrb. 57, S. 285 § 10.
2) Abgekürzt Raue n mit Querstrich .
2) Abgekürzt Raue n mit Querstrich .
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Vrome Hinrich Wezebom Hinrik Knute Hermen Biter Johan Halenbeke Albert Voirt schipper Bomgarde schipper Gronuart Hermen van Oldendorppe Reyneke van Leiden Hinrick Kyndeman Johan Kyndeman Gert Amesuort Jacob Junge Lubertus Stolscriuer vnde Rekart Hagheman, welke claghe sick ho eir liff vnde ere was andrepende vnde na ghezette vnde rechte des hilgen rikes hemeliken achte veymwrogich ghewiset vnde irkandt wart, vnde wan my aldar aff mit ordelen vnde mit rechte de vorbenomden gelick vnwetene lude to vorbodenne, so sick dat geborde. So hebb ick de vorbenomden vorbodet an de koningliken dinxstat vnde vrienstoll to Schildesche vorgescreuen vor eyn openbar gherichte nemptliken vpp den anderen dinxedagh na der hilgen hochtijt Paschen nu erst vorgangen, dar ze nicht en weren offte nemant van erer wegen vullmechtich dar en hadden en ere liff vnde ere to vorantwerende, vnde also dem hilgen rike vnhorsam vnde dem kleger vorgescreuen nederuellich synt gheworden. So quam vpp dessen vorbenompten dinxedagh Johan Rekardingk vorbenompt ouermiddest synem toghelaten vorspraken vnd eschede gherichtes ouer desse vorbenomden, dar ick emme to staden moste, vnde opende alldar syne clage ouer desse vorbenompten vnde wolde swerlike vnde honlike rechtuorderinge kegen de gevordert heben 1 ) de to vorvorende, dar he sick to ghekneyt vnde ghetogen hadde, also geborlick is. Dar do vor beden de ersamen borgermeistere vnde rat to Biluelde mit anderen erberen des hillighen rikes vrienschepen vnde enne des eyne vorlenginge kregen van der tijt vorgescreuen wente des neisten dinxedages na sunte Bonifacius daghe nu neist vorleden, vpp welkem daghe vorgescreuen de vorbenomden van der Wysmar auer nicht en weren in mathen vorgescreuen. So quam Johan vorbenompt vnde eschede auer de ergenanten gherichts vnde ene to rechte to stadenne vnde sick auer darto beredde se to vorvorende, zo ze emme to velen tijden vnde nöch ere vnde rechtes vorbleuen. Dar auer de ersamen borgermestere vnde rat to Biluelde vnde de erber vrome knape Lambert van Beuissen, amptman der herschopp van Rauensberge, 2 ) vor beden vnde enne des noch eyne vorlenginge kregen van dem vorgescreuen daghe wente des neisten donredaghes na sunte Peters vnde Pauls daghe der hillighen apostell, auer n u neist vorgangen, vnde


1) heb n mit Querstrich .
2) Raue n mit Querstrich .
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den van Wyssmar dat vnde eren inghezeten weren scriuende. Dar ze allet nicht vpp gheachtet heben 1 ) vnde solker vorbiddinge vnde vorlenginge van daghen to daghen vorgescreuen, vmme god vnde den koningk vor ze gedayn, so vorgerort is, van der handt gheslagen heben. 1 ) So is dan de vorbenomde Johan Rekardingk vpp datum desses breues vor mi ghekomen an den vorgerorden vrienstoll to Schildesche to rechter richtetyt daghes vnde leyt my vraghen vormiddest synem vorspraken, offt ick emme ouk der vorbodinge mit den vorbenomden van der Wyssmar vnde den ! vorlengingen 2 ) van bede wegen vorbenompt van tijden to tijden in mathe vorgescreuen, emme doch alle tyt vnhinderlick syner rechtuorderinge, also tostonde. Des ick emme also tostont vnde enkentlik was. So reypp he my do än vnde eschede van my by mynem eyde, dem hilgen rike ghedayn, auer de vorbenomden van der Wissmar to richtenne. So esschede ick de vorbenomden bij eren dopelnamen in osten, int westen, int s u den vnde int norden dre warue vnder eynss bij erem halze koir vnde hogesten wedde, dar ze dem hilligen rike my vnde allen vrienschepen in der beclageden oueldat nederuellich ane gheworden synt, offt noch jement van erer wegen dar were en noch ere liff vnde ere to vorantwerende. Nademme de vorbenompten beclagheden dar nicht en weren offte nement van erer wegen in mathe vorgescreuen, so leyt de vorbenomde kleger darna ouermiddest synem vorspraken vraghen eyns rechten ordels vndir koninges banne, wo he zyne klage to rechte betugen vnde bewarden zolde, dat he synen ghehuldeden scheppeneneyden 3 ) vulldede, koninges banne vnde des hilligen rikes rechte, vnde de vorbenomden beclageden nicht en vorkorttede. Dar wart vpp ghewiset, de kleger vorgescreuen zolde sick bereden blotes houedes vnde zetten zick vor des koninges bänck vor my vrigreuen vorbenompt an de kne vnde leygen twe vynger vthe syner rechteren handt vpp dat swert vnde den r ee p. Dem he also dede. So stauede ick emme eynen eyt ludende aldus, dat de vorbenomden beclageden vmme der oueldat an emme ghedayn, so ze emme to velen tyden ere vnde rechtes weren vnde synt vorbleuen, so syn de des koninges vyande, des hertogen vyande, aller vrigreuen vyandt vnde aller vrienschepen


1) heb n mit Querstrich .
1) heb n mit Querstrich .
2) Abgekürzt.
3) schēpenē.
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vyant vnde heb[e]n vmme alsolker oueldat des repes wall vordenet, dat emme göt so helpe vnde de hilligen. Dat na synem eyde desse nabescreuen seysse echte rechte vriescheppenen 1 ) nemptliken Hinrich van dem Haghen Hermen Stacius Hinrich Vkeman Hermen Ald ae gh Albert Polman vnde Hermen Poth oe ff ouk also wardeden vnde stauedes eydes weren swerende in dessir wise: den eydt, den Johan Rekardingk n u nelkest ghesworen hefft, dat de sij recht reyne vnde nicht ghemeyne, dat juw göt so helpe vnde hilghen. Darna esschede my de vorgescreuen kleger vormiddest synem vorspraken bij mynem eyde, dem koninghe gedayn, de lesten sentencien der v ee me ouer de vorgescreuen beclageden oueldedere ne[m]ptliken Hinrich Daruesouw Petir Wilde Petir Lüste Gert Welzyn Gert Stubbe Otbart Ludestorpp Hermen Rampe Hermen Kropelyn Johan Zasse Johan Kertzebom Hinrich Peyl Johan Otbracht Johan Werckman Hermen Vröme Hinrich Wezeböm Hinrich Kn u te Hermen Biter Johan Halenbeke Albert Voirt schipper Bomgärde schipper Gronuart Hermen van Oldendörppe Reyneke van Leyden Hinrick Kyndeman Johan Kyndeman Gert Amesvort Jacob Junghe Lubbertus Stolscriuer vnde Rekart Hagheman. Dat ick also dede vnde van myner eyde wegen nicht laten mochte in dessir wise: de beclageden vorwunnenen vorrichteden manne alle vorbenompt neme ick vrigreue vorgescreuen vth allen vreden rechten vnde vrigheiden, de pawesse vnde keysers gesat vnde bestediget heben 2 ) zetten vnde bestedigen vnde vort ffursten heren ritter vnde knapen scheppenen 3 ) vnde vrien beswarn heben 2 ) vnde besweren, vnde zette ze vth allen vreden van allen rechten vnde vrigheiden vorgescreuen in des romschen koninges ban vnde wedde in den hoghesten vnvrede vnde geue ere liff allen vnredeliken deren vnde voghelen to vorterende vnde beuele ere zele in godes ghewält. Dar sulues gaff ick vrigreue mit mynen scheppenen 3 ) teken vnde schyn der vorgescreuen sentencien der vëme, also sick dat in demme rechten ghebörde. De sulue vorsprake des klegers vorgescreuen vraghede vorder eyns rechten ordels vndir koninges banne, nademme desse vorbenomden Hinr. Daruesouw Petir Wilde Petir Luste alle in mathe vorbenompt beclagheden vorrichteden vorvorden vorvemeden manne vndir koninges banne to rechte


1) -schepēnen.
2) heb n mit Querstrich .
3) schepenēn.
2) heb n mit Querstrich .
3) schepenēn.
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vorwunnen synt, offt de jenige scheppen anquemen vnde de bekrechtigen konden, wo ze mit den varen zolden, dat [se] eren eyden vulldeden koninges ban to sterkende. Dar wart vpp ghewiset, men zolde en stricken eynen rep offt eyne weden vmme den hals vnde hoyn de vpp van der erden an de lucht, zo men hoghest mochte. Vorder vraghede de vorspräke eyns ordelss to rechte vnder koninges banne, offt de vorgescreuen vorvemeden jement vordegedingende beschermende offte beschuddede, wo men myt den gennen varen zölde. Dar wart vpp ghewiset, den offte de zolde men holden vnde mit enne vortvaren ghelick den vorvemeden sakewolden. Do desse vorgescreuen klaghe gherichte ordell vnde vëme gingen vpp datum desses breues tijde vnde stede in mathe vorgescreuen, dar weren an vnde ouer erberen echten vrienschepen genoch nemptliken Johan van dem Rede de elder Johan Stute Hermans Wernekingh Wessell Hanenbom Ludiken van Grest de junger Johan van dem Rede de junger Euerhardus Bolte Hermen Stakebrant Hermen tor Linden Diderik van Hoxer vnde veler andern des hilligen rikes echten rechten vrienschepen, de dat vorgescreuen gerichte mede bestonden vnde behorden. Desses to tughe vnde in eyne orkunde der warheit so heb ich Conrait Stute vrigreue vorbenompt myn ingesegel myt [den] ingesegeln der ersamen vnde beschedenen Johans van dem Rede borgermesters Johans Stuten Hermans Wernekinges Wessel Hanenbomes Ludiken van Grest des jungern Johans van dem Rede des jungern Euerhardus Bolten vnde Hermans Stokebrandes witliken neden an dessen breff gehangen. Datum et actum sub ano domini millesimo quadringentesimo quadragesimo fferia quinta proxima post ffestum beatorum Petri et Pauli apostolorum.

Dessen breff en sall nement lesen effte horen llesen, he en sii eyn vryg schepen des hyllyghen rykes.

Das Pergament ist nur einseitig zum Schreiben bereitet.

Angehängt sind 11 grüngefärbte, ehemals in Pergamentblättchen eingenähte Siegel:

1) im Schilde drei Wecken (Stuten). Umschrift: Sigillum • conradi • stuten.

2) im Schilde drei Rohrfahnen (?). Umschrift: s johan van dem rede.

3) Merk. Umschrift: Sigillum • johannis stute.

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4) Merk in einem Sechspasse. Umschrift: s • hermanni wernekinck.

5) in einem von einem übergeschneppten Dreipasse umschlossenen Schilde ein Hahn (?). Umschrift: S . . . . . ABOM.

6) Merk in einem von einem Dreipasse mit eingeschalteten Spitzen umgebenen Schilde. Umschrift: Sigillvm • lvdolsi • de • grest.

7) Schildzeichen unkenntlich. Umschrift: s • iohan • van • dem • [rede].

8) Merk. Umschrift unlesbar.

9) brennender Stock? Umschrift: S • herman [stokebrand].

10) im Schilde drei Bolzen. Umschrift: S • everharardi • bolten.

11) im Schilde drei Stierköpfe. Umschrift: S • diderice • de • hvxer ~ .


II.

1460, September 4. [Brakel.]

Johann v. Hülschede, Freigraf zu Brakel, verkündet ein Urtheil auf die Klage Dietrichs v. Bodberg wider den wismarschen Rath.

Ich Johan van Hulschede, eyn bewort richter des hilgen richs vnd eyn gehuldet frigreff der frien graschafft ! vnd frienstoils zu Brakel bij Dortmunde, don kunt, als ich dan claghen halb Diderichs van Bodberghe eyns echten rechten frienscheffen des hilgen richs vurzijts beschrieben vnd verboden heb laten die ersamen manne heren borgermestere vnd raid der stad Wismar vnd ir burger vnd in sunderheit heren Peter Langen - Johans her Hinrich Speck her Bertold Knorreken her Bernd Pegel her Herman Vrom her Herman Bijter her Vlrich Malchow her Diderich Wilde her Bertold Nyeman her Bertold Steynbrinck her Hinrich Langhen her Johan Wils her Reyneke van Leyden her Meynnard Ampsford vnd her Hinrich Wiltzijn, darumb daz sie den vorgnanten Diderich van Bodberch vnd Elsken syn eliche husfrow myt irer eigener gewald entweldiget vnd sunder gerichte vnd weder recht behafftet vnd in die boedelije heben 1 ) laten setten als mysdedige


1) hebn.
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lude vnd en wolden sie to neyner vnscholt entschuldinge oder sich to vorantworden, als recht is, nicht staden vnd heben 1 ) sie darenbouen vnuerschulder sake vt irer(er) stad verjaget vnd verdreuen kegen god ere vnd recht bouen dat, dat hey irer ticht vnd beschuldinge vnschuldich vunden sij, vnd heben 1 ) en ok hijrenbouen to vngeborliken gelofften vnd eiden genotiget vnd gedrungen myt harder vencknisse, myt vil mer worden, sich der clage vp den donresdach na sunte Egidius dage des hilgen abts dato 2 ) dijsses brieffs to vorantworden etc. Also betuge ich Johan frigreff vorscreuen vor allen irluchtigen eirwerdigen hogeboren fursten hern greuen edelen baronen ritteren knechten steden amptluden richteren voigten borgermestern reden allen ersamen friegreuen vnd echten rechten frieschepen dess hilgen richs, dat ich vp datum disses brieffs besat stat vnd stoill den frienstoll to Brakell myt ordell vnd recht gespannender banck, to richten, als frienstols recht is. Dar vor my kamen is Diderich van Bodberch eyn echt recht friescheffe 3 ) des hilgen richs vnd badt mich vmb eynen vorsprechen, des ich eme van gerichtes wegene gunde.

Also thoende hey vnd leit lezen die ware copie der citacien, darinne die vorscreuen van der Wismar geladen syn, vnd betugede, als recht is, dat den van der Wißmar die vorscreuen citacie in eyn des borgermesters hand tor Wißmar geantwart sij, vnd bad darumb eyns ordels, off die citacie icht geantwart sij, als frienstols recht is. Darup is gewist: ja. Darna bad my die cleger durch synen vurspreken dey vorgnanten verclageden van der Wißmar in dat gerichte to eischen, off sie dar icht weren oder eymand van erer wegen, die sey myt rechte vorantworden wolde, dat ich also dede, als recht is, eyne werff, ander werff, derde werff vnd veyrde werff auer recht. Also en weren sey dar nicht oder nyemand van erer wegen, sunder ich thoende vnd leit lezen eynen openen besiegelden brieff, van den erberen wisen hern borgermestern vnd raide der stad Lubeke vtgesand, vp pergament geschreuen, myt irer stades anhangendem siegele besiegelt, vor mynem huse vnd woninge vpgeslagen also gevunden hangende, inholden[de] dat de hern van Lubeke der van Wismar sake vor sich vordern als eyn houet der hense vnd ouerrichtere der van Wißmar, also dat ich my der sake entslaen vnd die


1) hebn.
1) hebn.
2) dat E .
3) friescheff E .
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vor sey wijsen solde etc. Darup vragede ik to behoeff aller frigreuen vnd friescheffen des hilgen richs eyns rechten gemeynen ordels, off eymand solliche swaer vemwroge clage, ingebracht vnd geclaget als recht is, myt sollichen sendebrieuen, dey geynen gelouen nicht in en hielden, vt des hilgen richs ouersten friengerichte to enigen anderen openbaren dagen oder gerichten trecken mogen, dat sey dar vtgedregen werde, sey en werde dar dan vtgetogen, als frienstols recht is. Darup is gewist myt gemeyner volge der frier schepen vor recht: men en solle noch en moge geyne vemwroge sake, in des hilgen richs ouersten friengerichte ingebracht vnd geclaget is, als recht is, nicht teyn noch wisen vp openbar gerichte ader dage vt to dragen, sey en werde dar dan vtgetogen, als recht is des frienstols. Darna is auer myt gemeyner volge der frienschepen vor recht erkant: nadem eyn ißlich der verclageden van der Wißmar sijn lijff vnd ere vp synen 1 ) richtlichen dagh nicht en heb vorantwardt, so sij eyn itzlich van en darumb dem gerichte in peen vnd bruch verfallen vnd verpent, als frienstols recht is, vnd der cleger heb darto sijn clage hinderteil kosten vnd schaden vp sij gewonnen, so groit hey den iromende thugende vnd warende wurde, als frienstols recht is. Den hey dan also geromet getuget bewaret vnd behalden hefft to guder achtinge vp twehundert lubesche marck, darto dat sey em wandell vnd bote doen sollen na syner eren noittrofft, as ! id sich gebort na ergangenen saken, als frienstols recht is. Darup is vorder erkant, off dey van der Wißmar dem clegere die erstanden erzugede summe gulden nicht betalen wolden in geborliker tijd, dat hey asdan, oder wey em darto hulpe, den vorscreuen verclageden van der Wißmar die vorscreuen erstanden summe gulden wol affmanen mochten an eren lijuen vnd guden to water to lande in richs steden heren steden vrijen steden vp tollen slossen merckden wibbolden ! dorfferen vnd vp allen enden myt der vorscreuen gerichtes penen, vnd an der maninge en solden de clegere syn helpere ader wer dat van erent wegen dede nicht freuelen noch doen, dat sey wer bettern oder buyssen durffe, tegen dat hilge riche oder sus tegen eymande anders, bisunder alle fursten heren grauen edelen baronen rittere knechte stede amptlude richtere vnd sus alle des richs vnderdanen sollen na frienstols rechte dem clegere synen helperen


1) synē.
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vnd wey dat van erent wegen dede bijstendich behulpen vnd toredich syn, den verclageden van der Wißmar de(r) erzugede[n] summe gulden ab zu manen. Ok is vorder erkant myt gemeyner volge vor recht gewist, ob eymand dem clegere oder sijnen hulffern tegen dijsse sijne erstanden recht wederstant dede freuelichen in versmehenisse dess hilgen richs ouersten friengerichtz rechte, daz die freueler vnd vngehorsamer dem clegere myt der seluen clage vnd erstanden rechte vnd dem friengerichte myt der seluen peen vnd bruch verfallen vnd verpeent sall syn, als den verclageden en dat ok aff to manen in maiten vorscreuen. Ok is vorder myt gemeyner volge vor recht erkant: nadem de ersame borgermestere vnd raid der stad Wißmar den vorscreuen meister Dideriche van Bodberch vmb pynliche clage to vnrechte heben 1 ) setten laten, der hey vnschuldich vunden is, vnd en darumb vorder to lofften eiden vnd verschriuinge gedrungen heben , 1 ) dat hey des geweltlichen vnuerschulden dranges loffte verschriuinge vnd eide nicht schuldich en sij to holden, vnd em dey ok nicht hinderlich syn en solle an synen lyue eren vnd gelympe.

Alle disse vorscreuen articule ordele vnd rechte synt togelaten bestediget veruolget, nicht wedersproken, dar vort ordel vnd recht ouer gevunden vnd gewist is, dat der nyemand wederspreken en sall noch en mach bij swaren penen des hilgen richs, dar ich ok myn orkunde vp entfangen heb, als recht is. Dar mit ouer vnd ane weren stantnoten des gerichtz myt namen die vesten vnd erberen Ernst van Mengede Herbert Tasche Egghart Goltsmet Hinrich Dorstelman Euert Draedtoger Lambert Loer Hinrich van Brakel Kirstien Wagenhalss Johannes Brekerueldt Johan im Sswanen Hinrich Mummart Hinrich to Bodeking Engelbert Koster Herman Heyderhoff Johan Stopinck Herman Bockeman Johan Benthem Hannes Bitebeir, eyn gesworen frijfroue dess vorscreuen gerichtz, vnd vill mer echten rechten frienschepen genoich. In orkunde disser vorscreuen punte heb ich Johan van Hulschede de frigreff vorscreuen van gerichtz wegen vort Euert Draedtogher Hinrich Dorstelman Johan van Luneren, wert to deme Swanen, vnd Engelbert Koster stantnoten alle vorscreuen sementliken vnse ingesiegele to tuge an dissen brieff gehangen. Datum ano domini millesimo quadringentesimo sexagesimo feria quinta post beati Egidij abbatis.


1) heb n mit Querstrich .
1) heb n mit Querstrich .
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Auf der Rückseite: condempnacio vrigrauij contra Wismarienses propter non comparicionem in primo termino cum condempnacione expensarum ad instanciam Dirick Botberges, non obstante quod littere caucionales fuerunt directe et fixe ante domum vrigrauij.

Auf grobem, nur einseitig zum Schreiben bereitetem Pergamente.

Angehängt sind fünf, zum Theil zerfallende Siegel in vollständig grün gefärbtes Wachs gedrückt:

1) Im Schilde ein quergelegter Zweig der Stechpalme (Huls) mit 3 Blättern (2/1). Vielleicht war der Schild von einem Engel gehalten. Umschrift (an der rechten Ecke des Schildes beginnend): s • joh. . . . . chede.

2) Besonders klein. Im Schilde ein Merk. Umschrift: s[igillum e]vert. . . . .

3) Hahn im Schilde. Helm mit wallenden Decken. Umschrift (rechts neben dem Schilde beginnend): s hinrich dorstelman.

4) Schwan im Schilde. Umschrift: S- IOh[ A ]N IN D e N SW A AN e .

5) Merk (?) im Schilde. Umschrift: [s en] gelbe . . . c ? vstos ?


III.

1467, November 26. [Bergfeld.]

Hinrik to dem Busche, Freigraf zu Bergfeld, spricht die Wismarschen, nachdem sie sich mit Herman Ramp vertragen haben, der Acht los.

Ick Hinrick ten B u sche, van keyserliker gewalt vrijgreue der herscop vrienstole to Rauensberge van beuele des h oe chgebornen fforsten vnnd heren hern Gerdes to G u like vnnd tom Berge hertoge vnnd greue to Rauensberge mynes gnedigen gnedigen leuen heren, do kund vnnd bekenne vor alswemme openbar betugende, dat vor my gekommen is dalingh vor den vrienst oe l to Berchuelde to rechter richtetijt dages, dar ick stede vnnd st oe l gecledet hadde rechter gespannener banck na vrienst oe ls rechte, Herman Rampe van der Wysm ae r vnnd leet seggen ouermyts sinem gewunnen vorspraken, dem ick enne in gerichte georlouet hadde, wo in geledenen tijden vor

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dessen vrienstole irschennen sy Herman Rampe vorscreuen, dar ick den st oe l gecledet hadde rechter gespannener banck na vrienstols rechte to richtene, ouer lijff vnnd ere, vnnd clagede clegelijken ouer de erbaren heren borgermestere vnnd rad vnnd gantze gemeenheit der stad ter Wysm ae r, wtgesecht alle geistlike personen vnnd wat beneden twelff j ae r oe lt vnnd bouen se u entich jar olt, man personen, wo geweltliken ze emme sines liues vnnd gudes entweldiget hadden, dat vor my na vrienstols rechte irkant wart veemwrogich to sine, dat ick vrijgreue vorscreuen ouermyts boden vnnd breuen, na vrienstols rechte wtgesand, den vorscreuen herren borgermesteren vnnd rade vnnd gantzer gemeenheit der stad ter Wysm ae r verkundigede primo, secundo, tercio peremptorie na vrienst oe ls rechte, vp zecker termine na der breue ynneholde, en getekent, ere vulmechtigen dar to zendene ere lijff vnnd ere na vrienstols rechte tegen den vorscreuen cleger to verantwerne ! . Alse do de termine vmme quemen ad hoc deputati, clagede de vorscreuen cleger; dat doch ten besten borgermestern vnnd rade vnnd gantzer gemeenheit der stad ter Wysmar verlenget w ae rt; ten lesten wan de vorscreuen cleger myt ordelen vnnd rechte vnnd verwan de vorscreuen heren borgermestere vnnd rad vnnd gantze gemenheit vorscreuen na vrienstols rechte echtlos rechtlos vnnd vredel oe s vervemmede veru oe rde vnnd verachtede se (vnnd na zate des groten keyser Karoli) 1 ). Des ze allet lange tijt nicht en achteden, dar ze gode vnnd dem hilligen rijke na ynneholde der reformacien vnnd mynem st oe lheren in grote zware pene na vrienstols rechte veruallen sin. Yodoch dem almechtigen gode to loue vnnd dem hilligen rijke ten eren de vorscreuen borgermestere vnnd rad vnnd gantze gemenheit der stad ter Wysmar vorscreuen sin to bekantnisse gekommen vnnd sick myt den vorscreuen cleger vereiniget vnnd verdregen, des de vorscreuen cleger tosteit, is my na vrienstols rechte irkant myt vmbeschuldenen ordelen vnnd vmme bede des vorscreuen clegers also, dat ick ze van keyserliker gewalt wegene myt des clegers v u lborde na vrienstols rechte absolu ee r, vnnd alle de processe darvp geg ae n, watterleye de ock sin, sollen ouermyts dessen mynen besegelden breue casseret vnnd annichileret wesen, vnnd zette ze wedder in den vrede van beuele mynes ampts, dar ze god vnnd das hillige rijke na zate des grot(er)en keyser Karoli er der vorscreuen clage mede


1) () sollte wohl zwei Reihen tiefer stehn, hinter reformacien.
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gevriet hadden, in dem namen des vaders vnnd des zonnes vnnd des hilligen geistes. Hyr weren mede an vnnd ouer Wylhelm de voget der herscop to Rauensberge Wylhelm Blome Micheel Bonyngh Detmar Querner vnnd velle guder lude genoch. In eyn getuch der warheit heb ick vrijgreue vorscreuen myn ingesegel an dessen breff gehangen. Datum anno domini m° cccc° sexagesimo septimo des donredages na sunte Katherinen dage.

Auf formlosem Pergamente. Auf der Rückseite: absolucio Hermanni Rampen. Angehängt ist das (zerfallende) Siegel. Schild unkenntlich, Helmschmuck ein Busch. Umschrift unlesbar.


IV.

1489, October 7. Siebenlinden.

Werner v. d. Sunderhus, Freigraf zu den Siebenlinden, ladet die Wismarschen auf die Klage des Hinrik Kracht zum 24. November vor sein Gericht.

Wettet richter borghermester scheppene vndt raidt borgher vnd inwonner enen itlicken myt sinem namen vnd thonaimen der stad Wijssmer, dat ick Werner van dem Sunderh ue ss van keyserlicher macht vnd ghewalt vrijgreue etc. vp hude dach, data desses breffs den vrijenst oe l vnder den Seuen lynden belegen in deme stichte van Monster vnd in deme kerspele van Laer mijt willen des stolheren mijt ordele vnd rechte becledet vnd ghespannender banck besetten hebe to richtene auer lijff eer vnd ghelymp in den vrijen apenbaren gherichte na vrijenstols rechte. Dar vor my ghekomen vnd erschennen is Bernt Kock eyn vulmechtich cleger vnd procurator Hinricke Cracht sinem natuirlicken mage van blodes weghene vnd clagede auermitz sinem ghewunnenen vorspraken sere swarlicken juwen lijffe eer vnd ghelympe sere hoe andreppende, wo dat gij ghehenget vnd mede belouet hebn, dat de hotffyltekers bynnen juwer staet siner dochter kyndelbedde vnd ampt, dar se van groten krancheiden ynne lach, geschynnet hebn myt weldiger vnd wapender hant vnd hebn dar enen knecht vth ghenomen vnd gheffangen, dar deme vorgenanten Hinricke grote vnghenade myt kost vnd schaden ane gescheyn sij, vnd sprecken

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ok vp dat hilge rijke vnd alle echte rechte vrijschepene, de dat hilge rijke hebn belouet vnd besworen, vnd vernichten dat ghenne, dat pauwes vnd keyser van notsaken desser welt ingesat vnd bestediget hebn, dat allent ghescheyn is weder got eer vnd recht, darvmme desse vorscreuene clage auer juw mijt ordele vnd rechte gheffuinden vnd ghewiset is vor deme vrijenstolen tho richtene. Soe hefft my de vorscreuene cleger vnd procurator mijt ordele vnd rechte affghewonnen, dat ick juw darvmme eysschen verscriuen vnd verboden mot laten, als sick gebort na vrijenstols rechte. Soe ghebeyde eyssche vnd mane ick jw van weghene myns vrigreuen ampts vnd van macht der vrienstole vnd legghe juw enen stefflicken richtliken plichdagh in crafft desses breffs vnd myne boden vpten nesten dinxedagh nest na sunte Clements dach nest tokomende 1 ) vor den vorscreuen vrienst oe l vnder den Seuen lynden tho rechter richtetijd daghes, vnd verantworden alsdan dar juwe lijff eer vnd ghelymp in den vrijgen apenbaren gherichte teghen deme vorscreuen cleger vnd clage, eder we alsdan der clage myt rechte tho done 2 ) sall hebn, vor my eder enen andern vrijgreuen, de alsdan den vorscreuen vrienstol mit ordel vnd rechte besittende 1 ) sal werden. Dar wettet jw wyslicken in dem besten na tho richtene, vp dat solk swar gerichte vermydet werde vnd de leste swar smelicke sentencie nicht auer jw gheworuen en werde. Ghescreuen vnder mynem segel vpten gudensdagh nest na sunte Remigius dach in deme jare vnsses heren m cccc lxxxixo

Werner van deme Sunderhuss,
van keyserlichir ghewalt vrijgreue etc.

An deme richter borghermestern scheppene vnd raidt borgher vnd inwonner der stadt Wijssmer mijnen guden ffrunde geschreuen.

Unter der Adresse von anderer Hand: prima citacio.

Auf Papier, das zusammengefaltet gewesen ist. Siegel fehlt.



1) Kome n mit Querstrich , besitte n mit Querstrich ; sonst ist im flectirten Infinitive n mit Querstrich häufig in ne aufgelöst.
2) ausgeschrieben.
1) Kome n mit Querstrich , besitte n mit Querstrich ; sonst ist im flectirten Infinitive n mit Querstrich häufig in ne aufgelöst.
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V.

1489, November 6. Wismar.

Magnus und Balthasar Herzoge von Meklenburg fordern die vor dem Freistuhle zu den Siebenlinden gegen die Wismarschen erhobene Klage von dort ab.

Wij Magnuß vnnde Baltasar gebrudere, van gods gnaden hertoghen to Mekelenborgh fursten to Wenden greuen to Swerin Stargarde vnde Roßtock etc. der lande herenn, doen kunth bekennen vnnde betughen apenbar in vnde mit dessem breue vor alßweme, watterleie stads eere vnnde werdicheit de sin, de ene zeen lesen edder horen lesen, vnde to sunderghen vor juw ersamen Werner van dem Sunderh ue ß van keiserliker gewald vrigreuen etc. des vrijenstoels vnnder den Souen linden beleghen in dem stichte van Munster in dem kerspell van L ae r, dat de ersamen borgermestere vnde ratmanne in dem namen eerer alle ok borgheren vnde inwonren vnser stad Wißmer vpp datum desses breues sint vor vns irschenen vorbringhende vnde thogende ene citacie, darinne gij en vpp vnde van claghe eyns genometh Bernd Kock klegher vnde procurator Hinrick Krachts gesworne borger tor Wißmer vor juw vor dem vrijenstole vorbenomet vpp den negesten dinxtedach na sunte Clementes daghe negest komende to rechter richtetidt dages geladen hebben, vnde wante denne de suluen vnse borgermestere ratmanne borghere vnde gemeente sodaner sake haluen in juwer citacien bestemmet nye vor vns geborliken iß voruolghet noch rechtes to pleghende geweigert, sunder zijck in erer aller namen vorbestemmet vpp datum van dessen vor vns alse eren ordentliken vnde geborliken richteren to eren rechte vnde aller bildicheidt gebaden hebben dem obgnanten klegher edder deßhaluen sinem vulmechtigen vnuortaghert to donde in vruntschop vnnde rechte, so vele zee van eere vnde rechte mogen plichtich sin, darto wij see ok vorbeden vnde erer vullmechtich wesen willen in krafft desses breues, so zee dat ok dorch twe louenwerdighe gude manne in vnsen landen erffsettenn mid enem geloues breue na inholde der konyngliken reformatien hebben vorwisseth vnde vorborgheth. Worup is vnse fruntlike bede vnde beghere, gij hirup de sake in juwer citacien beruret vor vns alse des beclageden parthes geborliken vnde ordentliken richteren wisen vnde remitteren, wante wij dem obgnanten klegher

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edder sinen vulmechtigen rechtes auer de vnsen vorgnant behelpende willen sin, worto wij vnns gutwillich to zinde vorbeden in krafft desses breues, hebben wij ok deshaluen dem suluen klegher sinem vulmechtigen edder de hee mit sijck bringende werdt gegeuen vnde jegenwordigen geuen eyn zeker vast veilich vnde strack geleide an vnde aff vor vns de vnsen vnde alle, der wij mogen vnde schalen mechtich zin vnde de vmme vnsen willen don vnde laten willen vnde schalen, sunder argelist. Hir juw geborlick inne to hebben vnde hirenbauen tegen dat innehold der konningliken reformatien, to Ffranckfordt gegeuen gesettet vnde geordineret in den jaren vnses heren dusentverhunderttwevndeveftich ! an vnser leuen frouwen auende assumpcionis, vnbeswart to latende vnde auer see nicht to procederende, vorschulde wij na gebore gerne, wante gij woll wethen vnde besynnen mogen, wo gij hirenbauen richteden vnde procedereden, dat sodane denne eyn vngerichte van nenem gewerde krafftloeß vnde machtloß were na inholde der vorberureden reformatien vnde gij vnde de kleger vnde welke meer derweghen in pine vallende wurden, dat jw swarliken bekomen wolde, welk vns leeth were. Hirumme begheren wij desses juwe bescreuen antwerth, dar de vnsen vorbenomet zijck na richten schalen, bij dessem jegenwordigher ! brieffbringher vnnsen geswarnen baden to desser sake vthgeferdighet. In ghetuchnisse der warheidt hebben wij Magnus vnde Baltasar hertoghen vorgnant vnse ingeseghell bij eynander mid gantzer wisschopp benedene hethen henghen an dessen brieff, geuen vnnde screuen bynnen der Wißmer na gods borth veertheinhundert darna in deme neghenvnndeachtigesteme jare ame vrigdaghe na alle gades hillighen daghe.

Auf Pergament. Angehängt sind zwei hinten eingekerbte Siegel mit rothen Platten.

1) in einem Dreipasse 3 Schilde: oben der Stierkopf, unten rechts der Greif, unten links getheilt. Umschrift auf einem umgeschlungenen Bande links vom oberen Schilde beginnend: S. Magni ducis magnopolē comitis zwe.

2) Der geschweifte Schild ist getheilt und im obern Felde gespalten. Oben vorn der Stierkopf, hinten getheilt; unten der Greif. Auf dem in kühnen Windungen herumgeschlungenen Bande: s dvcis baltasaris magnopolensis.

Auf der Rückseite: littera saluiconductus principum.


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VI.

1489, November 26. [Siebenlinden.]

Der Freigraf Werner van dem Sunderhus ladet auf die Klage Hinrik Krachts die Wismarschen zum zweiten Male vor seinen Richterstuhl.

Wettet richter borgermester raitmanne borgher vnd inwonner vnd de van mannes kunne sementliken vnd einn itlick[en], de van twelff jaren olt sint, wo gij de namen vnd thonamen vp der doepe entffangen heb[e]n, der stadt Wyssmer, dat ick Werner van deme Sunderhuss, van keyserlicher macht vnde ghewalt vrijgreue etc., vp hude dach data desses breffs den vrijgenst oe l, belegen in deme stichte van Monster in deme karspele tho Laer vnder deme Seuen lynden belegen is, myt willen des stolheren mijt ordel vnde rechte becledet vnde gespannender banck besetten hebe in deme vrien apenbaren gherichte tho richtene auer lijff eer vnd ghelymp na vrijenstols rechte.

Daer vor my ghekomen vnde erschennen is Berndt Koick, eyn vulmechtich cleger vnd procurator Hinrick Kracht, vndersate des ghestichtes van Monster vnde sinen natuerlicken maech van blodes wegene, auermitz sinem ghewunnenen vorspraken vnd clagede sere swerlicken juwe lijffe eer vnde ghelymp sere hoe andrepende, soe wo dat ick juw dorch sine mercklicke claghe jw in uorghangen tijden vor deme vrijenstol vorscreuen vormitz mijnem besegelden vorbotz breue hedde dagen vnde enen stefflicken richtedagh in der citacien na vrienstols rechte leggen laten als nementlick vp deme dinxedagh nest na sunte Cleme[n]te dage vor den vorscreuen vrienst oe l, bynnen alsolker vorbodinge gij myt twen juwen ffrunden den seluen houetsaken Hinricke Kracht heb[e]n besant tho Rosseborch vnd myt valschen loghenachtigen bottschopen an em vorsocht vnd ghetoüet, dat gij juwe vrunde by em schicken wolden vnde vmme de clage to vruntschopen van em scheyden, des Hinrick Cracht oren valschen logenthaligen worden thoghelouet hefft, vnde em also langhe ghetouet myt worden, dat he sinen betekenden richtedagh vor den vorscreuen vrienst oe l nicht holden en konde. Ok so was ick vrigreue vorscreuen vp den stefflicken richtedaghe dorch beuel myns stolheren to solker stede, dat ick dorch noet des waters tho deme richtedage nicht komen en konde. Darvp so

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hefft de vorscreuen cleger vnde procurator sine erste clage weder opent int gherichte vormitz sinem gewunnenen vorspraken, wo dat gij ghehenghet vnd beleyuet heb[e]n, dat de hoetffilters bynnen juwer stat siner dochter kyndelbedde vnde in dem hilgen ampte, dar se van groten krancheiden inne lach, gheschynnet heb[e]n myt weldiger vnd wopender hant vnde heb[e]n dar Hinrix knecht vt ghenomen vnde ghevangen, dar deme vorscreuen Hinricke grote vngenade myt kost vnde schaden vp ghekomen is, vnde sprecken ok vp dat hilge rijke, dat pauwes vnde keyser bestediget heb[e]n vnd al echten rechten vrijenschepenn beuolen to warne vnde tho vermeren na al ore macht, vnd heb[e]n Hinricke ok mer dan eens sünder richt vnde recht vth juwer stat ghejaghet vnd verdreuen vnd heb[e]n dat allent ghedaen teghen got eer vnde recht. Welker vorscreuen claghe vnde ansprake mijt rechtem ordele auer jw gheffvnden vnd ghewiset wort vor deme vrijenstolen tho richtene. Soe hefft my de vorscreuen cleger vnde procurator myt ordel vnde rechte affghewunnen, dat ick jw darvmme eysschen vorscriuen vnd verboden mot laten, als sick gebort na vrijenstols rechte. Soe ghebeyde eyssche vnde mane ick jw van weghene myns vrijgreuen ampts vnde van keyserlicher macht der vrienst oe le vnde legge jw enen stefflicken richtliken plichdagh in crafft desses breffs vor den vorbenompten vrienstol vnder den Seuen lynden vpten dinxedagh nest na sunte Aghaten daghe der hilgen juncfrowen nest komende na datum dis breues tho rechter richtetijd daghes vnd gebeyde jw personlicken myt juwes selues lyffe aldar to komene in dat vrijge apenbar gerichte vnd verantworden aldar juwe lijff eer vnde ghelymp na lude der clage vnde na vrienstols rechte tegen deme vorscreuenen cleger vnde procurator oder we der vorscreuenen clage alsdan mit rechte tdone ! sall heb[e]n vor my eder enem anderen vrigreuen, de alsdan den vorscreuen vrienstol myt ordele vnde rechte besittende sall werden. Dar wettet jw wyslicken in den besten na tho richtene, vp dat de leste swar smelicke sentiencie ! der veme nicht auer jw gheffordert vnd gheworuen en werde. Gescreuen vnder mynem segel vpten donnersdagh nest na sunte Katharinen dage der hilgen juncfrowen in deme jare vnsses hern dusentveyrhundert neghen vnd tachtentich

Werner van deme Sunderhuess, van
keyserlicher macht vnde gewalt vrigreue etc.
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Auf der Rückseite: An dem ricchter borghermestern raitmann borgher vnde inwonner vnd al de van mannes kunne bauen twelff jaer olt synt der stat Wyssmer, wo gij namen vnde thonamen vpter doepe entffanghen heb[e]n, kome desse breff. - Ebenfalls auf der Rückseite: secunda citacio und: In die beati Thome vxor Hinrici Krachtes portauit hujusmodi litteram ad domum domini Gerhardi Losten et posuit eandem ad truncum.

Auf Papier mit Resten des schließenden grünen Siegels.


VII.

1489, December 3.

Drei Freischöffen bezeugen, dass an dem für die Wismarschen anberaumten Termine weder Freigraf noch Kläger am Freistuhle unter den Siebenlinden erschienen sind.

Wij Johannes Vernouwer canonicus to Dulmen Jasper van Schedelike erffsettenn to den Osthoue vnnde Hinrick Krumthungher borgher to Dulmen echte vrijschepenne des Romeschen riks bekennen vnnde betughen apenbaer vor alle den jennen, de dessen brieff seende lesende vnnde horende werden, watterleie staits vnde werdicheith de sin, dat wij ame dinxtedage na sunte Clementes daghe negest vorleden vor dem vrienstole to Laer in dem stichte van Munster vnder den Souen linden beleghen mid Hermanno Krumthungher clerico, van den ersamen rade borgheren vnd inwonren der stad Wißmer mit gelouesbreuen der durchluchtighen vnd hoechgeboren fursten vnd heren heren Magnus vnnd Baltasar gebroderen hertoghen to Mekelenborg etc. vor den gnanten vrienstoll to bringhende vthgeschickt vnd gesanth, to rechter richtetidt dages sint gewesen vnd irschenen, alsodane vorscreuen geloues breue na vrienstols rechte dem vrijgreuen to auerantwordende vnd vor to bringhende, hebben denne dar de rechte richtetid daghes samptliken vorbeidet vnd gewachtet, vnd noch vrijgreue edder klegher vppe den vorscreuen vrienstole is worden gefunden edder geseen. Worumme wij sodane afwesinghe des vrigreuen vnnd kleghers mit enen gecrutzigheden pennynghe na vrienstols rechte hebben beorkundighet in biwesennde der

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beschedenen Gerd Backelthueß vnd Johan Lindouwen borghere to Dulmen ok echte rechte vrijschepenne des Romesschen riks. Desses to getuchnisse vnnd merer beuestinghe der warheith hebben wij Johannes Jasper vnd Hinrick vorbenomet vnse ingesegele witliken na eynander benedene laten henghen an dessen brieff, geuen vnd screuen in den jaren vnses heren dusentveerhundertameneghenvndachtigesten ame donredage na sunte Andreaß dage des hillighen apostels.

Auf Pergament. Angehängt sind drei kleine Siegel in dunkelgrünem Wachse:

1) Im Schilde ein Merk. S, [d n mit Querstrich i] iohannis vernower.

2) Im Schilde anscheinend zwei Stierschädel. S-. . . . [V A N S c e D e L e K e

3) ganz verdrückt.

Auf der Rückseite: testimonium de absencia vrigrauij, quando non venit ad judicium nec Hinrick Kracht aut eius procurator etc.


VIII.

1490, Januar 9. Wismar.

Notariatsinstrument über die Aussagen Johann Dudenborgs betreffend den Ungrund der Krachtschen Klage.

In gades namen, amen. In dem jare na der borth des sulften dusentveerhundertneghentich in der achten indictien ame sonauende de dar was de neghede dagh des maents Januarij tor tertien tidt edder darbij pontificatus des alderhilligesten in god vaders vnde heren heren Innocencij van gotliker vorsichticheit paweß des achten in sinem sosten jare vor dem werdighen vnde vorsichtighen manne heren vnde mester Johanne Gronouwen in den geistliken rechten baculario vnde des erwerdighen in god vaders vnde heren heren Johanne bisschoppe to Raceborch officiali vnde staetholdere vnde in vnser apenbaren notariorum vnde tughe vndergescreuen jegenwordicheit sint de ersamen vnde vorsichtighen manne vnde heren Gerd Lost Bernd Peghel vnde Johan Hoppenacke borgermestere in ereme des rades borghere vnde inwonre der stad Wismer namen van der eynen vnde Johan Duden

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borgh borgher dar suluest van siner eghenen vnde Agneten siner eeliken husfrouwen wegene, den Hinrick Kracht nomet siner dochter man, van der anderen ziden irschenen vnde vorgekomen. Vnde de obgnanten borgermestere in erem vnde erer borgher vnde inwonre namen dorch den werdighen heren magistrum Gotfridum Perseualen erer stad sindicum vnde secretarium hebben vpdecken vorgheuen vnde dem obgnanten Johan Dudenborghe laten vraghen, offte hee edder sin husfrouwe Agneta Hinrick Krachte den raeth borghere vnde inwonre der stad Wismer vorbenomet vor de vrienstole edder anders wor to citerende vnde ladende in eren procuratorem hebbn ! gesettet vnde vulmechtich gemaket. Warto de vorscreuen Johan antworde, dat hee edder sin husfrouwe Hinrick Krachte to nenen saken hedden gemechtighet, ok van en jemande vor de vrienstole edder anders wor to citerende nicht en were mechtich gemaketh, Hinricke ok nene macht van erer wegene in nenen saken jeghen den raeth borghere vnde inwonre vorbenomet to hebbende tostünden. Vurder wart dorch den obgnanten mester Gotfridum Johanne vorgnant gefraghet, offt hee ok jenighe tosprake hedde gehath edder noch hedde teghen den vorscreuen raeth borghere vnde inwonre van schynnynghe berouynghe vnde entwedemynghe weghen, de siner husfrouwen in ereme kindelbedde vnde krame schalen gescheen vnde wedderfaren wesen, dat de raeth tor Wismer gehenghet vnde beleueth schale hebbn, so ene citacie dorch Werner vam Sunderhueß vppe vorforderinghe Hinrick Krachtes vnde sines procuratoris vthgesant dat vormeldet. Dar dan Johan vorbenomet to antworde vnde sede, dat hee to dem obgnanten rade borgheren vnde inwonren nene tosprake derwegen edder anderer sake haluen en hedde, ok Hinrick Krachtes knecht vth siner husfrouwen kindelbedde vnde krame nicht en were ghenomen, de raeth ok sodanß nicht en hedde gedaen noch doen laten bewillet edder bevulberdeth ! , sunder eyn genomet Hermen Klokow hedde(n) in vorledenen tiden vmme vndaeth vnde vorwerckinghe enen knecht mit rechte vppe Hinrick Krachts werckstede in der Kremerstrate belegen antasten laten, welker bode vnde werckstede doch van Hinricks huses vthghanghe vnde inghanghe was vnde noch were de veerde wonynghe, so dat hee edder sin husfrouwe derwegene mit dem rade borgheren vnde inwonren nenen vnwillen, sunder alle lieue vnde fruntschopp en wuste, vnde ok mit dem obgnanten Hermen Klokouwen fruntliken vnde

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gutliken in biwesende des vorscreuen Hinrick Krachts vor den obgnanten heren borgermesteren were in vorghanghenen jaren vorenighet vnde gesleten vnde sick an beiden tziden ghentzliken vorlaten vnde derwegene mit dem rade borgheren vnde inwonren vnde Hermen Klokowen vorgnnant 1 ) ok mit deme ampte der hoetuiltere anders nicht wen lieue vnde fruntschop en wuste, so hee apenbare seede tostont vnde bekande. Wart Johanne breider gefraghet, oft Agneta sin husfrowe vorbenomet Hinrick Krachts dochter were. Darup Johan vorbenomet antworde: neen, see Hinrick Krachts husfrouwen, vnde nicht Hinricks, dochter were; sin eelike vnde echte husfrouwe were vnde qweme Hinrick Krachte nicht to vordedinghende.

Vppe desse vorscreuen bekantnisse de 2 ) ergnanten heren borgermestere in erem ok erer borghere vnde inwonre namen esscheden vnde beden vns apenbaren notarien vnde vndergescreuenen schriueren, wij en dar eyn instrumentum 3 ) edder meer vp maken vnde gheuen wolden. Desse dinghe alle sint gescheen tor Wißmer in der groten schriüerije in dem jare indictien daghe maente vnde pontificatu so bauen gescreuen steith in jeghenwordicheit der beschedenen manne Hans Warendorpp Drewes Voß vnde Hinrick Runeman borghere tor Wißmer des vorbenomden Raceburgeschen stichts tughe hir sundergen tho gheesscheth vnnde ghebedenn.

Vnde ick Hermannus Krumthungher clerick des gestichts van Munster van pawesliker vnde keiserliker gewalt notarius vnde vor dem werdigen vnde vorsichtigen manne heren vnde mester Johanne Gronouwen officiali bauen gescreuen in desser sake apenbaer schriuer - - - ick mit dem beschedenen Johanne Beitzendorp clerike Lubesches stichts van keiserliker gewalt notarius vndergescreuen samptliken gheesschet - - - vnde darumme dit jegenwordighe apenbaere instrumentum mit myner eghenen hant geschreuen, ok mit mynen gewontliken signetum 3 ) namen vnde tonamen mede mit anhenghinghe des vorbenomeden heren officiaels ingeseghele getekent vnde beuestighet - - -.

Vnde ick Johannes Betzendorp - - -.

Die zweite Unterschrift von anderer Hand. Daneben die Zeichen der Notare. Angehängt ist das dritte im wismarschen Rathsarchive


1) Ueber der zweiten Silbe ein Strich.
2) Ursprünglich wohl der.
3) Abgekürzt.
3) Abgekürzt.
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im 15. Jahrhunderte beobachtete Officialatssiegel (mit rother Platte): Bischofsmütze mit Bändern im sternbesäeten Felde. Umschrift: Sigillvm • oficiolatvs razebbvrgēs ×

Dies Siegel ist von 1490 an wahrgenommen, das vorhergehende von 1423 - 1485, das erste, Masch unbekannte im Jahre 1422. Die Angaben bei Masch, Geschichte des Bisthums Ratzeburg, S. 706, sind ungenau.

Auf der Rückseite: Instrumentum secundi actus continens, quomodo Johan Dudenborch nomine sui et sue vxoris filie Krachtes fatebatur, quod Hinr. Kracht non fuisset ab eo neque sua vxore constitütus ad citandum aliquem etc. et quod ipse et sua vxor nullam haberent impeticionem contra Wisma[r]ien[ses] etc.


IX.

1490, Januar 13. Wismar.

Notariatsinstrument über die Aussagen Herman Klokows und Genossen betreffend die Ergreifung des Krachtschen Gesellen.

In gades namen, amen. In dem jare na der borth des sulften dusentveerhunderthneghentich in der achten indictien am midweken de dar was de drutteynde dach des maentz Januarij tor tercien tid edder darbi pontificatus des alderhilligesten in god vaders vnnde heren heren Innocencij van gotliker vorsichticheit pawes des achten in sinem sosten jare vor dem werdigen vnde vorsichtigen manne vnde heren mester Johanne Gronouwen in den geistliken rechten baculario vnnde des erwerdighen in god vaders vnde heren Johanne bisschoppe to Raceborgh staetholder vnde officiaell auer dat stichte Raceborgh vnnde in vnser apenbaren notariorum vnde tughe vndergescreuen jeghenwordicheit de ersamen vnde vorsichtigen manne vnde heren Gerd Lost Bernd Peghell vnde Johan Hoppenacke borgermestere in erem des rades aller borghere vnde inwonre namen der stad Wismer Raceborgesches stichts van der eynen vnde Hermen Klokow hoetuilter van der anderen zide sint erschenen vnde vorgekomenn. Dar de obgnante her Gerd Lost in ereme des rades borghere vnde inwonre namen vorbenomet dem vorscreuen Hermen Klokouwen

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vpdeckede vnde vorgaff, wo Werner vam Sunderhueß, vrijgreue des vrienstoels to Laer in dem stichte van Munster vnder den Souen linden belegen, ene citacie vppe vorforderinghe Hinrick Krachts vnde sines procuratoris schale hebbn vthgesant, darinne den raeth borgere vnde inwonre vorbenomet to rechte gedaghet vnde citeret, darumme dat see gehenghet vnde beleuet schalen hebben, dat de hotuilters bynnen erer stad siner dochter kindelbedde vnde in dem hilligen ampte, dar see van groten kranckheiden inne lach, geschynnet scholden hebben mid weldigher vnde wapender hanth vnde dar Hinricks knecht vthgenamen vnde gefangen, wo de citacie dat wider heft begrepen, vurder dem obgnanten Hermene vraghende, oft de raeth borgere vnde inwonre tor Wismer vorbenomet em sodane 1 ) hedden geheten, dat hee scholde Hinrick Krachtes knecht mit wapene vnde wald nemen vth deme huse, dar Hinricks steiffdochter dat kindelbedde inne lach, den kraem also beschynnen, vnde oft sodane 1 ) van em ok were gescheen. Dar de vorscreuen Hermen Klokow to antworde vnde apenbaer sede, dat de raeth borgere vnde inwonre nicht en hedden gehenghet beleuet bewillet edder bevulbordet mit weldigher vnde wapender hant Hinrick Krachtes wiues dochter kindelbedde vnnde kraem to schynnende vnde to entwedemende edder jemande darvth tho nemende, ok van em ofte den hotuilteren edder anders nummende nicht geschynnet edder entwedemet were, sunder in vorledenen jaren sick hedde begeuen, dat hee in Hinrick Krachtes bode vnde werckstede in der Kremerstrate belegen verne van Hinrick Krachtes huses vthgange vnde inganghe, dar de obgnante frouwe in dem krame vnde kindelbedde inne lach, de veerde bode vnde woninghe was in ener anderen strate, enen knecht mit rechte hedde laten (vnde) 2 ) antasten vmme etliker tosprake vndaet vnde vorwerkinghe willen, worumme hee vnde de sulue knecht, alse hee loeß was, mit willen vnde vulborde ok biwesende des obgnanten Hinrick Krachtes vor den vorscreuen heren borgermesteren weren vorenighet vnde vorliket vnde de ene den anderen ghentzliken vnde entliken hedden vorlaten. Sodanne to bewisende vnde war to makende sint to der suluen tid vnde stede vor den obgnanten heren officiaele, dorch den obgnanten Hermen Klokouwen mit rechte darto gefordert, gekomen Arnd Hollander Hinrick Wenth vnde Peter Praell borgere tor


1) soda n mit Querstrich .
1) soda n mit Querstrich .
2) Durch feine Striche getilgt.
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Wismer nicht van vruchten, nicht vmme gelt gifte edder gaue leue ofte leeth noch vmme fruntschop edder haetz willen, sunder richtliken van dwanghe vnde hethe na rechtes vormage des obgnanten heren officiaels vppe dat hillige euangelium eere vinghere leggende gestaueder eede lifliken to gade sinen hilligen vnde bi dem hilligen euangelio geswaren tughet vnde war gemaket, dat see geseen vnde dar an vnde auer hedden gewesen, dat Hermen Klokow vorbenomet vmme etliker tosprake vndaet vnde vorwerckinge willen den vorbenomeden knecht in Hinrick Krachtes bode vnde werckstede in der Kremerstrate belegen mit rechte hadde laten antasten, van Hinrick Krachtes wonhuses vthganghe vnde inghanghe vmme(n) den orth in ener anderen strate, de Oldewismer strate genomet, de veerde bode vnde woninge was vnde is, vnde nicht in Hinricks huse edder in sines wiues dochter kindelbedde vnde krame, de raeth borgere vnde inwonre vorbenomet ok sodane 1 ) nicht en hadden gehengheth beleuet edder bevulbordet, ok dat Hermen Klokow vnde de vorgnante Kracht (sick) nicht lange darna vor den obgnanten heren borgermesteren in biwesende vnde mit willen vnde vulborth Hinrick Krachtes sint vorenighet vnde gesleten vnde de ene den anderen gentzliken hedde vorlaten, dar see ok mede an vnde auer hedden gewesen. Vppe welker vorscreuen rede antworde tuchnisse vnde eede de ergnanten heren borgermestere in ereme des rades borghere vnde inwonre namen esscheden vnde beden vns apenbaren notarios vnde vndergescreuen schriueren, so vns ok de obgnante here officiaell vororleuede ! geboeth vnde hete, wij en dar eyn instrumentum 2 ) edder meer, ok so vele der van noden wurde, vpp maken vnde geuen scholden, vnde de obgnante here officiael tor warheit vnde merer sekerheith sines ambachts ingesegell benedene heft laten hengen an dit jegenwordige instrumentum 2 ). Vnde desse alle sint also gescheen tor Wismer in der groten schriuerie des rades in dem jare indictien dage maente vnde pontificatu, so bauen gescreuen steith, in jegenwordicheit der beschedenen manne Gerd Westuaell Hans Hardenacke vnde Michel Borneke borgere tor Wismer tughe hir sundergen to geeschet vnnde gebedenn.

Beglaubigung im Ganzen wie zu 1490, Januar 9. Angehängt ist das ebenda beschriebene Officialatssiegel. Auf Pergament.


1) soda n mit Querstrich .
2) Abgekürzt.
2) Abgekürzt.
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Auf der Rückseite: Instrumentum tertii actus continens in se testimonium, quod violencia non fuit facta in domo Hinr. Krachtes et filie ejusdem in puerperio jacentis.


X.

1490, Januar 30. [Siebenlinden.]

Der Freigraf Werner van dem Sunderhus verweist die Klage Hinrik Krachts an die Herzoge von Meklenburg.

Ick Werner van dem Sunderhueß, van keiserliker gewalt vrijgreue des vrijenstoels to Laer in dem stichte van Munster vnder den Souen linden beleghen, bekenne vnde betughe apenbaer in vnde mit dessem apenen breue, dat ick alsodane sake claghe vnde tosprake, alse Hinrick Kracht to dem ersamen rade borgheren vnde inwonren der stad Wismer vorment to hebbene, darumme see van my vor den obgnanten vrienstoell citeret vnde geladen weren, vppe gelouesbreue der durchluchtighen vnde hoechgeboren fursten vnde herenn heren Magnus vnde Baltasar gebroderen hertoghen to Mekelenborch ffursten to Wenden vnde der duchtighen Volreth vam Loe vnde Hinrick Bertzen erffsettenn in dem lande to Mekelenborgh, dorch Hermannum Krumthungher vulmechtighen procuratorem der stad van der Wismer an my geschickt, van hethe willen vnde vulborde des edelen vnde wolgeboren heren heren Euerwin greuen van Benthem vnde heren to Stenforde stoelheren des obgnanten vrienstoels sodane breue mit der orkunde hebbe entfanghen na vrienstoels rechte vnde de sulue sake vor de vorgnanten fursten alse behorlike vnde ordentlike richtere des beclagheden parthes hebbe remitteret vnde gewiseth, sodane claghe vnde sake entliken na claghe vnde antworde beider parthe in fruntschop edder rechte to richtene vnde scheidene. In getuchnisse der warheit hebbe ik Werner vrigreue vorbenomet myn ingeseghel an dessen breeff gehanghen, vnde wante wij Euerwin greue vorgescreuen dit bekennen vnde beleuen, so hebben wij tot merer beuestnisse der warheit alse stolhere des vurgnanten vrigenstoels vnse seghell vor an dessen breff doen vnde hethen hanghen in dem jare vnses heren dusentveerhundertneghentich des saterdages na sunte Pawels dage conuersionis.

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Angehängt sind 2 Siegel:

1) Reste in grünem Wachse; das erhaltene Rücksiegel wie an Nr. XIV;

2) in rechtsgelehntem Schilde unkenntliche Figur, darüber ein Helm. Umschrift unlesbar.

Auf der Rückseite: Dith is de remissie, worinne Hinr. Krachtes sake wert gewiset vor de fursten van Mekelenborch.


XI.

1490, April 1. Ratzeburg.

Schreiben Hinrik Krachts an die Herzoge Magnus und Balthasar.

Jwer gnaden gudtwillige arme dener Hinrik Cracht den irluchtigen hochgeboren fursten vnde heren heren Magnus vnde Baltasar, gebruderen hartoghen to Mekelenborg fursten to Wenden greuen to Zwerin Rozstok vnde Stergarden der lande heren, mynen gunstigen gnedigen leuen heren willige dinste touoren. Irluchtigen hochgeboren fursten, gnedigen leuen heren, so denne jwer furstliken gnaden scriffte an my geda e n vormelden sulke sake, de ik jegen myne wedderparte vor deme vorsichtigen Werner van deme Sunderhuß van keyserliker macht friggreuen des frigenstols to Laer ime stichte to Munster etc. int recht gestellet hebbe, vorfordert vp jwer gnaden gelouesbreue vnde etliker gudenmanne, de wolgeboren here Euerwin here to Stenforde stolhere des vpgnanten frigenstols jwen furstliken gnaden alze behorliken vnde ordentliken richteren schole hebben remitteret vnde to jw gewiset nach clage vnde antworde der parte in fruntscop vnde rechte to richten vnde entscheiden, bogherende, ick an deme donredage neghest komende vor Paschen nomeliken an deme guden donredage vor jwe gnade wolde wesen to Zwerin, konde myne sake in fruntscop nicht werden bigelecht, scholde ick syn tho Boytzenborch des frigdages na Quasimodogeniti to rechte, dar do gij my citeren yn crafte jwer scrifte, de ik yn allen puncten to guder mate, so se inholden, wol hebbe vorstan: do ik arm man jwen furstliken gnaden darvp dinstliken weten, so ik tegen myne parte thor Wißmer, dar ik nyn borgher men eyn inwoner waß, nicht irrisen mochte, hebbe myn recht to bemanende ime keyserrechte vor deme frigenstole vorsocht vnde

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hebbe see dar laten citeren. In deme Zwerinschen rechte bofruchte ik my bohalynge hinder vnde schaden. Ick hebbe gen vulbordt des to Zwerin ime rechte to uorsokende darto gegeuen. Dar ik myn recht to bemanende hebbe angehauen, dar denke ik des furder to endigende. Id en is ne gehordt, dat welke sake, de vor deme frigenstole ime keiserrechte to bemanende worden betenget, wedder, dar see nicht bemanet, mochten werden gewiset. Jwe furstlike gnaden scriuen my en guden donredage to Zwerin to wesende fruntscop in der sake to beramende ofte vordt des frigdages na Quasimodogeniti to Boytzenborch ime rechte vor jwen gnaden to wesende: in der stillen weke holdet me noch ghestlik ofte werlick recht vnde en handelt men ok nene sake; des frigdages na Quasimodogeniti vorgeroret hebbe wij den dach sancti Greorgij, dar ik nicht denke ane to rechte to kamende alze vp enen stekeden rechtdach. Ok en vulborde ik nicht an jwen gnade alse an mynen richter, schaden hinder vnde anxste haluen appellere ik van sodaner citatien vnde schete myn recht to sokende vor den frigenstole, dar ik des angehauen hebbe. Bidde deger denstliken jwen [gnaden] my des nicht willen vorkeren vnde de jwen darto mochten hebben, my lik vnde wandell van en moge boschen, furder schade vnde nadeel moghe vorbliuen, vordene ik tegen jwe furstliken gnaden wor ik mach, irkennet de almechtige godt, deme ik de vilgenanten jwe furstliken gnaden lange gesundt to sineme dinste bouele. Gescreuen vth Rasseborch anno etc. xc0 des donredages vor Palme vnder signete.

Transsumirt in dem Notariats=Instrumente von 1490, April 8.


XII.

1490 [zwischen März 25 und April 8] [Ratzeburg.]

Schreiben Hinrik Krachts an den wismarschen Rath.

Hinrick Cracht. An de erßamen heren tor Wißmar zal disse breff, vruntliken gescreuen.

Erßamen leuen heren tor Wißmer. Alße gij vthgesandt hadden Hermannus jwen dener vnde alß jwe leue wol wet, dat he der fursten seghel vnde breue vnde twe gudemans an jenne heren vnde fursten gebracht hefft: so beden my myne heren vnde fursten, dat ik wolde vmme erer bede willen vnde

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then hijr to jw vnde vorsukent vp de negede in fruntschoppen. Muchte my fruntscop wedderfaren, de zolde ik nemen; oft sake weren, dat my nyn vruntscop muchte wedderfaren de my haghede, zo sal ik to myneme gnedigen heren wedder kamen vor er leue, zo en willen se myner nicht vorlaten, se willen my behulplick wesen in allent dat recht is. So hebben se my gebeden, dat ik id sus vorzoken zal, wert zake, dat des sus nicht enschege, so were myn recht desto starker, ick en hadde dar nyne kynder by, do dyt sus geflegen wordt, ik hadde dar schepen vnde radtlude by etc. Vortmer ersamen leuen heren, zo my is to weten geworden, dat Hermannus gebraeht hefft enen apenen breff vnde logenafftigen breff vor jwe leue, dar nicht en ware wort mede is: do 1 ) vragede eyn borghermester, oft Hinrik Cracht dar ok mede by was jegenwordich, do de breff gescreuen wordt, do zede he: ja. Ersamen leuen heren, jwer leue dat nicht tho hone willen then, vnnde kans my nicht ouerbowisen, zo lucht he idt alße eyn vorwunden schalk. Leuen heren, wan dat so schien were, zo wolde ik yn myn eghene hus wol myt myner werdynnen licht u erdiger henne komen mit terynge, dat ik to Raceborch nicht liggen drofte vnde teren: dat kan jwe leue wol kesen vnde kennen, dat dat zo nicht en is. Vnde lach ghint vnde beide wol ver weken na em, vnde to Raceborch gewesen ok nu dre weken. So wil ik jwer leue to willen noch achte dage lanck dar touen vnde ok nicht lenck, krige ik nyn antwordt vnder der tidt. Vnde wil mynen heren dat tor kennynghe gheuen, wodt my geghan is. Hijr wetet jw wißliken in den besten na to richten. Gescreuen mit der hast, datum anno domini mccccxc0.

Transsumirt in dem Notariats=Instrument 1490, April 8.


XIII.

1490, Mai 7. Schwerin.

Notariatsinstrument über Verhandlungen in Sachsen Krachts vor Herzog Magnus von Meklenburg und Graf Eberwin von Bentheim.

In gades namen, amen. In der ! jarenn na der bordt des sulfften dusenthveerhunderthneghentigh in der achten indictien


1) Mit großem Anfangsbuchstaben.
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ame vridaghe de dar was de souede dagh des maents Maij tor vesper tidt edder darbij pontificatus des alderhillighesten in god vaders vnnde vnses herenn heren Innocencij van gotliker vorsichticheith pawes des achten in sineme sosten jare vor deme irluchtighen hoechgeborenn fursten vnde heren heren Magnus hertoghen to Mekelenborgh ffursten to Wenden greuen to Swerin Rostock vnnde Stargarde etc. der lande herenn ok vor deme edelen vnnde wolgeborenn heren heren Euerwine heren to Stenforde vnnde greuen van Benthem vnnde in vnser apenbaren notariorum vnde tughe vnderghescreuen jeghenwordicheith is gekomen vnde irschenen Hinrick Kracht wandages borgher vnde inwonre tor Wißmer gewesen. Vnnde de vorbennomede 1 ) here Magnus was redende vnde vorgheuende, wo sodanne sake claghe vnnde tosprake, alse de obgnante Hinrick Kracht to deme ersamen rade tor Wißmer vormeende to hebbende, vor sine gnade vnnde siner gnaden broder herenn Balthasar alse erffborenn herenn ordentlike vnde behorlike richtere des beclagheden partes were ghewiseth vnnde remitteret inn fruntschopp edder mit rechte na claghe anthworde vnde rechtes irkantnisse to richtende vnde vorscheidennde, so ene remissie, dorch den gnanten herenn Euerwin vnde Werner vame Sunderhues vrigreuen des vrienstols to Laer vorseghelt an ere gnade gesanth, were vormeldennde. In macht der vorberureden remissien ere gnade hadde esschen vordaghen vnnde citerenn laten den ersamen raeth borgher vnnde inwonre tor Wismer vnde den gnanten Hinrick Kracht to Swerin ame gudendonredaghe negest vorganghen vor ere gnade to komende vnde irschinende vor to nemende vnde to uorsokende, oft sodane vorbeandede sake in fruntschop gesleten vnde bighelecht mochte werden, weret auerst de fruntschopp to der tid sick nicht en wurde vindende, de obgnanten beiden parthe to Boitzenborch ame vridaghe na Quasimodogeniti done 2 ) erstkomende hedden eisschen vnde citeren laten, de sake vor eren gnaden richtliken to vorhandelende vnde aldar rechtes to ghenetende vnde entgheldennde. Vppe welkereme vorberureden gudendonredaghe de ersame her Johan Hoppenacke borghermester in deme namen vnde van wegen des obghemelten rades borgere vnnde inwonre tor Wismer vulmechtich vnde gehorsammich erer gnaden scrifften vnde vorbeandeden citacien


1) vorbe n mit Querstrich n mit Querstrich .
2) do n mit Querstrich .
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to Swerin vor eren gnaden were gewesen na to ghande vnde genoch to donde der vorberureden remissien, wo behorlick vnde recht were, in deme namen obgnannt 1 ) sick hedde vorbaden ok sick beclagheth des vnhorsammes vthbliuendes vnde contumatien Hinrick Krachts vnde darvan apenbare protestatien gedaen vnnde aldar ok getogheth vnnde lesen laten enen breeff, dorch den gnanten Hinrick Kracht an den obgnanten raith tor Wismer ghescreuen, wo sodanne vorberurede remissie dorch den gnanten heren Euerwin vnde Werner siner gnaden vrigreuen vorseghelt loghenafftich vnnde nicht eynn waer worth were in sick holdennde etc. De velegnannte here Magnus vurder vortellede, wo sine gnade vnde siner gnaden broder vorgnannt 1 ) ok van Hinrick Krachte enen breff hedden entfangen vnnde aldar lesen laten, worinne Hinrick Kracht der vorberurede[n] remissien vorsakede, erer gnaden gerichte vorachtede vnde versmaede, der remissien ok nicht na to ghande vnde genoech gedachte to donde, sunder hedde wreueliken appelleret ane wise vnnde forme der rechte vor den obgnanten vrienstoell to Laer, also des gnanten herenn Euerwins vnde Werners vrigreuen seghell vnnde breue de obgnanten remissien erer gnaden recht vnnde gherichte geloichenth vorachteth vorsmaeth vnde darvp schentlikenn vnnde honliken, wo vorberuret, gescreuen vnnde gesecht, so eynn apenbaer instrumentum * ) de obgnanten remissien citacien vnnde sendebreue in sick holdennde vnde gantze vorhandell vorberuret breider hefft begrepen, dorch my Petrum Sadelkouwen notarium vndergescreuen ghemaketh. Worumme ere gnaden to lieffmode vnnde behegheliken willen deme obgnanten herenn Euerwine vnnde sinen vrigreuen hedden klegheliken laten claghen vnde angefallen 2 ) den irluchtighenn hoichgeborenn fursten vnde heren heren Johan hertoghen to Sassen Engherenn vnnde Westualen, sijne gnade den gnanten vntuchtighen man schender vnnde honspreker Hinrick Krachte in siner gnaden stadt Raceborgh wesennde mochte vpholden an de tokumpst des obgnanten herenn Euerwins, de denne vnlanghes to Swerin bij sine gnade wurde komende, alsdan to beseende vnnde irkennende, off sodanne remissie 3 ) richtliken vnnde gheborliken, edder nicht, so Hinrick Kracht hedde gescreuenn, were geforderth vnnde vorworuen. Vnnde darvpp de sulue Hinrick Kracht van deme gnanten herenn van Sassen


1) gnā n mit Querstrich nt, was meist in gnante, gnanten aufzulösen war.
1) gnā n mit Querstrich t, was meist in gnante, gnanten aufzulösen war.
*) Notariats=Instrument von 1490 April 8.
2) ge ganz fein über der Zeile nachgetragen.
3) Am Rande.
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to Raceborgh in siner gnaden stadt were mit rechte entholden. So alse denne de velegnante(n) here Euerwin nu aldar jeghenwordich bij sinen gnaden were, hedde de obgnante here Johan hertoghe to Sassen den gnanten Hinrick Kracht aldar gesanth, sodaner vndaeth vorbescreuen sick to uorantwordende vnnde enthlegghennde edder derweghen van dem obgnanten heren Euerwine vnde ok sinen gnaden mit rechte to scheidennde. Vnnde darto ock den obgnanten ersamen raeth tor Wismer hedde don vorschriuen, so dar de ersamen her Johan Hoppenacke borghermester vorbennomet 1 ), her Johan Bantzkouw rathman vnnde magister Gotfridus Perseuale secretarius in deme namen vnnde van weghenn des rades borghere vnnde inwonre tor Wismer vullmechtich vorqwemen vnnde irschenen noch na tho ghande vnnde ghenoech to donnde der vorberureden remissien, wo behorlick (vnnde behorlick) 2 ) vnnde recht were. Wor sodanne vorberureden honliken vnnde schentlike breue, van Hinrick Krachte an de obgnanten fursten van Mekelenborgh vnnde ok an den raeth tor Wißmer gesanth, wurden van worden to worden gelesen. Der de sulue Hinrick tostünth, vnde dorch sinen sone gescreuen vnde van eme vthgesanth werenn apenbar bekande, vnnde der vorbeandeden remissien noch vorsakede, ok apenbaer sede, hee den raeth tor Wismer vor deme obgnanten Werner vame Sunderhueß vrigreuen nicht vorclagheth noch citerenn hedde laten. Worupp de gnanten sendebaden vnnde ghedeputereden des rades tor Wismer twe citacien dorch den obgnanten Werner vame Sunderhueß vrigreuen vpp vorforderinghe Hinrick Krachtes an den raeth borghere vnnde inwonre tor Wißmer gescreuen vnde gesanth togheden vnnde lesen lethen, vnnde de obgnante here Euerwin stolhere des vorscreuenen vrienstoels to Laer in sineme namen ok des obgnanten Werners siner gnaden vrigreuen sodanne lochinche vorachtinghe honlike bekantnisse vnnde schriuenth Hinrick Krachtes vorbescreuen vorantworde vnnde sede aldus: Hinrick Kracht, du vnredelike man, worumme lochenstu vnnse 3 ) vnnde vnses vrigreuen seghell vnnde breue? westu nicht, dat wij sodane claghe vnde tosprake, alse du jeghen den ersamen raeth tor Wismer vormeendest to hebbennde vnnde vor deme vorbenomden vnse ! frienstole anghehauen, vppe noghafftighe geloueß vnnde gheleides breue mit dineme willen vnnde wulborde an de fursten van Mekelenborgh in fruntschopp offt rechte to richtennde na


1) vorbe n mit Querstrich n mit Querstrich .
2) Durch Unterstreichung getilgt.
3) Abgekürzt.
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vormoghe vnnde inholde der suluen remissien, van vnns vnnde vnsen obgnanten vrigreuen dij twe male vorghelesen, eer see van vnns vorseghelt warth, hebbn remitteret vnnde ghewiseth? vnnde alse du ok apenbaer secht, du hebbest nicht geclagheth auer den raeth tor Wismer vnnde den ok nicht laten citerenn, dar du denne loghenafftighenn vnnde vnredeliken ane hefft ghesproken vnnde dij darvor grote pene vnnde straffinghe woll behorede, wante du jeghen de warheith valßliken vnnde bedrechliken secht. Vurder segghennde, dat siner gnade witlick kundich vnde bekanth were, dat Hinrick Kracht vorbennomet 1 ) deme vorscreuenen Werner siner gnadenn vrigreuen auer de van der Wismer hedde geclagheth vnnde den ! ock citeren lathen. Alse de obgnante here Euerwin in vorbeschreuener wise den vorscreuenen Hinrick Kracht vmme siner loghenne willen hadde gestraffeth vnnde der warheith tuchnisse gegeuen, Hinrick Kracht vrij ledich vnnde loeß, vngheengheth vnde vnghedwengheth, vppe vrien vothen vnde wolberadens modes willichlikenn vnde nicht van anxstes wegen apenbar sede tostont vnnde bekande, dat sodanne afforderinghe vnnde remissie siner sake vnde tosprake ok der suluen remissien vorseghelinghe dorch den obgnanten herenn Euerwin vnnde Werner siner gnaden vrijgreuen mit sinen willen vnde vulborde were bescheen, vnnde darenbauen sodanne loichinghe der remissien vorachtinghe seghell vnnde breue ok vorsakinghe der vorclaghinghe vnnde citacien, auer den raeth tor Wismer gedaen vnnde andere honlike rede vnnde schriuenth an de obgnanten fursten van Mekelenborgh vnnde an den raeth tor Wismer, wo vorbescreuenn is, bescheen, dorch em van vruchten vnnde beschermynghe willen were gesecht vnnde gescreuen, vnnde straffenth derweghenn woll hedde vordeenth. Bekande ok furder de sulue Hinrick Kracht, dat ene de vorscreuen here Johan hertoghe to Sassen mit rechte vmme sines vorscreuenen honliken vnnde schentliken schriuendes vnde segghendes willen hedde ghetoueth vnnde vpgheholden, vnnde em darumme aldar to Swerin vor de obgnanten herenn gesanth, were eme alle mit rechte bescheen, bath vmme gades willen eme sodanne alle vorlaten vnnde vorgheuen mochte werden. Worumme de velegnante here Euerwin eme sodanne vmme de leue gades ok des obgnanten herenn Magnuß vnnde erer beider redere bede willen vorleeth vnnde vorghaff, wall dat deme suluen


1) vorbe n mit Querstrich n mit Querstrich .
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Hinricke grote pene vnnde straffinghe darvor scholde gheeghenth hebbnn vnnde anghelecht worden, dar de vorscreuenn Hinrick Kracht den obgnanten fursten herenn vnnde eren rederenn hoechlikenn vor bedanckede. De sulue Hinrick Kracht hefft ock vor denn herenn vorbennomet 1 ) vnghenodigheth vnnde vnbedwunghenn mit vrijen willen vnnde wolbedachten mode vor sick sijne eruen frunde vnnde alßweme gheistlick edder wertlick gheborenn vnnde vngheborenn ghentzliken vnnde all avergheuen vnnde vorlaten auerghaff vnnde vorleeth alle sake claghe vnnde tosprake, de hee jeghen den raeth borghere inwonre vnnde hotuiltere der vorgnanten stadt Wißmer jenigherwise ghehath mochte hebbnn edder noch hedde, alse hee doch nicht en hedde, so hee apenbaer tostonth vnnde bekande, wo vorberuret werdt, see were groith offt kleyne, hemelick edder apenbare, vnnde lauede in guden truwen vnnde sekereme gelouen in nenen tokomenden tiden vppe den vorscreuenen raeth borghere inwonre vnnde hotuiltere tor Wißmer vmme jenighe sake, wente an dessen dagh tusschen en irresen, to sprekende sakende offt claghende vor neneme gherichte gheistlick offt werlick hemelick offt apenbaer, sunder eer beste weruen vnnde doen vnnde eer argheste affwerenn vnnde kerenn na alle sijneme vormoghe, so hee dath ock lijffliken to gade vnnde den hillighenn reckeliken vnnde redeliken vnghenodigheth vnnde vnbedwunghen mith vpgherichteden vingherenn stauedes eedes hefft gheswaren vnnde gelaueth to ewighenn tiden vnuorbrokeliken to holdennde, vnnde darvpp personlikenn edder numment van siner weghenne in nenen tokomennden tiden vp to manende sakennde vnde sprekennde.

Vppe welke vorbescreuene dinghe alle vnnde eynn islick bisunderenn de obgnanten sendebaden van der Wismer in deme namen vorbescreuenn eisscheden vnnde beden vnns vndergescreuenn notarios en hirvpp eyn edder meer instrumentum vnnde instrumenta vnde so vele der van nodenn wurde to hebbennde gheuen vnnde maken wolden.

Dith is gescheen to Swerin vppe der borch in deme jare indictien daghe maente pontificatu stede vnnde stunde bauen ghescreuen in jeghenwordicheith vnde biwesennde der werdighenn vnnde duchtighen magistri Liborij Meyers, in beiden rechten doctoris vnnde der obgnanten fursten van Mekelenborgh cancellarij, her Bertoldt Oborch ritter Schotte Beuer marsschalk


1) vorbe n mit Querstrich n mit Querstrich .
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des gestichtes to Munster Clawes Lutzow Ciriacus Biswangk Clawes Hoiger borghermester vnnde Titke Schulte rathman to Swerin tughe hijrto gheescheth vnnde sunderlinx ghebedenn.

Et ego Petrus Sadelkow clericus Hauelbergensis diocesis publicus sacris apostolica et imperiali auctoritatibus notarius, quia premissis - - - vnacum connotario meo - - - interfui -- - -.

Et ego Hermannus Krumthungher clericus Monasteriensis diocesis publicus sacris apostolica et imperiali auctoritatibus notarius, quia - - - - ideoque hoc presens publicum instrumentum manu mea propria conscriptum cum eodem subscripsi - - -.

Auf Pergament mit den Zeichen der Notare, die Beglaubigung Sadelkows von dessen Hand.

Auf der Rückseite: Eyn instrumentum des vorhandels to Swerin vor hertoch Magnuß vnnde heren Euerwine bescheen ame vrijdaghe vor Vocem jocunditatis, 1 ) so ok der obgnanten heren vorseghelde breeff des suluen vorhandels haluen is vormeldennde.


XIV.

1490, Mai 14. Schwerin.

Herzog Magnus von Meklenburg und Graf Eberwin von Bentheim beurkunden den Versicht Hinrik Krachts auf jegliche Klage gegen die Stadt Wismar und die dortigen Hutfilter.

Wij Magnuß van godts gnaden hertoghe to Meklenborgh ffurste 2 ) to Wenden greue 3 ) to Swerin Roßtock vnnde Stargharde etc. der lande here vnnde Eeuerwinn 4 ) der suluen gnade greue van Benthem vnde here to Stenforde bekennen vnnde betughen apenbaer vor alßweme in krafft desses breues, dat vor vnns in jeghenwordicheith vnnser nagescreuenen redere ok in biwesende der ersamen ere Johan Hoppenacken borgermester vnde ere Johan Bantzkouwen rathmanne vnde Grotfridi Perseualen secretarij ime namen vnde van weghen des gantzen


1) Die Verhandlung hatte am Freitage vor Cantate statt; es liegt eine Verwechselung mit der folgenden Urkunde vor.
2) Ursprünglich ffursten.
3) Ursprünglich greuen.
4) Eeuerwi n mit Querstrich .
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rades borgher vnde inwonre der stadt Wißmer vulmechtighen sendebaden vnde houethmanne is irschenen Hinrick Kracht, wandaghes borgher vnnde inwonre tor Wismer gewesen, hefft apenbaer, vngheenghet vnde vngedwenghet ok nicht van 1 ) anxstes weghen vppe vrigen voten bekanth vnnde togestaen, dath hee vnnse 2 ) heren Eüerwinß vorgnant vnde vnses vrigreuen Werner vam Sunderhueß vnses frigenstoels to Laer seghell vnde breue vntuchtliken an den ersamen raedt tor Wismer hadde gescreuen, de suluen seghell vnde breue gestraffeth vnde geloichendt, alse sin schriuent claerliken wol vthwisede, welk hee tostunth vnnde bekande sin sane van sineme hethe gescreuen hadde, bath de sulue Hinrick sijck sodane vmme gades willen to vorlatende vnde vorgheuende, szo wij eme des, dar hee wol na gebore grote pene vnde straff vmme gheeghenth hadde, vmme de leue gades ok des vpgnanten heren Magnuß van Mekelenborg etc. vnde vnser beider redere bede willen vorlaten vnde vorgheuen hebben. Ok vorbadt heft de sulue Hinrick Kracht vor vnns in mathen, wo vorscreuen, hekanth, dat de hochgeborenn furste here Johan to Sassen Engheren vnde Westualen en vppe vnse hertich Magnus beclaghinghe to liefmode vnde tome besten den vorscreuen heren Euerwin vnde vrijgreuen des vrienstoels to Laer vmme sines vnthemelikenn vnde schentliken vnde loghenaftighen schriuendes willen vorbeandet mid rechte besatet vnde beherdeth hadde in siner gnaden gerichte to Raceborgh vnde sodane mid rechte eme were bescheen, dar wij here Euerwin vorgnant den vorgnanten heren Magnuße van Mekelenborg etc. vnde heren Johan to Sassen etc. hoechliken vor bedancken. De sulue Hinrick Kracht vorth vor vnns heren vorbenomet heft mid luden klaren stemmen gesecht, oft hee jenighe sake claghe edder tosprake jeghen den raidt borgher vnde inwonre der suluen stadt Wißmer mochte gehadt hebben edder noch hedde, see were groith edder kleyne, heft de sulue Hinrick vor uns heren vorgnannt 3 ) gentzliken vnde alle mid vrigen willen vnde wolbedachten mode vor sijk sine eruen frunde vnde alßweme gheistlick vnde wertlick gheboren vnde vngeboren vorlaten vnde gelaueth 4 ) in guden truwen in sekereme louen nummer vpp den raidt borgher vnde inwonre edder ock de hoetfiltere tor Wißmer vmme jenighe sake, wente an dessen dach irresen,


1) Ueber der Zeile.
2) Abgekürzt.
3) gna n mit Querstrich t.
4) Ursprünglich begonnen vor.
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to sprekende sakende ofte claghende vor neneme gerichte geistlick oft wertlick, so hee dat to gade vnde den hillighen reckeliken vnde redeliken mid vpgerichteden vingheren stauedes eedes heft geswaren vnde gelaueth vnuorbrokeliken to holdende, so eyn apenbaer instrumentum, dorch enen louenwerdighen apenbarenn schriuer vnde notarium Petrum Sadelkow darvp gemaketh, woll wider vnde breider is vormeldende. Hir an vnde ouer sint gewesen van vnses 1 ) hertighe Magnus weghen de werdighen vnnde duchtighen doctor Liborius Meyer cancellarius Claweß Lutzow marschalk Ciliax van Bijßwanck Clawes Hoiger borgermester vnde Titke Schulte rathman to Swerin vnnde van vnses 1 ) heren Euerwins weghene here Bertold van Oborch ritter vnde Schotte de Beueren marschalk des stichts to Munster vnde welke mere andere de tughes vnde louen werdich sinth. In orkunde vnnde grotereme gelouen hebben wij hertich Magnus vnde here Euerwin vorbenomet vmme bede willen vnde esschinghe der obgnanten sendebaden van der Wismer vnde Hinrick Krachtes dessen vnsen breeff gegeuen vnde vnse ingheseghele witliken henghen hethen beneden an dessen breeff, screuen to Swerin ame vridaghe vor Vocem jocunditatis in den jaren vnses heren dusentveerhunderthneghentigh.

Auf Pergament. Der letzte Satz mit anderer Tinte geschrieben. Es hangen zwei Siegel:

1. das des Herzogs Magnus, wie an 1489, November 6, mit rother Platte und zwei Fingereindrücken auf der Kehrseite;

2. rechtsgelehnter Schild, gespalten, vorn mit Pfenningen besetzt, hinten ein Schwan. Helm mit wallender Helmdecke. Helmschmuck: ein männlicher Rumpf mit übergebogener spitzer Mütze. Umschrift: S. everwin graue to bentem her to stenfvrde. Auf der Kehrseite ein Helm mit wachsendem Schwane in einem abgeeckten Rechtecke (Ringsiegel). Neben und unter dem Helme die Buchstaben: g h a Das ganze Siegel in grünem Wachs.

Auf der Rückseite: Eyn breeff vppe de vorlatinghe ede vnde gheloffte Hinrick Krachtes dorch den irluchtighen hochgeboren fursten vnde heren heren Magnus hertoghen to Mekelenborch etc. vnde den edelen vnde wolgeboren heren heren Euerwin heren to Stenforde vorseghellt etc.



1) Abgekürzt.
1) Abgekürzt.
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XV.

1491, September 19. [Arnsberg.]

Der Freigraf Gert Strukelman richtet auf dem Kapitelstage zu Arnsberg in der Klage Hinrik Krachts gegen die Wismarschen.

Ich Gerhart Strukelman, eyn gewerdich richter des heiligen Romschen richs von keyserlicher vnnd konnixlicher macht vnd gewalt, eyn gehuldet frigra u e z u Arnsberch, vorkundigen ! offentlich in dissem brieue allen fursten grauen frien rittern vnnd knechten vnd vnderthanen des richs vnd besundern allen erbern frigrauen vnd echten rechten frienscheffen, de dessen tegenwordigen breiff sehen vnnd horen lesen, dat ich vff hude datum d u sses brie u es stat vnd stoill den frienstoill z u Arnsberch in dem bomgarden gelegen, de konnixliche vnd keyserliche eliche dinckstat vnd stoell myt ordell vnd rechte gespannender banck vp eynem gemeynen gerichtlichen capittelsdage hude aldar gelacht besessen becleiden vnnd beslossen hain, zu richten o u er lieff vnd ere vnder konnix banne nach frienstols rechten als von macht vnd be u ell des erwerdigsten hoichgeborn dorle u chtigesten fursten vnd hern hern Herman ertzbusschoff zu Colle, des heiligen Romschen richs durch Ytalienn ertzcantzlere koirfurst herzoge zu Westualen vnd zu Enger etc., stathelder vnd vorweser der frier heymlicher gerichte etc., myns genedigsten lieuen hern, myt bisitten der strengen vesten frommen vnd ersamen siner furstlichenn genaden reden ritterschaften vnd frigreuen myt namen Philips von Hoerde z u diser zijt sta[t]helder von siner furstlichen genade wegen vnd vort Goddert de Wrede Euert von dem Broke Diederich von Hanxsleide Heydenrich von Enße gnant Snidewint Euert von Ekell Johan von Schorle Adrian von Enße Thonijs Schurman Johan von Tulen Wigant von Hanxsleide Henrich von Berinnckh u ßenn Diderich R u mp Gunterman von Plettenberch vnd von frigreuen Bernt bouen dem Dorpe z u Bal u e Heinrich Smet zu Volckmerßenn Hans von Twerne zu dem Frienhagen Herman Middendorp zu Munster Ludeke von der Mollen zu Soist Euert de Helt zu Vnna Sil u ester Lorinden zur Lantauwe Johan Ysinck zu Assinckhusen Johan Lampe der von Meruelde Werneke von dem Sunderhuiß der Valken Hunolt Linne to Rede Herman Budde zu Osenbrugge Johan Seltzer zu Asschenberge Rotger Hardelop z u Vilgist Tilman

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tor Schuren zu Boickholte J u rgen Denleder tom Hollenor Henne Weuer zum Cansteyn Jurgen Cost zu Dorpmunden Steffen Steynwech zu Corbecke vnnd Jacob myt den Hunden. Dair vor myr frigreuen in gerichte des gemeynen capittels der heymlicher beslossen achte komen vnd irschenen ist de erber Cristianus Berschamp, wlmechtig procurator der ersamen vnnd vorsichtigen borgermestere vnd rait der stat Wismer, tegen Heinrich Craicht hoit u ilter, so als de sul[u]e Henrich sich vor myr sere swairlich richtlichen beclaget hadde, wy de von der Wismer en vngeburlich zu eiden vnd geloften gedrungen hedden, dairvmb he sek myt dissem gerichte vp dissen dach datum dusses brieues wolde witlichen in capittell entslain vnd quiteren laissen, dat ich dan den vurscreuenen von der Wismer vorkundiget hain als recht ist. So hait de vurscreuen Heinrich Craicht hoituiltere tegen de vorscreuenen von der Wismer sine clage vor my frigre u en luden vnd reden laissen. Dair entgegen de vorscreuen Cristianus procurator von wegen der stat von der Wismer breue vnd instrument, dorch den hoichgeboren fursten vnd hern hern Mangnus von Mekelenborch vnd hern Euenvin hern to Steynuerden vnnd greuen von Benthem vißgesant, horen vnd lesen laissen, de dan von macht vnd gewerde myt rechte zugelaissen sien, dairdurch de vorscreuen Heinrich sich sullicher eide vnd gelofte nicht entslain konde.

Dairvp de v u rscreuen Cristianus procurator eyns rechten ordels hait laissen vragen: nadem he de breve vnd instrument, de he hette horen vnnd lesen laissen - off de Heinrich Craicht by dissem gerichte sittendes tijde ! nich wedderlegen konde als recht ist. offt he icht dan vp en d u sse sake erwunnen sulle ha u e[n], off wat dairvmb recht wiere. Dat ordell stalte ek an Euert von Ekell vnd Johan von Tulen borgemester zu Brilon, de myt gemeyner volge dairvff vor recht gewiset hauen: de bre u e, der gnante Cristianus hette horen vnd lesen laissen, moge de vorgescreuen Heinrich myt sinen slechten worden nicht wedderlegen dan alleine myt rechte. Dat ordell wart togelaten myt dissen dren echten frienscheffen Goddert dem Wreden Johan Voigt zu Ahusen vnnd Herman Budden frigreuen z u Osenbrugge besat.

Item, dair entegen de vorscreuen Heinrich Craicht durch sinen erwunnen vorspreken eyns rechten ordels laissen vragen: nadem de sake myt dem frienstole angehauen wiere vnd dairvp de von der Wismer gelouen vnd borgen gedain hedden vnd de sake nicht na frienstoils rechte vorvtert were, off auch

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dan der sel u e Heinrich der sake vorlustich solde werden, offt wat dairvmb recht were. Dat ordell stalte ich an Diderich von Hanxsleide vnd Tilmanne Kukelheym borgermester zu Ruden, de myt gemeyner volge dairvp vor recht gewiset hauen: were dat also, dat de sake myt rechte nicht vorwiset were vnd Heinrich des nit gefulbordet hedde, des mocht he geneten. Dat ordell wart zugelaissen vnd besat myt dussen dren echten rechten frienscheffen Euert von dem Broke Heinrich von Berinckhusen vnd Herman Middendorp frigreue zu Munster.

Item, dairvff ließ Cristianus procurator vorgescreuen eyns rechten ordels vragen: nadem de instrumente segell vnnd bre u e, von den fursten vnd hern tegen den vurscreuen Heinrich gege u en vnd hir gelesen, (weren) von macht vnnd gewerde erkant weren, off dan de sulue Henrich der stat van der Wismer ir kost vnd schaden auch schuldich were zu richten, off wat dairvmb recht were. Dat ordell stalte ich an Wigande von Hanxsleide vnd Gert Krosener zu Geseke, de myt gemeyner volge dairvp vor recht gewiset hauen, dat de vorgnante Heinrich der stat von der Wismer cost vnd schaden schuldich were zu richten. Dat ordell wart zugelaissen vnd besat myt dissen dren echten rechten schiltburdigen frienscheffen Gunterman von Plettenberch vnnd Heidenrich von Enße gnant Snidewint vnd Thonnijs Schurmann.

Alle d u sse vorgescreuen ordele vnnd processe sint togelaten besat beorkundet vnd nicht wedderachtet, dair ich myne orkunde vp entfangen hain, vnd ich frigreue vorscreuen hain des z u ork u nde der warheyt myn segell von gerichtzwegen an d u ssen brieff gehangen vnnd hain vort zu merem getuchnisse gebeden den vorscreuen Philips von Hoerde lantdrostenn Herman Middendorp frigreuen zu Munster vnd Ludeken von der Mollen frigreuen zu Soist, dat se er segell by dat myne an d u ssen brieff gehangen hauen, des wir Philips Herman vnnd Ludecke also bekennen. Gegeuen m den jaren unsers hern dusentvierhunderteynvndnegentich des nesten mandages nach sint Lambe[r]tz dage.

Von 4 Siegeln ist das dritte verloren.

1. Stehender Mann barhaupt mit Strauch in der Rechten, mit der Linken einen Schild haltend. Der links gekehrte Schild ist umgekehrt gabelförmig getheilt und jeder Platz mit einer Raute belegt. Umschrift: Si gerh . . . strukelma vrigre.

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2. viergetheilter Schild. Im ersten und vierten Felde ein Löwe (?), im zweiten und dritten eine fünfblätterige Blume. Umschrift: Sigillum . . . h[oer]de.

4. auf dem Helme ein Flug, sonst unkenntlich.

Auf der Rückseite: In causa Krachtes, alse id vor deme capittel schach to Arnsberghe.

XVI.

Kostenrechnung.

Item. Dit is dat gennen, dat ick hebbe vthgegeüen vor den richteschin vnde vor de boselinge vnde dem vorspraken der sake haluen Hinr. Krachtes vnde der van der Wismer.

Item. Vor denn richteschin tho schriuende gegeüen v r. gulden.

Item. Deme richter to üorsegelden gegeüen ij r. gulden vnde j postlatz gulden.

Item. j r. gülden vor des lantdrosten segell.

Item. ij. r. gulden den andern frigreuen gegeüen to uorsegelde.

Item. Deme vorspraken, den ick myt my to Arnsberge hadde, gegeuen iij r. gülden vor sin arbeyt.

Item. j r. gülden, den de vorsprake uppe deme weghe vorterde vth vnde tho huisß.

Item. v r. gulden in gerichte gegeuen tho kostgelde, dar men noch xx to aff schuldich is, de her Hinr. Hasert hefft vorlecht.

Item. j r. gulden vthgegeuen dem baden, de de xx gulden brochte auer tho Arnsberge.

Item. j postlatz gulden vthgelecht to wine deme lantdrosten vnde her Gossen Ketteler ritter.

Item. Dit is bouen alle teringhe vnde kost vthgelecht.

Summa xxj gulden.

Auf einem Papierblatte der Urkunde von 1491, September 19, beiliegend.


Druckfehler.

Seite 45, Z. 3 tilge das, hinter richtene.

" 45, Z. 2 v. u. lies dat statt das.

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III.

Ein Protokoll des Schweriner Niedergerichts.

Von

Dr. Friedrich Stuhr.

~~~~~~~

D as Schweriner Niedergericht (Stapel), das seine Sitzungen im Rathhause abhielt, hat bei dem Stadtbrande von 1651, ebenso wie der Magistrat, seine im sogen. langen Gewölbe des Rathhauses aufbewahrten Acten eingebüßt. Außer wenigen rauchgeschwärzten Fragmenten, die nach Fromm 1 ) damals geborgen wurden, ist uns von den Niedergerichtsacten vor 1651 nur das kurz vor dem Brande abgeschlossene Protokollbuch durch einen glücklichen Zufall erhalten. 2 ) Wahrscheinlich war es zur Zeit des Brandes von dem Stadtvogt oder einem Beisitzer des Gerichts zur Benutzung in seine Wohnung genommen. Welche Schicksale das Buch dann weiter durchgemacht hat, darüber lassen sich Vermuthungen, die auch nur etwas Wahrscheinlichkeit für sich haben, nicht aufstellen. Das Protokollbuch ist neuerdings in der hiesigen Regierungsbibliothek vorgefunden und von dort 1892 an das Geheime und Haupt=Archiv abgegeben, während ein Theil (S. 47 - 70) von den in dem eigentlichen Buche fehlenden ersten 90 Seiten schon vorher im Archiv bei den Jurisdictionsacten der Stadt Schwerin gelegen hat, ohne jedoch bisher als Bruchstück des Protokollbuches erkannt zu sein. Jetzt sind beide Theile im Archiv wieder vereinigt. Da die Eintragungen in dieses Protokollbuch manchen für das damalige Wirthschaftsleben interessanten Zug enthalten, so ist eine kurze Besprechung 3 ) wohl gerechtfertigt.


1) Fromm, Chronik von Schwerin, Schwerin 1862, S. 227.
2) An Acten des Schweriner Magistrates sind aus der Zeit vor dem Stadtbrande von 1651 erhalten: 1. ein Urteilsbuch in Folio mit Eintragungen aus den Jahren 1539 - 1594, jetzt in der Universitäts=Bibliothek zu Rostock. 2. ein Stadtbuch in Folio, angelegt am 1. December 1424, mit Eintragungen über Häuser= und Grundstücksverlassungen bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts, im Besitze der Stadt Schwerin, s. Böhlau, Beiträge zum Schweriner Stadtrecht, in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Bd. IX, S. 276 u. n.
3) Für die folgenden Ausführungen sind auch benutzt die Acten über die Stadt Schwerin im Geh. und Haupt=Archiv.
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Das Protokollbuch, ein Folio=Band von 4 cm Dicke, ist geheftet in eine Pergamenthandschrift mit Aufzeichnungen aus dem Evangelium Matthäi von Cap. 7, Mitte des 10. Verses, bis Cap 8, Mitte des 15. Verses. Auf den vom Evangelientext freigelassenen Stellen des Pergamentes finden sich die Worte: "Protocollum judiciale den 10. Mai 1648 gehalten per me Johannem Germann p. t. Actuarrum, vnnd ist geschehen bey Zeiten des Herrn Stadtrichterß Samuelis Meußling vnd der Aßeßoren Herrn Theodori Fuxii vnd Nicolai Hoppen."

Die damalige Besetzung des Gerichts ist aus dieser Notiz ersichtlich. Der Stadtvogt Moißling war herzoglicher Beamter und führte in dem Gerichte den Vorsitz. Die anderen Beiden waren vom Magistrat aus der Zahl der Rathsherren ausgewählt und dem Vogt als Gerichtsassessoren beigegeben. Der jüngere von ihnen vereinigte in seiner Person stadtverfassungsmäßig zugleich das Amt eines Stadthauptmanns. 1 ) Als solcher läßt sich Nicolaus Hoppe 1654 aus Acten nachweisen; wahrscheinlich hat er das Amt schon 1648 zu Beginn des Protokollbuches inne gehabt. Außer diesen werden noch die Rathsherren und Stadtkämmerer Heinrich Scheffuß und Peter Malchow, zumal bei Häuserbesichtigungen und Taxierungen, im Protokollbuch genannt.

Einen eigenen Actuar hatte das Gericht in den vergangenen unruhigen Kriegszeiten nicht mehr gehabt. Zu diesem Amt hatte sich Niemand gefunden, weil das feste Gehalt nur 10 fl. jährlich betrug und die Accidentien gleichfalls äußerst gering waren; aushülfsweise hatte der Stadtsecretair Christoph Schlotthuber die Protokolle besorgt. Am 14. Januar 1648 suchte das Gericht beim Herzog um Anstellung eines besondern Gerichtsactuars und um Erhöhung seiner Besoldung aus den einkommenden Brüchen nach, da der Stadtsecretair mit den Raths=Kämmerei= und gemeinen Sachen genug zu thun habe, und die Parteien sich beschwerten, daß dieselbe Person beim Rath und Niedergericht protokollire. Auf dieses Gesuch hin wurden am 20. Januar desselben Jahres 10 fl. aus den Gerichtsbrüchen als Zulage zum Gehalt bewilligt, und dann wurde Johann Germann als Actuar bestellt, der das obige Protokollbuch anlegte. Doch schon am 24. Juli 1648 bat Germann um die vakante Schelfvogtsstelle, weil Besoldung und Sporteln bei der Actuarstelle zu schlecht wären, als daß sich ein redlicher Mann davon ernähren könnte. Diese Bitte wurde ihm nicht gewährt, doch wurde sein Salair als Gerichtsactuar 1650 auf 30 Thlr.


1) Fromm, S. 41.
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erhöht. Nach einem Vermerk im Protokollbuch verwaltete Germann das Amt eines Gerichtsactuars bis zum 31. Juli 1650, an welchem Tage er zum Stadtsecretair befördert wurde. Sein Nachfolger beim Gericht wurde David Stein.

Als Gerichtsdiener fungirte 1648 und 1649 nachweisbar Daniel Reddelin.

Mit den Eintragungen in das Protokollbuch hat Germann wahrscheinlich gleich nach Anlegung des Buches, also im Mai 1648, begonnen; doch sind die Protokolle auf den ersten 90 Seiten herausgerissen und größtentheils verloren gegangen. Auf den im Archive neuerdings gefundenen Blättern (S. 47 - 70) stehen nächst einer Zeugenvernehmung, deren Datirung fehlt, die Protokolle vom 29. Juni bis 18. Juli 1648. Auf S. 91 setzt das Buch mit dem Protokoll vom 4. September 1648 und dem Schluß des unmittelbar voraufgehenden wieder ein. Die Paginirung ist unter Ueberschlagung einer Seite bis 410 fortgeführt, und folgen dann noch 49 nicht numerirte Seiten. Das Protokollbuch umfaßte also ursprünglich 460, jetzt noch 394 Seiten.

Die Protokolle vertheilen sich, abgesehen von der Lücke zwischen Juli und September 1648, ziemlich gleichmäßig auf die Zeit vom 29. Juni 1848 zum 14. März 1651. Sie enthalten zunächst oben links herausgerückt eine Angabe der Parteien, dann im Text eine kurze Darstellung der Sachlage, häufig unter Anführung der Zeugenaussagen und zum Schluß den Bescheid des Gerichts oder einen Vermerk über den durch das Gericht herbeigeführten Vergleich.

Das Niedergericht zog die Bürger vor sein Forum in allen straf= und civilrechtlichen Fällen unter Zulässigkeit der Appellation an den Rath und übte die Markt=, Bau= und Straßenpolizei aus. Die im Protokollbuch angeführten Gerichtsfälle bieten nicht viel Interessantes, dagegen lohnt es sich sehr, die Ausübung der Polizeibefugnisse des Niedergerichts zu betrachten.

Eine Revision des Brodes nach Gewicht und Beschaffenheit hat, wie sich aus den regelmäßigen Eintragungen des Jahres 1649 in das Protokollbuch schließen läßt, bei den Bäckern monatlich einmal stattgefunden. Zugegen waren in den meisten Fällen der Stadtvogt Samuel Moißling und einer der Gerichtsassessoren, nur in einem Fall wird Nicolaus Hoppe allein aufgeführt. Der Befund wurde im Protokollbuch notirt, und bei mangelhaftem Gewicht oder bei Unsauberkeit des Brodes wurden Bemerkungen über verhängte Strafen hinzugefügt. In vielen Fällen ist auch der Einkaufspreis des Scheffels Roggen und Weizen dabei angegeben. Die umstehende Tabelle giebt davon eine Uebersicht:

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Tabelle mit Eintragungen des Jahres 1649

Man beobachtet, daß der Preis des Scheffels Roggen in 2 Jahren, von 1648 - 1650, allmählich um über das Doppelte steigt, nämlich von 23 auf 54 ßl. Die Ernte von 1648 muß recht schlecht gewesen sein, denn sie hat das Steigen des Preises von 23 ßl. im Juli auf 30 ßl. im October nicht zu verhindern vermocht. Ein vorübergehendes Fallen des Preises ist zwar nach der Ernte von 1619 zu konstatiren; denn während der Scheffel Roggen im Juni dieses Jahres 44 ßl. kostete, ist der Preis im August auf 40 ßl. zurückgegangen. Doch wird auch die Ernte von 1649 ungünstig ausgefallen sein, da der Scheffel Roggen im October schon wieder 44 ßl., im Frühjahr des nächsten Jahres sogar 56 ßl. kostete. Leider sind die Aufzeichnungen aus dem Jahr 1650 sehr unvollständig. Man kann aus den wenigen Notizen nur feststellen, daß der Preis, wahrscheinlich wieder in Folge der Ernte, im Herbst von 56 ßl. auf 54 ßl. heruntergegangen ist.

Vom Weizen weiß man noch weniger als vom Roggen, doch ist auch bei jenem das Steigen des Preises in der kurzen Zeit vom October 1649 bis zum September 1650 von 54 auf 70 ßl. auffallend und nur damit zu erklären, daß schlechte Ernten damals noch nicht durch umfangreiche Einfuhr von außen ausgeglichen werden konnten.

Ganz anders stellten sich die Kornpreise wenige Jahre später. Nach der reichen Ernte des Jahres 1653 konnte man den Scheffel Roggen und Weizen schon für 12 ßl. 1 ) einkaufen, und im Februar 1655 betrug nach einem im Archiv erhaltenen Gesuch des Schweriner Bäckeramtes um Herabsetzung des ordnungsmäßig zu liefernden Brodgewichtes der Preis des Scheffels Roggen 16 ßl., des Scheffels Weizen 32 ßl.


1) Fromm, S. 230.
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Es wird nicht uninteressant sein, an dieser Stelle einzuschalten, welches Brodgewicht die Bäcker nach der bis 1655 gültigen Bäckerordnung je nach dem Preise des Korns zu liefern hatten. Im Folgenden sind aus den im Archiv vorliegenden Tabellen die Angaben zusammengestellt, die den Kornpreisen des Protokollbuches entsprechen:

Tabelle entsprechend Protokollbuch zusammengestellt

Es müssen die Kornpreise des Jahres 1650 in Schwerin ganz abnorm hoch gewesen sein, da sie in der Bäckerordnung ursprünglich sowohl für Weizen als für Roggen nicht vorgesehen waren. Die Roggentabellen reichen nur bis zum Preise von 48 ßl. für den Scheffel hinauf und sind auch nicht erweitert; die ursprünglich die Preise bis 50 ßl. umfassende Weizentabelle hat jedoch auf der Rückseite einen Nachtrag von 51 - 60 ßl.

Ebenso wie die Bäcker wurden auch die Schlachter beständig controllirt. Nach einer Eintragung ins Protocollbuch vom 10. April 1649 hatte der Herzog am verwichenen Sonnabend mit ganz ungnädigem Mißfallen vermerkt, daß das Amt der Schlachter kein Rindfleisch in die Schranken geschafft, sondern dieselben habe leer stehen lassen, was dem Amte eine Gerichtsstrafe von 10 Thlr. eintrug. Am 4. Juni desselben Jahres wurde der Verkaufspreis des Pfundes Hammelfleisch auf 2 ßl. festgesetzt. Die Verordnung wurde jedoch nicht befolgt, vielmehr wie vorher 2 1/2 ßl. für das Pfund gefordert. Darauf wurde das Amt am 18. Juni 1649 von Neuem mit einer Geldstrafe belegt und zugleich der Preis des Pfundes Kuhfleisch auf 3 Sechslinge festgesetzt. So wird sich der Preis bis Ende des Sommers 1650 gehalten haben. Im Herbste 1650 machte das Gericht bekannt, es würde das Fleisch in den benachbarten Städten nach glaubwürdiger Kundschaft weit wohlfeiler verkauft als in Schwerin; er ordnete am 23. October an, das Pfund Rind= und Hammelfleisch sei fernerhin für 21 Pf. (1 ßl. 9 Pf.) zu verkaufen. Doch war der Preis des

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Rind= und Hammelfleisches im März 1651 bereits wieder auf 2 ßl. 3 Pf. gestiegen.

Die Bierbrauer und Zäpfer wurden im Mai und Juni 1649 angewiesen, einerseits stets gutes Bier zu brauen, andererseits sich beim Ausschank der Maße zu bedienen, die das Gericht hierfür angeordnet habe.

Die Amts= und Freihöcker sollen sich nach einer Bestimmung vom 23. September 1648 mit dem Preise ihrer Waaren nach den Lübeckern richten.

Wie das Gericht nach Obigem streng darauf hielt daß die Zünfte den Einwohnern die Lebensmittel nicht vertheuerten, so suchte es auch jeglichen Vorkauf der in die Stadt eingeführten Waaren zu verhindern. 1650 ergingen zwei Verordnungen an die Bewohner der Neustadt (Schelfe), die über den See eingeführten Waaren, wie Korn und Hühner, nicht aufzukaufen, weil durch solches Beginnen Theuerungen in der Stadt hervorgerufen würden.

Schließlich sei aus dem Protokollbuch noch ein alter Gebrauch der Bürger bei Besichtigung der Feuerstätten erwähnt. Am 17. September 1649 wurden die Bürger zu diesem Zweck vom Gericht zusammengerufen und sind danach zunächst die Ungehorsamen,. so nicht erschienen, auf je 1 fl. 8 ßl. gepfändet worden, fürs Ander ist ein alter Gebrauch und Gewohnheit, daß die jüngsten Bürger, so sich mit den ältesten Bürgern bei dieser Zusammenkunft ergötzen wollen, zuvor ihre Schuldigkeit ablegen und sich mit etwa 1 fl. an Gelde oder auch nach Gelegenheit mit einem guten Schinken zum Frühstück freundlichst bezeigen müssen.

Worauf dann für diesmal Jochim Löwe, Christian Rohne, Peter Schulze und Simon Gudeknecht zur Konfirmation ihrer Gewohnheit sich mit der Bürgerei als die jüngsten Bürger freundlichst abgefunden haben mit Bitte, weil auch vermuthlich noch ältere und jüngere Bürger seien, die ihre Schuldigkeit noch nicht abgelegt haben, daß selbige künftig mal nicht vergessen, sondern gleicher Gestalt nebst ihnen gebührlich angesehen werden mögen.

Das Niedergericht benutzte nach dem Rathhausbrande von 1651 zunächst eine Miethswohnung als Gerichtsstube. Als das diese Wohnung enthaltende Haus 1652 zum Verkauf kam, wurde dem Niedergericht auf Bitten des Stadtvogts Samuel Moißling die am Kirchhof belegene Rathsbude zur Gerichtsstube eingeräumt und zugleich dem Magistrat durch ein herzogliches Mandat vom 30. October 1652 befohlen, für schleunige Reparirung der Gerichtsstube im Rathhaus Sorge zu tragen.

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IV.

Eine Hugenotten=Kolonie in Meklenburg.

Von

Wilhelm Stieda.

~~~~~~~~~~~
1.

Die Unduldsamkeit der katholischen Kirche gegen Andersgläubige veranlaßte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts verschiedene Länder zur Aufnahme einer erheblichen Anzahl von Fremdlingen, eine That, die zunächst durch Humanität dictiert, ihnen doch sämmtlich zum Vortheil gereichen sollte. Nicht weniger als 200 hugenottische Gemeinden sind auf diese Weise nach und nach auf deutschem Boden erwachsen und wenn sie sich auch keineswegs alle bis auf den heutigen Tag erhalten haben, so ist doch unverkennbar wohl überall der Einfluß, den sie in wirthschaftlicher und sozialer Beziehung ausgeübt haben, ein wohlthätiger und einschneidender gewesen. Die Fremden brachten die Kenntniß einer Reihe unbekannter oder wenig gekannter Gewerbszweige nach Deutschland und trugen sowohl durch deren geschickte Ausübung zur Vervollkommnung und Ausbreitung der Industrie, als auch durch die Lebensgewohnheiten, denen sie huldigten, an vielen Orten zur Verfeinerung der Sitten bei.

Alle diese Einwanderer, die übrigens in Holland, in England, in Dänemark, in der Schweiz ebenfalls freundlich aufgenommen wurden, sahen sich in der Hauptsache durch drei Ereignisse veranlaßt, ihr Vaterland aufzugeben. Aus den spanischen Niederlanden wurden die Reformierten durch die Verfolgungen unter Karl V., Philipp II. und dem Herzog von Alba vertrieben und in Frankreich war einerseits die Pariser Bluthochzeit unter Karl IX. und Katharina von Medicis im Jahre 1573, sowie andererseits die Aufhebung des Edicts von Nantes unter Ludwig XIV. im Jahre 1685 der Grund, daß so viele Protestanten, wenn auch mit blutendem Herzen sich von ihrer Heimath losrissen, um in der Ferne die Toleranz zu suchen,

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die ihnen zu Hause versagt blieb. Je nachdem von wo sie kamen, unterscheidet man bei ihnen Wallonen, Waldenser und Hugenotten oder Réfugiés.

Die ersteren sind Niederländer; ein erheblicher Theil von ihnen stammt aus der ehemaligen Provinz Flandern, aus den Städten Lille, Valenciennes, Antwerpen, Gent. Sie fanden in Norddeutschland, in Hamburg, in Bremen, in Stade, aber auch im Süden, in der Rheinpfalz und in der Kurpfalz, in Annweiler, Otterberg, Frankenthal, St. Lambrecht=Grevenhausen, Billigheim, Mannheim, Heidelberg Unterkunft.

Die Waldenser kamen aus Piemont, aus den schönen breiten, von himmelragenden Bergen umgebenen Thälern, die sich am südlichen Abhange der gewaltigen Alpenkette, etwa 15 Stunden westlich von Turin befinden, besonders aus St. Martin, Perusa und Lucerna. 1 ) Nicht Wenige aber flüchteten auch aus dem im Jahre 1685 noch zu Frankreich gehörenden Alpenthale Pragela am Oberlaufe des reißenden Gebirgsbaches Clusone, der sich in den Po ergießt. Sie haben in Deutschland etwa 60 Kolonien gegründet, die theils unmittelbar vor und nach der Aufhebung des Edicts von Nantes gebildet, theils im Laufe der Jahre 1698 - 1699 errichtet wurden. Ihnen schlossen sich Franzosen aus der Dauphiné und der Provence an. Sie haben zum Theil in Württemberg, zum Theil in Hessen=Homburg, am Fuße des Taunus, in Friedrichsdorf und Dornholzhausen, in der Nähe von Frankfurt a. M., in Walldorf und in Hessen=Darmstadt, Rohrbach, Wembach und Hahn Unterkunft gefunden. 2 ) Unter den Hugenotten oder Réfugiés endlich versteht man die nach der Bluthochzeit und der Aufhebung des Edicts von Nantes aus Frankreich in größeren Schaaren fortziehenden Reformierten.

In Deutschland beginnt der Zuzug der Fremdlinge bereits im Reformationszeitalter. 3 ) Zur Zeit Luthers und Calvins findet man nicht nur einzelne protestantische Franzosen in deutschen Städten ansässig, sondern man stößt bereits auf ganze Gemeinden - die Flüchtlingskirchen (églises du refuge), wie Tollin sie nennt. Die


1) Vergl. Fr. v. Bezold, Geschichte der deutschen Reformation, 1890, S. 104 ff.; G. E. Seitz, Geschichte der von Antwerpen nach Frankfurt a. M. verpflanzten niederländischen Gemeinde, fortgesetzt und herausgegeben von Dechent 1885, J. A. v. Recklingshausen, Reformationsgeschichte der Länder Jülich, Berg, Kleve etc. . 1818; Geschichtsblätter des deutschen Hugenotten=Vereins 1890 - 95.
2) Geschichtsblätter, 1. Zehnt, Heft 3, S. 3; 3. Zehnt, Heft 5, 6, 9; 4. Zehnt, Heft 1, 2, 9.
3) Henri Tollin, Geschichte der französischen Kolonie von Magdeburg, 1886 - 1894, 1. Bd., S. 229.
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nachweislich ältesten scheinen die in Straßburg und Mömpelgard seit 1538, in Wesel seit 1544 zu sein. 1 ) Im Jahre 1554 wurde die wallonische Gemeinde in Emden 2 ) und doch wohl gleichzeitig auch in Frankfurt a. M. gestiftet und auch in Bremen, das bereits im 16. Jahrhundert als "Herberge der Kirche" bezeichnet wird, haben damals flüchtige Niederländer Zuflucht gefunden 3 ) Zu einer förmlichen Fremdengemeinde kam es erst im Jahre 1680. Durch besonders menschenfreundliches Entgegenkommen zeichnete sich die Kurpfalz aus, in der Friedrich III. der Fromme regierte. Auf seine Veranlassung entstanden um 1561 - 1563 die Fremdencolonien Frankenthal, Mannheim, Schönau, Heidelberg und St. Lambrecht 4 ) Verheirathet mit der Wittwe des niederländichen Grafen Greverode nahm er sich der Landsleute seiner Gemahlin nach Kräften an. Als er aber 1576 starb und sein Sohn Ludwig VI. zur Regierung kam, der mit seiner Gemahlin eine strenge lutherische Richtung vertrat, so daß die Reformierten stellenweise in Bedrängniß geriethen, eröffnete einem Theile derselben der Pfalzgraf Johann Casimir in der Rheinpfalz sein Gebiet. So entstand die wallonische Kolonie zu Otterberg im Jahre 1578. 5 ) Auch noch im 16. Jahrhundert erwuchs - 1588 - die wallonische Gemeinde in, Stade. 6 )

In der Mitte des 16. Jahrhunderts - um 1553 - war es auch, daß sich die aus Gent nach England und Dänemark geflüchteten Wallonen, als in jenen Ländern die Bedingungen zum dauernden Aufenthalt nicht gegeben schienen, nach Rostock und Wismar wandten, um die dortigen Behörden für ihre Niederlassung geneigt zu machen. Etwas später versuchten vertriebene Reformierte, die aus Frankreich und Belgien in Deutschland eingewandert waren, sich in Rostock niederzulassen. 7 ) Näheres über diese Ereignisse hat sich indeß leider nicht ermitteln lassen, da die von ihnen handelnden Acten, die seinerzeit noch Professor Krabbe vorgelegen hatten, ohne daß er Eingehendes aus ihnen mittheilte, sich neuerdings im Rostocker Rathsarchiv nicht mehr finden ließen.

In Frankreich änderte sich unterdessen die Sachlage insoweit, als in dem Edict von Nantes Heinrich IV. seinen ehemaligen Glaubens=


1) Schickler, Les églises du refuge, 1882.
2) Geschichtsblätter, 1. Zehnt. Heft 2, S. 4.
3) Geschichtsblätter, 1. Zehnt, Heft 8, S. 5.
4) Geschichtsblätter, 2. Zehnt, Heft 2, S. 7.
5) Geschichtsblätter, 1. Zehnt, Heft 7, S. 8.
6) Richard Ehrenberg, Altona unter Schauenburgischer Herrschaft Heft 6: Piper, Die Reformierten Altonas S. 2.
7) Krabbe, Aus dem kirchlichen und wissenschaftlichen Leben Rostocks, 1863, S. 395, Anmerkung.
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genossen Religions= und Kultusfreiheit zugestand. Aber wenn sich die Verhältnisse für die Protestanten überhaupt besserten - von langer Dauer war dieser Wechsel der Gesinnung nicht und ganz befriedigend wurde die Lage nie. Wohl hatte das Edict den Grundsatz der Toleranz verkündet, verboten, die Reformierten an ihrem Gewissen zu schädigen, ihnen ihre Kinder zu nehmen, ihre Gottesdienste zu stören, sie aus Beamtenstellen auszuschließen u. s. w. Und nach vier Bürgerkriegen von mehr als 30 Jahren freute man sich der gesetzlichen Ruhe, auf die man nunmehr rechnen zu können glaubte. Aber bald kam die Unehrlichkeit des Erlasses zum Vorschein und schon von der Schaukelpolitik Heinrichs IV. zog die katholische Geistlichkeit größeren Vortheil als die reformierten Synoden. Maria von Medicis ging bereits soweit, das Edict aufzuheben, und wenn auch nach zweijährigem blutigem Kampfe, in dem nur Rohan-s Geschicklichkeit zu danken war, daß die Hugenotten nicht völlig besiegt wurden, Ludwig XIII. das Edict auf-s Neue bestätigte, so hörte doch der Protestantismus auf, eine politische Macht zu sein und büßte seine propagandistische Kraft ein.

Ludwig XIV., von Anfang seiner Selbstregierung an den Protestanten gram, wünschte seine katholische Gesinnung um so mehr zu bethätigen, als er dem Papste entgegentreten mußte, und bekräftigte zunächst alle Edicte und Reglements, Decrete und Declarationen, die seine Vorgänger behufs Einschränkung des Edicts von Nantes erlassen hatten. Daneben suchte er durch Milde zu wirken und durch Bekehrungen die Zahl der Reformierten zu mindern. Den Uebertretenden wurden Gnadenbeweise und Belohnungen zu Theil und für gemeinere Naturen wurden die Seelenkaufskassen gegründet, die aus Hugenottenseelen Schnell=Katholiken schufen. Die Erfolge, die der junge König überraschender Weise mit diesen Schritten erzielte, bestärkten ihn in dem Gedanken, daß der Grundsatz, dem er huldigen wollte - Einheit des christlichen Glaubens - der richtige sei, und so schritt er am 1. Februar 1669 zu jener Declaration, die das Wesen des Protestantismus vernichtete. Die reformierten Geistlichen beispielsweise wurden angehalten, sobald das heilige Sacrament oder Crucifix auf der Straße an ihnen vorübergetragen wurde, ihre Reverenz zu machen, "damit Protestanten und Katholiken in guter Freundschaft, Einigkeit und Eintracht leben." Nunmehr betrieb man die Maßregeln zur Herstellung des Katholicismus energischer. Man erklärte jeden Protestanten von seinem siebenten Lebensjahre an für gesetzlich befähigt, mit einem Eide zur katholischen Religion überzutreten, und es genügte, daß ein Kind, durch Geschenke und Liebkosungen verlockt, an Stirn und Brust das Zeichen des Kreuzes machte, um es den Eltern weg=

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zunehmen und in ein Kloster zu thun. Heirathen zwischen Katholiken und Protestanten wurden für nichtig, aus solchen Verbindungen hervorgegangene Kinder für erblos erklärt. Uebertritt zum Protestantismus wurde mit dem Tode bestraft. Keine reformierte Frau durfte den Beruf einer Wehemutter ausüben. Stellen von Notaren, Sachwaltern, Gerichtsdienern und Sergeanten durften keinem Hugenotten übertragen werden. Sogar von den Vertrauensstellungen eines Apothekers und Gewürzhändlers, eines Buchdruckers und Buchhändlers, eines Advokaten und Arztes blieben die Protestanten ausgeschlossen. Als alle diese Anordnungen keine gehörigen Erfolge erzielten, erfand man die gestiefelten Missionen oder Dragonnaden, deren Gewaltthaten zwar nicht das königliche Ohr erreicht zu haben scheinen, die aber doch in-s Ausland drangen, so daß der Kurfürst von Brandenburg durch seinen Gesandten in Paris dem allerchristlichsten König Vorstellungen machen ließ. 1 )

Bei solcher Sachlage kann es nicht in Verwunderung setzen, daß während des 17. Jahrhunderts der Zuzug nach Deutschland fortdauerte. Zu Anfang desselben ließ der Graf von Schauenburg in Altona die Errichtung einer reformierten Gemeinde zu. 2 ) Dann ließ der Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz, der neben dem Dorfe Mannheim eine feste Stadt errrichten wollte, am 24. Januar 1607 eine Einladung in hochdeutscher, niederländischer und französischer Sprache ausgehen, sich in der neuen Gründung niederzulassen und sein Ruf fand ein weites Echo. Schon in wenigen Jahren war der Ort mit etlichen hundert Hausgesessenen bewohnt. 3 ) Später constituierten sich reformierte Gemeinden in Cassel 1616, zu Bischweiler in Zweibrücken 1618, zu Bremen 1623, zu Mühlhausen im Elsaß 1661. 4 ) Als im Jahre 1644 die Stadt Mannheim erst von Franzosen, später von Bayern, so niedergeworfen wurde, "daß außer den Wällen, dem Rathhause und etlichen Mauern und Kellern" nichts übrig blieb, verschwanden die Fremdlinge. Erst das Entgegenkommen des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, der im Jahre 1652 einen kurzen Bericht "von der Stadt Mannheim Gelegenheit und Situation" herausgeben ließ, bewirkte, daß die wallonischen, fränkischen und französischen Flüchtlinge in die ihnen lieb gewordenen Trümmer zurückkehrten und sich neue ihnen anschlossen. 5 ) Ungefähr zehn Jahre später scheint die Fremdenkolonie in Billigheim und Umgebung


1) Vergl. zu dem Vorstehenden Tollin, a. a. O., 1. Bd., S. 1 - 27.
2) Rich. Ehrenberg, a. a. O., Heft 6.
3) Geschichtsblätter, 4. Zehnt, Heft 3 und 4, S. 4.
4) Tollin, a. a. O., 1. Bd., S. 242.
5) Geschichtsblätter, 4. Zehnt, Heft 3 und 4, S. 6.
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(Rheinpfalz) ihren Anfang genommen zu haben. 1 ) Die gleichen Vergünstigungen, die Karl Ludwig für die Niederlassung in Mannheim gewährt hatte, gestand sein Nachfolger, der Kurfürst Karl, in den Jahren 1680, 1682 und 1683 zu, und unter den Einwanderern, die so angezogen wurden, fanden sich Hugenotten aus Paris, der Champagne, Burgund, Poitou, Picardie, Gascogne, Metz, Sedan und der französischen Schweiz 2 ) Im Jahre 1670 erfolgte auch die erste hugenottische Privatgründung in Brandenburg. Es ist die vom Grafen von Schwerin begründete Kolonie Alt=Landsberg, in der sich sieben bis acht Hugenottenfamilien ansässig machten. Kaum zwei Jahre darauf - am 10. Juni 1672 -rief der Kurfürst Friedrich Wilhelm die erste Staatskolonie, die französische Gemeinde, etwa 100 Personen umfassend, in Berlin in-s Leben. 3 ) Ebenso duldete Georg Wilhelm von Braunschweig=Lüneburg=Celle in Lüneburg die Hugenotten und beschenkte sie außerdem - am 6. August 1684 - mit industriellen Freiheiten und Steuerprivilegien. Eine förmliche Einladung aber an die französischen Protestanten erließ der Landgraf Karl I. von Hessen=Kassel, in der er ihnen die günstigsten Landstriche bezeichnete, zehn Freijahre mit Verlängerung für die Manufacturisten gewährte, Baustellen schenkte, Zunftrechte zusicherte, herrschaftliche Privilegien versprach, dazu französische Tempel, Pastoren und Schulmeister. 4 )

Regte sich mithin, lange bevor die Aufhebung des Edicts von Nantes in Aussicht stand, allerorten das Mitgefühl für die um ihren Glauben leidenden Märtyrer, so ist es erfreulich, daß man in Meklenburg nicht weniger bereitwillig war, sie freundlich aufzunehmen. Am 24. Juli 1683 wandte sich die Stadt Bützow an den Herzog Christian Louis I von Meklenburg mit der Bitte, "die aus Frankreich vertriebenen Reformierten" bei sich empfangen zu dürfen. Sie erinnerte an das früher gegebene Versprechen, dem "sehr nahrlosen und in den letzten Zügen liegenden Ort durch Anziehung frömder Nationen" aufhelfen zu wollen, wollte davon gehört haben, daß Flüchtlinge sich nach Rostock zu wenden beabsichtigten und wünschte dem zuvorzukommen. Da unter den Franzosen sich besonders viele Tuchmacher befänden, so böte ihre Walkmühle manche Erleichterung, "welche sie sonst so leicht an einem anderen Ort nicht finden werden." 5 ) Mit der größten Bereitwilligkeit ging der Herzog auf diese Anregung ein. Schon


1) Geschichtsblätter, 3. Zehnt, Heft 2, S. 9.
2) Tollin, a. a. O., 1. Bd., S. 250 - 251.
3) Geschichtsblätter, 1. Zehnt, Heft 4.
4) Tollin, a. a. O., 1. Bd., S. 260 - 261.
5) Actenstücke Nr. 1.
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wenige Tage, nachdem er das Schreiben erhalten, forderte er die Bützower auf, sich nach den Exulanten umzusehen, nach ihren Forderungen zu erkundigen und ihm sofort zu berichten. 1 ) Indessen ist der Plan damals doch noch nicht zur Ausführung gekommen.

Jedoch nicht nur in Deutschland, auch in anderen Staaten bezeugte man den französischen Protestanten Sympathie. Das Toleranz=Edict des Königs Erich XIV. von Schweden hatte schon am 18. Februar 1561 die im französischen Bürgerkriege unterlegenen Reformierten eingeladen, sich in seinem Lande niederzulassen, wo nur immer es ihnen gefallen würde.

In England hatte Eduard VI. es gleichsam als Pflicht der Obrigkeit bezeichnet, für alle Unglücklichen zu sorgen, welche um der Religion willen bedrückt oder verbannt worden wären, und wenn auch seine Nachfolgerin nicht derselben noblen Gesinnung huldigte, so finden wir wenigstens seit 1561 regelmäßige Versammlungen der übergesiedelten Wallonen und Franzosen in der Krypta der Kathedrale zu Canterbury. Noch vor der Aufhebung des Edicts von Nantes gab es in 12 Orten Hugenottenkirchen, und Karl II. erklärte, obwohl er von Ludwig XIV. Subsidiengelder empfing, offen, den um ihres Glaubens willen verfolgten Protestanten beistehen zu wollen. Fast gleichzeitig erließ König Christian V. von Dänemark, der in der gleichen Lage war wie der englische Souverain, ein Edict, durch welches den aus Frankreich auswandernden Augsburger Konfessionsverwandten acht Freijahre, Beibehaltung ihrer Grade und Ehren, den Adligen und Officieren ihr Rang, den Gründern von Fabriken hingegen Häuser, Vorschüsse und allerlei Privilegien versprochen wurden. Am meisten aber bethätigte Holland sein lebhaftes Interesse. Gleich auf die Kunde der ersten Dragonnaden lud es durch Erlaß vom 25. September 1681 die bedrängten Glaubensgenossen zu sich ein. Die Harlemer Zeitung brandmarkte das wiederauflebende Mittelalter schonungslos vor Europa und die Stadt Amsterdam verlieh allen in ihr sich niederlassenden Flüchtlingen das Bürgerrecht. Die im December 1682 "zum Troste der muthigen Bekenner" ausgeschriebene Collecte brachte allein in der Stadt Leiden gegen 20 000 fl. ein. Selbst die Juden in Amsterdam steuerten zum Hugenottenfonds das erkleckliche Sümmchen von 40 000 Gulden. Die französisch redenden reichen wallonischen Kolonien, die in den Jahren 1578 bis 1589 in Amsterdam, Leiden, Harlem, Delft, Utrecht, Dortrecht und Middenburg errichtet worden waren, erleichterten den Ankömmlingen die Ansiedelung. 2 )


1) Actenstücke Nr. 2.
2) Tollin, a. a. O., 1. Bd., S. 230 - 240.
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In Frankreich reiste mittlerweile in der Umgebung des Königs der Plan, das Edict von Nantes zu widerrufen. Ludwig XIV. selbst soll lange der Ansicht gewesen sein, daß es dessen nicht bedürfe, sondern der französische Protestantismus erlöschen werde, ganz sacht und ohne Aufsehen, wie ein kaum noch glimmender Docht. Sein Beichtvater Lachaise jedoch und der Kriegsminister Louvois, die in den Gemächern der Frau von Maintenon den Entwurf zum Widerruf ersannen, legten es ihm nahe, was für ein großes Werk es sei, wenn ganz Frankreich nur eine Religion hätte. Dazu kam ein dynastisches Interesse. Lange, selbst mitten im Bürgerkriege, hatten die Protestanten ihre königstreue Gesinnung erwiesen. Katholiken waren es gewesen, die die frevelnde Hand gegen Heinrich IV., gegen Ludwig XIII. aufgehoben hatten. Nun aber spielte sich das verhängnißvolle Drama in England unter seinen Augen, von Protestanten aufgeführt, ab, und es erwachte der Argwohn, daß die Andersgläubigen Feinde des monarchischen Regiments, Anhänger der republikanischen Gleichheit sein könnten. Endlich mag die Ueberzeugung mitgespielt haben, daß das Edict thatsächlich nicht mehr galt, der Protestantismus überhaupt im Schwinden war und die wenigen, welche noch bisher mit der Bekehrung gezögert hatten, sofort übertreten würden, wenn der königliche Wille im Widerruf klar zu Tage läge. So gab er den Einflüsterungen, die sich an ihn herandrängten, nach und unterzeichnete am 14. October 1685 das Edict von Fontainebleau. Was er auf-s Spiel setzte - ob er es klar vorher erwogen hatte, bleibe dahingestellt. Wohl konnte ihm der Reichthum der Protestanten bekannt sein, geläufig, was in den hugenottischen Universitäten Sedan, Saumur und Montauban, für die Wissenschaft gethan war, bekannt, wie die Industrie Frankreichs durch die Reformierten gefördert war, in wessen Händen sich die Lohgerbereien der Touraine, die Wollmanufacturen des Südens, die Seiden= und Sammetfabriken von Lyon und Tours, die Papierfabriken in der Auvergne befanden. Aber er wollte seine Augen verschlossen halten, oder Alles trat zurück gegen den Gedanken, der ihn ganz erfüllt hatte, - Einheit der Religion.

Was nun folgte, ist zu bekannt, als daß ich dabei zu verweilen brauche. Auf die Einzelheiten der Greuelthaten der Verfolger, des Muths und hochherziger Gesinnung auf Seite der Verfolgten kann nicht weiter eingegangen werden. Am Bekanntesten ist der Aufruhr in den Cevennen geworden, den die Camisarden, die sich schon unter Heinrich IV. aufgebäumt hatten, auf-s Neue heraufbeschworen und der durch die meisterhafte Schilderung Ludwig Tiecks in weiten Kreisen bekannt geworden ist. Mit Frankreich fertig, wandte Ludwig XIV.

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sich den Waldensern des Piemont, den Wallonen der Pfalz zu. Damals war es, daß Frankenthal, Mannheim, Heidelberg Trümmerhaufen wurden.

In Frankreich jubelte man über die errungene politisch=kirchliche Einheit und auch im Auslande war man theilweise geneigt einzustimmen. Die Höfe von Wien, London und Rom wetteiferten darin, Ludwig XIV. zu preisen. 1 ) Aber da, wo man schon früher mit Trauer im Herzen, voll Mitleid mit ihrem Schicksal die Flüchtlinge gern aufgenommen hatte, öffnete man jetzt erst recht Thür und Thor. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg unterdrückte alle Bedenken, die er als Bundesgenosse Ludwig XIV. und weil er von Frankreich recht bedeutende Subsidiengelder empfing, haben mochte, und lud durch das berühmte Edict von Potsdam vom 29. October 1685 die Vertriebenen zu sich ein. Zollfreiheit für die mitgebrachten Waaren, Steuerfreiheit auf 6 Jahre, Geldvorschüsse für industrielle Unternehmungen, Acker für Landleute, kurz Privilegien aller Art, vor allen Dingen natürlich freie Ausübung ihrer Religion, wurde den Ankömmlingen zu Theil. Dazu gesellten sich, soweit es die allerdings nur engen Verhältnisse des Brandenburgischen Hofs und der brandenburgischen Bevölkerung gestatteten, materielle Unterstützung. So entstanden nach und nach in Magdeburg, Halberstadt (1685), Groß= und Klein=Ziethen, Halle (1686), Minden, Oranienburg 2 ) - im Ganzen an einigen 40 Orten 59 Flüchtlingsgemeinden im brandenburgisch=preußischen Staat. 3 )

Aehnlich fiel das Edict aus, mit dem kaum einen Monat später, am 23. November 1685, Markgraf Christian Ernst von Bayreuth hugenottische Ansiedler zu sich entbot. Etwa 1000 Résugiés gründeten vom October 1686 bis 1688 in Erlangen eine besondere Fabrikstadt, die im Gegensatz zur Altstadt den Namen "Neu=Erlang oder Christian=Erlang" führte und bald zu einer blühenden Kolonie geworden war. 4 ) Desgleichen versprach Ernst August von Hannover am 1. December 1685 den Hugenotten zwanzigjährige Steuerfreiheit für ihre Waaren, fünfundzwanzigjährige für die neuerbauten Häuser, Zulassung zu allen Diensten und Ehrenämtern, besondere Gerichtsbarkeit und freie Religionsausübung. In Celle aber wurde mit


1) Tollin, a. a. O., 1 Bd., S. 33 - 46.
2) Vergl. die Geschichte der genannten Kolonieen in Geschichtsblätter, 1. Zehnt Heft 1; 2. Zehnt, Heft 3 und 5; 3. Zehnt, Heft 4; 4. Zehnt, Heft 5, 6, 7, 8.
3) Tollin, a. a. O., 1. Bd., S. 287.
4) Georg Schanz, Zur Geschichte der Colonisation und Industrie in Franken, 1884.
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Erlaubniß des Herzogs von Braunschweig=Lüneburg=Celle am 20. December 1688 eine hugenottische Gemeinde gegründet. Kurz vorher - im Jahre 1686 - hatte der Landgraf von Hessen=Homburg, Friedrich mit dem silbernen Bein, in seine Hauptstadt Flüchtlinge aus der Picardie, Jsle de France, Val Pragelas aufgenommen und gestand ihnen durch Patent vom 13. März 1687 zehn Freijahre, eigenen Gottesdienst, eigene Prediger und Richter zu. Ein Jahrzehnt später etwa - am 22. April 1699 - forderte der Landgraf Ernst Ludwig von Hessen=Darmstadt die Waldenser auf, sich bei zehnjährigen Freiheiten bei ihm niederzulassen und in demselben Jahre - am 27. September - siedelte Eberhard Ludwig von Württemberg arme Waldenser auf dem Ostabhange, des Schwarzwaldes an, wo sie trotz der unfruchtbaren Gegend recht gut gediehen. 1 )

Auf diese Weise entstanden, da man in außerdeutschen Ländern ebenfalls fortfuhr, die schon früher gehegten Sympathien für die armen Vertriebenen zu bekunden - schon am 3. Januar und 5. März 1685 waren eine dänische und eine englische Aufforderung ergangen -, vor den Thoren Frankreichs diese neuen Gemeinden. In Deutschland, Holland, der Schweiz, England, Dänemark und Schweden, selbst in Rußland und Nordamerika, in Guyana und im Caplande ließen sich die Franzosen nieder trotz der strengen Verbote der Auswanderung und der Konfiscation ihrer Güter, denen sie ausgesetzt waren.

In diese bewegte Zeit fällt nun auch das Auftreten der französischen Kolonie in Meklenburg.

2.

Vom 24. October 1698 2 ) datiert das Edict des Herzogs Friedrich Wilhelm wegen Aufnahme französischer Réfugiés. Dasselbe ist jedoch nicht als eine allgemeine Einladung, die in die Welt hinausging, anzusehen, sondern stellt einen Vertrag dar, der mit einem Kaufmann Salomon Jordan über die Ansiedelung von Franzosen abgeschlossen wurde. Demgemäß ist von einer Zusicherung der freien Religionsausübung nur nebenher die Rede. Artikel 2 lautet u. a,: nous ferons faire une grande sale pour y pouvoir tenir leur devotion. Wohl aber werden Punkt für Punkt die Verpflichtungen, welche die beiden Kontrahenten gegenseitig auf sich nehmen, genau festgestellt.


1) Tollin, a. a. O., 1 Bd, S. 259 - 271.
2) Actenstücke Nr. 3.
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Sieur Jordan stellt in Aussicht, 30 wohlhabende Familien - "des familles riches et qui ont de quoi fournir aux autres ce qui leur est necessaire" -, von denen zwei Drittel mit der Verarbeitung von Wolle, ein Drittel mit der Bearbeitung des Flachses vertraut ist, zur Ansiedelung zu bewegen.

Diese Famlien müssen mündlich und schriftlich versprechen, dem Herzog treu zu sein, seinen Vortheil überall wahrnehmen zu wollen und das Land nicht nach Ablauf der ihnen bewilligten Freijahre zu verlassen, es sei denn, daß sie ebensoviele gewöhnliche Jahre hinterher hier verbracht hätten.

Der Herzog seinerseits sichert den Ankömmlingen für 6 Jahre freie Wohnung und Steuerfreiheit zu. Er verspricht ein Haus erbauen zu wollen, in dessen Mitte ein großer Raum - une grande sale - für die Abhaltung des Gottesdienstes bestimmt werden soll. Denjenigen, die selbst bauen wollen, wird ein Bauplatz unentgeltlich angewiesen, Holz und Steine geliefert werden und für diese die Steuerfreiheit auf 10 Jahre verlängert. Für den Unterhalt eines Predigers und eines Schulmeisters werden 200 Thlr. ausgeworfen. Mit 4 Familien soll der Versuch gemacht werden, sie als Tabackpflanzer auf dem Lande anzusiedeln. Land und einiges Nutzvieh soll ihnen zu Theil werden. Eine größere Anzahl als 30 Familien anzusiedeln, behält sich der Herzog vor. Jedenfalls darf Niemand kommen, bevor er sich angemeldet hat und angenommen ist.

Der Ort, wo die Kolonie errichtet werden sollte, ist nicht genannt. Da aber für den Fall, daß das zu erbauende Haus beim Eintreffen der Franzosen noch nicht fertig sein würde, vorgesehen wird, ihnen Wohnungen in der Stadt und "à la Schelffe" einzuräumen, so kann nur Schwerin in Aussicht genommen gewesen sein. Erst in dem späteren Edict, vom 1. August 1699 1 ), wird Bützow namhaft gemacht und seine Lage als eine außerordentlich günstige gepriesen. Bützow" heißt es im Artikel 2, "est une ville située au milieu de pais, voisine de Lubec, Hambourg, Rostoc et Wismar et de la mer baltique, d-ou l-on peut facilement negotier en Dannemarc et en Suède comme aussi en Prusse, Livonie, Curland etc."

Die zweite Verordnung wird offenbar dazu ausersehen gewesen sein, an die in Deutschland zerstreuten Franzosen versandt zu werden. Denn in ihr wird denen, die kommen wollen, volle Religionsfreiheit zugestanden, sowie das Recht, nach den Gesetzen des Landes Manufacturen und Gewerbe betreiben zu können. Auch Landleute,


1) Actenstücke Nr. 4.
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namentlich Tabacksbauer, werden willkommen geheißen, und man stellt ihnen in Aussicht, mit Ländereien und Nutzvieh unterstützt zu werden.

Die in diesen Edicten gewährleisteten Privilegien decken sich in der Hauptsache mit dem, was den Réfugiés in anderen deutschen Ländern bewilligt worden war. Von einem bei den Acten liegenden undatirten Memoire eines sonst weiter nicht erwähnten Franzosen Pierre Pillon über die zweckmäßigste Anordnung der zu begründenden Manufacturen, das augenscheinlich in diese Zeit fällt 1 ), weichen sie in einem wichtigen Punkte ab. Jener legte nämlich großes Gewicht darauf, daß eine Handelsgesellschaft mit 16 - 20 000 Thalern Kapital eröffnet und dieser die Aufgabe zugewiesen würde, Wolle einzukaufen, die Arbeiter zu bezahlen oder ihnen Vorschüsse zu gewähren - kurz eben die Rolle des Verlegers zu übernehmen. Offenbar war hierin ein Gedanke angeregt, der große Berücksichtigung verdiente und dessen Ausführung eine andere Entwickelung der Kolonie bewirkt hätte.

Ziemlich unverblümt tritt uns in diesen Edicten der Wunsch des Herzogs entgegen, der meklenburgischen Industrie durch die Réfugiés aufzuhelfen. Mochte auch Mitleid mit der Lage der Bedrängten die Haupttriebfeder zu ihrer Aufnahme sein, kamen sie einmal, so erforderte die Klugheit, die Kolonie möglichst vortheilhaft für das ganze Land einzurichten. Daher verlangte der Herzog reiche Familien, fleißige und geschickte Gewerbetreibende, insbesondere Wollen= und Leinarbeiter und wünschte, sich diejenigen, denen er den Aufenthalt gewährte, auszuwählen. Daß gerade Bützow als der geeignetste Ort für die Kolonie erachtet wurde, mag mit der einige Jahre vorher von dort ergangenen Anregung zusammenhängen. Außerdem aber kam in Betracht, daß man seitens der Regierung Bützow zu heben wünschte. Wie eine etwas spätere Beschwerde der Ritterschaft des Schwerinschen Fürstenthums bezeugt, hatte man schon begonnen "zu Restabilirung des Bützowischen Stadtwesens" die auf den einzelnen Gütern ansässigen Handwerker nach Bützow zu ziehen, was der Adel sich nicht gefallen lassen wollte, obgleich er selbst zugestehen mußte, daß "die wenigen Handwerker, so wir auff unsern gütern haben, miserabel, sind." 2 ) Daher mochte man nun in den Réfugiés den ersehnten Succurs erblicken, der bei dem guten Rufe, welcher ihnen in gewerblicher Beziehung vorausging, auch viel mehr versprach.

Dank den Bemühungen des Sieur Jordan und den in Aussicht gestellten Vergünstigungen trat die Kolonie richtig ins Leben. Aller=


1) Actenstücke Nr. 35.
2) Actenstücke Nr. 5.
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dings scheint es nicht möglich gewesen zu sein, dreißig Familien zu finden. Immerhin findet sich am 1. Mai 1700 1 ) in Bützow eine französische Gesellschaft, die aus 11 Ehepaaren mit 13 Kindern, 11 unverheiratheten Männern, meist jüngeren Gehülfen, einer Wittwe und zwei Dienstboten, im Ganzen 49 Personen besteht. Außerdem waren in Schwerin zwei Ehepaare mit 3 Kindern und ein Unverheiratheter, im Ganzen 8 Personen. Jedoch waren beim ersten Osterfeste, das die Réfugiés in Meklenburg feierten, mehr als 600 Personen anwesend, da auch andere im Lande weilende Franzosen und einige aus dem benachbarten Pommern und aus Wismar sich eingefunden hatten.

Dem Wunsche des Herzogs nach industriellen Kräften war insofern Genüge geleistet, als mit Ausnahme des Predigers und 3 Landleuten, sämmtliche Kolonisten ein Handwerk betrieben. Nur die Wittwe scheint eine bedenkliche Errungenschaft gewesen zu sein, da von ihr gesagt ist "ernehret sich mit Brandweinschencken und ein bisgen Hökerey." Unter den Gewerbetreibenden erscheinen Zeug= und Raschweber, Etaminmacher, Wollkämmer, Hut= und Strumpfmacher. Selbst der Küster betrieb im Nebenberufe die Sergenweberei.

Bis zum August des nächsten Jahres hatte sich das Bild einigermaßen verschoben. An die Stelle des Predigers Durand trat Herr Deschamps. Ferner hatten 2 Wollkämmer=Familien, die über Mangel an Beschäftigung klagten und vom Ackerbau nichts wissen wollten, den Wanderstab weitergesetzt. Dafür waren aber einige neue Familien hinzugekommen: Tabacks= als auch Wollenarbeiter, so daß im Ganzen mit Einschluß der Schweriner Réfugiés die Zahl der zur Bützower Kolonie zu rechnenden Personen am 10. August 1701 sich auf 82 belief. 2 ) Ueber die Entwickelung der Kolonie in den nächsten Jahren ist man leider wenig unterrichtet. Aus zwei Rescripten des Herzogs (vom 26. Mai und 7. Juni) an das Amt Grevesmühlen, daß keine Wolle mehr an Ausländer verkauft und den Schäfern nahe gelegt werden sollte, 50 Stein Wolle gegen baare Bezahlung an den Oeconomen Zander nach Bützow für die dortige Manufactur zu liefern, ersieht man, daß die Regierung die neuen Ankömmlinge sich nicht selbst überließ, sondern für sie sorgte, indem sie zunächst den erforderlichen Rohstoff zu beschaffen suchte. Dagegen lag es weniger in ihrer Macht, nach einer anderen, nicht minder wesentlichen Richtung zu helfen, nämlich für den Absatz der Erzeugnisse zu sorgen. Die Eingabe eines Hutmachers und eines Strumpfwirkers, dahin gehend, daß


1) Actenstücke Nr. 6.
2) Actenstücke Nr. 7.
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die zur Livrée der Hofbediensteten erforderlichen Gegenstände von ihnen genommen werden möchten, sowie das Schreiben des Predigers Deschamps 1 ) deuten diesen Mißstand an. Beide Franzosen betonen, daß ihre Erzeugnisse gut seien und daß, wenn die Regierung sich nicht entschließen könne, von ihren Erzeugnissen regelmäßig etwas zu kaufen, sie ihren Unterhalt nicht zu gewinnen vermöchten. Pastor Deschamps aber befürwortet nicht nur die Bitte eines Tuchmachers um Vorschüsse behufs Anschaffung von Werkzeug und Rohstoff, sondern spricht ebenfalls den Wunsch aus, daß der Herzog die Tücher, die man so wird herstellen können, zur Kleidung seines Heeres kaufen möchte. Auch soll der Hof den Absatz der Erzeugnisse zweier guter Hutmacher und mehrerer Strumpfwirker begünstigen, weil diese sonst nicht existiren könnten.

Ob für die Unterbringung der Flüchtlinge in passenden Wohnräumen gesorgt war, muß unentschieden bleiben. Im Mai 1700 wurde an einem Manufacturhause - so nannte man die für die Fremden bestimmten Wohngebäude - noch gebaut, wobei sich Schwierigkeiten darin zeigten, daß die zur Anfuhr verpflichteten Personen alle zu gleicher Zeit das erforderliche Bauholz anfahren wollten, eben zu der Zeit, wo ihre Pferde sonst mit landwirthschaftlichen Arbeiten nicht beschäftigt waren.

Verhängnißvoller als diese Unzuträglichkeiten, von denen man hoffen konnte, im Laufe der Jahre befreit zu werden, drohte für das Gedeihen der Kolonie der Umstand zu werden, daß der Herzog in Herrn Salomon Jordan, dem eigentlichen Organisator der Kolonie, keinen ganz glücklichen Griff gethan hatte. Verdrießlichkeiten der Regierung mit ihm ließen eine schnelle Wiederauflösung der kaum entstandenen Ansiedelung befürchten. Wie in solchen Fällen häufig, lassen die archivalischen Nachrichten keine deutliche Vorstellung von dem, was vorgekommen zu, und mehr vermuthend als beweisend kann zur Aufdeckung des Zusammenhanges geschritten werden. Salomon Jordan gehörte zu jenen nicht unbemittelten Marchands fabricants, wie sie zahlreich aus Frankreich einwanderten, die durch Verbindung der Fabrikthätigkeit mit ausgedehntem Handel, die gleichzeitig auf den Absatz der Erzeugnisse Bedacht nahm, die Großindustrie besonders emporbrachten. Mit Scharfblick hatte er erkannt, daß in Meklenburg mit seiner verbreiteten Schafzucht der Rohstoff für eine Industrie verhältnißmäßig wohlfeil zu haben war, nämlich Wolle, und daran knüpfte er den Gedanken, die Tuchmacherei im Großen zu betreiben. Von einer "Drapperie" ist mehrfach die Rede. Auch


1) Actenstücke Nr. 8.
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der Pastor Deschamps erwärmt sich für sie und hebt beim Herzoge die Verdienste Jordan-s um das Zustandekommen derselben gelegentlich hervor. 1 ) Die zur Verarbeitung nöthigen Personen konnte er aber nicht hoffen, so ohne Weiteres in Meklenburg zu finden. Weder die Zahl der ihm sich etwa zur Verfügung stellenden Kräfte noch ihre Geschicklichkeit dürfte seinen Ansprüchen genügt haben, und so hatte er dem Herzog seinen Vorschlag zur Begründung der Kolonie unterbreitet, mit der er gleichzeitig seinen bedrängten Landsleuten einen Dienst zu leisten hoffen durfte. Für sich selbst rechnete er außer der Förderung seines Geschäftsinteresses auf eine Belohnung oder ein Jahresgehalt vom Herzog, das ihm möglicher Weise für den Fall des Gelingens zugesagt worden sein mag. In einem Schreiben an den Herzog bittet der Prediger Deschamps ausdrücklich, daß dem Jordan zugewandt werde "la pension, qu-il attand depuis si longtemps comme une faveur, dont on a toujours récompensé ceux qui ont fonde des colonies." 1 )

Wie er es angefangen hat, die ursprünglich ihm lächelnde Gunst des Herzogs zu verscherzen, ob er, sich vielleicht zu sehr als Unternehmer fühlend, seine armen Landsleute in Bützow bedrückte, wird ewig Geheimniß bleiben müssen. Der Kammerrath Varenius schreibt bereits im Mai 1700 gelegentlich einer Inspection der Kolonie, bei der er einige Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Vertheilung von Korn und Wolle gefunden zu haben glaubte, an Herrn Secretair Duwe: "Daß sie Jordan los werden sollen, damit sind sie alle sehr wohl zufrieden, ausgenommen Durand, welcher ihm etwas Geld geliehen." Jordan selbst war mit der ihm angewiesenen Stellung und mit dem langsamen Gange der Dinge nicht einverstanden. Er ersuchte den Minister Grafen Horn, ihm vollständige Freiheit in der Errichtung der Tuchfabrik, namentlich Machtvollkommenheit in Bezug auf die Vertheilung der Wolle unter die Kolonisten, einräumen zu wollen, 2 ) und als man ihm das nicht zugestand, vielleicht auch mit der Auszahlung der Pension zögerte, scheint er seinen Einfluß dazu gemißbraucht zu haben, die Franzosen zum Aufgeben von Bützow zu bewegen. Wenigstens war er dessen angeklagt und der Verdacht bis zu den Ohren des Herzogs gedrungen, so daß eine von allen Mitgliedern der Kolonie unterzeichnete Ehrenerklärung am 30.April 1703 3 ) demselben überreicht wird, in der versucht wurde, Herrn Jordan als schuldlos hinzustellen. Er sollte sie nie zum Verlassen Meklenburgs


1) Actenstücke Nr. 8.
1) Actenstücke Nr. 8.
2) Actenstücke Nr. 9.
3) Actenstücke Nr. 10.
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aufgefordert haben. Vielmehr bitten sie, ihm das versprochene Gehalt auszuzahlen, damit er unter ihnen bleiben und ihnen seinen nützlichen Beistand fernerhin leihen könne. Sogar Madame Jordan hält es für angezeigt, sich in einem directen Gesuch an den Staatsminister Grafen Horn zu wenden, um diesen zu bewegen, ihrem Manne den ferneren Aufenthalt in Meklenburg zu gestatten. 1 ) Indeß fruchten alle diese Vorstellungen nicht, und Sieur Jordan als ein unruhiger Geist wurde aus der Kolonie verbannt. In den Acten kommt er später nicht mehr vor.

3.

Nachdem diese Krisis glücklich überwunden war, trachtete man darnach, die Zahl der Einwanderer thunlichst zu vermehren und veranlaßte eine zweite Einwanderung. Im September 1703 schloß der Herzog abermals mit einigen französischen Kaufleuten einen Vertrag ab behufs Ansiedelung einer größeren Zahl von Réfugiés in Bützow. Der damals gedruckten "Beschreibung derer favorablen Conditionen, so des zu Mecklenburg=Schwerin und Güstrau regierenden Hertzogs Durchlaucht denen zu einer zweyten Golonie in Bützau sich angebenden frantzösischen reformirten Flüchtlingen gnädigst accordiret," können wir die Einzelheiten dieses zweiten Versuches entnehmen. 2 )

Drei in Hamburg wohnende Kaufleute, Jacques Vignoles, Alexandre Flavard und Nicolas Gentien, versprachen, 50 französische Familien in das Land zu führen, vorzugsweise Handwerker, "so Wolle verarbeiten." Dieselben sollten redlichen und untadelhaften Rufes sein.

Jede Familie erhielt 50 Thaler Lösegeld, sowie auf die Dauer von 6 Jahren ein allerdings erst zu erbauendes Haus miethfrei. Für die gleiche Zeit wurde allen Freiheit von Auflagen und Steuern versprochen, während man ihnen die Rechte aller sonstigen Unterthanen zusicherte. Die freie Ausübung der reformierten Religion war selbstverständlich. Ein großer Saal im Bützower Schlosse wurde für diesen Zweck einstweilen als Versammlungsort zugestanden, so lange, bis man an den Bau einer Kirche gehen konnte. Den Prediger, welchen die Kolonie sich selbst wählen durfte, versprach der Herzog mit freier Wohnung und 250 Thlr. aus Staatsmitteln zu besolden.

Den Vertrieb der von den Eingewanderten herzustellenden Waaren übernahmen die drei genannten Kaufleute und wurden gleichzeitig zu Hoflieferanten ernannt, mit der Verpflichtung, Alles, was der Herzog


1) Actenstücke Nr. 11.
2) Actenstücke Nr. 12.
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und sein Hof an Brocaten, goldenen, silbernen, seidenen und wollenen Stoffen, bordierten Kleidern u. dgl. m. nöthig haben würde, "ohne Vorschuß aus der ersten Hand kommen zu lassen und vor einen raisonnablen Preis an unseren Hof zu liefern." Ein Jeder von ihnen erhielt für seine Bemühungen um die Beschaffung der betreffenden Familien ein Geschenk von 30 Thalern. Endlich sprach der letzte Paragraph der Bedingungen von einem zunächst einzuführenden Zoll auf Strümpfe, Hüte, Wollenstoffe, Tücher, Taback u. s. w., "um dadurch nicht allein den Verkauf der einheimischen Wahren zu befordern, sondern auch mehr Leute einzuführen." Voraussetzung war nur, daß diese Gegenstände, deren Absatz der Herzog befördert wissen wollte, in ausreichender Menge im Lande erzeugt würden. Zur Unterstützung bei der Arbeit und behufs Ausbreitung der Geschicklichkeit sollten die Réfugiés junge Meklenburger als Lehrlinge annehmen.

Auch dieses Mal gelang es nicht, die in Aussicht genommene Zahl von Familien in-s Land zu ziehen. Einer der drei Kaufleute, Herr Vignoles, scheint sich überhaupt von vornherein garnicht bei der Ausführung des Vorhabens betheiligt zu haben; wenigstens ist nur von den beiden anderen die Rede. Nach einem Verzeichniß, welches die Franzosen im August 1704 aufstellten, hatten sie 10 Ehepaare mit 13 Kindern und 4 Unverheirathete zur Uebersiedelung nach Bützow zu bewegen vermocht. 1 ) Allerdings wird einer etwas späteren Eingabe der Organisatoren an den Herrn Kammerrath Varenius eine Namensliste von 41 Familien angeschlossen, die zur Niederlassung in Meklenburg bereit wären, vorausgesetzt, daß die dort Anwesenden mit den Verhältnissen zufrieden seien. Dabei wird bemerkt, daß 27 andere Familien, die sich zur Zeit in Halle, Schwabach und Erlangen aufhielten, ebenfalls nicht abgeneigt wären, nach Meklenburg zu kommen. 2 ) Doch hat es offenbar bei der guten Absicht dieser Personen sein Bewenden gehabt. Denn in einem in Rostock am Ende des Jahres 1704: aufgenommenen Protokoll über die in Bützow und Güstrow anwesenden, d. h. wohl neuerdings hinzugekommenen Franzosen und ihre persönlichen Verhältnisse sind nur 5 Unverheirathete und 9 Ehepaare mit 6 Kindern, d. h. im Ganzen 29 Personen, aufgeführt. 3 ) Im Jahre 1707 aber weist die französische Kolonie in Bützow nicht mehr als 143 Personen auf. Demnach kann der Wunsch des Herzogs nach einer größeren Zahl von Einwanderern kaum in Erfüllung gegangen sein. Da schon im


1) Actenstücke Nr. 15.
2) Actenstücke Nr. 18.
3) Actenstücke Nr. 19.
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Jahre 1701 sich einige 80 Franzosen in Bützow eingefunden hatten, von denen einige, denen es schlechterdings nicht gelang, sich einzuleben, wieder fortgezogen waren, so können bei der zweiten Einwanderung wohl nicht viel mehr als 50 - 60 Personen eingetroffen sein.

Daß dieselben nicht direct aus Frankreich kamen, liegt auf der Hand. Um diese Zeit hatten in Norddeutschland bereits an mehreren Stellen Niederlassungen von Réfugiés stattgefunden, in Hamburg, Magdeburg, Halle, Stendal, Berlin und anderen Orten, ohne daß es denselben überall gelungen wäre, sich in die vorgefundenen Verhältnisse einzuleben. Manchesmal ereigneten sich Konflicte mit den Aufsichtsbehörden, dann schienen Einzelnen die Aussichten auf lohnenden Erwerb nicht glänzend genug, und so gab es im ersten Jahrzehnt nach Aufhebung des Edicts von Nantes mehrfache Hin= und Herwanderungen. Ich vermuthe, das unsere Réfugiés aus Hamburg und Magdeburg gekommen sein werden: auf ersteres schließe ich, weil die Kaufleute, mit denen der Herzog verhandelt, als dort wohnend erwähnt werden; an Magdeburg denke ich wegen vielfacher Uebereinstimmung der Namen dortiger und hiesiger Réfugiés, obgleich natürlich ein zwingender Beweis darin nicht gesehen werden kann.

Sah der Herzog seine Hoffnungen in Bezug auf die Zahl der Ankömmlinge getäuscht, so kann er in Bezug auf ihre Berufe ebensowenig befriedigt gewesen sein. Wir wissen, daß er namentlich die Wollindustrie in-s Auge gefaßt hatte. Jedoch erscheinen unter den neuen Ankömmlingen nur ein Wollkämmer, ein Tuchmacher, ein Färber und ein Strumpfstricker. Die andern, sind Lohgerber, Knopfmacher, Handschuhmacher, Tischler, Tabacks= und Waidbauer. Auch einem Schmied begegnen wir, dessen Specialität die Herstellung von Strumpfstühlen war. Indeß mochten doch diese Handwerker, bei dem Mangel an Gewerbetreibenden im Allgemeinen, schließlich nicht unwillkommen sein.

Alle diese Leute waren mit wenigen Ausnahmen blutarm, erhielten ihre 5 - 10 Thlr. Transportgelder und waren froher Erwartung der Vortheile und Privilegien, die ihnen in Bützow zugedacht waren. Sie werden in dem erwähnten Rostocker Kammerprotokoll als "pauvre" oder "ohne Mittel" charakterisiert. 1 ) Nur von dem einen Tuchmacher heißt es, daß er "bei guten Mitteln ist und andere Leute kann arbeiten lassen", d. h. also andere Gewerbetreibende verlegen. Genannt wird auch ein Adliger, Theophile de Moreau, seigneur de Delrose, der die Absicht hatte, ein Landgut zu kaufen. Natürlich blieb dieser, wenn überhaupt in Meklenburg,


1) Actenstücke Nr. 19.
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jedenfalls nicht in Bützow. Diese Mittellosigkeit, die man auch bei den Mitgliedern der ersten Kolonie vermuthen darf, obgleich sie bei ihnen nicht ausdrücklich bezeugt wird, verschuldete es, daß unsere Fremden sich anfangs garnicht in Bützow zurechtzufinden vermochten und unaufhörlich mit Bitten und Beschwerden der Regierung nahten. Der Herzog seinerseits suchte mit den nicht sehr ansehnlichen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, dieselben thunlichst zu fördern. Noch im November 1703 beauftragte er den Generalmajor von Bergholtz, dem er die oberste Aufsicht über die Einrichtung der Kolonie übertragen hatte, 25 Häuser für die zu erwartenden Familien erbauen zu lassen. Für diesen Zweck wies er 8000 Thlr. an, welche die Renterei zwar nicht augenblicklich herzugeben im Stande war, die aber geliehen werden sollten. Dreitausend Thaler glaubte man zu Beginn des nächsten Jahres zurückzahlen zu können, den Rest versprach man mit 6 Prozent zu verzinsen und nach und nach aus den Rentereigefällen zurückzuerstatten. Als nun nicht so viele Familien, wie erwartet wurden, erschienen, verlor die Kammer, die den Bau leiten sollte, die Lust und sprach sich dahin aus, daß "die angewandte Mühe übel compensiret wehre." Es bedurfte der ganzen Energie Bergholtz-s, um den Bau zu Ende zu führen. Er betonte gewiß richtig, daß, "so lange keine Häuser erbauet sind und zur Manufactur keine andere Anstalt als bishero gemacht ist," man nicht hoffen könne, mit der Kolonie zu reussieren.

Daß unter solchen Umständen nicht alle die ursprünglich projectierten 25 Häuser gebaut wurden, verstand sich von selbst. Immerhin begann der Bau, und im August des Jahres 1704 war ein Haus für 4 Familien, dessen Herstellung zwischen 700 und 800 Thalern gekostet hatte, fertig. Schon im October desselben Jahres befahl der Herzog, ein anderes Haus von 100 Fuß Länge und 35 Fuß Breite zu erbauen und, um an den Kosten zu sparen, wurden vier Dreyviertel Hüfner aus Niendorf mit Anfuhr der Materialien und der Handarbeit beim Bau beauftragt. Ein drittes Haus, für sechs Familien, entstand in der Zeit von Johannis 1705 bis 1706, und wenn auch langsam, so rückten doch nach und nach die anderen geplanten und nöthigen Bauten ebenfalls vor. Einer "Specification. derjenigen Häuser, welche Ihre Hochfürstliche Durchlaucht in Bützow neu erbauen und kauffen lassen" vom April 1708 entnimmt man, daß im Ganzen sieben Häuser verschiedener Größe, theils kleinere für eine Familie, theils größere für 2, 4, und 6 Familien erbaut worden waren. Ueber die gesammten Kosten, welche dieser Bau verursacht hatte, fehlen die Angaben. In einer gelegentlichen Aufzeichnung darüber, was der Herzog in den Jahren 1698, 1699, 1700 und

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1703 für die Franzosen ausgegeben hatte, ist die allerdings nicht große Summe von 1328 Gulden verzeichnet. Doch kann darin natürlich der Häuserbau nicht mit eingerechnet sein. Vereinzelt erfährt man von einer Unterstützung, die er im Jahre 1709 einem Strumpfwirker Pierre Gineous im Betrage von 30 Thalern und im Jahre 1710 einem anderen, Jeremias Vial, im Betrage von 200 Thalern "zur fortsetzung seiner profession" bewilligte. Gewiß läßt sich annehmen, daß bei dem Interesse, das der Herzog für die Kolonie hatte, er soviel in seinen Kräften stand für die Mitglieder gethan haben wird. Nur dürften eben Wollen und Können, wie im benachbarten Brandenburg, nicht immer im Einklang gewesen sein.

An allgemeinen Maßregeln zur Förderung des Gewerbewesens wurde im Mai 1705 das frühere Edict über die Wollaufkäuferei in Erinnerung gebracht. Es sollte überall bekannt gemacht und "affigiret", auch auf seinen Inhalt in allem Ernst gehalten werden. Daran schloß sich eine Schauordnung für die Tuchmacher in allen meklenburgischen Städten, die darauf abzielte, durch besonders dazu verordnete Werkmeister die Weberei beaufsichtigen zu lassen und es auf diese Weise zu ermöglichen, daß Tücher von besserer Beschaffenheit als bisher hergestellt würden. 1 ) Ferner wurde im September befohlen, daß die Lohe in einem gewissen Umkreise von Bützow gesammelt und zur Aufnahme der Gerberei nach der Stadt gebracht werden solle.

Was auf diese Weise geschah, war doch zu wenig, um die Franzosen befriedigen zu können. Daß dem Herzog keine ansehnlichen Mittel zur Verfügung standen, war klar. Wenn jedoch die versprochenen zehn Thaler Transportgelder den einzelnen Familien nicht ausgezahlt, wenn die guten Wohnhäuser, die man Flavard und Gentien in Aussicht gestellt hatte, ihnen nicht eingeräumt, sondern sie in einigen Zimmern des Schlosses untergebracht wurden, so kann man es den Fremdlingen nicht verdenken, daß sie mit Anträgen und Bitten nicht nachließen. Besonders mit dem General Bergholtz, der von Güstrow aus als herzoglicher Kommissar die Kolonie leitete, konnten sie sich nicht recht verständigen. Sie klagten, daß er das zinslose Dahrlehn von 6000 Thalern auf vier Jahre, das er ihnen versprochen, nicht besorgt habe, daß er einzelne Réfugiés in seinem Privatinteresse beschäftige, während sie die Errichtung eines Magazins befürworteten, an das alle Kolonisten ihre Erzeugnisse abliefern sollten, um so einen Handel in-s Ausland in Scene setzen zu können. Bergholtz seinerseits stellte überhaupt in Abrede, mehr versprochen zu


1) Parchimsche Gesetzsammlung, 2. Aufl., Bd. 5, Nr. 1448.
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haben, als er bot, und beschuldigte die Franzosen, dem Vertrage nicht nachgekommen zu sein, statt ordentlicher und fleißiger Arbeiter eine "Racaille" nach Bützow gebracht zu haben, von der drei bereits wieder desertiert seien. 1 )

Gleichwohl werden die Franzosen insofern nicht ohne Grund geklagt haben, als sich nicht alle Versprechen, die man ihnen gemacht hatte, schnell sofort erfüllen ließen. Schon im Mai 1704 beschweren sich die Unternehmer bei der Kammer, weil sich nicht Alles so glatt abspielt, wie sie sich möglicher Weise gedacht hatten, worauf ihnen der Bescheid wird, sie sollten sich nur gedulden; was in der Declaration ihnen zugesichert sei, werde stricte gehalten werden. Da das doch nicht geschieht, so formulieren die beiden Kaufleute in einem Berichte die Bedingungen, unter denen die 8 oder 9 Ehepaare, die bereits in Bützow waren, sich niedergelassen hätten und unter denen eine weitere Entwickelung der Kolonie denkbar wäre. 2 ) Sie bitten um Auskehrung der versprochenen Transportgelder und um einen Vorschuß von 2000 Thalern für ein zu errichtendes Magazin oder um Wolle in demselben Werthe. Sie wünschen 2 Hufen Landes mit 10 jähriger Abgabenfreiheit und Felderbestellung durch die meklenburgischen Bauern, Baumaterial zum Hausbau, die Berechtigung zur Veranstaltung einer Lotterie verschiedener Waaren im Werthe von 10 000 Thalern. Die Kammer, welche über diese und ähnliche Vorschläge eingehend berieth, verhielt sich im Allgemeinen denselben zustimmend gegenüber. Sie versprach die 10 Thaler Reisegeld sobald als möglich auszuzahlen, jede fähige Familie gerne mit Wolle oder baarem Gelde zu unterstützen, damit sie ihr Gewerbe beginnen könne. Flavard und Gentien sollten jeder das versprochene gute Wohnhaus, eventuell Land bekommen. Selbst die Lotterie wird erlaubt, vorausgesetzt, daß die Bedingungen der Kammer vorher unterbreitet würden. Aber kurze Zeit darauf weist die Kammer den Licent=Inspector in Bützow an, vom 1. October 1705 die Franzosen gleichfalls zur Licentzahlung heranzuziehen. Diese Maßregel stand jedenfalls mit den zugestandenen sechs Freijahren nicht im Einklang und vermuthlich stieß auch die Ausführung der anderen Versprechungen auf Widerspruch. Wenigstens wird man zu dieser Auffassung gedrängt, da die beiden Unternehmer sich im September 1704 direct an den Herzog wandten und ihn um die Bewilligung ihrer Forderungen baten, die so wenig bedeuteten "pour un si grand prince". 3 ) Gleichzeitig gingen sie auch den Kammerrath Varenius darum an, ein


1) Actenstücke Nr. 14.
2) Actenstücke Nr. 15.
3) Actenstücke Nr. 17.
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freundliches Wort für seine Landsleute an maßgebender Stelle einzulegen. 1 ) In bewegenden Worten schilderten sie die Ungewißheit ihrer Lage, die allen Fortschritt hemme, das Ungemach, dem sie im Allgemeinen ausgesetzt seien: "vous savez depuis combien de temps nous sommes en souffrance." Kurz, die Situation wird immer gespannter und ungemüthlicher und im April 1706 2 ) bat Herr Flavard endlich um seine Entlassung. "C-est Messeigneurs," schreibt er der Kammer, "le mauvais traitement, que j-ai recu dans ce pais despuis le jour de mon arrivée jusques à présan tant de celui, qui avait direction ci devant de la colonie que de plusieurs particulliers à qui j-ai rendu service." Dann setzt er in leidenschaftlicher Sprache die Gründe auseinander, die ihn zum Fortgehen zwängen. Zwei Jahre lang habe er in Bützow verlebt in der Hoffnung, daß Alles sich besser gestalten würde, keine Unkosten gescheut, mehr als 1000 Thaler für seine Familie ausgegeben, aber durch die Fehler des Herrn General Bergholtz habe er nicht zu reussieren vermocht. Flavard siedelte nunmehr nach Lübeck über, wo er sich ein Haus zu bauen beabsichtigte und das Material schon eingekauft hatte. Ohne Weiteres ließ die Kammer ihn übrigens nicht ziehen, sondern machte Versuche, ihn zu halten, die leider vergebliche waren. Mit dem anderen Unternehmer, Herrn Gentien,. kam es nicht bis zum Bruch. Freilich hatte er nur 100 Thaler Vorschuß verlangt, wovon ihm bis zum Herbst 1706 60 ausgezahlt worden waren. Aber vermuthlich war er nicht im Stande, seinen Wohnsitz zu wechseln und blieb.

Wer bei diesem Zerwürfniß die Hauptschuld trägt, ob die Franzosen übertrieben, - wer möchte auf Grundlage der spärlich erhaltenen schriftlichen Nachrichten aus jenen Tagen entscheiden ! Wie ein Eingeständniß der Kammer sieht es aus, daß sie später Herrn Flavard aus Lübeck zurückberief und ihm ein jährliches Gehalt von 60 Thalern versprach. Doch auch dieses zu zahlen, scheint keine Möglichkeit gewesen zu sein, da im December 1710 die Wittwe Flavards versucht, das, was man ihrem verstorbenen Manne schuldig geblieben, zu erlangen.

4.

Auch die zweite Kolonie hatte also mit Widerwärtigkeiten zu kämpfen und wollte nicht recht gedeihen. Der Licent=Commissar Engel, der im September 1705 Bützow auf einer Reise streifte und


1) Actenstücke Nr. 18.
2) Actenstücke Nr. 22.
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darüber an den Kammerrath Varenius berichtete, bezweifelte, nachdem er die Manufactur in Augenschein genommen, ihre Lebensfähigkeit. Er meinte, "daß solche Bützowsche Manufacturen auf itzigem Fuße nicht bestehen können und werden, sondern die Manufacturiers wieder verlaufen müssen." Und dieser Gedanke beherrscht noch 12 Jahre später den Prediger Deschamps, da er im Hinblick auf seine traurige Lage um seine Entlassung bat. Jedoch ließ sich der treue Seelsorger bewegen, zu bleiben und harrte bis zu seinem 1730 erfolgten Tode bei seiner kleinen Gemeinde aus.

Einzelne Kolonisten strebten ebenfalls wieder fort. So bat im Juli 1707 ein Etaminmacher Pierre Tardiff, die Ansiedelung verlassen zu dürfen, da seine Frau, die er sich aus Berlin geholt, die Luft in Bützow nicht vertrage, allezeit unpäßlich sei, überdies ihre kränkliche Mutter in Berlin pflegen müsse. 1 ) Die Kammer gewährte seine Bitte und verlangte nur die Rückerstattung der auf ihn verwandten Unkosten, fügte aber im Uebrigen dem Bescheide die Bemerkung hinzu, "daß man hinkünftig den Franzosen nicht gestatten dürfe, Weiber aus Berlin zu nehmen, dann sie dadurch debauchiret würden." Die durch ihn verursachten Unkosten berechnete die Kammer in diesem Falle auf 50 Rthlr. Sie nahm die Hausmiethe für 4 Jahre zu 16 Rthlr. an, berechnete den Ausfall an Konsumtionssteuern in den sechs Freijahren auf 5 Rthlr. 32 Schillinge, und die 8 jährige Befreiung von allen "bürgerlichen Oneribus" offenbar zu etwa 28 Rthlr. Diese Rechnung wollte dem Franzosen nicht einleuchten; er entschuldigte sich mit seiner Armuth und bat um Ermäßigung des Betrages auf 30 Rthlr., versprach auch, falls die Gesundheit seiner Frau es gestatte, wieder nach Bützow zurückkehren zu wollen. Bemerkenswerth ist in seinen Ausführungen die Behauptung, daß er 120 Rthlr. baar nach Meklenburg mitgebracht und bei seiner Niederlassung zugesetzt haben wollte. 2 )

Schlauer fing es der Strumpfwirker Pierre Gineous an, der, weil er den Vorschuß von 30 Thalern zurückzuerstatten nicht im Stande war, mit seiner Frau, die eine Deutsche war, im Jahre 1709 heimlich nach Hannover entwich. Allerdings wurde er dort von der Polizei erfaßt und über seine Flucht verhört, aber die meklenburgische Regierung leistete Verzicht darauf, ihn zurückzunehmen, da aus der Kolonie berichtet wurde, daß Mann und Frau nicht in gutem Rufe ständen. "Und hat man ihnen die Schuld geben wollen, als wenn sie beiderseits Liebhaber von Brandwein wären."


1) Actenstücke Nr. 29, 30.
2) Actenstücke Nr. 30, 31.
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In die Zeit unmittelbar nach Begründung der zweiten Kolonie fällt ein Schreiben des Königs von Preußen, der den Herzog von Meklenburg ersuchte, sich der Flüchtlinge aus dem Fürstenthum Orange annehmen zu wollen. 1 ) Die brandenburgische Erbschaft des Ländchens Orange, mitten im südlichen Frankreich am linken Ufer der Rhône gelegen, kam im Jahre 1704 definitiv an Frankreich. Die Folge davon war, daß der größte Theil der oranischen Protestanten, die auf Grund des Edicts von Fontainebleau jetzt rechtlos wurden, Neigung zeigte, nach Preußen auszuwandern, dessen König sie als ihren rechtmäßigen Herrscher ansahen.

Der Präsident des oranischen Parlaments wandte sich mit der Bitte um Hülfe nicht vergeblich an König Friedrich I. Nicht nur, daß dieser eine Kollekte für die Orangeois veranstalten ließ, erklärte er sich auch bereit, sie in sein Land aufzunehmen und suchte offenbar ihrer Niederlassung anderswo ebenfalls die Wege zu ebnen. 2 ) Diesem Bestreben verdankt das erwähnte Schreiben des preußischen Königs seine Entstehung. Es wird in ihm gesagt, daß man in Brandenburg schon mit der "Subsistentz einer großen Anzahl frantzösischer Refugiirter, wie auch Wallonen und Pfältzer chargiret sei," und der Herzog daher ersucht, seinerseits mit einer "Beysteuer der Noth und Misere dieser armen vertriebenen Leute" abhelfen zu wollen.

Aus den Abgängen Einzelner auf unerträgliche Zustände in der Kolonie folgern zu wollen, wäre wohl voreilig. Die Ansprüche waren eben verschieden, die Acclimatisation für an andere Lebensverhältnisse gewöhnte Personen nicht leicht. Kein Wunder, wenn die Fremden wieder fortziehen wollten, falls sich an einem anderen Orte ein besseres Unterkommen bot.

An die Stelle der Abziehenden traten übrigens Andere. Wenigstens sind in den Acten verschiedene Anmeldungen und Gesuche um Niederlassung unter den gleichen Bedingungen, wie sie den ersten Kolonisten gewährt worden waren, enthalten. Ist auch nicht immer bemerkt, daß der Bitte Gehör geschenkt wurde, so ist es doch in der Regel gewiß der Fall gewesen, da es ja eben darauf ankam, Menschen heranzuziehen. So siedelte im Jahre 1704 ein Strumpfwirkergeselle Abraham Martineau aus Berlin mit Familie, 1707 ein Lohgerber Guillaume Missolle von Güstrow nach Bützow über. Im September 1705 bittet ein Weißgerber Jean Bicheur, der Kapital genug besitzt, seine Profession fortzusetzen, um Aufnahme, die bereitwilligst zugestanden wird. Im Jahre 1711 meldet sich ein französischer


1) Actenstücke Nr. 13.
2) Geschichtsblätter, 1. Zehnt, Heft 4, S. 41.
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Wollkämmer, der zugleich Winterstrümpfe zu scheren und zu walken weiß, und im October 1712 wollen vier französische Familien nach Bützow kommen, die aber freilich, "da mit Manufacturen bey jetzigen Zeiten wenig zu verdienen," um Zuweisung von Acker bitten. So fand sich für den Verlust bald Ersatz, und auch an Vorschlägen, die keine Berücksichtigung finden konnten, fehlte es nicht. So meldete sich 1705 ein Passementeur Jacque l-Anglois, der gegen 100 Thaler Vorschuß und 20 Thaler zur Aufstellung eines Stuhles, der Eigenthum des Herzogs bleiben sollte, alle Posamentier=Arbeit in Gold, Silber und Seide, die man bisher aus der Fremde bezogen hatte, zu leisten versprach. Noch größere Anforderungen an die herzogliche Kasse stellte Essaye Huot aus Berlin, der eine Gold= und Silber=Tressen=Fabrik in Bützow zu errichten bereit war und in einem umfangreichen Memorial seine Ideen auseinandersetzt. Er wollte 7 - 8 Arbeiter mitbringen, alles Werkzeug anschaffen, in 3 Monaten das Geschäft in Gang setzen und den Hof sowie Privatpersonen alle Zeit mit guter frischer Waare befriedigen. Dafür verlangte er aber ein ausschließliches Privileg für seine Anstalt, eine freie gute Wohnung, 10 jährige Abgabenfreiheit für alle an der Manufactur Betheiligten und einen Vorschuß von 2000 Thalern, von denen er nur die Hälfte allmählich zurückzuzahlen bereit war, die andere Hälfte als Geschenk aufgefaßt wissen wollte. Da war es wohl erklärlich, daß ihm geantwortet werden mußte: auf einen derartigen Vorschuß könne man keine Hoffnung machen.

Und nicht nur Franzosen, auch deutsche Gewerbetreibende erklärten auf die Kunde von der Eröffnung der Kolonie in Bützow ihre Bereitwilligkeit, sich derselben anzuschließen. Ein reisender Handwerksbursch, Joh. Christian Eisensen aus Kassel, wollte zwar, da er gehört, "daß Ihre Hochfürstliche Durchlaucht gnädigst gesinnet allerhandt professiones in Dehro Lande anzunehmen," in Schwerin sich als Strumpfwirker niederlassen, wurde aber bedeutet. nach Bützow zu gehen. Aus Lüneburg wurde ein Wandmachergesell, Abraham Dietrich Molle, nach Bützow berufen. Ein aus Meklenburg stammender Goldschläger, Tobias Eckhardt, war bereit, als "Hofgoldschläger" und mit einem Privileg nebst 200 Thalern Vorschuß wieder in seine Heimath zurückzukehren. Ein Berliner, Georg Christian Jänisch, erbot sich, da man ihm das Land Meklenburg sehr gerühmt habe - es habe alle Regalien und sei sonderlich reich an Wolle -, eine Tuchmacherei in Scene zu setzen.

Gerade dieses letzte Gewerbe hatte von jeher des Herzogs Aufmerksamkeit erregt. Da nun die berufliche Zusammensetzung der französischen Kolonisten in dieser Richtung nicht genügte, entschloß er

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sich, deutsche Tuchmacher zu berufen. Im October 1705 theilt der Herzog dem Bützower Amtsschreiber mit, daß er bereit sei, dieselben Zugeständnisse, welche den Réfugiés gemacht seien, auch deutschen Tuchmachern einzuräumen, d. h. Freijahre und 10 Thaler Reisekosten. So kamen denn, unter denselben Bedingungen wie die Franzosen, wie es scheint, aus Sachsen, 5 Tuchmacher und 1 Tuchscherer an und installierten sich in Bützow. Mit dieser Industrie hing die oben erwähnte Schauordnung zusammen. Allgemein war die Klage erhoben worden, daß der 30 jährige Krieg die früher blühende meklenburgische Tuchmacherei in Verfall gebracht und damit den Städten sehr geschadet habe. Ein undatirtes Memoire, welches "ohnvergreiffliche Gedancken das in denen Mecklenburgischen Städten zerfallen Gewercks der Tuchmacher und deßen Wiedereinführung betreffend" ausspricht, betont, daß man diese Handwerker von auswärts heranziehen, ihnen einige Freijahre zugestehen, sie mit Wolle versehen und den Tuchhandel ordnen müßte. 1 ) Wirklich ließ sich die Bützower Tuchmacherei Anfangs gut an. Der Licent=Inspector Pachasius Zander berichtet im October 1706, sie sei in solchem Zustande, daß man sich mit der Zeit einen guten Progreß versprechen könne. Aber bald entsteht auch bei den Deutschen Unzufriedenheit. Sie klagen, daß sie nicht wissen, wohin mit den Laken; man hätte ihnen versprochen, dieselben für die Montierung abzunehmen; aber das sei nicht geschehen, und obwohl sie bereit wären, sie billiger zu verkaufen als gewöhnlich, so fänden sie keine Abnehmer und hätten lange Zeit keinen Heller Geld im Hause gehabt. Später beschweren sie sich über die ihnen angewiesenen Wohnungen, die zu eng und nicht gut genug seien. Namentlich der Boden gewähre nicht genügenden Raum, um die Wolle darauf lagern zu können; statt der Miethe bitten sie den Herzog, Laken von ihnen annehmen zu wollen. Gerade diese Leute hatten nach der Specificatio vom Jahre 1707 ganz ansehnliche Geldvorschüsse erhalten. August Tiell hatte 235 Rthlr., Heinrich Schütt 253 Rthlr., ein dritter Tuchmacher 197 Rthlr., ein vierter 119 Rthlr. u. s. w. empfangen.

5.

Die gleichen Klagen, wie die deutschen Tuchmacher, erhoben auch die Franzosen und berührten damit einen Punkt, der wahrscheinlich die Hauptursache für die geringe Entwickelung der Kolonie gewesen ist. Die Gewerbetreibenden vermochten ihre Erzeugnisse nicht abzusetzen. Bützows Bevölkerung war wenig kauffähig; weitere Märkte zu besuchen, fehlte Zeit und Kenntniß. Es mangelte eben der Unternehmer


1) Actenstücke Nr. 36.
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oder Verleger, der die Handwerker auf seine Rechnung hätte beschäftigen und auf sein Risiko den Vertrieb der Waaren übernehmen können. Die Hutmacher können ihre Liverey "vnd Musquetirer=Hüte, die Strumpfmacher ihre Strümpfe, namentlich Mondirungs=Strümpfe für Grenadiere" nicht loswerden. In Güstrow, wohin sie sich mit ihren Waaren wenden, empfängt man sie unfreundlich, weil die dortigen Kaufleute aus Leipzig, Magdeburg und anderen Orten ihre Waaren zu beziehen gewohnt sind und diese Handelsverbindungen nicht abbrechen wollen. Der Hausierhandel beeinträchtigt den Absatz, und es bleibt den Franzosen nichts übrig, als gleichfalls mit ihren Erzeugnissen hausieren zu gehen, wozu sie aber wieder besonderer Erlaubniß bedürfen. Im August 1705 bitten sie den Herzog um das Recht zum Besuche aller Messen und Jahrmärkte im ganzen Lande. 1 ) "Mier armen Refugé, der große Mühe hat zu leben und mit högstem Fleiß sugett sich retlich zu ernehren", bittet der Hutmacher Pierre Lance, zu gönnen, daß er seine Waaren "in högst gedachtem hochfürstlichen lande verhandelen kann und mein stücklein brot retlich sugen mach, auch ungehindert reisen möge."

Diesem Uebelstande abzuhelfen, hatte der Herzog in Schwerin ein Magazin ins Leben gerufen, an dessen Spitze er den Pulvermacher Parruquier und Handelsmann Pierre Colla, gleichfalls ein Réfugié, stellte, und ihn mit der Aufgabe betraute, von den Bützower Manufacturisten Waaren zu bestimmten Preisen aufzukaufen und mit Gewinn im Publikum abzusetzen. Hüte, Strümpfe, Handschuhe und Etamin - das waren vorzüglich die Gegenstände, welche laut dem ihm gewordenen Auftrag Colla aufkaufen sollte. 2 ) Außerdem scheinen im Allgemeinen die meklenburgischen Kaufleute vom Herzog aufgefordert worden zu sein, den Réfugiés ihre Erzeugnisse abzunehmen. Indeß, es war leichter, Waaren aufzustapeln, als sie an den Mann zu bringen, und das Magazin war bald angefüllt mit den genannten Gegenständen, für die sich keine Liebhaber fanden. Nach einem Memorial des Colla vom August 1706 waren für 1821 Thaler und einige Schillinge Waaren der bezeichneten Art vorhanden und von Anfang November 1705 bis Ende August 1706 nur für 457 Thaler verkauft worden. 3 ) Daraus folgte dann, daß die Manufacturisten sehr lange auf Bezahlung warten mußten oder, was wohl noch schlimmer war, mit ihrem Angebot ganz zurückgewiesen wurden, wie es dem Hutmacher Pierre Almeras mit seinen 300 Militair= oder Dragoner=Hüten ging. 4 )


1) Actenstücke Nr. 20.
2) Actenstücke Nr. 21.
3) Actenstücke Nr. 24.
4) Actenstücke Nr. 27.
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Unter diesen Umständen ließ der Herzog im März 1706 einige Kaufleute aus Schwerin und Güstrow vor die Kammer rufen, um mit ihnen die beste Lösung der Absatzfrage zu erörtern. Colla schlug vor, daß die sämmtlichen meklenburgischen Kaufleute die in dem Magazin enthaltenen Waaren übernähmen, auf den Import fremder Waaren ein Zoll gelegt und das Herumziehen der Hausierer und Savoyarden wegen der Konkurrenz verboten werde. So sehr sie mit dem letzteren Punkte einverstanden waren, von den beiden ersten wollten sie nichts wissen. Seidenhändler Heyn und Hofschneider Franck aus Schwerin, Seidenkrämer le Plaht, Martiny und Burckey aus Güstrow - sie lehnten einstimmig die Anträge ab und versprachen nur, von den Farikanten in Bützow, sofern diese gute Gegenstände zu billigen Preisen liefern würden, Waaren nehmen zu wollen. Doch damit gab die Kammer sich nicht zufrieden. Man trug den genannten Kaufleuten auf, sich mit ihren Kollegen in den anderen Städten ins Einverständniß zu setzen. Es entspinnen sich nun monatelange Verhandlungen, bis die Kaufleute, in die Enge getrieben, nachgeben und die Waaren des Magazins zu übernehmen sich bereit erklären. Anfangs bitten sie dafür um das Recht, ihre auf der Leipziger Messe eingekauften Tücher und Stoffe zollfrei in Meklenburg einführen zu dürfen. Später stellen sie aber eine ganze Reihe von Bedingungen. Vor allen Dingen ist das Magazin aufzulösen und bitten sie, man wolle sie "in Gnaden mit dem Zumuhten" verschonen, Alles, was im Lande erzeugt werde, behufs Weiterverkaufs annehmen zu müssen. Das würde ihr Ruin sein. Ihren Handel mit Tüchern und Boyen wollen sie frei ohne Accise und sonstige Beschwer betreiben; Tuchmacher sollen nur ihre eigenen, nicht importierte oder fremde Tücher ausschneiden, Juden, Westfälinger und Savoyarden nicht hausieren dürfen. Wird ihnen dies Alles zugestanden, so sind sie bereit, die Magazin=Waaren zu einem angemessenen Werthe an sich zu nehmen.

Wirklich befahl der Herzog im Juli 1706 seinen Zöllnern in Waren, Malchin, Plau, Güstrow, Neustadt und Gadebusch bis auf Weiteres eingeführte Tücher, Boye und wollene Stoffe ohne Accise=Erhebung durchzulassen. Der Erlaß eines Verbots des Hausierhandels wurde für das Neujahr 1707 in Aussicht genommen und auch bei den übrigen Forderungen erhob die Kammer keine Bedenken. Dagegen wurden jetzt die Kaufleute, welche mittlerweile die Waaren besichtigt hatten, zaghaft. Die halbseidenen und wollenen Stoffe seien gänzlich aus der Mode und gar nicht mehr zu brauchen. Sie würden sie den Würmern zum Verderb hinlegen müssen. Die Sergen seien so schlecht, daß sie nicht eimnal gutem Rasch glichen.

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Aehnlich werden die anderen Waaren heruntergerissen. "Herzogl. Durchlaucht seien mit denselben dem uns dabey eröffneten Preyß nach, gar übel versehen undt beladen," und sie selbst würden vermuthlich zu ihrem größten Schaden sie erwerben. Als trotzdem der Vertrag zum Abschluß kommt, wollen die Vertreter die Waaren nicht gleich mitnehmen, unter dem Vorwande, daß sie nicht Geld genug bei sich hätten. Aber aller Widerstand hilft ihnen nicht. Sie erhalten 4 wöchentlichen Kredit und müssen mit den Waaren abziehen. Daß die einberufenen Vertreter des Kaufmannsstandes die Waaren nicht allein behalten konnten und wollten, lag auf der Hand. Daher wurde denn ein Verzeichniß aller meklenburgischen Kaufleute aufgestellt, und jedem nach der Größe seines Geschäfts Betheiligung zugemuthet. Bei der Durchführung dieser Repartition zeigten sich auch noch allerlei Schwierigkeiten. 1 ) Die Sternberger Kaufleute sträubten sich, weil sie nur mit "Hack" und "Nettlers Wahren," nicht auch mit Wollenmanufacturen handelten. Die Krämer in Neukalen betonen, daß ihr "Stedtlein nur ein geringer Ohrt sei vnd sie sich mehrentheilß mit ein weinich ackerbauw erhalten müssen." Neubukow erklärt, daß der Ort schlecht und nahrlos sei und von Hamburger und Leipziger Juden mit Waaren überschwemmt würde. Brüel erhebt Einspruch "weil an diesem geringen Ohrt nur 2 Nätler sein, die mit nichts anderes als ein wenig tähr vnd Thran, aber gar nicht mit Wollenmanufacturen handeln."

Endlich scheint das weitläuftige Werk doch beendet, die Repartition vollzogen worden zu sein und nur noch in dem Eingehen der Gelder einige Schwierigkeit sich gezeigt zu haben, da Colla im October 1706 klagte, daß er noch nicht aus allen Städten Geld erhalten hätte.

Indeß mit diesem einmaligen Ausverkauf des Magazins war die Absatzfrage für unsere Réfugiés nicht als gelöst zu betrachten. Vielleicht gerade deshalb, weil sie sich eben mit Waaren hatten versehen müssen, oder aus anderen Gründen, weigerten sich die Kaufleute, den Bützow-schen Manufacturisten ihre Fabrikate abzunehmen, und diesen blieb kein anderer Ausweg, als am 12. Januar 1707 dem Herzog ihre Noth zu klagen. Sie meinten, daß ihre Erzeugnisse nicht schlechter wären als diejenigen, welche die Kaufleute aus dem Auslande bezögen, und baten den Herzog anzuordnen, daß die Kaufleute von ihnen kaufen sollten, damit das Geld, so sie aus dem Lande senden, im Lande bleiben müsse. Der Herzog sah die unbehagliche Situation der Franzosen vollkommen ein und keine 8 Tage verflossen, da erging, in ziemlich ungnädigem Tone gehalten, ein Patent an alle


1) Actenstücke Nr. 25.
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meklenburgischen Krämer, den Bützow-schen Kolonisten ihre Erzeugnisse unweigerlich abzunehmen. 1 ) Mit großen Unkosten und Mühen sei zum Besten des Landes die Manufactur an Hüten, Tüchern, Boyen, Strümpfen, Stoffen u. m. begründet, und nun wollte die Kaufmannschaft von ihr nichts wissen. Der Herzog verlangte eine unumwundene Erklärung, ob man sich seinen Anordnungen fügen wolle oder nicht. Wenn man auf seine Wünsche nicht Rücksicht nähme, so drohte er "harte imposten" auf die Einfuhr auswärtiger Waaren, falls solche im Inlande gleichfalls hervorgebracht würden, legen zu wollen. In längerem Schreiben versuchen die bestürzten Krämer jede Schuld von sich abzuwälzen. Sie nehmen in Abrede, den Ankauf ihnen angebotener Waaren verweigert zu haben, und nennen 2 oder 3 der ihrigen, die Dutzende von Strümpfen, Handschuhen, Hüten gekauft hätten. Was ihnen an Tüchern vorgelegt sei, wäre nur Ausschuß gewesen. Die besseren Stücke hätten die Tuchmacher selber ausgeschnitten. Sie bitten den Herzog, sie nicht zu zwingen, den Fabrikanten alle ihre Waaren abzukaufen, denn das wäre noch schlimmer als das Magazin, das sie zu ihrem größten Schaden einmal weggekauft. Was gut und preiswürdig sei, wären sie gerne bereit, den Bützowern abzunehmen. Den Rest könnten dieselben ja im Lande hausierend vertreiben.

Wir wissen leider nicht, was der Herzog hierauf geantwortet hat, da die Acten an dieser Stelle versagen. Zum Aeußersten, zu den Importzöllen, hat er es nicht kommen lassen, und das wäre doch das einzige gewesen, wodurch man den französischen Gewerbetreibenden hätte helfen können. Die meklenburgische Bevölkerung fand an den inländischen Erzeugnissen keinen Geschmack und hielt sich bisher auf den Messen an die fremden Händler oder wenigstens die fremden Waaren. Die inländischen Krämer stellten auch die gleiche Güte und Beschaffenheit der inländischen Fabrikate und der Ausländischen in Abrede; die Gewerbetreibenden behaupteten sie. Die Kaufleute zu zwingen in einer Zeit, wo der Handel notorisch litt, wo die Städte, die sich noch einigermaßen hielten, wie Güstrow und Parchim, mehr und mehr zurückgingen, sich mit schwer absetzbaren Waaren zu beladen, bot nicht viel Aussicht auf Erfolg. Aber das Publikum durch Zölle und hohe Preise auswärtiger Fabrikate zum Gebrauch der einheimischen Producte zu erziehen, wäre zweckmäßig gewesen. Doch Friedrich Wilhelm, so wenig wie seine Nachfolger, konnte sich zu diesem Schritte, der allerdings manche Interessen verletzt hätte, entschließen.


1) Actenstücke Nr. 28.
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Wenige Nachrichten nur haben sich über die Kolonie in den folgenden Jahren in den Acten erhalten, die aber immerhin erkennen lassen, daß man an maßgebender Stelle fortfuhr, sich für ihre Mitglieder zu interessieren. Im Jahre 1739 glaubte einer der Hugenotten, der Kupferschmied Jacques Bernard, sich über die Konkurrenz, die ihm ein Berufsgenosse in Güstrow bereitete, beschweren zu müssen. Sein Vater Daniel, der zu dieser Zeit der Aelteste in der Kolonie und lange Mitpächter des Bauhofs gewesen war, ersuchte die Herzogin=Wittwe Sophie Charlotte, sich in dieser Angelegenheit beim regierenden Herzog für ihn zu verwenden, und diese war sogleich bereit dazu. In Anerkennung der Tüchtigkeit der Bittsteller: - "daß diese Leute jederzeit einen guten und anständigen Wandel geführet und die Aufnahme der Colonie in alle Weise mit befördert" - befürwortete sie, im Hinblick darauf, daß in Artikel 15 des Edicts von 1699 das "freie Exercitium erlernter Professionen" zugesichert sei, das Gesuch. Der Herzog gestand daraufhin in der That das erbetene Privileg zum alleinigen Betriebe zu, obwohl in dem angezogenen Paragraphen gar nicht von einer ausschließlichen Berechtigung die Rede ist, sondern nur schlechthin die Erlaubniß zum Betriebe von Gewerbe und Handel ertheilt wird. 1 )

In demselben Jahre drohte der Kolonie ein nicht unerheblicher materieller Verlust. Es hatte nämlich am 3. Februar 1725 ein gewisser Abraham Köhler in Rostock der reformierten Gemeinde ein Kapital von 500 Reichsthalern geschenkt, das der Frau Katharina Dorothea Knesebeck, geb. Schwederin, geliehen worden war. Die 25 Thaler Zins, welche diese zahlte, erhielt der Prediger. Nun machte die Schuldnerin Bankerott, und die Kolonie bat daher den Herzog am 11. Mai 1739, dahin Sorge tragen zu wollen, daß ihr das Vermögen nicht verloren ginge. Der Herzog war wohlwollend genug, sofort 2 ) deshalb an den Rostocker Rath zu schreiben, der aber erst vier Wochen später zu antworten Zeit fand. 3 ) Die Antwort lautete dahin, daß es fraglich sei, ob die Knesebeckschen Kinder die Schulden ihrer Mutter anerkennen würden, und daß man deshalb an das hochfürstliche Land= und Hofgericht appellieren müsse. Was aus der Angelegenheit geworden, entzieht sich unserer Kenntniß.

6.

Auf diese Weise konnte die französische Kolonie einen ihrer wesentlichen Zwecke nur unvollkommen erreichen. Für die Hebung


1) Vergl. Actenstücke Nr. 4, Artikel XV.
2) 22. Mai 1739.
3) 27. Juni 1739.
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des gewerblichen Lebens in Meklenburg ist sie von Bedeutung nicht geworden und von durchschlagendem Erfolge waren ihre Bestrebungen nicht gekrönt. Bützow ist eine gewerbereiche Stadt nicht geworden und viel Anregung zu weiterer Entfaltung von Industrien im Lande von ihr keinenfalls ausgegangen.

Ein unverhältnißmäßig großer Theil der Réfugiés gab überhaupt den Gewerbebetrieb auf und wandte sich der Landwirthschaft zu, indem sie Taback und Waid bauten. Schon im Jahre 1703 hatten 7 Franzosen zusammen 95 1/2 Scheffel Acker mit Taback und Waid bestellt. Für Manchen derselben war der Bau des Tabacksfeldes zunächst nur Nebenbeschäftigung, aber in dem Maße, als die Absatzschwierigkeiten für ihre gewerblichen Erzeugnisse wuchsen, wandten sie sich mehr und mehr der Tabackskultur zu. Zu den sieben haben sich bis zum Jahre 1706 fünf andere Réfugiés hinzugesellt, und alle zusammen bewirthschaften 178 Scheffel Acker gegen eine jährliche Pacht von 1 Thlr. 8 Schill. pro Scheffel. Nach einer, möglicher Weise freilich nicht ganz zuverlässigen Statistik waren im Jahre 1707 von 36 selbstständigen Gewerbetreibenden der Kolonie nicht weniger als 11 Tabackpflanzer. Die Gruppierung der Kolonisten nach ihrem Berufe zeigt folgende Erwerbsthätigkeiten:

Seiden= und Wollenweberei . . . 1
Tuchmacherei 1
Färberei 1
Weißgerberei 1
Wollkämmerei 1
Schmiederei (Specialitat: Strumpfstühle) 1
Tischlerei 1
Maschen= und Strumpfstrickerei 2
Schneiderei 2
Schuhmacherei 2
Handschuhmacherei 2
Hutmacherei 3
Strumpfweberei 3
Etamin= und Kreppweberei 4
Tabacksbau (einer auch gleichzeitig Waidbau) 11

Die Ländereien, die die Tabackpflanzer bewirthschafteten, gehörten zum sogenannten Bauhof, den Amtmann Roland gepachtet hatte. Als dessen Pacht im Jahre 1711 erlosch, wurde von der Kammer der ganze Bauhof den Franzosen verpachtet, von denen 6 den Vertrag im Namen der übrigen und gegen die Verpflichtung abschlossen, allen noch etwa kommenden Réfugiés Aecker zu einem bestimmten Preise zur Verfügung zu stellen.

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Indeß selbst mit dem Tabacksbau wollte es den Kolonisten auf die Dauer nicht glücken. Der Gewinn, den sie muthmaßlich zuerst erzielten, reizte Viele zur Nachahmung, und so wurde die Konkurrenz zu groß. Hausierer erschwerten mit demVertrieb auswärtiger Tabacke den Absatz des Bützow-schen, und die in Dömitz, Schwerin, Plau, Waren, Malchin wohnhaften Tabackspinner zogen die Verarbeitung fremder Tabacke vor. Auch diese Kolonisten klagten demnach über Mangel an Absatz, beispielsweise noch im Jahre 1721 dem Herzog Karl Leopold, der indeß kaum in der Lage gewesen sein wird, hierin Wandel zu schaffen. 1 ) Gegen 1770 treten nur noch zwei Réfugiés als Pächter auf, und im Jahre 1780 erhält Müller Hillemann die Pacht des Bauhofes. Damit war dann diese Verbindung mit der französischen Kolonie ebenfalls gelöscht, und die Spuren des einstigen Tabackbaues sind verwischt.

Bei allen diesen wenig ermunternden Erfahrungen gab man doch an maßgebender Stelle den Gedanken nicht auf, vermuthlich durch die Erfolge anderer Länder angeregt, durch die Hugenotten etwas für die Entwickelung des Gewerbewesens zu erreichen. Im Jahre 1751 forderte der Herzog Christian Ludwig den Vorsteher und die Aeltesten der Kolonie auf, sich darnach umzusehen, ob sie noch einige der in Deutschland herumziehenden Landsleute für Bützow gewinnen konnten. Herr Delagarde schlug daraufhin vor, daß man nach verschiedenen Orten schreiben, den Fremden Reisegeld bewilligen und gewisse "Promessen" für die Niederlassung in Bützow machen müsse. Die Kammer, die sich gutachtlich zu äußern hatte, war ebenfalls geneigt, auf die Pläne des Herzogs einzugehen, und betonte nur, daß es darauf ankäme, Wollspinner und Wollarbeiter zur Niederlassung zu bewegen. Delagarde schrieb dann in der That in diesem Sinne einige Briefe; aber die Zeit war längst vorüber. Man verfolgte in Frankreich die Protestanten nicht mehr, und die in Deutschland ansässig gewordenen waren nicht mehr wanderlustig, sondern blieben an dem Orte, wo man sie zuerst freundlich aufgenommen hatte.

Wer heute in Bützow den Spuren der französischen Kolonie nachgeht, findet wenig. Der Gottesacker, der lange Zeit die französischen Todten aufnahm, ist als Privateigenthum in einen blühenden und grünenden Garten verwandelt worden, nunmehr in der Stadt, früher vor dem Thore. Die französischen Familien sind bis auf zwei ausgestorben, die aber von dem Berufe ihrer Vorfahren sich abgewandt haben, und deren Mitgliedern man die fremdländische Abstammung kaum noch ansieht. Wenige wissen überhaupt noch von


1) Actenstücke Nr. 34.
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der Niederlassung der Franzosen zu erzählen. Nur das Kirchenhaus, in bekannter Schlichtheit gehalten, bezeugt uns die Fortexistenz der reformierten Gemeinde, die indeß zur Zeit wenig mehr Mitglieder als im Anfang des vorigen Jahrhunderts umfaßt.

Bei alledem ist es kein unrühmliches Blatt der meklenburgischen Geschichte, das vorstehend aufgeschlagen ist. Immer wird es unserer Landesgeistlichkeit zur Ehre gereichen, daß sie der freien Ausübung der Religion nahestehender Andersgläubiger kein Hinderniß in den Weg gelegt hat. Weder in älterer noch in jüngerer Zeit haben die Reformierten je Ursache gehabt, sich über Bedrückungen, die an anderen Orten auf die Dauer doch nicht ausblieben, zu beschweren. Vor allen Dingen aber muß das Vorgehen des Herzogs unsere volle Sympathie haben. Zu einer Zeit, wo über die Erfolge der Niederlassungen in anderen Ländern noch wenig Erfahrungen vorlagen, geht er unerschrocken daran, eine solche in seinem Lande zu versuchen. Obgleich er der materiellen Opfer, die er wird bringen müssen, sich bewußt ist, auf manche Reibung und Verdrießlichkeit von vornherein gefaßt sein muß, besinnt er sich keinen Augenblick, seinerseits den Bedrängten beizustehen. Um so lieber glaubt er es thun zu dürfen, als er in richtiger Würdigung und Erkenntniß dessen, was seinem Lande fehlt, hofft, die gewerbliche Thätigkeit zu größerer Entwickelung durch sie bringen zu können. Wenn dieser Plan sich nicht in seinem ganzen Umfange verwirklichen ließ, wenn aus allen Bestrebungen verhältnißmäßig geringe Früchte erwuchsen, so trifft deshalb doch nicht den Urheber die Schuld. Wer die volkswirthschaftlichen Zustände von damals im Lichte der heutigen Erfahrung betrachtet und die Fehler wahrnimmt, die gemacht wurden, hat es leichter, die ganze Unternehmung zu beurtheilen, als derjenige, der mitten in den Verhältnissen lebte. Schon der bloße Versuch, sie in Scene zu setzen, verdient unsere Bewunderung, denn er zeigt uns den Monarchen Allen voran, für neue Ideen eintretend. Der Gedanke zu dem Friedrich Wilhelm anregte, - die Hebung des gewerblichen Lebens in Meklenburg - er hat auch die kommenden Generationen beeinflußt, und schließlich darf nicht übersehen werden, daß die Hauptsache war, den Vertriebenen eine Zuflucht zu bieten. Die Belebung der Industrie, die von ihnen erwartet wurde, stand in zweiter Linie.

~~~~~~~~~
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Actenstücke.


Sämmtliche nachstehend veröffentlichten Stücke stammen, soweit sie nicht schon gedruckt sind und hier nur wegen ihrer Seltenheit noch einmal im Zusammenhange aufgenommen wurden, aus dem Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archiv in Schwerin. Die Schreibweise ist unverändert die der Originale. Die meisten Stücke habe ich selbst copiert; einige, nämlich die Nummern 1, 2, 13, 14, 29, 30, 31, 33, verdanke ich der gütigen Bereitwilligkeit des Herrn Archiv=Registrators Jahr. Die Datierung ergiebt sich in vielen Fällen aus dem Vermerk auf den Acten.

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1.

Bürgermeister und Rath der Stadt Bützow erbieten sich zur Aufnahme der Hugenotten - 1683, Juli 24.

Durchleuchtigster Hertzog, Gnädigster Fürst undt Herr.

Ew. Hochfürstl. Durchl. müßen wier unterthänigst hinterbringen, wie daß wier in gewiße erfahrung gebracht, alß solte eine zimliche anzahl von denen auß Franckreich vertriebenen Reformirten Vorhabens gewesen seyn, sich in Rostock niederzulaßen und ihre Handthierung; alda zu treiben, welches ihnen aber wegen ein und anderer darzwischen gekommenen Verhinderniß mißgelungen seyn soll. Nun erinnern Ew. Hochfürstl. Durchl. Sich gnäigst, wie Sie schon vordem durch anziehung solcher undt dergleichen frömder Nationen diesen sehr nahrlosen und in letzten Zügen liegenden Ort wiederum aufzuhelffen gnädigst intentioniret gewesen, auch überdem zu verschiedenen mahlen unß anbefohlen auf Vorschläge bedacht zu seyn, auf was art die wüsten plätze wieder aufzubauen und also die Stadt in einen beßeren Standt, wie sie anitzo leider ist, gesetzet werden möchte.

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Demnach ersuchen Ew. Hochfürstl. Durchl. wier gantz unterthänigst, Sie geruhen nach Dero hohen Vermögenheit eß dahin gnädigst zu vermitteln, daß diese leute, fals sie noch bey der Hand und ferner belieben tragen in diesem Lande zu verbleiben, sich alhie niederlaßen mögen, angesehen sie an diesem Ort ebensowol alß in Rostock oder sonsten wo ihre Handthierung treiben können, auch zu dem raum undt platz alhie gnug finden, und wie man vermeinet, daß ein guth theil derselbigen auß Tuchmachern bestehen soll, haben sie zu ihrer beßern bequemligkeit die Walckmüel bey der Hand, welches sie sonst so leicht an einem andern Ort nicht finden werden. Wie nun dieses zu Ew. Hochfürstl. Durchl. eigenem interesse, auch dieser wüsten Stadt zur aufnahm undt wollfahrt gereichet, alß getrösten wier unß gnädigster Erhörung stets verharrende

Ew. Hochfürstl. Durchl.
Bützo d. 24. Julij
Anno 1683.
  unterthänigste getreue und
gehorsahmste Diener
Burgermeister und Raht alhie.

2.

Herzog Christian Louis I. ermuntert die Stadt Bützow, Schritte zur Aufnahme der Hugenotten zu thun - 1683, Juli 30.

C. L.

Ehrsahme, liebe getreue, Unß ist der Gebur nach referiret worden, was ihr wegen der Vertriebenen Reformirten auß Franckreich, daß sich diesselbe alda in der Stadt niederlaßen mögen, unterthänigst angezeiget und im Vorschlage gebracht. Wir geben darauff zur gnädigsten Andwort, daß ihr Euch erkundigen, woselbsten sothane exulanten sich itzo auffhalten, und wann ihr solches erfahren habt, ihre Vorschläge von ihnen vernehmen und davon sofort zu fernerer Unser Verordnung unterthänigst referiren sollet. Darnach p.

Schwerin d. 30. Jul. 1683.

M. P. v. B.

An die supplicanten.


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3.

Edict wegen der Aufnahme der Hugenotten in Meklenburg - 1698, October 24.

Nach einer im Schweriner Archiv vorhandenen gedruckten Vorlage.

Nous Fridrich Guillaume par la grace de Dieu Duc de Mecklenbourg, Prince des Vandales, de Sverin & de Ratzebourg, Comte de Sverin, Seigneur des Terres de Rostock & de Stargard, Faisons sçavoir à tous, que Nous avons accordé à Salomon Jordan à ses instantes prières & très humbles remonstrations la grace, d-établir une colonie des refugiés François dans notre pais, aux conditions svivantes.

1. Nous permettons à Salomon Jordan de procurer à ce dessein, s-il est possible, des familles riches et qui ont de quoi fournir aux autres, ce qui leur est necessaire: S-il on n-en sçauroit trouver si aisées, il a à choisir des gens, qui y sont habiles & necessaires & dont la pluspart sçavent travailler en lin & en laine.

2. Nous ferons bâtir une grande maison capable de tenir trente Familles, & nous donnerons à chacune de celles une poöle & une chambre: au milieu de cette maison nous ferons faire une grande Sale, pour y pouvoir tenir leur devotion. Elles y demeureront pendant six ans, sans payer aucun louage, & elles seront exemptes de toutes les tailles pendant ce temps là. Si la dite maison n-estoit pas encore achevée à leur arrivement, nous leur donnerons des habitations à la ville & à la Schelffe, & nous en payerons pour eux le louage. Nous comprenons aussi dans ces privileges, outre les dites trente familles, d-autres, qui ont envie de s-etablir icy & qui sont necessaires à la colonie; neantmoins qu-elles ne viennent pas, avant qu-on les ait demandé & qu-on leur en ait ecrit. S-il y en, qui veuillent bâtir elles mêmes, on leur assignera des places libres & on leur fournira sur la place du bois & pierres, &e en ce cas elles jouiront d'immunité pendant dix ans.

3. Nous accommoderons au commencement pour preuve quatre familles à la campagne & nous les aiderons du bois & d-autre choses necessaires à batir, en quoi les pa?sans aussi les assisteront. Nous leurs donnerons aussi des terres & quelques bêtes, á labourer & cultiver les dites terres & le Tabac, avec la promesse, quand nous verrons leur capacité,

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d-en établir encor d-autres. Cellescy auront aussi toutes les immunités pendant six ans.

4. Salomon Jordan aura soin de chercher deux parties de ces trente familles, qui sçavent travailler en laine, & l-une, qui peut faire du lin, ce que nous laisons à sa direction & à sa dexterité.

5. Nous donnerons deux cent écus, outre les logemens, sçavoir une poöle & une chambre à chacun, pour l-entretien d-un ministre & d-un maitre d-Ecole, qui fera aussi l-office de Diacre.

6. Elles s-obligeront par serment et par ecrit, à nous étre fideles, en cherchant notre profit & notre interest & en détournant ce, qui est contraire à cela, & à ne pas quiter ce pa?s aprés les dix ans d-Immunité passés, à moin qu-elles n-ayent demeurés aprés autant d-années, qu-elles en ont joui d-exemption. En foy de quoi nous avons signé ces presentes & sçellé du cachet de nos armes.

Fait à Sverin le 24 d-Octobr. 1698.

Fridrich Guillaume. (L. S.)


4.

Edict wegen der Aufnahme der Hugenotten in Meklenburg - 1699, August 1.

Nach einer in der Rostocker Universitäts - Bibliothek, Nr. 4060 (18) vorhandenen gedruckten Vorlage.

Declaration de Son Altesse Serenissime Monseigneur Frederic Guilleaume, Duc de Meqvelbourg, Prince des Vandales, Sverin et Ratzebourg, Comte de Sverin, Seigneur des Terres Rostock et Stargard en Faveur des Francois Protestans Refugiez.

Nous Frederic Guilleaume, Par La Grace De Dieu Duc De Meqvelbourg, Prince Des Vandales, Sverin Et Ratzebourg, Comte De Sverin, Seigneur Des Terres Rostock Et Stargard à tous ceux, qui ces presentes verrons, Salut.

Ayant apris, qu-il y a une infinité des persones, qvi sortent tous les jours de France pour cause de Religion et qui cherchent des lieux propres à pouvoir s-establir, pour servir Dieu selon les mouvements de leur consciences, nous, meu de

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compassion et de charité, avons bien voulu les secourir et leur procurer à l-exemple de plusieurs Princes Protestans de l-empire des établissements dans nos états et les y faire subsister sous le benefice de diverses privileges, dont la teneur s-ensuit.

I. Nous avons resolu d-établir les dits Francois, qui voudront venir habiter dans nos etats, à Butzow, qui est une ville située au milieu du pais, voisine de Lubec, Hambourg, Rostoc et Wismar et de la mer baltique, d-ou l-on peut facilement negotier en Dannemarc et en Suede comme aussi en Prusse, Livonie, Curland etc.

II. Nous promettons aux Francois, qui viendront s-établir dans nos pais, et à tous leur descendants le libre exercice de la Religion reformée et l-usage de leur discipline sur le pied, quel est recû dans le pais de Brandenbourg.

III. Nous promettons aux dits Francois refugiés, de leur entretenir un Ministre et un Chantre, auxquels nous donnerons des apointements suffisants pour leur entretien, nous reservans seulement le droit, de confirmer le dit ministre dans sa vocation.

IIII. Pour finir toutes les Disputes, querelles et procés, qui pourroient survenir parmi les dits Francois refugiés, nous ferons choix d-une persone eclairée de la méme nation, que nous établirons dans la Colonie en qualité de Directeur, et qui aura soin de les accomoder ou de juger des Differents, qui pourroient survenir entr-eux.

V. S-il arrivoit, qu-un Allemand eut quelque Dispute ou Procés avec un Francois, le Directeur Francois établi en jugera conjointement avec le Baillif du lieu ou telle persone, qu-il nous plaira de nommer.

VI. Pour prevenir toutes sortes d-injustice et de partialité, nous établirons un de nos Conseillers pour premier Directeur, au quel on se pourvoira en dernier ressort, et qui tachera d-aceorder les parties à l-amiable, mais qui pourtant fera son rapport à notre grand conseil des choses les plus importantes.

VII. En cas que la colonie, que nous voulons établir, vint à s-augmenter, nous permettrons aux dits Francois refugiés, de s-établir des officiers particuliers pour le Commerce, comme Conseillers des negoces, Echevins, Sergeants et autres. pourvu que ce soit de notre Scû et Consentement.

VIII. Nous permettons aussi aux dits Francois, d-avoir des Maitres d-ecole, pour apprendre et instruire la jeunesse.

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IX. Nous declarons et promettons, de regarder les dits Francois Refugiés sur le pied de nos autres sujets et en cette qualité les admettre, eux et leur Descendans, à tous les droits, privileges et prerogatives, dont jouissent nos sujets naturels.

X. Leur Pasteur et Officier, que nous aurons établi parmi eux, jouiront des ménes avantages et immunitez, dont jouissent ceux du méme Character parmi nos sujets naturels.

XI. Les Francois Refugiés pourront disposer des leur biens, soit par Testament, soit par Donation ou autrement, de la méme manière yue nos sujets naturels.

XII. Comme nous voulons faire tout nótre possible, pour faciliter l-établissement des dits Francois, nous leur promettons une exemption de toutes sortes de Droits, Charges, impots, courvées pendant l-espace de six ans à conter du jour de notre Declaration, apres quoy ils seront obligé de contribuer sur le pied de nos autres sujets.

XIII. Toutes les Marchandises, que les Francois, qui voudront s-établir dans notre pais, apporteront avec eux, comme aussi toutes celles, que ceux, qui sont établis, voudront faire sortir, seront franches des Douanes et peages pendant les six années de Franchise.

XIIII. Pour faciliter le debit des marchandises, qui se fabriqueront par les dits Francois, nous promettons de nous en servir preferablement à celle des pais etrangers.

XV. Nous permettons l-établissement de toutes sortes de manufactures, professions et arts, et donnons à tous la liberté de negotier selon les Loix du pais et de commerce.

XVI. Nous aurons soin d-assigner des maisons à tous les Francois, qui viendront, dans lesquelles ils pouront habiter pendant l-espace de quatre années, sans payer aucun louage, pourvû qu-il paroisse, que ce soient des gens utiles à la Colonie.

XVII. A ceux, qui voudront batir des maisons, nous leur fairons sentir nos graces à l-egard des materieaux et avec cela dix années de Franchise pour la maison, pour le reste ils demeureront sur le pied des autres Francois.

XVIII. Au cas que des laboureurs ou gens, qui travaillent la terre, veulent venir s-établir dans nos pais, nous leur assignerons des terres, qu-ils pourront cultiver, planter du Tabac, et nous leurs donnerons les materiaux necessaires, pour batir des maisons dans les lieux, qui leurs seront assignées, avec la Franchise de dix années pour les maisons, qu'il batiront.

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XIX. Nous promettons de plus aux dits laboureurs, de les assister de bestiaux, pour cultiver leur terre, comme chevaux ou boeufs, et de les en faire jouir quatre années de Franchise, à condition, que, le terme étant échû, ils nous rembourseront la valeur des dits bestiaux selon l-estimation, qui en aura été faite, et seront obligées aux mémes charges que nos autres sujets, ou bien à payer la somme, dont on sera convenu, selon la quantité de terre, qui leur aura été assignée.

XX. On leur assignera avec des terres des paturages, ou ils pourrout faire paitre leurs bestiaux en toute liberté.

XXI. On établira les dits laboureurs auprés de Butzow, afin qu-ils ayent la facilité de pouvoir se rendre dans les assemblées de devotion, qui se tiendront dans la dite ville.

XXII. Pour faciliter aux Francois le moyen de travailler, nous leur promettons la preference de la vente de laine du pais, en les payant au pris courent.

XXIII. Nous assignerons outre les lieux, ou les dits Francois pourront faire l-exercice de leur religion, un cemetiere, ou ils pourront enterrer leur morts, en toute liberté et selon leur pratique ordinaire.

XXIIII. Enfin notre volonté est, d-accorder aux Francois Refugiés toutes Franchises, Libertez et Immunitez pendant l-espace de six années et de dix pour ceux, qui batiront des maisons, à condition, yu-ils nous presteront le serment de fidelité des leur arrivée dans le pais et qu-ils se conduiront sagement et qu-apres le terme echû des dites Franchises ils payeront les mémes Droits que nos autres sujets, à moins yu- il ni fut derogé par une Declaration particuliere de notre part. Promettans pour nos et les Princes nos Successeurs de faire executer la dite Declaration.

Fait à Sverin le 1 Aoust l-An- 1699.

Frederic Guilleaume. (L. S.)


5.

Beschwerde der Ritterschaft des Schwerinschen Fürstenthums über die Entziehung von Handwerkern - 1700, April 28.

Durchl. Hertzog, gnädigster Fürst und Herr.

Alss Ew. Hochfürstl. Durchl. zu Restabilirung des Bützowischen Stadtwesens verordnete commissarii unter andern aus unsern

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gütern die handwercker nach Bützow citiren lassen, auch wier bey densenselben unß der uhrsachen halber erkündiget, auch zur antwort erhalten, daß sie vom lande geschaffet werden und sich in die stäte begeben solten, so berichten Ew. Hochfürstl. Durchl. wier hiedurch, daß die wenigen handwercker, so wier auff unsern gütern haben, zum theil unsere unterthanen und dabey miserabel sind und sonsten ihr brodt nicht erwerben können, theils auch in unsern diensten stehen oder auch schuhlmeister sind und also nicht abgeschaffet werden können. Dannenhero leben wier der unterthänigen zuversicht, Ew. Hochfürstl. Durchl. werden solches in ungnaden nicht vermerken. Wier verbleiben Ew. Hochfürstl. Durchl. gesamte Ritterschaft deren Schwerinschen Fürstenthums. Bützow d. 28. April 1700.


6.

Verzeichniß der in Bützow und Schwerin angesiedelten Hugenotten - 1700, Mai 1.

Verzeichnüß derer heute den 1. May anno 1700 in Bützow befindlichen Frantzösischen Refugirten nach ihren Nahmen Alter undt Prefessionen.

1. Jean Aimieu sind zwey Etaminmacher und compag=

2. Pierre Tardieu nons miteinander, noch junge unbeheyrathete Leute, können aber auch Tuch und andere Zeuge machen, sind in Sprevitzen Hause, die aber solches Hauß aufgesaget, daher sie auf Johannis anderwerts untergebracht werden müssen.

3. Jeremie Vial, ein Strumpfmacher, hat eine Fraw, ein Kind und 2 Gesellen, wohnt in dem erkaufften und reparirten Hause.

4. Louis du Tour, auch ein Strumpfmacher, hat eine Fraw, kein Kind und 1 Gesellen, wohnt in demselben Hause.

5. Pierre Armeras, ein Hutmacher, hat eine Fraw, ein Kind und 1 Gesellen, wohnt auch dorten,

6. Louis Guyon, ein Tuch=Serge und Bojen auch Raschmacher; ist allein und wohnt in Warckenthins Hause.

7. Louis Tapernon,ein Etaminmacher, so aber auch andere Zeüge und Tücher machen kan; hat eine Fraw und hier erst kürtzlich hochzeit gehalten, in demselben Hause.

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8. Eine Wittwe, Boullets genandt, ist gantz allein und ernehret sich mit Brandweinschencken und ein bisgen Hökerey. Ist in Gildemeisters Hause, da sie eine Stube hat, so aber auch aufgesaget ist.

9. Jean Masseron, ist ein Färber, ein Tuch= Zeug= und Etaminmacher, hat eine Fraw und 5 Kinder, davon das älteste 10 Jahr alt ist, logirt in des Connestable Nimroths Hause.

10. David Mauran, 1 Fraw und 1 Kind. Er ist ein (Etaminmacher und kan allerhand Seide und Wollen.

11. Claude Prot, ein Wollkämmer, hat 1 Fraw und 3 Kinder, logiert in Claes Vahlen Hause.

12. Bastian Audy, Wollkämmer, hat 1 Fraw und 1 Kind, logirt in Reppihnen oder Königs Hause.

Diese beiden klagen, daß sie nichts zu thun haben, dann die andern ihre Wolle selbst kämmen. Von Ackerbau wollen sie ungern Profession machen, können sich aber mit nichtes einrichten.

13. Isaac Chaix,ein Tabacspflantzer, hat 1 Fraw, 1 Kind, wohnet in Rosenowen Hause und hat einen Cameraden, der heist Jean Brocs.

14. Borset, 1 Wollkratzer, hat nichts zu thun; ist ledig.

15. Salecru, ist Küster und Etaminen= auch Sergenmacher und ist fleißig, ist ledig. Diese Beede sind in Kirchhofs Hause.

16. Colomps, Etaminmachergesell, arbeitet bey Jean Aimieu et Tardieu. Vid. sup. n. 1. 2.

17. Abraham, Wollkämmer bey Vial dem Strumpfmacher.

18 Julien, ein Bauer zu Tarnow, hat 1 Fraw und einen Vetter bey sich; so ihm hilfft; kombt guet zurecht.

In Sverin sindt:

19. Charles François, ein Schuster, hat 1 Fraw und 1 Kind.

20. Pierre Croset, ein Handschuhmacher, hat 1 Fraw und 2 Kinder.

21. Pierre Tourrès, ein Parugvenmachergesell, sucht jetzt andere Condition.

Zu obigen kombt der reformirte Prediger Monsieur Durand nebst Frawen und Cesinde, und berichtet derselbe, daß den ersten Ostertag ihre Gemeine weit über 100 Persohnen angewachsen gewesen, dann damahl viele Frembde hie aus dem Lande, auch aus Pommern und Wißmar sich hie angefunden.


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7.

Verzeichniss der Mitglieder der französischen Kolonie in Bützow - 1701, August 10.

Mémoire touchant la colonie françoise de Butzeau, faità Butzeau le 10 d-Août 1701.

1. Mr. Deschamps Pasteur 1  
2. Mr. Salomon Jordan, a une femme & quatre enfants 6  
3. Jaques Duclos, maitre teinturier, a femme & deux enfants 4  
4. Pierre Almeras, maitre chappelier, a femme & un enfant avec un compagnon 4  
5. Jean Arnal, maitre chappelier, a femme & deux enfants avec un compagnon 5  
6. Jeremie Vial, manufacturier en bas, a femme & un enfant avec six compagnons 9  
7. Louis Dufour, manufacturier en bas, a femme & deux compagnons 4  
8. Jean Masseron, maitre serger & etaminier, a femme & cinq enfants 7  
9. David Mauran, maitre etaminier, a femme & un enfant 3  
10. Louis Tapernon, maitre etaminier ou serger, a femme & un enfant avec deux compagnons 5  
11. Jean Eymieu & Pierre Tardieu, associez manufacturiers en serges & en etamines, ont deux compagnons 4  
12. Honoré Duplan, ouvrier en laine, a une femme Jean Dugat, ouvrier en laine, a une femme & un enfant 2  
13. Jean Dugat, ouvrier en laine, a une femme & un enfant 3  
14. Isac Chais, tabaquier, a femme & deux enfants 4  
15. Daniel Bernard, tabaquier, a femme & un enfant 3  
16. Jean Broue, tabaquier, encore garçon 1  
17. Jacques Roux, tabaquier, a femme & un enfant 3  
18. Claude Julien, tabaquier, & laboureur à Tarnau, a une femme & un enfant, un associé & un compagnon 5  
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19. Pierre Berieu, maitre fondeur, a sa femme 2  
20. Louise Roume, fileuse 1  
21. Charles, maitre cordonnier, a sa femme & une enfant a Swerin 3  
22. Pierre Thourez, perruquier, a un frere & un associé nommé Massein, aussi a Swerin 3  
En tout 82 personnes.

8.

Schreiben des Predigers der reformierten Gemeinde in Bützow, Deschamps an den Minister Grafen Horn in Angelegenheiten der Kolonie - 1703, April 23.

Monseigneur. Je prends encore la liberté, de supplier V. Excellence pour la reponse, que le drappier françois attand depuis environ trois mois sur les propositions, qu-il a faittes de fabriquer ici toutes sortes de draps moyennant, qu-on lui fasse construire et fournir toutes les machines propres à son art, qu-on lui avance une cinquantaine de quintaux de laine, qu-il remboursera en marchandises quelques années apres sans interet, et que Son Altesse Seren. ait la bonté, de prendre argent comptant les draps par préference pour habiller ses troupes et ses domestiques et qu-enfin on fasse mettre en état la maison du tirage des bourgeois avec le louage franc pendant six ans et dix années de franchise. Je doutte, que jamais prince ait établi une telle manufacture dans son pays sans accorder de telles graces, et j-espère, que, si Son Altesse veut dien ne pas refuser celles ci, elles ne seront pas perdues, ni inutiles non plus que celles qui ont été faittes à nos autres manufacturiers, lesquels les ont déjà payées en partie à Mr. Zander ou sont tous bien en état de les rendre en argent ou en marchandise, quand on voudra. Comme je compte toujours sur les bontez, que V. Exc. me fit l-honneur, il y a pres de deux ans, de me temoigner ici pour l-avancement de notre colonie, si necessaire et si utile dans ce pays, je ne puis m-empecher de lui representer que pour la faire fleurir d-une maniere, qui fasse honneur et qui apporte du profit à S. A. S., il est de la dernière importance 1) que l-on etablisse la drapperie 2) que le sieur Jordan, qui attire cette fabrique, comme il a procuré toutes les autres,

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ait pour ses peines et pour celles, qu-il se donnera de plus en plus à l-avenir, la pension, qu-il attand depuis si longtemps comme une faveur, dont on a toujours récompensé ceux, qui ont fondé des colonies. 3) que l-on nous adresse a quelque personne du conseil pour la surintendance de nos affaires, monsieur Varenius ne pouvant guere s-en meler. 4) que selon la première déclaration de S. A. S. en faveur de nos réfugiez, sur laquelle ils sont venus, on leur laisse la franchise des logements pour six ans et non pas simplement pour quatre 5) que la cour ait la bonté de favoriser le débit des ouvrages de nos deux bons chapeliers et de ceux des douze metiers de bas, que nous avons, qui ne peuvent se soutenir sans celle. 6) que l-on assigne des terres de S. A. ou des terres d-eglise, dont il y a ici quantité que les bourgeois ont a raison de 12 s. par cheffel et qu-ils afferment à nos gens a raison de deux becus la meme mesure, à plusieurs familles de tabaquiers qui rempliront bientôt ce pays de tout le tabac necessaire sans qu-il faille l-y fair venir d-ailleurs. Si V. Exc. goutte les considerations et qu-elle daigne les appuyer aupres de S. A. S., ce sera le moyen d-encourager nos gens a se batir des maisons ici et a s-y fixer avec une entiere certitude. Je prie tres humblement V. Excellence de me pardonner cette longue lettre et d-agréer que je l-assure toujours d-être avec beaucoup de respect Monseigneur de V. Excellence le tres humble et tres obeissant serviteur.

A Butzeau le 23 d-avril 1703.

Deschamps.


9.

Salomon Jordan an den Grafen Horn - ca. 1703.

A son Excellence Monseigneur le compte de Horn,
   premier president du conseil privé de S. A. S.

Monseigneur. Je prens la liberté d-adresser ces lignes a votre E. pour la suplier tres humblement d-ordoner, que l-on finisse mon conte jusques a le jourdhuy a celle fin, que je puisse me retirer à Butzeau en diligence y estant necessaire pour les resolutions, qu-il faudra prendre pour l-advancement de la colonie.

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V. E. aura la bonté de considerer que depuis quarante jours, que je suis parti de Butzeau, mon absence ne peut manquer de porter un grand préjudice, en sorte que s-il plait à V. E. de me rendre responsable de payer le blé ou autres choses pour ceux qui n-auront pas le moyen.

Je supplie V. E. d-ordonner a l-advenir, que j-aye un pouvoir absolu pour distribuer la laine et autres choses à ceux que je trouveray à propros d-autant plus que l-on me rabat sur mon conte, argent, oû blé plus de 60 risd., que je n-ay point fait bailler.

Il est a souhaiter sans perdre du temps d-avantage, si V. E. est toujours dans la volonté d-establir la laine que j-ay proposé, voici justement le temps, qu-il faut prendre, avant qu-on coupe les laines pour la provision de toute l-année, de manière que s-il V. E. veut me laisser entierement conduire cet affaire, je travailleray de tout mon coeur pour la faire reussir en mettant les choses sur un pié, qu-on puisse faire un fondement solide. Voilà le sentiment de la personne, qui se dit et se dira toute sa vie avec un profond respet de Votre Excellene Monseigneur

  le tres humble, le très obeissant
et tres fidele serviteur
Salomon Jordan.

10.

Ehrenerklärung der Mitglieder der französischien Kolonie in Bützow zu Gunsten des Salomon Jordan - 1703, August 30.

A Son Altesse Serenissime Monseigneur le Duc de Mecklembourg.

Nous les François de la colonie de Butzeau ayant appris, qu-on accuse le sieur Salomon Jordan d-avoir voulu la transporter ailleurs hors des etats de Son Altesse Serenissime, prenons la liberté de luy declarer tres humblement n-avoir point estés sollicités par luy ny directement ny indirectement a quitter ce pays, mais assurons au contraire, qu-il n-attendoit que sa pension pour nous procurer le débit de nos ouvrages et divers moyens de nous soutenir de plus en plus; cest ce quy fait que nous supplions Son Altesse Serenissime d-affermir par la dite pension le dit Jordan au millieu de nous, affin qu-il

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nous puisse continuer ses soins, quy nous sont tres utilles et necessaires, promettant tous ensemble a Son Altesse Serenissime, que nous ferons toujours tous nos efforts pour ne pas nous rendre indignes de ses graces et pour vivre comme ses plus fidelles sujets et continueront tous ensemble nos voeux au ciel pour la conservation de la sante et bonne prosperité de la Sacrée Personne de Son Altesse Serenissime et de Toute Son Auguste Maison.

Jean Harnal. Dupuys. Jeremie Vial. Jean Eymieu.
Pierre Lance. Louis Tapernons. Pierre Tardif. Louis Dufourt.
Ysac Chaix. Duclos. Isaac de Voucienne. Chaber.
Jean Brou. Daniel Roussell. Dauid Mauran. Jean Bourget.
Horie. Carle. Jean Martin. Daniel Baratier. Gourand.
Pierre Poncet. Abranniel. Daniel Bernard. Roux.

Je prends aussi la liberté d-attester à S. A. S. avoir toujours vu le dit Sr. Jordan dans les sentiments marquer par cette suplique. A Butzeau ce 30 d-Août 1 ) 1703. Deschamps.


11.

Schreiben der Madame Jordan an den Grafen Horn - c. 1703.

A Son Exellence Monseigneur le comte d-Horn.

La Jordan inplore la bonté et le quité de votre excellence, pour quil soit permis a son mari de vivre dans ce pays avec la meme liberté qu-auparavant, sans y etre regardé comme un homme, quil en faut chasser comme dangereux pour la colonie apres tant de soins et de penes, qu-il a prises pour la fonder. La supliante demande très humblement pour luy la grace d-etre reconu pour un homme, qui n-a jamais voulu trahir les interes de S. A. S. et qui, quoy qu-il n-ait pas eu de train ni d-équipages, a toujours taché de faire les choses en honeur et en consiance et les auret misses sur un meilleur pied, en amenant ici un plus grand nombre de familles, s-il avoit eté plus favorisé. La supliante est avec un profont respect Monseigneur de votre excellence la tres humble et tres obeisante servante la Jordan.



1) Auf S. 95 unten ist statt 30. April zu lesen: 30. August.
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12.

Edict wegen der Niederlassung der Hugenotten in Meklenburg - 1703, September 24.

Nach einer in der Rostocker Universitäts=Bibliothek - Mk. 7590 - vorhandenen gedruckten Vorlage.

Beschreibung derer favorablen Conditionen, So Des zu Mecklenburg, Schwerin und Güstrau, Regierenden Herren Hertzogs / Hoch=Fürstl. Durchl. Denen zu einer zweyten Colonie in Bützau sich angebenden Frantzösischen Refomirten Flüchtlingen gnädigst accordiret / Anno 1703 d. 24. Septembris.

Von GOttes Gnaden Friedrich Wilhelm, Hertzog zu Mecklenburg / Fürst zu Wenden / Schwerin und Ratzeburg / auch Graff zu Schwerin / der Lande Rostock und Stargard Herr.

Thun hiemit kund allen und jeden / absonderlich denenjenigen Fabricanten, so künfftig in Unsern Landen kommen werden / wie Wir gesonnen / gleich wie andere Teutsche Fürsten und Herrn Unserer Nachbahrschaft / durch Errichtung einer neuen Colonie Unsere Lande Volckreicher zu machen / und solche im besseren Stande, als wie Sie vor diesen gewesen, zu setzen / nachdemmahlen Wir abmercken, wie solche durch die Gnade GOttes von Natur dazu sonderlich beqvem und gelegen seind; umb dann solches Unseren Landen heylsahmes Vorhaben ins Werck zu setzen, haben sich unterthänigst angegeben drey Frantzösische Kauffleute / als JacobVignole, Alexandre Flavard, und Nicolaus Gentien, welche Uns vorgestellet 50 Frantzösische Familien in diese Lande zuführen / wovon der meiste Theil Handwercker / so Wolle verarbeiten / seyn sollen / wobey sie dann expresse verheissen / daß gemelte Familien schlechter Dinges und zu erst aus Franckreich oder den Ohrten, wo Sie vertrieben worden / kommen sollen: Also daß sich dieselbe nicht unter einen anderen Herrn vorhero niedergelassen / noch unter dessen Protection einige beneficia genossen haben; so sich aber dennoch einige dergleichen finden mögten / sollen sie nicht recipiret merden / es sey dann, daß sie mit einem gültigen Pass versehen wären / zumahlen Unser Absehen vornemblich dahin gehet / daß gemelte Familien aus redlichen / auffrichtigen und untadelhafften Leuten bestehen m[Fußnote]ssen. Damit dann diese höchstangelegene Sache einen bessern Fortgang gewinne / so sind mit obgemelten drey Frantzosen folgende Conditones und Puncten verabgeredet:

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1. Umb denen 50 Familien die benötigte Unkosten zu ihrem transport ertreglicher zu machen / so soll einer jeden Familie 10 Reichsthaler / und nicht weniger denen 3 Kauffleuten jedem 30 Reichsthaler geschencket werden / welches Geld sie alsofort / wann sie sich in Güstrou angeben / von Unsern Ober=Hauptmann und General - Major von Bergholtz zu empfangen haben.

2. Soll die gantze Colonie zu Bützau auffgerichtet werden / woselbst Wir unter Verordnung und Anweisung gemelten Unsers Ober Haubtmanns 25. Häuser wollen bauen lassen / dergestalt daß in jedem Hause zwey Familien wohnen können / was deßwegen die 3. Kauffleute betrifft / mögen dieselbe auff Unsern Schloß zu Bützau / wie Wir es ihnen anweisen lassen / und es am beqvemesten seyn / wohnen.

3. Sollen allen Familien, so bald sie sich hie im Lande angeben / in Güstrau / Schwan oder Bützau Wohnungen angewiesen werden / woselbst sich sich das erste Jahr und biß ihre Häuser erbauet / auffhalten können / ohne daß sie schuldig seyn sollen, Heuer oder andere Aufflagen davor abzutragen.

4. So bald die Häuser in Bützau erbauet sind / wird ihnen noch auff die 6 ersten Jahr die Qvartiers Freyheit gestattet / also daß sie deswegen nichts zu bezahlen haben / jedennoch erlegen sie die Accise oder ordinaire Consumptions=Steur / als wozu sie sich von selbsten erbohten.

5. Uber dehm sollen sie frey seyn von allen Aufflagen und Beschwerden / so wol was ihre Persohnen als Güther angehet / insonderheit geniessen sie die Freyheit aller Wahren und materialien, so sie zur Arbeit gebrauchen / imgleichen so sie albereit verfertiget haben oder bringen lassen / dergestalt daß sie davor innerhalb und vor Verlauff 6. Jahren nichts bezahlen. Nachdehm aber die 6. Jahr vorbey sind, sollen sie gehalten seyn / alle onera gleich wie andere Unterthanen und Bürger abzutragen.

6. Imgleichen sind sie gleich wie Unsere andere Unterthanen und Bürger in alle dehm, was ihre Gewerbe zu Wasser und Lande angehet / zu consideriren / und geniessen alle Freyheiten / Privilegien und Sicherheiten auff dem Fues / als solche Unsern andern Unterthanen und Bürgern gnädigst gestattet werden.

7. Erlauben und gestatten Wir der Colonie zu bestimten Zeiten das freye exercitium der Reformirten Religion Krafft einer darüber verordnenden Constitution. Wie dann so lange die Colonie nicht in dem Stande, daß sie eine Kirche bauen könne / der grosse Saal auff dem Schloß zu Bützau verwilliget werden soll / in welchen die andere Frantzosen / so jetzo in Bützau

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sind, ihren Gottesdienst halten / wann aber die Colonie dergestalt mit der Zeit zunimmet und in den Stand kömpt / daß eine Kirche von Ihr erbauet werden könne / So gestatten Wir darzu von nun an die Freyheit / und wollen einen Platz darzu anweisen lassen / nicht weniger einen Orth zum Kirchhoff / als welchen Wir ihnen beständigst zu eigen überlassen / und umb den Kirchbau zu befordern / sollen dazu einige materialien gereichet werden. / Wir verheissen auch der Colonie einen Prediger zu halten / und densellen / nebst freyer Wohnung Jährlich mit 250 Reichsthaler zu salariren / welchen zu wehlen die Colonie freye Macht haben soll / nur daß Wir uns die Confirmation vorbehalten. Was den Cantor anlanget / so ist albereit einer in Bützau / welcher den Dienst zugleich bey der neuen Colonie zu verwalten hat.

8. Soll die neue Colonie, so wohl was ihre Religion als Gewerbe betrifft / von niemand als bloß von Uns dependiren / in dessen wird solche unter Verordnung Unseres Ober=Haubtmanns und General - Majors von Bergholtz errichtet.

9. Wie dann nun ferner die oberwehnte 3 Kauffleute nach aller Möglichkeit dahin zu sehen haben / wie das Beste und Aufnehmen der Colonie möge befordert werden / und sie nicht weniger verbunden und schuldig sind, dahin zu trachten / daß die verfertigte Wahren verkaufft werden / und also aus einer Hand in die andere gehen mögen / (jedennoch daß auch die Handwercker gute / tüchtige / gangbahre und unthadelhaffte Wahren verfertigen), So gestatten Wir denen obgedachten drey Kauffleuten aus sonderbahre Gnaden / so wohl en gros als in Stücken zu handeln / und allerhand Kauffmannschafft mit den Wahren, so sie von den Handwerckern der Colonie kauffen / zu treiben / daneben ihnen der Titul als Hoff=Kauffleute gnädigst beygeleget wird / also daß sie auff Unsere Commission / welche ihnen dazu gegeben werden soll / allerhand Sorten von Brocade, Goldenen / Silbernen / Seidenen und Wollenen Etoffen, brodirte Kleider und dergleichen / ohne Vorschuß aus der ersten Hand kommen lassen / und vor einen raisonablen Preiß an Unsern Hoff lieffern mögen / mit dem Bedinge / daß wann die Wahren und etoffen nicht anständig / die Kaufleute gehalten seyn sollen / solche wieder zunehmen / und Uns deßwegen keine Unkosten anzumuhten / und damit dann schließl. und

10. Diese Colonie desto füglicher errichtet werde / so wollen Wir auff alle Wahren, so ins Land gebracht werden / als Strümpffe / Hüthe / Wollene Stoffen / Tücher / Toback und dergleichen / Aufflagen setzen / umb dadurch nicht allein dem Verkauff der Wahren

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zu befördern / sondern auch mehr Leute einzuführen / jedoch mit dem Bedinge, daß vorhero sattsahme Wahren im Lande verfertiget seyn müssen / um Unsere Unterthanen damit zu versehen. Die Fabricanten der Colonie sollen auch gehalten seyn, junge Leute aus Unserem Lande / so zur Arbeit geschickt / und darzu Lust bezeugen / als Gesellen und Lehrjungen anzunehmen / zu welchem Ende Wir eine Verordnung / gleich wie in dem Brandenburgischen / außgeben wollen / damit solcher gestalt die Lehrlinge gesichert seyn / und wissen mögen / wie sie sich gegen ihre Meisters aufzuführen haben / und gute disciplin gehalten werde / auch dergestalt die Colonie von Tagen zu Tagen wachsen und ansehnlicher werden möge. Wie Wir dann alle solche Conditiones, welche in diesem offenen Patent gesetzet / allen den jenigen / so tüchtige Leute und noch hinkünfftig dieser Colonie sich zuzufügen Belieben tragen / gnädigst accordiren. Als Wir demnach solcher gestalt mit gemelten 3. Frantzosen dieses errichtet / und obige articulos in allen Puncten accordiret haben / so haben Wir solche auch jedermänniglich, so hier an part nehmen / kund machen / und sonderlich denen 50 Familien, so die 3 Frantzösische Kauffleute introduciren werden / offentliche notice davon ertheilen wollen. So geschehen Rostock den 24. Sept. Anno 1703.

Friedrich Wilhelm. (L. S.)             


13.

König Friedrich I. von Preußen an Herzog Friedrich Wilhelm von Meklenburg wegen Unterstützung von Flüchtlingen aus dem Fürstenthum Orange - 1704, Mai 28.

Von Gottes gnaden, Friderich König in Preußen, Marggraff zu Brandenburg, des heyl Röm. Reichs Ertz Cämmerer und Churfürst, Souverainer Printz von Oranien, zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berg, Stettin, Pommern, der Caßuben und Wenden, auch in Schlesien zu Croßen Hertzog, Burg Graff zu Nürnberg, Fürst zu Halberstad, Minden und Camin, Graff zu Hohenzollern, der Marck, Ruppin, Ravensberg, Lingen, Meurs, Buhren undt Lehrdam, Marquis zu der Vehre und Vlißingen, Herr zu Ravenstein, Lauenburg und Bütow, auch Arlay undt Breda pp. Unsere Freundschafft und was Wir mehr liebes und gutes vermügen zuvor, Durchleuchtiger Fürst, freundlich lieber

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Vetter. Ew, Lbd. ist sonder weitleufftige Vorstellung bekand, was vor Drangsaalen und Verfolgung die arme Evangelisch - Reformirte Einwohner in dem Fürstenthum Orange erlitten, und wie selbige mit Hinterlaßung ihrer Haab und Güther fast nackend und bloß der Religion halber das bittere Elendt zu bauen und sich in das exilium zu begeben gezwungen worden. Nun seyndt diese arme Leuthe im verwichenem Jahre in nicht geringer Anzahl in der Schweitz angelanget, und, weilen das Landt dieselbe wegen des engen Begriffs und Bekandten Korn=Mangels nicht mehr ertragen und unterhalten kan, im Wercke begriffen, sich nach Unsern Landen zu begeben. Wir können auch diese umb der Religion Willen vertriebene Leuthe aufzunehmen Uns umb so viel weniger entbrechen, als Sie durch die auf Uns rechtmäßig verstamte Succession des Füürstenthumbs Orange ohne dem bereits unter Unserer Bothmäßigkeit gehören. Nachdem aber zu derselben Unterbringung, und umb Ihnen insgesambt zu ihrer Subsistenz, Hahrung undt Unterhalt, einem jeden nach seinem Stande und Condition, zu verhelffen, ein großes erfordert wirdt, Wir auch ohnedem mit der Subsistentz einer großen Anzahl Frantzösischer Refugijrten, wie auch Wallonen und Pfältzer Uns chargiret befinden; So setzen Wir zu Ew. Lbd das volkommene Vertrauen, es werden dieselbe Dero Bekandten pietät nach die Noth und Misere dieser armen vertriebenen Leute mit zu Hertzen nehmen, und Sie in selbiger mit einer Beysteuer aus Dehro Landen subleviren helffen: Allermaßen Wir dan auch zu dem Ende in Unsern Landen eine gute Summe Geldes aufzubringen im Werck begriffen seyn. Wir haben dannenhero mehrermeldte Orangische Refugijrte Deroselben aufs Kräfftigste hiedurch recommendiren und dieselbe anbey freundvetterlich ersuchen wollen, Ihnen Dero Hülffe und Gutthätigkeit vermittelst einer erkleklichen Steuer angedeyhen zu laßen, welches Sie zu ohnaufhörlichen Gebeth für Dero Wollfarth und beglückte Regierung veranlaßen wirdt, Wir aber bey allen Vorfallenheiten mit mutueller Freündschafft zu erwiedern Uns angelegen seyn laßen werden, Die Wir Derosselben zu deren Erweisung stets geflißen verbleiben. Geben Schönhausen den 28 ten May 1704.

    Ew. Lbd.
(gez.) freundtwilliger
Friderich R.
An
den Hertzog von Mecklenburg=
Schwerin, wegen der orangischen
Refugijrten.
         
Pfr. Fuchs.

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14.

Generalmajor Bergholtz in Güstrow an die Kammer wegen der Vorbereitungen zur Aufnahme der Hugenotten in Bützow - 1704, August 13.

Wohlgeborne Hochzuehrende Herrn OberHaubtmann
Geheime Cammer= und CammerRähte.

Auff dehren an mich abgelaßenes geehrtes schreiben ertheile zur dinstl. Nachricht, daß, wan es mit der gar geringen Anzahl der vorhandenen Frantzosischen Familien albereit sein bewenden haben möchte, die angewandte Mühe übel compensiret wehre, im Gegentheil finde ich, daß die anschaffung der Familien am leichtesten seyn wird, wan wir nur vorhero auff eine Aert und Manier solche zu recipiren und unterzubringen bedacht sind, wozu dan die Wohnungen vornehmlich erfordert werden. Dahero werden meine Hochgeehrte Herren selbst ermeßen, wie unumgänglich die Fortsetzung des Baus erfordert wird. Den so lange keine Hauser erbauet sind und zur Manufactur keine andere Anstalt als bishero gemacht ist, sehe ich nicht, wie wir glücklich reussiren konnen, zumahlen wen die familien hin und wieder zerstreuet und nicht an einem Oert angewiesen werden konnen, Serenissimo nicht allein zur last sind, sondern es wird sich auch eine gute familie hieher zu begeben Scheu tragen. Dannenhero finde ich höchst nöhtig, daß mit der Anfahrung des Holtzes aus der Rühnischen Gegend allerdings continuiret werde. Hingegen konte man in anderweitiger Zufuhr bis zu Sr. Hochfürstl. Durchl. Gott gebe glücklichen retour und also fernerer gnedigster Verordnung menagiren.

Was mein sentiment wegen Fluvard und Gentien betrift, so finde ich nicht, daß dieselbe nach billiger Erlegung der empfangenen transportgelder ferner auffgehalten zu werden meritiren. Wollen dieselbe sich aber anheischig machen und auff einige Weise Sicherheit stellen, gute familien ins land zu bringen, so werde ich nimmer zuwieder seyn, daß ihnen ein beneficium accordiret werde, und wil, was meine Hochgeehrte Herrn Serenissimo profitable zu seyn einhellig achten, nur gefallen laßen, den en particulier habe ich ihnen nichts versprochen, sondern Sie vielmehr angewiesen, Sich der Hochfürstl. declaration gemeß aufzuführen. Wolten Sie auch zur anschaffung 50 familien sich mehr anheischig machen, als Sie albereit laut der declaration unterthenigst verbunden sind, so wird auch solches keine große

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Sache seyn, zumahlen ich, wie albereit erwehnet, familien ohne Unterscheid her zu bringen gar leicht achte, es sey den, daß Sie gute familien einführen und sich dadurch ein beneficium erwerben wollen, sonsten haben Sie sich nicht weiter recommendiret, als daß Sie eine Racaille hergezogen, wovon albereit 3 desertiret. Was Sie sonsten in erhobener Klage wegen der acciss vor Fug oder Unfug haben mögten, indehm solche der gestalt reguliret, daß darin schier alle onera begrieffen und sie solcher gestalt keiner privilegien sich zu erfreuen haben, davon werde ich mündlich mit meinen hochgeehrten Herrn zu reden Gelegenheit nehmen, welches albereit geschehen währe, wen mich nicht einige Tage her angehaltene übele disposition abgehalten hätte, indeßen verharre ich

Meiner Hochzuehrenden Herrn OberHeubtman
Geheime=Cammer= und Cammer=Rehten
Schuldigst undt Dienst ergebenster
(gez.) v. Bergholtz

Güstrou d. 13. Aug. 1704.


15.

Bericht der beiden Kaufleute Alexander Flavard und Nicolai Gentien über die Bedingungen, unter denen eine Niedelassung von Hugenotten in Meklenburg erfolgen könnte, nebst einem Verzeichniss der Familien, die durch ihre Vermittelung bereits in Meklenburg sich befänden - 1704, August 22.

Alexandre Flavard et Nicolas Gentien marchands a Butzau deziran de s-afermir dans cest estat et d-j atirer des familhies et bonne manufature et aiant reçeu permission expresse de vos Exellances de doner leurs propositions les plus propres a faire rehusir leurs entreprizes, c-est pour cella, qu-ils presantent les propositions suivantes.

1. Que eux et toutes les familhies qu-ils ont fait ou fairont venir, seront establies sous les mesmes droits et privileges contenues dans la patante de ceux de la premiere colonie et qu-ils ne composeront que un mesme corps avec eux et que chaque familhie recevra a son arivée aiant des bons temoig-

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nages la somme de dix risdaller, que messieurs de la chambre leurs fairont conter en pur doun.

2. Qu-il soit establi un magazin au dit Butzau soubs la conduitte des dits Flavard et Gentien, qui sera asorti de plusieurs sortes de leines propres a leur manufature. et c-est pour cella qu-ils supplient Vos E. E. de leur accorder en leine du pais jusques a la somme de deux mille risdaller de la quelle somme ils seront cautioné et en peieront les intherests au quatre pour cent pandant six années. apres lequel temps ils s-obligent de rendre le capital.

3. Qu-il soit accordé franc au dits Flavard et Gentien une maisoun propre pour leur manufature et magazin et que Ihors qu-ils voudront se batir des maizons, qu-il plaize a la cour, de leur accorder la place, le boix et materiaux necessaires.

4. Que tous les ouvriers propres a travalier la terre pouroun s-etablir avec les mesmes droits et privileges ci dernier et que l-on leur balhiera a rante perpetuelle les terres a un juste prix, que messieurs de la chambre fiseront.

5. Qu-il leur soit permis de fair tirer une lotterie composée de plusieurs marchandizes jusques a la valeur de dix mille risdaller, qui sera composée le plus avantageusement qui sera possible.

6. Et comme les dits Flavard et Gentien ont esté obliges de faire beaucoup de fraix pandant une année et qu-ils seront encore obliger d-en faire d-avantage pour atirer de bonnes familhies, ils demandent en grace particuliere. qu-il plaize a la cour de leur accorder pour les indamnizer le bien de campagne qu-ils ont demandé avec la faculté des courvées pour dix années de franchise, apres lequel temps ils en peieront la rante ficxe a perpetuité comme ils conviendront a present et si la ditte terre ne se put pas doner, ils supplient la cour de leur en accorder un autre a la place proche de Butzau ou bien qu-il ait la bonté de les indamnizer en argean ou leine du pais.

Ils supplient messieurs de la chambre de mettre fin a cette affaire et de leur accorder tousjours leurs puissante protession.

Rolle des familhies, qui sont venues par le mojen de Alexandre Flavard et Nicolas Gentyen:

Monsieur Secheaie, son epouze et un enfan, faizant le pastel et autres tintures;

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Monsieur Theophille de Moreau, seigneur de Debrose, gentilhomme cest pour faire valoir de terres;

Monsieur Breis et sa femme, manufaturier comode et faisan travalier a son propre ;

Le sieur Ginjoux et sa femme, ouvrier en leine;

Armand, sa femme, un enfant, ausi ouvrier en leine;

Nouvel, cerurier, faisant les metiers de bas, aiant un garsoun;

Nouvel, son frère, teinturier habille;

Curj, sa femme et enfan, menuzier;

Seisé, gantier, sa femme et enfan;

Un boutonnier Guerin avec sa femme;

Un tanneur Dussi avec femme et enfans;

Monsieur Gentien et sa femme;

Flavard, sa femme et sept enfans.


16.

Beschwerde des David Seiehaye über Schaden, welchen Rindvieh auf seinem mit Waid bepflanzten Acker angerichtet hat - 1704, October.

Messeigneur.

David Seichehaye represente avec resped à vos Excelance qui luy est arrivé un grand domage par sept beuff qu-il a trouvé mardy 14 me octobre sur sa piesse de pastel qui long tout mangé. Le dit Seichehaye a fait conduire les sept beuff a la bauhoff. Le suppliant espere de vos Excelance iustisse sur son domage etant la segonde foit, que le domage luy arrive, et le supliant n-est point en estat de suporté un si grand perte.

D. Seiehaye.


17.

Die Kaufleute Flavard und Gentien tragen dem Herzog von Meklenburg die Bitte vor, ihre Landsleute in der Weise unterstützen zu wollen, wie er versprochen - 1704, September 3.

A Son Altesse Serenissime Monseigneur le Duc Regnant de Meklembourg.

Alexandre Flavard et Nicolas Gentien represantent tres humblement à Son Altesse Serenissime qu-aiant heu l-honeur

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de Lui presanter a Butzau une supplique pour obtenir une reponce a celles qu-ils ont heu l-honeur d-adresser a vostre Altesse Serenissime, soit par la voie de la chambre que par celle de monsieur le secretaire privé Douve, ils demandent tres humblement a. V. A. S. la grace de les tirer a presant de la facheuze incertitude, ou ils sont despuis plus d-un an sur leur etablissement, et qu-il plaise a S. A. S. de leur accorder leur demande estant fort peu considerable pour un si grand prince puis qu-elle ne consiste que a mille escus en argean ou en leine du pais ou bien a la place de cette somme la jouissance pandant dix années de deux oufs 1 ) de terre avec la faculté des courvées. Les supplians sont venus expres de Butzau pour avoir la reponce qu-ils atandent tousjours de la faveur singuliere et de la generosité de vostre A. S. afin qu-ils puissent travailler plus utillement a faire venir comme ils ont desja fait plusieurs autres bonnes familhies et y faire flurir la colonie et ils continueront leurs veux les plus ardents pour sa prosperitte comme estant avec le plus profond respet ses tres humbles obeissans et tres fidelles sujets.


18.

Die Kaufleute Flavard und Gentien ersuchen den Präsidenten des Geheimen Raths, von Varenius, ihre Eingabe beim Herzog unterstützen zu wollen, und unterbreiten ihm ein Verzeichniss der Hugenotten - Familien, die auf ihre Veranlassung nach Bützow gekommen wären - 1704, Sep-tember 3.

Très humble supplique à Monsieur de Varenius.

Monsieur. Nous vous supplions tres humblement d-avoir la bonté de nous procurer au plustost une favorable resolution de S. A. S. sur les justes demandes, que nous avons faittes. Vous saves mousieur, depuis combien de temps nous sommes en souffrance non sulement par le manque a la promesse de 6000 risd. pour quatre années sans intherest, qui nous fut faitte en pleine chambre par le directeur establi par S. A. S., mais ausi pour les grands fraits, que nous avons fait et faisons


1) Hufen.
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tous les jours, despuis que messieurs de la chambre nous ont ordoné par une patante en datte du 25 mai dernier de nous doner passiance nous assuran, que nous serions satisfaits si bien qu-a tous egards, nos demandes ne sauroit estre plus justes et nous ne doutons pas, que la cour, qui n-a pas reffuzé de rattifier toutes les promesses, que le dit directeur a faittes suivant le pouvoir, qu-il en avoit reçeu de la part de S. A. S., ne laisera pas sans effet celle ci faitte de la propre bouche de messieurs de la chambre, nous vous prions bien humblement monsieur, de vouloir representer toutes ces choses a. S. A. S. et la supplier pour nous d-avoir la bonté d-i avoir esgard et de nous tirer au plustost de cette malheureuse incertitude par une derniere et favorable resolution, vous assuran monsieur, que de quelle maniere, que la cour s-esplique la desus, cella nous sera mieux que de vivre comme nous vivons, et soies persuadé monsieur, que vous n-obligeres pas des ingrads, mais des personnes, qui vous seront toujours avec un profond respect vos tres humbles et tres obeissans serviteurs Flavard et Gentien.

Depuis le temps, que nous sommes arrives, nous avons esté obligés de braser dans le chateau et, comme les cheminées ne sont pas faittes pour un si grand feu, nous vous prions monsieur, d-avoir la bonté d-ordoner monsieur le baillif de nous permettre de braser en bas dans la cuisine de S. A. S., ou il ni tien rien et qui ne lui ser que au mesure usage.

Rolle des familhies, que nous presantons a monsieur de Varenius pour lui faire voir, comme nous nous sommes transportés ici en honette gens pour tenir nostre parolle, et que la faute de ce, que la colonie n-est pas accomplie, vien de la part de monsieur de Berkolz, qui n-a pas tenu ce, qui nous avoit esté promis en plaine chambre, et establi directeur de la part de S. A. S. aiant fait travalié, comme il fait encore, a son profit particulier, ce qu-il devoit nous estre livré pour former ici le magazin pour fournir a nostre traitté suivant les patantes aus familhies, qui estoit prestes a venir, dont ci desous le non est especiffié primo:

  1 Flavard, sa femme, 7 enfans;
  1 Gentien, sa femme et son frere;
  12 dont vous en aves prix le non a Rostoq,
font  14 arivées outre ceux, qui s-en sont en alés.

Celles, qui devoit nous suivre et qui pouroit le faire encore, si nous sommes contant, sont

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  1 Monsieur Olivié, marchand et faisant fabriquer ausi de bas, femme et 3 enfans;
  1 M. Bretonn, femme et enfan, a 3 metiers de bas a lui;
  1 M. Perinion, femme et enfan, marchand negotian;
  1 M. Seruieire, femme, manufacturie;
  1 M. Marc, appotiquaire et chirurgien habille, nous estant necessaire, femme et enfan, et riche;
  1 M. Brunel, sa femme, 4 enfans, faisant savoun et amidoun, comode;
  1 M. Lamoureux, brodeur, sa femme, 1 enfan;
  1 M. Valantin, femme, enfan, pour de terres promises au comansement de bouche et par lettre par monsieur de Berkoz;
  1 le sieur Martin, femme et enfan, habille pour les metiers a bas, et comode;
  1 Rouviret et sa femme, cardeur;
  1 Reymond, femme et enfan, pour de terres;
  1 le sieur Combes, ouvrier en rubans et galons de soie et fil, et son frere;
  1 Izac Bonnet, femme et enfan, faiseur de bas;
  1 Pierre Galot, sa mere et sa soeur, ouvrier ausi en laine;
  1 François Delbrun, femme et enfan, de mesme;
  1 Estienne Griza, manufaturier
  1 son beau frere, sa femme, associés et pour de terres;
  1 Noé Erançois, sa femme et enfan, estaminié, sa femme Holandoise, faisant toute sorte de beaux ouvrages;
  1 Jean Berard, cuisinier, comode;
  1 son paran, garsoun et péruquier;
  1 Louis Philipe, sa femme, 5 enfans, faisant de bas, aiant un metier a lui;
  1 Samuel Brujas, jardinier, sa femme, 2 enfans, vouloit achaipter quelque terre;
  1 Louis, sa femme, habille tourneur pour toute sorte de menuzerie, menuzié;
  1 Haumel Vef, faiseur d-estamine, comode;
  1 Guilhaume Montagné, sa femme, habille ouvrier pour le melange des laines;
  2 familhies que le ci dessus devoit amener avec lui suivant ce qu-il me marqua que je conois.
----------------  
  41 familhies outre le tapisié habille homme, qui nous estoit tres necessaire qui s-en est en aller outre 3 autres;
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  22 familhies qui estoit à Halle, qui venoit de Chevaubac et Erlang dont il y hut deux deputes qui vindrent trouver Flavard à Berlin deux jours avant son depart pour leur marquer le jour, qu-il devoit partir pour s-en venir a Butzau ou Gustrau, et Flavard lui aiant promis de leur escrire des estre arivé a Gustrau, il fut bien surprix de voir que m. le general, qui ne devoit estre que directeur, fut change en metre de tout ce qui a fait la dissention et rompu toutes nos mesures;
  5 familhies que Mr. Cregut, nostre ministre, devoit amener ausi avec lui, tout de personnes aiant de quoi.
----------------  
Familhies 68 De tout ci dessus nous pouvons le justiffier par tesmoins et par sermant en foi d-onette gens et ce sur ce que nous demandons d-estre indamnizés et maintenus sous le bon plaisir de S. A. S., puisque la faute ne vien pas de nous. Ce qui je justiffie dautrui plus clairement ce que si nous avions esté de malhonette gens et si nous n-avions pas esté scurs de pouvoir tenir nostre parolle, nous ne serions pas venus de la manière que nous le sommes c-est de quoi nous vous supplions tres humblement, comme nous avons fait desja despuis quatorse mois, que nous sommes en soufrance prie de vouloir examiner et voir, que il est impossible, que nous puissions sucister plus longtemps dans l-etat, ou nous sommes, sans nous espuiser.

19.

Kammerprotokoll über die in Meklenburg sich aufhaltenden Hugenotten - 1704, December 16.

Protocollum bei Anwesenheit der Franzosen von der neuen Colonie. Rostock d. 16. Dec. 1704 in Presence Herrn Geh. Cammerrath Neubauer und Cammerrath Dörcksen.

1. Pierre Gillon ist ein Strumpfmacher und macht gestrichte Strümpfe, fein und grob. Offeriret sein Handwerck hie im Lande zu lehren an allerhand Lehrlinge. Seine Strümpfe und Handschuche sind gewalcket. Scheinen gut zu sein. Hat eine Fraw, aber kein Kind, wohnet in Bützow und bittet um freie Wohnung,

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so meinet er mit der Zeit ein Hauß zu bauen. Hat 5 Thlr. Transportgelder bekommen.

2. Daniel Claude ist ein Lohgerber und arbeitet vor Generalmajor Bergholzen Rechnung in Güstrow. Offerirt sich in Bützow wohl ein klein Hauß anzubauen, wenn ihm geholffen werden könte, daß er da sein eigen werck anfinge. Hat 1 Fraw und ein Kind. Hat kein Transportgeld bekommen.

3. Jean Philip Bury, ein Lohgerber, arbeitet mit dem vorigen in Compagnie, wil sich aber gern separiren und, wan eine kleine Lohmühle in Bützaw gebawet wird, womit sich ihne viele behelffen können, auch mit der Zeit da anzubawen. Hat 1 Fraw, 1 Kind. Hat 5 Thlr. Transportgeld bekommen.

4. Guillaume Aubanôt ist ein Tabacsbauer und wohnt zu Bützow, alwo er sich gern niederlassen wil. Bittet um etwas Land und ein Quartir. Hat eine verlobte Braut in der Marck Brandenburg, die er wil nachkommen lassen. Hat kein Transportgeld krigt.

5. Abraham Cury ist ein Tischler und Stuhlmacher, und wohnet noch in Güstrow, allwo er gute Arbeit hat, wil aber sich gern nach Bützow begeben. Zu bauen hat er noch keine Lust, weil ihm die Mittel noch mangeln, mit der Zeit wil er sich wohl resolviren. Hat eine Fraw, noch aber kein Kind. Hat 10 Thlr. Transportgelder gekrigt.

6. Jean Guerry, ein Knopfmacher, wohnt in Güstrow, klagt daß er nicht viel zu thun habe, weil ihm Verlag mangelt. Ist gantz gebrechlich. Bittet, wenn bei dem Hofstaat ihm Knopf= und Trompetenquäste auch dergleichen Arbeit gegönnet werden könte. Hat 1 Fraw und 1 Kind. Bittet, ob er nicht nach Sverin könte gebracht und dort mit Verlag geholffen werden, Hat 10 Thlr. Transportgeld krigt.

7. Jean Armand ist ein Wollkämmer und Seiffensieder, ist pauvre, doch arbeitet er bald in Bützow, bald in Güstrow und suchet dergestalt sein Brod, wo er kan. Hat 1 Fraw, 1 Kind. Hat 8 1/2 Thlr. Transport bekommen.

8. Florin Glaise ist seiner Profession ein Lohgerber, treibt es aber nicht mehr, sondern handelt mit Strümpfen und Handschuch, Hüten etc. ., wohnt sonst in Bützow und trägt der dortigen Leute ihre Wahren herum. Hat 1 Fraw, 1 Kind. Hat nichtß genoßen in 2 Jahren, so er hier ist.

9. Noch ist in Güstrow ein Tuchmacher, so ziemlich bei Jahren, heißt Monsieur Breu, der wil gern nach Bützow, weil

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er Mittel hat und andere Leute kan arbeiten laßen. Hat eine Fraw, aber kein Kind und ist sonsten bei guten Mitteln.

10. Noch ist ein Färber da, so gut ist, hat aber, weil er vor Herrn Generalmajor Bergholz arbeitet, nicht herübergewolt.

11. Anthoine Saizet, ein Handschuchmacher, wohnet in Güstrow, weiß die Felle zuzubereiten und macht sonst gute Handschuch. Arbeitet bisher vor den General Bergholz Rechnung. Meint, wann er im Sverin Hoffarbeit bekommen könte. Hat 1 Fraw, 1 Kind. Hat 9 Thlr. Transportgelder bekommen.

12. 13. Noch sind zu Bützow 2 Lieutenants, so Bastille bauen.

14. Item ein Schmidt, so der Strumpfmacher ihre Tauen 1 ) zu machen weiß. Haben Jeder 10 Thlr. Transport bekommen, thun 30 Thlr.

Die gegenwärtig gewesene Leute wie auch die beide Kaufleute bitten, daß ihnen die depensirten wenigen Kosten refundiret werden möchten.


20.

Die Hugenotten in Bützow suchen um die Berechtigung zum freien Handel in Meklenburg nach - 1705, Ende Juli

A Son Altesse Serenissime Monseigneur le duc regnant de Mecklenbourg.

Les manufacturiers françois de Butzeau ayant été contraints de revenir dernierement de la foire de Gustrow sans pouvoir rien vendre de leurs marchandises a cause des impots, que les commis de S. A. S. dans la ditte ville y vouloient mettre les ayant ensuite renvoyes aux marchands, qui dirent n-en avoir pas de besoin, ils suplient très humblement S. A. S. de faire en sorte que les dits manufacturiers ayent la liberté et la franchise entiere de leur petit commerce dans toutes les foires et que les marchands s-accomodent avec eux puisqu-ils leur offrent de leur donner ce qu-ils fabriquent aussi bien conditionne et à aussi bon marché que ce qui peut venir d-ailleurs. Ils s-engageront volontiers à ne rien vendre en detail par le pays et par les maisons, si les dits marchands veulent bien se charger de prendre tous leurs ouvrages a un prix raisonnable. Ils pourront meme travailler des laines étrangeres pour des


1) Webstühle.
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ouvrages plus fins, si les dits marchands s-obligent a les leur acheter par préference sur le juste pied, dont on sera convenu. Mais autrement ils ne peuvent subsister qu-en cherchant a debiter leurs marchandises partout et dans les foires et hors des foires. Ils ont surtout un extreme besoin que S. A. S. ait la bonté de se souvenir d-eux selon ses declarations pour leur faire prendre par préference leurs marchandises pour ses troupes et pour sa maison. Les manufactures ne pouvant obsolument se soutenir, si l-on ne leur fait la grace de favoriser leur debit mieux que par le passé et par des bons reglements bien executes à l-avenir. Les suppliants en attandant. qu-il plaise à S. A. S. de répondre favorablement a leur requete, continueront leurs voeux tres ardents pour sa prosperité, etant avec un profond respect ses tres humbles et tres fideles sujets.


21.

Herzog Friedrich Wilhelm weist den Pulvermacher Pierre Colla an, von Mitgliedern der französischen Kolonie in Bützow gewisse Waaren zu kaufen - 1706, März 16.

F. W.

Eß wird der Pulvermacher Pierre Colla hiemit gnädigst befehliget, daß Er von denen gesambten Frantzosen auß Bützow folgende Wahren sich liefern laßen soll, alß:

  1. Von denen Hutmachern Einen Huth von 32 ßl. bis 2 Rthl. und zwar von jeder sorte 3 Stück und zwar von jedem Hutmacher soviel.
  2. Von denen Strümpffmachern Ein paar strümpff von 32 ßl. bis 2 Rthl. und von jeder sorte 3 Paar, und zwar von jedem Strümpffmacher so viel.
  3. Von denen Handschumachern Ein Paar Handschuh von 8 bis 12 ßl und zwar etliche Dousin, wie auch
  4. Von denen Etamin=Machern, von jedem ein Stück von 38 Ellen à Elle 12 ßl. und verschiedene Stücke von Farbe.

An dem p.

Schwerin d. 16. Martij 1706.

Nomine Camerae.

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22.

Entlassungsgesuch des Alexandre Flavard - 1706, 20. April.

Je supplie tres humblement Vos Ezellances de vouloir prendre la peine de lire les raisons, qui m-obligent a quitter les estats de Son Altesse Serenissime Monseigneur le Duc Regnant du Meklenbourg, i estant venu avec ma familhie et effets pour satisfaire en honette homme avec les autres a ce, dont nous estions engatges.

C-est Messeigneurs le mauvais traitement, que j-ai reçeu dans ce pais despuis le jour de mon arivée jusques a présan tant de celui, qui avoit direction ci devant de la colonie, que de plusieurs particulliers, a qui j-ai randu service. Je croi, qu-il n-est pas necessaire messeigneurs de vous reiterer les grands fraits, ou j-ai esté espozé jusques a presan par la faute de monsieur de Berkolz, cella vous a esté cognu suffizamment par les divers voiages et represantations, que j-ai esté si souvant obligé de faire aupres de Vos E., sans que cella aie produit aucun effet pandant l-espace de deux années, ce qui faisoit bien voir clerement a Vos E., que c-estoit bien mon intention de rester dans ce pais, mais voian, que je n-ai peu rien advancer et que je n-ai reçeu que de deplaizir de plusieurs a qui j-ai presté mon bien ou partie i est encore, et dans un undroit eztrémement borné pour pouvoir entréprendre quelque chose de considerable, estant chargé d-une grande familhie de sept enfans, a la quelle il faut que je pourvoie non seulement a leur entretien mais ausi a leurs education, et ne voiant pas ici lieu de la manière que les affaires i sont pour i pouvoir survenir: Toutes ses raisons m-ont obligé apres deux ans quatre mois de sojour dans Butzeau et mille risdaller de depanse, que j-ai faitte pour l-entretien de ma familhie faux fraix ou pertes, comme je ne le peu que trop justiffier, de prendre la resolution de chercher un etablissement alhieurs pour pouvoir faire elever ma familhie suivant leur ran et travaillier à leur pourvoir les choses necessaires et dans un endroit, ou je puisse oublier toutes les traverses, pertes et anuis, que j-ai reçeus dans ce pais, c-est pour cella, que j-ai fait aranter une maison a Lubeck et fait achaipter 1 ) bois et autres choses, qu-il me faut a mon arivèe, la rante courant sur mon conte despuis paques, et gi serois arivé dimanche passé sans l-ordre, que j-ai reçeu par mon-


1) acheter.
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sieur Zandre de la part de Vos Ezellances, pour me rendre ici a Suerin, a quoi je n-ai pas voulu manquer d-obeir, estant avec un profond respect de Vos Ezellances

  Vostre tres humble
et tres obeissant serviteur
Flavard.

23.

Kaufmann Wilcke in Güstrow an den Kaufmann Pierre Colla in Schwerin in Sachen zollfreier Einfuhr - 1706, April 30.

Monsieur Monsieur Pierre Colla, Marchand à Schwerin. Franco.

Güstrau Anno 1706, d. 30. April.

Monsieur mon três cher cousin.

Ich zweiffele nicht mein voriges, worinnen wegen herr Lüning bericht gethan, wirdt richtig eingelauffen sein. Dieses nuhn beschiehet auff befehl meines Herrn Schwiegervaters auß Leipzig Euch zu ersuchen bey der Hochfürstlichen Cammer zu solicitiren damit Sie cito ein Befehl an dem Stadtvoygt in Plau erhalten möchten umb die anitzo von Leipzig mitbringende Wahren frey und ohne Visitation passiren zu lassen und damit Sie die Wahren durch aufpackung aldar so sehr nicht ruiniren dürffen.

Indehme die sämbtliche Kauffmanschafft der hochfürstlichen Cammer ja versprochen Ihnen von das habende Wahrenlager abzuhelffen.

Monsieur Odery bitte zu grüßen, wo es ihn wollgehet, soll es mir lieb seyn; ich vermeinte Ihm noch allhier bey meiner zuhaußkunfft von Berlin zu finden und thut mir weh, das meine Keinder den Anfang des Frantzösischen wieder vergessen sollen. Meine Frau und ich grüßen seine ganze Famille und erwahrte cito dero Antwort, womit verbleibe

  Monsieur vostre très humble
serviteur Wilcke.

P. S. Ich glaube herr Johan Martin wirdt Euch wegen freylassung der Wahren auch bereits geschrieben haben.


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24.

Inventur des Magazins für den Verkauf der Bützower Manufacturwaaren in Schwerin, aufgenommen durch Pierre Colla - 1706, August 24.

Invantation über die Wahren, so ich noch zu Verkauff in Henden habe auß Ihro Hochfürstl Durchl. Magazin. Swerin d. 24ten augusty 1706.

Memorial von alle die Wahren, so Sein Hochfürstl. Durchl. durch mich in dero magazin haben kauffen lassen und was ich noch in Vorraht habe.

1. An Etamine habe ich noch 58½ Stück, kosten 488 39
2. Ditto an wollen Stoff und allerley colleurdt 1 ) sarge 125 21½
3. An allerley colleurde Strümpffe ist vorhanden 713 25
4. An allerley handtschen ist in Vorraht noch für 230 22
An allerley preiß an hüedt ist noch 263   8
Das ist die gansse Summa was ich noch in magazin habe. 1821 Rthlr. 19½ Sch.,

Swerin den 24. augusty 1706.

Transport von der andern seit, waß ich noch an Wahren

in Vorath habe 1821 Rthlr. 19½ Sch.,
Folget was ich noch wieder ausgeliefert habe
An den pastelplanter die 34  Saht wieder gegeben, kosten      2   4
Ditto die lämerfell hab ich an den Handtschmacher wieder verkaufft für    49 24
An Schulde hab ich noch ausstehen in allen die summa von  179 37
Contant hab ich verkaufft von dem 9. Novembre 1705 biß d. 24. Aug. 1706 für die summa von  457 24

1) gefärbt.
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Ich Pierre Colla habe auß den magazin in allem ausgenohmen an wahren, so ich mich decortiren lassen will     56 24½
Das ist das ganß Capitall wieder 2567 10

Ich hab aus die Wahren verdienet, so ich verkauft, die

Summa von 22 16

Davon gehet ab, das ich ausgeleget habe, wie folget:

Für 3½ buch groß papier - 28
Die kasten auff dem Schloß und wieder herunter zu dragen gegeben - 10
Für Brieffporto, so ich bezahlt habe 4 18
2 Pahr Strümpf, so mir verdorben seint in magazin à 38 sl. ist 1 28
  --------------
Rthlr. 6 36
Bleibt das ich schaffen muss an profit 15 28
  --------------
Rthlr. 22 16

25.

Bericht des Pierre Colla über den Verkauf der Magazinwaaren - 1706, August 31.

Durchlauchtigster Hertzog, Gnädigster Fürst und Herr.

Ich kan nicht umbhin Ew. Hochfürstliche Durchlaucht unterthänigsten zu remonstriren, wie mir die sämbtlichen Cramer diese beykommende Memorial auff 14 Städten gelassen benebenst die außtheilung der wahren, was ein jedtweder zu seinen theilen zukömbt in henden gelassen, welches sich beläufft auff 215 Rthlr. und 22 Rthlr. 20 Sch. an Unkostung, als gelanget mein unterthänigsten bitten an Ew. Hochfürstliche Durchlaucht, sie geruhen gnädigsten das ihnen moege sämbtlichen Cramer anbefohlen, das sie ihren Wahren moege abholen und dabey gleich das geldt, was sie schuldig, luute den gemachten zettel zu bezahlen, damit das ich einmahln zu den capitall gelangen kan. Getröst mir gnädigster Erhöerung.

Verbleibe lebenslang Ew. Hochfürstl. Durchlaucht unterthänigster Diener

Pierre Colla.

Swerin d, 31. Aug 1706.

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Memorial was mir die Cramer alhier gelassen haben an wahren, so sie die außteilung selbst gemacht und was ein jedtweder stadt geben muß wie folget

1. Brühl an Wahren Rthlr. 10 Unkosten 1 R. 2 Sch.
2. Wahren " 8 " - " 40 "
3. Räbel " 16 " 1 " 32 "
4. Tätherow " 10 " 1 " 2 "
5. Neyen Buchow " 10 " 1 " 2 "
6. Malchow " 10 " 1 " 2 "
7. Sterenberg " 20 " 2 " 4 "
8. Hagenaw " 30 " 3 " 6 "
9. Rehne " 25 " 2 " 30 "
10. Dassow " 14 " 1 " 22 "
11. Genoyen " 12 " 1 " 12 "
12. Dessien " 10 " 1 " 2 "
13. Neinenkahl " 30 " 3 " 6 "
14. Dömitz " 10 " 1 " 2 "
 
Capitall Rthlr. 215, Unkosten 22 R. 20 Sch.

26.

Eingabe der Bützower Manufacturiers beim Herzog wegen Bezahlung ihrer Waaren - 1706, October 3.

Durchleuchtigster Hertzoch, Gnädigster Fürst undt Herr.

Wier Mannifacturiers refusiers zu Bützow geben Ewr. Hochf. Durchlaucht mit allen underthänigsten respect wissent, daß demnach wier sehr lange mit unßer bezahlung vor gelieferte Wahren in hochfürstl. Maccasin gewardet, zu letzsten hat die hochfürstl. Cammer unß biß verwigenen 1 ) Michaely abgewiesen, wohrauf wier unß verlassen undt hat ein jeder seine benötigte wolle undt waß er sonsten zu seiner arbeit nötig von denen Kauffleude geborgett in der meinung, daß ein jeder alsgemelt seine bezahlung erhalten würde, werden wir von unsern Creditoren pressiret zu bezahlen, wessenwegen wier Ewer Hochf. Durchl. underthänigst bitten uns refusiers in gnaden ansehn undt uns nicht wieder abweißen, damit sich ein jeder mit allen under=


1) verwichenen.
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thänigsten respect erweißen kann zu verbleiben Eur Hochf. Durchl. underthänigste getreue

Bützow d. 3ten 8br.
Anno 1706.
Jean Eymieu.
Pierre Almeras.
Louis Tappernon.
Jean Arnall.
     Gentien.
Jean Maseron.
Pierre Tardieu.

27.

Beschwerde des Hutmachers Pierre Almeras in Bützow wegen Verweigerung des Ankaufs seiner Hüte durch das Schweriner Magazin - 1706, October 13.

Monseigneur - Pierre Almeras, mettre chapelier refugié a Butzeau, ce trouvant charge de 300 chapeaux propre pour milices et pour dragon, monsieur Colla n-an ayant point voulu recevoir dans le magasin quoique le supplian l-an aye prier et qu-il ay pris seux de l-autre chapelier. Cella oblige le supliant a recourir a son Altesse Serenissime pour la suplier tres humblemant d-ordoner que ces 300 chapeau luy soin pris a celle fin qu-il puisse avec ce argent payer ce qu-il doit a S. A. S. et quelque autre chose qu-il doit alieur et qu-il puisse subsister avec sa famille. Le supliant fera des veux pour la prosperite de vostre Altesse Serenissime et pour celle de son illustre maizon.

a Butzeau 13 oct. 1706. Piere Almeras.

28.

Herzoglicher Patent=Erlaß an sämmtliche meklenburgische Krämer zu Gunsten der Bützower Manufacturisten unter Androhung harter Eingangszölle auf fremde Waaren - 1707, Januar 19.

Friedrich Wilhelm etc. .

Wir haben nicht anders alß gantz mißfällig vernehmen können, wie daß sämbtliche Cramere Unserer Hertzogthümer und

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Lande die hiesigen, im lande mit großen Kosten von Unß angelegte Manufacturen an Hüten, Strümpffen, Stoffen, Etaminen, Handschuen, auch Tüchern und Boyen etc. . so gar verächtlich tractiret, und insonderheit nach der Zeit, da Sie das hiesige geringe Magazin anzunehmen persuadiret und angehalten worden, gantz vorbeygangen, die Fabricanten, wenn Sie ihre Waaren zu debitiren gesuchet schimpfflich abgewiesen, ihnen nichts abgenommen und dadurch diese guten leuten, so Wir dem Publico zum besten mit Müh ins Land gezogen, gleichsahm wieder zu entweichen und ihre profession anzugeben genöthiget. Wann aber solches höchst unbillig und von gar schädlicher Consequence, dazu ihrem hie so sancté gethanen Versprechen (da Sie diesen leuten jährlich eine gute Parthey ihrer Waaren abzunehmen und Sie dadurch ihre Handwercke immer mehr und mehr zu cxcoliren auffzumuntern sich anheißig gemacht) gantz entgegen und Wir daher ihrer Wiedersetzlichkeit nachzusehn ferner nicht gemeynet seyn, umb so viel weniger, da man von der Bonitet der hier im lande verfertigten Waaren genugsahm versichert ist, die leute auch im Preise ihnen dergestalt zu fügen erbötig seind, daß Sie damit friedlich seyn können: Solchem nach ist hiemit unser gnädigster und ernster Befehl, daß Sie, gemelte Cramer, sich innerhalb 3 wochen, ob Sie denen leuten unter billigen Conditionen hinfüro ihre fabricirte Wahren abnehmen wollen oder nicht, erklären, da dann im wiedrigen und auff den Fall der ferneren Verwegerung Wir auff andere Remedia bedacht seyn und die hie in unseren Landen fabricirten und an.Güte den frembden wenig nachgebenden Waaren durch gewisse harte anzulegende Imposten auff Einfuhr der außwärtigen Waaren auch sonst auf andre Arth in einen beständigen Gang zu bringen mit Fleiß und Ernst suchen werden und Sie, obbemelte Cramere, mit ihren gewöhnlichen Querelen ferner nicht gehöret werden sollen. Wornach Sie sich zu richten.

A. Varenius.

Schwerin den 19. Janr. 1707.


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29.

Bitte des Etaminmachers Pierre Tardiff in Bützow, ihn aus der Kolonie entlassen zu wollen - 1707, Juli 5.

A son Altesse Serenisime
    Monseingneur le Duc Regnant de Mecklenburg
                     Tres humblement.

Durchleutigster Hertzog Gnädigst Fürst
undt Herr.

Ich kan nicht umbhin Ew. Hochfürstl. unterthänigst zu Remonstriren, Wie daß ich mich in die 8 Jahren in Bützow niedergesetzet habe und mein profescion als ein Etamienmacher alda gewohnet, So hab ich eine Frau aus Berlin gehayrahtet, aber Leiders So Lang als meine Frau in Bützow gewesen, ist sie Leiders allezeit unpäßlich gewesen, Weilen sie die Lufft zu Bützow nicht ertragen kan, So bin ich gezwungen worden meine arme Frau nach Berlin hinfalhren Laßen, theils umb ihre gesundtheit theils auch umb ihr alte mutter, die in Berlin ist, und weil daß die Schwiegermutter kein Kindern mehr hat als meine Frau, die Ihre in Ihren Alters eine Handtreichung thun kan, als hat mir meine Frau aus Berlin geschrieben, daß ich mich Solle mit Erster bey sie einfinden umb aldar mit ihr zu wohnen, weil sie unmöglich in Bützow wieder kommen können, Und auch Ihre mutterliche Erbschafft zu observiren, Als Bitt ich Ew. Hochfürstl. Durchl gantz unterthänigst mir meine Erlaßung aus Bützow zu geben und mir zu gleichen einen pass Von Bützow nach Berlin reichen Laßen. Waß die Freyheiten und Sonsten frey Losement, so ich in wehrerder Zeit von Ew. Hochfürstl Durchl. aldar genoßen, so will ichs Ew. Hochfürstl. Durchl. wieder Bezahlen, ob ich zwar anitzo kein bahr geldt habe, jedoch will ich So viel wahr geben als was ich Empfangen habe. Getröste mich gnädigster erhörung, verbleibe Lebenslang

Ew. Hochfürstl Durchl.           
Unterthänigster Diener
Pierre Tardiff.   

Swerin d. 5. Jülly 1707.


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30.

Bericht des Inspectors Paschasius Zander in Bützow über Pierre Tardiff - 1707, Juli 10.

Unterthänigste Relation
     Paschasü Zanders

Betreffend die erlaßung des Frantzosen Pierre Tardiff und wieviel derselbe in seinen Frei=Jahren consumiret, auch wie hoch sich seine HaußMiete erstrecke.

Durchleuchtigster Hertzog,
   Gnädigster Fürst und Herr!

Auff Ew. Hochfürstl. Durchl. erhaltenen gnädigsten Befehl, die erlaßung des Frantzosen Pierre Tardiff betreffend, berichte in unterthänigkeit, daß umb der consequence willen es zwar besser gewesen, daß er geblieben wäre; Weil er aber an der erwartenden Erbschafft in Berlien wegen seiner und seiner Frauen abwesenheit schaden zu nehmen vermeinet, dieselbe auch dieses Orts allerdigns nicht gesund gewesen und er also zu bleiben nicht zu persuadiren stehet; So habe im nachsehen befunden, daß seine Consumption in den 6 Frei=Jahren sich auf 5 Rthl. 32 ßl. und die HaußMiete in 4 Jahren auf 16 Rthl. erstrecken würde, und weil er nunmehro ins 8te Jahr von allen Bürgerlichen oneribus dieses Orts exempt gewesen, so stelle zu Ew. Hochfürstl Durchl. gnädigsten decision, ob er auch dieser wegen an hiesige Stadt eine kleine recognition zu geben gehalten seyn soll und verbleibe lebenslang

Ew. Hochfürstl. Durchl.           
Unterthänigster und Getreuer
Diener
Bützow den 10. July
Anno 1707.

Paschasius Zander.

31.

Bitte des Pierre Tardiff um Ermäßigung der zurückzuzahlenden Summe - 1707, Juli 16.

Unterthänigste Bitte
Pierre Tardirff

daß die von ihm gefoderte 50 Rthl. mögen moderiret und ihm zu 30 Rthl. gelaßen werden.

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Durchleuchtigster Hertzog,              
Gnädigster Fürst und Herr!

Alß Ew. Hochfürstl. Durchl. durch den Licent=Inspector Zander mir gnädigst ankündigen laßen, daß, wen ich von hier ziehen wollte, ich eins vor alles 50 Rthl. erlegen sollte, So gebe darauf zur unterthänigsten Nachricht, daß das Meinige kaum so viel wehrt ist, ich auch so viel bahr Geld nicht auffzubringen weiß, da ich doch mit guten Gewißen bezeugen kann, daß ich an bahren Gelde 120 Rthl. in dieses Land gebracht, welches ich hier alles zugesetzet und anjetzo nichtes übrig habe alß einige Wahren und einige kleine Schulden, dannenhero viel besser gethan hätte, daß ich vor Gesell gearbeitet, wobey ich meinen Unterhalt verdienet und das Meinige conserviret hätte, auch wegen meiner Consumption und Wohnung nichts geben dürffen. Diesemnach ersuche Ew. Hochfürstl Durch!. hiedurch unterthänigst, Sie geruhen gnädigst, und laßen es mir zu 30 Rthl., wovor ich in ermangelung bahren Geldes so viel wahren bei meinem hiesigen Cameraden Jean Emié laßen will, alß zu Bezahlung der 30 Rthl. nöhtig seyn werden, welcher auch sogleich nach deren Verkauffung das Geld liefern soll, an was Ohrt es Ew. Hfstl. Durchl. verlangen, wobey mich zugleich hiedurch obligire, daß, zum Fall ich meine Frau persuadiren kan und es ihre Gesundheit zulaßen will, ich mich hieselbst wieder einstellen wolle, wobey ich lebenslang verharre


Bützow d. 16. July
Anno 1707.
Ew. Hochfürstl. Durchl.       
Unterthänigster Diener
Pierre Tardiff.

32.

Bericht über die Leistungen der deutschen Tuchmacher in Bützow - 1707, Juli 26.

Specificatio waß bey hiesigen Tuchmachern an Laken, Boy, gesponnene und ungesponnene Wolle, item an Handwerksgeräht in Vorraht befunden anno 1707, den 26. July.

August Tiell.
An weißen Laken 1 Stück.
An mellirten Laken 8 "
An Boy 2 "
An ungesponnene Wolle 41 Stein
An gesponnen garn 232 Pfd.
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Ein altes jedoch fertiges Tau 1 ) mit zugehörigen Handwercksgeräht.

Hergegen hat er an Vorschuß empfangen 235 Rthlr. 45 Sch. und darauff an Herrn Gabriel Francken geliefert 9 Stück Livrélaken à 10 Rthlr., thut 90 Rthlr., und bleibt also schuldig 145 Rthlr. 45 Sch.

Hinrich Schütt.
An weißen Laken 1 Stück.
An mellirten Laken 5 "
Zwey Stück Boy, so angeschnitten, machen zusammen aus 90 Elle.
An ungesponnene Wolle 8 Stein.
An gesponnen garn 99 Pfd.

Ein neu fertiges Tau mit allen zugehörigen Handwerksgeräht.

Hergegen hat er an Vorschuß bekommen mit dem Handwerksgeräht 253 Rthlr. 30 Sch. Darauff hat er an Herrn Francken geliefert 12 St[Sybol]ck Livrélaken à 10 Rthlr., thut 120 Rthlr., und bleibet also schuldig 133 Rthlr. 30 Sch.

Gottfrid Berend.
An weißen laken 3 Stück.
An mellirten laken 12 "
An Boy 3 "
An ungesponnene Wolle 50 Stein.
An gesponnen Garn 37½ Pfd.

Ein neu fertig Tau mit allen zugehörigen Handwercksgeräht Hergegen hat er an Vorschuß bekommen mit den Handwercksgeräht 197 Rthlr 8 Sch. und darauff an Herrn Francken geliefert 3 Stück Livrélaken à 10 Rthlr., thut 30 Rthlr., bleibt also schuldig 167 Rthlr. 8 Sch.

Jochim Möller.
An weißen Laken 3 Stück.
An mellirten Laken 3 "
An Boy 1/2 "
An ungesponnene Wolle 42 Stein.
An gesponnen Garn 123 Pfd.

Ein fertig Tau mit zugehörigen Handwerksgeräht.

Hergegen hat er an Vorschuß bekommen 107 Rthlr., worauff noch nichts bezahlet.


1) Webstuhl.
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Hans Heinrich.
An mellirten Laken 1 Stück.
An weißen Laken, so gewalket 6 "
An weißen Laken, so noch ungewalket 4 "
An Boy 24 Ellen.
An ungesponnene Wolle 48 Stein.
An gesponnene Wolle 30 Pfd.

Hat kein eigen Tau, sondern wirket mit auff seines Sohnes Tau. Hat an Vorschuß bekommen 119 Rthlr. 43 Sch. und noch nichts darauff bezahlt.

Hans Heinrich Heinrichs.
An weißen Laken 8 Stück.
An mellirten Laken 1 "
An Boy 2 "
An gesponnen Garn 93 Pfd.
An ungesponnen Wolle 48 Stein.

Ein neu fertig Tau mit zugehörigen Handwercksgeräht. Dagegen hat er an Vorschuß bekommen 105 Rthlr. 28 Sch., worauff noch nichts bezahlet.

P. Zander.


33.

Nachweis der in Bützow erbauten und zur Aufnahme der Hugenotten bestimmten Häuser - 1708, April 28.

Specificatio derjenigen Häuser, welche Ihre Hochfürstl. Durchl. in Bützow neu erbauen und kauffen laßen, von wem Sie bewohnet und nur annoch bißher für Miet=Gelder gegeben werden, Item welche Einwohner derselben annoch frey, und wie lange Sie solcher gestalt nach Hochfürstl. Verordnung annoch zu wohnen haben.

An Neüen Häusern sind erbauet

1. Ein Hauß für dem Rühner Thor, worinnen für jetzo wohnen:
1. Ein Hutmacher Jean Arnald, deßen Frey Jahre sich auff Weynachten Ao. 1707 geendiget, gibt nechstkünfftigen Weynachten 16 fl.
2. Sein gesell und mit= Interessent Pierre Lange, deßelben Frey= Jahre sich sodan gleicher gestalt geendiget, und gibt auff Weynachten Anno 1708 14 fl.
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3. Der Frantzösische Küster Duvoussien gibt auff negstkünfftigen Weynachten 14 fl.
4. Der Estaminmacher Tapperneau gibt für sein bewohnendes antheil auff Michael 1708 26 fl.
Diese Leute insgesambt Sollicitiren sehr, daß Ihnen das Hauß oben etwaß beßer außgebauet werden möge.
2. Ein geringes Hauß bey der Maur, bewohnet für jetzo ein Lohgerber Guillaume Missoll, gibt dafür negstkünfftigen Michaelis an heür 12 fl.
3. Ein Hauß außer dem Rühner Thor, darin wohnen:
1. Ein Frantzösischer Weißgärber Jean Bucher, hat annoch frei zu wohnen 3½ Jahr.
2. Ein Tuch=Scherer Jacob Mußehl, wohnet auch annoch biß ultimo Aug. dieses Jahres frey, sodann Ihm fürters die Jährliche Miete gesetzet auff 16 fl.
4. Ein Hauß gegen der Apotheken über, worinnen wohnen:
1. Ein Estoff=Macher Gentien, hat 1½ Jahr auff dem Schloß gewohnet und Weynachten Ao. 1707 ein Jahr in diesem Hause, hat also noch 3½ Jahr frey zu wohnen.
2. Ein Klein=Schmidt Noel, hat noch 2½ Jahr freye Wohnung, und endigen sich auff Weynachten Ao. 1710, und muß nach verfloßenen Frey=Jahren wegen der heür mit ihnen accordiret werden.
5. Ein Hauß von 6 Wohnungen in der Rostocker Straßen, wird von 6 Wand=Machern bewohnet und haben annoch Freyjahre:
Hinrich Schütt und August Thiel von negstkünfftigen Martini Ao. 1708 ein Jahr.
Gottfried Berend von nebst verwichenen Ostern 2 Jahr.
Hannß Heinrich, Johann Heinrich und Jochim Möller von nechstkünfftigen Michaelis 1708 2 Jahr.
6. Ist ein groß Hauß hinter der Kirchen auff der Freyheit gekaufft, wobei 2 Buden aptiret, und wohnet in dem großen alten Hause:
1. Ein Bastell- und Tobacks=Bauer Seicheihai, hat annoch frey zu wohnen von Ostern Ao. 1708 2 Jahre.
2. In der einen Bude ein Tobacksbauer Florian Glaise, hat annoch frey zu wohnen 3 3/4 Jahr.
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3. Ein Tischler Abraham Curri, hat annoch 3½ Jahr frey zu wohnen, und endigen sich Michaelis 1711.
7. Dann ist noch nahe bey selbigem großem Hause ein annoch unaußgebautes kleines Hauß gekaufft, worin Abraham Martineau, ein Strumpfmacher, ein Viertel Jahr gewohnet.

Bützow d. 28. April 1708

34.

Gesuch der französischen Tabackspflanzer in Bützow, sie unterstützen zu wollen - 1721, Februar 27.

   Son Altesse Serenissime, monseigneur le duc
Charle Leopold, Due Regnant de Mecklenbourg.

Les François de la colonie de Butzow n-y pouvant subsister que par un bon débit du tabac, qu-ils plantent sur les terres du Bouhauft, qu-ils tiénent à rente de Son Alt. Sér., vienent ici la suplier tres humplement de vouloir bien remedier à trois grands inconveniens, qui ne sont guère moins préjudiciables pour Elle que ruineux pour leur propre etablissement.

1. Le premier c-est que depuis quelques années il y a de toutes sortes de personnes comme gentilshommes, pasteurs et ferwaldter, qui font planter et filer du tabac par leurs sujets sans aucuns frais, le quel se débite hors des villes, de cabaret en cabaret, de maison en maison dans les viliages à tres bas prix sans payer aucun droit, sur quoi nous suplions S. A. S. de faire en sorte qu-il ne leur soit pas permis d-enfiler.

2. Le second c-est qu-il y a d-autres gens, qui n-ayant point de demeure fixe vont chercher du tabac dans les pays étrangers et le vendent de même que ceux là sur la campagne, en évitant les villes pour s-exempter de tout droit. II arrive de là que les marchands des dites villes, à qui nous avions acoûtumé de vendre nôtre tabac, refusent d-en acheter, se plaignant qu-obliger comme nous d-en payer l-accise, ils ne le peuvent débiter à si bon marché que ces gens là, qui ne la payent point. Le grand remede à un tel mal c-est qu-il plaise à S. A. S. de mettre un bon impôt sur le tabac étranger, comme on l-a fait en Brandebourg et à Streillitz, et de défendre, qu-on en vende ainsi en détail dans le pays, afinque ce négoce demeure dans les villes au profit de l-accise.

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3. Le troisième c-est que les fileurs de tabac, qui sont à Dömitz, à Swérin, Parchim, Plawe, Waren, Malchin et ailleurs, n-etant qu-un ou deux dans chacune de ces villes, y débitent beaucoup de tabac sans le prendre jamais de nous, mais des pays étrangers, qui tirent par conséquent l-argent hors de celuici. S. A. S. est encore supliée de vouloir obliger les dits fileurs d-acheter leurs fueilles de nous, qui sommes contraints autrement de transporter les nôtres hors du pays avec assez de frais et de peine, leur défendre aussi d-en aller acheter ailleurs jusqu- à ce que nous ayons debité les nôtres, qui sout encore meilleures que les etrangeres. Et cela d-autaut plus que le tabac, qui se vend à Butzow en gros et ensute dans le pays en detail, y paye deux fois l-accise. Ce qui est un profit, qui ne revient point du tabac ètranger ni de celui qui se plante dans le plat pays, ni même dans les autres villes.

Si les suplians sont favorisez à tous ces égards de la grace de S. A. S., il en resultera cet autre bien public, c-est qu-encouragez et mieux en etat par ce moyen de planter plus de tabac et d-en augmenter le commerce, ils lui raporteront plus de revenu et contribuerons à la subsistance d-un plus grand nombre de pauvres gens, qui gagnent considéralblement leur vie par ce travail. En atandant une favorable réponse de S. A. S. ils prient Dieu très ardemment pour sa plus heureuse prosperité, en demeurant toujours avec un profond respect

ses tres humbles, tres obéissans et tres fideles sujets.

A Butzow ce 7 de Fevr. 1721.


35.

Project des Pierre Pillon über die Einrichtung der zu begründenden Manufacturen - ohne Jahr.

Pour faire venir du monde en ce pays pour y establir la manifacture de drap, serges et autres danrés de laine, il seras de besoing outre l-argen, qu-il faudras que Son Altesse Serenissime debource pour subvenir aux fray de ceux, qui viendrons à mon chetif advis, il faut faire comme il s-ensuit.

1. Premierement il faut avoir un bon privilege et de stable durés pour la libertes de la religion reformés dans cette residance et cela estant acordés le mettre sur le papier telle qu-il doit estre pour le faire savoir en tous lieux afin d-atirer le monde.

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2. Auparavant que le monde peut venir il est de besoing de songer la, ou il peuvent loger ny ayans pas de lieux ny de place dans la ville, et pour ce faire il faudroit battir sur un autre lieux et donner des place resgulier a chacun avec les materiaux et que Son Altesse Serenissime pour animer les autre en face faire le comancement, et je ne doutes nullement, cant il y auras des materiaux et que le commancement en fut fait, qu-il y auras du monde, qui ce presenterons pour y batir, sy cela n-est pas, il ceras imposible, que le monde, qui pouras venir, peut subsister dans ce pays.

3. Pour cette afaire, qui est de grande importances, elle requiers une bonne somme d-argen et pour l-optenir aupararans que de rien commancer il faudroit faire une compagnie pour amaser 16 a 20 mil risdal pour acheter des laine tant de ce pays que d-autres pour faire toute sorte de manifacture et pour payer ceux, qui travaillerons, comme ausy pour avancer a des pauvre gens pour les faire travailler et de le regagner après.

4. II faudroit ausy pour bien faire réusir le tout, que ceux de la compagnie aye le pré avans toute autre pour 6 anées de temps de l-achat des laine de tout le payes tant envers les bourioy de cette ville que des autres, mais sy le bourioy et d-autres de ce pays veulent mettre une pièce d-argen dans la compagnie, ils aurons le profit a l-advenant de ce, qu-'il y aurons mis, et assisterons de tous ce qu-il pourons et leurs seras permis d-y avoir loeulle 1 ) ausy bien que les autres.

5. Pour remontrer qu-il n-y peut pas avoir de perte pour ceux, qui y metrons de l-argen, c-est que des laine, que l-on acheteras, l-on en prendras autant qu-il ceras de besoing pour mettre en euvre les gens de mettiers et le reste l-on le vendras au profit de la compagnie et le profit serviras a ogmanter le capitalle tant que le tout fut bien en ordre et apres chacun pouroit retirer s-il le veut ce, qu-il y auroit mis, et feroit ce qu-il pouroit.

6. Sy en cas il survenoit, que quelque uns de la compagnie aye besoing de son capitalle apres l-espace de 2 ou 3 ans, la compagnie ceras obliges de luy rendre avec les profit, qu-il luy en reviendroit.

7. II faudras faire conte tous les ans de tous ce, qu-il y auras, et sy il y en a, qui ne veulent pas recoindre leur profit au capitalle, il leurs seras permis de le prendre toute les anée.



1) l-oeil.
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36.

Vorschläge zur Aufbesserung der Tuchmacherei in meklenburgischen Städten - ohne Jahr.

Ohnvergreifliche Gedanken, das in denen Meklenburgischen Städten zerfallen gewercks der Tuchmacher undt deßen wiedereinführung betreffend.

Eß ist bekandt, daß zu denen Zeiten, wie die Tuchmacherey in denen Städten des Herzogthumbs Meklenburg am meisten getrieben worden, Dieselben zu eben solcher Zeit auch im besten flor gewesen.

Dahingegen gedachte Städte, wie die Tuchmacherey nach verfallener Policey im abgang gerahten, auch in die äußerste decadanz gekommen.

Nun ist so woll itzo alß in vorigen Alten zeiten einem Jeden allemahl frey gewesen, sich alhie im Lande zu setzen und seine Nahrung, wan Er Verlag dazu gehabt, zu treiben.

Eß ist aber nimmer zu glauben, daß die Tuchmacher, wie sie sich nach gerade auß dem Lande verlohren und in verderb gerahten, sich auch von selbsten wieder einfinden und das verfallene gewerck wieder iu flor bringen solten, wan Ihnen specialiter dazu keine gelegenheit undt Hülffe gegeben und verheißen würde.

Wie aber dieses werck, woran sowohl dem gantzen Lande, alß auch in specie der Gnädigsten Landes Herrschafft so viel gelegen, anzugreiffen und wieder in stand zu bringen sein mogte, darauff würde es allerdings ankommen.

Diesfalß wolte man ohnmaßgeblich in Vorschlag bringen

  1. Daß J. Hochfürstl. Durchl. durch ein gewißes placat eine 3 biß 4 Jährige Freyheit von denen Landes Contributionen für alle sich herein zu setzende Tuchmacher Gnädigst publiciren ließen.
  2. Daß gewiße Persohnen bestellet würden, welche sich auff eigene Kosten bemüheten, so viel Tuchmacher alß immer müglich anhero ins Land zu ziehen, Von welchen auch zugleich denen Tuchmachern der Verlag an Wolle undt andern nothwendigkeiten zu verschaffen.
  3. Daß hingegen die Tuchmacher gehalten sein müsten, Ihre Verleger mit den gemachten Tüchern wieder zu bezahlen.
  4. Daß mehr Hochstged. Ihr. Durchl. die Verleger der tuchmacher dahin gnädigst privilegiren, daß Sie von Franckfurt, Leiptzig undt aus der Marck Brandenburg so viel Tücher
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ins Landt hereinziehen, alß die Tuchmacher vor der Handt in diesem Lande noch nicht verfertigen und also damit einen gewißen Stapel auffrichten mögten.

  1. Daß solche privilegirte Persohnen alle undt jede Kauffleute oder Krämer im gantzen Lande aus solchem Stapel hinwieder verlegten, und daß solche Kramer schuldig weren, Ihnen alle Lacken, so viel ein jeder benöthiget, von denen geringsten sorten anzurechnen bis auff die Jenigen so einen Rthlr. wehrt, für einen kleinen billigen Vortheil wieder abzunehmen. Waß aber die andern Lacken, so über einen Rthlr. wehrt, anlangte, alß Holländ. Englische und Spansche, stände einem jeden Kauffman und Krämer frey, sich anzuschaffen, von wannen und weme sie wolten.

Hievon würden Ihr Hochfürstl. Durchl. den Vortheil haben: 1. daß Volck und Nahrung ins Land gebracht würde, 2. daß die verfallene und wüste Häuser und Stellen wieder angebauet, und 3, so woll die Landes Steuren alß auch auff nöhtigen fall die Werbungen und Einquartirung desto leichter gemacht werden könten. Dahingegen denen jetzigen Kauffleuten und Kramern gar kein abgang in Ihrer Nahrung geschehe, Besondern dieselben den Vortheil hetten, die tücher hie in der nähe zu erhalten, die Sie sonsten mit großer mühe undt Kosten aus der frembde holen müsten.

Dieser Vorschlag streitet gar nicht wieder die in Vorigen Zeiten in den Meklenb. Landen gehabte Policey und itzigen Observanz in andern benachbahrten Landen. Vielmehr ist er dem §. von Tuchmachern und Gewandschneidern in der Policey ordnung, welche Weyland die Herren Hertzoge Johannes Albrecht und Ulrich gebrudere Anno 1562 publiciren laßen, guten theilß ehnlich.

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Personen - Register zu den Actenstücken.

Die Zahlen bedeuten die Seiten.

A braham 123.
Abranniel 128.
Aimieu, Eymieu, Emié, Jean 122, 123. 124, 128, 150, 154.
Almeras s. Armeras.
Armand, Jean 137, 142.
Armeras, Almeras, Pierre 122, 124, 150.
Arnal, Harnal, Arnall, Arnald, Jean 124, 128, 150, 156.
Aubanôt, Guillaume 142.
Audy, Bastian 123.
B aratier, Daniel 128.
Berard, Jean 140.
Berend, Gottfried 155, 157.
Bergholtz, Berkolz, Berkoz, Bergholz, von 130, 131, 135, 139, 140, 142, 143, 145.
Berieu, Pierre 125.
Bernard, Daniel 124, 128.
Bonnet, Isaac 140.
Borset 123.
Boullets, Wittwe 123.
Bourget, Jean 128.
Breis 137.
Bretonn 140.
Brou, Broue, Brocs, Breu, Jean 123, 124, 128, 142.
Brujas, Samuel 140.
Brunel 140.
Bucher, Jean 157.
Bury, Jean Philippe 142.
C arle s. Charles.
Chaber 128.
Chais, Chaix, Isaac 123, 124, 128.
Charles, Carle 125, 128.
Christian Louis, Herzog von Meklenburg 116.
Claude, Daniel 142.
Colla, Pierre 144, 146, 148, 150.
Colomps 123.
Combes 140.
Cregut 141.
Croset, Pierre 123.
Cury, Curri, Abraham 137, 142, 158.
D ebrose s. Moreau.
Delbrun, François 140.
Deschamps, Pastor 124, 126, 128.
Dörcksen 141.
Duclos, Jacques 124, 128.
Dufour, Dufourt, du Tour, Louis 122, 124, 128.
Dugat, Jean 124.
Duplan, Honoré 124.
Dupuys 128.
Durand, Pastor 123.
Dussi 137.
Duve 138.
Duvoussien, Küster 157.
E ymieu, Emié s. Aimieu.
F lavard, Fluvard, Alexandre 129, 134, 135, 136,137,139,141,146.
Francke, Gabriel 155.
François, Charles 123.
-, Noé 140.
Friedrich I., König von Preussen 132, 133.
Friedrich Wilhelm, Herzog von Meklenburg 117, 118, 121, 129, 132, 144, 150.
Fuchs 133.
G alot, Pierre 140.
Gentien, Gentyen, Nicolaus 129,134, 135, 136,137,139.
-, - 150, 157.
Gildemeister 123.
Gillon, Pierre 141.
Ginjoux 137.
Glaise, Florin 142, 157.
Gourand 128.

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Griza, Etienne 140.
Guerin 137.
Guerry, Jean 142.
Guyon, Louis 122.
H arnäl s. Arnal.
Heinrich, Hans 156, 157.
-, Johann 156, 157.
Horie 128.
Horn, Graf 125, 126, 128.
J ordan, Salomon 117, 118, 124, 125, 127, 128.
-, Madame 128.
Julien, Claude 123, 124.
K arl Leopold, Herzog von Meklenburg 158.
Kirchhof 123.
König 123.
L amoureux 140.
Lance, Lange, Pierre 128, 156.
Louis 140.
Lüning 146.
M arc 140.
Martin, Jean, Johann 128, 140, 146.
Martine au, Abraham 158.
Maseron s Masseron.
Massein 125.
Masseron, Maseron, Jean 123, 124, 150.
Mauran, David 123, 124, 128.
Missoll, Guillaume 157.
Möller, Joachim 155, 157.
Montagné, Guillaume 140.
Moreau, Theophile de, seigneur de Debrose 137.
Mussehl, Jacob 157.
N eubauer 141.
Nimroth, connetable 123.
Noé, François 140.
Nouvel, Noel, serrurier 137, 157.
- ,teinturier 137.
O dery 146.
Olivié 140.
P erinion 140.
Philipe, Louis 140.
Pillon, Pierre 159.
Poncet, Pierre 128.
Prot, Claude 123.
R eppihn 123.
Reymond 140.
Rosenow 123.
Roume, Louise 125.
Roussell, Daniel 128.
Rouviret 140.
Roux, Jacques 124, 128.
S aizet, Seisé, Antoine 137, 143.
Salecru 123.
Schütt, Heinrich 155, 157.
Secheaie, Seichehaye, Seiehaye, Seicheihai, David 136, 137, 157.
Seisé, s. Saizet.
Seruieire 140.
Sprewitz 122.
T apernon, Tapernons, Tapperneau, Tappernon, Louis 122, 124, 128, 150, 157.
Tardieu, Tardif, Tardiff, Pierre 122, 123, 124, 128,150,152,153,154.
Thiel, Tiell, August 154, 157.
du Tour, s. Dufour.
Tourès, Thourez, Pierre 123, 125.
U ial s. Vial.
V ahl, Claus 123.
Valantin 140.
Varenius, A. 126, 138, 139, 151.
Vef, Haumel 140.
Vial, Uial, Jeremie 122, 123,124,128.
Vignole, Jacob 129.
Voucienne, Isaac de 128.
W arkenthin 122.
Wilcke 146.
Z ander, Paschasius 125, 146, 153, 154, 156.

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V.

Angelus Sala,

Leibarzt des Herzogs Johann Albrecht von Meklenburg - Güstrow,

seine Bedeutung für Medicin und Chemie.

Vortrag,

gehalten im Verein für Rostocker Alterthümer
von
Professor emer. Dr. G. Dragendorff.

A ls im 16. Jahrhundert Luthers Glaubensthat die Welt von den Banden befreite, in welche eine papistische Priesterschaft die Menschheit für Jahrhunderte hineingezwängt hatte, als um dieselbe Zeit die Kunst die Irrwege althergebrachter Tradition verließ und den einzig richtigen Pfad wiederfand, auf dem Gottes sichtbare und hörbare Werke rein und lauter der Menschheit darzustellen sind, als damals auf fast allen Gebieten des Wissens ein neuer Geist erwachte und erstarkte, welcher den Forscher aus der dumpfen Luft der Studierstube hinausführte in das dornen=, aber auch blüthenreiche Gefilde der unmittelbaren Beobachtung und freien Forschung, da feierten auch Medicin und Chemie ihre Renaissance. Sie feierten dieselbe gemeinsam, denn im innigsten Wechselverkehr standen sie; die Medicin erschien damals untrennbar von der Chemie und diese undenkbar ohne Medicin. Beide haben sie in ihre Geschichtsbücher dieses Zeitalters der Wiedergeburt als das "iatrochemische" eingetragen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß dasselbe angebahnt wurde durch die Pflege, welche die Wissenschaften an den Universitäten erfuhren. Seitdem nach dem Vorbilde jener höchst merkwürdigen medicinischen Schule, welche im 10. bis 13. Jahrhundert in Salerno blühte, in Bologna, Montpellier, Paris, Oxford, Cambridge medicinische Facultäten errichtet waren, seitdem diese sich allmählich zu Universitäten erweitert hatten, seitdem auch in Deutschland - Prag,

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Wien, Heidelberg, Köln, Leipzig, Rostock - solche Hochschulen gegründet waren, kam nun die Zeit, welche die Früchte dieser Schöpfungen zur Reife brachte. Nicht, daß wir sagen dürften, es wären die wichtigsten Fortschritte unserer beiden Wissenschaften an den Universitäten erarbeitet worden - solche reich ausgestatteten Kliniken und Laboratorien, wie heute, gab es ja damals nicht und nur selten begegnen wir in dieser Zeit einer Coryphäe unserer Wissenschaften, welche dauernd einer Universitas litterarum angehörte. - Paracelsus wurde wohl 1526 vom Rathe Basels zu einer Professur berufen, aber kaum ein Jahr lang hielt er das Leben dort aus; Johann Baptist von Helmont hatte wohl in Paris und Löwen studiert, aber ein Lehramt dort anzunehmen, konnte er sich nicht entschließen. Unter den bedeutenderen Chemikern macht vorzugsweise Franz de la Boë (Silvius) hiervon eine Ausnahme, der 1658 - 1672 an der Universität Leyden docierte. Viel häufiger sehen wir, daß die durch die Hochschule erhaltene Anregung erst in späteren Jahren in den Gelehrten nachwirkte, wenn sie als Aerzte sich niedergelassen und mehr oder weniger auf sich selbst und die dürftigen Laboratoriumseinrichtungen, welche sie mit ihren beschränkten Mitteln herstellen konnten, angewiesen waren.

Aber gefördert sehen wir solche Gelehrte häufig durch hochherzige Fürsten, von denen sie materiell unterstützt und an deren Hof sie als Leibärzte berufen werden. Ich will nicht weiter darauf eingehen, daß Raymundus Lullus, der Doctor illuminitissimus der Alchemie, von König Eduard III. von England bei seinen Arbeiten durch Geld unterstützt wurde. Letzterer hat gewiß der Hoffnung gelebt, er werde durch das von Lullus hergestellte Gold - wenn auch nicht den von Lullus gewünschten Kreuzzug unternehmen, so doch - seine Finanzen verbessern können. Aber betonen möchte ich, daß manche hervorragende Gelehrte der Renaissance: Georg Agricola, dem ein Gnadengehalt Moritz- von Sachsen u. A. die Herausgabe seiner "Libri duodecim de re metallica" möglich machte, Turquet de Mayerne, der Leibarzt bei Jacob I. und II. von England war, Adrian von Mynsicht, der Verfasser des "Thesaurus et armamentarium medico - chymicum", welcher eine Zeitlang Leibarzt des Herzogs Adolph Friedrich von Meklenburg=Schwerin gewesen, und Andere, durch fürstliche Munificenz in den Stand gesetzt wurden, wissenschaftlich thätig zu sein.

Auch der Mann, mit dessen Andenken wir uns hier beschäftigen wollen, gehört der letztbezeichneten Klasse von Gelehrten an. Diesmal ist es das Güstrower Fürstenhaus, dessen Herzog Johann Albrecht den Archiater Angelus Sala an seinen Hof zieht und es

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nicht verschmäht, sich von diesem in die Kenntniß der Medicin und Chemie einführen zu lassen.

Unser Angelus Sala soll in Vicenza im Venetianischen geboren sein; gestorben ist er im Jahre 1637 in Bützow. Man sagt, daß er durch religiöse Drangsal veranlaßt wurde, Italien zu verlassen, und berichtet weiter, daß, nachdem 1608 Salas erstes Werk "Tractatus duo de variis tum chymicorum tum galenistarum erroribus in praeparatione medicamentorum commissis" erschienen, der Verfasser 1609 in Winterthur, später 1613 im Haag als Arzt gewirkt habe. Von dort sei er nach Oldenburg übergesiedelt und als Leibarzt des Grafen Anton Günther von Oldenburg thätig gewesen. Noch am 2. August 1619, in der Vorrede zu seinen Anton Günther gewidmeten "Aphorismen", nennt er sich Leibarzt desselben. Dann habe Sala von 1620 - 25 in Hamburg practisiert und endlich sei er, zum Leibarzt von Johann Albrecht berufen, am 1. Juli 1625 als solcher in Güstrow vereidigt. Nach kurzem Aufenthalt in letzterer Stadt hat Sala die Verbannung seines von Wallenstein vertriebenen Fürsten getheilt; mit ihm hat er 1628 in Bernburg, von December 1628 bis Juli 1629 in Harzgerode, vom August 1629 bis Juli 1630 in Lübeck gelebt. Die folgenden 6 Jahre bis zum Tode seines Fürsten verbrachte Sala in Güstrow und nachdem er dann in gleicher Eigenschaft, laut Document vom 24. Juni 1636, beim Sohn und Nachfolger des Herzogs, dem minderjährigen Gustav Adolph, angestellt worden, begleitete er diesen nach Bützow. Hier starb Sala am 2. October 1637; seine Gebeine sind am 19. October im Dom zu Güstrow beigesetzt.

Auf diese wenigen Notizen, welche von Thomas, Zedler, Kestner, Jöcher, Kopp, Schroeder, Gernet und zuletzt von Blanck in dessen Schrift "Angelus Sala, sein Leben und seine Werke, Schwerin 1883," gesammelt wurden, beschränkt sich unsere Kenntniß von Salas Lebenslauf. Trotz der Dürftigkeit finden sich auch hier noch Widersprüche. Blanck, der Einsicht in die Acten des Geheimen und Haupt=Archives in Schwerin gehabt hat, giebt obigen Todestag des Jahres 1637 an, während ältere Biographen, und mit ihnen Kopp in seiner "Geschichte der Chemie", behaupten, Sala habe noch 1639 gelebt. Letztere Ansicht wird, wie ich glaube, sich auf die Thatsache stützen, daß eine von Salas Schriften, die "Hydrelaeologia", in der gewönlich zugänglichen Ausgabe das Druckjahr 1639 trägt. Blanck giebt von dieser Schrift an, sie sei 1633 erschienen, und er wird darin Recht haben. Es wird sich in der Rostocker Ausgabe von 1639 dieses Opus, welches gewiß von Aerzten und Apothekern und auch wohl von Kurpfuschern, Liqueurfabrikanten etc. . oft benutzt wurde, um einen

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Wiederabdruck handeln. In der Vorrede der vom 1. Januar (24. Februar) 1637 datierten "Saccharologia" wird ausdrücklich die "Hydrelaeologia" als längst erschienen aufgeführt. Auch von der "Spagyrischen Schatzkammer", welche nach Blanck 1634 in Güstrow erschien, findet sich eine Rostocker Ausgabe von 1637 (Vorrede: Güstrow 7. August 1637 datiert). Vielleicht ließen sich diese Controversen erledigen, wenn die letzte Gesammtausgabe von Salas Schriften von 1682 zur Hand wäre. Mir steht, außer einer Anzahl von Einzeldrucken, nur die erste lateinische Gesammtausgabe von 1647 zu Gebot, welche keine Angaben über die Zeit der Publication der einzelnen Schriften macht und auch die Vorreden nicht immer berücksichtigt. Vielleicht ließen sich auch aus anderen Meklenburgischen Bibliotheken noch mehr erste Ausgaben der Schriften beschaffen, wie mir bis jetzt zugänglich waren.

Behauptet wird, Sala entstamme einem alten Marchesengeschlechte; jedenfalls erlangte der Sohn, welcher 1640 Kammerpräsident in Güstrow war, die Bestätigung des Adels und wurde ein Urenkel Salas, der Baron Gert Carl von Sala, am 23. Juni 1731 zum Reichsgrafen des heil. Römischen Reiches ernannt. Nichts wissen wir über Salas Geburtsjahr, nichts über seine wissenschaftliche Ausbildung. Daß er den Doctorgrad erworben, ist nicht wahrscheinlich, wahrscheinlich aber, daß er ein guter Christ, ein glaubenstreuer Lutheraner gewesen. Seine fast kindlich christliche Gesinnung tritt uns an den verschiedenen Stellen seiner Werke entgegen. Wäre er kein guter Lutheraner gewesen, so hätte der Vormund des jungen Gustav Adolph, der Schweriner Herzog Adolph Friedrich, Sala nicht der nächsten Umgebung des Prinzen zugeteilt. Denn der Aufenthalt in Bützow hatte den Zweck, Gustav Adolph dem Einflusse seiner reformierten Mutter zu entziehen.

Die 19 Schriften, welche Salas Namen tragen, sind zunächst einzeln im Druck erschienen, später, soweit nöthig, ins Lateinische übersetzt und dann, wie gesagt, unter dem Titel "Opera medicochymica, quae extant omnia" 1647 und 1682 gesammelt herausgegeben. Schon hier tritt uns der Verfasser als ein recht vielseitiger, auch sprachlich gut geschulter Gelehrter entgegen. Während sein erstes Werk und die "Anatomia Vitrioli" in italienischer Sprache erschienen, sind die dann folgenden aus der Zeit des Aufenthaltes in Holland lateinisch abgefaßt. Aber schon der "Ternarius ternariorum"und die letzte Schrift der niederländischen Zeit "Traité de la peste" wurden in französischer Sprache publiciert. Auch nach der Uebersiedelung nach Deutschland kehrt Sala zunächst zum Gebrauch des Lateinischen zurück, aber schon 1624 erschien in Wandsbeck die deutsch abgefaßte "Gründliche Erklärung von

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etlichen kräftigen und hochbewährten spagyrischen Medicamenten". Auch die späteren Werke "Essentiarum vegetabilium anatome", "Tartarologia", "Hydrelaeologia", "Saccharologia" und die "Spagyrische Schatzkammer", welche in den Jahren 1630 - 1637 verfaßt sind, waren deutsch geschrieben. Daß hier kein Zufall waltet, beweist wohl der Umstand, daß Sala, ebenso wie sein Fürst, seit 1628 der "Fruchtbringenden Gesellschaft" in Weimar angehörte, welche sich die Einführung der hochdeutschen Sprache in Schrift und Rede, ihre Reinhaltung von Fremdworten, zur Aufgabe gemacht hatte.

Um Salas Bedeutung für die Wissenschaft würdigen zu können, wird es nöthig, in kurzen Zügen die Entwickelung der älteren Medicin und Chemie zu scizzieren. Versetzen wir uns in die ferne Vergangenheit, aus welcher uns die ältesten geschriebenen Nachrichten erhalten sind, zurück, so sehen wir, daß die Menschheit im Wechselverkehr mit der sie umgebenden Natur schon früh eine große Zahl von Heilmitteln sich zu eigen gemacht hatte. Ebenso hatte sie auf dem Wege der Empirie eine Menge von Einzelbeobachtungen über die zweckmäßigste Verwendung dieser Medicamente gesammelt. Bei den meisten Völkern - Indern, Babyloniern, Juden, Aegyptern, Griechen - hat sich die Priesterschaft zum Hüter und Pfleger dieser Erfahrungen aufgeworfen und meistens wacht sie mit Eifersucht darüber, daß nur sie die Medicin ausübe. Die Medicamente waren zum großen Theile dem Pflanzenreiche entnommen; ganz bedeutend treten im frühen Alterthume die Heilmittel thierischer Abstammung gegen die pflanzlichen zurück, und nur höchst vereinzelt können wir die Verwendung mineralischer Medicamente und künstlich dargestellter Chemicalien nachweisen.

Als in den Tagen der höchsten Blüthe der Kunst und Wissenschaft in Griechenland Hippocrates seinen Namen mit unauslöschlichen Zügen eintrug in die Geschichtsbücher der Wissenschaft, da bestand sein Verdienst darin, daß er die vielen zum Theil aus Aegypten importierten, zum Theil im Laufe von Jahrhunderten selbst erworbenen Einzel=Erfahrungen der Priesterschulen von Kos und Knidos sammelte, die bisher ängstlich als Geheimlehre gewahrt, die nur mündlich oder höchstens durch den Priestern verständliche Inschriften im Tempel verbreitet worden; sie bestand weiter darin, daß er die einzelnen Krankheiten nach ihren Aehnlichkeiten gruppierte, aber diese Krankheiten nicht nur nach ihren Symptomen und der Art ihrer Bekämpfung, sondern auch nach ihrer Entstehungsursache beurtheilte. Hippocrates also hat die Semiotik in ihre Rechte eingesetzt und auf dieser Grundlage die Aufstellung eines Systems der Medicin erstrebt.

Es ist bekannt, daß dieser Geistesheros, den jede wissenschaftliche Medicin als ihren Begründer verehren muß, in seinem Streben

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ganz vereinzelt war und für lange blieb. Die Namen "dogmatische", "empirische", "methodische" Schule, mit denen die Geschichtsschreiber der Medicin die nächsten Perioden derselben bezeichnen, sagen uns, worin der Fehler lag. Schon die Söhne und nächsten Schüler des Hippocrates hatten seine Lehren zu Dogmen erhoben, denen sie blindlings ohne jede wissenschaftliche Kritik, folgten, auf jeden Weiterbau des Lehrgebäudes verzichtend. Die Nachfolger dieser aber waren wieder zur Empirie zurückgekehrt, sich bemühend immer mehr Medicamente zu erwerben und zu erproben und so wohl für die Heilung, nicht aber für die Erkenntniß der Krankheiten thätig zu sein.

Und zu solcher Richtung gab es damals mancherlei Anlaß. War es doch die Zeit, in welcher Alexanders Heereszüge die Griechen mit den verschiedensten Völkern in Berührung brachten. Eine Fülle neuer Kenntniß häufte sich in Griechenland und später in Alexandria an und die Kenntniß neuer Heilmittel machte einen großen Theil derselben aus.

Dieser Trieb, immer neue Medicamente zu erproben, war so groß, daß selbst, als die Einwirkungen ferner Länder wieder geringer wurden, der einzelne Arzt in seiner nächsten Umgebung, oft in abenteuerlichster und kritiklosester Weise, nach Medicinen suchte. Das ist die Zeit, welche jene Fülle thierischer Medicamente in den Arzneischatz führte, die oft das Allerekelhafteste, Widerlichste, das man sich denken kann, umfaßte. Das ist weiter die Zeit, in welcher die complicierten Arzneimischungen, wie sie uns in den Theriaken eines Mithridates und in anderen Compositionen erhalten sind, entstanden. Es war ein Wettlauf nach Neuem, der schließlich mehr Alterprobtes vergessen, wie werthvolles Neue erwerben ließ, der mehr die Routine, wie die wissenschaftliche Erkenntniß förderte.

Auch als die Medicin Griechenlands und Alexandrias ihren Weg nach Rom genommen hatte, blieb es so. Ein Glück ist es, daß in der Zeit des 2. Jahrhunderts wenigstens ein Mann erstand, welcher das Mißliche dieser Richtung erkannte und, indem er das massenhaft vermehrte Material der Medicin und damit auch der Pharmacologie in seiner Art systematisch zusammenstellte, wenigstens den Versuch machte, die Medicin in die von Hippocrates eröffneten Bahnen zurückzuleiten. Daß nur sein Wille ein guter, daß die Kraft zur Ausführung seiner Tendenzen fehlte, dürfen wir ihm nicht zum Vorwurf machen. Immerhin war schon der Versuch, den der 131 p. Chr. n. in Pergamon geborene Claudius Galenus machte, so imponierend, daß seine Schriften, die besonders auch die Anatomie und Physiologie berücksichtigen und deren pharmacologischer Theil vorzugsweise auf Grundlage der Aristotelischen Elementenlehre

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zusammengestellt war, während des ganzen Mittelalters Leitfaden der Aerzte blieben.

Bis in das 4. Jahrhundert nach Chr. ist von Chemie wenig die Rede. Daß man einzelne chemische Operationen beherrschte, lehren uns die Schriften der indischen Aerzte, namentlich Susrutas, lehrt uns Aristoteles und der größte naturhistorische Encyclopädist der römischen Zeit, Plinius. Namentlich verwertheten manche Völker - insbesondere die Aegiypter -- metallurgische Erfahrungen, die doch auch auf chemischen Processen beruhen. Erst nach Christi Geburt treten uns die ersten Spuren der Wissenschaft entgegen, welche später so große Bedeutung gewann, der Chemie. Erst aus dem 4. Jahrhundert haben wir zusammenhängende Werke, die wir mit der Bezeichnung der Araber, "alchimistische" nennen können. Sie beschäftigen sich zunächst ausschließlich mit Metallurgie, haben gar keine Beziehungen zur Medicin. Fußend auf den Anschauungen, welche in der griechischen Philosophie über die Natur der Materie allmählich sich ausgebildet hatten, besonders auf des Leukippos, Heraklit und Aristoteles Atomen= und Elementenlehre, entsteht allmählich die Ueberzeugung, daß die Metalle nicht Elemente in unserem Sinne, also einfach, sondern daß sie zusammengesetzt, daß ihre Verschiedenheiten durch ungleiche Mischung bedingt seien, daß eine Umwandlung eines Metalles in das andere möglich. Wie leicht verständlich, lockte die Ueberzeugung, Gold könne aus Kupfer oder Silber dargestellt werden, viele zu Versuchen an, daß aber über kurz oder lang die nüchterne Anschauung, welche diesen Proceß als einen natürlichen hinstellte, sich änderte, daß der Chemiker, nachdem er eine natürliche Umwandlung des Metalles vergeblich erstrebt, sich mehr und mehr dem Mysticismus in die Arme warf, dafür müssen wir die Zeitverhältnisse, welche dem Wunderglauben Vorschub leisteten, die philosophischen Anschauungen, welche aus Griechenlands Blüthezeit in das Mittelalter gerettet waren, dafür vor Allem den berühmten Stagyriten Aristoteles, der trotzdem der größte Naturforscher des Alterthums, einer der größten aller Zeiten bleibt, verantwortlich machen. Denn im Vollbewußtsein dessen, daß man durch seine 4 Elemente: Feuer, Luft, Wasser, Erde, nicht jede Verschiedenheit, nicht jede Veränderung der geschaffenen Materie erklären könne, hatte Aristoteles selbst noch ein fünftes vollkommen bewegliches, mehr geistiges Element aufgestellt, das den Stoff vollkommen durchdringt, ihn gewissermaßen durchgeistigt und belebt. Handelte es sich hier, wie überhaupt bei den Elementen des Aristoteles, zunächst nicht um materielle Gebilde im Sinne unserer Chemie, sondern um abstracte Bezeichnungen gewisser physicalischer Eigenschaften, so war dies all=

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mählich von den Alchimisten vergessen. Namentlich seitdem abendländische Gelehrte und Christen die Fortführung der Alchemie übernommen hatten, trat der Zeitpunkt ein, wo, nach unzähligen Bemühungen, durch chemische Versuche die Mischung der 4 Elemente aufzufinden. welche Gold zu Gold macht, man dieses 5. Aristotelische Element in das Experiment einführte. Jetzt galt es zunächst solche Substanzen aufzufinden, welche reich an dieser "quinta essentia" zu sein schienen und, das Ideal der Alchemisten war, diese womöglich rein aus ihren Combinationen abzuscheiden. Das Forschen nach ihr nannte man und nennt man heute noch in der Geschichte der Chemie "Suchen nach dem Stein der Weisen."

Bis zum 9. Jahrhundert gehen Alchimie und Medicin unbeeinflußt nebeneinander her. Letztere war inzwischen in die Hände der Araber gelangt, welche nach Möglichkeit sich an das Vorbild der Griechen, besonders Galens, hielten. Sie haben das ihnen anvertraute Gut fast unverändert den Händen der Salernitaner überliefert.

Auch bei Geber, dem größten Alchimisten des arabischen Zeitalters, der übrigens nicht Arzt war, wird das Wort "Medicin" nur bildlich gebraucht. Medicinen erster Ordnung nennt er die Rohmaterialien, Medicinen zweiter Ordnung die durch chemische Operationen - Destillation, Sublimation, Fällung, Krystallisation - aus ihnen gewonnenen Producte. Durch ein chemisches Meisterstück hofft er aus diesen das große Elixir, den Stein der Philosophen und Weisen, herzustellen. Noch fast 2 Jahrhunderte vergehen bis ein anderer arabischer Alchimist, Al Rasi oder Rhazes, den Versuch wagt, die alchimistisch gewonnenen Präparate als Arznei zu verwenden. Indem er dann angeblich die letzten Consequenzen der Elementenlehre für die Alchimie zieht, muß er zu der Einsicht gelangen, daß, was schon Galen angedeutet hatte, dieselben Theorien, denen zufolge das unedle Material krank ist und zu Gold und Silber gesunden muß, auch auf den menschlichen Körper, sein Krank= und Gesundsein, angewendet werden sollten. Und wenn es wiederum nicht gelang, durch Zuführung solcher Medicamente überall Gesundheit zu erringen, in denen die dem kranken Organismus fehlenden der 4 gewöhnlichen Elementarqualitäten reichlich vorhanden sein sollten, so mußte auch hier ein Zeitpunkt eintreten, wo man sich bestrebte das 5. aristotelische Element in der Medicin zu verwenden. Die quinta essentia, das große Elixir, der Stein der Weisen wird Universalmedicin und der Mensch Versuchsthier der Alchimisten. Denn wie hätte dieser es bequemer haben können, als indem er, was er als Stein der Weisen chemisch ausnutzen wollte, zuvor physiologisch sich als solchen bethätigen ließ. Die größten Alchimisten des 13. und

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14. Jahrhunderts - Roger Baco, den Humboldt den wichtigsten Förderer der Naturforschung, den tüchtigsten Experimentator des Mittelalters nennt, ferner Arnold Bachmone, bekannter unter dem Namen Villanovanus, Raymundus Lullus u. A. - sind fest davon überzeugt, daß man das Leben Jahrhunderte lang durch den Stein der Weisen werde erhalten können, d. h. "si Deus voluerit." Letzterer Reservation zufolge waren sie überzeugt, nur durch ein Wunder könne die Panacee in ihre Hände gelangen, nur die Innigkeit und Inbrunst ihres Gebetes könne die Darstellung gelingen lassen. Für Basilius Valentinus, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebte, ist der chemische Versuch Gottesdienst; nur dem unsterblichen Theile der Menschen kann er den Stein der Weisen gleichsetzen. Schon der Besitz dieses Steines genügt: "keine Armuth wird der Inhaber spüren, keine Krankheit ihn rühren, kein Gebreste ihm Schaden bringen, bis zu dem gesetzten Ziel des Todes, so ihm von seinen Himmelskönige gesetzt ist."

So war denn nun der strebsame Arzt gezwungen, den durch chemische Arbeit gewonnenen Producten seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und wer konnte leugnen, daß manche derselben sehr energisch wirkende Medicamente darstellen. Schon früh hatte man begonnen mit einer gewissen Vorliebe Präparate des Quecksilbers Bleis, Kupfers, Antimons, Schwefels, ferner Alaun, Salpeter und andere in der Alchimie anzuwenden und später, als Zink und Wißmuth bekannt wurden, sind auch diese zu Versuchen herbeigezogen. Jetzt werden die alchimistischen Medicinen zu Heilmitteln im wahren Sinne des Wortes. Das ist die Zeit, in welcher eine neue medicinische Schule - wir können sie mit Sala und Andern die "spagyrische" nennen - entstand, aber auch die Zeit, wo die alte Schule der Aerzte, welche treu an den durch Salerno verbreiteten Lehren Galens festhielt, mit größter Energie sich gegen solches Gebahren auflehnte.

Ein furchtbarer Kampf entstand; hie Galeniker, hie Spagyriker! Mit jugendlichem Ungestüm sendet Basilius Valentinus seinen "Currus triumphalis Antimonii" in die Welt; mit Spott und Hohn redet er von den nach Galens Vorschrift durch Mischung zahlreicher pflanzlicher und thierischer Droguen angefertigten Theriaken, mit Verachtung gedenkt er der Corrigentien, durch welche die Galeniker die Wirkung ihrer Medicamente mildern und rectificieren wollen. "Durch das Feuer", er meint Chemie, "muß die Correctur gehen, sonst ist es keine", so donnert er sie an.

Nur noch kurze Zeit dauert es nun und Theophrastus Paracelsus von Hohenheim (1493 - 1541) erklärt, nicht Gold sondern Arzneien zu machen, sei die Aufgabe der Chemie. Auch die

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heftigst wirkenden Chemicalien könne man äußerlich und innerlich zu Heilzwecken anwenden. Man brauche dieserhalb noch nicht die Medicamente der Pflanzenwelt zu verwerfen; aber man solle den wirksamen Theil dieser von den unwirksamen Bestandtheilen scheiden und ausschließlich erstere - die Quintessenz der einzelnen Drogue - verordnen.

Aber nicht nur zur Darstellung der Heilmittel brauche der Arzt die Chemie, ebensosehr sei sie ihm nöthig, um die Ursache der Krankheit zu ergründen, die Wirkung des Medicaments zu verfolgen und zu controlieren. Auch der menschliche Organismuß gleiche einem chemischen Laboratorium, die wichtigsten Lebensvorgänge beruhten auf chemischer Umsetzung, die der Körper durch starkwirkende Stoffwechselproducte - Säuren, Basen - bewerkstellige und in die der Arzt mit Chemicalien in höchst erfolgreicher Weise eingreifen könne. Und wenn auch von allen Seiten die Galeniker über ihn herfallen, ihm vorwerfen, daß er mit diesen Chemicalien seine Patienten morde, siegreich behauptet er den Gegnern gegenüber das Feld. Zwar glaubt auch er noch an die Möglichkeit Gold aus diesem ungleichen Material herstellen zu können, aber mehr und mehr verliert diese Aufgabe der Chemie an Bedeutung.

Paracelsus gilt als der Schöpfer der Jatrochemie, die nicht nur mit Chemicalien heilen, sondern durch die Chemie die Erkrankungsursache auffinden, die wichtigsten Lebensvorgänge im menschlichen Organismus erklären wollte. Zahlreiche begeisterte Anhänger helfen dazu ihr Ansehn zu erhöhen und Paracelsus als neuen Hippokrates zu verherrlichen. Was in seinem Uebereifer Paracelsus übertrieben und wo er über das Ziel hinausgegangen, das fand bei Beginn des 17. Jahrhunderts durch Johann Baptist van Helmont, den geistvollen Begründer der pneumatischen Chemie, den ersten Erforscher der gasförmigen Substanzen, zum Theil schon seine Berichtigung. Wo Paracelsus, wie zum Verständniß der Verdauung, die Chemie herangezogen hatte, da ergänzte van Helmont in sehr glückicher Weise den Meister. Und mit größtem Erfolge trat Franz de la Boö (Silvius) - 1614 bis 1672 - für die neue Lehre ein, die er in möglichst consequenter Weise auszubauen suchte. Auch Paracelsus und van Helmont hatten sich noch nicht ganz von der Annahme spiritualistischer Kraft, wie des Archeus, der die Verdauung regelt, loszusagen vermocht; da war es Silvius, der nachwies, daß neben der Acidität des Magensaftes und der Alcalescenz des Darmsaftes vor Allem die Anwesenheit und Thätigkeit gewisser Fermente wie Speichel, Pepsin, Pankreatin zur Verdauung nothwendig sei. Formente, die chemisch wirken, für deren fast wunderbare Wirkung aber, nicht nur damals sondern noch bis vor Kurzem, das rechte Verständniß fehlte.

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Mehrfach war versucht, die neue und alte Schule der Aerzte einander zu nähern. Namentlich Sennert (1572 - 1637) unternahm es, den Galenikern die spagyrischen Medicamente zu empfehlen, die durch Croll, Quercetanus, Libavius, Mynsicht und viele Andere vermehrt und verbessert wurden. In diesen Zeitpunkt fällt die Wirksamkeit Angelus Salas. Auch er ist bemüht zu vermitteln, die Spagyriker vor zu einseitiger Ausnutzung der Chemicalien zu warnen, die Galeniker zur Annahme der nach ihrer Art weiter verarbeiteten Chemicalien zu bewegen.

Schon in dem ersten Tractat, welches ich oben erwähnte, bespricht Sala verschiedene Irrthümer der Chemiker und Galeniker bei Herstellung ihrer Medicamente. Den Alchimisten - Pseudochemikern - macht er z. B. Vorstellungen über die von ihnen als "aurum potabile" angepriesene Universalmedicin, von der behauptet wurde, das Gold sei in ihr in einem subtilen und geistigen Zustand versetzt und könne deshalb nicht mehr erkannt und wieder abgeschieden werden. Sala beweist daß man gewiß sehr wirksame lösliche Goldpräparate gewinnen könne, daß aber aus allen durch geeignete Bearbeitung auch nach Jahren das Gold wieder als solches frei gemacht werden müsse. Wenn das mit ihrem aurum potabile nicht der Fall sei, so enthalte es eben kein Gold. Damit ist aber die Theorie von der Fortexistenz der Metalle, d. h. unserer jetzigen Elemente, in Verbindungen ausgesprochen, die erst die spätere Chemie zur Anerkennung gebracht hat. Manchen Lichtblick finden wir in dem Abschnitt über Antimon, von dessen Verunreinigung mit Kupfer, Gold und namentlich Arsen, von dessen Gehalt an Schwefel Sala schon eine Vorstellung hat. Da unreine und namentlich arsenhaltige Antimonialia viel stärker als reine wirkten, müßten erstere durchaus vermieden werden. Interessant sind auch die Abschnitte über Talk, über Quintessenz des Weines, d. i. Weingeist, über den Weinstein, dessen Verhalten bei der trockenen Destillation gut geschildert und dessen Rückstand bei dieser als Pottasche, die wohl an der Luft zerfließen, aber kein Oel geben könne, erkannt wird. Allerdings laufen hier und in den übrigen Schriften auch schwere Irrthümer mit unter, so daß man die Goldkörner mühsam sich zusammenlesen muß. Man muß sich oft durch einen Wust von Phrasen, Wiederholungen, unwichtigen Dingen, auch bei den Experimenten durch viel Nebensächliches, vieles, welches den Versuch unnöthig compliciert, hindurchquälen, aber staunen muß man doch über die scharfe Beobachtungsgabe Salas und die nüchterne Art der Deutung seiner Erfolge. Den Galenikern macht Sala im 2. Abschnitt desselben Buches es klar, es sei unlogisch immer auf die coustischen Wirkungen der spagyrischen Medicamente hinzuweisen.

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Was sei nicht alles ätzend? Auch durch Erhitzen von Zucker und Honig bekomme man ein Destillat, welches Kupfer und Eisen löse, auch Kochsalz, das wir täglich zu uns nehmen, könne Eisen, Kupfer, Zinn etc. . angreifen, Quecksilber aus Lösungen niederschlagen; auch Weinstein des Weines könne man so caustisch machen, daß Kupfer afficiert werde. Daß auch Galens Compositionen stark caustische Bestandtheile enthielten, beweist er durch Beispiele.

Aus dem dann folgenden Tractat von 1608 "Anatomia Vitrioli" sehen wir, daß Sala schon gelegentlich wasserfreie Schwefelsäure beobachtet hat. In der 1617 in Amsterdam herausgegebenen "Septem planetarum terrestrium recensio" werden Darstellung, Eigenschaften, Präparate der damals bekannten 7 Metalle, welche schon von den alten Astrologen je einem Planeten zugewiesen worden, besprochen. Hier finden wir zuerst die Bereitung des Höllensteins beschrieben, die medicinische Anwendung des gesüßten Quecksilbersublimates, d. h. des Calomel, warm befürwortet. Weil Sala im Reagensglase die Fällung des Quecksilbersublimates durch Pottasche beobachtet, wird diese als Antidot bei Quecksilbervergiftung empfohlen. Damit ist gesagt daß man das im Laboratorium ausgeführte Experiment direct auf Vorgänge im lebenden Körper übertragen dürfe - jedenfalls für die Pharmacologie eine höchst bedeutungsvolle Leistung. Hochinteressant ist auch, was Sala über Resorption der Quecksilbersalbe, über chronische Quecksilbervergiftungen, namentlich aber über Fällung des Kupfers aus Vitriollösungen durch Eisen sagt. Hier sei nicht, wie die Alchimisten glaubten, Kupfer geschaffen, es sei im blauen Victriol schon präformiert gewesen.

Es folgen drei Tractate, welche später mit dem Namen "Ternarius triplex Hemeticorum, Bezoardicorum et Laudanorum" zusammengefaßt werden. Ersterer, den man gelegentlich als Tract. Hermeticorum falsch citiert findet, kam 1613 in Delft heraus und enthält eine Zusammenstellung der von Galenikern und Spagyrikern wie Quercetanus und Villanovanus gemachten Beobachtungen über Brechmittel. Der zweite beschreibt die Herstellung von 3 Bezoarmischungen, um Vergiftungen vorzubeugen und solche zu heilen (1616 in Leyden verlegt). Der dritte (1614 im Haag ediert) ist eine monographische Arbeit über Opium und seine Präparate. Vereint erschienen die 3 Schriften in einer Ausgabe vom Jahre 1630 (Erfurt, durch Andr. Tentzel aus dem Französischen ins Lateinische übersetzt).

Gleichfalls in Leyden erschien 1617 die "Anatomia Antimonii", welche manches in der ersten Schrift Salas Gesagte wiederholt, aber auch viele neue Antimonpräparate wie Crocus, Vitrum und Flores Antimonii, desgl. das Antimonium diaphoreticum beschreibt.

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Warm empfiehlt Sala die Benutzung dieser in der Medicin, warnt aber nachdrücklichst vor unvorsichtigem Gebrauch. Bekannt ist Sala, daß Wein Antimonblüthe (Oxyd) lösen könne: daraus folgt, daß er schon Brechweinstein angewendet hat, wenn auch erst sein College Mynsicht dieses Präparat fest und rein darstellen lehrte. Daß aber, wie behauptet wird, Sala den Goldschwefel benutzt habe, dafür finde ich in dieser Schrift keinen rechten Beweis. Es ist wohl von einem durch Sublimation gewonnenen rothen Schwefelantimon, dessen Farbe sogar mit der der Orangen verglichen wird, die Rede, aber als Sulfur auratum oder Stibium sulfuratum aurantiacium dürfen wir dieses oxydhaltige und brechenerregend wirkende Präparat wohl kaum anerkennen.

Der schon früher erwähnte "Traité de la peste, Leyden 1617" ist eine gute medicinische Abhandlung über Vorbeugung und Behandlung der Pest. Interessant sind physiologische Bemerkungen über Herz und Lunge und ihre Bedeutung für das Leben. Auch die Abschnitte über reine und verdorbene Luft und Verbreitung der Pest durch diese sind lesenswerth.

Eine Menge guter Gedanken enthält auch die Schrift "Synopsis Aphorismorum chymiatricorum" (Bremen 1620). Gesunde Art zu philosophieren, vorzügliche Kenntniß der damaligen Chemie und ihrer Arbeitsweise, manche eigene Beobachtung, z B. diejenige über die Entstehung des Salmiaks, tritt uns hier entgegen.

Das folgende kleine Tractat "Descriptio brevis antidoti pretiosi" (Marburg 1620) entzieht sich im Wesentlichen unserer Beurtheilung, weil, worüber Sala sich übrigens beim Leser entschuldigt, die Zusammensetzung des Antidots geheimgehalten wird. Beiläufig finden wir aber doch auch hier eine wichtige Notiz über die Verhältnisse, unter welchem Knallgold entsteht.

In der "Chrysologia" (Hamburg 1622) wiederholt Sala seine Angriffe gegen das aurum potabile; in der 1624 in Wandsbeck verlegten "Gründlichen Erklärung von etlichen kräftigen und hochgewährten spagyrischen Medicamenten" behandelt er, unter Einschaltung von Abbildungen mehrerer von ihm erfundener Apparate, solche Chemicalien und pharmaceutische Präparate, welche durch Destillation und Sublimation gewonnen werden können. Auf ein weiteres Eingehen auf dieses Buch verzichte ich, weil mir der Originaldruck bisher nicht zugänglich war, der Uebersetzer aber in der 1630 zugleich mit dem "Ternarius" edierten Ausgabe und der Gesammtausgabe von 1647 mehrfach andeutet, er bringe z. Th. auch seine eigenen Erfahrungen hier vor. Daß die Sache verdächtig, beweist wohl der Umstand, daß

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der Herausgeber Andreas Tentzelius seine Vorrede in der Gesammtausgabe von 1617 datiert, also 7 Jahre vor dem Erscheinen des Werkes selbst.

Wiederum in Hamburg erscheint dann 1625 die Schrift "De Natura, proprietatibus et usu spiritus Vitrioli fundamentalis dissertatio". Sala hat die wichtige Entdeckung gemacht, daß Schwefelsäure, mag sie nun durch Erhitzen von Kupfer= oder Eisenvitriol, oder durch Oxydation von Schwefel entstanden sein, stets gleiche Eigenschaften besitze. Er hebt ferner hervor, daß diese Säure bei Einwirkung auf Salpeter die Salpetersäure, die er für sehr giftig erklärt, frei mache. Deshalb müsse man vermeiden Salpeter und Schwefelsäure mit oder kurz nacheinander in den Körper zu bringen.

Nun tritt eine längere Pause in Salas schriftstellerischer Thätigkeit ein; dieser ist gerade an den Güstrower Hof gekommen, muß aber bald darauf mit seinen Fürsten in die Verbannung gehen. Aber gleich nach der Rückkehr tritt Sala mit 2 Schriften, die z. Th. auf der Reise vorbereitet sind, hervor, dem "Processus de auro potabili novo" (Straßburg 1631), in welchem er nun nach Vorführung vieler Recepte Anderer selbst zeigt, wie man Gold lösen und ein in Wasser lösliches sehr starkwirkendes Goldpräparat herstellen könne. Wir finden in diesem Werke auch die wichtigte Beobachtung erwähnt, wie man dem Knallgold seine explosiven Eigenschaften nehmen könne. Schon etwas vorher (Rostock 1630) erschien die "Essentiarum vegetabilium anatome", deren Vorrede noch in Harzgerode am 1. Juli 1629 geschrieben ist. Es ist ein Werk im Sinne der Galeniker, von dem ich schon früher gesprochen. Die mit ihm deutsch verfaßten und eine besondere Gruppe bildenden Schriften "Tartarologia", "Hydrelaeologia", "Saccharologia" - Sala faßt sie einmal mit dem Namen "Botanochymia" zusammen - sind sämmtlich in Rostock in den Jahren 1632, 1633 und 1637 verlegt. Erstere behandelt den Weinstein und seine Präparate, gebraucht aber die Bezeichnung "Weinstein", wie auch Paracelsus es thut, als Gruppennamen für viele leicht fällbare Substanzen. So macht es denn den Eindruck als habe Sala z. B. auch das Sauerkleesalz, welches er als Erster aus Sauerampfer abschied, für Weinstein gehalten. Die Hydrelaeologie beschreibt die Bereitung der destillierten und aromatischen Wässer, flüchtiger Oele, des Weingeistes, der aromatischen Spiritus und vieler Aquavitae=Mischungen. Die Saccharologie aber ist den Zuckern, ihrer Reinigung (mit Eiweiß und Kalk), ihrer Verwendung in der Chemie und Medicin gewidmet.

Was nun endlich die nach Blanck 1643 in Güstrow edierte "Spagyrische Schatzkammer" angeht, so sind in ihr zahlreiche wirksame

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Chemicalien, je nach der Wirkungsweise geordnet, uns vorgeführt. Wir finden hier z. B den Eisenweinstein, der später oft benutzt wurde, angeführt. Auch hier kommt Sala auf die Goldlösungen zurück, welche nicht in silberne, oder zinnerne, oder schlecht vergoldete Löffel gebracht werden sollen, weil ein Metall das andere niederschlage und so die Lösung ihren Gehalt an wirksamer Substanz einbüße. In einem Anhang hat Sala viele Vorschriften zu Syrup= und Honigmischungen, stärkenden Tränken etc. und die Besprechung seines "Pulvis rosae vitae" angeschlossen. Letzteres hat er in vielen Krankheiten bewährt gefunden, aber er fügt, getreu seinen Alchemisten=Vorbildern resigniert hinzu - "Contra vim mortis non est medicamentum in hortis." -

Zwischen dem Erscheinen dieser Schrift und dem der "Saccharologia" ruhte die Feder Salas für einige Jahre. Es ist dies die Zeit, in welcher sein von schwerem Leberleiden heimgesuchter Fürst langsam dem Tode entgegengeht.

Möge diese kurze Aufzählung der Schriften Salas und einiger wichtigerer Ergebnisse derselben für heute genügen. Sie, meine Herren, werden daraus den Eindruck gewonnen haben, daß in Sala auf das Glücklichste der Galeniker mit dem Spagyriker vereinigt, also das Ideal erreicht war, welches für den Mediciner erstrebt werden mußte. Weit überragt Sala die meisten Aerzte seiner Zeit aber auch den Chemikern hat er in Manchem den Weg gewiesen. Paracelsus stellt die Aufgabe, daß die wirksame Ouintessenz der Pflanzen= und Thier=Droguen aufgesucht werden solle, Sala zeigt oft, wie das gemacht werden muß. Die Regeln, welche er giebt, um das Wirksame der Droguen vom Unwirksamen zu trennen, die Verwendung, welche er dabei von den möglichst indifferenten Lösungsmitteln macht, sind noch heute für den Chemiker maßgebend.

In Sala-s Schriften finden wir eine große Anzahl von Einzelversuchen und Einzelerfahrungen zerstreut. Unsere Zeit, welche bei allem Eifer für das Einzelexperiment den Trieb hat, das Errungene zusammenzufassen und im Gesammtüberblick über dasselbe den Gesetzen, welche das Geschaffene regieren, nachzugehen, vermißt dies Bedürfniß bei Sala. Aber ganz abgesehen davon, daß er in der Vorrede zur "Saccharologia" den Plan andeutet, er wolle,sofern der Allmächtige Gott Leben und Leibesgesundheit ihm verleihe, Alles dasjenige, "so er in den (botanischen), animalischen und mineralischen zu der Arztney dienstlichen Substanzen von Jugend auf laborirt und geobservirt habe, fundamentaliter in einem corpore an den Tag geben," dürfen wir wir ihm aus dem Fehlen einer solchen Verarbeitung seiner Erfahrungen einen Vorwurf machen? War er darin nicht voll und

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ganz ein Kind seiner Zeit, daß er in der Freude am Einzelnen das befriedigende Gefühl nicht entbehrte, welches uns erfüllt, wenn wir auch nur in enger Grenze ein abgeschlossenes Ganze zu überblicken glauben? Die ganze Zeitrichtung war eine andere und das mahnende Wort, welches der 10 Jahre vor Sala verstorbene Francis Bacon von Verulam der Welt zugerufen, hatte damals noch keine Resonanz auf dem Boden der Naturforschung gefunden. Ich meine das Wort, welches jetzt durch alle Welt tönt, daß Beobachtung und Experiment dann als Basis wahrer Forschung - Naturforschung - dienen, wenn aus ihnen Theorien abstrahiert, nicht aber wenn von allgemeinen Philosophemen aus Ideen in die Wissenschaft gebracht werden.

Nicht uninteressant ist es, daß, während Sala am Güstrower Hofe in Ansehen steht, am Schweriner der mehrmals erwähnte Adrian von Mynsicht als Leibarzt thätig ist. Hat zwischen Beiden ein Verkehr bestanden? Es wäre mir lieb, darüber etwas Genaueres zu erfahren. Citate kommen bei beiden Schriftstellern selten vor, und ich habe keine Stelle gefunden, wo einer den anderen citierte. Unter den vielen Lobgedichten, welche nach der Sitte der Zeit Mynsicht in seinem "Thesaurus" abdruckt, finde ich keines aus Salas Feder, wohl aber in der Adolph Friedrich gewidmeten Saccharologia Salas ein Lobgedicht Mynsichts.

Ueber 250 Jahre sind seit Salas Tode vergangen. Längst hat die Jatrochemie im Sinne Paracelsus sich überlebt. Schon Lefèbre († 1674) hatte eine Trennung der reinen oder philosophischen Chemie von der medicischen verlangt. Riesengroß sind die Fortschritte der ersteren, seitdem sie um ihrer selbst Willen betrieben wurde. Keiner derselben ist spurlos an der medicinischen und pharmaceutischen Chemie vorübergegangen. Indem wir seit 1804 viele Alkaloide, Glycoside und ähnliche Stoffe aus organisierten Wesen als "Quintessenz" abgeschieden, haben wir voll und ganz der Forderung des Paracelsus entsprochen. Wir haben dem Arzte die Möglichkeit gegeben, statt ganzer Pflanzen= und Thiertheile, die heute reich, morgen arm an wirksamer Substanz sein können, diese letztere selbst zu verwenden und das Ideal der Arzneimittellehre - genaue Dosierung der Medicamente - zu erreichen.

Basilius Valentinus aber sind wir gerecht geworden durch die Entdeckung, daß man in schon bestehender Verbindung durch Fortnahme resp. Einführung von Atomgruppen die Wirkungsweise ändern kann, so daß die Correctur, welche die Galeniker verlangten, thatsächlich "durch das Feuer geht."

Indem wir, wie die Lebensvorgänge selbst, so die Einwirkung vieler der meist starkwirkenden Mittel, Schritt für Schritt im Körper

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chemisch verfolgt, indem wir auch die im Organismus bei Eingriffen schädlicher Factoren entstehenden Gifte und Heilsubstanzen erkannt und mit berücksichtigt haben, indem wir nicht nur starkwirkende giftige und heilkräftige Substanzen, die der lebende Körper der Pflanze und des Thieres erzeugt hat, durch Analyse isolieren, sondern selbst neue Gifte und Medicamente durch Symthese herstellen lernten, haben wir viel mehr gethan, als Paracelsus erwarten konnte. Wir können stolz sein auf das, was die Medicin im Zusammenwirken mit der Chemie erreicht hat, aber wir wollen nicht vergessen, welchen Antheil Männer wie Angelus Sala durch scheinbar zusammenhangslose Einzeluntersuchungen an dieser Arbeit genommen. Freuen wollen wir uns auch, daß unser Meklenburg und sein Fürstenhaus, indem es Sala und anderen tüchtigen Gelehrten eine Heim= und Arbeitsstätte bot, bei der Förderung zweier der wichtigsten Wissenschaften sich verdient gemacht haben, zweier Wissenschaften, deren eine nicht nur den Organismus heilen, sondern in allen seinen Theilen erforschen, deren andere nicht nur Mischungen und Verbindungen zerlegen, sondern auch neue nutzbare Verbindungen aufbauen soll. Mit Vorliebe braucht Sala für die Chemie seiner Zeit die Bezeichnung "Spagyrische Kunst", hier ist mit einem Worte angedeutet, was aus der Chemie seitdem geworden ist. Erst wir haben, insofern der Name die beiden Thätigkeiten der wissenschaftlichen Chemie "δπάειν  - zerreißen, zersetzen, άγείρειν - sammeln, aufbauen" andeutet, ein Recht unserer Chemie diesen Namen beizulegen.

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VI.

Neue Funde aus der jüngeren Bronzezeit in Meklenburg.

Von
Dr. R. Beltz.
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D ie archäologischen Erscheinungen, unter denen das Ende der Bronzezeit in Meklenburg eintrat, klar zu legen, ist im Jahrb. 51, S. 4 flgd., versucht worden. Die Schwierigkeiten lagen besonders in der Kümmerlichkeit der Beigaben in den Grabstätten, welche nach ihrer äußeren Gestalt auch chronologisch zu scheiden bisher nicht gelungen ist. In den seitdem verflossenen zehn Jahren ist eine Fülle neuen Materials aufgetreten, welches zur Klärung der schwebenden Fragen beitragen kann. Verfasser hat, Dank besonders dem Entgegenkommen der Großherzoglichen Kommission zur Erhaltung der Denkmäler, eine Anzahl von Fundstellen untersucht und besonders auch auf die Feststellung der Formen ein größeres Gewicht legen können. Schärfer als es a. a. O. geschehen ist, lassen sich vier Gruppen scheiden: 1. Größere aufgeschichtete Hügel von Kegelform. 2. Kleinere flache Hügel aus Erde oder Steinen errichtet. 3. Natürliche Hügel, meist langgestreckt. 4. Bestattungen unter der Erde. In allen vier Fällen findet die Bestattung durch Bergung der gebrannten Gebeine in einer Urne, welche durch eine Steinsetzung geschützt wird, statt. Daß diese vier Formen im allgemeinen auch die zeitliche Entwickelung darstellen, ist unzweifelhaft, aber noch nicht bis in das Einzelne durchführbar. Seit jener Veröffentlichung ist ferner das grundlegende Werk von Montelius, Om tidsbestämming u. s. w. erschienen. In diesem wird das gesammte nordische Material in sechs Perioden

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getheilt. Unsere Funde gehören dem seiner 4 ten , 5 ten und 6 ten an. Ich habe an anderer Stelle nachzuweisen gesucht, daß in Meklenburg die zweite und dritte Periode kaum zu trennen und ebenso die vierte und fünfte zusammenzuschließen sind; es würde sich demnach bei den folgenden Funden um unsere dritte (jüngere) und vierte (jüngste) handeln, und es sei gleich hier vorausgenommen, daß wir eine Scheidung der Grabstätten nach diesen Perioden nur im allgemeinen so machen können, daß wir die Hügel unserer dritten, die Beisetzungen in natürlichem Boden der vierten zuschreiben. Daß in der jüngeren Bronzezeit die schönsten und größten Funde nicht in den Gräbern, sondern in gewissen Moor= und Erdfunden gemacht werden, ist bekannt. Man hat also kein Recht, aus dem kümmerlichen Gesammteindruck der Gräber ohne weiteres auf einen Niedergang der Kultur im allgemeinen gegenüber der älteren Periode zu schließen; gerade mit den ärmlichen Grabfunden sind die am meisten in die Augen fallenden Erzeugnisse unserer Bronzekunst, die Hängebecken, gleichzeitig. Der Hauptunterschied zwischen der älteren (Montelius II - III) und jüngeren (Montelius IV - V) Bronzezeit liegt in einem durchgängigen Wechsel der Grabgebräuche: die Bestattungsgebräuche wurden einfacher, die Grabformen unscheinbarer; dem Todten wurden nur geringfügige, oft, wie es scheint, nur zu diesem Zwecke angefertigte Gegenstände mitgegeben, die selbstverständlich kein Bild von der technischen Leistungsfähigkeit jener Zeit geben können. Die besseren Sachen wurden an entlegenen Stellen, in Seen oder unter Steinen, geborgen; es ist eine durchaus annehmbare Vermuthung, daß sie auch dort als Ausstattung für ein künftiges Leben dienen sollten, wie früher die Beigaben in den Gräbern. Ein zweiter durchgehender Unterschied ist die stärkere Beeinflussung durch südöstliche Bronzegebiete, besonders durch den Hallstädter Formenkreis. Es ist heute wohl allgemein anerkannt, daß in älterer Zeit der Elbeweg die Kulturstraße der Bronzeperiode gewesen ist, während in der jüngeren östliche Wege dafür eintreten und eine Verschiebung des ganzen Gebietes der jüngeren Bronzezeit nach Osten eintritt. Jene Hallstädter Produkte aber haben hier zu Lande keine Hallstadtperiode herbeigeführt: die getriebenen Gefäße und dergleichen, die hierher verschlagen sind, haben vielmehr zu einer Weiterentwickelung der einheimischen Kunstthätigkeit geführt, indem man einmal dieselben in der einheimischen Technik des Gusses nachahmte, sodann Ornamentmotive aus ihnen entnahm. Die Nachweise werden unten, besonders bei Gelegenheit der Becken und der Schale von Brook, gegeben werden. Man braucht nur das Gesammtbild der Meklenburgischen Bronzekultur etwa mit dem der West=Preußischen, wie sie in den schönen Publikationen von Lissauer "Prähistorische Denkmäler" und "Alter=

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thümer der Bronzezeit in West=Preußen" vorliegt, zu vergleichen, um den durchgreifenden Unterschied zu beobachten, der zwischen der hiesigen wohl gefestigten und darum zur Aufnahme und Weiterbildung fremder Elemente fähigen Bronzekultur und der dortigen schwach entwickelten, welche fast widerstandslos den fremden Einflüssen verfiel, bestanden hat. Kräftiges Festhalten am erworbenen Besitz scheint auch in archäologischen Dingen ein Merkmal des Meklenburgischen Bodens zu sein; die Bronzezeit hat sich hier länger und lebendiger gehalten als in anderen Ländern, ebenso wie auch die Funde der älteren Eisenzeit tiefer in die Völkerwanderungsperiode hineingreifen und das Wendenthum am zähesten behauptet ist. Mit dem Gesagten berichtigen sich einige Aufstellungen, welche Verfasser an anderen Stellen, besonders Jahrb. 51, S. 30, nach dem damaligen Stande der Forschung gegeben hat; dazu kommt, daß wir damals über die Einflüsse der la Tène - Periode, der Zwischenzeit zwischen der Bronze= und römischen Eisenzeit in Meklenburg noch fast gar nichts wußten, während jetzt eine Anzahl neuerer Funde, welche ich demnächst veröffentlichen zu können hoffe, auch hier diese eigenartige Uebergangsperiode scharf hervortreten lassen. So ist das a. a. O. Gesagte im wesentlichen auf die jüngste (Montelius VI) Periode einzuschränken; und dementsprechend sind auch zeitlich die Funde der jüngeren Bronzezeit höher hinaufzuschieben. Montelius glaubt für seine vierte Periode die Zeit von 900 bis 750, für seine fünfte 750 bis 550 ansetzen zu dürfen. Ich halte die Grundlagen dieser Bestimmung bisher noch für zu schwankend, besonders auch den Zeitraum von 450 Jahren für sehr unwahrscheinlich bei einer Kultur, welche, wie die besprochene, auf einem stetigen Kampfe zwischen verschiedenen Formenkreisen beruht; daß sie aber in ihren Anfängen ein gutes Stück vor die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends zurückgehen muß, scheint auch mir unzweifelhaft.


Wir behandeln im Folgenden zunächst die durch neuere Ausgrabungen bekannt gewordenen Grabfunde, sodann die Depotfunde und die Einzelfunde.

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I. Grabfunde.

1. Kegelgräber von Schaliß.

(Katalognummer des Großh. Museums Br. 361 - 364.)

In dem zu der Begüterung des Herrn von Treuenfels auf Neuhof gehörenden Tannengehölz nahe bei Zarrentin östlich von dem Ausfluß der Schaale aus dem Schaalsee liegen verstreut eine Anzahl

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rundlicher Sandhügel, in denen man schon früher Kegelgräber vermuthet hat. Im Sommer 1894 hat Herr A. Bartholdi aus Zarrentin einige Hügel angegraben, welche in der That bronzezeitliche Funde ergeben haben. Diese hat der Finder mit dankenswerther Bereitwilligkeit der Großherzoglichen Sammlung überlassen.

Der erste Hügel war kreisrund, ganz aus Sand aufgeschichtet und hatte etwa 4 Meter Achsenhöhe. Die Ausgrabung hat etwa 1/6

Urne
Figur 1.¼

des Hügels weggenommen und den Grund nicht erreicht. In der Mitte des Hügels, etwa 2,50 Meter über der Grundfläche stieß man auf eine Steinkiste von regelmäßigen großen Platten sechsseitig aufgesetzt, dazu Fußplatte und Deckplatte. In der Mitte stand eine größere Urne, gefüllt mit großen, nicht stark gebrannten Knochen von gelblicher Farbe, zwischen denen drei kleine Bronzen lagen. An der Wand der Urne waren Eindrücke eines Gewebes, und an dem darin liegenden Messer kleben noch kleine Stücke eines weißen Stoffes; nach freundlicher Untersuchung des Herrn Dr. Buschan in Stettin ist das Gewebe Wolle.

Die gefundenen Gegenstände sind:

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1. Urne (abgebildet umstehende Abb. 1). Braun, gut gearbeitet; von einer geraden Standfläche mit schräg ansetzender gerader Wandung ansteigend, dann mit einem nicht scharfen Bauchrande einbiegend zu einem etwas nach innen geneigten Halse, dessen Ansatz durch einen Einschnitt gekennzeichnet ist. Höhe 28 cm (bis zum Bauchrande 18 cm); Höhe des Halses 8,5 cm, oberer Durchmesser 23 cm, Durchmesser des Bodens 12 cm, größter Umfang 1,02 m. Die Form ist bronzezeitlich, aber schlanker als die große Mehrzahl der Urnen aus den Kegelgräbern; auch außerhalb Meklenburgs gehört sie der jüngern Bronzezeit an; vergl. u. a. für Schweden Montelius, Antiquités suédoises, Fig. 258; für Schleswig=Holstein Mestorf, Vorgeschichtliche Alterthümer aus Schleswig=Holstein, Fig. 357.

2. Rasiermesser von Bronze mit dunkler, körniger Patina (abgebildet beistehende Abb. 2). Die Grundform ist ein Trapez, an dem Griffende ornamentale Kreise und Bänder; Länge 6 cm, Breite (in der Mitte) 2 cm. Wir hatten bisher nur ein Exemplar dieser Form, von Spornitz (vergl. Frid. Franc. XVII, Fig. 5 und Text S. 19), ebenfalls aus Kegelgräbern. In Schleswig=Holstein und Dänemark sind gleiche Messer unter denselben Verhältnissen gefunden, vergl. Mestorf a. a. O. Fig. 236 - 238,

Rasiermesser
Figur 2.½.

S. Müller, Ordning-of nordiske oldsager II, Fig. 292 und 293; aus Brandenburg Begemann, Programm des Gymnasiums von Neu=Ruppin 1892, Fig. 282; doch gehören sie auch da zu den selteneren Formen. Ein in Dänemark gefundenes Messer (abg. Undset, Eisen in Nord=Europa XXX, 9) zeigt die Vogelfiguren, welche für die Hallstadtperiode charakteristisch sind und gelegentlich auch im Norden Nachahmung gefunden haben.

3. Pincette aus Bronze von derselbe Beschaffenheit wie Nr. 2; (abgeb. Abb. 3) am Griffende zu einer rundlichen Oeffnung erweitert; die Zwingen schmaler, aber stärker als bei der gewöhnlichen, Jahrb. 51, S. 19 besprochenen Form. Länge 9,5 cm. Auch diese Form ist bei uns selten; vergl. Frid. Franc. Tafel 19, 1 und 2, eins unbekannten Fundorts, eins aus einem niedrigen Grabe von Zölckow; s. auch S. Müller, a. a. O. Fig. 297.

Pincette
Fig. 3.½.

4. Nadel aus Bronze mit gerade ansitzendem schalenförmigem Kopfe, Länge 10 cm. Eine gleiche Nadel aus Sukow s. Jahrb. 51, S. 22. Vergl. Mestorf, Urnenfriedhöfe I. 3; aber auch Naue. l-époque de Hallstadt S. 33. Fig.12, aus der dritten Hallstadtperiode, für welche Naue die Zeit von 400 - 300 ansetzt

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Offenbar stellen Messer und Pincette eine etwas ältere Stufe dar, als die große Mehrzahl der Jahrb. 51 (und im folgenden) besprochenen Funde. Bezeichnend ist der Wechsel des Grabgebrauchs: An Stelle der Waffen, Schmucksachen u. s. w. treten diese kleinen Toilettengegenstände, bei denen der Gedanke nahe liegt, daß sie dem Bestatteten beigegeben sind, nachdem sie vor der Bestattungsfeier dem Todten den letzten Dienst gethan haben. Jedenfalls finden sich Rasiermesser und Pincette sehr oft neben einander; vergl. die Gräber von Bandow, Eikhof, Greven, Klink, Lelkendorf, Plüschower Mühle (unten S. 218), Rehberg (unten S. 219), Spornitz und Sukow, auch Gamehl (unten S. 201).

Ein zweiter Hügel ergab keine Ausbeute, doch ist er auch nicht bis zu dem Grunde ausgegraben.

Außer den Sandhügeln finden sich noch mehrere bis 4 m hohe, die, soweit äußerlich erkennbar, ganz aus Steinen aufgeschichtet sind.

Daß das aufgenommene Grab der jüngeren Bronzezeit angehört, ist unzweifelhaft. Unmöglich ist es ja nicht, daß es sich nur um eine Nachbestattung handelt und die eigentliche Grabkammer in der Tiefe liegt. Vorläufig müssen wir jedenfalls die Schalisser Grabhügel zu der jüngeren Periode rechnen. In der a. a. O. gegebenen Entwickelungsreihe nehmen sie einen hervorragenden Platz ein, indem sie ungewöhnlich hoch sind. Am meisten ähneln sie den Gräbern von Meyersdorf, die auch eine ähnliche Ausbeute gegeben haben (Jahrb. 5 B. S. 45 flgd.).

In der Nähe der besprochenen Gräber ist neuerdings ein weiterer Fund gemacht, über den ich bisher nur durch eine Zeitungsnotiz Kunde habe. Dieselbe lautet (Mecklb. Nachrichten, 25. Dez. 1895):

Zarrentin, 23. December. Ein höchst interessanter Alterthümerfund wurde in voriger Woche auf der Hufe des ritterschaftlichen Hauswirths Heinr. Rump des Jüngeren zu Schaliß, das zur Begüterung des Herrn von Treuenfels=Neuhof gehört, gemacht. Es wurde ein Kegelgrab ohne Kenntniß der Bedeutung desselben geöffnet, um die zahlreichen Felssteine, die unter der Oberfläche verborgen waren, wegzuschaffen. Dabei ergab sich Folgendes: Durch eine kleine Felssteinmauer ist der Kegel unten am Fuße begrenzt gewesen. Im Innern des Kreises war eine große Menge kleinerer Felssteine pyramidal aufgehäuft. Mehr nach unten, etwa auf 1/3 der Höhe, haben sich mehrere Broncesachen, die stark mit Grünspan überzogen waren, gefunden, das werthvollste Stück ist ein gerades zweischneidiges Schwert, dessen Spitze und Handgriff wohl abgebrochen, aber doch meist erhalten sind. Es dürfte dies broncene Schwert, dessen Handgriff wohl mit Holz umkleidet war, eine Länge

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von 70 cm gehabt haben. Die Stifte für den Griff sind noch vorhanden. Auch kleinere Schmucksachen, z. B. ein Ring von etwa 10 cm Durchmesser, fanden sich dabei vor. An mehreren Stellen, namentlich da, wo sich die Schmucksachen befanden, ist anscheinend noch ein Rest von Asche gewesen. In dem angrenzenden dem Herrn von Treuenfels gehörenden Gehölze finden sich noch mehrere Kegelgräber, die dem Augenschein nach nicht geöffnet sind. Auch in den nahe gelegenen Neuhöfer Tannen sind nahe der Schaale solche Kegelgräber, die schon im 4. Jahrbuche des Vereins für meckl. Geschichte und Alterthumskunde Erwähnung gefunden haben.

Es liegt bei Schaliß noch eine viel versprechende Aufgabe der landeskundlichen Forschung.


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2. Hügelgräber von Sietow.

Auf dem Gebiete des (Dobbertiner) Klostergutes Sietow an der Müritz zwischen Röbel und Waren hat der Pächter, Herr Hamann, seit langen Jahren ein aufmerksames Auge auf die vorkommenden vorgeschichtlichen Erscheinungen gehabt und nicht nur eine stattliche Anzahl hübscher Fundstücke zu einer kleinen Sammlung vereinigt, sondern auch Fundstätten aus fast allen vorgeschichtlichen Perioden (steinzeitliche Hünengräber, Feuersteinwerkstätten, Moorfunde, jungbronzezeitliche Grabhügel, ein Urnenfeld frührömischer Zeit, wendische Brandgruben) aufgefunden. Für uns sind an dieser Stelle die bronzezeitlichen Sachen von Interesse. Etwa ein Kilometer nordwestlich vom Hofe, links von dem Wege zur Chaussee sind schon 1867 eine Anzahl kleinerer Steinhügel entfernt, deren Inhalt von den Herren Struck in Waren und Hamann untersucht wurde. Von den gefundenen Sachen sind einige Urnen in die Vereinssammlung gekommen, die Bronzen u. s. w. befinden sich in Sietow (danach ist die Angabe Jahrb. 33 b, S. 9 zu berichtigen).

Die Urnen zeigen recht verschiedene Formen; neben den bekannteren Formen, wie Abb. 4, findet sich eine mit ganz flacher Standfläche und weit ausbiegender Wandung, die mit scharfem Bauchrande in eine weite Oeffnung mit Steilrändern übergeht. Diese Form ist wichtig als Uebergangsform der bronzezeitlichen Keramik zu der la Tène - Zeit und war bisher in Meklenburg wenig vertreten. Vergl. darüber Undset, Eisen u. s. w., S. 394, wo Fig. 79 eine gleichgeformte Urne aus Bornholmer Gräbern der ältesten Eisenzeit abgebildet ist. In den größeren Urnen lagen kleine Gefäße mit den bekannten Schrägkerben auf der Wandung. Eins hatte das Ornament der Wellenlinie, deren vereinzeltes Vorkommen in dieser Periode auch

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sonst festgestellt ist (vergl. Beispiele aus dem Depotfund von Schwennenz in Pommern bei Schumann, Ztschr. f. Ethnol. 1894, Vhdl. S. 437; aus einem "lausitzer" Urnenfeld von Finsterwalde bei Stephan, Niederlausitzer Mittheilungen III, 1894, S. 400; aus Gräbern von Seddin in der Priegnitz, die wir noch mehrmals als verwandt heranziehen werden, bei Goetze in den Nachr. über deutsche Alterthumsfunde, 1894, S. 88; aus der la Tène - Zeit z. B. bei Mölln bei Stavenhagen, Altenrath an der Wupper, s. Nachr. üb. d. A. 1893, S. 56).

In den Urnen lagen unter zerbrannten Knochen die Beigaben, oft mehrere Stücke in einer Urne. Erhalten sind:

A. Aus Bronze:

1. Messerklinge von der Jahrb. 51, Tafel II, 4, abgebildeten, S. 18 besprochenen Form, aber ohne Griff.

2. Messerklinge einfacherer Form, aus vierseitigem Bronzeblech.

3. Eine größere Pincette mit drei Buckeln von der a. a. O. Fig. 6 abgebildeten Grundform.

4. Eine kleinere Pincette mit breiten Zangen; eine bisher hier unvertretene Form, die in anderen Gegenden schon der la Tène - Zeit angehört; s. z. B. Schumann, Baltische Studien 38, Tafel 11, 10 und 13, 1 aus dem Urnenfelde von Butzke (Kr. Belgard.

5. Nadel von 13 cm Länge mit geriefeltem kolbenförmigem Ende im Charakter älterer Bronzezeit.

6. Nadel mit zurückgebogener Oese von der bekannten Form wie Jahrb. a. a. O. S. 22, 5 (vergl. unten Schwerin S. 197).

7. 8. Zwei kleine (zerbrochene) Pfriemen; vergl. a. a. O. S. 23.

9. Handring von schöner Arbeit von der a. a. O. S. 26, 4 besprochenen Grundform mit Endstollen. Das vorliegende Exemplar ist interessant dadurch, daß es einen alten Bruch hat, der durch Löthung mit Zinn repariert ist. Reparaturen mit Kupfer kommen häufiger vor (s. unter anderm unten S. 210), solche mit Zinn sind mir aus Meklenburg bisher nicht bekannt gewesen.

10. Handring mit glatt abschneidenden Enden, einfach und unverziert.

11. Handring aus gebogenem Bronzeblech, innen hohl und gewölbt; ähnlich der Ring von Neu=Stuer unten S. 192.

12. Kleiner tordierter Handring mit spitzen Enden, ganz gleich den Ringen von Grabow u. s. w., a. a. O. S. 26, 4.

13. Reste mehrerer gerundeter Fingerringe in der Art der a. a. O. S. 26, c besprochenen.

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14. Bronzefibel von seltener und bisher in Meklenburg nicht vertretener Form. Der Bügel ist rhombisch, daran schließen sich zwei massive flache Scheiben (keine Spiralplatten), die Nadel hängt vermöge eines flachen Ringes am Bügel und endet in einer kleiner dreieckigen Platte. Der Bügel ist mit vier kleinen concentrischen Doppelkreisen mit Mittelpunkt verziert, die Scheiben mit gestrichelten Säumen und kleinen Halbkreisen.

Diese Fibelform ist der nordischen Bronzezeit fremd. Wir haben in Schwerin ein, leider nur theilweise erhaltenes, Exemplar aus einem Grabe von Goldenbow bei Crivitz (Jahrb. 26, S. 136); sonst ist mir ein gleiches Stück nicht bekannt. Aus der Mark Brandenburg bildet Voß=Stimming, Altert. II, 1, I B ähnliche Exemplare ab, an denen die Platte noch durch Spiralen gebildet ist und der Uebergang der Raute aus dem ovalen Bügel deutlich erscheint. Die Fibelform wird eine Weiterbildung jener von Undset, études sur l-age de bronze de la Hongrie S. 65 flgd. besprochenen Grundform mit länglich ovalem Bügel sein, die sich unter Hallstädter Einfluß aus einem nordischen Typus entwickelt hat

B. Aus Eisen:

15. Fibel, 6 cm lang; jüngere la Tène - Form, mit oberer Sehne (5 Windungen), lang gestrecktem Bügel mit rechtwinkeliger Einknickung, geschlossenem Fuß; die Form, aus der die ältere provinzialrömische Fibel hervorgegangen ist. Vergl. darüber Schumann a. a. O. S. 126 mit Abb. Tafel 10, 5 aus dem schon oben angeführten Funde von Butzke, wo der Uebergang zu den provinzialrömischen Formen besonders deutlich ist.

Dieser Fibelfund ist von großer Bedeutung für die zeitliche Bestimmung unserer jüngeren Bronzezeit. Es geht aus ihm hervor, daß diese noch gleichzeitig ist mit der jüngeren la Tène - Zeit anderer Länder. So erklärt sich der Mangel an älteren la Tène-Sachen hier im Lande. Weitere Ausführungen kann erst eine zusammenhängende Bearbeitung unserer la Tène-Funde geben. Jedenfalls haben wir hier in Sietow eine Annäherung an la Tène - Formen (Urne, Pincette, Fibel), wie sie sonst im Lande ungewöhnlich ist. Wie Sietow die erste la Tène - Fibel in einem bronzezeitlichen Begräbnisse, so hat das Nachbargut Sembzin die einzige Hallstadtfibel geliefert (s. unten S. 213). Aus diesen beiden Vorkommnissen etwas über den Weg der Hallstadt= und la Tène - Kultur nach Meklenburg schließen zu wollen, ist verfrüht; doch sei das Augenmerk künftiger Forscher auf dieses merkwürdige Zusammentreffen gerichtet.


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3. Hügelgrab von Spornitz.

(Katalog=Nummer Br. 324.)

In der sog. "Streithorst" bei Kiekindemark bei Parchim fanden sich früher eine Menge niedriger Hügel, meist aus Steinen errichtet, Kegelgräber, welche als der Fundort der einzigen bisher in Meklenburg bekannt gewordenen Hausurne eine weitgehende Bedeutung erhalten haben (vergl. Jahrb. 3 B, S. 57 flgd.). Leider ist dieses Grabfeld später ohne ausreichende Untersuchung zerstört (Jahrb. 11, S. 388). Dagegen scheinen in den anstoßenden zu dem Spornitzer Revier gehörenden "Oberstücken" noch Gräber vorhanden zu sein. Wenigstens sind hier beim Wegräumen von Steinhügeln Scherben beobachtet und auch eine bronzene Lanzenspitze bewahrt. Diese ist durch die Gefälligkeit des Herrn Revierförsters Mühlenbruch in Spornitz in die Großherzogliche Sammlung gekommen. Es ist ein einfaches Exemplar, im allgemeinen von dem Typus der unten S. 210 abgegebildeten von Demzin, mit Schafttülle, zwei seitlichen Löchern, hochsitzenden rundlichen Flügeln. Die Patina ist tief und dunkel. Länge 13 cm, Durchmesser der Schaftöffnung 2 cm, größte Breite 3 cm. Diese Art Lanzenspitzen finden sich in Meklenburg im allgemeinen in Moorfunden der jüngeren Bronzezeit (s. unten S. 211).

Ob die Jahrb. 11, S. 388 erwähnten Altsachen von Spornitz aus diesen Gräbergruppen stammen, ist nicht mehr zu bestimmen, ebenso ob die Frid. Franc. S. 49 beschriebenen, schon im vorigen Jahrhundert ausgebeuteten Gräber hierher gehören; der Beschaffenheit der Funde nach ist es sehr wohl möglich.


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4. Hügelgräber von Neu=Stuer.

(Katalog=Nummer Br. 266.)

In dem Tannengehölze zwischen der Chaussee und dem Hofe Neu=Stuer liegt noch eine große Anzahl flacher niedriger Steinhügel, welche ohne Zweifel sämmtlich Grabstätten sind. Ob auch einige größere Sandhügel nach Dorf Stuer zu Gräber sind, ist durch den Augenschein allein nicht zu bestimmen. Von den Steinhügeln wurden sechs der Steingewinnung wegen 1889 und 1890 entfernt, und es ergab sich stets eine aus Platten regelrecht aufgesetzte Steinkiste über dem Urboden, darin zwischen Sand und Branderde eine Urne mit zerbrannten Knochen und je einem bronzenen Gegenstande. Die Urnen waren von kräftiger Arbeit, ziemlich hoch, braun, rundlich; leider ist

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keine erhalten geblieben. Die Beigaben, soweit erhalten, hat Herr von Storch auf Neu=Stuer der Großherzoglichen Sammlung übergeben. (Eine bronzene Nadel war zerbrochen und ist nicht aufbewahrt.) Es sind:

1. Eine Lanzenspitze aus Kupfer, ähnlich der eben beschriebenen von Spornitz, aber kürzer und gedrungener. Die Patina ist schwach und läßt einen braunrothen Kern sehen. Am Ansatz der Flügel ein längliches Loch, offenbar ein Gußfehler. Länge 10 cm, Durchmesser der Schaftöffnung 2 cm, größte Breite 3 cm.

2. Ein Ring, geschlossen, mit scharfen Kanten, Querschnitt rhombisch. Durchmesser 3 cm, Dicke ungefähr 0,25 cm. Aehnliche Ringe sind in den zeitlich verwandten Gräbern von Ludwigslust, Reutershof und Stolpe gefunden.

3. und 4. Zwei kleine Ringe, sehr einfach; der Ansatz des Gußzapfens ist nicht abgeputzt, sodaß sie an einer Stelle dicker erscheinen. Durchmesser 2 resp. 1,25 cm, Dicke 0,1 resp. 0,2 cm. Diese kleinen Ringe gehören zu den häufigsten Funden der besprochenen Gräbergruppe, vergl. Jahrb. 51, S. 26. Auch in dem Depotfunde von Hökendorf (Pommern) kommen sie vor; s. Schumann, Fund von Hökendorf, und über entsprechende Handringe Ztschr. f. Ethn. 1894, Vhdlg. S. 440. Einen praktischen Zweck können sie kaum gehabt haben; ob sie aber, wie a. a. O. vermuthet, als Geldringe dienten, ist doch zweifelhaft; vielleicht wurden sie als Beigaben für den Bestatteten besonders angefertigt; dafür spricht wenigstens, daß sie keine Spur des Gebrauches aufweisen.

5. Ein Handring aus gebogenem Bronzeblech, mit leichter Erhöhung der Ränder, zerbrochen und unvollständig, am Rande mit längslaufenden Punkten verziert. Analoga s. Jahrb. 51, S. 26, Nr. 4.

Besonders merkwürdig ist das Vorkommen eines kupfernen Gegenstandes. Daß gelegentlich noch in der jüngeren Bronzezeit im Norden Kupfer in Anwendung gekommen ist, ist auch sonst bekannt (vergl. Protokolle der Generalversammlung der Geschichtsvereine in Schwerin 1890, S. 112) und beweist jedenfalls, daß das Material zu den Bronzesachen nicht nur als Legierung ins Land gekommen ist sondern auch in seinen Bestandtheilen. Kupferne Lanzenspitzen sind mir sonst nicht bekannt, doch ist eine kupferne Reparatur an einer bronzenen schon beachtet (s. unten S. 210); auch hier liegt die Vermuthung nahe, daß unser Stück nur für den Grabgebrauch angefertigt ist.


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5. Urnenfund von Grünenhof.

(Katalog=Nummer Br. 203 - 207.)

In einem kleinen Steinkegel, der als kaum merkliche Erhöhung im Acker auftrat, wurde bei Grünenhof bei Hagenow eine Urne mit kleinen Bronzen gefunden, deren Inhalt von Herrn Domänenpächter Vesper 1886 der Großherzoglichen Sammlung eingereicht ist. Weder über die Form der Urne, noch ob weitere Gräber beobachtet sind, ist etwas bekannt geworden.

Die Fundstücke sind:

1. Eine Nadel von 8 cm Länge mit großem schalenförmigem Kopfe (2 cm Durchmesser) und Einbiegung unter dem Halse. Die Nadel gehört zu dem Jahrb. 51, S. 21, Nr. 4 besprochenen Typus der "Schwanenhalsnadeln", unterscheidet sich aber von allen anderen Exemplaren durch die Größe der Schale. Sie bildet die Grundform zu der kurzen und dicken Nadel mit massivem Kopfe, welche eine Charakterform der ältesten Eisenzeit (la Tène) ist.

2. Ein spiraliger Armring aus Bronzedraht von etwa 5 cm Durchmesser, verbogen und zerbrochen. Gleiche oder ähnliche Handringe sind nicht selten; vergl. unten die Funde von Kritzkow und Retzow, S. 208 und 233, aber auch vom Urnenfelde von Raduhn (Jahr. 47, S. 298), letzteres wichtig, weil jenes Feld schon ganz der Eisenzeit angehört, also auch hier der Typenübergang wie bei 1 bemerkbar ist.

3. Ein unverzierter Halsring (zerbrochen und unvollständig), von rundem Querschnitt, in der Mitte 0,5 cm stark; die Enden erweitern sich blattförmig und zeigen ein Loch, doch läßt sich der Abschluß leider nicht mehr bestimmen.

4. Zwei Stücke eines runden glatten Hals= (oder Hand=?) rings mit blaugrüner heller Patina.

5. Reste einer kleinen Bronzekette, genau gleichend der unten (S. 212) zu besprechenden von Sembzin.


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6. Urnenhügel von Ludwigslust.

(Katalog=Nummer Br. 165 - 171.)

Bei einer Straßenanlage südlich vom Bahnhofe in Ludwigslust in dem früheren Kleinow wurde 1884 ein Sandhügel abgetragen, der eine Menge Urnen barg. Eine größere Anzahl ist in die Hände von Privaten gekommen, einige auch in die Rostocker Universitätssammlung, einige konnte Verfasser noch bei einer Untersuchung des

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Fundplatzes für die Großherzogliche Sammlung erwerben. Die Urnen standen in geringer Tiefe (30 - 75 cm) theils frei im Sande, theils durch Steine geschützt; auch einige Steinkisten sollen beobachtet sein. Die Urnen sind gut gearbeitet, braun, meist groß; alle waren mit Knochen gefüllt, meist ohne weiteren Inhalt, nur einige enthielten Beigaben an Bronzen. Die im Großherzoglichen Museum befindlichen sind:

1. Urne mit scharfem Bauchrande, von der beistehend (Abb. 4)

Urne
Figur 4.

nach Jahrb. 11, S. 357 abgebildeten Grundform, die Lisch dort mit Recht als ein Kennzeichen jüngerer Zeit ansah; unser Exemplar ist 14,5 cm hoch und hat einen oberen Durchmesser von 21,5 cm. In derselben lag:

a) eine etwas gebogene bronzene Nadel von 10 cm Länge mit zurückgebogener kleiner Oese von der Jahrb. 51, S. 22, Nr. 5 besprochenen Form. Für die zeitliche Stellung dieser Nadeln sind wichtig einige Holsteinische Funde (s. Mestorf, Urnenfriedhöhe Tafel I, 13 und III, 15), wo sie in reinen la Tène - Grabfeldern auftreten, vergl. außerdem über diese "Rollennadeln mit gebogenem Hals" O. Tischler, "Ostpreußische Grabhügel" II, S. 10, wo nachgewiesen wird, daß sie in das fünfte Jahrhundert v. Chr. gehören.

b) ein glatter Handring mit rundem Querschnitt (von 2 mm), leider sind die Enden abgebrochen. Durchmesser 5 cm.

2. Große schlanke Urne ohne Bauchabsatz mit hohem, sich etwas nach innen verengerndem Halse. Höhe 26 cm, oberer Durchmesser 22 cm.

3. Henkelurne von der nach Jahrb. 11, S. 359 nebenstehend (Abb. 5) abgebildeten Grundform. Höhe 26 cm, oberer Durchmesser 14,5 cm. Darin lag ein kleines (zerbrochenes) Thongefäß von seiner Arbeit.

4. Reste einer größeren Urne im Charakter von Nr. 2, gedeckt mit einer breiten und flachen Thonschale.

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5. Reste einer größeren Urne im Charakter von Nr. 1. Darin lag ein verbogenes Stück Bronzering, sichtlich zerbrochen hineingelegt, der Rest eines einfachen Fingerrings.

6. Reste mehrerer Urnen, darunter zwei mit Henkeln; aus einer ein gewundener Handring, zerbrochen, ursprünglich 5 - 6 cm Durchmesser, vergl. über die Form Jahrb. 51, S. 26, Nr. 3.

Diese Ludwigsluster Grabstätte gehört zu der Gruppe der Urnenfelder, welche ihre Entstehung aus den Hügelgräbern durch ihre Anlage in natürlichen Sandhügeln andeuten (vergl. unten Barendorf, Moltzow, Polchower Heide). Es ist nicht das erste Mal, daß an dieser Stelle Funde gemacht sind. Schon Frid. Franc. S. 63 (vergl. Jahrb. 2 B, S. 45) ist ein solcher beschrieben. Nach jenem Berichte sind 1810 eine Anzahl Urnen "bei Ludwigslust hinter dem englischen Garten in einer Erhöhung aus Sand aufgedeckt.

Urne
Figur 5.

Die Grabstätte ist eine ziemlich bedeutende Erhebung aus Sand vor dem jetzigen [1836] Schulzenhause von Kleinow, jetzt mit Tannen bewachsen . . . . . Die Urnen standen in dem natürlichen Hügel zwischen Steinen verpackt." Es ist das unser nunmehr verschwundener Hügel. Auch die a. a. O. besprochenen Urnen stimmen mit den unseren völlig überein. Sonderbar ist nur, daß jene Funde von 1810, meist Ringe, sich durch eine außerordentlich schöne glänzende Patina auszeichnen (es sind die schönsten Ringe unserer Sammlung), während die von 1884 eine rauhe, ungleichmäßige haben. Ob der Unterschied auf eine andere Legierung zurückzuführen ist, oder der Boden des neueren Theils des Grabfeldes weniger günstige Bedingungen der Erhaltung darbot, bleibe dahingestellt.


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7. Urnenfeld von Gr.=Laasch.

(Katalog=Nummer Br. 296, 297.)

An dem Wege von Neustadt nach Grabow liegt an der Gr.=Laasch=Grabower Scheide in den Tannen eine Strecke, die den Namen "Todter Mann" führt. Hier ist man schon vor Jahren auf ein ausgedehntes Urnenfeld gestoßen. Die Urnen standen 30 cm tief im Sande in Steinkisten; in ihnen war Asche, Knochen und bronzenes Kleingeräth. Urnen sind in Massen zerstört. Herr Markwardt, jetzt Lehrer in Wittenförden bei Schwerin, hat einige Sachen aufbewahrt und der Großherzoglichen Sammlung als Geschenk übergeben. Es sind:

1. Ein Bronzeknopf von unregelmäßig runder Form, auf der Unterseite seitlich durchbohrt; Durchmesser ungefähr 1,5 cm.

2. Eine Pincette aus dünner Bronze, von der Jahrb. 51, II, Fig. 6 abgebildeten Grundform, doch ist das Griffende tordiert. Länge 6 cm.


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8. Urnenfeld von Schwerin.

(Katalog=Nummer Br. 314.)
Bei einem Erweiterungsbau der Idiotenanstalt bei Schwerin stieß man im Herbst 1886 hinter derselben nicht weit von der Chaussee nach Wismar auf einUrnenfeld. Beobachtet sind 14 Grabstellen, die in unregelmäßigen Reihen 0,60 bis 1 m entfernt von einander lagen.
Urne
Figur 6.

Die Urnen standen alle etwa 1 m tief frei in festem Lehm und waren zu 3/4 mit einer versinterten Knochenmasse gefüllt, daher haben sie nur in Stücken geborgen werden können; an zwei Stellen fand sich keine Urne, sondern die Knochen lagen zu kleinen Haufen geschichtet in dem Boden. Ueber den Urnen und Knochenhäufungen

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war ein Steinpflaster. Die Urnen waren sämmtlich hellbraun, gut geglättet und ziemlich groß.

1. Urne von 21 cm Höhe, 98 cm größtem Umfang (in halber Höhe), Grundform fast kugelig rund mit eingezogenem Halse; von der Grundform Lisch a. a. O. Nr. 1 (nebenstehend Abb. 6), aber mit stärkerer Einziehung und höherem Halse. Ueber diese Urnenform im allgemeinen vergl. Jahrb. 51, S. 9.

2. Urne von 24 cm Höhe, 89 cm größtem Umfang (in halber Höhe), sonst gleich 1.

3. Schale von etwa 12 cm Höhe mit schmaler Standfläche, der obere Theil leider abgebrochen. Grundform Lisch a. a O. S. 365.

4. Urne mit hohem, verhältnißmäßig schmalem Halse. Höhe 30 cm, oberer Durchmesser 11 cm, größter Umfang 92 cm (1/3 von unten). Grundform gleich der von Schaliß oben S.185.

5. Urne von 22 cm Höhe und 98 cm größtem Umfang (1/3 von unten). Grundform gleich 4. In ihr zwischen den Knochen eine eiserne Nadel mit Einbiegung unter dem Halse, von 9,5 cm Länge (s. beistehend Abb. 7).

eiserne Nadel
Fig. 7.½.

Die andern sieben Urnen waren zur Unkenntlichkeit zerdrückt.

Das Schweriner Grabfeld gehört ganz an das Ende der Bronzezeit. Die anderen bronzezeitlichen Urnenfelder zeigen ihre Entstehung aus den großen Grabanlagen der Kegelgräber doch noch durch beträchtlichere Steinsetzungen an, während hier die Urnen schon frei im Boden stehen und der einzige Schutz ein über ihnen befindlicher Steindamm ist. Dieses ist die typische Grabform der nächstfolgenden, der älteren la Tène - Periode. Immerhin gehört unser Feld noch der Bronzezeit an; das beweist die Urnenform und die Form der Nadel. Dieselbe schließt sich genau den Jahrb. 51, S. 29 besprochenen Formen an; ebendort ist die fast ganz gleiche eiserne Nadel aus dem Ludwigsluster Bronzefunde und zahlreiche Analogien in den Nachbarländern herangezogen. Vergl. auch unten das in Anlage und Ausstattung genau übereinstimmende Urnenfeld von Stubbendorf.


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9. Urnenfeld von Loiz.

(Katalog=Nummer Br. 348 - 350.)

An dem Wege von Loiz (bei Sternberg) nach Gr.=Raden links, auf dem sog. Kirchhofsschlage, einem sandigen vom See aus ansteigenden Ackerstücke hat der Besitzer, Erbpächter Ahrens in Loiz, beim Pflügen mit dem Rajolpflug eine größere Anzahl Grabstätten frei gelegt. Nach den Angaben desselben waren es etwa 30 meist unmittel=

eiserne Nadel
Figur 8. 1 / 5 .

bar unter dem Boden liegende Steinsetzungen, welche 1 bis 1 1/2 m tief in den Boden hineingingen; ein Steindamm ist nur einmal beobachtet, ebenso eine kleine aus Sandsteinplatten gebildete Kiste; die meisten waren Steinkegel, oben etwas abgeflacht, in deren Mitte je eine Urne stand; einige waren leer. Die Urnen waren große braune Gefäße mit rundlicher Wandung und weitem Halse, alle bis etwa zur Hälfte mit Knochen gefüllt; in einer lag ein bronzener Handring mit einfachen Strichverzierungen.

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Im Auftrage der Großherzoglichen Kommission zur Erhaltung der Denkmäler hat Verfasser im Juni 1893 die Stelle besucht und mit Unterstützung des Herrn Ahrens, eines für derartige Dinge interessierten und verständnißvollen Mannes, drei Stellen freigelegt:

1. Unmittelbar unter der Oberfläche, so nahe, daß die Steine früher frei gelegen haben müssen und nur der Flugsand sie überdeckt hat, fand sich ein ovaler Steindamm von 2 m nordsüdlicher und 2,30 m ostwestlicher Länge, darunter am westlichen Ende ein kleiner Steinkegel, in dessen Mitte zwischen Steinen sorgsamst verpackt eine Urne, rothbraun, rundlich, mit eingezogenem Halse. Höhe 20 cm, größter Umfang (10 cm von unten) 87 cm, Durchmesser der Oeffnung 20, der Standfläche 10 cm.

Der Inhalt war nur Knochen.

2. Ein großer Granitblock, von kleineren Steinen regelmäßig umgeben. Altsachen wurden weder darunter, noch in der Nähe gefunden; ähnliches ist bei Gamehl (s. unten S. 202) beobachtet; an einem derartigen Block fand sich die Lanzenspitze von Demzin (s. unten S. 210) und der Goldring von Baumgarten (s. unten S. 237).

3. Ein Steinkegel mit einer Grundfläche von 1 m Durchmesser und ebenso hoch; die Spitze reichte bis unmittelbar unter die Oberfläche. Inmitten desselben stand, von einer Steinplatte bedeckt, umsetzt von einigen platten Steinen und durch Keilsteine in ihrer Lage gehalten, eine Urne von beträchtlichen Dimensionen, deren Bergung geglückt und die jetzt die größte in Meklenburg gefundene Urne der Schweriner Sammlung ist (s. nebenstehende Abb. 8). Ihre Grundform ist die erwähnte, doch ist die Ausbauchung ungewöhnlich stark und der Hals kurz und eng. Höhe 39 cm, größter Umfang (22 cm von unten) 158 cm, Weite 25 cm, Durchmesser der Standfläche 12 cm, Höhe des Halses 9,5 cm. Die Form der Urne gehört noch in die ältere Bronzezeit, wie auch auf demjenigen norddeutschen Gebiete, welches die reichst entwickelte Keramik hat, der Lausitz, sie in die ältere Periode gehört, vergl. Jentsch, Niederlausitzer Mittheilungen II, S. 6. Interessante Vergleichspunkte bietet u. a. das Urnenfeld von Libochowan in Böhmen, wo unsere Form, aber in stärkerer Hindeutung auf verwandte Hallstadtformen auftritt; s. Heger, Mitth. d. anthrop. Ges. in Wien, Band XIII, Tafel 16, Fig. 13 b, Tafel 18, Fig. 23 a. Auch sie war mit Knochen etwa bis 1/3 Höhe gefüllt; zwischen diesen lag ein kleiner goldener Ring aus spiralig gewundenem Draht

spiraliger goldener Ring
Figur 9.
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von umstehender Grundform (Abb. 9). Gold wird im Allgemeinen in Gräbern der jüngeren Bronzezeit nicht gefunden; wir haben nur ein Beispiel von Grabow, wo ein ähnlicher Ring unter gleichen Verhältnissen beigegeben war (vergl. Jahrb. 18, S. 250).

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10. Urnenfeld von Krusenhagen.

(Katalog=Nummer T I A I α 22.)

Bei Krusenhagen bei Wismar wurde 1889 auf der Hufe des Schulzen Havemann, etwa 200 m nördlich vom Dorfe auf sandigem Boden nahe der Redentiner Scheide zwischen den Wegen nach Redentin und Gagzow, eine Urne gefunden und von Herrn Wachtmeister Cords in Wismar für die Großherzogliche Sammlung eingeliefert. Die Urne ist beim Pflügen in ebenem Boden etwa 35 cm tief gefunden und zwar von Steinen umgeben, auch von einem Steine überdeckt, auf einem Fundament von etwa 1 m Durchmesser. Es ist ein Krug von der beistehend (Abb. 10) nach Jahrb.11, S. 361 abgebildeten Form.

Krug
Figur 10.

Höhe 24 cm, Durchmesser oben 14,5, unten 10 cm, größter Umfang (in halber Höhe) 76 cm. Der Henkel ist abgebrochen. Unter demselben sind seichte Hohlkehlen als Verzierung. In der Urne fanden sich nur gebrannte Knochen. Ihrer Form nach gehört sie in die jüngere Bronzezeit, wie gleiche Gefäße von Gallentin, Ludwigslust, Perdöhl u. s. w. beweisen. Schon früher sind Urnenfunde an der genannten Stelle gemacht, alle unter denselben Verhältnissen. Also liegt offenbar auch hier ein Urnenfeld vor. Ob die Jahrb. 40 a, S. 4 erwähnte Urne von hier stammt, geht aus dem Bericht nicht hervor. Der Jahrb. 37, S. 206 beschriebene Moorfund von Krusenhagen ist älteren

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Ursprungs, mag aber immerhin ebenso wie der schöne Moorfund in dem benachbarten Redentin und das großartige Kegelgrab von Gagzow (der "Trüllingsberg") als Zeichen einer starken Besiedelung jener Gegend in der Bronzezeit hier erwähnt werden.


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11. Urnenfeld von Gamehl.

(Katalog=Nummer Br. 375 - 377.)

Jahrb. 58, S. 226 ist ein Skelettgräberfeld von Gamehl bei Wismar besprochen, dessen wendischer Ursprung vermuthet wurde. Ausgrabungen im October 1894 und April 1895, welche Verfasser Dank dem regen Interesse des Herrn A. von Stralendorff auf Gamehl vornehmen konnte, haben in der That wendische Grabstätten von größter Wichtigkeit zu Tage gefördert, über welche demnächst näher berichtet werden soll. Zugleich fiel aber auch Licht auf die a. a. O. erwähnten Urnenfunde. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das wendische Grabfeld auf der Stätte eines bronzezeitlichen angelegt ist, daß also hier eine ähnliche Erscheinung vorliegt, wie sie das Bild des Grabfeldes von Bartelsdorf (s. Jahrb. 58, S. 218) in Verwirrung gebracht hat, nur mit dem Unterschiede, daß dort eine räumliche Trennung vorzuliegen scheint, während die beiden Gamehler Grabstätten ohne räumliche Scheidung auf demselben Terrain liegen. Unmittelbar neben einem wendischen Skelett fand sich nämlich dicht unter der Erdoberfläche eine kleine Steinsetzung, in der eine Urne stand. Sie ist leider zerdrückt, aber ihre Grundform unverkennbar: von einer schmalen Standfläche weitet sie sich in schräg ansteigender Wandung weit aus und zieht sich dann zusammen, um in einem niedrigen Halse zu endigen, also die Form der großen Urne von Loiz (s. oben S. 198).

In der Urne lagen zwischen zerbrannten Knochen:

1. Eine bronzene Pincette von feinster Arbeit, an den Rändern verziert mit einem schmalen Saume von Schrägstricheln, an der Endfläche mit drei im Dreieck gestellten Punkten, fast ganz gleich dem Jahrb. 51, II, 6 abgebildeten Exemplare (s. dort weitere Nachweise). Länge 4,25 cm.

2. Ein kleiner Pfriemen mit plattem Ende von 4 cm Länge.

Ist durch diese Urne einmal das Vorhandensein einer bronzezeitlichen Grabstätte erwiesen, so erklären sich zwanglos einige andere Vorkommnisse, die auf dem wendischen Grabfelde befremden mußten. Dahin gehören eine Anzahl Urnenscherben, die regellos sich in der

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bei der Oeffnung der Skelettgräber aufgeworfenen Erde fanden und die nunmehr als Reste des Urnenfeldes, welches durch die Anlegung des wendischen Grabfeldes zerstört wurde, aufzufassen sind; dahin gehört wohl auch die a. a. O. angeführte Urne, ferner eine große Steinsetzung von südwest= nordöstlicher Richtung, 1,70 m lang, 0,85 m breit, aus bedeutenden Granitblöcken aufgeschichtet, zwischen denen unter Aschenschichten Urnenscherben lagen, wahrscheinlich der Verbrennungsplatz. In geringer Entfernung davon lag eine andere Aschenschicht von etwa 15 cm Stärke und 2 m Ausdehnung, ebenfalls mit Scherben im bronzezeitlichen Charakter. Alle diese Funde lagen auf der Höhe der Ackerfläche unmittelbar unter dem Boden; wenn, wie als wahrscheinlich anzunehmen, noch mehr Urnen hier gestanden haben, so hat auch die Ackerkultur zu ihrer Zerstörung mitgewirkt.


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12. Urnenfeld von Stubbendorf.

(Katalog=Nummer Br. 329 - 345.)

Bei dem Dorfe Stubbendorf zwischen Gnoien und Dargun, welches schon früher als Fundort eines der eigenartigsten Depotfunde der Bronzezeit bekannt geworden ist (vergl. Jahrb. 26, S. 138), wurde im Herbst 1892 ein Urnenfeld aufgedeckt und im Winter 1892/93 von Herrn Wildhagen in Stubbendorf im Auftrage der Großherzoglichen Kommission zur Erhaltung der Landesdenkmäler untersucht; auch Verfasser hat im März 1893 mehrere Tage an der Ausgrabung theilgenommen.

Das Grabfeld liegt westlich vom Orte am Wege nach Klein=Methling in sandigem, leicht ansteigendem Acker, dem sog. Ziegenberge, und ist zum Theil Gemeindeland, zum Theil zur Erbpachtstelle des Schulzen Wulf (Nr. 6) gehörig.

Ueber Grabstätte 1 - 13 hat Herr Wildhagen berichtet; 14 - 29 kenne ich durch eigene Untersuchung. 1 - 3 lagen auf Hufe 6, die andern auf Gemeindeacker. Alle Grabstätten lagen in geringer Tiefe, etwa 30 cm. Es lassen sich drei Gruppen scheiden:

I. Auf Hufe 6:

1. Runde Steinsetzung, leer.

2. Desgl., darunter zerbrannte Knochen.

3. Desgl., kleine Gefäßscherben ohne Knochen u. dergl.

II. Gemeindeacker, besonders auf den Abtheilungen 4 - 13.

Die Grabstätten liegen ohne erkennbare Anordnung.

4. Steindamm, schon vom Pfluge zerstört, darunter der untere

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Theil einer größeren braunen Urne und darin eine bronzene Schnalle mit eiserner Zunge (beistehend Abb. 11).

Schnalle
Figur 11. 1 / 1 .

Die Urne hat die von Lisch, Jahrb. 11, S. 356 als Typus 1 abgebildete Grundform, aber stärkere Einziehung am Halse und längeren Hals; die Höhe beträgt etwa 19 cm, der größte Umfang liegt 10 cm von unten. Ganz sonderbar ist die Schnalle, ein länglicher Bügel mit rundem Querschnitt, in der Mitte in einer Kerbe die eiserne Nadel. Schnallen in der Bronzezeit sind sonst nie beobachtet, sie treten zuerst in der la Tène - Zeit auf (s. Mestorf, Ztschr. f. Ethnol. 1884, Verhandlungen S. 27).

5. Unter einem (gestörten) Steinpflaster Asche und Kohlenschicht, dazwischen eine schöne große (in Stücken erhaltene) Urne von derselben Form wie Nr. 4, etwa 22 cm hoch, darüber eine fein gearbeitete Deckelschale von der nach Jahrb. 13, Seite 365 beistehend (Abb. 12) abgebildeten Form.
Urne
Figur 12.

Dieselbe ist flach, schwarzbraun und hat von Rand zu Rand 25 cm Durchmesser. In der Urne eine bronzene Nadel mit Einschnürung am Kopf und feinen Strichverzierungen darunter; 12 cm lang S. über diese Form Jahrb. 51, zu Tafel II, 9.

6. Unter gleichen Verhältnissen eine schwarze, ausgebauchte Urne mit großer Standfläche, oben abgebrochen; Höhe 13,5 cm, Durchmesser oben ?, unten 10 cm, größter Umfang 59 cm (7 cm von unten).

7. Desgleichen eine kleine Schale mit schräg ansteigenden geraden Wänden; 5 cm hoch, mit 7,5 cm unterem und 15 cm oberem Durchmesser, zugedeckt mit einer großen braunen Deckelschale von etwa 25 cm Durchmesser.

8. Desgleichen eine Urne seltener Form, fast ganz geradwandig, an der Oberfläche unregelmäßige Längsfurchen. Höhe 18/5 cm, Durchmesser oben 13 cm, unten 10 cm.

9. Desgleichen eine (in Stücken erhaltene) graubraune Urne, 18 cm hoch; die Wandung ist am unteren Theile rauh gemacht.

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10. Unter einem kleinen Steindamm, in Sand verpackt, eine zierliche Urne mit Henkel, von der Grundform Jahrb. 11, (S. 362,3, aber etwas schlanker (siehe beistehende Abbildung 13). Unten tiefschwarz, nach oben rothbraun; Höhe 16 cm, Durchmesser oben 11,5, unten 8 cm, größter Umfang 54 cm (7 cm von unten).

Urne
Figur 13.

11. Ovale Steinsetzung; 2 m. lang, 1 m breit, darunter keine Urne, sondern Knochen in Asche und Kohle und eine Scherbe von einem kleinen Thongefäß, dünnwandig, mit geschweifter Wandung; eigenartig verziert mit einem leicht eingerissenen Strichornament Lausitz am Ende dieser Periode vorkommt; vgl. Jentsch a. a. O., S. 19.

Strichornament

12. Desgl., nur einige Scherben.

13. Runder Steinkranz; darin eine Steinkiste aus sechs Platten, in der eine größere, ganz zerdrückte Urne.

14. (Nr. 11 des Ausgrabungsprotokolls vom 29. März 1893):

Starke Aschenschicht gleich unter dem Urboden beginnend und etwa 50 cm tief in diesen hineingehend; in derselben einige größere Steine, zwischen denen eine zerdrückte Urne mit wenigen Knochen. Die Urne war rothbraun mit rauher Wandung; der Boden ist erhalten; derselbe hat 7 cm Durchmesser und zeigt auf der Innenfläche in der ganzen Länge zwei rechtwinklig in der Mitte sich schneidende Linien; dazwischen lag eine schwarze Scherbe feinster Arbeit. Ein gleiches Ornament findet sich in dem Lausitzer Formenkreise in dessen zweiter Periode, s. Jentsch a. a. O., S. 16.

15. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 10.) Steindamm aus größeren Steinen; von 1 m Durchmesser. Kein Inhalt.
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III. Die dritte Gruppe lag auf der Höhe des Berges, besonders auf den Ackerstücken 12 - 15, nördlich von den eben aufgezählten; zwischen der zuletzt genannten Stelle und der nächsten ist eine Entfernung von 36 m. Die Grabanlage dieser dritten Gruppe ist regelmäßiger, wenigstens sind zwei genau ostwestlich gerichtete Reihen erkennbar, ähnlich wie in Schwerin oben S. 196.)

16. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 13.) Ovaler Steindamm von 4,50 m ostwestlicher, 2 m nordsüdlicher Ausdehnung. Darunter nahe den vier Enden genau nach den Himmelsrichtungen je eine kleine Urne (alle zerdrückt); in diesen zarte Knochen in geringer Anzahl, wie es scheint, von Kindern. Die eine Urne war derb, sehr dickwandig, schwarz; die zweite mittelstark, braun; die dritte dünnwandig, ganz roth gebrannt; die vierte ganz klein (etwa 6 cm groß), dünnwandig und zart, ganz mit tief eingerissenen Schräglinien bedeckt.

Die folgenden vier bilden eine Linie von West nach Ost und stehen je 5 bis 6 m von einander entfernt.

17. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 12.) Runder Steindamm von 2,30 m Durchmesser; darunter drei Urnen (alle zerdrückt) nahe dem nördlichen, östlichen und südlichen Ende, eingepackt in Schichten von Asche und Kohle; die nördliche war besonders stark und mit derben Knochen gefüllt, darin auch ein kleines zur Unerkenntlichkeit geschmolzenes Bronzestück. Die Urnen hatten dieselbe Grundform wie oben Nr. 4 und waren gut gearbeitet; das Bronzestück scheint von einem gedrehten Ringe zu stammen.

18. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 6.) Ovaler Steindamm von 3,80 m ostwestlicher, 2,50 m nordsüdlicher Ausdehnung. Ganz am östlichen Ende, in Steinen verpackt und von diesen zerdrückt, eine braunschwarze Urne; auch am westlichen Ende eine regelmäßige Steinsetzung mit Grundstein und Deckstein, aber völlig leer.

19. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 5.) Ovaler Steindamm von 2 m ostwestlicher, 1,70 m nordsüdlicher Ausdehnung, die Urne stand nahe dem östlichen Ende in einer Aschenschicht, ein kleines (zerdrücktes) Gefäß. - Auch in der Mitte lagen unter dem Damm Scherben, aber von verschiedenen Gefäßen und ohne Knochen, offenbar als Scherben niedergelegt.

20. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 1.) Ovaler Steindamm, mit größeren Steinen umsetzt, von 2,60 m ostwestlicher, 1,70 m nordsüdlicher Ausdehnung; am östlichen Ende ein Block von 80 cm Länge. In der Mitte eine Aschenschicht von 1 m Durchmesser. Eine Graburne wurde nicht gefunden, nur unter dem Steine einige dickwandige Scherben. Wahrscheinlich war dieses der Verbrennungsplatz (vergl. die ähnliche Beobachtung bei Gamehl, oben S. 202).

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21. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 4.) Steinpackung neben 20; darin eine größere Urne mit starken Knochen, zerdrückt, aber in ihrer Form erkennbar; ausgebaucht mit kurzem Halse und weiter (gegen 22 cm) Oeffnung.

22. (Ausgrabungs=Protokoll Nr. 3.) Ovaler Steinring, nach Südost an 21 anschließend, von 1,80 m nordwestlicher, 1,20 m nordsüdlicher Ausdehnung. In der Mitte unter einem Decksteine einige mittelstarke Scherben, keine Knochen.

Eine zweite, ebenfalls nordöstliche Linie wird durch die Gräber 23 - 27 gebildet, doch verläuft diese nicht so gleichmäßig, wie die erste; die Entfernungen sind schwankender (4 - 7 m), und die Linie ist nicht genau inne gehalten.

23. (Protokoll=Nr. 14.) Ovaler Steindamm, 3,20 m nordsüdlich, 2,20 m ostwestlich, also anders geformt wie die Mehrzahl. Am nördlichen, westlichen und südlichen Ende Aschenschichten mit wenig Knochen; keine Urne.

24. (Protokoll=Nr. 8.) Runder Steinkranz von 2,75 m Durchmesser; darin am östlichen Ende ein kleiner Steindamm. Ganz leer.

25. (Protokoll=Nr. 7.) Nach Norden zu, von der Linie abweichend, unmittelbar an 24 anschließend, runde Steinsetzung von 1,50 m Durchmesser, gebildet von einem bedeutenden Granitblock und kleineren Dammsteinen. Ganz leer.

26. (Protokoll=Nr. 9.) Ovaler Steindamm, 3,30 m nordsüdlich, 2,30 m ostwestlich, also gleich 23. Am südlichen Ende eine Aschenschicht.

27. (Protokoll=Nr. 2.) Angrenzend an 22. Ovaler Steindamm, 1,70 m ostwestlich, 1,20 m nordsüdlich; am nördlichen Ende ein bedeutender Granitblock, von kleineren Steinen in seiner Lage gehalten. In der Mitte eine (zerdrückte) größere schwarzbraune Henkelurne ohne Inhalt.

Von dieser Linie südlich liegen isoliert noch zwei Stellen:

28. (Protokoll=Nr. 15.) Runder Steindamm von 1,5 m Durchmesser. Ganz leer.

29. (Protokoll=Nr. 16.) Granitblock, von kleineren Steinen umgeben. Nichts darunter.

Nachträglich (Winter 1894/95) hat Wildhagen noch eine Urne von größten Dimensionen freigelegt, die umgekehrt (den Boden nach oben) in der Erde steckte und bei der die Knochen oben auf dem Boden lagen.

Das Stubbendorfer Grabfeld darf trotz seiner kümmerlichen Ausstattung ein besonderes Interesse in Anspruch nehmen, denn es ist das erste ausgebeutete bronzezeitliche Urnenfeld im Lande.

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Das Gesammtbild desselben ist sonderbar genug. Eine große Anzahl der Steinsetzungen war leer, andere zeigten nur Asche= und Kohlenschichten, bei denen anzunehmen ist, daß man sich begnügt hat, einem Theile der Scheiterhaufenreste eine feierliche Beisetzung angedeihen zu lassen; auch in den Urnen waren meist sehr wenig Knochen. Die Grabanlagen zeigen die Bronzezeit am Ende. Selbst Steinkisten finden sich nur vereinzelt; die Urnen stehen oft schon ganz frei in der Erde, nur durch einen Steindamm nach oben geschützt. Diese Grabform ist die der unmittelbar daran schließenden Zeit, der älteren la Tène=Periode, wie sie durch eine Reihe neuerer Ausgrabungen, die noch ihrer Publikation harren, so von Krebsförden, Mölln und Brünkendorf, aber auch schon früher bei Raduhn (Jahrb. 47, S. 296, dort nicht richtig aufgefaßt) festgestellt ist. Daß das Stubbendorfer Feld ganz an das Ende unserer Periode gehört, beweisen auch die Urnenformen und die Beigaben; die Urnenformen sind noch bronzezeitlich; nur an der Verzierung des kleinen Bechers aus Grab 11 macht sich der la Tène=Geschmack geltend, indem dieselben Strichornamente ein Lieblingsmotiv dieser Zeit sind. Die Nadel erscheint in süddeutschen Funden in der jüngeren Hallstadtzeit zusammen mit älteren la Tène=Funden (Naues Periode III s. l-époche de Hallstadt, S. 33, Fig. 71). Die Schnalle mit Eisenband würde man, allein gefunden, erst der la Tène=Zeit zuschreiben (s. oben), doch liegt, wie J. Mestorf nachgewiesen hat (a. a. O.), die Entstehung der Schnalle in den bronzezeitlichen Nadeln mit zurückgebogener Oese; sie widerspricht also nicht unserer Ansetzung des Grabfeldes als eines ganz jung bronzezeitlichen, eines derjenigen, wo schon Uebergänge zu la Tène bemerkbar sind.


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13. Urnenfeld von Kritzkow.

(Katalog=Nummer Br. 261, 262.)

Auf dem Pfarracker von Kritzkow bei Güstrow, der an den Büdner Karsten verpachtet war, hat man 1889 zwischen Steinen verstreut an mehreren Stellen Urnenscherben und Bronzestücke gefunden. Die Herren Pastor Beyer in Laage und Postagent Siegmund in Kritzkow haben die Stelle sachgemäß untersucht und die Fundstücke eingeliefert. Nach dem Berichte des Herrn Pastor Beyer an die Großherzogliche Kommission zur Erhaltung der Denkmäler vom 23. November 1889 liegt die Fundstelle etwa 2 km von Kritzkow südwestlich, östlich von der Chaussee auf langsam ansteigendem Terrain. Ausgegraben ist:

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1. Ein Steindamm von 2,20 m Länge und 1,20 m Breite, 40 cm unter der Erdoberfläche. Unter dem Damm fand sich nichts.

2. Eine größere Fläche mit unregelmäßig durcheinander liegenden Steinen und Knochen.

3. Ein Steinkreis von 50 cm Durchmesser, in dem 36 cm tief eine Urne stand. Dieselbe ist zerdrückt; es war ein großes Gefäß mit rauh gemachter Wandung.

Die zerstreut gesammelten Gegenstände sind:

1. Reste eines bronzenen spiraligen Armrings aus dünnen (2 mm breiten) Streifen, ganz ähnlich dem von Grünenhof (oben S. 193), wo analoge Funde angeführt sind.

2. Reste eines Fingerrings gleicher Art wie 1.

3. Urnenscherben im Charakter der Bronzezeit, und zwar

a. dünnwandige, fein geschlemmte, zum Theil mit einfachen Strichverzierungen,

b. dickwandige, mit rauher Oberfläche, grob geknetet.

4. Gefäßscherben im Charakter der wendischen Zeit, wie sie Jahrb. 58, S. 197 ff. besprochen sind; mit Horizontalriefeln und Wellenornament.

Diese wendischen Scherben beweisen, daß das Kritzkower Feld verschiedene vorgeschichtliche Stätten birgt; wahrscheinlich ein Urnenfeld der jüngeren Bronzezeit und eine jener wendischen Ansiedelungen in Gruben, wie sie uns jetzt hinreichend bekannt sind. Daß wendische Grab= oder Wohnstätten entsprechende Anlagen früherer Kulturperioden einnahmen und natürlich zum Theil zerstört haben, ist gerade in der letzten Zeit häufig beobachtet; vergl. den besonders instructiven Fall von Gamehl, oben S. 201. Im Herbst 1893 sah ich bei Lübz kurz vor der Stadt auf dem Gebiete des Herrn Dampfziegeleibesitzers Voß wendische Wohngruben, neben denen die durch ihr Mäanderornament unverkennbar charakterisierten Scherben der frührömichen Provinzialperiode lagen, wo also höchst wahrscheinlich ein altgermanisches Grabfeld schon in wendischer Zeit zerstört ist.


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14. Urnenfeld von Möllenbeck.

(Katalog=Nummer T I H 1 d α 23.)

Bei Möllenbeck bei Zierzow (Amtsgerichtsbezirk Grabow) wurde 1892 in einer Sandgrube, 60 cm unter der Oberfläche, eine braune Urne im Charakter der jüngeren Bronzezeit gefunden und von Herrn von Treuenfels auf Möllenbeck der Großherzoglichen Sammlung

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eingesandt. Ihre Grundform ist die oben S. 196 abgebildete, doch hat sie eine stärkere Standfläche; auch ist ihre Farbe heller (fast roth) und der untere Theil der Wandung rauh gemacht. Höhe 16,5 cm, Durchmesser oben 17 cm, größter Umfang (5,5 cm von unten) 61,5 cm. In derselben lagen nur Knochen. Da dabei noch weitere Scherben, so der Rest einer Henkelurne von ähnlicher Gestalt, gefunden sind, handelt es sich auch hier sehr wahrscheinlich um ein zu der von uns besprochenen Gruppe gehöriges jungbronzezeitliches Urnenfeld, welches genauere Untersuchung verdiente.


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15. Urnenfeld von Stavenhagen (Reutershof).

Jahrb. 47, S. 292 ist ein Urnenfeld bei Stavenhagen (Reutershof) beschrieben. Seitdem hat Verf. die Stelle einmal besucht, und es sind auch eine Anzahl neuer Funde gemacht, welche in den Händen des Besitzers von Reutershof, Herrn Scheibel, geblieben sind.

Das Grabfeld liegt auf dem nordwestlichen Abfall eines Höhenrückens, ungefähr 15 Minuten westlich der Stadt. Der Abfall besteht aus zwei Kuppen, einer größeren, von etwa 300 []m Umfang (A) und einer kleineren (B); letztere bildet das Ende. Auf dem Hügel A sind beim Pflügen etwa 60 Urnen freigelegt, besonders an dem westlichen und östlichen Abhange; doch scheinen Urnen ziemlich gleichmäßig über die ganze Fläche vertheilt gewesen zu sein. Sie standen in Entfernung von 6 bis 10 Schritten ungefähr 50 cm unter der Oberfläche, alle in unregelmäßig geformten Steinkisten mit Fußstein und Deckstein. Auf dem Hügel B sind verstreut, sonst unter gleichen Verhältnissen wie auf A, 10 Urnen gefunden; außerdem an drei Stellen ovale Flächen von 3 bis 4 und 1,5 m Durchmesser. Die Steine waren durch Brand geschwärzt, und auf ihnen lagen Kohlen und Brandschichten. Wahrscheinlich sind dieses die Stätten der Leichenverbrennung.

Die Urnen waren alle vollgepackt mit zerbrannten Knochenstücken und Asche. Die Form der Urnen ist verschieden, doch lassen sie sich auf die beiden von Lisch a. a. O. beschriebenen Grundformen zurückführen, nur daß auch hier wie an allen bisher besprochenen Grabstätten die erste Form schlanker ist und einen höheren Hals hat. Verzierungen sind häufig: flüchtige Einritzungen am unteren Theile der Wandung, meist einfache Vertikalstriche, einige Mal schräg gitterförmig.

Geringfügig sind auch hier die Beigaben, nämlich:

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1. ein flaches Messer mit zurückgebogenem Griff, 11,5 cm lang, genau von der Jahrb. 51, Tafel 6, Fig. 1 abgebildeten Form, aber unverziert.

2. Reste eines spiraligen Fingerrings.

3. Ein schön verzierter Spindelstein aus Sandstein, flach, von 1,25 cm Durchmesser. Die Verzierungen werden gebildet durch radspeichenartige Linien, dazwischen je ein Punkt; die Schmalseite ist mit Längsstreifen versehen. Dieser Fund ist interessant; es ist das erste Mal, daß ein Spindelstein in der jüngeren Bronzezeit gefunden ist, und seine Form ermächtigt uns, mehreren bisher zeitlosen Einzelfunden ihre Stelle anzuweisen.

Im Uebrigen stimmen diese neueren Funde zu der a. a. O. gemachten Ansetzung.


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16. Bronzefund von Demzin.

(Katalog=Nummer B. L. I. D. 1α 37.)

Auf der Feldmark von Demzin bei Malchin wurde südlich der sogen. Gielower Benz (Waldung) beim Steinbrechen eine Lanzenspitze gefunden. Herr Pastor Walter in Malchin hat dieselbe freundlichst der Großherzoglichen Sammlung übergeben. Sie lag 70 cm unter der Bodenfläche unmittelbar neben einem gewaltigen Steinblock. Es ist ein sehr schön erhaltenes Exemplar mit hellgrüner, glänzender Patina (abgeb. nebenstehend, Fig. 14).

Lanzenspitze
Fig. 14.½.

Die Flügel sind leicht nach außen geschweift, die Schaftrinne geht bis zur Spitze, an der Schaftöffnung verziert mit drei Streifen aus tieferen Parallellinien; kein seitliches Loch zur Befestigung des Schaftes, Länge 15 cm, bis zum Ansatz der Flügel 7,25 cm, größte Breite 3 cm, Durchmesser des Schaftloches 1,5 cm.

Lanzenspitzen von gleichem Typus, d. h. mit Schaftloch und hochsitzenden Flügeln, sind hier mehrmals in Gräbern der jüngeren Bronzezeit gefunden, z. B. bei Alt=Schwerin (Jahrb. 20, S. 286), Boizenburg (Jahrb. 20, S. 383), Spornitz (s. o. S. 191), Sukow (Frid. Franc., S. 57), Neu=Stuer (s. o. S. 192). Häufig sind sie auch in Gießerfunden, so dem von Ruthen (Jahrb. 39, S. 135); ein Stück aus einem Moorfunde unbekannten Fundorts zeigt Reparaturen mit Kupfer (abg. Frid. Franc. VIII, Fig. 4). Funde von Glasin (23 Stück, Jahrb. 10, S. 288) und Kl.=Warin (2 Stück auf einem

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Bronzeband) weisen auf Gießerfunde hin. Andere sind zusammen gefunden mit "Kronenreifen" (torques) der jüngsten Metallzeit, so bei Lübtheen, Kolbow bei Zierzow, Kreien bei Lübz. Zahlreich sind auch die Einzelfunde aus Mooren. Kurz: Lanzenspitzen der angegebenen Art gehören ganz überwiegend den jüngeren Perioden der Bronzezeit an. Auch Montelius (Om tidsbestämming Tafel 5) rechnet sie in seine fünfte Periode. Unser Exemplar zeichnet sich durch seine feine Verzierungsart aus, die für Meklenburg neu ist, aber anderwärts häufig beobachtet: ein sehr ähnliches Exemplar vgl. J. Mestorf a. a. O., Fig. 227, ein anderes bei Schumann, der Fund von Hoekendorf (in Pommern) Fig. 5; dieser Fund gehört inhaltlich und zeitlich zu unseren Depotfunden von Ruthen u. s. w. und giebt also eine sichere Zeitbestimmung. Auch in Süddeutschland gehört diese Form der jüngeren Bronzezeit an; vgl. Naue, Bronzezeit in Oberbaiern, S. 95.

Wir haben den Demziner Fund nur vermuthungsweise zu den Grabfunden gezählt, da von Urnenfunden, regelrechten Steinsetzungen u. s. w. nichts berichtet wird. Doch kann es bei der tiefen Lage ein zufällig verlorenes Stück nicht sein; und da ist immerhin mit Rücksicht auf die Anlage anderer Grabfelder, wie z. B. das von Stubbendorf, eine Grabanlage das wahrscheinlichste.


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17. Grabfund (?) von Woez.

(Katalog=Nummer L. II. U. 2 c 7 und 8.)

Bei Woez bei Wittenburg wurden Anfangs der achtziger Jahre zwei Bronzeringe gefunden, angeblich "mit Urnenscherben unter Steinen"; näheres ist nicht bekannt geworden, doch liegt auch hier die Wahrscheinlichkeit vor, daß sie einer Grabstätte entstammen. Die Ringe kamen in den Besitz des Herrn Karl Peitzner in Pogreß, eines eifrigen und erfolgreichen Alterthumssammlers, welcher den einen Ring der Großherzoglichen Sammlung schenkte, während der andere nach dem Tode des Besitzers (1893) erworben wurde. Die Ringe (abgeb. beistehend, Abbildung 15) sind eigenthümlich;

Bronzering
Fig. 15.½.

sie haben eine schöne, glänzende, helle Patina, sind nach innen hohl, nach außen halbrund gewölbt, doch so, daß die Kante nach oben gerade abschneidet; auf der einen Seite schließen sie leicht gerundet glatt ab, auf der andern haben sie nach einer Einschnürung eine kleine stollenartige Erhöhung, letzteres wie die Jahrb. 51, S. 26, Nr. 4 besprochenen

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Ringe, während der spitze Abschluß z. B. an dem Ringe von Vielist (Jahrb. 52, Tafel I, Fig. 3) vorkommt; Durchmesser 5 cm, größte Breite 1 cm. Ringe der Bronzezeit mit verschiedenartigen Endungen kommen sonst, so weit ich sehe, nicht vor.


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18. Grab von Sembzin.

(Katalog=Nummer 2042 - 2046, 2980 - 2982.)

An diese neueren Funde sei ein alter Fund gereiht, dessen Bedeutung bisher nicht richtig gewürdigt ist. Bei Sembzin (an der Müritz zwischen Röbel und Waren) ist gegen 1850 ein kleines Kegelgrab aus Sand entfernt und dabei eine kleine Urne und ein kleiner Ring gefunden, ganz im Charakter der oben beschriebenen Funde, z. B. von Neu=Stuer (Jahrb. 19, S. 311). Schon früher war auf dem Felde von Sembzin in einer Sandgrube eine Urne mit Knochen und kleinen Bronze= und Eisenspuren gefunden (Jahrb. 10, S. 290); leider ist nicht klar, ob die beiden Funde an einer Stelle gemacht sind. Die letztgenannten Funde sind:

1. Eine Kette aus Bronze mit blauen Glasperlen (abgeb. beistehend, Abb. 16, vergl. auch oben Grünenhof).
Kette
Fig. 16.½.

Derartige Ketten sind der nordischen Bronzezeit fremd, kommen aber in Süddeutschland in der jüngeren Hallstadtzeit vor (z. B. Naue, l-époche de Hallstadt, IX, S. 77 zur Verbindung zweier Paukenfibeln) und in Norddeutschland in der älteren la Tène=Zeit (vergl. J. Mestorf, Urnenfriedhöfe III, Fig. 15 aus dem Urnenfelde von Dockenhuden an zwei Nadeln, in denen J. M. den Ursprung der Schnalle sieht). Vielleicht dienten sie auch bei uns zur Verbindung der beiden Bronzenadeln. Die blauen Glasperlen treten schon in der Bronzezeit auf (z. B. Friedrichsruhe, Jahrb. 47, S. 265).

2. Zwei Bronzenadeln (abgeb. beistehend, Abb. 17),

Bronzenadel
Fig. 17.½.

endigend in einem Kopfe von zwei nach außen gebogenen Spiralen, darunter eine Einbiegung. Länge 10 cm. Diese Form scheint süddeutsch zu sein, vergl. v. Tröltsch, Fundstatistik S. 32, Nr. 68, findet sich aber auch in Italien (Peschiera am Gardasee). - Aehnliche, aber oft bedeutend größere Nadeln kommen

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auch in Dänemark (vergl. S. Müller a. a. O., S. 413), Bornholm (s. Undset Eisen, S. 394), Posen (a. a. O., S. 15) und sonst vor.

3. Eine "Paukenfibel" einfachster Form (abgeb. beistehend, Fig. 18);

Paukenfibel
Fig. 18.½.

der Bügel von Bronze, die (leider abgebrochene) Nadel war aus Eisen. Vergl. über diese in Süddeutschland weit verbreitete, im Norden, soweit ich sehe, hier zuerst vorkommende Form v. Tröltsch, Fundstatistik, Fig. 7, für Baden Wagner, Hügelgräber u. s. w., Tafel 5, für Baiern Naue, Hügelgräber 25, 1 und Text, bes. S. 119.

4. Ein starker Armring (zerbrochen), bestehend aus einer starken, innen offenen, elliptischen Röhre, aber gegossen, an den Enden verziert mit zwei Streifen von Längslinien (abgeb. beistehend. Abbildung 19).

Armring
Fig. 19.

Derartige "Wulste" kommen am Ende der Bronzezeit besonders im östlichen Deutschland häufiger vor (vergl. z. B. die Nachweise bei Lissauer, Alterthümer der Bronzezeit in Westpreußen, S. 15), Wir haben in Schwerin emen ähnlichen, aus einem Depotfunde jüngster Bronzezeit von Kreien (Jahrb. 14, S. 318), aber auch, und das ist für die Zeitbestimmung wichtig, aus einem Funde der ältesten la Tène=Zeit von Pogreß (Jahrb. 41, S. 167; Undset, Erstes Auftreten des Eisens, S. 260 ff.) Undset sah in diesen norddeutschen gegossenen Ringen mit Recht Nachbildungen der getriebenen Hallstadtringe gleicher Form.

Der Sembziner Fund gehört demnach an das Ende unserer Bronzezeit, welche gleichzeitig ist mit der älteren la Tène=Zeit westlicher und der jüngeren Hallstadtperiode südlicher Gebiete.

Besonders nach der letzten Seite sind die Anknüpfungen fruchtbar. In der trefflichen Abhandlung von Naue, l-époche de Hallstadt en Bavière (Revue archéologique, Paris 1895) hat der Verfasser die Ergebnisse seiner Forschungen in Oberbaiern und der Oberpfalz in vier Perioden geschieden. Vergleichen wir diese Perioden mit den gleichzeitigen der Meklenburgischen Vorgeschichte, so ergiebt sich: während die älteren nur geringe Beziehungen zu dem Norden zeigen, treten mit der dritten, für welche Naue den Zeitraum von 400 bis 300 annimmt, starke Analogien hervor, weniger in Oberbaiern, als in der Oberpfalz. Dies ist die Zeit, in der das Eisen bei uns zuerst erscheint, wesentlich später als in Baiern, wo

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es schon in Naues zweiter Periode (700 bis 400), die nur theilweise mit unserer vierten bronzezeitlichen zusammenfällt, erscheint. Die Bronzezeit hat sich im Norden viel länger gehalten als im Süden. Das Eisen erscheint hier erst gleichzeitig mit der Beeinflussung durch eine Hallstadtkultur gegen 400 - 300 und gelangt zum Siege mit der der la Tène=Kultur entsprechenden Naueschen Periode IV. (300 bis zur christlichen Aera). Hier zeigt sich auf den so entfernten Gebieten eine völlig gleiche Keramik. Die hohen, leicht gerundeten Urnen, wie Naue VI, Fig. 55, und die breiten, fast kugeligen mit den leicht eingeritzten Verzierungen, wie Naue VI, Fig. 54, sind identisch mit den Urnen unserer Grabfelder der ältesten Eisenzeit (la Tène), z. B. VI, Fig. 54 gleich solchen von Krebsförden und Püttelkow, VI, Fig. 55 gleich solchen aus Mölln und Zweedorf; diese Aehnlichkeit beschränkt sich nicht auf die Form, auch die Farbe ist dieselbe: tiefschwarz oder thonbraun. In Baiern verschwinden die graphitierten und farbigen Gefäße, die bei uns niemals aufgetreten sind. Diese Aehnlichkeit ist kein Zufall; auch die Grabausstattung mit kümmerlichen Kleinigkeiten stimmt; soweit ich sehen kann, finden sich in einem großen Theile von Deutschland dieselben Erscheinungen, eine Gleichheit, die sehr von der Buntheit der früheren Perioden absticht. Auf die verschiedenen Möglichkeiten, Völkerbewegungen als Erklärung heranzuziehen, kann ich hier nicht eingehen; das ist eine Aufgabe geschichtlicher Untersuchungen, wie sie im Anschluß an Müllenhoffs Betrachtungsweise neuerdings von berufener Seite (Much, Kossinna 1 )) mit Glück in Angriff genommen sind. Daß Meklenburg damals eine germanische Bevölkerung gehabt hat, ist ebenso unzweifelhaft, wie daß die reine la Tène=Kultur von keltischen Stämmen ausgegangen ist. Aber die Wege und die Gründe dieser sehr starken Beeinflussung Germaniens durch keltische Einflüsse in jener Zeit anzugeben, bleibt weiterer Forschung vorbehalten. Doch sei noch ein anderer Punkt erwähnt: soweit bisher erkennbar, lassen sich in Meklenburg zwei la Tène=Perioden scheiden, und die oben genannten Urnen gehören der zweiten Periode an; sie finden sich oft in Grabfeldern, wo schon provinzial=römisches Inventar auftritt (z. B. Körchow und Püttelkow). So tritt nicht unsere ganze, sondern nur unsere jüngere la Tène=Periode mit Naues Hallstadtperiode IV in Parallele.

Nordische Forscher, besonders Montelius, pflegen derartige Synchronismen tabellarisch darzustellen. Wenden wir das hier an, so ergiebt sich für Meklenburg folgendes Schema (die Begründung


1) Siehe besonders G. Kossinna, Die vorgeschichtliche Ausbreitung der Germanen in Deutschland. Zeitschr. des Vereins f. Volkskunde 1896, S. 1.
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meiner Eintheilung der hiesigen Bronzezeit habe ich an anderen Stelle schon mehrfach gegeben, zuletzt in Raabe-s Vaterlandskunde, bearbeitet von Quade, 1895, Bd. III):

Baiern. Meklenburg.
Bronzezeit Bronzezeit, Periode II,
erste Hallstadtperiode 800 v. Chr. bis 700 Klammer Bronzezeit, Periode III,
zweite Hallstadtperiode 700 - 400 ) (erstes Auftreten des Eisens) Klammer Bronzezeit, Periode IV (erstes Auftreten des Eisens),
dritte Hallstadtperiode 400 - 300 la Tène=Periode I,
vierte Hallstadtperiode 300-Ch. G. la Tène=Periode II,
römische Zeit provinzial=römische Periode.

Zu einem Ausbau dieses Schemas fehlt noch sehr viel, besonders ausgedehnte und systematische Ausgrabungen unserer Urnenfelder, die drängendste und in weiten Kreisen leider nicht genügend gewürdigte Aufgabe der heimischen Alterthumsforschung.


Diesen durch systematische Ausgrabung oder sichere Funde festgestellten Grabstätten seien eine Anzahl anderer angeschlossen, die seit der früheren Aufzählung im Jahrb. 51 bekannt geworden oder erst seitdem richtig erkannt sind. Ich führe sie alphabetisch an:

1. Barendorf bei Grevesmühlen. Auf einem Hügelrücken eine große Anzahl Urnen in Steinkisten (Jahrb. 39, S. 125); also genau dieselbe Erscheinung wie in Ludwigslust, oben S. 193. Leider sind die gefundenen Urnen nicht bewahrt worden.

2. Barnin bei Crivitz. In der Sammlung des Herrn Uhrmachers Schröder in Crivitz befindet sich eine Urne im Charakter der Bronzezeit und eine darin gefundene "Schwanenhalsnadel". Näheres über die Art der Grabstätte ist nicht bekannt geworden.

3. Dargun. In dem Gehölz nahe dem Judenkirchhof liegen eine Anzahl niedriger kegelförmiger Gräber, die anscheinend ganz aus Steinen aufgeschichtet sind, äußerlich noch wohl erhalten. Nach Analogie der a. a. O., S. 7 oben angeführten Gräber von Gallentin u. s. w. werden auch die von Dargun hierhin zu zählen sein.

4. Dobbin bei Dobbertin. In den Tannen am Nordende des Dobbertiner Sees und dem westlich daran angrenzenden Felde sind beim Steinbrechen eine Anzahl Urnen gefunden. Dieselben standen fast unmittelbar unter der Erdoberfäche unter Steinen und in Steine verpackt; mehrmals war eine als Deckel über eine andere gestülpt.

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Herr Präpositus Pleßmann in Dobbertin hat einige Reste bewahrt. Es sind breitausgebauchte braune Gefäße, etwa wie die von Loiz; einige verziert mit Perpendikulär= oder sich kreuzenden Strichen.

5. Federow bei Waren. In der Sammlung des Herrn Erblandmarschalls Freiherrn von Maltzan auf Burg Penzlin befinden sich eine Anzahl kleiner Bronzen von Federow, die einer nicht näher bekannten Grabstätte entstammen.

6. Goldenbow bei Wittenburg. Die Jahrb. 5 B, S. 44 aufgezählten niedrigen Grabhügel gehören ohne Zweifel hierher und schließen sich denen von Neu=Stuer u. s. w. an.

7. Gramnitz bei Hagenow. Auf einem, dem Schulzen Niemann gehörigen Felde nordöstlich vom Dorfe an dem Wege von Toddin nach Pätow, etwas südlich von der Stelle, wo ein Feldweg von Gramnitz aus diesen trifft, sind 1892 und 1893 beim Steinbrechen eine Anzahl Urnen gefunden, aber nicht bewahrt. Ich habe im Mai 1893 die Stelle besucht und mehrere Sondierungsgräben ziehen lassen. Die Steinsetzungen lagen etwa 30 cm unter der Oberfläche. Es waren sehr bedeutende Schichtungen, zum Theil Blöcke von 60 cm Durchmesser; die Urnen hatten in Steinplatten eingeschlossen gestanden. Gefunden waren an die 100, aber alle zerstört; an Metallbeigaben ist nur ein Stück Bronze beobachtet. Die Urnen waren groß, topfartig, zum Theil mit flüchtigen Strichen verziert. Also ein echtes Urnenfeld in der Art des von Stubbendorf und sehr wahrscheinlich auch derselben Zeit angehörig.

8. Hallalit bei Kirch=Grubenhagen. Anfang der 80 er Jahre sind mehrere niedrige Erdhügel entfernt, in denen sich in der Mitte Steinsetzungen mit Urnen befanden. Die Urnen waren groß, bauchig, gleich der oben S. 196 abgebildeten, und zum Theil mit anderen flacheren Urnen zugedeckt. In der einen soll ein Bronzedolch gefunden worden sein.

9. Jabel bei Malchow. An dem Kanal zwischen Kölpin= und Fleesensee liegt zwischen sumpfigen Wiesen eine sandige Erhöhung, auf der zahlreiche Hügel sichtbar sind. Die Formen sind ungleich; einige mögen natürliche Dünen sein, bei anderen ist die Kegelform unverkennbar. Auch sind durch private Ausgrabungen denselben bronzene Schwerter entnommen. Einige im Schweriner Museum befindliche Bronzen aus Jabel ohne weitere Fundangaben (vergl. Jahrb. 13, S. 375) mögen auch von hier stammen. Die ganze Stelle heißt in der Gegend der "Heidenkirchhof," und man sucht dort den in einem goldenen Sarge beigesetzten "Heidenkönig." Die Form und Lage der Gräber erinnert an die Grabfelder jüngerer Bronzezeit von Dobbin bei Krakow, Klink, Alt=Schwerin, Sukow, die alle nicht

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weit entfernt liegen, aber auch Retzow. Neu und eigenartig ist nur, daß dieses Grabfeld eine Landstrecke einnimmt, die früher ganz von Wasser umgeben gewesen sein muß, wir also hier den interessanten Fall einer bronzezeitlichen "Todteninsel" beobachten können.

10. Kargow bei Waren. Beim Abräumen eines Steinhügels im Acker ist im Sommer 1896 ein Urnenbegräbniß gefunden. Der, wie es scheint, künstliche Hügel war 1 1/2 m hoch und bestand aus Kies. Die Urne stand in der Mitte, in Steine verpackt und mit einem Deckelsteine geschützt; sie besteht aus grauem Thon, ist 21 cm hoch und oben 24 cm breit, ein einfach rundliches Gefäß mit leichter Ausbauchung. Ein zweites (zerdrücktes) Gefäß bildete wohl den Deckel. In der Urne waren zerbrannte Knochen, um einen Fingerknochen saß ein Ring von rundem Durchschnitt und ca. 1,30 cm innerer Weite. Die Gegenstände befinden sich im Besitz des Herrn Neumann auf Kargow, dessen Gefälligkeit wir obigen Fundbericht verdanken. Da sich noch mehrere Hügel auf dem Felde befinden, haben wir auch hier wohl eine größere Begräbnißstätte vor uns. Die schon durch andere Fundstellen (Sietow, Sembzin, Klink, Federow, Jabel) bewiesene starke Besiedelung der Warener Gegend in der jüngeren Bronzezeit erhält hiermit einen neuen Beleg.

11. Kreien bei Lübz. Das Jahrb. 10, S. 278 von Ritter beschriebene Kegelgrab gehört hierher. Es zeigte die seltene Erscheinung, daß in einer Steinkiste oberhalb des Urbodens eine größere Anzahl Urnen (zwei Reihen über einander) sich fanden.

12. Leezen bei Schwerin. In niedrigen Steinhügeln sind eine Anzahl schöner Bronzen gefunden, welche in das Völker=Museum in Berlin gekommen sind, nämlich: eine Pincette, eine Nadel mit Krümmung und rundlichem, mit Buckeln versehenen Kopfe = Jahrb. 51, Tafel II, Figur 10, ein Messer = Jahrb. 51, Tafel VI, Figur 1, aber unverziert und besonders ein ausgezeichnet schönes Messer von der a. a. O., S. 17 besprochenen, besonders in Schweizer Pfahlbauten vertretenen Form. Zu den dort gegebenen Nachweisungen ist noch ein Fund von Toddin (Frid. Franc., S. 54) zu rechnen, wo jüngere Bronzen, wahrscheinlich als Nachbestattung, in einem Hügel mit älteren zusammen sich fanden, und von auswärts jetzt ein interessanter Fund von Seddin (West=Priegnitz), den A. Goetze in den Nachrichten über Deutsche Alterthumsfunde 1895, S. 74 besprochen hat. (Für Leezen ist dort Lenzen gedruckt; Zülow ist das bei Sternberg gelegene [Frid. Franc., S. 130]; der Rekenziner Fund im Schweriner Museum stammt aus Rekenzin in der Priegnitz.) Die Seddiner Funde erinnern sehr z. B. an die von Sukow, besonders auch durch die "Schachtelurne" (vergl. Jahrb. 13, S. 367).

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13. Moltzow bei Malchin. Zwei verschiedenartige Gruppen von Grabstätten: Kegelgräber mit Steinkisten und flache Erhebungen mit Steinkisten sind schon früher bekannt geworden (vergl. Jahrb. 6 B, S. 136; 7 B, S. 22; 16, S. 259). In der Sammlung des Herrn Erblandmarschall von Maltzan auf Burg Penzlin befinden sich einige kleine Sachen aus Gräbern von Moltzow, darunter eine Fibel mit massiver Platte und eine Vogelfigur aus Thon, wohl ein Kinderspielzeug; das erste Mal, daß etwas derartiges in Meklenburg bekannt wird, während es in den sog. "Lausitzer" Gräbern in Brandenburg, Schlesien u. s. w. zu den gewönlichen Fundstücken gehört (vergl. Undset, das erste Auftreten des Eisens, Tafel IX u. s. ) S. darüber die Aufzählung von Jentsch, Niederlaus. Mittheilungen I, S. 536; II, S. 116; über die zahlreichen schlesischen Funde derart vergl. Söhnel in "Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild," Bd. VI (1896), S. 462; aus Baiern: Hallstadtperiode III, Naue a. a. O., S. 35, Fig. 84.

14. Plüschower Mühle bei Grevesmühlen. Beim Steinbrechen 1846 gefunden und eingesandt sind ein Scheermesser und eine Pincette. Nach einer Mittheilung des Herrn Lehrer Linshöft in Rutenbeck, des Sohnes des damaligen Schenkers, waren die Grabstätten niedrige, jetzt längst verschwundene Steinkegel.

15. Pokrent bei Gadebusch. Bei den Akten der Großherzoglichen Kommission zur Erhaltung der Landesdenkmäler befinden sich einige hübsche Tuschzeichnungen mit der Unterschrift: Zink 1806, darstellend niedrige, aus Steinen aufgeschichtete Hügel bei Pokrent, in deren Mitte zwischen Steinplatten eine oder mehrere Urnen stehen. Hauptmann Zink wurde von dem Großherzog Friedrich Franz I. viel mit Ausgrabungen beauftragt, deren Resultate im Friderico - Francisceum beschrieben sind. Altsachen von Pokrent finden sich in der Großherzoglichen Sammlung nicht, also wird die Ausbeute nicht groß gewesen sein. Das Pokrenter Grabfeld scheint noch nicht erschöpft zu sein; wenigstens sind im Mai 1893 nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn Howitz auf Pokrent "am Sonnenberge nahe der Funkenkuhle auf Pokrenter Meierei" alte Urnen und Scherben gefunden. Näheres über die Form dieser Gräber und der Urnen ist nicht bekannt geworden.

16. Polchower Heide bei Laage. Nördlich von Polchower Heide in der Gabelung der Wege nach Ridsenow und Alt=Polchow liegt ein unbebauter, langgestreckter Hügel, der sog. Galgenberg, gehörig zu der Hufe des Erbpächters J. Borgwardt. Hier befinden sich nach gefälligen Mittheilungen der Herren Pastor Beyer in Laage und Lehrer Kliehm in Polchow zahlreiche Steinlager, zum

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Theil aus sehr bedeutenden Blöcken bestehend, zwischen denen Urnen mit Knochen und geringfügigen Beigaben standen. Erhalten ist nichts, doch kann nach den oben angeführten Analogien (vergl. Barendorf, Moltzow) die Zuweisung in die von uns besprochene Periode keinem Zweifel unterliegen. Das Feld ist noch zum großen Theile unberührt und verdient eine genauere Untersuchung. In der Vereinssammlung befinden sich einige kleine Bronzen, die im Jahre 1836 von Neu=Polchow eingeliefert sind (vergl. Jahrb. 2 B, S. 47); ob hier eine Verwechselung von Polchower Heide und Neu=Polchow vorliegt und diese von unserem Grabplatze stammen, ist nicht mehr zu bestimmen.

17. Poltnitz (ritterschaftlich) bei Marnitz. Jahrb. 51, Tafel II, 12 ist eine bei Poltnitz gefundene schöne Schwanenhalsnadel abgebildet, welche mit der Sammlung des weiland Herrn von Voß auf Tessenow in die Großherzogliche Sammlung gelangt ist. Nach späteren Erkundigungen an Ort und Stelle sind bei Poltnitz "kleine Steinhügel" in größerer Anzahl weggeräumt und dabei Urnen mit Inhalt gefunden. Es handelt sich also um niedrige Gräber im Charakter derer von Neu=Stuer u. s. w.

18. Rehberg bei Krakow. Nach Jahrb. 6, S. 70 sollten sich bei Rehberg viele alte Gräber befinden, sodaß "die Feldmark fast ganz wie ein Grabfeld erscheint". Eingesandt sind später eine kleine Henkelurne und ein "Scheermesser", ohne weiteren Fundbericht (vergl. Jahrb. 18, S. 253). Sehr wahrscheinlich bilden auch in diesem Falle niedrige Erd= oder Steinhügel die Grabstätte.

19. Varchentin bei Stavenhagen. Nach Jahrb. 10, S. 286 wurde hier "gegen 1840 beim Mergelgraben in einer kleinen Steinkiste zwischen den Scherben einer zertrümmerten Urne" ein kleines bronzenes Pferdebild gefunden. Wahrscheinlich ist damals ein Urnenfeld zerstört. Das höchst primitive Pferdebild ist die einzige bildliche Darstellung aus der Bronzezeit geblieben, die wir besitzen und die wir nunmehr bestimmter der jüngeren Bronzezeit zurechnen können. Pferdebilder sind sonst auf unserem Gebiete aus dieser Zeit nicht bekannt, aber die Verwandschaft in der Formengebung mit den üblichen Vogelbildern, wie z. B. Undset, Eisen V, 5, XIX, 9 liegt auf der Hand.

20. Wildkuhl bei Röbel. Auf dem Felde nahe der Kambser Scheide sind etwa 1 Meter tief im Boden Urnen gefunden. Erhalten ist ein braunes Gefäß von ziemlich breiter Grundfläche mit gleichmäßig in langsamer Erweiterung aufsteigender Wandung und glattem Rande; darin lag ein kleines zierliches Gefäß mit flachen Schrägkerben; beide befinden sich im Besitz des Herrn Gymnasiallehrers Struck in Waren.

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Alle in dem Bisherigen erwähnten Grabanlagen (40) zusammengestellt, ergeben sich folgende Gruppen:

I. Größere künstliche Hügel, meist "Kegelgräber": Jabel, Kreien, Moltzow (a), Schaliß 4
II. Kleinere künstliche Hügel aus Erde oder Steinen: Dargun, Goldenbow, Grünenhof, Hallalit, Kargow, Leezen, Plüschower Mühle, Pokrent, Poltnitz, Rehberg, Sembzin (a), Sietow, Spornitz, Neu=Stuer 14
III. Steinsetzungen in natürlichen Hügeln: Barendorf, Ludwigslust Moltzow (b), Polchower Heide 4
IV. Steinsetzungen auf ebenem Terrain unter dem Boden (Urnenfelder): Dobbin, Gamehl, Gramnitz, Kritzkow, Krusenhagen, Gr.=Laasch, Loiz, Möllenbeck, Reutershof, Schwerin, Stubbendorf, Varchentin (?), Wildkuhl, Demzin (??) 14
Unbestimmt: Barnin, Federow, Sembzin (b), Woez 4

Sa. 40

Alle gemeinsam haben die Bestattungsform (ausschließlich Leichenbrand) und die Ausstattung (bronzenes Kleingeräth). Auch in den Urnenformen ist kein wesentlicher Unterschied. Durchgehende zeitliche Unterschiede lassen sich bisher nicht machen, doch ist Eisen mit einer Ausnahme nur in Gruppe III und IV beobachtet, und in IV ist der Uebergang zu der folgenden Periode (ältere Eisenzeit, la Tène) erkennbar.


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II. Depotfunde.

1. Fund von Brook.

(Katalog=Nummer Br. 301 - 313.)

Juli 1890 stieß der Erbpächter Fehmerling in Brook bei Lübz beim Beackern seiner Hufe auf ein Bronzebecken, in welchem eine Anzahl Bronzegegenstände lagen. Die Fundstelle liegt 450 Schritt von dem Gehöfte des Finders, 250 Schritt von der Chaussee nach Plau, 4 Kilometer von Lübz, 2 Kilometer von Brook entfernt. Der Boden ist leicht ansteigend, sandig und trocken. Steine sind nicht gefunden; die Sachen lagen frei im Boden. Der Fund ist durch das Großherzogliche Amt in Lübz eingeliefert und bildet seitdem einen der bedeutendsten Gesammtfunde unserer Sammlung. Die Patina, der Bronzen ist hell, glänzend und nicht tief. Es sind:

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1. Ein größeres Hängebecken (abgeb. beistehend, Abb. 20). Der halbkugelige Körper zieht sich mit scharfem Rande nach innen, dann setzt, durch ein rundliches Band verbunden, der leicht nach innen geneigte Hals an; die obere Kante biegt sich zu einer schmalen

Hängebecken
Fig. 20. 1 / 3 .

Randleiste nach innen, letztere ist durchlocht; auf der Kante stehen zwei längliche gerade Henkel. Das Stück ist beim Finden an der Standfläche beschädigt, eine alte Verletzung ist durch einen innen aufgelötheten Bronzeklumpen verklebt; ebenso ist an einer Stelle, wo der scharfe Bauchrand ansetzt, innen eine größere Löthstelle (mehrere Schichten über einander) und eine andere an der inneren Einbiegung des Randes. Das Innere ist nach dem Gusse nicht abgeputzt, die Fläche ist daher hier rau, kleine Erhöhungen und Gußnähte sind stehen geblieben. Unter der einen Löthstelle befinden sich zwei kleine Löcher, die wohl zu einem technischen Zwecke (bei der Reparatur?) eingeschlagen sind.

Die Maaße betragen: Höhe bis zur Kante 16 cm; Höhe bis zum Bauchrande 4,75 cm; Höhe des Halses 4 cm; Breite der Einziehung vom Bauchrande 1 cm, der inneren Einziehung 1,75 cm; Länge der Henkel 4,75 cm; Oeffnung der Henkel 0,75 cm, 0,86 cm; Durchmesser der oberen Oeffnung (incl. Einbiegung) 23 cm.

Die runde Standfläche ist verziert (s. umstehend Abb. 21) mit einem spitz in Spiralen auslaufenden Triskeles 1 ) aus fünf neben=


1) Daß das gewöhnlich Triquetrum genannte Zeichen so, nicht Triskele zu benennen ist, hat Olshausen, Zeitsch. f. Ethnol., Vhdl. 1886, S. 283 überzeugend nachgewiesen.
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einandergesetzten Linien, umgeben von einem gleichartigen Ornamentbande im Charakter des "laufenden Hundes", sodann einem Bande von [Symbol S spiegel]=förmig verschlungenen Linien, welches wir der Kürze halber als S Spiegelbild =förmige Welle bezeichnen wollen, dazwischen kleine S Spiegelbild =förmige Ornamente. An diese runde Standfläche schließen sich bis zum Bauchrande drei Ornamentstreifen, getrennt durch schmale Streifen mit gemusterten Punktverzierungen.

Ornament
Fig. 21. 1 / 3 .

Die Streifen wiederholen das Ornament der Standfläche: der erste (unterste) des "laufenden Hundes", die beiden anderen der S Spiegelbild =förmigen Welle. Der Hals ist bedeckt mit einem mäanderartigen Ornament, doch auch hier die Ecken gerundet, in regelmäßigen Abständen unterbrochen durch verschiedenartige Vertikalstreifen, theils solche, um die sich wellenförmig die fünf Linien herumziehen, theils solche mit kleinen Halbkreisen zur Seite. Die Ornamente sind kräftig und tief, offenbar eingraviert.

Von den Hängebecken unserer Sammlung sind mit den beschriebenen in Beziehung zu stellen die von Lübbersdorf bei Friedland und Roga (Einbiegung nach innen, aufstehender Henkel; in Beziehung auf das Ornament das Stück von Düssin, welches dieselben tiefgeschnittenen Linien zeigt, während die anderen Exemplare viel weniger kräftige Ornamente haben. Aus anderen Ländern vergl. z. B. über Dänemark S. Müller, Ordning of Danmarks Oldsager II, 388. Daß der Formenunterschied der Hängebecken in der That einen Zeitunterschied einschließt, hat Montelius nachgewiesen (Om tidsbestämming S. 239 flgd.) Unser Exemplar gehört unzweifelhaft zu den jüngsten in der ganzen Reihe. Es schließt sich am engsten den drei Neubrandenburger Gefäßen (im Museum von Neustrelitz, abg. Baltische Studien II, Tafel 4, Fig. 4 - 6) an, von denen das eine ebenfalls den Mäander, ein anderes das Triskeles hat.

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In diesem Gefäße befanden sich alle übrigen Gegenstände, nämlich:

2. Ein kleineres Hängefaß, am Rande mehrfach beschädigt.

Eine Grundform ist dieselbe, wie des ersten, zeigt aber einige wichtige Abweichungen: der Bauchrand ist nicht scharf, sondern abgerundet; die Kante ist scharf und biegt nicht ein; Henkel fehlen, dafür finden sich längliche, rechteckige Einschnitte unter der Kante. Die Maaße sind: Höhe 9,5 cm, größter Umfang 62 cm, Höhe bis zum Bauchrande 6,4 cm, Breite der Einziehung 1,1 cm, Höhe des Halses 2,5 cm, Henkelöffnungen 2,35 und 0,5 cm, Durchmesser 16,25 cm.

Besonders auffallend ist der Unterschied in der Ornamentierung (s. beistehend, Abb, 22):
Ornament
Fig. 22.½.

Die Standfläche bildet eine runde knopfartige Erhöhung von 2,25 cm Durchmesser, verziert mit einem Kreise aus kleinen Punkten; dann folgen drei ungleiche Streifen: der erste mit dem "laufenden Hund," der zweite, getrennt durch ein schmales Band mit Tannennadelornament, aufgelöste Spiralen, deren Enden spitz auslaufen und mit einseitigen Schrägstricheln versehen sind, darunter ein Punkt; der dritte Streifen wird durch zwei aufgehöhte Linien mit Schrägstricheln getrennt und hat dieselbe breitgezogene [SymbolS spiegel]=Welle, wie das erste Gefäß, aber mit Punkten umsäumt. Der Hals hat in der Mitte und am Ansatz aufgehöhte Linien mit Schrägsticheln, der wulstige Bauchrand in gleichmäßigen Abständen 1,5 cm lange Streifen mit Längsstrichen. Die Linien der eingravierten Ornamente sind ganz zart, bestehen meist aus drei Parallellinien und werden von parallelgehenden Punktlinien begleitet.

Verglichen mit dem ersten Gefäße, stellt dieses zweite offenbar eine ältere Stufe dar: die schärferen Kanten, der Mangel an aufgehöhten Linien kennzeichnen die Nachahmung getriebener Gefäße. Das Ornament ist bei 1 reines Flächenornament geworden und wird tiefer und kräftiger gestaltet, während bei 2 die Wellenlinien u. s. w.

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sehr zart behandelt sind und die aufgehöhten Linien dominieren. Deutlich ist bei 2 zu sehen, wie das Drachen=Ornament aus der Linie sich entwickelt (vergl. auch Jahrb. 52, Taf. I, 6b); die Ornamentierung von 2 beruht noch durchaus auf der älteren Bronzezeit (vergl. auch den sternartigen Abschluß der Standfläche und das "Tannenwedelband"), während in 1 schon ganz neue Motive, so das für die la Tène=Zeit so wichtige Triskeles (auf der Standfläche) und der Mäander am Halse auftreten.

Aehnliche Exemplare wie unsere Nr. 2 vergl. Montelius, Antiquités suédoises, Fig. 248 und 251; aus Meklenburg das größere von Lübbersdorf bei Neukloster. Es ist der Typus E von Montelius, der (Om tidsbestämming, S. 239 ff.) im Ganzen 130 bekannt gewordene Exemplare dieses Typus aufzählt, während von dem vorigen Exemplar (Typus F) nur 25 bekannt waren, davon allein 5 aus Meklenburg.

Ueber Hängegefäße im Allgemeinen ist zuletzt in den Jahrb. 52, S. 8 gesprochen. Dort konnten aus Meklenburg=Schwerin nur vier Exemplare und ein Fragment aufgezählt werden, während Meklenburg=Strelitz allein acht geliefert hat; mit den Brookern kommen wir nun auf sechs, von denen dem ältesten Typus (Montelius D) nur das kleinere von Lübbersdorf, dem folgenden (Montelius E) außer dem kleineren von Brook das größere von Lübbersdorf, das von Basedow (beistehend nach Jahrb. 14, S. 320 abgebildet, Abb. 23, s. auch unten S. 228) und das von Düssin, dem jüngsten (Montelius F) nur das größere von Brook angehören.

Ornament
Fig. 23. 1 / 5 .

Ein erkennbarer zeitlicher Unterschied findet zwischen den letzten beiden Typen nicht statt. Den Zweck betreffend werden diese Hängebecken, ebenso wie die "Schmuckdosen" der älteren bronzezeitlichen Perioden, aus denen sie sich entwickelt haben, zur Aufbewahrung von Kostbarkeiten gedient haben. Die Frage ihrer Herkunft wird gelegentlich immer wieder berührt, trotzdem es für keinen auch nur oberflächlichen Kenner der bronzezeitlichen Entwickelung in den verschiedenen Ländern zweifelhaft sein kann, daß sie durchaus der nordischen Bronzezeit angehören, nicht nur durch ihre Formensprache, sondern auch ihre Verbreitung. Da die betreffenden Ausführungen des besten Kenners der europäischen Bronzezeit, Montelius, in der deutschen Litteratur nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden haben, sei hier auf dessen Aufzählung a. a. O., S. 239 hingewiesen,

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aus der hervorgeht, daß auf 136 in den drei nordischen Reichen gefundene Becken vom Typus D, E, F für ganz Deutschland nur 52 kommen, während außerdem nur ein Exemplar (in der Schweiz, Pfahlbau von Corcelettes, s. Montelius, Månadsblad 1879, S. 141) zu Tage getreten ist, offenbar ein versprengtes Stück. In Deutschland ist das südlichste bei Frankenhausen, das westlichste bei Münster und das östlichste bei Stargard (Pommern) gefunden. Nach Südosten gehen sie über Berlin nicht hinaus; daß ihre südlichsten Ausläufer sich in der Richtung der Provinz Sachsen bewegen, entspricht völlig dem alten Gang der Handelswege in der Bronzezeit. Seit dieser Aufzählung (1885) sind eine Anzahl neuer Stücke aufgefunden, die Grenzlinien aber dadurch nicht verrückt. Das Verbreitungsgebiet ist also das der nordischen Bronzezeit. Nordisch ist auch die Form als eine Entwickelung der auf ein noch engeres Gebiet beschränkten "Schmuckdosen." Und nordisch ist meines Erachtens auch die Ornamentik. Dies ist der bestrittenste Punkt. Eine Uebersicht über die einschlägigen Motive giebt Montelius im Månadsblad 1881, S. 17. Bei den Hängegefäßen kommen besonders in Frage: ein Bogenornament, der "laufende Hund", die S Spiegelbild =förmige Welle, der Mäander und der Drachenkopf. Die Entstehung des Bogenornamentes auf dem älteren Typus (D) aus dem Sternenornament der Schmuckdosen stellen die Abbildungen a. a. O., S. 43 - 57, überzeugend dar; man braucht aber nur die eine Bogenendung wegzulassen, um zu dem "laufenden Hunde" in der Form, wie sie Abb. 62 z. B. zeigt, zu kommen, ein Uebergang, den ein Vergleich der beiden Lübbersdorfer Gefäße, Jahrb. 52, Tafel I, besonders klarlegt. Aus der Spirale ist dieses Ornament auf nordischem Boden nicht entstanden und unterscheidet sich dadurch von dem klassischen "laufenden Hunde", der unmittelbar aus der Spirale entwickelt ist. (Mycenä, a. a. O. S. 27 u. flgd.) 1 ) Das Spiralornament gehört im Norden durchaus der älteren Bronzezeit an und ist der jüngeren fremd. Komplizierter ist die Entstehung der S Spiegelbild =förmigen Welle (vergl. umstehendes Detail Abb. 24 von dem einen Lübbersdorfer Hängebecken nach Jahrb. 14, S. 26). Montelius hat geglaubt, ein bekanntes altorientalisches, dann in etrurischen und römischen Funden häufiges Ornament des verschlungenen Doppelseils (das "Flechtband" s. A. Riegl, Stilfragen S. 87) zur Erklärung heranziehen zu sollen; er hebt aber selbst hervor, daß keinerlei Bindeglieder mit dem Norden vorliegen (a. a. O. S. 42). Ich glaube, daß die S Spiegelbild =förmige Welle


1) Zur Geschichte der Spiralornamentik vergl. Naue, Bronzgezeit in Oberbaiern, S. 142 ff., auch A. Riegl, Stilfragen, S. 71 u. S. 135; Andêl, Jahresbericht der K. K. Unterrealschule in Graz 1892.
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Ornament
Fig. 24.
sehr wohl aus den anderen beiden Motiven zu erklären ist, man braucht nur das Bogenornament oder den "laufenden Hund" in der Form von Montelius, Abb. 67 oder 74, seitlich zu verschieben, und die Welle ist fertig, Auch an dem Holsteinischen Gefäße bei Hagen, Holsteinische Hängegefäße, IV 1, ist dieser Uebergang sehr deutlich. Sei die Entstehung aber, wie sie wolle, auf jeden Fall sind S Spiegelbild =Wellen, und ebenso die zwei vorher besprochenen, der nordischen Bronzezeit eigenthümliche Ornamente, die sich in dieser Form und Vereinigung nirgends wiederfinden. Anders ist es mit den beiden folgenden, dem Mäander und dem Drachenornament. Der Mäander, entstanden auf griechischem Boden als "geometrische" eckige Gestaltung der Spirale, ist zu Beginn der Eisenzeit in Italien dort übernommen und weitergebildet, resp. verunstaltet (vergl. J. Böhlau, Kasseler Festschrift 1895, Seite 91 ff.); ebenso tritt er auf Urnen in Hallstadt und in Hallstädter Gräbern in Baden auf (vergl. Wagner, Hügelgräber u.s. w., Tafel III, 8); ferner auf (zeitlich vielleicht etwas älteren) Urnen in Schweizer, Pfahlbauten (vergl. Ulrich; Katalog der Züricher Samm=
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lungen I, 1535). Beide Fundgruppen, die Schweizer und die Hallstädter, haben lebhafte Beziehungen zu der nordischen Bronzezeit (vergl. nur die Messer des Pfahlbaues Haumesser, in dem die betreffende Urne gefunden ist, mit den Jahrb. 51, S. 17 besprochenen); und so, ob mit Schweizer, ob mit Hallstädter Sachen, bleibe vorläufig dahingestellt, ist der Mäander auch in die nordische Bronzezeit gekommen, aber erst an ihrem Ende und ohne eine weitere Bedeutung zu erhalten. Er tritt nur an den Hängebecken jüngster Form (Typus F) auf und ist auch da durch Biegung der Ecken dem nordischen Geschmack konform gemacht.

Aehnlich ist es mit dem Drachenornament. Die Ornamentik der Bronzezeit im Allgemeinen ist bildlos; erst auf den Hängebecken bekommen die sich umbiegenden Linien gelegentlich am Ende einen Punkt, dann aufrecht stehende Strichel; und der Drache mit Kamm ist da; ganz aus der Ornamentik herausgelöst zu einem selbstständigen Gebilde hat er sich aber nirgends. (Am weitgehendsten in Formen, wie an beistehendem Boden, Abbildung 25, des Kessels von Roga nach Jahrb. 14, S. 327).

Drachenornament
Fig. 25.

Auch hier glaube ich eine Beeinflussung durch südliche Ornamentik annehmen zu dürfen: der nordische Drache ist der umgestaltete schwimmende Hallstadtvogel 1 ), wie er in Meklenburg z. B. auf den Trageimern von Granzin (Jahrb. 47, Tafel VI, Fig. 11) auftritt. Auf das verwandte Schiffsornament gehe ich hier nicht ein, da es auf Hängebecken nicht vorkommt; ebenso wenig wie auf das Vorkommen der Hängebeckenornamentik auf anderen echt nordischen Geräthen, z. B. Messern, welche die Vertreter einer südlichen Herkunft der Hängegefäße konsequenterweise auch als Import bezeichnen müßten 2 ) Wir


1) Vergl. darüber Hörnes, die Verwendung der Thiergestalt in der prähist. Kunst in den Mittheilungen der anthrop. Ges. in Wien, XXII (1892), S. 111; auch Naue, Prähist. Blätter 1891, (III) S. 21.
2) Vergl. z. B. den schönen Fund von Katerbow bei Ruppin im Berliner Museum für Völkerkunde, wo die Hängebeckenornamente sich auf einem Halsringe, wie unten Nr. 7, und einer Fibel mit gewölbter Platte finden; ferner die wundervollen dänischen Messer mit Triskeles, Drachen und Schiffen z. B. bei von den Steinen, Präh. Zeichen und Ornamente S. 36. S. auch unten S. 231.
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halten die besprochene Ornamentik für eine auf nordischem Boden überwiegend aus alten einheimischen Formen, aber unter dem Einfluß südlicher, speziell ungarischer und Hallstädter Motive entwickelte.

3. Eine glockenförmige "" (abg. beistehend, Abb. 26),
Handhabe
Fig. 26.½.

darin ein T=förmiger und ein rechteckiger "Stuhl". Höhe 6 cm, Höhe der Spitze 1 cm, Durchmesser 9 cm. Die Ornamente bestehen aus einer Reihe von in Guß hergestellten concentrischen Kreisen mit Punkten und einer Reihe Punkterhöhungen, dazwischen gestrichelte Bänder; die Spitze hat horizontale Einkerbungen. Der Zweck dieser "Handhaben" ist viel umstritten; da sie fast stets mit den Hängebecken zusammen gefunden werden, glaube ich doch, daß sie als Griffe gedient haben. Sonderbar ist allerdings, daß hier wie auch sonst die Ornamentierung der Handhaben nicht dieselbe ist wie die der mit ihnen gefundenen Becken. Doch kommt die vorliegende Verzierung auch sonst auf Hängebecken vor, vergl. beistehend (Abb. 27)

Ornament
Fig. 27.

den Boden des (nicht in den Schweriner Sammlungen befindlichen) Exemplars von Basedow, ferner S. Müller a. a. O., Nr. 389; Mestorf a. a. O., Fig. 351, mit einer Handhabe in der Ornamentation unseres zweiten Hängebeckens; dieselben Ornamente auf einer Fibel mit gewölbter Platte v. Buchwald, Jahrb. 51, VIII.

4. Eine kleine Schale aus Bronzeblech, (abg. beisteh. Abb. 28)
Schale
Fig. 28.½

getrieben, fast ganz ohne Patina, am Boden beschädigt. Der Henkel ist mit länglichen Streifen befestigt. Höhe 6 cm, Durchmesser 11,5 cm. Verziert mit drei Reihen; concentrischer Kreise mit Mittelpunkt, dazwischen Punktreihen.

Die Schale hat also dieselben Ornamente wie die Handhabe, aber bei jener sind sie gegossen, hier getrieben. Daß in der jüngeren Bronze=

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zeit ein starker Import getriebener Bronzegeräthe aus dem Gebiete der Hallstadtperiode stattgefunden hat, ist bekannt (vergl. u. a. Jahrb. 47, S. 288); unzweifelhaft auch, daß diese südlichen Bronzen im Norden in der hier heimischen Technik (dem Guß) nachgebildet sind. Es dürfte aber wenig Beispiele geben, wo so offenkundig, wie in unserem Falle, Vorbild und Nachbildung neben einander gefunden sind.

Tassenförmige Bronzeschalen sind auch sonst gefunden, aber abweichend in den Verzierungen; so auf nahe benachbarten Fundplätzen bei Dahmen (vergl. beistehende Abb. 29 nach Jahrb. 10, S. 283),

Schale
Fig. 29.

Basedow und Kl.=Lukow (vergl. Jahrb. 35, S. 135) in Funden, deren zeitliche Zusammengehörigkeit mit dem unseren sicher ist. Vergl. zu den Jahrb. 47, S. 290 gegebenen Nachweisen O. Mertins in Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild, 1896 (VI).

5. und 6. Zwei Spiral=Armbänder aus Bronzedraht von 39 Windungen, noch stark federnd; zusammengedrückt 16,5 cm lang, auf der einen Seite 8, der andern 6,5 cm breit. Der Bronzedraht ist an den Enden rund und glatt, nach der Mitte zu mit scharfem Außengrat; an den Enden ist der Draht zu einer Oese zurückgebogen.

Aehnliche Armringe sind in der Bronzezeit nicht selten, vergl. für Schweden Montelius a. a. O., Fig. 234; für Dänemark S. Müller a. a. O., Fig. 55; für Schleswig=Holstein Mestorf a. a. O., Fig. 323. Aber Exemplare von der vortrefflichen Erhaltung und ungeheuerlichen Größe der unseren stehen vielleicht einzig da. In den Schweriner Sammlungen sind die nächststehenden die aus den Moorfunden von Lübbersdorf bei Friedland (vergl. beistehende Abbildung 30 nach Jahrb. 14, S. 332),
Spiralarmband
Fig. 30. 1 / 3 .

Redentin, Meteln und Barnekow; ferner ein bisher nicht

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publiciertes, welches 1894 als Schenkung des Herrn Architecten Thormann in Wismar in die Großherzogliche Sammlung gekommen ist; näheres über die Fundverhältnisse dieses Exemplars ist nicht bekannt geworden, doch wird der Fundort in der Gegend von Wismar liegen.

7. Ein Halsring 1 ) (abgebildet beistehend Abb. 31.). Der Reif ist rund und mit gleichlaufenden Schrägkerben verziert (imitierte

Armband
Fig. 31. 1 / 3 .

Torsion); er verbreitert sich vor dem Schlußstück zu einem länglichen Oval und schließt in ineinander fassenden spitzen Enden ab. Ob diese, wie in verwandten Exemplaren, ursprünglich in Spiralen endeten, bleibe dahingestellt Durchmesser 21 cm, Dicke 1 cm, das ovale Band 8 und 3 cm. Am Schlußstück eine rohe Reparatur. Das ovale Band ist reich verziert im Geschmack der Hängebecken mit dem "Schiffsornament" (vergl. die Abbildung). Auch diese Art Halsringe sind im Gebiete der nordischen Bronzekultur nicht gerade selten: vergl. Montelius a. a. O., Fig. 230 - 232, S. Müller a. a. O., Fig. 410, 411 und Nordiske fortidsminder I, S. 21, Mestorf a. a. O., Fig. 276, 277. Interessant ist es, daß sie in Süddeutschland schon in einer älteren Periode der Bronzezeit auftreten (s. Naue, Bronzezeit in Oberbaiern, S. 120). Aus Meklenburg war bisher nur ein Exemplar bekannt: dasselbe ist in Brahlstorf in einem Grabe gefunden (ein seltener Fall, indem diese Ringe sonst fast ausschließlich Moor= und Erbfunden angehören), s. Lisch, Frid. Franc., Taf. 10, Fig. 1 und Text S. 55. Doch ist jenes Stück unverziert; das unsere zeigt dagegen jene eigenthümliche "schiffsornamentartige" Verzierung, die hier bisher nur auf einem Messer (von Meyersdorf, Jahrb. 51, Tafel II, Fig. 2) bekannt war. Verwandt sind zwei


1) Von Lindenschmit, Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. II zu Heft III. 1, wo auch unsere Meklenburger Funde abgebildet sind, für Kopfzierden erklärt; ebenso von Naue, Bronzezeit in Baiern, (S. 120; die-im Norden gefundenen erklärt S. Müller a. a. O., S. 22 unzweifelhaft mit Recht für Halsringe,
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Ringe aus einem Funde von Turloff, die, in einem Stück gefertigt, den Verschluß als Verzierung haben (s. Lindenschmit a. a. O.). Das "Schiffsornament" ist nahe verwandt dem "Wellenornament" der Hängebecken und im Gebiet der nordischen Bronzezeit, besonders in Schleswig=Holstein und Dänemark, in dieser Periode nicht selten;

vergl. Montelius, Månadsblad 1881, Fig. 104 und besonders Mestorf, Bronzemesser mit figürlichen Darstellungen, S. 10 (aus Holstein), v. Buchwald, Jahrb. 51, Tafel VI, 2 (aus Strelitz), Lindenschmit, Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit II, III, 3 (aus verschiedenen Gegenden). Ein Exemplar, wie das von Brahlstorf, bildet Hagen a. a. O., Tafel II, 3 ab aus dem Funde von Kronshagen, der mit unserem Brooker viel Aehnlichkeit hat.

8. Ein gewundener Halsring mit in der Mitte wechselnder Torsion, hergestellt aus einer vierseitigen Bronzestange, die an beiden Enden zu einer Oese zurückgebogen ist. Durchmesser 20 und 18,5 cm, größte Dicke der Stange 0,5 cm. Vortrefflich erhalten, mit wenig Patina.

Tordierte Ringe mit umgebogener Oese sind bei uns nicht häufig; wir haben gleiche nur in dem großen Ringfund von Ludwigslust (vergl. Jahrb. 2 B, S. 44), in dem Moorfund von Groß=Dratow (vergl. Jahrb. 54, S. 105) und einem Grabfunde von Grabow. Häufiger sind die glatten Ringe mit zurückgebogener Oese, z. B. in dem Funde von Vielist (vergl. Jahrb. 52, S. 5, wo die analogen Funde aufgezählt sind). Ein Depotfund aus Posen mit solchen Ringen ist dadurch interessant, daß er eine Nadel mit doppelseitiger Spirale, ähnlich der von Sembzin (s. oben S. 212), enthält; s. Album der Posener Gesellschaft, Tafel 15, Fig. 1. In Brandenburg: aus einem Urnenfelde Voß und Stimming, Vorgeschichtliche Alterthümer II, 1; aus dem auch sonst verwandten Depotfunde von Schwachenwalde (Kreis Arnswalde) im Berliner Völkermuseum. Häufig sind sie in Oesterreich: s. M. Much, Mitth. d. K. K. Centralkommission z. E. d. D. Wien 1888, S. 11, bei der Besprechung des mit unsern Depotfunden verwandten Fundes von Grehin=Gradac in der Herzegowina. Auch in der Schweiz kommen sie in der beginnenden Eisenzeit vor, s. Heierli, Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde 1893, 1, 6. Aehnlich gehören sie in Italien, wo sie häufig sind, an das Ende der reinen Bronzezeit; s. Chierici bei Besprechung der wichtigen Gräber von Bismantova im Bullettino di paletnologia Italiana, VIII, S. 5; und daran anschließend erklärt sie Helbig, Das homerische Epos u. s. w., S. 270 für den bei Homer ϊσδμιον genannten Halsschmuck.

9. Ein gewundener Halsring mit dreimal wechselnder Torsion, aus einer runden Bronzestange, deren Spitzen zurückgebogen sind und

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in einander greifen. Durchmesser 16,5, gr. D. 0,25 cm, Erhaltungszustand wie von 8.

Diese Form der Halsringe ist die häufigere. Sie tritt, allerdings nicht mit wechselnder Torsion, schon in den Gräbern der reisen Bronzezeit auf, z. B. Peccatel, Ruchow, Friedrichsruhe, auch in Moorfunden dieser Periode, z. B. Barnekow und Vogelsang; schöne, dem unsern ganz gleiche Exemplare haben die verwandten Funde von Roga, Lübbersdorf bei Friedland (beistehend nach Jahrb. 14, S. 332 abgebildet, Abb. 32)

Halsring
Fig. 32.

und Ruthen. Vergl. Montelius, a. a. O., Fig. 227; S. Müller, a. a. O., Fig. 102, auch Hagen, a. a. O., Tafel II, 2, aus dem Funde von Kronshagen.

10. Die Nadel einer "Platten"=oder "Brillen"=Fibel, genau gleich der Jahrb. 54, Tafel II, Fig. 7, abgebildeten, S. 103 besprochenen, aus dem Funde von Gr.=Dratow; vergl. auch den Fund von Schwennenz in Pommern, Abb. 5.

11. Ein Doppel=Knopf mit flachen Scheiben, deren eine eine kleine Spitze hat, während die andere glatt ist. Durchmesser 3 und 1 cm. Aehnliche Knöpfe sind in dem Gießerfunde von Holzendorf (Jahrb. 34, S. 223 ff.) gefunden.

12. Drei längliche Stücke Bronzeblech, verziert mit eingeschlagenen Buckeln und Punktlinien, zusammengebogen zu einer länglichen, offenen Röhre. Länge 9,5 cm.

13. Ein Hohlcelt, das einzige Nutzgeräth des Fundes, kräftig und ungewöhnich schwer, mit Oese, ornamentalen Schaftlappen und einer punktartigen Erhöhung dazwischen; ohne Mittelgrat. Länge 13,5 cm, Durchmesser der Oeffnung 4 und 3 cm, Breite der Schneide 5 cm, größte Dicke (unter dem Rande) 3,5 cm.

In der Aufzählung Jahrb. 52, S. 20 ff. schließt er sich am meisten den Celten von Barnekow u. s. w., Nr. 7 bis 10, an.

Der Fund als Ganzes ist offenbar als Depotfund zu bezeichnen; er ist der größte und schönste auf meklenburgischem Boden gefundene. Der Fundort liegt in einer Gegend, die durch derartige Funde besonders ausgezeichnet ist (vergl. Jahrb. 52, S. 11 den Fund von Karbow und unten S. 233 den von Retzow). In Charakter und zeitlicher Stellung schließt er sich am meisten den Depotfunden von Roga und Lübbersdorf bei Friedland, ferner den Gießerfunden von Groß=Dratow u. s. w. an. Außerhalb Meklenburgs sind zu den schon

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früher erwähnten hinzugekommen resp. neu publiciert besonders zwei pommersche Funde: Hoekendorf bei Greifenhagen (vergl. H. Schumann, Stettiner Gratulationsschrift 1894), ein Gießerfund im Charakter des von Ruthen, der fast alle in unseren entsprechenden Funden vereinzelt vorkommenden Typen vereinigt, und Schwennenz bei Löcknitz (vergl. Schumann in der Berliner Zeitschrift für Ethnologie, Verhandlungen 1894, S. 435), ebenfalls ein Depotfund mit einem schönen Hängebecken älterer Form (Typus D) und entsprechendem Inventar. Aus Holstein ein schöner Fund von Kronshagen bei Kiel, der in das Hamburger Museum gekommen und von Hagen, Jahrbuch der Hamburger wissenschaftlichen Anstalten, XII, S. 1 ff. veröffentlicht ist: drei Hängegefäße vom Typus E und Hals= und Armringe, zum Theil genau mit unserem Brooker Funde übereinstimmend.


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2. Moorfund von Retzow.

(Katalog=Nummer Br. 264, 265.)

Auf dem Domanialpachtgute Retzow bei Plau wurde beim Torfstechen ein Bronzefund gemacht und 1890 an die Großherzogliche Sammlung eingeliefert. Näheres über die Fundverhältnisse ist nicht bekannt geworden.

Es sind:

1. und 2. Zwei spiralige Armringe aus 2 cm breiten Streifen mit Mittelgrat, an den Enden in Spiralen von 4 cm Durchmesser auslaufend. Keine Patina. Das eine Exemplar hat 3 1/2 Windungen (die eine Spirale ist abgebrochen), das andere 3 Windungen; das letztere ist verziert mit eingeschlagenen Punkten, auf der einen Seite des Mittelgrates geradlinig, auf der anderen in Dreiecksform.

Ornament

Diese Ringe sind in Meklenburg selten; wir haben zwei Exemplare aus Schwasdorf bei Neukalen, abgeb, Frid. Franc. 21, 5, und zwei aus Klink bei Waren (s. Lisch, Jahrb. 19, S. 316), beides keine Moorfunde.

Ueberhaupt kommen sie in dem Gebiete der nordischen Bronzezeit nur vereinzelt vor. Ihre Heimath liegt im Südosten, wahrscheinlich in Ungarn. Vergl. darüber S. Müller, die nordische Bronzezeit, S. 65, auch Virchow, Koban, S. 40. Ueber Oestreich, Much a. a. O., Fig. 8 (Schatzfund von Grehin=Gradac) und Kunsthistorischer Atlas der K. K. Centralkommission, Tafel 24, Fig. 15, und

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eine Anzahl Gürtel in demselben Charakter aus Ungarn; vereinzelt aus Nieder=Oesterreich, F. Heger, Mitth. der prähist. Kommission der K. Akad. der Wiss., Wien 1893, Band I, Fig. 23 und Nachweisungen, S. 28. Im Berliner Völkermuseum liegt ein Depotfund von Lichterfelde, wo diese Armspiralen mit "Diademen" und Lanzenspitzen gleich den oben S. 191 erwähnten gefunden sind. In Pommern sind mehrere Stücke gefunden, z. B. eins vermuthlich bei Bruchhausen (Kreis Saatzig), wo ein großer Depotfund von Bronzen alter Form gemacht ist, doch ist die Zugehörigkeit nicht so sicher, daß man weitere Schlüsse über die relative Chronologie der Fundstücke daran knüpfen dürfte (vergl. Pommersche Monatshefte 1892, S. 17); eins aus Westpreußen s. Lissauer a. a. O. IV, S. 6, mit Nachweisen S. 12.

3. und 4. Zwei Spiralcylinder von etwa 6 cm Durchmesser, der eine mit 14, der andere mit 8 1/ 2 Windungen; der Draht ist flach von D=förmigem Querschnitt und 2 mm Stärke. Die Enden schneiden gerade ab. Keine Patina. Sie gleichen sehr denen von Vielist und Gr.=Dratow (Jahrb. 52, S. 4 und 54, S. 106), wo weitere Analoga angegeben sind; vergl. auch Hagen, a. a. O., II, Fig. 2, aus dem Funde von Kronshagen, wichtig für die relative Zeitbestimmung, und gleiche Spiralcylinder mit Spiralendungen aus Posen im Album des Posener Museum 11, 1; aus Westpreußen Lissauer a. a. O., 7, IV, Fig. 7, zusammen mit einem Armring = 1. und 2.

Auch der vorliegende Fund ist offenbar als Depotfund aufzufassen. Hof und Dorf Retzow sind seit Jahren als ergiebige Fundstätten bekannt (vergl. Frid. Franc., S. 56 [bei Damerow]; Jahrb. 3 B, S. 64; 5 B, S. 64; 9, S. 381; 10, S. 278; 11, S. 384). Aus jenen Funden geht hervor, daß bei Damerow und Retzow zwei Gruppen von Gräbern zu scheiden sind: größere kegelförmige mit alten Bronzen und kleinere mit Steinkisten und jüngeren Bronzen, letztere also dem Moorfunde gleichzeitig. Ueberhaupt ist jene Gegend des südlichen Meklenburg und der angrenzenden Prignitz an bronzezeitlichen Gräbern besonders reich: fast alle Retzow benachbarten Orte haben solche geliefert (Ganzlin, Damerow, Vietlübbe, Karbow, Sandkrug, Kreien). Mit unserem Funde erweitert sich auch das Gebiet, wo die meisten unserer Depotfunde gemacht sind, etwas nach Süden; der nächste ist der von Karbow (Jahrb. 52, S. 11), dann kommt der von Brook (oben S. 220 ff.), weiterhin Ruthen und Granzin. Alle diese Funde sind gleichzeitig und ergänzen sich gegenseitig zu einem vollen Bilde der archäologischen Verhältnisse der jüngeren Bronzezeit.


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III. Einzelfunde.

Hohlcelte.

Jahrb. 52, S. 20 ist ein Verzeichniß der damals bekannten Hohlcelte gegeben. Seitdem sind eine Anzahl neuer Stücke bekannt geworden, nämlich:

1. Aus dem Funde von Brook (s. oben S. 232); das Exemplar würde in dem Verzeichniß nach Nr. 9 (Barnekow) einzureihen sein.

2. Von Neu=Steinhorst bei Ribnitz; auf dem Felde gefunden und der Großherzoglichen Sammlung geschenkt von Herrn Grafen A. Bernstorff auf Ankershagen 1892. Es ist ein Stück ohne jede Patina, also wahrscheinlich aus einem Moore stammend. Das Schaftloch ist rundlich, daran ein Oehr, der Rand wulstartig, darunter drei Längsrippen mit Punkten am Ende. Länge 7,5 cm, Durchmesser des Schaftloches 2,5 und 2 cm, Breite der Schneide 4,5 cm. Das Stück erinnert an das a. a. O., Tafel II, Fig. 8 abgebildete aus Hagenow, doch ist die Verzierung mit Punkten neu; am ähnlichsten das Exemplar von Molzow; einzureihen a. a. O. vor Nr. 19 (Molzow). Katalog=Nummer L. I. E. 1 13.

3. Von Upahl bei Grevesmühlen; gefunden beim Stämmeroden auf sumpfigem Terrain am Schulzenacker und der Großherzoglichen Sammlung geschenkt von Herrn Lehrer Däbler in Upahl 1894. Die Patina ist ganz leicht grünlich. Das Schaftloch ist rund, daran ein kleines Oehr. Der Rand schwach wulstig; darunter eine Längsrippe mit zwei schräge nach unten gerichteten Seitenrippen. Länge 7 cm, Durchmesser des Schaftloches 2 cm, Breite der Schneide 4,5 cm. Fast genau dem a. a. O. II, Fig. 8 abgebildeten gleichend; einzureihen dort nach Nr. 21 (Hagenow). Katalog=Nummer L. I. E. 1 14.

4. Von Wittenförden bei Schwerin. Gefunden 1887 "im Walde unter einem großen Steine." Patina grün, mehlig. Die Form ist die a. a. O. als Typus E. beschriebene mit Oehr, ohne Abweichung. Länge 7,5 cm, Durchmesser des Schaftloches 2,5 cm, Breite der Schneide 3,25 cm. Einzureihen a. a. O. nach Nr. 24 (Sternberg), dem es genau gleicht. Katalog=Nummer L. I. E. 1 10.

5. Von Pogreß bei Wittenburg. Nähere Fundverhältnisse sind nicht bekannt geworden; erworben 1893. Dunkelgrüne Patina; erhalten nur die Schneide, sodaß die Grundform nicht mehr bestimmbar ist. Katalog=Nummer Br. 356.

6. und 7. Von Eldena. Zwei Exemplare, gefunden und erworben 1889. Patina hellgrün, glänzend. Die Form ist sehr

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interessant und von der gewöhnlichen abweichend. Die ovale Schaftöffnung ist nach innen geschweift, der Rand ist klein, daran ansitzend ein Oehr; das eine kleinere Exemplar (vergl. beistehende Abbildung 33)

Hohlcelt
Fig. 33.½.

hat unter dem Rande zwei der Schaftöffnung parallele Erhöhungen. Länge 8 resp. 6,5 cm, Durchmesser der Schaftöffnung 4 und 2,5 resp. 3 und 2,5 cm, Breite der Schneide 4,25 resp. 5 cm. Katalog=Nummer L. I. E. 1 11 und 12.

Diese Form kommt auf dem Gebiete der nordischen Bronzezeit nicht vor und ist, soweit ich sehen kann, auch der entsprechenden süddeutschen Periode fremd. Ihre Heimath ist Zweifellos Ungarn. Vergl. J. Hampel, Alterthümer der Bronzezeit in Ungarn, Tafel 12 und Tafel 120 ff., wo eine große Anzahl solcher Celte aus Gesammtfunden abgebildet sind.

Ungarische Bronzen sind auch sonst nach Meklenburg gedrungen. Die Großherzogliche Sammlung besitzt drei Schwerter dortiger Herkunft: 1. gefunden bei Brüel, abgebildet Frid. Franc. 14, 4 (im Text mit dem folgenden verwechselt); in Ungarn ist die Form häufig, vergl. Hampel a. a. O., Tafel 21 ff. und 120, 1 - 3 aus einem Schatzfunde mit genau denselben Celten, welche uns zu dieser Besprechung veranlassen. 2. gefunden bei Doberan "neben dem Predigerhause" 1798. Vergl. Hampel a. a. O., Tafel 21 ff., einige mit genau demselben Ornament, z. B. 25, 4; auch 91, 9 - 12 aus einem Gesammtfunde. 3. unbekannten Fundorts, abgeb. Frid. Franc. 14, 3, von derselben Form wie Nr. 2. Ungarisch ist ferner der bekannte Helm von Sehlsdorf bei Dobbertin, Jahrb. 2 B, S. 77 und 3 B, S. 77, vergl. die Funde bei Hampel a. a. O., 33, 1 und 2. Wenn auch diese ungarischen Funde auf unserem Boden Einzelfunde sind, so kann doch ihre Einreihung in unsere Bronzezeit nicht zweifelhaft sein: die Beziehungen zu Ungarn gehören in unsere jüngere Bronzezeit. Ein Helm der besprochenen Art z. B. ist in Ungarn mit Schalen gefunden, die den unseren von Brook u. a. genau gleichen, das Ornament des Schwertes von Brüel ist dem der Hängebecken nahe verwandt u. s. w. Daraus ergiebt sich eine Gleichzeitigkeit der entsprechenden Funde; ja noch mehr eine Verwandtschaft zwischen Formen und Ornamenten, welche die Gleichartigkeit der Entwickelung der Bronzezeit in den verschiedenen Ländern beweist.


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Ringe.

1. "Eidring" von Baumgarten.

(Katalog=Nummer Gl. I a, 5.)

Bei Baumgarten bei Waren wurde Mai 1895 ein goldener Ring gefunden und durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs für das Großherzogliche Museum erworben. Der Ring, abgeb. beistehend Abb. 34,

Ring
Fig. 34.½.

lag 1 Meter tief allein und wurde beim Herausgraben eines großen Steines, neben dem er gelegen hatte, gefunden. Das betreffende Ackerstück liegt tief und an einer Wiese, weder Urnenscherben, noch Kohlen oder Knochen u. dergl. sind beobachtet. Es ist ein vortrefflich erhaltener offener Goldring von 65,5 Gramm Gewicht, fast halbrund von etwa 6,25 cm Durchmesser, gebildet aus einer ovalen Bronzestange, die nach den Enden zu dünner wird und in zwei schalenförmige Enden von 1 cm Durchmesser schließt; an dem spitzen Ende ist er verziert mit senkrechten Einkerbungen, welche durch vier Paare flacher mit Schrägstricheln verzierter kleiner Erhebungen unterbrochen werden. Ursprünglich hat die offene Schale wohl zur Aufnahme einer Füllmasse (Bernstein, (Glasemail oder dergl.) gedient.

Die Schweriner Sammlung besitzt noch drei ähnliche Ringe: 1. von Woosten (bei Goldberg), gefunden 1850 und beschrieben Jahrb. 16, S. 268, 75,5 Gramm schwer, von 7 und 5,5cmDurchmesser; 2. von Wohlenhagen (bei Wismar), gefunden um 1860 unter einem Steine und beschrieben Jahrb. 30, S. 142, 126,5 Gramm schwer, von 7,25 und 6 cm Durchmesser; 3. von Granzin (bei Lübz), gefunden 1867 "neben einem großen Steine" und beschrieben Jahrb. 33, S. 144, 103,5 Gramm schwer, von 7,5 und 5 cm Durchmesser. Zwei andere Ringe sind nur durch Nachbildungen resp. Beschreibungen bekannt, einer von Bresegard bei Eldena (Jahrb. 9, S. 383) und einer von Jülchendorf bei Sternberg (Jahrb. 19, S. 314). Die vier erhaltenen Ringe sind also Einzelfunde, drei davon sind an oder unter einem Steine geborgen, wie oft die Schatzfunde der Bronzezeit. Daß Granzin in jenes Gebiet gehört, welches die reichsten Depotfunde gebracht hat, ist schon oben S. 234 erwähnt; der von Jülchendorf ist in einer Steinkiste gefunden, also in einer der jüngeren Bronzezeit eigenthümlichen Bestattung. Auch abgesehen davon ist die zeitliche Stellung dieser Ringe unzweifelhaft, sie gehören in die jüngere

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Bronzezeit, speziell Montelius, Periode 5. Vergl. darüber Olshausen in der Berliner Zeitschrift für Ethnologie 1890, Verhandlungen S. 294; dort ist auch das Verbreitungsgebiet angegeben: ihre Hauptfundstätte ist Dänemark; in Deutschland finden sie sich nur in Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Meklenburg und Schleswig=Holstein, der südlichste Fund ist bei Landsberg a. d. Warthe gemacht. Es ist genau das Gebiet, in dem die jüngere Bronzezeit ihre Hauptentwickelung gefunden hat. Man bezeichnet diese Ringe gewöhnlich als "Eidringe", weil man in einer Periode vorgeschichtlicher Forschung, welche es mit chronologischen Bestimmungen noch weniger genau nahm, eine Darstellung in alten nordischen Sagen, nach welcher der Schwörende einen auf dem Altar liegenden Ring in die Hand nehmen mußte, auf diese Ringe beziehen zu dürfen glaubte. Da wir heute wissen, daß zwischen diesen sagas und dem Gebrauch der Ringe ein Zeitraum von etwa 1700 Jahren liegt, müssen wir selbstverständlich auf solche Deutung verzichten und gebrauchen den Namen nur, weil er einmal der herkömmliche ist.


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2. Ring von Gr.-Medewege.

(Katalog=Nummer L II, U 2 b, bb 6.)

Sommer 1893 wurde zwischen Gr.=Medewege und Karlshöhe bei Schwerin etwa 250 Meter von der Chaussee auf dem Acker frei aufliegend ein Handring gefunden und von Herrn Hauptmann Graf Bernstorff der Großherzoglichen Sammlung geschenkt. Der Ring besteht aus einer aus Bronzeblech gebogenen elliptischen Röhre, die an den Enden glatt abschneidet und hat eine helle leichte Patina. Der Durchmesser beträgt 5,5 cm, die Oeffnung 1 resp. 0,75 cm. Ganz gleiche Ringe sind mir sonst nicht bekannt. Die zeitliche Stellung kann dem vorliegenden Exemplar daher nur vermuthungsweise zugeschrieben werden; ja, es kann zweifelhaft erscheinen, ob derselbe überhaupt ein Alterthumsfund ist.

Vignette
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VII.

Das Lied vom König Anthyrius.

Von
Bibliothekar Dr. Ad. Hofmeister in Rostock.
~~~~~~~

N ur wenige Völkerschaften sind es, die sich rühmen, als γηγενεΐς, Autochthonen oder Aboriginer derselben Scholle entsprossen zu sein, die sie in historischer Zeit bauen; unendlich viel verbreiteter sind die Wandersagen. Wie Abraham aus Ur in Chaldäa nach Palästina auswandert, seine Nachkommen nach Aegypten übersiedeln und nach mehreren Menschenaltern von dort zurückkehrend den dauernden Besitz des Landes erlangen, so läßt die Römische Stammessage den Aeneas mit seinen Troern nach Italien kommen, schildert uns die Ueberlieferung der Gothen und Langobarden den Weg, der die Vorväter von den Küsten der nordischen Meere bis ins sonnige Welschland geführt hat. Ja selbst der Südseeinsulaner ermangelt nicht ganz gleichgearteter Erzählungen, die, ebenso von mythologischen Grundzügen ausgehend, schließlich zur beglaubigten Geschichte hinüberleiten.

Neben diesen wirklich als volksthümlich zu bezeichnenden Ueberlieferungen - ob die Aeneassage in ihrer späteren Ausbildung noch dazu zu rechnen ist, mag dahingestellt bleiben - macht sich aber noch eine Reihe von Wandersagen bemerkbar, die, auf rein gelehrter Erfindung beruhend, im Gegensatz zu den Völkern römischer Sippe und Zunge die einzelnen Stämme der Germanen noch weiter, mindestens bis auf Alexander den Großen und die unter seinem Scepter zur dritten Weltmonarchie vereinten Schaaren zurückzuführen bestrebt ist. Bekannt ist Otfrids Lob der Franken, das diese aus Macedonien, von Alexanders Geschlecht, abstammen läßt, ferner Widukind von Corvey, der dasselbe von den Sachsen berichtet, und der Lobgesang auf den heiligen Anno von Köln, der die Franken als alte Verwandte

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der Römer aus Troja selbst, die Baiern aus Armenien, die Schwaben aus einer fern über Meer liegenden Heimath, die Sachsen aber aus Alexanders Heer herleitet. Genaueres noch wissen die Sachsenchronik und der Sachsenspiegel zu erzählen: in diesem heißt es (Buch 3, Artikel 44):

Unse vorderen die her to lande quamen unde die Doringe verdreven, die hadden in Allexandres here gewesen, mit erer helpe hadde he bedwungen al Asiam. Do Alexander starf, do ne dorsten sie sik nicht to dun in-me lande durch des landes hat, unde scepeden mit drenhundert kelen; die verdorven alle up vier unde veftich. Der selven quamen achteine to Prutzen unde besaten dat; tvelve besaten Ruian; vier unde tvintich quamen her to lande.

Diese Stelle, die ausführlichste, die mir bekannt geworden ist, scheint den Ausgangspunkt für die spätere gelehrte Erdichtung zu bilden, durch die auch für unser Volk und Fürstenhaus die Verbindung mit dem Weltreich Alexanders hergestellt werden sollte. Als Bindeglied zwischen dem Meklenburgischen Fürstenhause und dem großen Macedonier mußte der Stierkopf des Wappens dienen, der auf den Bukephalos zurückgeführt wurde, doch erst der Zeit des Wiederaufblühens der klassischen Alterthumsstudien war es vorbehalten, diese Entdeckung zu machen. Der Sachsenspiegel und ebenso die Sachsenchronik sind um 1230 entstanden, im 14. Jahrhundert schrieb Ernst von Kirchberg, zu Ende des 15. Albert Krantz. Beide beginnen ihre Geschichtsdarstellung mit den Sachsenkriegen Karls des Großen. Trotz dieser löblichen Vorsicht ist Albert Krantz nicht ganz freizusprechen davon, daß er indirekt das Samenkorn gelegt hat zu dem trügerischen Fabelgewebe, welches dann zwei Jahrhunderte lang die Geschichte Meklenburgs und des Wendenlandes durchwucherte. Für Krantz sind Wandalen und Wenden nur verschiedene Formen desselben Volksnamens, und auf diese Weise erklärt sich seine der 1504 zu Wismar gehaltenen schwungvollen Leichenrede auf Herzog Magnus II. 1 ) eingeflochtene Behauptung, er sei im Stande, das erlauchte Fürstenhaus mit den sichersten Beweismitteln tausend Jahre und weiter zurückzuverfolgen, ja schon vor Christi Geburt, zur Zeit als in Rom die Fabier, Aemilier und Cornelier blühten, habe es mit den Königen der Dänen und Sachsen um den Vorrang gewetteifert und habe den Römern den Uebergang über die Elbe gewehrt. Hier setzt nun Nikolaus Marschalk ein, zuerst, in den Vitae Obotritarum, 2 )


1) Wandalia lib. XIV, 33.
2) Westphalen, Monumenta inedita II, 1501 - 1584.
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noch zögernd und vorsichtig mit dem Bukephalos, dem Stierkopfschild und dem Stierkopfhelm, dann berichtet er in der Reimchronik, 1 ) daß die Könige der Obotriten abstammen von Alexanders Heer und den Amazonen. Bei den Kämpfen nach Alexanders Tode

. . . da flohe solch Ungemach
Einer der Herren und fürchte die Rach
Der nahm mit sich eine grosse Schaar
Die wurden genant Obetriten fürwahr
- - - - - - - - - - - - - - -
Und kamen erst an diesen Ort
Ein Ochsenkopff ward ihr Schild do fort.
- - - - - - - - - - - - - - -
Den Ochsen mit der güldenen Crohn
Die Obotriten noch führen, der ist schon.

Es scheint, daß Marschalk hier gerade die oben angeführte Stelle des Sachsenspiegels vorgeschwebt hat, denn offenbar hat er mit den Worten "und fürchte die Rach" dasselbe sagen wollen, was dort ausgedrückt ist "durch des landes hat".

In dieser Bearbeitung hat der Anführer noch keinen Namen, ebenso ist die ganze Zeit vor Mistiwoi Billug nur durch zwei Namen, den des sagenhaften Wissimarus und den des Radegast, belebt. Ganz anders unterrichtet zeigt sich aber Marschalk in den 1521 im Druck erschienenen Annalium Herulorum et Vandalorum libri VII. Hier ist alles klar. Der Heerführer der Obotriten heißt Anthyrius, ein Heruler aus königlichem Geschlecht und hat Symbulla, die Tochter des Gothenkönigs, zur Gemahlin. Von seinen zehn Söhnen folgt ihm Anávas, diesem Alimer und so in ununterbrochener Reihe 25 recht langlebige Generationen hintereinander, bis als 26. in der Reihe der Obotritenkönige Billug den Uebergang zur wirklich historischen Zeit bildet. Von jedem weiß Marschalk irgend etwas zu erzählen, aus welchem Geschlechte seine Gemahlin stammte, wieviel Söhne er hinterließ, wieviel Jahre er regierte, wie und wo er starb, kurz es ist alles in schönster Ordnung - nur leider alles erdichtet bis auf die Namen, die ziemlich wahllos hier und dort zusammengerafft, theilweise auch wohl frei erfunden sind. So ist gleich der Name des Stammvaters Anthyrius aus Orosius entlehnt und geht zurück auf den aus Herodot bekannten Skythenkönig Idanthyrsos, 2 ) der den Perserkönig Darius Hystaspis in die pontischen Steppen lockte und


1) Westphalen, Monumenta I, 565 ff.
2) Beiläufig gesagt ein merkwürdig germanisch anklingender Name; man denke an den Iarl Angantyr der Frithjofs=Sage und an die Thursen.
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so zum schmählichen Rückzug zwang, Symbulla scheint zurückzugehen auf den Hafen Symbolium in der Krim, die ja später zum Gothenreiche gehörte, der Name ihres Bruders Barvanus erinnert an den Perwan der Persischen Heldensage, Anávas konnte auf den Fürsten der Kissier im Heere des Xerxes, Anaphes, den Sohn des Otanes, zurückgehen. Der öfter vorkommende Name Rhadagasus gehört ursprünglich dem bekannten, 405 von Stilicho besiegten Gothenführer, den Orosius einen Skythen nennt, ist aber dann mit dem fast gleich klingenden Radegast zusammengeworfen.

Der herzogliche Rath und Professor der Geschichte Dr. Nikolaus Marschalk, der in der Widmung des eben besprochenen Werkes an Herzog Heinrich aufs feierlichste versichert, er habe nichts erzählt, was er nicht als Augenzeuge oder aus den zuverlässigsten Nachrichten erfahren habe, fand bald gläubige Nachbeter und im ganzen 16. Jahrhundert findet sich nur eine Stimme des Zweifels, freilich eine sehr gewichtige, nämlich die des Andreas Mylius, des vertrauten Rathes der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich, der in den Einleitungsworten seiner Genealogie zwar jedem seine Meinung über Marschalks Geschlechterfolge gern gönnen will, selbst aber mit Stillschweigen darüber hinweggeht und mit dem 9. Jahrhundert beginnt. Sonst scheint Marschalks und seiner Nachfolger Autorität bis weit über die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus, bescheidene Bedenken, wie sie z. B. bei Latomus und Micrälius auftauchen, ausgenommen, unerschüttert festgestanden zu haben. Den ersten ernstlichen öffentlichen Angriff auf seine praehistorische Genealogie unternimmt 1677 Philipp Jacob Spener 1 ), aufs Schonungsloseste zerpflückt 1680 der Wismarsche Bürgermeister Caspar Voigt in seinem Briefwechsel mit dem Rostocker Professor Jakob Döbel 2 ) das ganze Truggebilde, auch Schurtzfleisch gesteht ihm nur für die Zeit nach 1218 Glaubwürdigkeit zu, aber sogar 1750 sucht der alte würdige David Franck wenigstens von Anthyrius selbst noch zu retten, was zu retten ist - freilich bleibt auch bei ihm nicht mehr übrig als eine ganz verfehlte Deutung des Namens. Später dürfte Antyrius in der Litteratur kaum anders als scherzweise genannt werden, so etwa, wie ihn Fritz Reuter, in seiner "Urgeschichte" erwähnt, oder als Curiosum, wie ihn F. Studemund 1820 seinen "Mecklenburgischen Sagen" einverleibte.

Bei dem langdauernden Ansehen, dessen sich Marschalks Fabeleien unverdienter Weise erfreuten, kann es nicht Wunder nehmen, daß sich auch die Dichtung jener Zeit, die lateinische sowohl wie die


1) Sylloge Genealogico - Historica S. 701/2.
2) Westphalen, Monumenta I, S. 1515 - 1540.
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deutsche, des nicht undankbaren Stoffes bedient hat. In der gelehrten lateinischen Dichtung wird er freilich meist nur gelegentlich gestreift, in der deutschen hat er wenigstens zwei selbstständige Dichtungen hervorgerufen, von denen die eine, ein nach dem Muster des Rasenden Roland in 24 Gesänge eingetheiltes, in deutschen Alexandrinern geschriebenes Heldengedicht, welches den 1615 in Kaaden in Böhmen geborenen, 1641 verstorbenen poeta laureatus Elias Schede zum Verfasser hatte. 1 ) spurlos verschollen ist.

Nicht zu lange nach Schedes Tod übersandte der 1612 zu Wittenburg geborene, 1651 als Königlich Schwedischer Stadtvogt zu Bremen verstorbene damalige Prinzeninstructor am Meklenburgischen Hofe Heinrich Langermann dem Mitgliede der fruchtbringenden Gesellschaft Karl Gustav von Hille, der viele Beziehungen und, wie es scheint, auch Besitz in Meklenburg hatte, gewissermaßen als Seitenstück zu der im Jahre 1639 der Gesellschaft von Martin Opitz überreichten Ausgabe des Annoliedes die Abschrift einer "in gothischer Schrift" geschriebenen, "vor etlichen Jahren in dem Closter Dobberan im Fürstenthum Meklenburg, von etlichen Kaiserlichen Soldaten, in einem vermauerten heimlichen Schranke wunderbarer Weise gefundenen" Handschrift, welche "des Anthyri, der Wenden König, von welchem die Hochlöbliche Hertzoge zu Meklenburg ihren Ursprung genommen und gewonnen," denkwürdiges Loblied enthielt, von dem einige Strophen hier eingeschaltet werden mögen, um von Form und Inhalt des Gedichtes eine Vorstellung zu geben. Um das Verständniß nicht unnöthig zu erschweren, sind die gar zu absonderlich archaisierenden Worte in jetzt gebräuchliche Form umgesetzt.

1. Die Tugend hat kein Rast, sie schlafet nit in Betten,
   Sondern sie trinkt Blut:
Das kann man wahrlich sehn, wie sie einst Thaten thäten,
   Der Recken hoher Muth,
Seit sie gekommen in die Schlachten
Und manchen wilden Biedermann
Mit ihrer Kampfrüstung umbrachten,
Wie man noch heute sehen kann.
2. Ein edler König reich in diesem Lande ware,
   Das Wendenland genannt:
Die Mähre lebet fort so lange viele Jahre,
   So manchem Druid bekannt.
Sein Name heißet sonst Anthyre:
Er war ein gar getreuer Mann;

1) Westphalen, Monumenta I, praef. 27.
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  Er führt mit Ruhm sein Ritterziere,
   Wie ihm mocht wohl anstahn.
6. Sein Sturmgewand war schwarz, hellleuchtend seine Brünne;
   Der gute Rittersherr
Hatt- ein gar starkes Schild, daß ihn nicht überwände
   Ein Tausend=Ritter=Heer.
Er trug bei sich ein Ringlein kleine
   Das gab ihm funfzig Männer Stärk-:
Im half gar oft das Kleinod reine,
   Daß er gewann gar manches Werk.
10. Ein König aus Griechenland, ein Degen unverzaget, 1 )
   Der Alexander hieß,
Nahm ihn zum Kriegespfand und führt ihn hochgemuth 2 )
   In seine Kriege mit,
Als er das Reich einnahm im Morgen.
Bei ihm war er in Freud und Leid,
Bei ihm stand er aus Müh- und Sorgen,
Schlug manchen Ritter auf der Haid-.

Nach allerhand Irrfahrten und Abenteuern mit Rittern und Fabelwesen (Greifen) kehrt er schließlich mit der erkämpften Gattin in das heimische Werlenland zurück.

27. Er kam auf einem Kiel, deß Schnabel war ein Greife:
   Im Schild ein Ochse war.
Er baut von Neuem auf nach einer Sitten reife
   Ein Schloß, hieß Bützow gar
Nach seines schweren Schildes Namen,
Darauf baut er auch Meklenburg:
Hernach er seine Reise nahme
Nach Werle und baut eine Burg.
29, 5. Er hat das weite Land bezwungen
Bis an die Weichsel von der Elb:
Sein Lob wird an den Himmel dringen
Von dieser Erden groß Gewölb.
30. Von ihm so kommen her die Fürsten dieser Länder,
   Die so berühmet sein:
Er ist wohl Lobenswerth von einem, der behender
   Im Singen mag erschein-n.
Wir preisen willig unsre Herren
Der Druiden Beispiel folgend nach.

1) unuerzeite.
2) hochgemeite.
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  Der Ruhmeskranz soll sie gewähren,
Wie aller tapfren Helden Sach'.

Bei diesem Gedicht sollen, erzählt von Hille nach Langermanns Bericht weiter, "noch andere unterschiedene Lieder vorhanden sein, unter welchen dann auch eines denkwürdig zu lesen, welches von den tapferen Helden Anavas Visibert, ein Bard verfertiget und gesungen: Woraus dann erhellet, daß in alten Zeiten nicht durch Geschichtsschreibung, davon sie keine Wissenschaft gehabt, sondern allein bloß durch Heldenlieder Singung, der großen Thaten unserer Vorfahren der Welt von Kinde zu Kinde wissend gemachet und uns hinterlassen worden." K. G. von Hille brachte also dem Liede und dem Berichte Langermanns das denkbar größte Vertrauen entgegen und nahm beides in seine 1647 zu Nürnberg erschienene "Der Teutsche Palmenbaum" betitelte Lobschrift von der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gsellschaft auf, von wo es in die 1668 von Georg Neumark besorgte neue Bearbeitung "Der Neu=Sproßende Teutsche Palmbaum. Oder Ausführlicher Bericht, Von der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft" und theils direkt, theils indirekt vollständig in B. Kindermanns "Deutschen Poet" (Wittenberg 1664), bruchstückweise in Morhofs "Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie" (Kiel 1682; 2. Aufl., Lübeck 1700, S. 318 - 19; 3. Aufl., Lübeck 1718) in den "Parnassus Boicus" (München 1725), in Gottscheds "Beyträge", 14 Stück (Leipzig 1736), in von Westphalens "Monumenta inedita" I (Leipzig 1739) und in Fr. Studemunds "Mecklenburgische Sagen" Bd. 1 (Parchim 1819 - 23, 2. Aufl. 1848) überging. Trotzdem war es schon längst vergessen und abgethan, bis in allerneuester Zeit ein merkwürdiger Fund wieder die Aufmerksamkeit auf das durch die Alterthümlichkeit seiner Strophenform, einer Weiterbildung des Hildebrandstones, durch die gesucht archaisierende Sprache und seine angebliche Herkunft immerhin Interesse erweckende Gedicht lenkte. Wie schon erwähnt, hatte von Hille nicht die Urschrift, sondern nur eine Abschrift vorgelegen, doch war ausdrücklich bemerkt, das Original sei in gothischer Schrift, also nach damaliger Bezeichnungsweise in Runen geschrieben, noch vorhanden und könne auf Wunsch gezeigt werden. Nun endeckte der mit der Ordnung des reichhaltigen Archivs auf dem v. Oppen=Schildenschen Rittergute Haseldorf in der Holsteiner Elbmarsch beschäftigte Herr Louis Bobé im Jahre 1893 daselbst zwei mit Runenschrift bedeckte Papierblätter, die sich bei näherer Untersuchung als der Text des Anthyriusliedes herausstellten. Nachdem dies erwiesen war, fand sich auch noch ein Heft, welches einen Bericht über die Herkunft des Manuskripts, eine Uebertragung in gewöhnliche Schrift und erläuternde Bemerkungen dazu enthielt,

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und es gelang dem bekannten Sprachforscher Prof. Hermann Möller in Kopenhagen, den Schreiber dieses Heftes mit größter Wahrscheinlichkeit in der Person Johann Rists, des überaus fruchtbaren Dichters, Kaiserlichen Hof=Pfalzgrafen und Stifters des Elb=Schwanen=Ordens, der von 1635 - 1667 zu Wedel an der Elbe, nur eine Meile von Haseldorf entfernt, als Prediger thätig war, zu ermitteln. Im Besitz des Rittergutes Haseldorf war damals seit 1494 die Familie von Ahlefeld und mit einem der hervorragendsten Glieder dieser alten und zahlreichen Familie, dem Dänischen Geheimrath Detlev von A., der um 1640 den Besitz seiner Güter angetreten hatte, stand Rist nachweislich in nahem Verkehr. 1 ) Das Heft ist von derselben Hand, aber zu zwei wesentlich verschiedenen Zeiten geschrieben, und der ältere Theil ist für die Geschichte des uns beschäftigenden Liedes von größter Wichtigkeit. In Form einer Vorrede an den "Geneigten Leser", was die Vermuthung nahe legt, daß das Ganze zum Druck bestimmt war, berichtet der Schreiber, er habe, als er vor zwei Jahren auf der Reise nach Hamburg über Doberan gekommen sei, dort ein wenig verweilt, um die Reliquien und alten Grabstätten der wendischen Könige und Fürsten zu besichtigen. Dabei habe er auch von Staub und Spinnengewebe bedeckte Blätter mit uralter Schrift erblickt, von denen er, da sie doch für keinen Menschen von Nutzen gewesen seien, einige habe mitgehen heißen. 2 ) Dann habe er diese Blätter unter seinen Raritäten sorgfältig aufbewahrt, bis er durch die Beschäftigung mit des Johannes Magnus Geschichte der Könige der Gothen und Schweden entdeckt habe, daß die Schrift Runen darstelle, und erkannt, daß das Ganze ein aus der Barbarenzeit stammendes Lied von Anthyrius, dem ersten Wendenkönige, sei. Dies habe ihn angeregt, jene historia nobilis in modernen Versen auszuarbeiten und ein Gedicht über die Heldenthaten des Anthyrius zu verfassen. Hierauf folgt nun eine Abschrift des Runentextes und dann das Lied, 30 achtzeilige Strophen, in buchstäblicher Umschrift (translatio), das verheißene Originalgedicht (metaphrasis) fehlt jedoch. An diese beiden Dokumente, die Runenhandschrift und das Ristsche Heft, knüpft nun Prof. Möller im 40. Bande der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen eine Untersuchung über das Lied selbst, seine Grundlagen, die Zeit seiner Abfassung und seine Ueberlieferung an, deren Resultate hier kurz


1) Bobé, Af Geheimeraad Ditlev Ahlefeldts memoirer etc., Kopenhagen 1895, S. 64 ff.
2) "Nec ego mihi temperare potui, quin paucas chartas comites viae adsciscerem. Videbam enim nemini usui esse, sed inter aranearum telas pulverulento situ consenescere."
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aufgeführt werden sollen. Die Grundlagen sind, wie schon Eingangs gezeigt ist, bei Marschalk zu suchen, als hauptsächliche Quelle hat jedoch der Dichter die 1554 erschienene Geschichte der Könige der Gothen und Schweden von Johannes Magnus benutzt. Da in der 14. Strophe der Bau von Schiffen "in der Kureter Lande" erwähnt ist, kann die Abfassung nicht vor 1563 erfolgt sein, in welchem Jahre in Memel der Bau von 2 Schiffen für Herzog Johann Albrecht begonnen wurde. Nun liegt zwar Memel nicht in Kurland, aber so dicht an dessen Grenze, daß die dem Werke des Johannes Magnus beigegebene Karte es deutlich als zu den "Curetes" gehörend erscheinen läßt. Möller glaubt in der Erwähnung dieses Schiffsbaues auch zugleich einen Zeitpunkt gefunden zu haben, vor welchem das Lied oder wenigstens diese 14. Strophe gedichtet ist, nämlich das Jahr 1571, in welchem "die zwey herrlichen schöne Schiffe, in Preußen erbaut und mit Waaren nach Lissabon abgefertiget, in der Wiederreise, zu unterschiedenen Zeiten und Oerthern, mit allen innehabenden Güthern untergegangen," da nach diesem Ereigniß die Anspielung auf den Schiffsbau nur eine traurige Erinnerung wecken konnte. Wer nun der Dichter war, wagt Möller nicht zu entscheiden, aber er weist darauf hin, daß 1. zu dessen Zeit Stargard nicht fürstliche Residenz gewesen sein könne, da er wohl Meklenburg und Werle als Vertreter von Schwerin und Güstrow, aber nicht Stargard erwähnt, 2. daß er von anderen Orten nur Bützow, und zwar in erster Linie, nennt und am längsten bei Werle verweilt. Daraus schließt er, daß der Verfasser nicht im Herzogthum Schwerin, sondern im Herzogthum Güstrow sich aufhielt, da er sonst jedenfalls nicht unterlassen hätte, auch Rostock und Wismar zu erwähnen. Der Sprache nach ist der Verfasser jedenfalls kein Niederdeutscher von Geburt; viel mehr spricht dafür, seine Heimath in West=Mitteldeutschland zu suchen, und besonders viel Anklänge sowohl in Sprache wie in Rechtschreibung finden sich an Paul Melissus Schede (geb. 1539 zu Mellrichstadt in Franken, gest. 1602 zu Heidelberg), doch ist er von niederdeutschen, speciell meklenburgischen Einflüssen nicht ganz unberührt geblieben. Mit dem "Heldenbuch", und zwar mit einer Recension desselben, die der jetzt in Dresden aufbewahrten, von Kaspar von der Röen für Herzog Balthasar von Meklenburg verfertigten Handschrift sehr nahe steht, wenn sie nicht mit ihr identisch ist, zeigt sich der Verfasser des Anthyriusliedes sehr vertraut. Da Herzog Balthasar 1473 - 1479 Bischof von Schwerin war und als solcher seine Residenz in Bützow hatte, so wäre es immerhin möglich, daß sich die Handschrift noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und, wie gleich hinzugefügt werden mag, auch noch länger in Bützow befunden hat, was für

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einen Aufenthalt des Dichters in Bützow einen weiteren Wahrscheinlichkeitsgrund abgeben kann.

Die Umschrift des Gedichtes in Runen, die für uns nach dem oben Mitgetheilten die älteste Ueberlieferungsquelle darstellt, ist entschieden später erfolgt, und zwar, wie Möller darlegt, erst nach dem Erscheinen der 2. (eigentlich 3.) Auflage von des Johannes Magnus Geschichte der Gothen und Schweden, die im Jahre 1617 in Straßburg ans Licht trat. Dies ergiebt sich aus den angewendeten Runenzeichen, in denen ein in der Runentafel dieser Ausgabe vorkommender Fehler getreu wiederholt, einem anderen selbstständig, aber in sonst nicht wieder vorkommender Weise abgeholfen wird. Auch andere Runenalphabete, wie das von Peter Lindeberg (1591) und das von Joh. Buraeus (1599), mögen dem Schreiber bekannt gewesen sein und darauf mag sich die Bemerkung in der Vorrede, er, der Schreiber, habe außer den ihm aus Johannes Magnus bekannten auch noch andere, nicht dazu passende Zeichen in der Handschrift gefunden, aufs einfachste erklären. Von diesem Reichthum macht er denn auch nach Möglichkeit Gebrauch und Möller bemüth sich, eine gewisse Regel dafür zu finden, was ihm theilweise, z. B. bei den beiden Formen für t, gelungen zu sein scheint. Im Uebrigen aber dürfte doch der Versuch, für den Anfang des 17. Jahrhunderts einen Anlauf zu einer streng phonetischen Schreibweise festzustellen, noch auf zu schwankendem Grunde stehen. Andererseits bereitete die Runenschrift wieder manche Schwierigkeiten, wie z. B die Unmöglichkeit, ä (wenn nicht dafür e geschrieben wurde), ö und ü von a, o und u zu unterscheiden; so steht statt des offenbar absichtlich alterthümelnd gebrauchten diu stets du.

Soweit sind wir Möllers überaus sorgfältiger, nur infolge äußerer Umstände (die Drucke des 17. Jahrhunderts kamen erst während des Druckes der Abhandlung zu seiner Kenntniß) etwas unübersichtlich gerathener Untersuchung gefolgt, und es bleibt nun noch übrig, das für uns wichtigste Endergebniß daraus zu ziehen. Möller selbst spricht sich dafür aus, daß dem Verfasser des ursprünglichen, seiner Meinung nach etwa 1564 - 1571 entstandenen Gedichts der Gedanke einer Mystifikation völlig fern lag; schwieriger ist die Sache schon bei dem Urheber der Umschreibung in Runen, wenn man diese nicht für eine bloße Schreibübung ansehen will, ziemlich klar liegt der Fall aber bei denen, die dem offenbar ganz harmlosen v. Hille das Manuskript zur Veröffentlichung in die Hände gespielt haben.

Zuerst und vor Allem muß die Verschiedenheit in den Angaben über die Zeit und die Umstände der Auffindung des Gedichtes bei der Einstimmigkeit über den Ort auffallen. Der Verfasser der oben angeführten

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Vorrede sagt, er habe die Handschrift unter Staub und Moder in der Doberaner Kirche, die er besuchte, um die Gräber der alten wendischen Könige in Augenschein zu nehmen, aufgefunden und etwas davon mitgenommen. Rist ist im Sommer=Semester 1620 als Minorenner (er war gerade 13 Jahre alt) mit seinem Bruder Valentin, allerdings unter der falschen Namensform Risch, in Rostock immatrikuliert und ging dann nach Rinteln. Später kehrte er nach Rostock zurück und leistete hier am 24. Mai 1627 den Immatrikulationseid, doch scheint er sich in Rostock nicht lange aufgehalten zu haben, da er sich seiner eigenen Angabe nach, weil er dies für einen Landpfarrer erforderlich hielt, durch den Leibarzt des Herzogs Hans Albrecht von Meklenburg=Güstrow, Angelo Sala, in der Arzneikunde unterweisen ließ. Um die Mitte des Jahres 1628 mußten beide Herzöge vor den einrückenden Truppen Wallensteins das Land räumen, mit ihnen Angelo Sala und aller Wahrscheinlichkeit nach auch dessen Schüler Rist. Sein Aufenthalt in Doberan würde demnach in den Sommer 1628 fallen, wo das (damals noch keine zehn Jahre alte) Manuskript vernachlässigt in der Kirche lag. Langermann dagegen giebt an, daß es "vor etlichen Jahren von kaiserlichen Soldaten in einem vermauerten heimlichen Schranke wunderbarer Weise gefunden" sei und ähnlich berichtet Dietr. Schröder in seinen "Wismarischen Erstlingen" (Wismar 1732 - 34) S. 373, circa annum 1630 sei das Lied, welches ihm aber selbst gar nicht zu Gesicht gekommen war, in einem vermauerten heimlichen Schranke aufgefunden worden. Sollte man wohl annehmen, daß man, etwa durch den entdeckten Raub veranlaßt, die bisher unter Staub nnd Moder umherliegenden Papiere mit den übrigen Kostbarkeiten eingemauert habe? So lange Wallenstein Herr im Lande war, hat die Doberaner Kirche gewiß keine Schädigung von kaiserlichen Völkern erlitten, die so weit ging, daß sogar die Mauern nach verborgenen Schätzen durchsucht wurden; die ersten Nachrichten, die wir darüber haben, datieren aus dem October 1637; weit schlimmer war die Verwüstung im folgenden Jahre durch die Schweden, die selbst vor der Entweihung der Fürstengrüfte nicht zurückschreckten.

Wie stimmt das zusammen? Rists Bericht ist entschieden der ältere, wenn man also nicht annehmen mag, daß in Doberan, wie Möller will, eine ganze Anzahl von nicht buchstäblich übereinstimmenden, zum Theil stark fehlerbehafteten Runenumschriften des Liedes vorhanden war, von denen die eine, zufällig die beste, heimlich mitgenommen wurde, die anderen zu verschiedenen Zeiten später ans Licht kamen, so ist man genöthigt, sich an Rist zu halten. Merkwürdiger Weise trifft recht vieles, was Möller über den Dichter des Liedes festgestellt hat, auch auf Rist zu.

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Er hat seine Runenkenntniß aus Johannes Magnus - dessen Buch bildet die Hauptquelle des Dichters; dieser lebt im Herzogthum Güstrow, Rist als Schüler Salas am Güstrower Hofe, wo ihm die Genealogie des Andreas Mylius, wie das Heldenbuch Kaspars von der Roen im Original zugänglich sein konnten; der Bau der beiden Jachten, die der Herzog Adolpf) Friedrich 1616 - 18 für sein Schloß "Anseburg" auf Pöel erbauen ließ 1 ), konnte sehr wohl an die Schiffe Johann Albrechts erinnern. Stargard war nach dem Tode Herzog Ulrichs III., der doch noch ab und zu auf kürzere Zeit dort seinen Aufenthalt genommen hatte, dessen Hauptresidenz Güstrow aber genannt ist, nie mehr auch nur vorübergehend Wohnsitz eines regierenden Herrn. Alles würde demnach auch auf Rist passen, nur nicht der mitteldeutsche Dialekt, und so sehen wir uns genöthigt, nach einem anderen Verfasser oder wenigstens Urheber des Runenmanuskripts zu suchen, und dieser bietet sich von selbst dar in der Person des schon genannten Elias Schede. Am 12. Juni 1615 zu Kaaden in Böhmen 2 ), wo sein Vater Georg Schulrektor war, geboren, ging er mit diesem 1623 nach Meklenburg, wo er bald in den Ruf eines Wunderkindes kam. Im Sommer 1625 wurde er in Rostock immatrikuliert, verfaßte zwölfjährig griechische und lateinische Reden und Verse, trieb sechzehnjährig mit dem zur Zeit in Güstrow weilenden Griechen Romanus Nicephorus aus Korinth italienisch, später französisch und holländisch, und kehrte wohl im März 1632 mit Nicephorus nach Rostock zurück, wo er 1633 mit dem Dichterlorbeer gekrönt wurde. Von hier ging er nach Hamburg und nahm dort eine Informatorstelle an. Es würde demnach der in Rists Manuskript geschilderte Besuch Doberans ins Jahr 1633 fallen. 1635 kehrte er nach Meklenburg zurück, den Kopf voller weitfliegender Pläne, worunter auch der des oben erwähnten Heldengedichts nach dem Vorbilde Ariosts. Sein Vater, vorher Rektor in Bützow, war 1629 Rektor der Domschule in Güstrow geworden und starb daselbst am 12. Dec. 1650. Nach den uns erhaltenen Aufzählungen seiner allerdings bis auf ganz weniges, was der Vater nach seinem Tode veröffentlichte, ungedruckten Arbeiten hat er während seines kurzen Lebens - er starb noch nicht 26 Jahre alt am 12. März 1641 (n. St.) auf einer Reise in Warschau - eine geradezu fabelhafte Thätigkeit und Vielseitigkeit entwickelt. Unter seinen Schriften finden wir außer dem Anthyrius=Epos ein Werk über die Götter der Germanen, vom Vater


1) Jahrb. XLVIII, S. 17/18.
2) Nicht.Kadau in Mähren. wie J. Bolte, dem ich im Uebrigen hier folge, in der Allg. Deutschen Biographie Bd. 30, S. 662 angiebt. Weiteres bei Westphalen, Monum. ined. I, praef. 26.
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1648 in Amsterdam herausgegeben und bis 1728 mehrfach aufgelegt, das ihm für immer einen Platz in der Geschichte der germanischen Alterthumskunde gesichert hat, ferner eine "Beschreibung der Thaten der Archiscythischen und Obotritischen Könige und Regenten in Meklenburg" in drei dicken Bänden und eine "Teutsche Uebersetzung der Historiae Herulorum per Nicol. Marschalcum sermone latino, sed difficili conscriptae", die E. J. von Westphalen im 1. Band seiner Monumenta inedita S. 168 ff. abgedruckt hat 1 )

Nehmen wir die oben für Rist angeführten, für Schede aber in gleicher Weise sprechenden Umstände, die Heimath Schedes im mitteldeutschen Sprachgebiet, dem Egerlande, die hohe Wahrscheinlichkeit, daß Elias Schede, obgleich keine verwandtschaftliche Beziehungen vorliegen, die Werke seines berühmten Namensvetters Paul Melissus studiert hat, und die Thatsache, daß Elias Schede wirklich eine selbstständige dichterische Bearbeitung der Anthyriussage geliefert hat, zusammen, so dürfte die Vermuthung nicht allzu gewagt erscheinen, daß Elias Schede die oben auszugsweise in deutscher Uebersetzung wiedergegebene Vorrede und die eine Neubearbeitung verheißenden Schlußworte verfaßt und ebenso die Ab= und Umschrift des erhaltenen Liedes angefertigt hat, und daß das Haseldorfer Heft nur eine Abschrift davon ist. Eine weitere Stütze erhält diese Vermuthung dadurch, daß die späteren Nachträge Rists schon die erst 1647 erfolgte Veröffentlichung in v. Hille-s Palmbaum zur Voraussetzung haben. Es läßt sich kaum von der Hand weisen, daß Rist und Schede während des letzteren Aufenthalts in Hamburg mit einander bekannt geworden sind, wenn die Bekanntschaft nicht schon auf den gleichzeitigen Aufenthalt in Rostock und Güstrow zurückzuführen ist, und so erklärt sich auch Rists Schweigen über die Veröffentlichung am ungezwungensten.

Ist nun aber Schede auch wirklich der Verfasser des uns beschäftigenden Anthyriusliedes? Ich möchte es als wahrscheinlich, was die Runenhandschrift betrifft, als sicher annehmen. Ursprünglich als gelehrte Spielerei, als lusus ingenii, verfertigt, und ebenso in Runenschrift übertragen, scheint es dem Verfasser später, als er den Plan faßt, den Stoff weiter auszuführen, geeignet, Aufsehen zu erregen und gesteigertes Interesse für die folgende in modernem Versmaß geschriebene Bearbeitung zu erwecken. Daß eine Mystifikation nicht von vornherein beabsichtigt war, beweist die letzte Strophe, die


1) Der Geh. Rath Günther v. Passow, geb. 24. Juli 1605, gest. 23. November 1657, schreibt dem Landrath Levin Heinrich v. Linstow diese Uebersetzung zu, doch entscheidet sich Westphalen I, praef. 26 und ebenso Nettelbladt in der Succincta notitia S. 32 für Schede.
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den Preis der späten Nachkommen singt, aber das in Haseldorf aufgefundene Manuskript läßt bereits an manchen äußeren Anzeichen erkennen, daß der Schreiber Nebenabsichten damit verband. Wie die vortrefflichen Facsimiletafeln zeigen, ist es keine erste Niederschrift - einer solchen mit größter Ueberlegung und Vorsicht durchgeführten Arbeit müssen verschiedene mehr oder weniger fehlerbehaftete Entwürfe vorausgegangen sein, die auch vielleicht schon Aenderungen des ersten Textes herbeiführten - sondern eine auch noch nicht ganz fehlerlose Reinschrift, die darauf ausgeht, glaubhaft zu machen, daß sie nur einen Theil eines größeren Ganzen darstellt, in sich aber doch abgeschlossen sein soll. Sie durfte also nicht mehr als eine Lage füllen und mußte doch noch einen Hinweis auf eine Fortsetzung enthalten. Die erste Seite ist mit weiten Linien und großen Buchstaben geschrieben; bei der zweiten steigen dem Schreiber Bedenken auf, ob der Raum wohl ausreicht, er wählt also engere Zeilen und kleinere Schrift. Auch auf dem dritten Blatt fährt er so fort, wird aber gegen Ende gewahr, daß genügend Platz da ist, läßt sich etwas mehr gehen und schreibt die Schlußseite, um sie zu füllen, womöglich mit noch größeren Schriftzeichen als die erste. Auf den freibleibenden Raum setzt er dann die Ankündigung der Fortsetzung:

Folget weiter ein Lied von dapfern Anavas welches Visibert ein Bard 1 ) gesungen

und stellt zum Ueberfluß unten in die rechte Ecke in großen Buchstaben das Wort Anavas als Bogenwächter (Custos), eine Einrichtung, die selbst die älteren Drucke noch nicht kennen. Hieraus ergiebt sich, glaube ich, zur Genüge, daß eine Täuschungsabsicht vorliegt und daß eine Weiterführung nie existiert hat. Auf diese Weise erklärt sich auch zwanglos das Vorhandensein verschiedener in Kleinigkeiten von einander abweichender Runenhandschriften des Liedes, von denen eine durch Schedes Vater an Langermann, der sich meist in Güstrow aufhielt, gekommen sein mag, die neben anderen, zum Theil offenbar fehlerhaften Abweichungen auch die den älteren Drucken mangelnden Strophen 23 und 30 nicht enthielt. Ebenso liegt es sehr nahe, daß der Vater sich gehütet haben wird, dem Lehrer der jungen Prinzen die Angabe seines Sohnes, er habe das Original heimlich aus der Doberaner Kirche mitgenommen, zu wiederholen, sondern , um die Herkunft aus der alten Ruhestätte des Fürstenhauses festhalten zu können, dafür kaiserliche Soldaten vorschob.


1) Barden bei den Germanen erwähnt schon Marschalk, Annales Herulorum etc. I, 7.
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Doberan hat die Urhandschrift sicherlich nie oder höchstens wohlverpackt im Reisesack des jungen Schede gesehen. Schon Morhof nennt das Lied "dem Reimgebäude nach wohlgesetzt" und fährt fort: "Die Worte geben es, daß es so gar alt nicht sey, aber es ist, der Zeit nach, nicht übel gemacht", aber das Richtige hat unzweifelhaft Caspar Voigt getroffen, der 1680 in seinem oben erwähnten Briefwechsel mit Jakob Döbel das Alter des Gedichts auf keine sechzig Jahre schätzt und dem Anthyrius in launiger Weise ein ehrenvolles, eines Königs würdiges Begräbniß verkündet, dessen Kosten Marschalk, der Vater, zu tragen hat und dem als Hauptleidtragende die Schaar der Historiker beiwohnen wird, die blindlings Marschalks Fabeleien als baare Münze angenommen haben.

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VIII.

Die Meklenburgische Vogtei Schwaan.

(Ein Beitrag zur Landestopographie.)
Von
Gymnasialprofessor Dr. Rudloff.
(Mit einer Karte.)
~~~~~~~~

W enn wir das Gebiet, welches sich westlich etwa bis Kröpelin und Neukloster, östlich bis an die Warnow und die Stadt Rostock erstreckt, im Folgenden als Land Schwaan bezeichnen, so geschieht dies, weil dasselbe zeitweise während des Mittelalters (seit dem vierzehnten Jahrhundert) einen Verwaltungsbezirk für sich bildete, dessen Vögte in Schwaan ihren Sitz hatten. Es sollen auf Grund der kirchlichen Topographie die das Land durchziehenden und umgebenden Grenzen nach ihrem Verlauf und nach ihrem Alter untersucht werden, dem Grundsatze zufolge, daß die mittelalterliche kirchliche Eintheilung nach Diöcesen, Archidiaconaten und Pfarrsprengeln verhältnißmäßig als feststehend angesehen werden kann, die politische Gliederung hingegen, obwohl an jene gemeinhin anknüpfend, dem Wechsel und der Verschiebung im Laufe der Zeit ungleich mehr ausgesetzt war. Wir müssen ferner in der Gegend, um die es sich hier handelt, die Grenzbestimmungen vorwiegend an die Geschichte der Klöster und geistlichen Stiftungen anschließen, welche dort auf engem Raume in solcher Anzahl und Ausdehnung vertreten waren, wie in keinem anderen Theile Meklenburgs. An der Meeresküste erwarb das 1171 gegründete Cistercienserkloster Doberan eine Reihe von Dörfern zwischen Doberan und Kröpelin. Im Westen sehen wir seit Beginn des dreizehnten Jahrhunderts das Nonnenkloster Sonnencamp eine umfangreiche Begüterung gewinnen, welches Anfangs in Parchow (Amts Bukow), sodann in Cuscin (Neukloster) seinen Sitz hatte, nachdem

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schon vorher zwischen diesen beiden Orten Bischof und Domcapitel von Schwerin Fuß gefaßt hatten. An der Südgrenze dehnte sich das ebenfalls zu den ältesten Dotationen des Bisthums gehörige Stiftsland Bützow aus, welches zunächst auf das linke Warnowufer beschränkt war. Das später innerhalb desselben angelegte Kloster Rühn schloß westlich mit dem Neuklosterschen Besitz zusammen. Auch im Innern des so auf drei Seiten von kirchlichen Gründungen fast umgebenen Gebietes erfolgte noch gegen Ausgang der Colonisierungsperiode eine Stiftung durch die Cistercienser von Amelungsborn, der Klosterhof Satow. - Ein besonderes Interesse knüpft sich an die Westgrenze der Vogtei Schwaan, deren Festlegung geeignet sein dürfte, eine ziemlich fühlbare Lücke in der historischen Topographie unseres Landes ausfüllen zu helfen.

Nachrichten aus späteren Jahrhunderten habe ich, wo es durchaus nöthig erschien oder soweit sie mir gelegentlich bekannt wurden, im Schweriner Geheimen und Hauptarchive, dessen Benutzung mir gestattet war, zu Rathe gezogen. Als ein noch brauchbares Hülfsmittel erwies sich auch die dort aufbewahrte Materialiensammlung des verstorbenen Archivraths Beyer 1 ) (anscheinend die Vorarbeit zu einem vom Verfasser beabsichtigten, aber nicht zur Ausführung gelangten Werke über die geschichtliche Topographie Meklenburgs) wegen der mancherlei Mittheilungen, welche hier aus späteren Registern, Acten und Karten zusammengetragen sind. Vorzugsweise ist jedoch für die folgenden Abschnitte gedrucktes Material verwendet worden, in erster Linie unser Urkundenbuch, in welchem das zu behandelnde Gebiet schon seit früher Zeit verhältnißmäßig stark hervortritt.

I. Entstehung der Vogtei.

In Folge der Hauptlandestheilung (1229 nach der gewöhnlichen Annahme) kam von dem Lande am linken Ufer der unteren Warnow die südliche Hälfte (mit Schwaan) an den Fürsten Nicolaus I. von Werle, während die nördliche ein Bestandtheil der Herrschaft Rostock (unter Heinrich Burwy) III.) wurde. Beide Gebiete vereinigt bildeten später die Vogtei Schwaan, welche westlich von den Vogteien Bukow und Meklenburg, südlich vom bischöflichen Lande Bützow umschlossen war.

Ueber den Ort Schwaan (Sywan) liegen nur spärliche Nachrichten aus älterer Zeit vor: die Kirche ist durch eine Urkunde von


1) Beyer ist wohl der Forscher, von welchem Wigger (Meklb. Annalen, S. 100 a) eine bald erscheinende Monographie über die Gaue der Wendenlande in Aussicht stellte.
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1232 bezeugt und war dem heiligen Paulus geweiht. 1 ) Das castrum wird zuerst von einem Chronisten etwa um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts erwähnt. 2 ) Wenn es in jener Zeit bereits eine nach dieser Burg benannte Werlesche Vogtei gab, so war dieselbe wahrscheinlich auf die westliche Seite des Flusses beschränkt und nicht mit dem Landstriche vereinigt, in welchem sich, hart am rechten Warnowufer, die alte, von Heinrich dem Löwen eroberte Burg Werle erhob. Vielmehr scheint dieser Bezirk (terra Werle), welcher in wendischer Zeit ein Burgward für sich gewesen sein mag, damals mit Güstrow, welches seit den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts als Fürstensitz hervortritt, in näherem Zusammenhange gestanden zu haben. Denn soweit Auskunft zu erlangen ist, waren gerade in jener Gegend die castellani und milites de Gustrowe zu Hause, welche in den älteren aus Güstrow datierten Urkunden in den Jahren 1227/35 mehrfach als Zeugen, auftreten: 3 ) Jordanus (1227) nennt sich 1219 nach Werle, später (1224) nach Sabel (Kirchspiel Hohen=Sprenz) 4 ) und war vielleicht, bevor die Residenz nach Güstrow verlegt ward, Burgmann in Werle gewesen, welches, wie wenigstens in Kirchbergs Reimchronik (c. 119) berichtet wird, von Heinrich Burwy I. noch einmal wiederhergestellt war. Heinrich Grube war 1243 in Klein=Schwiesow 5 ) vom Fürsten belehnt; Bernhard de Wigendorp wird seinen Namen von Wiendorf (Kirchspiel Schwaan) angenommen haben, und alles, was aus älterer Zeit von den Besitzungen des Geschlechts Duding bekannt ist, weist auf dieselbe Gegend hin. 6 ) Vorübergehend hat dann, wie nach Urkunden von 1272 und 1301 anzunehmen ist, Land und Vogtei Schwaan sich zu beiden Seiten der Warnow ausgebreitet. In der Folge aber wurde der Bezirk am östlichen Ufer wieder abgetrennt und abermals zu Güstrow gelegt, wenn nicht früher, so doch jedenfalls seit dem Schwaaner Frieden (1301). Dieser sprach nämlich dem Könige Erich Menved von Dänemark,


1) M. U.=B. 406, 1153.
2) Vergl. Jahrb. 58, S. 14, Anm. 5.
3) M. U.=B. 344, 359, 414, 433.
4) M. U.=B. 258, 556/57. Vgl. 425: Jordanes de Gabene.
5) M. U.=B. 546/47.
6) Vergl. Dudinghausen (Kirchspiel Hohen=Sprenz). Nach einem untergegangenen Dorfe in der Nähe nennt sich 3320 der Ritter Duding von Dechow (Jahrb. 13, S. 398 f.), und um dieselbe Zeit hatten Berthold und Conrad Duding Besitz in Kritzkow (M. U.=B. 4168, 4160). - Alle genannten Ortschaften liegen innerhalb des Raumes, welcher nach der Jahrb. 58, (S. 15, ausgesprochenen Vermuthung als terra Werle galt. Zu S. 13 (ebd.) mag aus Band 16 des Urkundenbuches hier nachgetragen werden, daß Scarstorpe 1369 im Lande Johanns von Werle lag (M. U.=B. 9875), demnach der Vogtei Laage zuzuzählen ist.
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welcher als Lehnsherr und Beschützer des bedrängten Fürsten Nicolaus (genannt das Kind) von Rostock gegen Nicolaus von Werle und dessen Verbündete aufgetreten war, die Festung Schwaan mit der Hälfte des von Alters her dazu gehörigen Landes zu, während die terra Werle den bisherigen Herren verbleiben sollte. Ausgenommen wurde nur das Schwaaner Stadtfeld, welches, auch soweit es jenseits der Warnow lag, in die Hand des Dänenkönigs überging. 1 ) Noch bis 1829 hatte das Amt Schwaan hier nur die Ziegelei zu Wiendorf, während alles Andere dem Amte Güstrow angeschlossen war.

Während der nächsten Jahre sehen wir in dem abgetretenen Gebiete den Dänenkönig als Landesherrn walten; schon sechs Tage nach dem Schwaaner Frieden (28. Juli 1301) verfügte er über Pölchow, 1304 über Bandow (Kirchspiel Schwaan), beide Male mit Berufung auf frühere Anordnungen der Herren von Werle. 2 ) Daß inzwischen doch wieder Nicolaus von Werle Besitz in Letschow (Kirchspiel Schwaan) verschenkte, ohne daß des Königs Erwähnung gethan wurde (30. November 1301), mag im Güstrower Diplomatar, welches die Urkunde mittheilt, fehlerhaft überliefert sein, oder es geschah, weil es sich nur um die Anerkennung einer Stiftung handelte, die durch den Werleschen Vasallen Johann Kabold schon früher vorgenommen war. Später scheint zeitweilig Heinrich von Meklenburg sich zum Herrn des Landes gemacht zu haben, vielleicht in Folge des Bündnisses, welches 1305 (2. Januar) die Markgrafen von Brandenburg mit ihm und Nicolaus von Werle zur Wiedereinsetzung des Rostocker Fürsten gegen Erich geschlossen hatten. Denn 1306 bestätigte Fürst Heinrich für Neukloster den Besitz mehrerer Dörfer in terra Sywan. 3 ) In den folgenden Jahren ist aber dieses Land Schwaan wieder als Zubehör der Herrschaft Rostock kenntlich, da sowohl vom Könige, als auch vom Fürsten Nicolaus von Rostock Urkunden vorliegen über die Fischerei inter Rozstok et Sywan (1308), ferner von letzterem allein über Gericht, Bede etc. . in GroßBölkow und GroßGrenz, welche Johann Moltke (sicut habuit a - domino Nicolao de Werle primo, deinde a - rege Danorum et Slauorum Erico) dem Kloster Doberan vermacht hatte (1309). Auch bezeichnet Erich zwischen 1311 und 1312 Schwaan als seine Festung. 4 ) Doch tritt seit 1311 in den Urkunden nicht mehr Nicolaus das Kind


1) M. U.=B. 2643/44, 2745, 2748. (Vergl. Jahrb. 58, S. 4 und 5.)
2) M. U.=B. 2746, 2928.
3) M. U.=B. 2979, 3079.
4) M. U.=B. 3223, 3239, 3321/22, 3504. Wegen der Urkunde 3234 vergl. Band 10 des Urkundenbuches, S. 623.
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neben dem Könige mit Herrschaftsrechten im Lande auf, sondern wiederum der Meklenburger Heinrich, jetzt aber als Statthalter Erichs in der Herrschaft Rostock. 1 ) 1317, nachdem inzwischen die Rostocker Linie des Fürstenhauses mit Nicolaus erloschen war (1314), verlieh der König dem bisherigen Statthalter für erlittene Kriegsschäden unterpfändlich "die Herrschaft Rostock und was wir im Lande Wenden haben." 2 ) Mit Christoph, dem Nachfolger Erichs, gerieth aber Heinrich wegen des überlassenen Gebietes in Streit. Er hatte bei seiner Einsetzung als Landeshauptmann versprochen, dasselbe auf Erfordern wieder herauszugeben, hielt jedoch, als es nun von ihm zurückverlangt wurde, seine Ansprüche aufrecht. 3 ) Am 30. Mai 1322 verpflichteten sich die Herren von Werle, dem Könige, mit welchem sie gegen Heinrich von Meklenburg verbündet waren, die Länder Schwaan, Ribnitz, Gnoien, Sülze, Marlow und Tessin zu überlassen, wenn sie dieselben erwerben könnten. In einem Separatvertrage jedoch mit den Herzogen von Stettin (11. Juni), welche gleichfalls mit Christoph verbündet waren, bedangen sie sich die Wiedergewinnung u. a. von Schwaan und Gnoien aus, welches letztere im Schwaaner Frieden ebenfalls dem Dänenkönige abgetreten war. Ihre Hoffnung, so die verloren gegangenen Landschaften zurückzugewinnen, erfüllte sich nicht. Denn 1323 erfolgte nach Beilegung des Zwistes von Seiten Christophs die förmliche Belehnung des Fürsten Heinrich de terris et dominio Rozstok, Gnoyen et Sywan, welche 1329 für die Fürsten Albrecht und Johann wiederholt wurde. 4 ) Der District von Schwaan war damit der Herrschaft der Meklenburgischen Fürsten dauernd einverleibt. 1344, 27. October, werden die früheren Herren desselben in einer Urkunde Albrechts aufgezählt. Darin heißt es: Villani in Brobrowe (Kirchspiel Kambs) dominis de Werle. postea dominis


1) 1311, 6. September, bekannte Heinrich: nos municiones et terras in dominio Rozstoc[c]ensi - Erico regi -- attinentes -- ab eodem tamquam procuratorem suum et capitaneum suo nomine - tenere. Daß auch Schwaan inbegriffen war, zeigt M. U.=B. 3500, 3725. - Da am 20. Februar die von Erich geschehene Verleihung des Dorfes Sanitz durch Heinrich gutgeheißen wurde (consensu - Nicolai domini Rostoczensis super hoc habito), so scheint das Capitanat des letzteren schon zu Anfang des Jahres bestanden zu haben.
2) M. U.=B. 3871 (vergl. 3872).
3) Die Urkunde des Papstes Johann XXII., welche dies mittheilt (M. U.=B. 4410, läßt die unterpfändliche Belehnung (1317), bei welcher eine solche Bedingung nicht gestellt war, unberücksichtigt. Nach Uebernahme der Statthalterschaft (1311) hatte sich Heinrich allerdings verpflichtet, dem Könige (quandocunque per ipsum requisiti fuerimus) die von ihm übernommenen Länder und Festungen wieder zuzustellen.
4) M. U.=B. 4353, 4358, 4443, 5066.
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de Rotzstock, deinde regibus Dacie, denique domino Hinrico patri nostro - et demum nobis - ad nulla servicia Sywan vel alibi facienda astringebantur.

Von den Vogteien der eigentlichen Herrschaft Rostock tritt in den älteren Urkunden nur der Bezirk von Marlow deutlicher hervor (1210). In diesem lag jedenfalls auch Sülze, wohin 1298 das Landding von Marlow verlegt ward. 1 ) Mit Beginn des vierzehnten Jahrhunderts gewinnen wir auch von der Vogtei Ribnitz eine klarere Anschauung. 2 ) Daß beide Länder nie bis an die Warnow hinanreichten, kann wohl als sicher gelten. 3 ) Bertrammus de Rozstoch aduocatus (1229), 1231 als castellanus de Roztoch bezeichnet, deutet auf einen zur Burg Rostock gehörigen Bezirk, ein Land Rostock im engeren Sinne, hin. 4 ) Da die älteste Burg am rechten Ufer lag (vergl. Jahrb. 21, S. 1 ff.), so wird für sie zunächst ein Landstrich auf der nämlichen Seite in Anspruch zu nehmen sein, derselbe, welcher sich später als terra (so zuerst 1322) oder advocacia Tessyn (1333) von der Werleschen Grenze bis zum Meere und zur Warnow erstreckte.


1) 1210 werden neun zum Schlosse Marlow gehörige Dörfer namhaft gemacht, von denen die meisten in Orten der Kirchspiele Marlow, Sülze und Kölzow wiederzuerkennen sind. (M. U.=B. 192, nach Clandrian). Castrenses von Marlow M. U.=B. 380. Daß die Saline von Sülze in demselben Lande lag, ist schon 1243 und 1262 bezeugt (M. U.=B. 550 und 960; vergl. die gleichzeitigen Registraturen).
2) 1307 Willemeshaghen in terra nostra Ribbenitze sita. 1349 werden Petersdorf und Körkwitz dort genannt. 1348 bezeugt Johannes Vmmereyse miles, aduocatus in Rybbenitze et in confinibus suis, daß 1340 vor dem Fürsten Albrecht ein Streit intra me, nomine dicti domini mei, und dem Kloster Doberan über Gerichtsbarkeit und Dienste in den Dörfern Benekenhaghen, Denschenborgh, Marlekendorp et Vrigenholt entschieden sei. Als Vogt in Ribnitz kommt er schon 1332 vor. (M. U.=B. 3174, 6993, 6847, 5312.)
3) In den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock, (Heft 1, S. 102) wird mit Bezug auf M. U.=B. 421 (1233) die Vermuthung angesprochen, daß das Kirchspiel Ribnitz sich ehemals bis nahe an die Stadt Rostock ausgedehnt habe. Aber Kersebom (Kassebohm bei Rostock) steht hier nicht unter den dorffern belegen in der Pfarre Rybeniz, sondern ist von denselben zugleich mit der Stadt Ribnitz und dem weit entfernten Kölzow zu trennen.
4) Ein Sohn jenes Bertram ist in dem beim Fürsten Burwy 1247 - 62 genannten Ritter Gerhard zu vermuthen (Gerhardus Bertrammi filius 1247, ähnlich 1252). Hierher gehört auch wohl der Ritter Gherhardus dictus de Rozstoc (1268 - 92 in der Umgebung des Fürsten), welcher bis 1283 mit Kassebohm belehnt war und seinen Namen noch von dem alten castrum getragen zu haben scheint; als Gherhardus de castro bezeugt er 1286 den Verkauf des Dorfes WendischWiek und des Burgwalles (vor dem Petrithore) durch den Fürsten (M. U.=B. 591, 686, 1694, 1836).
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Indessen ist, solange eine selbstständige Herrschaft Rostock existierte, die Warnow ober= und unterhalb der Stadt als Verwaltungsgrenze nicht nachzuweisen. Georg von Jork, welcher mit dem dominus Georgius aduocatus de Rozstok (1268) wahrscheinlich eine Person ist, hatte in demselben Jahre das Dorf Zarnewanz bei Tessin zu Lehn. 1 ) Für den Bezirk zwischen dem Flusse und der Abtei Doberan taucht zwar im vierzehnten Jahrhundert (zuerst 1326) der Name Drenowe auf, welcher jedenfalls aus wendischer Zeit herstammt (etwa mit "Waldung" gleichbedeutend). Die früheren Urkunden bezeichnen jedoch, wenn Ortschaften in dieser Gegend nach einem Gebiete näher bestimmt werden, dasselbe immer nur als Land Rostock. 2 ) Der aduocatus dominus Johannes de Zwertze (1250 in Rostock beim Fürsten Burwy), welcher 1252 (Johannes advocatus) die Privilegienbestätigung für die Stadt bezeugte, heißt nach einem Dorfe des Kirchspieles Biestow (.Kl. Schwaß) und hatte Besitzungen in Liepen (vor dem Steinthore), welches der Fürst 1275 den Bürgern überließ. Eine fürstliche Burg bestand in jener Zeit am linken Ufer, wo dieselbe bekanntlich anfangs in der Stadt selbst, dann in der Nähe derselben (Hundsburg bei Schmarl) errichtet war. In der Drenow (mit (Einschluß des nahegelegenen Kirchspieles Hanstorf) lagen auch die Güter der oft in der Umgebung der Fürsten auftretenden Herren von Schnakenburg und von Axekow, deren einige als Vögte in Rostoc vorkommen, so Hermannus de Snakenborch 1296, Mathias de Axecowe zweimal 1298. Ein castrum war freilich, wenn der 1278 vom Fürsten Waldemar mit der Stadt geschlossene Vertrag gehalten wurde, damals an den Warnowufern und in deren Nähe nicht mehr vorhanden; 3 ) eine curia innerhalb der Stadt mag an die Stelle getreten sein. Ob Kröpelin (opidum 1250, civitas 1280, das älteste erhaltene Stadtsiegel 1306) jemals der Sitz eines Vogtes der Rostocker Fürsten gewesen ist, läßt sich nicht entscheiden. Albertus advocatus steht 1250 mit Kröpeliner Bürgern hinter einem Zeugen bäuerlichen Standes, 1264 hinter 2 Rittern und 2 Rostocker Raths=


1) M. U.=B. 1141, 1143. Ueber Stadt und Land Tessin vergl. Jahrb. 58, S. 19 und 20.
2) Ueber die Drenow siehe Jahrb. 38, S. 25 ff., vergl. M. U.=B. 4723, dazu 5649 (Siverdeshagen - in Drenowe). Die Kirchspiele Biestow, Lambrechtshagen, Warnemünde, Lichtenhagen (Hanstorf ?) werden dahin zu rechnen sein. -- In prouincia Rozstoc lag KleinSchwaß (1219 und 1235). (Sonst ist noch zu erwähnen: Adameshaghen in terra Rozstoc 1319, Warnemunde - tome lande vnd in deme lande to Rozstok ca. 1317. Hier geht freilich aus dem Zusammenhange hervor, daß die Herrschaft Rostock gemeint ist. (M. U.=B. 254, 429, 3922, 4148.)
3) M. U.=B. 642, 686 1381, 2402, 2512, 2523, 1474.
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herren. 1 ) Ebenso wenig wie von einem fürstlichen Vogte in der Stadt ist von einem castrum dort jemals die Rede. Zu beachten ist aber doch, daß einige Urkunden des zwölften Jahrhunderts für die Gegend von Kröpelin und die Abtei Doberan einen eignen Landesnahmen überliefern; auch betrachtete die kirchliche Eintheilung dieselben immer als zusammengehörig. (S. Abschnitt 2 und 4.)

In welchem Zusammenhange aber auch der District zwischen Rostock und Kröpelin früher gestanden haben mag, später sehen wir ihn in Verbindung mit dem Lande Schwaan, welches 1301 durch König Erich der Herrschaft Rostock angeschlossen war. Zur Zeit der dänischen Herrschaft wird es unter den capitanei, da dieselben für das ganze Land eingesetzt waren, ebenso wie früher, Vögte in den einzelnen terrae gegeben haben. Doch fehlt es über sie in diesen Jahren fast ganz an bestimmten Nachrichten. 2 ) Mit Heinrich von Meklenburg kam das Geschlecht der Barnekow in das Land, von denen der Ritter Ulrich 1317 - 1319 bei Verlassungen zu Stadtbuch (wie eine solche einmal auch von dominus Magnopolensis et consules universi um diese Zeit vorgenommen wird), aber nicht in Gerichtsurkunden, als Vogt (mit consules communes) begegnet. Sein Bruder Heinrich, welcher 1324 für sich und die Söhne des verstorbenen Ulrich auf Bede etc. . in Admannshagen verzichtete, bezeugte als advocatus die fürstlichen Privilegienbestätigungen des Jahres 1325 für die Stadt. 3 ) Das Register des Urkundenbuches führt wohl mit Recht beide noch unter den Rostocker Landvögten auf, während später in Rostock die Vögte aus der Umgebung der Fürsten verschwinden und nur noch in Ausübung der fürstlichen Gerichtsbarkeit innerhalb der Stadt erwähnt werden. Wie lange Heinrich Barnekow das Amt inne hatte, welches er 1325 bekleidete, geht aus den Urkunden nicht hervor. Später finden wir ihn nicht nur im alten Rostocker Lande ansässig, wo er vom Fürsten Albrecht bis 1333 mit Marienehe


1) M. U.=B. 642, 1553, 1018.
2) An Matthias Axekow war (1304 - 7) die Bede in Parkentin, Stäbelow und Bartenshagen vom Könige verpfändet (M. U.=B. 2924/25, 3154). Mit Amilius Axekow (Bruder des Matthias 1307, famulus 1324, in der Umschrift seines Siegels 1334 Millies genannt) dürfte Milies advocatus identisch sein, welcher 1307 zweimal, freilich nur in Gerichtsurkunden, erwähnt wird. (M. U.=B. 3154, 4558, 5505, 3147, 3194.) 1310), unter dem Capitanate des Jakob Flep, verlieh König Erich in Rostock das Dorf Sanitz teste domino Nicholao Olefsun aduocato nostro (3387). 1314 wird der Gerichtsvogt Albertus als famulus des Vicke Moltke bezeichnet (Urkundenbuch Bd. 5, S. 19). - Ueber Ribnitz s. oben die Anm. Bei der Belehnung des Fürsten Heinrich mit der Herrschaft Rostock 1317 sollte das an Niels Olafsson verliehene Schloß Dänsche Burg zu Warnemünde mit Zubehör ausgenommen sein.
3) M. U.=B. 3950, 3959, 3964, 4642 ff.
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belehnt war, sondern auch zu Retschow im Lande Schwaan. 1 ) (Vergl. unten S. 287.) Letzteres wurde aber damals mit der Drenow und der Abtei Doberan gemeinsam verwaltet. 2 ) Denn 1333 verpfändete Albrecht von Meklenburg dem Kloster Doberan in dessen 3 Dörfern Parkentin, Stäbelow und Bartenshagen, wo demselben die Bede bereits von König Erich überlassen war, auch das höchste Gericht: kein Vogt solle darauf Anspruch erheben, vsque dum nos, uel qui pro tempore in Sywan aduocatus noster fuerit, dictam precariam cum judicio majore ab eisdem fratribus -- decreuerimus redimendam. Und wenige Tage später bezeugte der Vormundschaftsrath des Fürsten, welchem auch Heinrich Barnekow angehörte, daß Abt und Convent 300 Mark zu Händen des Herren Albrecht integraliter persoluerunt Henrico de Barnekowe militi, aduocato in Sywan, welcher für diese Summe zum Nutzen des Fürsten andere verpfändete Güter desselben eingelöst habe. Daß die Vogtei Schwaan in der angedeuteten Weise sich erweitert hatte, erfahren wir auch durch die Urkunde, in welcher 1340 Heinrichs Söhne Raven (advocatus in Sywan 1344) und Ulrich mit ihrem Vetter bekennen, precarias et majus judicium villarum Lamberteshaghen et Johannestorpe (Kirchdorf Hanstorf) zurückgeben zu müssen, wenn der Fürst aduocatiam Sywan seu medietatem aduocacie Zywan wieder von ihnen einlöse. 3 ) Unter der hier erwähnten Hälfte der Vogtei wird das mit derselben zusammengelegte Land zu verstehen sein. Jener Pfandbesitz scheint übrigens nicht erst von Raven, sondern von seinem Vater erworben zu sein und rührt vielleicht noch aus der Regierungszeit Heinrichs her. 4 ) Denn als 1344 Raven und seine Brüder Schloß Stegeborg und Land Mön von den Fürsten Albrecht und Johann zu Pfande nahmen, erklärten sie, daß damit alle Schulden erledigt sein sollten, welche der Vater


1) M. U.=B. 5546, (5458), 5600. Vergl. Jahrb. 18, S. 280 ff.; 1358 verkauften die Barnekow totam et integram villam Retzecowe. Auch in anderen ehemals Werleschen Dörfern (GroßGrenz und Karin) war die Familie ansässig. (M. U.= B. 6424.)
2) Es fällt auf, daß schon die Urkunde vom 30. Mai 1322, welche doch anscheinend sämmtliche Bezirke der dem Meklenburger streitig gemachten Herrschaft Rostock aufzählen will, am linken Warnowufer nur Sywan angiebt.
3) M. U.= B. 5411, 5413, 6022. (Vergl. auch 5898 über Dienst in KleinSchwaß 1338.)
4) Daß Land westlich von Rostock (terram Drenowe cum abbacia Doberanensi) hatte der Fürst 1326 von Wipert von Lützow, der es zum Pfande besessen, wieder eingelöst. Die Orbör in der Stadt Rostock hatte 1329 Heinrich Barnekow zu erheben, dem sie vermuthlich verpfändet war. Denn das Kloster Ribnitz wurde auf diese Einkünfte angewiesen, sobald Hinrici de Barnecowe militis et Razstorp famuli terminus percipiendi dictus redditus exspiravit (M. U.=B. 4723, 5021).
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der Fürsten, diese selbst und ihre Erben vsen vadere, vs vnde vsen rechten eruen schuldich weren oder noch schuldich sin. - Och so scole wi vntweren, wat wi vorsat hebben, in bede vnde in rychte in der voghedye to Sywan vnde Roztoch. 1 ) Die doppelte Bezeichnung der Vogtei weist wahrscheinlich auf die zwei Districte hin, aus welchen sie sich zusammensetzte. Den so gewonnenen Umfang bis zur Meeresküste hat sie auf lange Zeit behalten. - 1345 war Arnold von Gummern voghet to Svwan. 2 ) 1355 sehen wir die Einkünfte wiederum verpfändet und zwar an Reimar und Vicke von Bülow, deren Zustimmung erforderlich war, als Herzog Albrecht in den Klosterdörfern Gr. Bölkow und Ibendorf Bede und Gericht überließ (non obstantibus litteris domini ducis nobis super aduocacia in Sywan et territorio ibidem adjacenti traditis). Bald darauf leisteten dieselben Verzicht auf alle Rechte in Evershagen (racione obligacionis per dominum nostrum Magnopolensem suarum terrarum aduocacie Sywan nobis facte), und in ähnlicher Weise auf Rechte in Bramow. 3 ) Die von Bülow waren noch 1387 im Besitz des Landes und überließen 1391 Schloß, Stadt und Land Schwaan mit Zubehör an Heinrich Moltke; 1399 hatte Heinrich Reventlow das Amt inne. 4 )

Mit der Drenow und der Abtei Doberan wird auch Kröpelin eine Dependenz der Vogtei geworden sein, obwohl ein Land dieses Namens 1344 erwähnt wird, gelegentlich der Erbverbrüderung der Herren von Meklenburg und Werle=Güstrow. Die Werlesche Urkunde überließ, wie die namentlich aufgeführten 10 Länder zeigen, die ganze Herrschaft Güstrow. 5 ) Die Meklenburgischen Fürsten schlossen hingegen den Vertrag nicht für ihr ganzes Gebiet, sondern nur für 10 Länder desselben ab, welche in ihrer Reihenfolge 3 verschiedene Gruppen (abgesehen von Stegeborg mit Mön) zu bilden scheinen: 1) Bard, Ribnitz, Marlow, Sülze, Tessin; 2) Sternberg und Eldenburg; 3) Bukow und Kröpelin. Es ist aber nicht herauszufinden, welches Gebiet wir uns unter Kröpelin, stad, land vnde man vorstellen sollen. Daß neben der Vogtei Schwaan damals ein selbstständiger


1) M. U.=B. 6448.
2) M. U.=B. 6546 (Verkauf der Mühle von GroßBölkow).
3) M. U.=B. 8044/45, 8118/19. Bis 1400 finde ich außerdem als Dörfer der Vogtei bezeichnet: Satow 1344, Retschow 1358, Huckstorf, Wahrstorf und NeuKirchen 1367, KleinGrenz 1370, Schutow 1393, Kritzmow 1395.
4) Nach den für die späteren Bände des Urkundenbuches bereits gesammelten und abgeschriebenen Urkunden (bis 1400). - Vogt in Schwaan wird Johann Moltke schon 1381, Heinrich Moltke 1389 genannt.
5) M. U.=B. 6434. Vergl. die Werleschen Landestheilungen von 1316 und 1347. (M. U.=B. 3860, 6779.)
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Bezirk mit Kröpelin vorhanden war, ist schon wegen des geringen Umfanges kaum anzunehmen, den derselbe gehabt haben mußte, da, wie der folgende Abschnitt zeigen wird, außer der Stadt selbst nur einige angrenzende Feldmarken dafür in Betracht kommen könnten. Auch enthalten im übrigen die Urkunden nichts, was darauf gedeutet werden müßte. 1 ) Traditionell wird aber doch wohl eine terra Kropelin existiert haben. Es ist daran zu erinnern, daß in der erwähnten Urkunde auch Marlow (mit stad, land vnde man) noch als eigenes Land neben Sülze figuriert (ähnlich auch M. U.=B. 4353), in Widerspruch mit den anderweitig vorliegenden Nachrichten 2 ); es gab indessen in Marlow ein altes Schloß, zu welchem ehemals der Bezirk der Vogtei Sülze gehört hatte.

Später erscheint übrigens Kröpelin auch urkundlich als Zubehör von Schwaan; denn 1372 verpflichtete sich Herzog Albrecht von dem damaligen Pfandinhaber, dem Bischofe Friedrich (von Bülow), nicht wieder einlösen zu wollen u. a. Sywan hvs, stat vnde lant vnde voghedige, myt Cropelyn, myt der Drenow, mit der abbedige to Doberan. 3 )

Der Zusatz macht den Bestandtheil der alten Herrschaft Rostock kenntlich. Auch sonst wird derselbe von dem später enworbenen Werleschen District trotz der Zusammenlegung gelegentlich deutlich unterschieden. So verfügte 1361 Herzog Albrecht bei Ueberlassung des Münzrechtes an Rostock: quod nusquam locorum extra ciuitatem nostram Rozstok, in districtu dominii nostri Rozstoccensis, vtpote in Rybbenitze, Sultha, Marlow, Tessin, Cropelin, Warnemunde, ac precipue extra territorium Rozstok, videlicet Gnoyen et Zywan - et generaliter in omnibus locis dicti


1) Siehe oben S. 260. Den Vogt Vicke (1316) bezeichnen 1323 consules et vniversitas de Cropelin als quondam aduocatum nostrum, und Hermann Legede, 1336 Vogt in Kröpelin, war Bürger daselbst und heißt 1333 subaduocatus (M. U.=B. 3832, 4453, 4486; 5680, 5985, 5456). Beyer, welcher Jahrb. 14, S. 114, von einem Landding für die Vogtei Kröpelin spricht, wurde wohl dazu veranlaßt, weil zuweilen von Gerichtsversammlungen in Kröpelin die Rede ist, so 1336 (M. U.=B. 6596, S. 721 und 722) als dort unter dem Vorsitze des Fürsten eine Anklage wegen Zauberei verhandelt wurde. 1391 (M. U., (September 26.) wird ein Hofgericht daselbst erwähnt. M. U.=B. 1553 (scampnum judicale - dictum dingbanch in der Nähe von Kröpelin) bezieht sich auf die Abtei Doberan. - Es wäre von Interesse, zu erfahren, ob es in Kröpelin eine Schloßstelle giebt.
2) Vergl. S. 259, Anm. 1 und die Urkunden von 1371, 1448 (unnse slot, stad unde lant tor Sülten met deme wîckbilde to Marlowe, met der ganntzen vogedy) und 1450 (de voghedye to der Sülten unde to Marlowe) im Jahrb. 11, S. 289 ff.
3) M. U.=B. 4723 n.
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dominii nostri Rozstoccensis ac Gnoyensis seu Zwanensis - vmquam denarii de cetero debeant per quempiam fabricari. 1 )

In der Urkunde hingegen, durch welche Kaiser Karl IV. die Fürsten Albrecht und Johann zu Reichsfürsten und Herzögen erhebt (1348), u. a. mit der Begründung, daß Herzog Rudolf von Sachsen auf alle tytulo pheudi ihm zustehenden Rechte verzichtet habe, wird bei Aufzählung der Reichslehne Schwaan ebensowenig erwähnt, wie die übrigen Theile desjenigen Rostocker Gebietes, als dessen Lehnsherr 1329 der König von Dänemark anerkannt war. 2 )

II. Die Abtei Doberan
und die Grenzen der Herrschaft Rostock.

Obwohl die ältere Geschichte der Abtei Doberan schon mehrfach behandelt worden ist, 3 ) muß zum Zwecke der Topographie doch noch einmal kurz auf dieselbe eingegangen werden. Im westlichen Theile der Herrschaft Rostock nahm das Gebiet des Klosters einen nicht unbeträchtlichen Raum ein. Dasselbe umfaßte bereits bald nach der Stiftung einen zusammenhängenden Bezirk, welcher die jetzigen Kirchspiele Parkentin, Rethwisch, Doberan, Steffenshagen und, wie anzunehmen ist, auch Kröpelin vollständig umschloß. Die Orte mit Namen wendischer Herkunft, welche jetzt in diesem Raume liegen (Doberan, Parkentin, Stülow, Reddelich, Kröpelin, Wilsen, Brusow, Stäbelow, und Jennewitz), werden zum größeren Theile in der ältesten über das Kloster überlieferten Urkunde des Bischofes Berno (1177), die übrigen in derjenigen des Fürsten Heinrich Burwy I. (1192) genannt, 4 ) und umgekehrt wird hier kein Dorf erwähnt, welches außerhalb der genannten Kirchspiele gesucht werden müßte. 5 ) Innerhalb derselben finden wir auch noch 1273 mit wenigen Ausnahmen die Hagendörfer


1) M. U.=B. 8903. In 4675 lauteten die Bestimmungen anders.
2) M. U.=B. 6860 A und B. Nur Gnoien ist mit berücksichtigt (Genugen et quidquid ibidem in pheudum ab imperio tenent).
3) Dieselbe ist bearbeitet von Kompart (in Schirrmachers Beiträgen zur Geschichte Mecklenburgs, Band II) bis zum Jahre 1300, von Malchow (Dissertation 1880) bis 1350, mit Berücksichtigung der wirthschaftlichen Verhältnisse von Dolberg (Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner=Orden, Jahrg. 13). Vergl. auch Wigger, Jahrb. 28, S. 233 ff.
4) M. U.=B. 122, 152.
5) Domastiz ist nach dem Diplomatar der Doberaner Klosterbriefe Ivendorf (M. U.=B. 152 n). Putecha entspricht, wie M. U.=B. 122 n vielleicht mit Recht angenommen wird, dem späteren Hohenfelde. Ersteres kommt bis 1273 vor und steht fast immer mit Stülow zusammen; letzteres erscheint zuerst 1312: in villis slauicalibus Stulowe et Hogheuelt (Mekl. U.=B. 3759). Ueber die Dörfer in Cubanze s. unten.
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oder sonst deutsch bezeichneten Ortschaften des Klosterbezirkes, für welche der Bischof damals den vollen Zenten bestätigte, nämlich: Allershagen, Bartenshagen, Rabenhorst, Rethwisch, Hütten, Glashagen, Steffenshagen, Bollhagen, Wittenbeck, Diedrichshagen, Boldenshagen. Das Schadenregister von ca. 1312 bringt außerdem noch Brodhagen, und in Bollhagen wird eine curia und eine grangia dieses Namens unterschieden. 1 )

1177 verlieh Bischof Berno für das dem Kloster von Pribislav überlassene Gebiet außer dem Zehnten der einzelnen Dörfer die geistlichen Rechte (ecclesiarum disposicio, sacerdotum constitucio etc. und das jus sinodale, quod bannum vocatur). 2 ) Hiernach lag es in der Absicht, ein in kirchlicher Beziehung bestimmt abgegrenztes Gebiet herzustellen. Der Bezirk, über welchen jene Rechte des Klosters sich erstreckten (1273 mit den unter des Abtes Patronat stehenden Kirchen Kröpelin, Steffenshagen, Parkentin und Rabenhorst), und mit dessen Verwaltung in Bezug auf die geistliche Jurisdiction der Archidiaconus von Kröpelin 3 ) beauftragt war, wird in seiner Ausdehnung schon früh, vielleicht bereits gegen Ende des zwölften Jahrhunderts, festgestanden haben. Dafür spricht auch das hohe Alter, welches der Kirche in Kröpelin nachgesagt wurde, die urkundlich zuerst 1230 vorkommt. Denn 1306 bezeugten mehrere Pfarrer und Kröpeliner Rathmänner die Aussage des dortigen Plebans Ludolf, daß derselbe die Kirche 40 Jahre lang besessen habe, und daß seine Vorgänger im Amte sie ungefähr 80 Jahre hindurch vom Kloster innegehabt hätten; 4 ) eine Rechnung, welche auf das Jahr 1186 zurückführen würde, dasselbe Jahr, in dem nach Kirchberg (c. 116), der hier nach einer nicht mehr vorhandenen Chronik berichtet, das Kloster von Althof nach Doberan verlegt wurde. Für die Parkentiner Pfarre fehlt es an ähnlichen Nachrichten (plebanus de Parkentin erst 1268). Daß indessen die dortige Kirche, wie an Ansehen ihrer Geistlichen, so auch an Alter der Kröpeliner am nächsten stand, ist wegen des wendischen Namens und nach Spuren alter Bauweise zu vermuthen. 5 ) Von


1) M. U.=B. 1297, 3520. Von Rethwisch läßt Kühnel (Jahrb. 46, (Seite 117) die deutsche oder slavische Abstammung unentschieden.
2) 1354 erkannte der Bischof Andreas an, daß der Abt per se uel per alium - possit - ecclesias conferre, clericos instituere - juridicionem exercere, synodo presidere et alia ad officium archidiaconi pertinencia exercere (M. U.=B. 7963, vergl. 7852).
3) Archidiaconus von Kröpelin war 1298 ein Schweriner Canonicus; 1328 verwaltete der Dekan des Bützower Stiftes preposituram in Cropelin (M. U.=B. 2512, 4923).
4) M. U.=B. 380, 3116.
5) M. U.=B. 1143. Die Kirchen des Doberaner Gebietes wurden im 14. oder 15. Jahrhundert einem Neu=, resp. Umbau unterzogen. Der älteste (  ...  )
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diesen beiden Kirchspielen, welche zunächst in der Abtei errichtet waren, werden später (vor 1273) im Hagengebiete andere abgetrennt sein, Steffenshagen von Kröpelin, Rabenhorst von Parkentin. Die Kirche in Rabenhorst (Kirchspiel Rethwich), welche Anfangs selbstständig war, wurde (urgente inopia) vorübergehend mit Parkentin vereinigt, bis 1299 wieder ein Doberaner Mönch als Geistlicher eingesetzt ward. Sie scheint 1306 noch bestanden zu haben, 1 ) verschwindet aber seitdem aus den Urkunden und wird bald nachher eingegangen sein. Denn an ihre Stelle trat die Pfarre von Rethwisch, 2 ) wo 1312 im Schadenregister (S. 631) custos und cimiterium erwähnt werden. Erst durch Abzweigung (von Parkentin) entstand auch das ehemalige Kirchspiel Stäbelow, da eine Parrochialkirche dort 1273 noch nicht vorhanden war, aber seit Ende des 13. Jahrhunderts mehrfach bezeugt ist. 3 ) - Wie hiernach anzunehmen ist, fielen die Außengrenzen der Pfarrsprengel Kröpelin und Parkentin in ihrer ursprünglicher Ausdehnung mit denen des Abteigebietes, resp. des Kröpeliner Archidiaconats, Anfangs zusammen. Es fragt sich, ob der Umfang des letzteren in noch jetzt vorhandenen Kirchspielscheiden wiederzuerkennen ist.

In Bernos Urkunde (1177) wird für die Güter des Klosters im Westen collis Dobimerigorca (Hügel des Dobimer) als Grenzmarke festgesetzt, 4 ) anscheinend der Kühlungsberg westlich von Kröpelin. Derselbe liegt auf der Feldmark von Diedrichshagen und ist der Scheide der Kirchsprengel Kröpelin und Wichmannsdorf sehr nahe.


(  ...  ) Theil der Parkentiner Kirche (Chor aus Feldsteinen) stammt aber nach der Schätzung von Lisch (Jahrb. 18, S. 292 ff.) aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. - Zum Kirchspiel Parkentin gehörten noch nach dem Staatskalender (1793) Althof und Hohenfelde (jetzt Kirchspiel Doberan).
1) M. U.=B. 1753, 2568, vergl. 3088.
2) Ecclesia Redewisch, que olim fuit in Rauenhorst 1354 (Mekl. U.=B. 7963). Sie galt wohl anfänglich nicht als selbstständig, da sie im Bericht über die Einkünfte der Doberaner und Neuklosterschen Kirchen, als dessen Abfassungszeit das Urkundenbuch (zu 4153) die Jahre 1319/20 annimmt, nicht berücksichtigt ist. 1353 wird capella Redewisch neben den Parrochialkirchen der Doberaner Präpositur genannt; 1362 wird angeordnet daß zur Verwaltung der dortigen Pfarre vom Abt von Doberan ein Cisterciensermönch abgeordnet werde. (M. U.=B. 7852, 9081.)
3) M. U.=B. 2300 (1294), 4153, 5909, 7852. Ein Pfarrhof war dort noch 1718 (Jahrb. 40, S. 174). 1294 gab der Bischof seine Zustimmung zu einer permutatio ecclesiarum in Parkentin und Stäbelow. Die Vermuthung Komparts (a. a. O., S. 114), daß sich hierbei um eine Vereinigung beider Kirchen handelte, so daß die Stäbelower als Filial der Parkentiner weiter bestand, wird durch die späteren Urkunden nicht bestätigt.
4) Dobiner bedeutet nach Dolberg (a. a. O., S. 228, Anm. 1) "Frieden=Erwerber", nach Kühnel (S. 41) "den Namen des Tapferen habend."
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Im Norden sollte sich das geschenkte Gebiet bis zum Meere erstrecken. Im Osten wird von Heinrich Burwy (1192) eine Linie angegeben a quercu, que sita est juxta viam in terminis Wilsne, et iterum protenditur contra septentrionem usque ad mare recto tramite. Es wird dabei an die kürzeste Entfernung vom Meere zu denken sein, ohne daß die Richtung eine genau nördliche zu sein brauchte. In der That bleibt die Linie, welche in der Verlängerung der östlichen Scheide der Feldmark Wilsen, nordwestlich verlaufend auf dem kürzesten Wege das Meer erreicht, der kirchlichen Grenze überall so nahe, daß die letztere aus jener hervorgegangen zu sein scheint. Wir dürfen daher die durch die Urkunde des Fürsten gezogene Scheidelinie wohl in der Ostgrenze der Kirchspiele Parkentin und Rethwisch wiedererkennen. Daß Verschiebungen, welche im Laufe der Zeit eintraten, im Einzelnen manche Abweichungen mit sich brachten, ist selbstverständlich. Im Süden der Abtei geben die Doberaner Urkunden keine Grenze an, vermuthlich weil dieselbe durch die dort aufgezählten Ortschaften hinreichend bestimmt schien. Es ist dies die einen Bogen nach Norden bildende Dorfreihe Stäbelow, Wilsen, Parkentin, Ivendorf, Putecha (Hohenfelde?), Brusow und Kröpelin; sie alle berühren sich im Süden mit Kirchspielen, deren Pfarren nicht zum Doberaner Gebiete gehörten.

Verfolgen wir nun die Grundbesitzverhältnisse des Klosters, um zuerst die alte Grenze desselben gegen andere Theile der Herrschaft Rostock festzustellen. Es kommt dafür zunächst in Betracht die Sprengelscheide zwischen den Kirchspielen

Parkentin u. Rethwisch mit Stäbelow, Wilsen, Allershagen, Bartenshagen, Rabenhorst Rethwisch. Biestow, Lambrechtshagen u. Lichtenhagen 1 )mit Kl. Stove, Kritzmow, Kl. Schwaß, Bargeshagen, Admannshagen, Steinbeck, Nienhagen.

1) Im Kirchspiel Biestow, 1351 Nyghendorp (M. U. U.=B. 7479), 1502 Groten Stove. Dem Pfarrer war die Stadt Rostock bis 1282 zur Zahlung einer Mark verpflichtet (M. U.=B. 1628), vielleicht wegen der zur Stadtfeldmark gelegten Dörfer Nemezow oder Liepen (vergl. die Andeutung Mekl. U.=B. 1381). - Für die Kirche in Lambrechtshagen bei Parkentin erhielt nach Clandrian 1233 der Probst von Rühn den Bann. 1381 übernimmt der Propst von Rühn die Ausrichtung eines Befehls, quia jurisdictio sua se juxta muros extenderet - opidi Rostok (M. U.=B. 7143, S. 453). In den Visitationsprotocollen der Kirchen des Amtes Doberan (1572) heißt es, daß nach dem Berichte des Pastors "vor etlich Jaren zwei Dorffer als grot und lütken Schwasse von jener kirch (Lambrechtshagen) nach Bistow komen sind." - Plebanus de Lichtenhaghen 1264; im Kirchspiel 1319 Admannshagen, 1355 Evershagen (M. U.=B. 1018, 4131, 8114). Den aus Feldsteinen erbauten Chor weist Lisch der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu (Jahrbuch 19, S. 394). Angaben über Bauart der Kirchen zu Biestow und Lambrechtshagen ebd. 27, S. 218 und 38, S. 189.
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Wo das Abteigebiet diese Grenze überschreitet, läßt sich fast überall der spätere Erwerb nachweisen. In der Urkunde von 1273 werden auch solche Dörfer mitgetheilt, in denen nur einzelne Hufen dem Kloster zehntpflichtig waren. Wenn dasselbe an zwei solchen Hufen in Stove auch das Eigenthum besaß, so handelt es sich um streitige Ansprüche an der Grenze, oder es verhielt sich damit ähnlich wie mit den beiden zehntezahlenden Hufen in Kl. Schwiesow (Amts Güstrow), deren spätere Verleihung (1243 durch Nicolaus von Werle) nicht zweifelhaft ist. Unter den Besitzungen des Klosters wird Stove sonst nie angeführt; jene beiden Hufen mögen aber als Klostergut mit der Stäbelower Feldmark vereinigt sein. 1 ) Daß die 5 Hufen in Kritzmow der Abtei nicht gehörten, ist schon deswegen wahrscheinlich, weil dieselbe dort nur dimidiam decimam in Anspruch nahm. Ueberdies wurde das Dorf 1296 von Matthias von Axekow (dem Rostocker Vogt 1298) Und dessen Brüdern cum omni jure et vtilitate, qua ad nos pertinebat, dem Abte überlassen, und zugleich versprachen die Verkäufer, de proprietate tam decimarum quam fundi ville totalis Criscemowe binnen 5 Jahren die Verleihung zu erwirken. 2 ) In Kl. Schwaß besaß Neukloster von Alters her 8 Hufen und fand 1238 die Ansprüche ab, welche ein Lübecker Bürger in Parua Zuersz hatte; in der Heberolle dieses Klosters (ca. 1319) ist Zwerze als Dorf von 10 Hufen angegeben, und totum servicium in demselben wurde ihm 1338 geschenkt. 3 ) Im jetzigen Kirchspiel Lambrechtshagen werden das Pfarrdorf sowie Bargeshagen 1286 vom Schweriner Bischof als nicht zur Abtei Doberan gehörige Grenzdörfer bezeichnet. 4 ) In ersterem hatte 1320 das Kloster Güter erworben, jedoch so, daß die Gebrüder von Schwaß, welche selbst im Dorfe begütert waren, auch in jenen noch Rechte ausübten. In letzterem hatte der Vasall Reschinkel 1298 vom Fürsten 10 Hufen zu Lehn, welche 1334 von Johann von Axekow zu Gunsten des Klosters aufgelassen wurden;


1) M. U.=B. 546. GroßStove finden wir später in den Händen des Karthäuserklosters Marienehe, welches das Dorf, wie es scheint, von Heinrich Bassewitz gekauft hatte. Wendeschen Stove begegnet erst 1351 (Mekl. U.= B. 3359, vergl. Jahrb. 27, S. 15, 7438). Ueber ein bischöfliches Burglehn in Sthoue s. unten.
2) M. U.=B. 2377. Um die Grenze der Abtei handelt es sich auch wohl 1330, als Adelheid, die Wittwe eines Rostocker Bürgers im geistlichen Proceß verurtheilt wurde, von aller Belästigung des Klosters Doberan wegen der curia Wilsne abzustehen. (M. U.= B. 5172.)
3) M. U.=B. 254, 484, 4040 (S. 411), 5898, 5901.
4) M. U.=B). 1862 (Zehntenaustausch cum decimis villarum quarumdam - monasterio juxta sitarum - in Lambrechteshagen et in Beringhereshagen).
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andere 10 Hufen, gleichfalls im Besitz eines Rostocker Vasallen (Friedrich Babbe), waren schon 1298 an die Abtei gekommen, zugleich mit der Gerichtsbarkeit über zwei der St. Jakobikirche in Rostock gehörige Hufen. 1 ) Admannshagen (in terminis parochiae Lychtenhaghen), wo 1302 Aftervasallen Bertholds von Schnakenburg wohnten, erscheint seit 1319 als Eigenthum des Klosters. 2 ) Nienhagen und Steinbeck sind von den 1273 aufgezählten vollständigen Dorfschaften die einzigen, welche über die kirchliche Grenze schon damals hinausreichten. Doch waren in ersterem die Rechte des Abtes streitig, da auch der Bischof von Schwerin dort den Zehnten in Anspruch nahm; er verzichtete auf denselben erst 1264, nachdem Gerhard von Schnakenburg, welcher indaginem Nienhagen bis dahin von der Doberaner Kirche zu Lehn trug, diesen Besitz mit Angabe der Grenzen dem Kloster verkauft hatte. Auch die Hälfte des Hagens Steinbeck ging nach Gerhards Behauptung vom Abte zu Lehen, wurde aber 1272, also ebenfalls vor der bischöflichen Zehntenbestätigung, nach schiedsrichterlicher Entscheidung des Fürsten Waldemar dem Kloster als unmittelbares Eigenthum zugesprochen. 3 ) Das Vasallenverhältniß wird in beiden Fällen nicht auf Verleihung alten Klostergutes, sondern auf späterer Auftragung von Seiten der Besitzer beruhen. Uebrigens gehören beide Feldmarken nach ihrem jetzigen Umfange nur mit ihrem größeren östlichen Theile zum Kirchspiel Lichtenhagen, im übrigen zum Kirchspiel Rethwisch.

Durch Doberaner Besitzungen von der Drenow getrennt, schnitt von Süden her der Sprengel von Hanstorf in die Abtei ein. Das Fragment eines Heberegisters, welches nach Lisch noch aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt, giebt unter Par. Johanneshag.: Ghowwe, Hartwighesdorpe, Konowe, Blisecowe an. 4 ) Die drei letztgenannten Dörfer waren, soweit die Nachrichten zurückreichen, im Besitze der Rostocker Vasallenfamilie Axekow. 1319 verkaufte Matthias agros ante villam Konowe sitos. Aber schon Wernerus de Blisecowe (1272 Knappe beim Fürsten von Rostock, 1282 als miles beim Abt von Doberan) gehörte jenem Geschlechte an, da er, wie kaum zu bezweifeln, mit dem Ritter Werner von Axekow identisch


1) M. U.=B. 4200. In Lambrechtshagen 1341 curia Hermanni de Swerce (M. U.=B. 6158, vergl. 7501). 1389 hatte Arnold von Gummern a dictis de Zwertze das Dorf gekauft. - M. U.=B. 2516, 4210, vergleiche 5487 u. a.
2) M. U.=B. 4131.
3) M. U.=B. 1018, 1026 - 1259.
4) Jahrb. 9, S. 401. Das Kirchdorf heißt in älteren Urkunden sonst Johannsdorf. Die Kirche wird 1319 M. U.=B. 4069) gelegentlich erwähnt.
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ist, 1 ) dem ersten (1283 und 1286) urkundlich erwähnten Träger des Namens. 1360 verlieh Herzog Albrecht an Dietrich Sukow totam et integram curiam - Blisecowe - sicut ipsi (die Axekow) et ipsorum progenitores et antecessores ipsam curiam - ab antiquo tenuerant. 2 ) Die Grenzen des Klostergebietes haben hier wohl nie eine Veränderung erfahren, sondern blieben so, wie sie der von 1177 datierten Urkunde zu Grunde zu liegen scheinen. 1268, in einem Diplom des Fürsten Waldemar, läßt sich als Scheide der Klosterdörfer Stäbelow, Wilsen und Parkentin die Niederung des Waidbaches erkennen, an dessen Westseite sich, wie heute, Bliesekow, Konow und Hanstorf erstreckten. 3 ) Es ergiebt sich hieraus zugleich, daß Neuhof damals noch nicht bestand, sondern erst später auf dem nach dem Bache zu gelegenen Theile der Hastorfer Feldmark angelegt wurde 4 ) Auch zwischen Hastorf und Glashütten erfolgte 1341 eine Grenzberichtigung (zwischen dem Kloster Doberan und Johann Axekow), 5 ) so daß es nur für die Scheide von Ibendorf und Hastorf an dergleichen Nachrichten bisher fehlt. 6 )

Im übrigen waren die Grenzen des ursprünglichen Abteigebietes zugleich Landesgrenzen der Herrschaft Rostock, und zwar so, daß im Westen, nach der Meklenburgischen Seite hin, beide völlig zusammenfielen, während im Süden die Herrschaft Werle nur theilweise sich mit den Doberaner Besitzungen unmittelbar berührte. Für die Fest=


1) Dies deutet auch Crull an (Jahrb. 52, S. 113).
2) M. U.=B. 4069, 1259, 1618, 1682, 1836, 8765.
3) M. U.=B. 1143. Der Grenzgraben, welchen die Bauern von Wilsen durch jene Niederung (palus) gezogen hatten, wird verlängert nach Süden usque in fines abbatie versus Sthobelowe, nach Norden bis zur Konower Brücke und weiter abwärts bis zum Klosterdorfe Glashütten, womit zugleich auch die Grenze zwischen Hastorf und dem in der Urkunde nicht genannten Parkentin bestimmt ist. Vergl. M. U.=B. 5505 (1334), wo als bisherige Scheide zwischen den Axekowschen Besitzungen und einer Wiese bei Parkentin genannt wird antiquum et majus fossatum, quod fuit hactenus distinctio terminorum abbacie, sicut expresse continetur in priuilegio a quondam nobili domino - Woldemaro - dato.
4) Nienhoff 1383; to deme Nyenhaue in deme karspell to Johanstorpe 1498 (Lisch, urkundl. Gesch. des Geschlechts von Oertzen, II b, S.304). Bei Neuhof liegt am Moore ein mittelalterlicher Burgberg (Jahrb. 48, S. 296; vergl. Raabe, Mecklb. Vaterlandskunde I, S. 485).
5) M. U.=B. 6113. Die Scheide soll verlaufen per nouum fossatum, yuod ab amne - Dosenbeke vsque ad alium riuum -- Kannenbeke super montem interpositum - protenditur. Die kleine Feldmark Hütten grenzt jetzt nicht mehr an Hastorf; entweder handelt es sich um die Stelle, wo später Neuhof entstand, oder Hütten dehnte sich damals auch über den Hütter Wohld aus, welcher im Süden sich mit Hastorf berührt. Aufschluß darüber würde jene Grenzbestimmung gewähren, deren Angaben für den Ortskundigen vielleicht noch verständlich sind.
6) Der Ibendorfer Forsthof wird zum Kirchspiel Hanstorf gerechnet.
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stellung der politischen Grenze ist aber zu beachten, daß mit dem Kröpeliner Archidiaconat sich das Klostergebiet später nicht ganz deckte, da letzteres schon früh einige Einbuße erlitt, so daß es in südwestlicher Richtung die kirchliche Scheidelinie nicht mehr erreichte.

Zu den Schenkungen Pribislavs gehörten nach Bernos Zehntenverleihung (1177) auch quatuor ville in Cubanze, sc. uilla Bruze, Germari et due ville Brvnonis, welche an letzter Stelle, unmittelbar vor der westlichen Grenzbestimmung (collis Dobimerigorca), angeführt sind. Dasselbe geschieht auch 1192 in Burwy-s Urkunde, welche bei Aufzählung der übrigen Klosterdörfer die Hauptrichtung von Osten nach Westen erkennen läßt. Im Doberaner Diplomatar, welches die Urkunde mittheilt, ist zu Bruze am Rande die Glosse hinzugefügt: Bruze in slauico est Thidericus in theutonico, 1 ) womit auf Diedrichshagen hingedeutet zu werden scheint. Auch 1230 und 1232 in Brunwards Bestätigungsbriefen, stehen vier Ortschaften in Cobanze zuletzt (hinter Reddelich), jedoch mit der Aenderung, daß statt Bruze und villa Germari, welche ganz fehlen, Crupelin und Brusowe, die erst an dieser Stelle genannt werden, vor den beiden ville Brunonis eingeschaltet sind. Aus allen diesen Angaben dürfen wir zunächst wohl soviel entnehmen, daß die vier von Pribislav verliehenen Orte an der westlichen Grenze der Abtei, in der Nähe der Stadt Kröpelin und des Kühlungsberges, zu suchen sind. Es liegt nahe, bei den ville Brunoins und Germari an Brunshaupten und Gersdorf (Amts Bukow) zu denken, 2 ) welche beide in dieser Gegend liegen. Aber für die Dörfer Brunos bestätigte noch 1232 Bischof Brunward den von Berno verliehenen Zehnten. Andrerseits hatte Neukloster 1219 in indagine in uilla, que dicitur Bruneshovede, 30 Hufen und erhielt im gleichen Jahre die Zehnten dort von Brunward verliehen und 1235 bestätigt. 3 ) Hiernach bestanden verschiedene Feldmarken ähnlichen Namens neben einander, es müßte denn durch Mißverständniß oder Fälschungen der Thatbestand verdunkelt sein. Dagegen spricht aber, daß gerade die Diplome von 1232 und 1235 im Originale vorliegen und keinen Anlaß zu Verdächtigungen gegeben haben. Auch kann ville Brunonis nicht als Ubersetzung von Bruneshovede (Brunshaupt) gelten. Der Name Gersdorf, welcher in älteren Urkunden sich nicht vorfindet (1412 Gherstorp),


1) M. U.=B. 152 n.
2) So vermuthet Beyer (Materialiensammlung). Wigger (Jahrb. 28, S. 238) sucht die Dörfer, da sie sich später nicht im Besitze des Klosters befinden, in der Gegend von Boldenshagen und Wittenbeck. Vergl. Kompart a. a. O., S. 14 und 15.
3) M. U.=B. 406, 254, 255, 429.
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scheint auf villa Gerhardi zurückzuleiten, wie Gerdshagen (Amts Bukow) auf Gerardi indago; dagegen heißen Germerstorp (1236) und Germershaghen (1322) jetzt Jarmstorf und Jarmshagen. Auch ist die Lage Gersdorfs (südwestlich vom Diedrichshäger Berge) mit der als Kühlungsberg gedeuteten Grenzbestimmung Dobimerigorca nicht in Einklang zu bringen. Es scheinen demnach Dorfnamen ähnlichen Klanges durch Zufall in dieser Gegend zusammengekommen zu sein. - Es sind auch Anzeichen dafür vorhanden, daß die fraglichen Orte innerhalb des Kirchspiels Kröpelin (resp. Steffenshagen) gelegen haben. Kröpelin und die beiden Dörfer Brunos, nach Bernos Angabe von Pribislav geschenkt und in Heinrich Burwy-s Verleihungsbrief (1192) bestätigt, werden in den folgenden Urkunden 1 ) (von Papst Innocenz III. 1209, von Heinrich Burwy 1218 und von den Söhnen desselben 1232), welche alle den weltlichen Besitz des Klosters betreffen, vermißt und scheinen daher der Abtei abhanden gekommen zu sein. Die 1177 verliehenen jura ecclesiastica wurden aber dadurch nicht berührt, wie auch die Ansprüche auf die Zehnten zunächst nicht aufgegeben sein werden, gemäß der von Berno getroffenen Bestimmung: si quicquam ex hiis prediis in futurum - subtractum fuerit, decime tamen nichilominus illis perpetuo permanebunt. In den auf die Zehnten und die geistlichen Rechte bezüglichen Urkunden Brunwards, sowohl in der abschriftlich erhaltenen (1230), als auch im Originale (1232) erscheinen denn auch die ville Brunonis mit Cropelin wieder. 2 ) Wir werden damit zunächst auf denjenigen Theil des Kröpeliner Archidiaconats hingewiesen, in welchem die späteren Urkunden von keinerlei Besitzrechten des Abtes mehr wissen. Es sind dies außer Kröpelin selbst die Dörfer, welche sich an die Stadtfeldmark und an Brusow in südlicher und westlicher Richtung anschließen. Der Bischof wird nach der von ihm citierten Anordnung seines Vorgängers verfahren haben: si forte processu temporis quicquam ex ipsis prediis abalienari contingeret, decime tamen fratribus et jura ecclesiastica perpetuo permanerent. 3 ) Die beiden anderen Cubanze=Dörfer, welche seit


1) M. U.=B. 152, 191, 239, 391.
2) M. U.=B. 380, 406.
3) Es ist zweifelhaft, ob der Zehntenverleihungsbrief Bernos, welcher dem ersten, das eigentliche Abteigebiet betreffenden Theile der Urkunden von 1230/32 vorlgelegen hat, der uns überlieferte von 1177 war oder ein anderer, der uns sonst nicht bekannt ist. Die erwähnten Worte stimmen mit dem entsprechenden Satze in Bernos Urkunde nicht genau überein, sind aber im Sinne derselben gesprochen. Die Abweichungen bei Aufzählung der einzelnen Ortschaften mögen Veränderungen, welche im Verhältniß der Feldmarken zu einander inzwischen eingetreten waren, Rechnung tragen.
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1192 aus den Urkunden verschwinden, werden von Brunward wohl deswegen übergangen, weil sie als selbstständige Feldmarken nicht mehr vorhanden waren. Von dem Namen Bruze hatte man, nach der erwähnten Glosse zu schließen, auf dem Felde des Klosterdorfes Diedrichshagen später vielleicht noch Kunde. Ob auch die villa Germari in dem der Abtei verbliebenen Gebiete gelegen hatte, wird nicht angedeutet.

Zu dem vom Klosterlande ausgeschlossenen Theile der Doberaner Präpositur gehörten jedenfalls (westlich von den Klosterdörfern Brusow, Jennewitz und Diedrichshagen) die Ortschaften Kröpelin, Schmadebeck, Detershagen und Hanshagen. Auf die Existenz eines Bauerndorfes Schmadebeck weist zuerst der magister ciuium in Smedebeke hin, welcher 1250 in einer Urkunde des Fürsten von Rostock als Zeuge auftritt. 1 ) Geraume Zeit später erscheint das Dorf als Oertzenscher Besitz (zuerst 1334) und wird 1377 als dat mêne sâmede gôd des Gescklechts bezeichnet. Nachdem schon verschiedene Einkünfte und Rechte dem benachbarten Kloster veräußert waren (1372 und 1377), verliehen diesem 1384 die Herzöge das von Hermann von Oertzen verkaufte Dorf tho der Smedebeke, welches damit an die Abtei gewissermaßen wieder zurückgelangte. 2 ) Auch Detershagen wird schon in jener Urkunde von 1250 gelegentlich erwähnt. Wie nämlich 1347 von den Fürsten Albrecht und Johann bestätigt wurde, hatte 1250 Burwy von Rostock seiner Stadt Kröpelin außer einem campus, qui dicitur Wentveld, einen Wald verliehen, als dessen Grenzen der fluuius Zyme und der de Indagine Thethardi fließende riuus molendini angegeben werden. Unter dem ersteren, dessen Name an das nahegelegene Dorf Siemen erinnert, ist die Altenhäger Bek zu verstehen, welche an der Südseite von Kröpelin und Detershagen nach Westen fließt. Der Mühlbach ist das Gewässer, welches vom Hofe Detershagen her nahe der westlichen Scheide desselben nach Süden läuft und in die Altenhäger Bek einmündet. Im Uebrigen dienen als Scheide colliculi, welche sich von dem Mühlbache über die Konebeke 3 ) hinweg wieder bis zum Flusse Zyme hinzogen, also das Stadtholz im Norden und Osten umschlossen. Das letztere umfaßte demnach ursprünglich auch den südlichen Theil der jetzigen Detershäger Feldmark. Ebenso wie bis 1250 dieser Wald, erscheint auch Detershagen später in fürstlichem Besitz. Denn 1315 verkaufte in einer bisher nicht an=


1) M. U.=B. 642.
2) M. U.=B. 5490. Lisch. a. a. O., I, No. 100, 103, 107 - 112.
3) Dies kann wohl nur der Bach sein, welcher östlich vom Detershäger Mühlbache gleichfalls in den Altenhäger einfließt.
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gefochtenen Urkunde (überliefert durch ein Transsumpt von 1414) Fürst Heinrich von Meklenburg an Eberhard Moltke den hoff to deme Deterdeshagen, wie er ihn besessen habe, u. a. mit dem Mahlzwange over Cropelyn vnde ouer den Deterdeshagen und dazu auch über die beiden Orte den Vierzwang. 1 ) Es wird demnach vom Hofe ein Dorf Detershagen zu unterscheiden sein, über welches die genannten Rechte sich erstreckten. Daß Derartiges auch für Kröpelin in Anspruch genommen wurde, obwohl der Ort seit längerer Zeit eine Stadt war, kann nicht besonders auffallen, da auch von anderen kleineren Städten Aehnliches schon um diese Zeit berichtet wird. 2 ) Auch schon vor 1315 waren vermuthlich in dieser Gegend Glieder des weitverzweigten Moltkeschen Geschlechtes ansässig. Der gleichnamige Vater jenes Eberhard (in Rostock und bei den Fürsten mehrfach genannt) beglaubigte 1306 mit seinem Siegel eine aus Rabenhorst datierte Urkunde und begegnet im folgenden Jahre als Zeuge bei Rath und Bürgerschaft von Kröpelin. 3 ) Zwar finden wir später mehrere Hufen zu Detershagen im Besitz der Familien Oertzen (1334 - 50) und Stralendorf (1354), welche beide auch auf der Stadtfeldmark Kröpelin begütert waren. 4 ) 1374 verkaufte aber Johann Moltke (auf Toitenwinkel) dem Kloster Doberan eine Hufe, ville Deterdeshaghen adjacentem. 5 ) Eine im 16. Jahrhundert gefälschte Urkunde, nach welcher Herzog Albrecht 1376 dem Vicke Moltke die Belehnung über eine Reihe von Gütern, u. a. Detershagen, ertheilte, 6 ) scheint demnach, soweit es sich um älteren Besitz des Geschlechts in diesem Dorfe handelt, mit den Thatsachen nicht in Widerspruch zu stehen. Nachdem Heinrich Moltke 1394 und 1431 Geld auf das Gut entliehen hatte, verkaufte 1439 Klaus Moltke dath gansze dorp vnnd gudt thome Deterdesshagenn an Burchard von Oertzen. 7 ) Die ziemlich verwickelte Geschichte der Feldmarken Kröpelin und Deters=


1) M. U.=B. 3774.
2) Ueber Neubukow z. B. hatte der Ritter Heinrich von Stralendorf den Mühlenbann (M. U.=B. 2927). Ueber Gadebusch s. 2777.
3) M. U.=B. 3088, 3171 (vergl. 1259).
4) M. U.=B. 5490, 6514/15, 6527, 7063, 7058; 7993, 8011, 8015, 8039.
5) M. U.=B. 10535. Schon 1334 finden wir die Moltke in Boldenshagen (s. unten). 1336 (M. U.=B. 5680) verbürgte sich der Knappe Konrad Moltke (hier zuerst nach dem Gute Westenbrügge genannt) u. a. mit seinem Oheim Conrado Molteken milite (beide ihrer Herkunft nach nicht genau zu bestimmen) dem Kloster Doberan wegen einer Summe, für welche er eine von seinem verstorbenen Schwiegersohn Gödeke Plate verpfändete Hufe in Kröpelin wieder eingelöst hatte. Einer von diesen beiden Moltke ist wohl der advocatus (Schirmvogt ?) des Klosters 1337 (M. U.=B. 6596, (S. 726).
6) Saß, urkundl Gesch. des Geschlechts von Oertzen, Bd. VI c, S. 41 ff.
7) Jahrb. 9, S. 302 ff. Saß, a. a. O., S. 38.
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hagen näher zu verfolgen, muß einer speciellen Topographie derselben überlassen bleiben. - In dem benachbarten Hanshagen wohnte wohl Gherardus de Jorke de Johanneshagen, welcher 1361 in Rostock Urfehde schwören mußte. Später gehörte auch dieses Dorf den Moltke, welche es 1444 ebenfalls an Burchard von Oertzen veräußerten. 1 ) Unter den Dörfern, welche 1273 dem Kloster Zehnten zahlten, wird es ebensowenig genannt, wie die übrigen soeben besprochenen Ortschaften.

Mit Boldenshagen, Diedrichshagen (Kirchspiel Kröpelin), Wittenbeck und Bollhagen (Kirchspiel Steffenshagen) trat die Abtei wieder bis an die Kirchspielscheide hinan. Wenigstens hatte sie 1273 an allen vier Orten den Zehnten festgehalten. Diedrichshagen und Bollhagen sind auch, soweit wir Kunde haben, immer in Händen des Klosters gewesen. Zweifelhaft sind aber die Besitzverhältnisse in den beiden anderen Ortschaften. Da 1334 der Knappe Otto Moltke (Johanns Sohn) für Besitz in Boldewineshagen eine Geldsumme vom Kloster empfangen hatte, so wird auch dieses Dorf zu der Moltkeschen Begüterung gehört haben. Auch im Schadenregister von 1312 bleibt es unberücksichtigt, obwohl die benachbarten Abteidörfer (Bollhagen, Diedrichshagen, Steffenshagen etc. .), alle mehr oder weniger am Kriegsschaden betheiligt waren. Dasselbe gilt von Wittenbeck, wo gleichfalls Vasallenbesitz gelegen haben muß, da 1307 in Kröpelin (zugleich mit Eberhard Moltke) ein Knappe Conradus de Wittenbeke (Moltke?) erwähnt wird. 2 ) Das Wahrscheinlichste dürfte sein, daß in beiden Dörfern die Besitzer ihre Güter damals noch vom Abte zu Lehn trugen.

Die kirchliche Topographie blieb hier anscheinend so, wie sie gleich Anfangs festgestellt war. Nach dem Verzeichniß der Einkünfte (1319/20) besaß die Kröpeliner Pfarre eine Hufe in Detershagen, zwei in Diedrichshagen und eine in Brusow. Es sind dies jedenfalls die vier Dotalhufen, mit welchen Kirche und Pfarre innerhalb des Sprengels von Alters her ausgestattet waren. Daß eine Brusower Hufe an den Pleban von Kröpelin zu zahlen habe, wird auch 1283 berichtet. 3 ) Ueber das Kirchspiel Steffenshagen, dessen Pfarrer in dem Verzeichniß nur angiebt, daß er zwei Hufen sub aratro suo habe, besitzen wir aus älterer Zeit keine Kunde. Zu beachten ist,


1) M. U.=B. 8861. Lisch, a. a. O., II b, S. 122. - Hanshagen ist auch vielleicht der Ort Johannish[aghen], über welchen nach einer Rechnungsablage von 1364 (M. U.=B. 9317, S. 457) Rostocker Rathssendeboten nach einer Zusammenkunft mit den Lübeckern zurückkehrten.
2) M. U.=B. 5504, 3171.
3) M. U.=B. 1677.
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daß Fulgen früher nicht in Brunshaupten, sondern in Steffenshagen eingepfarrt war. 1 ) wie auch die älteren Staatskalender noch angeben. Westlich, nach der Meklenburgischen Seite hin, grenzten an das Doberaner Archidiaconat die Kirchspiele Brunshaupten, Biendorf und Westenbrügge. Das erstgenannte, wo schon 1237 plebanus Thethardus genannt wird, finden wir später ganz im Besitz Neuklosters und unter dem Bannrechte des dortigen Propstes (vergl. Abschnitt III); wie bei dem geringen Umfange zu vermuthen ist, war es durch Abtrennung von einer benachbarten Kirche entstanden, etwa von der AltGaarzer, welche 1230 bezeugt ist. In Biendorf und Westenbrügge geben die Urkunden zuerst 1320 Pfarrer an. 2 ) Der kirchlichen Eintheilung entsprechend würde die Meklenburg - Rostocker Landesgrenze zu ziehen sein zwischen den Dorfreihen

Brunshaupten, Wichmannsdorf, Horst, Gersdorf, Harmshagen, Sandhagen, Westenbrügge, Parchow. Fulgen, KleinBollhagen, Wittenbeck, Diedrichshagen, Boldenshagen, Hanshagen, Detershagen.

Von der jetzigen Feldmark Detershagen ist der Urkunde von 1250 zufolge, wenn die oben gegebene Deutung der Grenzen des Kröpeliner Stadtholzes richtig ist, jedenfalls der südliche Theil der Herrschaft des Fürsten Burwy zuzuweisen. Aber auch für die alte Feldmark dieses Namens ergiebt sich der gleiche Zusammenhang; denn wenn dieselbe mit einer Stadt der Herrschaft Rostock durch den Mühlenbann verbunden war, ist nicht anzunehmen, daß beide durch eine politische Grenze von einander getrennt wurden. Als die Verleihung durch Heinrich von Meklenburg erfolgte (1315), war dieser noch Statthalter des Fürstenthums Rostock. Daß in letzterem auch die 1273 und 1312 genannten alten Klosterdörfer Diedrichshagen und Bollhagen lagen und vom übrigen Abteigebiet in politischer Beziehung nicht abgesondert waren, kann wohl als selbstverständlich gelten, zumal da die Gegend bis zum Hügel Dobimerigorca schon vor der Hauptlandestheilung zu dem Gebiete eines Rostocker Fürsten gerechnet wurde (s. Abschnitt IV). Ferner ist bemerkenswerth, daß die ältesten über die Vogtei Schwaan vorhandenen Register, welche ich eingesehen habe, bei Aufzählung der zugehörigen Dörfer die Archidiaconatsgrenze nirgends überschreiten. Wohl aber werden in den (übrigens nicht ganz vollständigen) Verzeichnissen von 1428/29 u. a. aufgeführt: Johanneshagen, Boldenshagen, Wittenbek,


1) Nach Visitationsprotokoll 1573 im Kirchspiel Steffenshagen "die Volg bey dem Brunsheiden".
2) M. U.=B. 462, 380, 4177, 4201 n.
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Diderikeshagen. Auch die Stadt Kröpelin wird hier mehrfach genannt.

Eine Ergänzung zu diesen Angaben bietet ein auch sonst in topographischer Beziehung werthvolles Register, welches Beyer in seiner Sammlung mittheilt. Dasselbe bezieht sich auf eine Theilung der Vogtei Bukow, welche am 29. Februar 1412 durch den Herzog Albrecht III. und dessen Brudersohn Johann vorgenommen wurde, und macht in dem einen, östlich (nach Doberan hin) liegenden Theile die einzelnen Dörfer, nach Kirchspielen geordnet, namhaft, während der zweite Antheil nicht specificiert ist. Es lagen demnach im Amte Bukow: im Kirchspiel Brunshouede: Marendessee (Arendsee), Brunshouede mit dem Hofe; im Kirchspiel Byendorpe: Wyskure, Wichmenstorpe, der Hof zu Buttelkow, die Horst, Ghersstorpe, Hermenshaghen, Byendorpe; im Kirchspiel Westingebrugghe: Hof und Dorf Westingebrugghe, zum Vlenbruke, Crempin, Hof Korchow, Nyenhaghen, Hof Malmendorpe, Hof Jordenstorpe, Hof Vnsteden, Parchow. 1 )

Bei der Vollständigkeit dieser mit dem jetzigen Kirchspielbestande 2 ) übereinstimmenden Angaben ist kaum zu glauben, daß zur Vogtei Bukow noch andere, weiter östlich gelegene Dörfer gehörten. Wir sind vielmehr zu der Annahme berechtigt, daß das Amt Bukow, welches im übrigen mancherlei Veränderungen erfuhr, in dieser Gegend seine alte Ausdehnung behalten hatte, im Anschlusse an die früheren, den Kirchspielen folgenden Herrschaftsgrenzen. 3 ) Es fehlt auch nicht an älteren Nachrichten, welche darauf schließen lassen, daß die Grenzdörfer der drei Pfarrsprengel in demjenigen Landestheile lagen, welcher ca. 1229 an Johann von Meklenburg gekommen war.

1271 bestätigte Fürst Heinrich von Meklenburg dem Kloster Neukloster Bruneshoveth cum duobus molendinis adjacentibus. Wichmannstorp gehörte zu denjenigen Dörfern des Landes Bukow,


1) An Belegen aus früherer Zeit sind anzuführen: 1339 Crempin - in parochia Westingbrugge (M. U.=B. 5984, 5987). - 1387 (M. U, Aug. 10.) heißt es, daß für einen Neubau des Chores der Biendorfer Kirche die Geschworenen des Kirchspiels verkauften 1/2 Hufe, de de lycht tho deme Hermenshagen - de de het sunte Laurenses halue houe (bezeugt u. a. von einem Einwohner tho Wysschur - vnde der gantzen meynhet des kerspels).
2) Nur Malpendorf jetzt im Kirchspiel Neubukow.
3) Nach der vorhin erwähnten gefälschten Urkunde des 16. Jahrhunderts verliehen (1376) die Herzoge den gansen Detershagen - den Koterhagen (?) - höchstes Gericht etc. . in dem bleke tho Cropelin - den gansen Hanshagen, Wendeschen Mulsow - vnde dat dorp Vlenbrock, alle in vnser vogedye tho Tzwan vnde tho Bukow tho belegen.
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in welchen nach Clandrian derselbe Fürst 1295 vom Schweriner Bischof Zehnten zu Lehn besaß. Als Heinrich II. 1318 Bede, Gericht und Dienste in Kägsdorf, Niendorf, Horst und Westenbrügge an Heinrich von Bülow verpfändete, 1 ) hatte er zwar seit einigen Jahren die Herrschaft Rostock erworben. Aber da die beiden ersteren, wie sich aus ihrer Lage (westlich von Brunshaupten und Wichmannsdorf), für Kägsdorf auch aus Urkunden ergiebt. 2 ) schon früher in der Herrschaft Meklenburg und im Lande Bukow lagen, so wird dasselbe auch von den beiden anderen Dörfern gelten. Zur Herrschaft Rostock hatte auch sicherlich Harmshagen nicht gehört. Denn der Vasall Johannes de Haghen, in dessen Gütern zu Hermenshaghen, wie der Fürst 1314 beurkundete, das Kloster Doberan eine jährliche Rente zu erheben hatte, kommt auch vor 1314 nur in der Umgebung Heinrichs von Meklenburg vor, dessen Verfügung über Einkünfte aus NeuGaarz (1303) und Buschmühlen (1305) jener in Verein mit mehreren Vasallen des Landes Bukow in Wismar bezeugte. Außerdem aber bestimmte 1314 der Fürst, daß das Kloster jene Rente jährlich in Empfang nehmen solle ex parte fidelis nostri aduocati Ottonis dicti de Lv, militis. Dieser wird als Vogt bereits in früheren Urkunden bezeichnet (zuerst 1303), verfügte über Besitzungen in Buschmühlen (1305), in Wustrow (1310), war also zweifellos Vogt von Bukow und als solcher mit Zustellung der Harmshäger Hebungen beauftragt. Da ferner die von der Lühe in der Herrschaft Rostock bis 1312 überhaupt nicht vorkommen, desto öfter aber bei den Meklenburger Fürsten, so wird man umsoweniger umhinkönnen, für das alte Gebiet der letzteren auch Parchow in Anspruch zu nehmen, wo 1322 Gerhard und Heidenreich von der Lühe (Neffen des Vogtes Otto), unter Gewährleistung mehrerer Geschlechtsgenossen eine von Dorfeingesessenen aufzubringende Rente verkauften. 3 ) - Im Kirchspiel Westenbrügge finden wir 1412 außer Unstede, 4 ) wo 1295 Fürst Heinrich die Zehnten verpfändete, noch ein anderes Dorf verschollenen Namens, Nyenhaghen. Denn die nahe gelegenen gleichnamigen Ortschaften des Kirchspiels AltKarin können dafür nicht in Frage kommen, da 1412 auch in diesem ein Nyenhaghen (Hof und Dorf) verzeichnet steht. Der Ort ist vielmehr


1) M. U.=B. 1215, 2362, 3970.
2) M. U.= B. 1744, 2362.
3) M. U.= B. 3679, 2846, 3044, 3411, 4356.
4) Nach einer Urkunde von 1384 (M. U., Mai 15.) grenzte es an Westenbrügge. Nach Saß (a. a. O., VI c, S. 23) ist es im wesentlichen in Lehnenhof (westlich von Westenbrügge) untergegangen, kommt also für die politische Grenze nicht in Betracht.
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in der Nähe des zu Westenbrügge eingepfarrten Körchow (1295 Corghow im Fürstenthum Meklenburg) zu vermuthen. 1374, 14. September, verpfändete Herzog Albrecht das höchste Gericht über den Hof zu Korchowe und ouer den Nyenhaghen (M. U.=B. 10627). Wahrscheinlich liegt jetzt ungefähr an der Stelle die 1412 nicht erwähnte Grenzfeldmark Sandhagen, welche sich mit Körchow unmittelbar berührt.

Zu umständlichen Verhandlungen gab, wie hier beiläufig erwähnt werden mag, später ein Grenzstreit Anlaß, welcher sich zwischen dem Kloster Doberan und dem Knappen Heinrich von Bülow auf Plüschow erhoben hatte. Einige Bauern des letzteren im Dorfe Horst hatten sich nach Angabe des Abtes von mehreren Ackerstücken in terminis ville Diderikeshaghen den Zehnten (decimam a tempore prime fundacionis monasterii a predecessoribus nostris pacifice possessam) mit Gewalt angeeignet. Nachdem der Abt vergeblich versucht hatte, auf gütlichem Wege wieder in den Besitz desselben zu gelangen, zog er die Angelegenheit vor die dazu bestellten geistlichen Richter und ging gegen die Bauern mit Bann und Interdict vor. Nun rief der Herzog Heinrich die Parteien nach Güstrow, wo die Entscheidung gefällt wurde, daß der Abt coassumptis sibi de fratribus sex ad hoc ydoneis das streitige Ackerstück, seinen friedlichen Besitz und seine Grenzen mit einem Eide wiedererlangen und behaupten müsse. Am 2. Mai 1455 fanden sich daher in campo finium - villarum Diderikeshaghen in parrochia Cropelin et ville Horst in parrochia Biendorp die vom Herzog als Richter verordneten Räthe mit Notar und Zeugen ein, ebenso auch der Abt mit 6 Doberaner Geistlichen; die Gegenpartei hingegen blieb aus. Nachdem der Abt den Hergang berichtet hatte, betraten er selbst und seine 6 Helfer das streitige Feld, indem sie das Bild der Maria (ihrer Schutzpatronin) vor sich hertrugen. Nachdem sie auf die Gegenpartei bis Sonnenuntergang (vel quasi) vergeblich gewartet, forderten und erlangten sie, daß ihnen das Eigenthum des Landstückes zugleich mit dem Zehnten zugesprochen wurde. Die über die Gerichtsverhandlung ausgefertigte Urkunde wurde bezeugt u. a. von Hinrico Burren, aduocato - principis in castro Ziwan, während in der das Urtheil enthaltenden Urkunde der Vogt von Schwaan zwar nicht unter den Zeugen, aber als vierter unter den Schiedsrichtern erscheint. Beigelegt war übrigens der Streit auch hiermit noch nicht. Erst am 9. September 1464 erfolgte die endliche Schlichtung: 10 Jahre lang sollten Heinrich von Bülow und seine beiden Bauern den Acker benutzen und an den Abt den Zehnten davon entrichten; nach Ablauf dieser Frist sollten aber Abt und Convent jenem eine Entschädigungssumme von 15 Mark zahlen; dann wird das Feld dem Kloster

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gantzliken vnde brûkelken - tôbehôren quyd vnde vryg sunder argelist. 1 )

Die Grenze, welche die beiden Fürstenthümer trennte, scheint sich ursprünglich an einige Wasserlinien angelehnt zu haben. An der Scheide nämlich von Brunshaupten einerseits, Fulgen und Bollhagen andererseits fließt der Fulgenbach, welcher ein ziemlich scharf ausgeprägtes Thal bildet, das sich längs des von Süden her einmündenden Wittenbecker Baches fortsetzt. Letzterer läuft unweit der Kirchspielgrenze über die Feldmark Wittenbeck hinweg und führt, aufwärts verfolgt, in die Nähe des Kühlungsberges. Von diesem genau nördlich liegt die Stelle, wo der Fulgenbach (sogleich nachdem er von Südwesten her die Brunshauptener Bek in sich aufgenommen hat) das Meer erreicht. Auf der anderen Seite des Kühlungsberges zog sich die Grenze in südlicher Richtung an den Detershäger Mühlbach, welcher zusammen mit einem Abschnitt des fluuius Zyme die Feldmark Detershagen und das Kröpeliner Stadtholz von Meklenburg schied.


An zwei Stellen erstreckte sich das Doberaner Archidiaconat bis an die Grenze der Herrschaft Werle, welche es mit der Südseite des Kirchspiels Kröpelin und mit Stäbelow berührte. Die Altenhäger Bek (Zyme), bis zu welcher 1250 der Wald des Fürsten von Rostock sich ausdehnte, begrenzt das Stadtgebiet von Kröpelin und die Feldmark Schmadebeck im Süden und bildete allem Anschein nach auch hier genau die Landesscheide. 2 ) Der magister ciuium in Smedebeke, welcher bei Verleihung jenes Holzes vom Fürsten als Zeuge hinzugezogen wurde, wohnte schwerlich außerhalb der Herrschaft Rostock. Näheres Eingehen erfordert aber das nordöstlich sich anschließende Brusow. Dasselbe wäre unbedingt in die Herrschaft Meklenburg zu verlegen, wenn wirklich der Fürst Heinrich 7 dort von Dethard Preen dem Kloster Doberan geschenkte Hufen 1270 verliehen hätte. Es bestehen dagegen aber erhebliche Bedenken, da andere Thatsachen deutlich dafür sprechen, daß der Ort ein Dorf im Lande Rostock war. Noch 1231 hatten die vier Fürsten dem Abte auch Brusow bestätigt, welches demnach bis dahin nicht, wie Kröpelin u. a., dem Kloster entfremdet war; daß aber ein


1) Die hierauf bezüglichen Urkunden sind alle abgedruckt bei Lisch, a. a. O., II b, S. 157 ff.
2) Daß M. U.=B. 642 (1250) der Fürst weder den Mühlbach noch den fluuius Zyme als Grenzen seiner Herrschaft bezeichnet, ist leicht erklärlich, wenn man annimmt, daß er nur den Wald bis an jene Bäche, nicht aber seinen Antheil an diesen Gewässern selbst der Stadt Kröpelin verleihen wollte.
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einzelnes Klosterdorf von dem übrigen Doberaner Güterkomplex im Fürstenthum Rostock durch Landestheilung sollte losgerissen sein, ist mit Recht zu bezweifeln. Auch die alte Verbindung mit der Doberaner Präpositur und dem Kirchspiel Kröpelin spricht gegen eine solche Annahme. Ferner ist an die Lage des Dorfes zu erinnern, welches durch Kröpelin, Detershagen und Schmadebeck von den nächstgelegenen Meklenburgischen Ortschaften völlig abgeschnitten ist. Dazu kommt, daß 1280 (M. U.=B. 1553) der Fürst von Rostock der Stadt Kröpelin eine Hufe Ackers schenkte, welche Wedekinus de Brusowe et fratres sui, aucupes nostri, possederunt. Endlich wird in den Registern der Vogtei Schwaan aus dem 15. Jahrhundert auch Brusowe angeführt. Der Widerspruch löst sich, wie ich glaube, dadurch, daß es sich 1270 garnicht um dieses Dorf handelte. Denn die im Originale vorliegende Urkunde spricht von einem Orte Brutzowe, während jenes so häufig genannte Klostergut stets Brusowe geschrieben wird. Es ist daher nicht an eine unregelmäßige Schreibart, sondern an ein anderes Dorf in der Herrschaft Meklenburg zu denken, welches aufzufinden bisher nicht gelungen ist. 1 ) Die 7 Hufen des Thethardus (qui et Hinricus Pren appellatus est) wurden zugleich verliehen mit 2 Hufen in Drussecowe (Drüschow, Kirchspiel Neubukow). Vielleicht ist in dieser Gegend, wo das Geschlecht der Preen begütert war, 2 ) ein untergegangenes Brutzow zu suchen, zumal die Urkunde von 1270 zwar von Wismar datiert ist, aber in Bukow verhandelt wurde.

Die Grenzdörfer des zwischen Brusow und Stäbelow in das Klostergebiet einschneidenden Kirchspiels Hanstorf sind außer Bliesekow, welches schon in anderem Zusammenhange vorkam, Gorow und Clausdorf. Der Ritter Wolterus de Gorowe erscheint 1250 bei Burwy von Rostock und war auch als Zeuge zugegen, als 1268 Fürst Waldemar die Grenze von Hanstorf, Konow und Bliesekow feststellte. 1340 war Deneke von Oldenstad erbgesessen zu Gorow; 3 ) vorübergehend bildete dann das Dorf einen Theil der großen Axekowschen


1) Zu näherer Nachforschung gab eine im Repertorium der Doberaner Klosterbriefe auszüglich mitgetheilte Urkunde Anlaß, nach welcher 1453 Herzog Heinrich einen Theil von der Bede aus den Dörfern Bruschow und Arendsee in der Vogtei Bukow verkaufte. Wie nun aber Archivar Dr. Saß nach Einsicht des Originals mittheilt, hat das Original anstatt Bruschow Brunshovede, für dessen abgekürzte Form in der Registratur auf der Rückseite unrichtig Bruschow geschrieben ist, ein Fehler, der in das Repertorium übergegangen ist.
2) Z. B. hieß Hinricus Pren dictus Stenhus nach dem Dorfe Steinhausen (Kirchspiel Neuburg). Vergl. M. U.=B. 2863.
3) M. U.=B. 640, vergl. 686; 1143, 6024.
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Begüterung, 1 ) fiel aber später an eine Linie der von Oertzen, deren Besitz zuerst ca. 1525 bezeugt wird. Auf der Feldmark wurde von ihnen um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts Clausdorf angelegt, welches, anfangs als NeuClausdorf bezeichnet (zur Unterscheidung von Clausdorf, Amts Bukow) eine Pertinenz des Hauptgutes Gorow bildete. 2 ) Mit Stäbelow, dessen Zugehörigkeit zum Rostocker Lande sich in der Grenzbestimmung von 1268 bemerkbar macht, reichte wieder die Abtei bis an die Südseite des Fürstenthums hinan. Weiter östlich vorschreitend gelangen wir an die drei Grenzdörfer der Drenow. Ein directes Zeugniß liegt nur für Papendorf vor, welches von der Fürstin Agnes 1286 der Petrikirche zu Rostock bestätigt wurde und ihren Vorfahren ab antiquo gehört hatte. 3 ) In Nigendorpe und Sthoue (KleinStove?) hatten nach einem etwa um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts verfaßten Verzeichnisse illi de Babben, welche früher als Vasallen der Fürsten von Rostock deutlich hervortreten, 4 ) ein bischöflich Schwerinsches, aus Zehnten bestehendes Burglehn. 5 ) Sie hatten dasselbe aber wahrscheinlich schon weit früher inne. Denn Johann Babbe (marscalcus domicelli 1296 und 1298) tritt zugleich als Burgmann in Bützow auf; auch seinen Vater und einen Bruder finden wir in gleicher Stellung. 6 ) Es weist dies darauf hin, daß ursprünglich die Rostocker Fürsten von dem Bischofe mit dem Zehnten belehnt waren, bis derselbe in die Hände von Vasallen gelangte, vielleicht solchen, welche in den beiden Gütern bereits ansässig waren. Da 1296 Friedrich, Johann und Otto Babbe für den Verkauf des (an Klein und GroßStove grenzenden) Dorfes Kritzmow in einer Privaturkunde Gewähr leisteten, so liegt die Vermuthung nahe, daß sie in der Nachbarschaft des letzteren begütert waren.

Es ist nun ferner zu ermitteln, ob die kirchliche Trennungslinie in den Urkunden auf gleiche Weise von der Herrschaft Werle inne gehalten wird. Auch hier sind wir, da die alte Scheide beider Länder später nicht einmal als Verwaltungsgrenze fortbestand, im wesentlichen auf die älteren Nachrichten beschränkt.


1) Nach Urkunde von 1388, October 31.: Nienhoff, Ghurow, Johanstorpe, - Konowe, Hartestorpe.
2) Lisch, a. a. O., II b, No. 372 und II a, S. 6 und 7.
3) M. U.=B. 1868.
4) Nur einmal bei den Fürsten von Werle 1275 (M. U.=B. 1373). Die Urkunde 1895 ist von Heinrich von Werle als Vormund des Rostocker Fürsten ausgestellt.
5) Dies Burglehnverzeichniß ist mitgetheilt von Saß, a. a. O., VI c, S. 123 ff. (Lagerbuch des Stiftes Warin=Schwerin=Bützow).
6) M. U.=B. 1915, 2505, 2562.
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In dem östlich von der Warnow begrenzten Kirchspiele Buchholz werden, in Uebereinstimmung mit dem jetzigen Pfarrgebiete, namhaft gemacht Beens 1286, Warstorpe 1352 und Nienhusen 1353. Verleihungen fanden statt durch Heinrich von Werle 1275 für Polchowe, vielleicht durch Nicolaus 1270 für Benitz; 1 ) mit Ziesendorf, Fahrenholz, Nienhusen und Brookhusen belehnte 1301 Nicolaus II. die Gebrüder Ziesendorf. 2 ) Bolekowe - cum molendino adjacente, 1278 von den Fürsten Heinrich und Johann verkauft und 1281 dem Kloster Doberan überlassen, ist gleichbedeutend mit GroßBölkow (Bolecowe Major 1309, Teutonicum Bolecowe 1345). 3 ) Außer dem Kirchdorfe selbst, dessen Lage im Fürstenthum hiernach als gesichert gelten kann, berühren sich mit den Kirchspielen Biestow und Parkentin jetzt nur Fahrenholz und Pölchow. In campo ville Polechowe (intra Rozstock et Zywan 1340), also an der alten Landesgrenze und am Wege, welcher von Schwaan nach Rostock führte, schloß 1312 König Erich den Frieden mit der Stadt Rostock und dem Fürsten Nicolaus.

Heiligenhagen und KleinBölkow, welche Gorow und Klausdorf gegenüberliegen, bilden ein Kirchspiel für sich, welches jetzt im Tochterverhältniß zu Hanstorf steht, aber nach dem Bruchstücke eines Heberegisters (s. S. 270) ehemals selbstständig war. 4 ) Die Topographie beider Feldmarken muß in Zusammenhang mit den älteren Urkunden des von Heinrich Burwy dem Cistercienserkloster Amelungsborn (in Westfalen) geschenkten Hofes Satow vorgenommen werden. Wie wir aus dem kleineren Diplomatar des Klosters erfahren (M. U.=B. 300), bestätigte 1224 Bischof Brunward den Sprengel der Satower Kirche, zu welcher der Fürst 2 Dörfer und 4 indagines gelegt habe, nämlich


1) M. U.=B. 1829, 7656, 7739, 1367; 1270: Benizdorp (M. U.=B. 1191, 1202) hält das Register des Urkundenbuchs für Benitz (Amts Schwaan); es kann aber auch das bei Gielow untergegangene Darguner Klosterdorf Beniz gemeint sein. Uebrigens existiert vom Jahre 1384 eine Copie über Schenkung des Dorfes Benitz durch Heinrich von Werle an das Kloster Rühn (M. U.).
2) M. U.=B. 1367, 2743. Vergl 2497. Auch auf Huckstorf erhoben sie später Ansprüche Conradus de Brochhusen, seit 1271 oft bei Nicolaus von Werle, bekleidete das Amt eines claviger am Hofe.
3) M. U.=B. 1459, 1583, 3321, 6578, 6584.
4) In dem Lagerbuche (Saß, a. a. O., VI c, S. 123) heißt es: Item bona Axekow sunt in parrochia Indaginis sancti Spiritus, in Konow et Hartwichsstorp. Wenn hier die beiden letztgenannten Dörfer zum Kirchspiel Heiligenhagen gerechnet werden, so würde dies mit dem Heberegisterfragment, welches die Parrochien Hanstorf (u. a. mit Konow und Hastorf) und Heiligenhagen neben einander anführt, in Widerspruch stehen. Ich gebe aber vorläufig den Angaben dieses Schriftstückes den Vorzug, zumal da schon 1319 von einem als ecclesia bezeichneten Gotteshause in Hanstorf die Rede ist.
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Radegast, Rederank, Gerdshagen, Miekenhagen und zwei nicht mehr vorhandene Oerter: Sclauicalem Indaginem und Indaginem Marquardi. 1 ) Es ist hierin jedenfalls die älteste Nachricht über die Ausdehnung des Sprengels enthalten, wenn auch bezweifelt werden kann, ob die genannten Orte 1224 wirklich schon alle existierten. Es ist möglich, daß später der Pfarrsprengel in westlicher Richtung eine Erweiterung erfahren hat, da das Bukower Verzeichniß (1412) auch Wendischen Syme (KleinSiemen, jetzt Kirchspiel AltKarin) demselben hinzurechnet. 2 ) Hingegen glaube ich annehmen zu müssen, daß nach Osten hin die Grenze stationär geblieben ist, in Abweichung von Lisch, nach dessen Ansicht (Jahrb. 14, S. 60) das Kirchdorf Heiligenhagen aus dem östlichen Theile der Satower Feldmark hervorgegangen ist. Dagegen sprechen die Worte der beiden Urkunden des Fürsten Nicolaus von Werle, welcher (per nostrum dapiferum Heinricum - Gammen) 1244 die Grenzen des Hofes Satow und des Radelandes regulierte (M. U.=B. 556, 557). Hier heißt es u. a.:

Contulit etiam curie - pater noster siluam usque ad riuulum, qui Puzecowe dicitur, ad nouellandum, et holtmarke communiter - possidendam inter curiam et villam Bvlchowe (M. U.=B. 556 hat wohl richtiger Lucowe). Item inter curiam et villam Bvlchowe siluam habebunt communiter et ad nouellandum usque ad riuulum; item inter curiam et villam, que Puzecowe dicitur, totum spatium nouellauerunt fratres juxta viam, et terminus dilatatur usque ad locum - Honhorst.

Es grenzten demnach an Satow in der Richtung von Süden nach Norden: Lucowe (HohenLukow), Bvlchowe (KleinBölkow) und Puzecowe (Püschow). Der Fluß Puzecowe kann kein anderer sein als der Bach, welcher am Orte Püschow östlich vorbei mitten über dessen Feldmark nach Süden fließt, bis er an die Scheide von Heiligenhagen gelangt; 3 )


1) Meierhof Marxhagen, früher Pertinenz von Rederank, nach Lisch, Jahrb. 13, S. 125.
2) Dagegen fehlt 1412 Slavicalis Indago, welches daher vielleicht in KleinSiemen (Slavica villa Zymen 1322) wiederzuerkennen ist; indago Satowe (M. U.=B. 5134) ist gleichbedeutend mit dem Dorfe Satow, in welchem sich die Kirche befand (vergl. M. U.=B. 2729). Für Marxhagen lesen wir 1412 Jordenshaghen (Jürgenshagen), welches indessen in dem vermuthlich früheren Heberegisterfragment unter Parochia Nienkerke steht. Steinhagen und Horst werden jüngere Anlagen innerhalb der alten Pfarrgrenzen sein. Da der locus Honhorst (1244) zwischen Satow und Püschow lag, kann mit demselben Horst (an der entgegengesetzten Seite von Satow) nicht identisch sein, wie Lisch (S. 125) vermuthete.
3) Dazu stimmt vollständig die 1335 und 1350 (M. U.=B. 5595, 7067) beschriebene Grenze zwischen Satow und Püschow, que ibidem est et fuit hactenus ac fuisse dinoscitur ab antiquo. Dieselbe wird, im Süden (  ...  )
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von da abwärts bildet er zwischen letzterem und Satow noch heute mehr oder weniger genau die Grenze, wird sodann durch ein schmales Stück, Wokrenter Gebietes von HohenLukow getrennt und vereinigt sich weiterhin mit dem NeuKirchener Bache. Das den Mönchen zugewiesene Radeland soll nach der Urkunde dem Flusse ferne bleiben bei Püschow, denselben aber erreichen bei Bölkow und Lukow. Die Feldmark Heiligenhagen wurde demnach später nicht von Satow, sondern von KleinBölkow abgenommen, 1 ) welches, da ein Dorf dieses Namens 1224 im Satower Sprengel nicht vorkommt, zunächst einem benachbarten Kirchspiele, etwa dem Buchholzer, angehört haben wird. Der neu gegründete Ort wird zuerst erwähnt 1304 (Hilgengeysteshaghen, M. U.=B. 2964) und war späteren Nachrichten zufolge im Besitze des Heiligen Geist=Hospitals zu Riga. Dieses wird auf dem ihm überlassenen Theile von Bölkow das Dorf und die Kirche errichtet haben. Aus dem Heberegisterfragment erfahren wir nicht, welche Dörfer sub parrochia Indaginis Sancti Spiritus außer ipsa indago noch lagen. Doch kann der Pfarrsprengel sich schon damals kaum anders als in östlicher Richtung über KleinBölkow erstreckt haben, da fast alle Dörfer im Umkreise in jener Zeit nachweislich zu anderen Kirchen (Satow, Hanstorf, Retschow) eingepfarrt waren. 2 ) Für den politischen Verband des Kirchspiels scheint mir diejenige der beiden Urkunden für Amelungsborn, welche Nicolaus von Werle allein ausstellte, (das älteste über Satow erhaltene Originaldiplom) maßgebend zu sein. Da der Fürst zwischen Satow und Bölkow nicht nur die Scheide regulieren läßt, sondern auch die gemeinsame Holznutzung verordnet, so werden Heiligenhagen und KleinBölkow in der


(  ...  ) beginnend, festgestellt durch fossatum, quod incipit ab angulo campi Stritvelt, vbi campi curie Satowen et campi ville Putzecowen ac eciam campi indaginis Hilgengeysteshaghen apud riuum conueniunt; weiterhin verläuft die Scheide nicht flußaufwärts sondern wahrscheinlich durch das zwischen dem Bache und dem Hofe Satow gelegene Moor (usque ad paludem cespitum, per ipsam quoque paludem a directo ad campos curie se aliquatenus declinando).
1) Die Annahme von Lisch (Jahrb. 13, S. 126 ff.), daß das untergegangene Wildeshusen, in welchem der Vater des Nicolaus I. von Werle dem Kloster Amelungsborn zwei Hufen geschenkt hatte (M. U.=B. 396), an Stelle des späteren Heiligenhagen gelegen habe, ist unvereinbar mit der Grenzbestimmung von 1244, nach welcher das Gebiet der curie Satow am Püschower Bache endigte. Dasselbe gilt von der vermutheten Identität der zwei Wildeshusener Hufen mit den weit später (1304) vom Kloster Doberan erworbenen Heiligenhagener Hufen. Auch wird 1244 zwischen Satow und Bölkow noch kein anderes Dorf genannt.
2) Im südlich benachbarten HohenLukow wurde nach M. U.=B. 3359 eine Kirche gegründet (1308), aber wohl als Filiale von NeuKirchen.
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Herrschaft Werle gelegen haben. In der anderen ähnlich lautenden Urkunde, welche einem Amelungsborner Diplomatar entstammt (ohne Datum und ohne Zeugen), trifft zwar der Fürst seine Bestimmungen una cum fratre meo Hinrico dicto de Rodestok. Doch kann dies wohl hinlänglich daraus erklärt werden, daß der Klosterhof im Werle=Rostocker Gebiete, also in demjenigen Hauptlandestheile lag, welcher zeitweilig die specielle Herrschaft des Vaters der beiden Fürsten, von dem auch die Stiftung ausging, gebildet hatte. (Siehe Abschn. IV.)

Etwa gleichzeitig mit der Satower Kirche, deren Sprengelgrenzen demnach für die politische Eintheilung keine Bedeutung hatten, mögen die benachbarten Pfarren von Retschow und AltKarin ins Leben getreten sein. Wenigstens nennt sie Clandrian (M. U.= B. 420) zugleich mit Satow unter den Kirchen, über die schon 1233 das Kloster Rühn den Bann empfangen habe. Aus dem Jahre 1305 besitzen wir ein Schreiben, welches der Propst von Rühn plebano in Ritzekowe vniuersisque ecclesiarum rectoribus per eandem preposituram constitutis zukommen ließ. Das Patronat über die Retschower Kirche reservierte sich 1358 Herzog Albrecht. Fast das ganze Kirchspiel tritt 1355 auf, als die von Putzekow zu Lüningshagen und die von Babbe zu Teutschen Symen und Einhusen in Retschow eine Vicarei stifteten. 1 ) Ueber das weltliche Herrschaftsverhältniß des Kirchdorfes, dessen Feldmark jetzt theils unmittelbar mit Brusow sich berührt, theils von den Orten der Abtei Doberan durch den Jvendorfer Forst getrennt ist erhalten wir aus Urkunden vor dem Schwaaner Frieden (1301) keine Auskunft. Da aber 1302 2 ) Heinrich von Meklenburg dem Kloster Doberan Hebungen (auf Poel) schenkte pro omni dampno suo, quod recepit a nobis siue a nostris, et de castro Rethcekowe, so ist gewiß Lisch beizupflichten, welcher (Jahrb. 18, S. 280 f.) aus diesen Worten zunächst den Schluß zieht, daß Retschow nicht in der Herrschaft Meklenburg gelegen haben könne. Dasselbe läßt sich auch von Lüningshagen nachweisen, wo 1362 Herzog Albrecht Gericht und Bede verkaufte, "alse id vnse vader eruet heft", eine Ausdrucksweise, welche zeigt, daß es sich nicht um das altmeklenburgische, sondern um dasjenige Gebiet handelt, für welche sich des Herzogs Vater, Fürst Heinrich, als Erbe der erloschenen Rostocker Linie betrachtete. 2 )


1) M. U.=B. 3033, vergl. 7394 (Befehl des Propstes, den Johannes Putzkowe, parrochianus noster, zu excommunicieren); 8042. - Ueber die spätgothische (also umgebaute) Kirche Jahrb. 18, S. 289. In GroßSiemen wird 1512 eine Capelle erwähnt. (Lehnrepert.)
2) M. U.=B. 2779, vergl. 4131 - 9098.
2) M. U.=B. 2779, vergl. 4131 - 9098.
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Ueberdies können schon wegen der Lage Retschows (östlich vom Kirchspiel Kröpelin) nur die Länder Rostock und Werle in Frage kommen, und zwar wird man sich für letzteres entscheiden müssen, wenn auch, was Lisch (S. 182) als Grund dafür anführte (Retzecowe - aduocacie nostre Sywan 1358), jetzt nicht mehr dafür verwerthet werden kann. Denn nicht lange, bevor der Fürst von Meklenburg dem Kloster den erwähnten Schadenersatz leistete, hatte er in Verbindung mit Nicolaus von Werle und dem Markgrafen von Brandenburg den Herrn Nicolaus von Rostock befehdet 1 ) Bei dieser Gelegenheit wird die Abtei Doberan von der Werleschen Grenzburg Retschow aus bedrängt worden sein. Es ist dieselbe Fehde, in deren weiterem Verlaufe der Dänenkönig vom Rostocker Fürsten als Preis für seine Hülfeleistung sich dessen Gebiet auftragen ließ, worauf Nicolaus von Werle zum Verzicht auf den größeren Theil der Vogtei Schwaan, in welchem auch Retschow lag, gezwungen wurde (1301). Kurz vor dem Friedensschlusse hatte noch der Fürst die Vasallen von Ziesendorf für die in seinem Dienste erlittenen Verluste entschädigt. Auch jene Schenkung des Meklenburger Herrn an das Kloster geschah unter seiner Zustimmung, wahrscheinlich weil von seiner vormaligen Burg aus der Schade angerichtet war. 2 ) Die Burg lag an Stelle des jetzigen Hofes im nördlichen Theile der Feldmark. 3 ) Oestlich von der letzteren würde noch Reinshagen 4 ), westlich GroßSiemen für die politische Grenze


1) M. U.=B. 2583, 2598, 2643. Vergl. Kirchbergs Reimchronik, c. 182 ff.
2) M. U.=B. 2743, 2779 (annuente nobis - dilecto nostro consangvineo Nicolao domino de Werle).
3) Beschreibung des Retschower Burgwalles Jahrb. 18, S. 283.
4) Reimberteshagen erscheint 1273 mitten unter denjenigen Doberaner Klostergütern, welche im westlichen Theile der Herrschaft Rostock lagen. Dieser Gruppe konnte aber Reinshagen, da es dem alten Abteigebiete sehr nahe liegt, wohl beigezählt werden, wenn es auch erst durch Verleihung von Seiten der Werleschen Fürsten erworben war. Uebrigens giebt das Dorf auch sonst zu zweifeln Anlaß. In den Registern der Vogtei Schwaan finde ich es Reynershaghen (1428,29), einmal aber Reynardeshaghen (1439) geschrieben (in den Visitationsprotocollen 1606 Reineshagen). Dazu kommt, daß es nachher dem Amte Doberan nicht angehört zu haben scheint, da es 1837 demselben zugelegt wurde, während doch sonst die Güter, durch deren Erwerb die Abtei sich über ihre alten Grenzen nach Süden hin erweitert hatte (Satow 1301, Retschow 1358, Lüningshagen und Püschow 1390) nach Aufhebung des Klosters alle dem Amte mit einverleibt wurden. Es kann hiernach nicht als sicher gelten, daß Reimberteshagen (1273) mit diesem Dorfe gleichbedeutend ist. Das weit entfernte Reimershagen bei Goldberg (Reynberteshaghen 1303, M. U.=B. 2861) wird schwerlich gemeint sein. Ueber ein Reynoldeshagen verfügte 1317 Heinrich von Meklenburg; dasselbe kann nicht Reinshagen (Amts Güstrow) sein, da dieses (Reynoldes- (  ...  )
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in Betracht kommen. Die Werleschen Hoheitsrechte über das Kirchspiel ergeben sich auch aus der Grenzbestimmung zwischen Satow und Püschow in der vorhin besprochenen Urkunde. - Endlich gehört noch hierher der später näher zu erörternde Werlesche Sprengel von AltKarin mit seiner Nordseite (Altenhagen), wo sich, bei Zugrundelegung der Kirchspielscheiden von 1412, im Bache Zyme die Archidiaconate Rühn und Kröpelin berührten.

Im Uebrigen ist die Richtung der Wasserläufe der soeben aufgesuchten Landesgrenze meistens entgegengesetzt. Es hat fast den Anschein, daß die Landesgrenze aus einem Waldgürtel hervorgegangen ist, welcher von Ansiedelungen noch nicht berührt war, während zu beiden Seiten, wie die wendischen Ortsnamen zeigen, der Wald schon stellenweise gelichtet war. Die Namen Buchholz, Heide, Fahrenholz u. a. weisen auf die Ausrodung einer größeren Strecke zwischen Warnow und Waidbach hin; der Fahrenholzer Wald (vielleicht auch das Pölchower Holz) wird als Rest übrig geblieben sein. Wenn wir uns jenseits des Waidbaches westlich wenden, gelangen wir nach Heiligenhagen, welches in dem Walde zwischen Bölkow und Satow angelegt wurde. 1 ) Die Reinshäger Feldmark vermittelt die Verbindung mit dem großen Jvendorfer Forst, welcher die Abtei Doberan im Süden begrenzte; den Abschluß im Westen bildet das Kröpeliner Stadtholz (1250).

III. Die Werle - Meklenburgische und die stiftsländische
Grenze der Vogtei.

Wie wenig im Allgemeinen die Amtsgrenzen späterer Zeit geeignet sind, der Erforschung der alten Grenzen zur Grundlage zu dienen, kommt an dem Lande Schwaan mehrfach zum Vorschein. Neben den durch politische Ereignisse veranlaßten Aenderungen gingen schon früh solche her, welche, wie die Verlegung von Sukow (M. U.= B. 1247) zeigt, aus irgendwelchen Verwaltungsrücksichten


(  ...  ) haghen 1319) zum Fürstenthum Werle gehörte, muß vielmehr irgendwo im Westen Meklenburgs gelegen haben. Gegen die Annahme des Urkundenbuches, wo es für das Doberaner Reimberteshagen von 1273 gehalten wird, macht wieder die verschiedene Schreibweise bedenklich. (M. U.=B. 3936, 4125/26). Alles dies bedarf noch specieller Nachforschung.
1) Die Fortsetzung der Werle - Rostocker Grenze am rechten Warnowufer wurde schon Jahrb. 58, S. 17 ff. behandelt, so daß das Rostocker Territorium nun von allen Seiten umschrieben ist. Denn da im Osten mit geringfügigen Ausnahmen die Recknitz die Länder Tessin, Marlow=Sülze und Ribnitz von Gnoien und dem Gebiete der Herzöge von Pommern trennte, so ist an dieser Seite eine nähere Untersuchung entbehrlich.
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vorgenommen wurden. Aber auch die Meklenburgische Vogtei Schwaan in dem Umfange, welchen sie durch die Vereinigung der beiden Landestheile gewonnen hatte, wurde frühzeitig von solchen berührt. Das Theilungsregister der Vogtei Bukow enthält u. a. noch folgende Angaben:

Im Kirchspiel Olden Korin: Olden Korin, Cammyn, Nyen Korin, Hof Bolland, zum Oldenhaghen, Hof Nyenhaghen, Dorf Nyenhaghen, Rosenhaghen, Dannebur. - Im Kirchspiel Berndeshaghen: Dolglas, Putklot, Hof und Dorf Gnemere, Ghiskow, Hof und Dorf Berndeshaghen. - Im Kirchspiel Barsee: Barsee, Purstorpe, der uyenhof, Goltberch, Hof Thutzen, Poytzekendorpe. - Im Kirchspiel Dessin: Glassin, Mynitze, Stramoytze, Wernekenhaghen, Hof und Dorf Hermenshaghen, Gr. Dessin, Babbetze, Luderstorpe, Ponnyk.

In welcher Territorialverbindung ursprünglich dieser Theil der Vogtei stand, ist einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Daß das Verzeichniß das ehemals Werlesche Kirchspiel Satow in die Vogtei Bukow einbezieht, wurde bereits erwähnt. Auch der westlich sich anschließende Sprengel von AltKarin hatte anfangs nicht zu Meklenburg, sondern zu Werle gehört, so daß wir die Grenze dieser Länder, im Norden bei Parchow (wo die 3 Herrschaften zusammenstießen) beginnend, zwischen folgenden Dörfern zu suchen haben:

Kirchspiel Westenbrügge:
Parchow, Uhlenbrook, Krempin, Ravensberg, Moitin.
Kirchspiel AltKarin:
Altenhagen und AltKarin (mit Bolland und NeuKarin), Kamin.

Von der Kirche in Karin ist seit jener ersten Nachricht von 1233 (S. 287) sehr selten in den Urkunden die Rede. Abgesehen von einer gelegentlichen Erwähnung des dortigen Pfarrers (zuerst 1320, M. U.=B. 4177 n.) begegnen wir ihr erst 1385 wieder, als kerklen und lenwaren der kerken to Karin von König Albrecht an Heidenreich Bibow verliehen wurden. 1 ) Die ehemalige Abhängigkeit vom Fürsten von Werle ist urkundlich zu verfolgen für das Kirchdorf selbst, sowie für Kamin. Um 1274 waren Adam et Johannes de Corin unter den Bürgen, welche Nicolaus und seine Söhne aus ihrer Ritterschaft stellten, und 1287 bezeichnet Heinrich von Werle die Brüder Georgius aduocatus in Siwan et Lambertus de Korin als armigeri nostri, 2 ) eine Nachricht, welche zugleich


1) Saß, a. a. O., VI c, S. 24.
2) M. U.=B. 1350, 1893. - 1344 - 70 wird auch Reimar von Barnekow mehrfach als wohnhaft in Corin angeführt. Der größte Theil der Feldmark (  ...  )
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nahelegt, daß westlich von der Vogtei Schwaan damals kein anderer Werlescher Verwaltungsbezirk existierte. 1272 verlieh Nicolaus (in terra nostra) 4 Hufen in Magno Corin, sowie villam Kamin an Neukloster, und 1306 bestätigte Heinrich von Meklenburg dem Kloster seine Rechte und Güter in terra Sywan, u. a. villa Camin und in Magno Chorin jene 4 Hufen. Auch noch 1362 heißt es in der Bestätigung des Herzogs Albrecht: an deme lande to Suwan dat dorpp to Kammyn. Dagegen lesen wir 1400: Camyn beleghen in der voghedye to Bukow. 1 )

Für Karin ist auch wieder an die Satower Grenzbestimmung durch den Fürsten von Werle (1244) zu erinnern (S. 285), wo es heißt: siluam inter curiam et villam Curin - communiter possidebunt. De nouali uero curie supra ecclesiam siluam sine termino Satowie dedimus. Den Raum zwischen Satow und AltKarin finden wir nachher in seinem östlichen Theile ausgefüllt durch Gerdshagen und Miekenhagen (Kirchspiel Satow), vermuthlich Neugründungen späterer Zeit. Wenn die Angaben über den Satower Sprengel (1224) zuverlässig datiert sind, müßten freilich beide Dörfer schon 20 Jahre vor der Grenzregulierung von 1244 bestanden haben, aber nicht als selbstständige Feldmarken, sondern etwa als Pertinenzen des Klosterhofes, da der aus der Urkunde (1244) sich ergebende unmittelbare Zusammenhang des letzteren mit Karin auf andere Weise kaum denkbar wäre. 2 ) Außerdem liegen hier, westwärts nach AltKarin hin, Groß Nienhagen, Danneborth und Rosenhagen, welche vermuthlich von Karin aus angelegt wurden. Die von Bibow, welche seit Ende des vierzehnten Jahrhunderts auf dieser Feldmark ansässig waren, finden wir nach Urkunden von 1459, 1520 u. a. auch im Besitz von Danneborth; 3 ) die beiden anderen Orte wurden nach den ältesten Nachrichten, welche ich über dieselben habe auffinden können, um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts von Lorenz Preen an Lüdeke und Vicke von Bassewitz verkauft. 4 )


(  ...  ) kam später an Heidenreich von Bibow, an den die von Karin 1385 auch den Hof verkauften, wo Reimar von Barnekow gewohnt hatte (Saß, S. 24). Doch blieben daneben die alten Besitzer im Dorfe; nach 1462 erwarben die von Bibow einen Antheil von Dedewig v. Karin (Lehnrepertorium).
1) M. U.=B. 1254, 3079, 9104. Lisch, Meklenb. Urk. II, No. 93.
2) Von irgendwelchen Ansprüchen des Klosters Amelungsborn auf die beiden Dörfer verlautet nichts; ebensowenig wurden solche nachher von Doberan geltend gemacht. Nach Erklärung der Bauern von Ikenhagen (jetzt Miekenhagen) gebührte 1370 der Zehnte von sieben zu ihrem Dorf belegenen Hufen dem Bischof von Schwerin (M. U.=B. 10022).
3) Lehnrepertorium.
4) Ebd. Zu vergleichen Jahrb. 9, S. 476.
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Für Magnum Corin ist Olden Korin, welches ich vor 1412 nicht erwähnt finde, nur eine spätere, wohl durch Nyen Korin veranlaßte Bezeichnung, da beide Namen für ein und dasselbe Kirchdorf gelten. 1437 kaufte Neukloster die abhanden gekommenen Tafelgüter in Groten Corin wieder, während in späteren Urkunden immer nur von AltKarin die Rede ist, so auch 1619 von 2 Bauernhufen in AltKarin, welche zum Amte Neukloster gehört hatten. 1 ) Der ältere Name setzt ein Dorf Lütten Karin voraus, ohne daß von einem solchen in bisher bekannten Urkunden etwas verlautet.

NeuKarin (LüttenKarin?) und Bolland, zwei kleine Feldmarken an der westlichen Scheide von AltKarin, waren, wie aus Urkunden von 1466 - 1513 2 ) hervorgeht, zugleich mit Antheilen an AltKarin und Altenhagen, ein Lehn der um 1500 ausgestorbenen Familie von Jesewitz, welche in dieser Gegend anscheinend bereits im dreizehnten Jahrhundert wohnte. Denn Werner von Jesewitz (1290 beim Fürsten von Werle) bezeugte 1279 dem Propst von Neukloster die Schenkung einer jährlichen Hebung aus 4 Kariner Hufen, und Gerhard und Hartwig, wahrscheinlich dessen Söhne, verkauften 1322 eine Rente in dem nahe gelegenen KleinSiemen. 3 ) - Altenhagen finden wir, soweit wir es zurückverfolgen können, mit AltKarin in Verbindung. 4 )

Die Zugehörigkeit der Pfarre Westenbrügge zur Herrschaft Meklenburg, welche sich für Parchow (S. 279) aus dem Verhältniß der Besitzer zu ergeben schien, ist nachweisbar für Uhlenbrook, da Fürst Heinrich 1295 nach Clandrian die dortigen Zehnten verpfändete. Krempin, welches 1217 von Heinrich Burwy dem später nach Cismar (in Holstein) verlegten Johanniskloster in Lübeck verliehen war, wurde 1365 zugleich mit sieben anderen, nachweislich altmeklenburgischen, sowie einigen holsteinischen Dörfern von Herzog Erich von Sachsen dem Kloster bestätigt ratione superioritatis, quam ad comites et dominos terrarum prefatarum (Holtsatie, Magnopolensis et Slauie), vasallos nostros, nos habere dubium non existit. Die Urkunde (d. Lauenburg) enthält freilich eine topographische Ungenauigkeit; denn indem sie die acht Ortschaften auf terra Pole


1) Lisch, Mekl. Urk. II, No. 126; urkundl. Gesch. d. Geschl. von Oertzen, III, S. 181.
2) Lehnrepert.; Lisch und Saß, a. a. O., II b, No. 310; VI c, S. 81 u. 82.
3) M. U.=B. 1486, 4356. In der Urkunde (M. U.=B. 3721) über die Theilung des Landes Kalen (1314?) ist unter den Burgmännern unus filiorum Werneri de Jesevitzce. Hartuicus de Jezevitche, welcher 1311 eine in Belitz (im Lande Kalen) ausgestellte Privaturkunde bezeugte, ist daher wohl einer der beiden Brüder von 1322.
4) Bede zu AltKarin und Altenhagen wurde 1375 an Reimar von Barnekow verpfändet. (M. U.=B. 10808.)
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(Pöl und terra Mekelenborch vertheilt, weist sie letzterer auch Krempin zu, obwohl das Dorf jedenfalls der Vogtei Bukow angehörte. 1 )

Ravensberg, mit welchem sich auf kurze Strecke das Kirchspiel Neubukow bis an die Grenze vorschiebt, wird zusammen mit dem westlich benachbarten Zarfzow (Serwessow und Wendischen Serwessow) 1369 als Gut des Bischofs von Schwerin genannt, von welchem es die Berkhane und deren Voreltern (eine alte Meklenburgische Vasallenfamilie) zu Lehn hatten; auch verlieh 1337 Bischof Ludolf Renten in Ceruytze. 2 ) Mit beiden Dörfern berührt sich das Grenzdorf Moitin (Kirchspiel Mulsow), eines von den zehn Gütern im Lande Ilow, welche dem Schweriner Bischof und Kapitel vom Herzoge Heinrich dem Löwen geschenkt waren. Da nun in der Urkunde des Papstes Cölestin (1191), wo dieselben Güter mit einigen Veränderungen wieder erscheinen, Curiuiz (1209 und 1211 Corouiz) neben Mentina (Moitin) steht, so bemerkt Wigger gewiß mit Recht, daß man ersteres für Zarfzow (1337 Ceruytze, 1338 Ceruitzowe) halten könne 3 ) Stärkere Abweichungen von der späteren Schreibart kommen in den Ortsnamen jener beiden alten Urkunden mehrfach vor. Ob zwischen Zarfzow und Moitin schon immer ein drittes bischöfliches Dorf gelegen hatte, oder ob ersteres Anfangs größer war und auch über Ravensberg sich erstreckte, ist nicht zu entscheiden. Die Berkhane sind als Besitzer beider Feldmarken nachzuweisen seit 1338 durch die Zeugennamen Hinrik Berkhane van deme Rauenberghe und Hinrik Berkhane van Ceruitzowe. 4 ) 1303 - 20 erscheint ein anderes Mitglied des Geschlechts, wahrscheinlich ein Oheim des Erstgenannten, mit dem Vornamen Raven. In welchem Verhältniß die Güter zu dem Fürsten sich befanden, ist nicht ganz klar. Vermuthlich standen sie trotz des Eigenthumsrechtes des Stiftes unter der Vogtei Bukow, deren Landesherren sich in ihnen Rechte vorbehalten haben werden. Der vollen Landeshoheit des Bischofs, wie sie demselben in dem eigentlichen Stiftslande zustand, waren jene Dörfer 5 ) im 14. Jahrhundert wohl ebensowenig unterstellt, wie das gleichfalls im Lande Ilow gelegene Lischow (Kirchspiel AltBukow), welches 1171 dem Bischof geschenkt


1) M. U.=B. 2362, 234, 4653. Krempyn in der voghedie to Bucowe 1372, 15. December (M. U.= B. 10379). Die Vogtei Schwaan war noch 1329 als dänisches Lehn anerkannt worden (s. Abschn. I).
2) M. U.=B. 9874, 5791 (Clandrian).
3) M. U.=B. 100, 151, 189, 202. Ueber die Stiftsgüter im Lande Ilow s. Wigger, Jahrb. 28, S. 211 - 215.
4) M. U.=B. 5897.
5) Das Bützower Landbuch (1581) rechnet in Zarfzow zwei Meierhöfe u. a. mit aller Herrlichkeit und Gerechtigkeit dem Stifte zu (Schildt, Jahrbuch 47, S. 172; über Ravensberg als Gut der Stiftsritterschaft ebd. S. 212).
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war, aber trotzdem später (1259) vom Stifte noch einmal erworben werden mußte; auch verkaufte Fürst Heinrich dort 1303 precariam nostram, obwohl noch 1386 ein Vasall das Gut vom Bischof zu Lehn nahm, gleichwie seine Eltern es von den Vorgängern empfangen hatten; in des Schweriner Kapitels Dörfern Moitin, Biendorf, Wischuer (Kirchspiel Biendorf) und Questin im Kirchspiel AltBukow (Quazutino 1171) hatte 1305 Heinrich von Meklenburg multis vicibus et annis retroactis die höhere Gerichtsbarkeit ausgeübt, und 1311 ertheilte er den Kapiteldörfern (in nostro territorio sitis) einen Schirmbrief. 1 )

Zwischen den Sprengeln von Mulsow einerseits, Satow und NeuKirchen andererseits erstrecken sich die Pfarren Passee und Berendshagen. Letztere ist unbedingt der Vogtei Schwaan zuzuweisen, obwohl uns für die Kirche, sowie für die einzelnen Ortschaften derselben die ältere urkundliche Ueberlieferung völlig im Stiche läßt. Es folgt dies nicht nur aus den Grenzen der Herrschaft Werle und des Stiftslandes (1232; s. unten), sondern auch aus der Lage des Kirchspiels, welches, falls Passee zu Meklenburg gehörte, zwischen dem noch zu besprechenden Werleschen Pfarrgebiete GroßTessin und dem übrigen Werleschen Lande die einzige noch mögliche Verbindung abgab. Andererseits lag der Pfarrsprengel Mulsow 2 ) in der Herrschaft Meklenburg, für welche gleich dem schon erwähnten Moitin die übrigen Dörfer an seiner Ostseite in Anspruch genommen werden dürfen: WendischMulsow, Wakendorf und Teplitz. Die Urkunde, in welcher mit Genehmigung des Fürsten Johann von Meklenburg das Kloster Reinfeld 1261 uillam Wockendorpe kaufte, ist zwar eine der berüchtigten Reinfelder Fälschungen, kann aber nach dem ganzen Charakter der letzteren für die Topographie des 13. Jahrhunderts wohl unbedenklich verwerthet werden. Ferner gehörten die Gebrüder von Schwinge, welche 1320 das an Neukloster verkaufte Dorf Tepelitze vor dem Fürsten aufließen, einem Geschlechte an, welches von seinem ersten Auftreten an ausschließlich mit der Herrschaft Meklenburg verbunden erscheint. 3 )

Es handelt sich demnach nur noch um das kleine Kirchspiel Passee, welches mit jenen Mulsowschen Dörfern sich in Alt und


1) M. U.=B. 842, 2870. Wigger, a.a.O., S. 215. - M. U.=B. 3010, 4314.
2) 1412 liegen im Kirchspiel: Wendesch Mulsow, Meytin, Typelitze, Hof und Dorf Wokendorp, Hof und Dorf Mulsow, Gherwenstorp. - 1431 Stenhagen im carspele tho Mulsow (Saß, a. a. O., S. 37). Das Patronat tauschte 1385 König Albrecht bei Ueberlassung des AltKariner Kirchlehns an Heidenreich von Bibow wieder ein (ebd. S. 24). Es ist dies zugleich die älteste Nachricht, welche sich über die Kirche findet.
3) M. U.=B. 919 (vergl. Urkundenbuch, Bd. I, S. XXXIV); 4206, 4208.
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NeuPoorstorf, Tüzen und Poischendorf berührt. 1 ) Da die Ueberlieferung das ursprüngliche Verhältniß von keiner dieser Feldmarken mehr erkennen läßt, so muß es für die Konstatierung des Grenzzuges genügen, wenn nachgewiesen wird, zu welcher Herrschaft die Kirche gehörte. Doch ist die Entscheidung schwierig, da nur einige dürftige Nachrichten aus älterer Zeit über das Pfarrdorf zu Gebote stehen. In einer Neuklosterschen Urkunde von 1318 treffen Propst und Konvent Bestimmungen über die Verwendung von Einkünften, welche sie in villa Barssze haben; für diese Hebungen, welche von Hinricus sacerdos dictus de Bibowe, quondam nostri monasterii prepositus, und dem Ritter Hermann von Rodenbek dem Kloster zugewandt waren, wird dem Ritter Eckhard von Bibow das Rückkaufsrecht gewährt. 2 ) Der Schenkungsact selbst, über welchen keine Urkunde vorliegt, scheint aber älteren Datums zu sein und in das 13. Jahrhundert zurückzureichen. Denn in Neukloster finden wir Henricus prepositus 1272, sacerdos Heinricus de Bibowe 1282, 3 ) und ein Ritter Hermann von Rodenbeck wird 1258 - 61 dreimal erwähnt. Diese Personen waren 1318, wenngleich der bei Verstorbenen übliche Zusatz (beate memorie u. dergl.) in den Urkunden vermißt wird, schwerlich mehr am Leben. Das dem Eckhard von Bibow (1314 - 50) zugestandene Rückkaufsrecht wird daraus zu erklären sein, daß er der Erbe der beiden Donatare oder desjenigen war, von welchem sie jene Einkünfte zum Zwecke einer geistlichen Stiftung gekauft hatten. Wenn aber, wie hiernach zu vermuthen, die von Bibow schon seit längerer Zeit in Passee begütert waren, so könnte hierin ein Anzeichen für die Meklenburgische Dependenz des Dorfes erblickt werden, da jenes Geschlecht, wie das ihnen stamm=


1) Der untergegangene Nienhof lag nach einem Zeugenverhör von 1563 "zwischen Tützenn vnnd Goltberg auch Parssehedorffer Feltmarck" (Lisch, a. a. O., II b, S. 436 - 437). Höltingsdorf fehlt 1412; aber 1607 "ein Ort Landes Höltingsdorf genannt, zwischen den Feldmarken Passee und Pohrsdorf belegen."
2) So verstehe ich die Urkunde (M. U.=B. 4036), deren erster Theil demnach mit folgender veränderter Interpunction zu lesen ist: nos prepositus etc. in Camposolis - protestamur, nos quatuor marcarum redditus, quos habemus in villa Barssze et quos Hinricus sacerdos - contulit, ad commodum infirmarum dominarum, et iterum IIII marcarum redditus in eadem villa existentes, quos Hermannus - de Rodenbeke - donauit, ad vtilitatem totius conuentus - assignasse. - Die Heberolle des Klosters von ca. 1319 verzeichnet diese Einkünfte (als wiederkäuflich) unter Barze.
3) M. U.=B. 1254, 1596 (sacerdotes: Heinricus de Bibowe, Gerardus de Naquindhorpe, Johannes de Mirica). Bibowe wird hier ebenso wie Mirica Personenname, nicht Bezeichnung einer Pfarre sein.
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verwandte von Hardenack außerhalb der Herrschaft Meklenburg während des 13. Jahrhunderts urkundlich noch nicht erwähnt wird.

Bestimmterer Art sind indessen Nachrichten über die Ansässigkeit einer anderen Vasallenfamilie in Passee, welche mehr auf einen Zusammenhang des Ortes mit Werle hindeuten. Das Visitationsprotocoll der Pfarre Passee von 1581 giebt den Inhalt einer Urkunde wieder, nach welcher Gerhard Ketelhodt (seit 1279 oft genannt) 1317 als Patron der Kirche diese mit einem halben Scheffel Roggen von jeder Hufe dotierte. 1 ) Die Ketelhodt treten mit den ihnen stammesgleichen Huskummer schon früh im Meklenburgischen Landestheile hervor, wo sie vielleicht im Lande Breesen 2 ) begütert waren, wie auch Kägsdorf (Amts Bukow; Ketelhodesdorpe 1284) nach ihnen seinen Namen führt. Aber seit etwa 1272 verschwinden ihre Beziehungen zu den Meklenburgischen Fürsten in den Urkunden fast gänzlich, während diejenigen zur Herrschaft Werle desto deutlicher werden. Sowohl im Parchimschen, als auch im sogenannten Güstrowschen Landestheile sind ihre Besitzungen nachweisbar, 3 ) und zwar sehen wir an den auf sie bezüglichen Geschäften meistens auch jenen Gerhard betheiligt. Der Zusammenhang der Familie mit Passee, wie er für 1317 feststeht, läßt sich noch weiter zurückverfolgen. Denn demselben Geschlechte gehörte, wie kaum zu bezweifeln ist, Fredebernus de Barsse an, welcher 1292 in Waren bei Nicolaus von Werle neben Gerardus H[u]s[cu]mer und anderen Werleschen Vasallen Zeuge war. Dies macht zunächst der Zuname wahrscheinlich, welcher gleich lautend mit dem Dorfe ist, über dessen Kirche 1317 Gerhard Ketelhodt das Patronat hatte. 4 ) Als Personenbezeichnung ist der Name, wenigstens in dieser Form, bis 1350 anderweitig nicht aufzufinden. Das Geschlecht der Bersen (Berscen, erst später Barsse), im Personenregister des Urkundenbuches mit dem Vasallen Barsse zusammengebracht,


1) M. U.=B. 3866. Beschreibung der als frühgothisch charakterisierten Kirche Jahrb. 22, S. 317.
2) M. U.=B. 375, S. 372 (in terra Brezen - decimas Fredeberni). Von den ersten Fredebern K. trägt auch wohl indago Fredeberni (Friedrichshagen, Amts Grevesmühlen) seinen Namen.
3) In Warnkenhagen (Amts Rühn) 1290, Kadow 1307, Wattmannshagen (bei Güstrow) und Raden (Kirchspiel Wattmannshagen) 1279 (Mekl. U.=B. 2071, 3148, 1490/91), 1318 auch wohl schon in der Gegend von Röbel (vergl. M. U.=B. 3953), wo die Söhne Gerhards 1350 in Kambs begütert waren. Auch Hermannshagen lag in der Vogtei Schwaan; doch könnte unter dem Dorfe, wo 1314 Gerhard Hufen verkaufte, auch einer der gleichnamigen Orte bei Bukow und Grevesmühlen zu verstehen sein (s. darüber unten (S. 324 und 325).
4) M. U.=B. 2160.
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gehört nicht hierher. Dasselbe tritt 1330 mit Heyne Bersen in Wismar auf und war allem Anscheine nach bürgerlicher Herkunft. 1 ) Aber auch der Vorname Fredebernus deutet auf das Ketelhodt=Huskummersche Geschlecht, da derselbe bis über den Beginn des vierzehnten Jahrhunderts hinaus im übrigen sich ausschließlich auf diese Familie beschränkt zeigt. Es kann wohl als sicher gelten, daß der von Barsse derselbe Fredebernus ist, welchen wir, mit dem Geschlechtsnamen Ketelhodt, später zweimal (1306 und 1307) in Travemünde und in Warnow bei den Herren von Werle treffen. 2 ) Er scheint nach der beobachteten Reihenfolge von den 6 Gebrüdern, zu welchen auch Gerhard gehörte, der älteste gewesen zu sein und wird seinen Wohnsitz in Passee gehabt haben.

Ein vollgültiger Beweis für die Zugehörigkeit des fraglichen Kirchspieles zur alten Vogtei Schwaan ist freilich hiermit noch nicht erbracht worden, zumal die Ketelhodt zu der in Rede stehenden Zeit doch auch zweimal (1302) unter den milites des Fürsten Heinrich vorkommen 3 ) und demnach im Vasallenverhältniß zu den Meklenburgischen Herrschern geblieben waren. Für Werle spricht aber ferner noch, daß unter den Pfarren des Rostocker Archidiaconats, das nach einem Verzeichniß von 1471 (Jahrb. 21, S. 21) über die ehemaligen Werleschen und Rostocker Grenzen sonst an keiner Stelle hinausreicht, auch "Barsen" genannt wird. Endlich ist zu beachten, daß schon zwischen den Dörfern Poischendorf und Teplitz eine Naturgrenze beginnt, welche in ihrem weiteren Verlaufe als alte politische Scheidelinie nachgewiesen werden kann.

Wir gelangen damit in das Gebiet der Propstei (des späteren Amtes) Neukloster. 4 ) Da die alten kirchlichen Grenzen innerhalb desselben verwischt zu sein scheinen, so ist es um so erfreulicher, daß ausnahmsweise gerade für diese Gegend directe Nachrichten über die politischen Grenzen schon aus früher Zeit in ausreichender Menge vorhanden sind. Die Neuklosterschen Verleihungsurkunden weisen nämlich von dem jetzigen Amte einen Theil der Herrschaft Meklenburg, den anderen der Herrschaft Werle zu. Es kommen dafür in Betracht die Urkunden der Fürsten Heinrich von Meklenburg (1271) und Nicolaus von Werle (1272), beide wie fast alle älteren Neu=


1) M. U.=B. 5121. Ich gelange damit zu derselben Ansicht wie Crull (Jahrb. 52, (S. 129, Anm. 1), welcher die Berse von Fredebern von Barsse trennt und in dem Zunamen des letzteren das Dorf Passee vermuthet.
2) M. U.=B. 3071, 3148.
3) M. U.=B. 2776/77.
4) Vergl. zum Folgenden die Skizze der Umgegend von Neukloster nach S. 364.
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klosterschen Diplome als Originale vorliegend. 1 ) Das Kloster besaß hiernach im Fürstenthume

Meklenburg: Werle:
bona - quecumque claustrum intra distractus terminorum terre nostre sibi comparauit: Bona - subscripta in terra nostra sita:
Bobelyn et stagnum adjacens -, Pynnowe cum molendino, campos Gardyst et siluas contiguas -, campos Borygerisdorpe --, Coldenhof cum campo suo -, Never, Cellyn et stagnum adjacens, Reyneresdorp cum molendino et duobus stagnis -, Luttyken Warin cum molendino et cum magno stagno -, Naquinesdorp cum molendino et cum adjacenti stagno. Glasin cum stagnis -, villa Pinnov, villa Babece, Ludersdhorpe cum molendino -,campum Kniphaf, villa Ponic, villa Borierisdorpe cum molendino, villa Lutbertisdorpe cum stagno -, Nowm molendinum, Indago, - claustrum cum agris, quos aratro suo colit.

Nach dem Stiftungsbriefe von 1219 hatte Heinrich Burwy für Cistercienser=Nonnen, 2 ) welche anfangs in Parchow wohnten, ein neues Kloster erbaut und denselben zu ihrem Unterhalte verliehen (de nostro patrimonio) u. a. Cuszin, ubi locus idem fundatus est, qui nunc Campus Solis vocatur (das spätere Neukloster, claustrum cum agris 1272). Von den übrigen Dörfern der Werleschen Seite besaß das Kloster Sonnenkamp nach der Urkunde des Papstes Clemens IV. 1267: Ponic (Perniek), Glazin, Babiz (Babst), Ludersdorp, Lutbersdorp (Lübberstorf), Indago, nachdem bereits 1235 der Bischof von Schwerin den Zehnten bestätigt hatte für Perniek, Lübberstorf und Lüdersdorf. Gleichfalls im Jahre 1235 einigte sich Nicolaus von Werle wegen des bedeutenden Ueberschusses, welcher sich bei der Nachmessung des Feldes von Perniek ergeben hatte, mit den Nonnen dahin, daß er dem Kloster, welchem anfangs nur 10 Hufen in dem Dorfe verliehen waren, 14 bebaute und 20 unbebaute Hufen in demselben verkaufte. 3 ) - Andrerseits hatten


1) M. U.=B. 1215, 1254.
2) Sanctimonialium sub regula beati Benedicti militantium - collegivm heißt es 1219 (M. U.=B. 254, ähnlich 255). 1267 bezeichnet der Papst den Convent als verpflichtet zum ordo monasticus, qui secundum - beati Benedicti regulam atque institutionem Cisterciensium fratrum, a uobis post concilium generale susceptam, in eodem monasterio institutus esse dinoscitur.
3) M. U.=B. 1120, 429, 435.
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schon 1231 Johann und Pribislav (domini Magnopolenses) in die Ueberlassung des Dorfes Nacunstorp von seiten ihres Vasallen Woltzic eingewilligt, 1 ) und 1236 verlieh der Schweriner Bischof dem Kloster sein Dorf Bobelyn, welches er vom Fürsten Johann 1232 für den Zehnten in Boydeuitisthorpe (Boiensdorf, Amts Redentin?) eingetauscht hatte. Heinrich von Dybow (Bibow), von dessen Wittwe 1270 die Nonnen villam Parvum Warin erworben hatten, wird 1242 als miles bei Johann von Meklenburg genannt. 2 ) Für die Klosterdörfer Neuer und Reineresthorp verlieh 1235 der Bischof den Zehnten, und 1267 werden den bereits erwähnten Orten Celin (Sellin) und 12 Hufen in nemore Neuer hinzugefügt. - Von den doppelt genannten Ortschaften setzt der päpstliche Schirmbrief (1267) ebenfalls zweimal Pinnow (possessiones - Pinnowe et Pinnowe nuncupatas), Boriersdorp hingegen nur einmal, in Einklang mit den Verleihungsurkunden (1271/72), denen zufolge nur ein Ort dieses Namens existiert zu haben scheint, welcher im Werleschen Lande lag, während die dazu gehörige Feldmark (campi) auch über Meklenburgisches Gebiet sich erstreckte. Das Dorf war wohl erst vom Kloster neu angelegt worden, wobei dasselbe auf die seine Besitzungen durchschneidenden Landesgrenze keine Rücksicht nahm. Letztere verlief 1272 noch genau so, wie sie durch die Hauptlandestheilung festgesetzt war.

Eine Bestätigung für seine Rechte und Güter erhielt nach der inzwischen (1301) eingetretenen politischen Veränderung das Kloster 1306 durch Heinrich von Meklenburg, welcher sich damals, wie es scheint zunächst vorübergehend, in der Vogtei Schwaan festgesetzt hatte. Die in der Urkunde aufgezählten Besitzungen der Propstei lassen deutlich zwei Gruppen erkennen. Die erste von ihnen umfaßt dieselben Güter, welche schon 1271 genannt wurden, dazu noch einige später hinzugekommene Erwerbungen in der Herrschaft Meklenburg, u. a. Zarnekow (juxta Ylowe sitam), Züsow und Tollow, welche der Fürst in der Zeit von 1303 - 1305 geschenkt hatte, 3 ) während nova Curia (Neuhof) vom Kloster wohl auf eignem Gebiete angelegt war. Doch sind einige Abweichungen zu bemerken: Pinnowe ist als curia bezeichnet, und die campi Borierstorpe werden in Verbindung mit einer Mühle genannt, wahrscheinlich derselben, über welche 1272


1) M. U.=B. 385. Der Name erinnert an den 1240 u. ö. bei Johann von Meklenburg genannten Vasallen Volsegho, Voltzeke. - Nacon steht unter den Zeugen wendischen Namens in der Stiftungsurkunde (vergl. Mekl. U.=B. 244, 255).
2) M. U.=B. 454 (397), 870, 543, 544.
3) M. U.=B. 3079, 2863, 2943, 2996.
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Nicolaus von Werle verfügt hatte. An zweiter Stelle bestätigt dann der Fürst die Besitzungen, welche in terra Sywan liegen, und nennt hier neben den 1272 aufgezählten Dörfern innerhalb des jetzigen Amtes Neukloster noch Duscin (GroßTessin) und das untergegangene Minnizce, beide schon 1275 1 ) vom Fürsten von Werle den Nonnen überwiesen, sowie Strameuß (Kirchspiel GroßTessin), von dem der Verleihungsbrief verloren gegangen ist. An Stelle der Indago (1272) erscheint hier Prouesteshaghen, zu unterscheiden von dem in derselben Urkunde bestätigten gleichnamigen Dorfe des Klosters im Amte Grevesmühlen (jetzt Pravtshagen). Hingegen fehlt in der Schwaaner Gruppe außer dem Orte Neukloster selbst, für welches eine Bestätigung überflüssig erscheinen mochte, der ehemals Werlesche Antheil an Borygerisdorpe ebenso wie Pinnow, welches wohl mit dem Meklenburgischen Pinnow zu einer curia zusammengezogen war. Die gemeinsame Verwaltung und Bewirthschaftung der beiden gleichnamigen Feldmarken durch das Kloster wird hier einige Verschiebungen der ursprünglichen politischen Grenze mit sich gebracht haben.

Im Jahre 1306 hatten die Erwerbungen der Propstei bereits nahezu ihren Abschluß erreicht. Die Heberolle von ca. 1319 (M. U.=B. 4040), welche alle Bauerndörfer und sonstigen mittelbaren Besitzungen verzeichnet, giebt, von einigen außerhalb des eigentlichen Propsteigebietes inzwischen hinzugekommenen Hebungen abgesehen, nur solche Ortschaften an, welche schon früher im Eigenthum des Klosters sich befanden. Die Ergänzung dazu bieten diejenigen Urkunden, welche die in eigne Bewirthschaftung genommenen Höfe berücksichtigen. Innerhalb des späteren Amtsgebietes werden 1311 als curiae seu allodia, in welchen dem Kloster die höhere Gerichtsbarkeit zustehen sollte, namhaft gemacht: curia vbi claustrum situm est, Koldenhove, Noua Curia, Pynnowe, Duscyn, Knipaf. 2 ) Aus dem Speckregister (1320 - 1321) und dem Lohn= und Wirthschaftsregister von ca. 1320 sind hinzuzufügen: Neumühle und KleinWarin. Nach dem Futterregister von 1319 - 1320 hatte das Kloster auch in dem kurz vorher erworbenen Dorfe Teplitz (Amts Neukloster) eine curia. 3 ) Wie der


1) M. U.=B. 1373.
2) M. U.=B. 3500. Außerhalb des Amtes kommt nur Brunshouede hinzu. Als Höfe sind diese Orte schon nach früheren Urkunden alle kenntlich, mit Ausnahme von Duscin. Eine curia in diesem Dorfe war an einen Vasallen verliehen (vergl. S. 328) und ist wohl aus diesem Grunde auch in der Heberolle aufgeführt.
3) M. U.=B. 4139, 229, 242. Neumühle wird zu den propria molendina des Klosters (M. U.=B. 3500) gehört haben. Die curia Tepelitz wird im Futterregister (bis Juni 1320) schon erwähnt, obwohl die förmliche Verleihung des Dorfes erst am 20. Juli erfolgte. Vergl. aber M. U.= B. 4206.
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Vergleich mit der Heberolle ergiebt, bestanden auch in GroßTessin und KleinWarin neben den Höfen gleichnamige Bauerndörfer.

Eine nochmalige Gesammtbestätigung enthält eine von Herzog Albrecht 1362 ausgestellte Urkunde, deren verlorener, wahrscheinlich in lateinischer Sprache abgefaßter Originaltext mit der des Fürsten Heinrich von 1306 fast wörtlich übereingestimmt haben muß, wie sich aus einer niederdeutschen Uebersetzung ergiebt, welche im fünfzehnten Jahrhundert davon angefertigt wurde. 1 ) Auch die älteren Documente von 1272 und 1306 wurden um jene Zeit in die plattdeutsche Mundart übertragen.

Die von mir eingesehene "Neuclostersche gräntz Beschreibung de anno 1725 etc." zeigt den Umfang der Begüterung ebenfalls nur wenig verändert, da die Grenze fast alle obengenannten Ortschaften, soweit sie nicht untergegangen waren, umfaßte, mit Einschluß von Zarnekow, welches jetzt zu den Wismarschen Landgütern gehört. Ausgeschieden ist nur Sellin, welches 1640 und 1643 vom Herzog Adolf Friedrich dem Rittmeister von Bülow auf Zurow überlassen ward und trotz der 1706 vom Königlich Schwedischen Gouvernement zu Wismar "prätendirten Reluition" 1725 noch nicht wieder ans Amt zurückgekommen war. Auf der Feldmark entstand später Ravensruh, als dessen Pertinenz 1802 - 1803 Sellin genannt wird. 2 ) Hingegen war 1725 Rügkamp, welches sich im Westen unmittelbar mit Zurow berührt, noch nicht als selbstständige Feldmark von Neukloster abgetrennt. - Mit der Grenzbeschreibung stimmt das Schmettausche Brouillon des Königl. Schwedischen Amtes Neukloster vollständig überein. Diese mit besonderer Sorgfalt ausgeführte Karte macht auch die Feldmarkscheiden durch rothe Linien kenntlich; doch finden sich, von Rügkamp abgesehen, keine wesentlichen Abweichungen von der heutigen Anordnung. Die untergegangenen Dörfer existierten schon damals sämmtlich nicht mehr.

Legen wir, um die alte Grenze zwischen beiden Fürstenthümern zu bestimmen, zunächst den späteren Dörferbestand zu Grunde. Mit Teplitz, welches, wie schon vorhin constatiert wurde, in der Herrschaft Meklenburg lag, berührt sich (in Anschluß an Poischendorf) zum Theil auch noch das Werlesche Glasin. Die Fortsetzung des Grenzzuges ist, wie sich aus den urkundlichen Nachrichten über Pinnowe


1) M. U.=B. 9104. Es fehlen demgemäß auch die Güter, welche nach 1306 das Kloster noch in Meklenburg erwarb (wie Teplitz). Eingeschoben sind nur die Besitzungen, welche in dem nunmehr meklenburgisch geworbenen Lande Rostock lagen.
2) Nach den Angaben des Lehnrepertoriums; 1725 wird an der Außengrenze von Nevern nach Sellin hin die "Ravens=Horst" erwähnt.
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ergiebt, auf oder bei der Feldmark von Pinnowhof zu suchen. Südlich davon grenzen auf eine weitere Strecke hin Neuhof (Meklenburg) und Perniek (Werle) mit einander. An das letztgenannte Dorf schließt sich sodann in gleicher Richtung das Neuklostersche Feld an, welches (mit dem Forste) sich nach Südosten um den See herumzieht, bis Neumühle hin, mit welchem wir an die ehemalige Scheide des Stiftslandes gelangen. Gegenüber, an der anderen Seite des Sees, liegt das Meklenburgische Nakenstorf. Zwischen diesem und Neuhof schiebt sich der westlich vom Orte gelegene Theil der Neukloster=Rügkamper Feldmark viel weiter in das Meklenburgische Gebiet vor (bis an die Scheide von Zurow und Reinstorf), als für die anfängliche Ausdehnung des Werleschen Cuscin glaublich ist.

Für eine genauere Feststellung der ursprünglichen Länderscheide ist ein Wasserlauf näher ins Auge zu fassen, zu dessen beiden Seiten zwar nicht mehr die ganzen Feldmarken, wohl aber noch die Gehöfte so vertheilt sind, daß östlich von demselben nur Werlesche, westlich nur Meklenburgische Ortsnamen sich finden. Es ist die sogenannte Tepenitz, von welcher Lisch (Jahrb. 33, S. 11 ff.) als Anhang zu seiner Besprechung der Localitäten von Parchow und Sonnenkamp eine hydrographische Beschreibung gegeben hat. Wegen der vorliegenden Grenzfrage indessen, welche eine genauere Berücksichtigung der einzelnen Feldmarken erfordert, müssen wir auf diese Angelegenheit noch einmal zurückkommen, unter Benutzung von Mittheilungen, welche ich dem Districts=Ingenieur Pelz verdanke: An der Scheide von Teplitz und Poischendorf, auf dem Felde des ersteren gelegen, zieht sich, nach Süden hin abfallend, das Tüzer Moor entlang. 1 ) Die Abflußrinne desselben läuft genau zwischen den erwähnten Feldmarken weiter südlich und bildet auch zwischen Teplitz und Glasin die Grenze, bis dahin also in Uebereinstimmung mit der politischen Scheidelinie. Von Pinnowhof läßt aber der Bach zwei kleine Stücke westlich: zunächst dort, wo er auf kurze Strecke dasselbe von Glasin getrennt hat (hier noch 200 m hoch), um sodann, auf Pinnowhofer Gebiet übertretend, die nördliche Ecke desselben abzuschneiden, und nachher noch einmal im nordwestlichen Theile der Feldmark; dazwischen jedoch, 2 ) und weiter abwärts mit einem größeren Theil seines Laufes, fließt der Bach an der Grenze des genannten Dorfes und des


1) Die Benennung nach dem nördlicher gelegenen Tüzen würde sich durch die Annahme erklären lassen, daß im südlichen Theile dieser Feldmark, an der Ostseite des Moores, Poischendorf angelegt wurde, welches in keiner älteren Urkunde vorkommt.
2) Auf dieser Strecke ist der Wasserlauf vielleicht theilweise künstlich hergestellt.
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Züsower Forstes. Dort, wo Pinnowhof und der Forst sich mit Perniek berühren, mündet in ihn mit ungefähr gleich starkem Gefälle (ca. 10 m auf 1 km) ein anderer Zufluß ein, welcher am Gehöft Pinnowhof vorbei bis Glasin und Poischendorf aufwärts sich verfolgen läßt. Der Hauptbach aber läuft nun auf kleiner Strecke zwischen Züsower Forst und Perniek (jetzt nur noch 50 m hoch). Dann finden wir ihn zwischen Neuhof und Perniek, indem er in das Feld des letzteren zwei Einbiegungen macht (an der Nordwestecke und weiter südlich noch einmal), im Uebrigen aber die Scheide genau innehält, wie er auch in seinem ferneren Laufe Perniek gegen Neukloster abgrenzt. - Diese Feldmark wird aber von ihm quer durchschnitten, worauf er, durch den Ort fließend, in den Neuklosterschen See einmündet. Nachdem er denselben an der Südostspitze verlassen hat, läuft er westlich an dem (jetzt zu Nakenstorf gerechneten) Gehöft Neumühle vorbei, dessen Mühle er treibt, um bald darauf von Osten her den stiftsländischen Grenzbach in sich aufzunehmen.

Der Lauf des Gewässers folgt demnach noch jetzt mehrfach der Grenze zwischen den vorher erwähnten Werleschen und Meklenburgischen Dörfern. Dazu kommt, daß derselbe nach von Schmettaus Angabe sich der Scheidelinie zwischen den Feldern von Nakenstorf und Neumühle ganz nahe hält und noch genau zwischen Neuhof und Perniek fließt. Letzteres ergiebt sich auch aus den Acten eines Processes, welchen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts der damalige Besitzer von Neuhof gegen den Amtmann Röper zu Neukloster wegen Wasseraufstauung anstrengte. Auf der bei den Acten liegenden Karte von 1782 (Plan und Wasserprofil von dem Theil des im Stau liegenden Feldes Neuhof, entworfen vom Kammer=Ingenieur Münchmeyer) trennt ein ununterbrochener Wasserlauf, hier als "Hopfenbach" bezeichnet, durchaus die Gebiete von Neuhof und Perniek. Hier wird sich ebenso wie zwischen Teplitz und Poischendorf=Glasin eine alte natürliche Grenze erhalten haben.

An anderen Stellen in der Nähe des Wasserlaufes lassen sich Verschiebungen der Feldscheiden nachweisen. Wenn der Bach die beiden Pinnow (1271 und 1272) von einander schied, können die kleinen Abschnitte vom Pinnowhof am rechten Ufer nicht dem Umfang des ehemaligen Meklenburgischen Dorfes entsprechen; letzteres müßte vielmehr hier einen zusammenhängenden Raum eingenommen und sich weiter nach Westen hin ausgedehnt haben, während der größere Theil der jetzigen Feldmark (an der anderen Seite des Wassers) ungefähr an der Stelle des alten Werleschen Ortes liegen würde. Daß beides sich in der That so verhält, läßt sich noch aus mehreren Anzeichen schließen. Denn während Züsow im Kirchspiel Neuburg liegt, werden

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Züsower Forsthof und Ziegelei zugleich mit dem benachbarten Pinnowhof zur Bäbeliner Kirche gerechnet, und im Züsower Forst ist nahe der Nordgrenze desselben bei v. Schmettau ein "Pinnower Bruch" verzeichnet. Da ferner nach den Visitationsprotocollen außer Pinnowhof zu Bäbelin kein anderes Dorf eingepfarrt war, muß es anfänglich mit dem Kirchdorfe in unmittelbarer Verbindung gestanden haben, von welchem es jetzt durch den Forst völlig abgeschnitten ist. Pinnowhof hatte hiernach früher eine größere Ausdehnung nach Westen, so daß der Tüzener Bach quer über die Feldmark hinweglief. Derselbe hat daher, bevor durch Zusammenlegung der beiden gleichbenannten Dörfer die curia entstand, jedenfalls hier die Herrschaften Meklenburg und Werle geschieden. Da Pinnowe cum molendino zu Meklenburg gehörte, also westlich lag, so wurde die Mühle von diesem Bache, nicht von dem aus Nordosten her fließenden Glasiner, getrieben. - Es bleibt nur noch die Feldmark von Neukloster selbst zu besprechen übrig, welche freilich bedeutende Veränderungen im Laufe der Zeit erlitten hat.

Ueber den am westlichen Ufer der Tepenitz gelegenen Theil derselben giebt werthvolle Auskunft die "Kurtze Beschreibung vnd Nachrichtung wegen des Newclosterschen Pfarrackers, Wischen vnd Holtzung", ein im Archive von mir durchgesehener Bericht, welchen der Pfarrer Lichtenfeld, der seit 1599 im Amte war, im Jahre 1639 verfaßte. Dem Pfarrer waren neben dem Deputat "vom Hause" (dem Amte Neukloster) die zwei Pfarrhufen zu Nakenstorf zum Unterhalt zugewiesen. Aber schon seine beiden Vorgänger (der erste evangelische Prediger Joachim Reimers, seit 1550, und dessen Successor Tilander) hatten nur die nächstliegenden Ackerstücke selbst bewirthschaftet, das übrige aber verpachtet, weil die beiden Hufen gar zu weit "von der New Mühlen biß ans Neuersche Felt" zerstreut lagen. Offenbar handelt es sich um den Acker der ehemaligen Nakenstorfer Pfarre, welche nach Urkunden von 1319 - 1320 1 ) mit einer Hufe in Nakenstorf dotiert war. Es ergiebt sich hieraus, daß dieses Dorf in alter Zeit über den westlichen Theil der späteren Neuklosterschen Feldmark hinweg sich mit Nevern berührte. Daß der Ort umfangreicher und bedeutender war als in neuerer Zeit, legen auch die Angaben der Heberolle (1319) nahe, nach welcher zu demselben 34 Hufen gehörten, auch eine taberna wird erwähnt.

Wie der Pfarrer weiterhin berichtet, war bald nach seinem Amtsantritte zwischen ihm und den Nakenstorfer Bauern ein Vertrag geschlossen worden. Da er aber im Tausche betrogen zu sein fürchtete,


1) M. U.=B. 4040, 4153.
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so wandte er sich mehrmals an den Fürsten, welcher selbst nach Nakenstorf ritt, um die Pfarrhufen zu besichtigen, und darauf einen Bescheid erließ (1612) über die von den Bauern für die "Brachhufe" und die "Sandhufe" dem Pastor einzuräumenden gleichwerthigen Ackerstücke. Eine Reihe von Localitäten wird bei Beschreibung der vertauschten Ländereien angeführt: der Grund und Boden am Hopfenhofsberg in der Nähe der Amtsscheide, Acker am Petersberg, und zwar "beim Herrenscheidenstein, am Damm, beim Kronskamp und beim Ziegelhörn"; Hölzungsgerechtigkeit auf der Hubbewisch, ferner ein Ort Sandes am Schubruch ("neben Wischen vnd Ellernholz bis an den Bach in die See"); Sandland zwischen den vier Eichen und dem Bach, vom "Fischbruch bis an dustern Weg"; fünf Ruthen auf dem Ruckamp, ebensoviel auf dem Trappenberg, zehn Ruthen "vberm Schevenberch", je fünf "vfm Molnhalß" und "am Schwinkroge". Mehrere dieser Namen kehren auf dem Schmettauschen Brouillon wieder: auf Nakenstorfer Feld am Südufer des Sees und westlich von der Neumühlener Scheide ist Suinkrok angegeben, noch auf derselben Feldmark im nördlichen Theile des Neuklosterschen Forstes 1 ) der DüsterBerg, etwas nördlicher die Fisch Bruch Wiese an der Grenze von Nakenstorf und Neukloster; auf dem Felde des letzteren der noch jetzt so genannte "Petersberg", westlich von einem als Newer BruchWiese, FutterWiese und SchobruchWiese benannten Niederung, durch welche von Nevern her in südöstlicher Richtung ein Bach in den See fließt, jedenfalls derselbe, welchen der Bericht in Zusammenhang mit dem Schubruch nennt. Westlich und nördlich von Petersberg und Fischbruchwiese ist Pfarre und Pfarracker verzeichnet, zwischen letzterem und RügKamp (damals noch die Bezeichnung eines zu Neukloster gehörigen Feldes) PriesterHoltz. Der Vergleich mit dem Pfarrberichte läßt den Umfang, welchen Nakenstorf noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts hatte, ziemlich deutlich hervortreten: Mit dem Rügkamp erreichte es westlich die Scheide von Zurow, nördlich die von Nevern; nordöstlich erstreckte es sich bis an die erwähnte Niederung, da in deren Nähe der Herrenscheidenstein und die "Amtsscheide" (nämlich zwischen Neukloster und dem ehemaligen Amte Eickhof) zu suchen sind; auch der Antheil des Dorfes am Seeufer war demnach etwas größer als später.

Für den alten Umfang der Neuklosterschen Gemarkung bleibt hiernach am rechten Ufer der Tepenitz nur die Gegend zwischen


1) Dieser Theil des Forstes ist auf den Meßtischblättern in die Neuklostersche Feldmark einbezogen.
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dieser und dem Bache am Schubruch übrig. Da beide in geringer Entfernung von einander in den See einmündeten, so trat Nakenstorf mit seiner Uferstrecke ganz nahe an den Einfluß der Tepenitz hinan. Ferner wird von jenem Raum im Norden noch ein Theil in Abzug gebracht werden müssen mit Rücksicht auf die Lage einiger untergegangener Dörfer. Auch ist zu beachten, daß die Kirche, das Kloster, der Sonnenberg, sowie auch die Stellen, welche für die Burg Cuscin und die Wendische Dorfstätte in Anspruch genommen werden, 1 ) sämmtlich an der östlichen Seite des größeren Baches liegen. Dieser wird daher auch hier ursprünglich Scheide gewesen sein, wenngleich, wie bei Plätzen von einiger Bedeutung, die zugleich Uebergangspunkte waren, häufiger beobachtet werden kann, der Ort schon früh über seine anfängliche Grenze etwas hinausgewachsen sein mag.

Mit den bisher gewonnenen Ergebnissen stehen einige Bemerkungen scheinbar in Widerspruch, welche sich in den Urkunden von 1271 und 1272 finden. Diese bezeichnen nämlich einige Dörfer ausdrücklich als Grenzorte, und zwar im Werleschen Antheile:

Ludersdhorpe
Ludbertisdorpe
Klammer in terminis terre nostre,
Indago ad terminos terre nostre,

und im Meklenburgischen Gebiete:

campos Borygerisdorpe, prout in terminis terre nostre distenti sunt,

Coldenhof cum campo suo, quantum in terminis nostris jacet,

Luttyken Warin cum magno stagno, in quantum ab vtroque littore intra terminos nostros comprehenditur,

Naquinesdorp cum adjacenti stagno, in quantum intra terminos nostros situatum est.

Für eine richtige Verwerthung dieser Angaben ist aber zweierlei zu beachten. Wir sind nicht berechtigt, alle diejenigen Orte, bei welchen der auf die Grenze bezügliche Vermerk fehlt, deswegen von derselben zurückzuverlegen. Denn nicht nur Neuhof, Perniek, Neumühle und Neukloster selbst werden ohne einen derartigen Zusatz gelassen, sondern auch das Werlesche Boriersdorf und die beiden Pinnow, obwohl diese unzweifelhaft an der Landesgrenze lagen. Da ferner in dieser Gegend die Herrschaften Meklenburg und Werle


1) Ueber die Localitäten der Festung und des Dorfes Cuscin s. Jahrbuch 33, S. 9; 39, S. 158 ff. - Beschreibung der Kirche und der Klostergebäude Jahrb. 3 B, S. 147 ff.
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nicht nur mit einander, sondern auch im Süden mit dem Lande Bützow zusammenstießen, so entsteht die Frage, welche termini in jedem einzelnen Falle gemeint sind. Luttyken Warin cum stagno konnte sich, wie sich schon aus älteren Urkunden ergiebt. 1 ) nicht mit der Herrschaft Werle, sondern nur mit dem Stiftslande berühren. Der Zusatz findet sich daher mit denselben Worten in der Bestätigungsurkunde des Fürsten Heinrich (1306) wieder, welche nicht mehr die Werle=Meklenburgische, sondern nur noch die stiftsländische Grenze zu berücksichtigen hatte. Um diese wird es sich auch bei dem Werleschen Lüdersdorf ausschließlich gehandelt haben, da es durch Perniek und Neukloster von den Dörfern der Meklenburgischen Seite auf weitere Entfernung hin gänzlich getrennt wird. Dasselbe gilt von dem dem Lande Bützow benachbarten Lübberstorf, wenn man nicht annehmen will, daß es am Neuklosterschen See auch die Meklenburgische Grenze erreichte, da es nach dem Schmettauschen Brouillon einen kleinen Antheil am Ufer besselben besaß. Das in der Urkunde genannte stagnum ist aber wohl auf den kleinen See in der Nähe des Ortes zu beziehen. Jedenfalls trafen bei Nakenstorf alle drei Herrschaften zusammen. Soweit daher noch bestehende Ortschaften in Frage kommen, enthalten die beiden Urkunden nichts, was mit der vorhin angenommenen Grenzlinie nicht in Einklang wäre.

In Bezug auf die untergegangenen Dörfer muß ein Unterschied gemacht werden zwischen denjenigen, welche in den späteren Bestätigungsbriefen (seit 1271) noch genannt werden, und solchen, welche hier nicht mehr vorkommen. Schon in der Stiftungzurkunde (1219) verlieh Heinrich Borwin die Orte Marutin und Gusni cum lacu adjacenti, sowie villam XVII mansorum, quam Zvrizlaf habuit. 2 ) Die beiden erstgenannten lagen wohl sicher dem Orte Cuszin benachbart, da sie sogleich hinter demselben erwähnt werden. Die früh eingegangenen Dörfer mögen daher zur Vergrößerung des Klosterfeldes gedient haben, oder zu deutschen Dörfern (etwa Lüdersdorf und Lübberstorf) geworden sein. Das Dorf Zurizlavs hingegen, welches


1) 1260 (M. U.=B. 870) kam der Bischof von Schwerin mit dem Propste von Neukloster dahin überein, daß der letztere ihm überließ partem stagni eidem ville (Kl. Warin) adjacentis et partem fluuii Tepenitz, prout sua et nostra disterminatio extenditur. Eine Berührung mit der Herrschaft Werle fand schwerlich statt, da einerseits das Stiftsland sich am linken Tepenitzufer bis an den bei Neumühle mündenden Bach aufwärts zog, andererseits das Südufer des Neuklosterschen Sees bis an den Fluß für Nakenstorf in Anspruch zu nehmen ist.
2) Aehnlich in der bischöflichen Bestätigungsurkunde (M. U.=B. 255). Nur fehlt hier der Zusatz cum lacu adjacenti bei Gusni; dieser ist dagegen mit Cuszin verbunden. Ist in beiden Fällen der Neuklostersche See gemeint?
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ebenfalls nachher ganz aus den Urkunden verschwindet, steht hinter Parcowe, ubi primo claustrum situm fuit, gehörte also mit diesem, sowie mit Malpendorf, dem See in Wichmannsdorf und mit Brunshaupten zu den Besitzungen des Klosters im Lande Ilow, welche zum größeren Theil gewiß noch aus der Zeit herstammten, als die Nonnen in Parchow wohnten. 1 ) - Auch von der villa Bryzelaz, in welcher 1235 Nicolaus von Werle gelegentlich der Abmachung über Perniek zwölf Hufen verlieh, findet sich später keine Spur. Für die hier interessierende Grenzuntersuchung ist also von allen diesen Orten keinerlei Aufschluß zu erwarten.

Mehr Aussicht bieten die später noch vorhandenen Dörfer des Klostergebietes. 2 ) Von denen der Herrschaft Werle lag Propsthagen - eine kleine Feldmark, welche nach der Heberolle nur 5 1/2 Hufen enthielt - der Urkunde von 1306 zufolge juxta Lutbertestorpe. So wird auch in der des Herzogs Albrecht, wo das Dorf zuletzt genannt wird, gestanden haben. Die niederdeutsche Uebersetzung hat dafür, wohl ungenau, by Luderstorpe. 3 ) Auf die Lage bei Lübberstorf und Neumühle deutet auch die in den meisten Urkunden beobachtete Reihenfolge hin. Aus Acten ist über eine alte Dorfstelle in dieser Gegend bisher nichts bekannt geworden. Doch nennt das Schmettausche Brouillon auf dem Lübberstorfer Felde, nahe der Neumühlener Scheide nach dem früher bischöflichen Dorfe Göllin hin: Hager Bruch und in nordöstlicher Richtung davon Ole Dieck Wiese. Diese Bezeichnungen scheinen an das ehemalige Dorf zu erinnern. 4 )


1) Die ville des Zurizlaf hatte der Fürst gegen die villa Jordanis (Jörnstorf, Amts Bukow) eingetauscht. Vielleicht ist es die ältere Bezeichnung für Arendsee, welches, bevor es an das Kloster kam, schwerlich so gehießen hatte. Der Name erinnert an das Cistercienserkloster Arendsee in der Altmark, in welchem Lisch (Jahrb 31, S. 84) das Mutterkloster von Cuscin vermuthet. Zwar verlieh erst 1275 (M. U.=B. 1353) die Fürstin Anastasia den Nonnen das Eigenthum ville Arnesse, a domino Ottone de Suinga prius possesse, et slauicalis campi Wenethuelt. Da das Dorf aber im päpstlichen Schirmbrief (1267) unter den Klostergütern erscheint und der Bischof bereits 1260 den Nonnen den Zehnten dort überließ, reichten die Ansprüche des Klosters in ältere Zeit zurück.
2) Das "Brunshaupt", welches im Register unserer Jahrbücher und Band 56, S. 190, als untergegangenes Gut bei Neukloster vermuthet ist, mit Bezug auf Jahrb. 3, B, S. 153, wird an dieser Stelle (nach einem Inventarium von 1610) nicht als Name eines Ortes, sondern eines Klostergebäudes angeführt (vermuthlich eines Kornmagazins, welches nach dem Klosterhofe Brunshaupten genannt war). - Toitsowe (Heberolle, S. 411, im Schildtschen Verzeichnisse übergangen) ist in Meklenburg nicht bekannt.
3) Vergl. unten S. 311, Anm. 2.
4) Auch auf dem Felde von Lüdersdorf scheint sich eine alte Dorfstelle zu befinden: "Dörpstedenmuhr", am Nordende des Forstes, nach der Käterhagener und Gölliner Scheide hin. (Mittheilung von Pelz.)
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Dasselbe würde demnach an der Grenze des Stiftslandes gelegen haben, ebenso wie das in anderem Zusammenhange näher zu besprechende Minnitz. - Der Kniephof wird in älteren Urkunden zwischen Lüdersdorf oder Lübberstorf und Perniek angeführt. 1371 war frater Johannes in Knypaf Zeuge in einer von Seiten des Klosters ausgestellten Urkunde. 1 ) Der Hof hat aber noch lange Zeit nachher bestanden, wie aus folgenden Nachrichten hervorgeht, welche mir Dr. Techen aus Actenauszügen mittheilt. Im Theilungsregister von ca. 1557 wird hinter Pinnowhof Jenniphof genannt (jedenfalls verschrieben für Kniephof): "dieser hof ligt auch im closterwolde vnnd dem kloster jherlichs der meier 10 fl. 16 ß." 1602 - 3 sind in die Mast in die Kniphoverheide 21 Schweine von Perniek gegangen. 1609 - 10 wird der Kniephof als Meierhof neben Pinnowhof angeführt. Der Anschlag von 1725 berichtet: der Kniephoff, welcher vormahls ein frey schulten hoff gewehsen, wie aber Pinnow zum ackerwerk angeleget, etwa gegen drittehalb last sind vom parniker acker vertauscht worden. Nach derselben Quelle hatte 1698 Parnik ohne den Kniephoff fünf Voll= und zwei Viertelbauern. - Diesen Angaben zufolge hatte Perniek im Norden einen Theil seines Gebietes an Pinnowhof verloren, während ihm als Ersatz der Kniephof zugesprochen war. Der letztere lag wahrscheinlich im südöstlichen Theile der Feldmark, nördlich von Lüdersdorf und Lübberstorf, etwa an Stelle der Pernieker Waldung, welche, auf dem Schmettauschen Brouillon noch mit eigener Grenze versehen, nordwestlich bis an die Klaasbek reicht.

Bei der Aufzählung der Meklenburgischen Ortschaften der Propstei macht in der Urkunde des Fürsten Heinrich (1271) Bäbelin im Norden den Anfang, Nakenstorf im Süden den Schluß, und zwar ist, nach den Dörfern von bekannter Lage zu urtheilen, dabei so verfahren, daß jede Feldmark sowohl an die vorhergenannte, als auch an die nachfolgende angrenzt; 2 ) wie überhaupt für derartige Besitzbestätigungen, wenn sie in den Kanzleien der betreffenden Landesherren selbst ausgefertigt waren, die Beobachtung ununterbrochener Reihenfolge, soweit es nach der Lage der Ortschaften anging, im Allgemeinen als Regel gelten kann. Hiernach würden Gardist, Boriersdorf und Koldenhof zwischen Pinnow (d. i. Züsower Forst) und


1) Lisch, Mekl. Urk. II, Nr. 78, und M. U.=B. 10259.
2) 1306, als sich die Zahl der Dörfer vermehrt hatte, war es nicht mehr möglich, alle Ortschaften in eine geschlossene Kette zu bringen; dieslbe ist daher an einer Stelle (zwischen Pinnow und Zarnekow) unterbrochen. - Die bischöflichen und päpstlichen Bestätigungsurkunden für Neukloster binden sich nicht an eine bestimmte Reihenfolge.
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Nevern gelegen haben. Was über diese Feldmarken sich hat ausfindig machen lassen, führt zu demselben Resultat.

Das Feld Gardist nebst der dabei belegenen Waldung ist ungefähr an Stelle von Neuhof zu suchen und wird bei Anlegung des letzteren vorzugsweise in Anspruch genommen worden sein. Denn 1306 heißt es (zwischen Boriersdorf und dem westlich von Neuhof gelegenen Tollow) statt Gardist: Noua Curia cum campo Gardist et silua contigua.

Der Koldenhof mag, wie Lisch meint, aus den 1267 als Klostergut genannten 12 mansi in nemore Neuer hervorgegangen sein, welche später nie wieder begegnen. Nach der Stellung in der Dorfreihe (1271) müßte der Hof durch die campi Borygerisdorpe von Neuhof ganz oder zum Theil getrennt gewesen sein und mit Nevern sich berührt haben. Damit stimmt auch die ungefähre Lage überein, welche sich aus der Reihenfolge der Höfe (1311) ergiebt: das Feld von Neukloster würde hiernach südlicher, das von Neuhof nördlicher gelegen haben als Koldenhof. Das Lohn= und Wirthschaftsregister (1320) enthielt jedenfalls auch die Berechnung über dieses Vorwerk, ist aber leider nur in verstümmelter Form erhalten, so daß die dem Kloster zunächst gelegenen curiae fehlen. In Acten wird, soweit bisher bekannt, der Ort nicht erwähnt. Aber auf dem Schmettauschen Brouillon steht, in feiner Schrift und mit bloßen Augen kaum leserlich, auf dem Felde von Nevern (südöstlich vom Gehöfte und nördlich von der oben erwähnten Never=Bruch=Wiese): Kolnhof, sicherlich die alte Stelle der Hofgebäude, so daß auch das zugehörige Feld nur westlich von der Tepenitz gesucht werden kann. Mit diesem Ergebnisse sind die folgenden Notizen nicht in Einklang zu bringen, wenn dieselben, wie ich Anfangs glaubte, auf den Koldenhof gedeutet werden müßten. Sie finden sich bei den Visitationsprotokollen (aus der Zeit von ca. 1568 - 92) und sind mir von Dr. Techen mitgetheilt worden:

wegen der kolde - houe geben die Lubberstorf 4 ß.
Jacob Vette von der Kalten huefen aufm Luderstorffer feld 8 ß.

Diese "kalte Hufe" steht aber zu dem Koldenhof schwerlich in irgend einer Beziehung, es müßte denn der von den Bauern benutzte Acker von den Dörfern, in welchen sie wohnten, ganz getrennt gelegen haben. Denn, mag man auch bedeutende Veränderungen im Feldmarkenbestande für möglich halten, so ist doch nicht glaublich, daß Lüdersdorf und Lübberstorf, auf deren Gebiet die fragliche Hufe zunächst zu vermuthen ist, sich zwischen Perniek und Neukloster hin=

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durch mit dem Felde des weit entfernten Koldenhof sollten berührt haben. Eher ist möglich, daß der Flurname Koll Grütt, welcher auf dem Plan und Wasserprofil von 1782 (ebenso, aber weniger deutlich, auf dem Schmettauschen Brouillon) nahe der Neuklosterschen Scheide auf Neuhofer Felde verzeichnet steht, an die ehemalige Ortschaft erinnert.

Gegen einen Zusammenhang derselben mit Lüdersdorf und Lübberstorf spricht auch der Platz, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach dem Felde Boriersdorf zuzuweisen ist. Der Ort ist nicht identisch mit dem viel weiter nördlich und außerhalb des Propsteibezirkes gelegenen Poorstorf, wie Lisch und Beyer (Sammlung) vermutheten. Denn in diesem besaß das Kloster nur einige Einkünfte, welche in der Heberolle zugleich mit denen aus Malpendorf (bei Bukow) aufgerechnet werden. Auch die ganz verschiedene Schreibart 1 ) zeigt, daß wir es mit verschiedenen Dörfern zu thun haben. Boriersdorf, 1306 als campi bezeichnet, wird damals keine selbstständige Ortschaft mehr gewesen sein. Dadurch würde sich auch erklären, daß die Feldmark in der Heberolle ebensowenig berücksichtigt wird, wie bei Aufzählung der Höfe von 1311. Da sie demnach schon früh eingegangen zu sein scheint, ist auch von Acten und alten Karten kaum noch Aufschluß zu erwarten. Wo der Ort gelegen hatte, dürfte sich dennoch annähernd bestimmen lassen. Der östliche Theil mit der Dorfstelle und der Mühle gehörte, wie oben bemerkt, anfangs zur Herrschaft Werle und wird zwischen Perniek und Lübberstorf, wo es in den Urkunden seine Stelle hat, auch wirklich zu suchen sein. Denn diese Lage paßt vollständig zu dem Platze, welcher 1271 den dazu gehörigen Meklenburgischen campi Borygerisdorpe angewiesen wird: zwischen Neuhof und Koldenhof, und welcher auch 1306 für die nunmehr Meklenburgische Gesammtfeldmark beibehalten ist. Boriersdorf ist, hiernach zu urtheilen, im Wesentlichen im nördlichen Theile der jetzigen Feldmark Neukloster 2 ) enthalten und


1) Poorstorp heißt Pordestorp 1319, Puerstorpe 1412, Parstorpe 1434; hingegen Borygerisdorpe 1271, Borierisdorpe 1272 und ähnlich 1306, die Uebersetzungen des 16. Jahrhunderts schreiben Boygerstorpe, Bowerstorpe u. ä.
2) In der niederdeutschen Uebersetzung der verlorenen Urkunde von 1362 heißt es: de Nygehoff myd deme velde Gardist - deme velde Boyerstorppe. Hiernach wäre die Feldmark ein Bestantheil von Neuhof geworden. Im lateinischen Originale stand aber doch wohl ebenso wie in der als Vorlage desselben zu vermuthenden Urkunde von 1306: Noua Curia cum campo Gardist - campi Borierstorpe. Denn auch in einer Uebersetzung der letztgenannten Urkunde lesen wir dafür: myt deme campe Boygerstorpe, mit dem für die Grenzverhältnisse von 1306 unpassenden Zusatze: so de in den enden vnses landes entholden werden. Ueberdies sind in einer etwas jüngeren Abschrift der Uebersetzung der Urkunde von 1362, wo auch (  ...  )
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wurde von der Tepenitz durchflossen, an deren Ufer vermuthlich die mit dem ehemaligen Werleschen Antheil verbundene Mühle sich befand. Dieselbe ist, da sich in der Heberolle keine Andeutung von ihr findet, wohl den eigenen Mühlen des Klosters zuzuzählen 1 ), wie auch das Feld einem der Klosterhöfe, etwa der curia von Neukloster, untergeordnet gewesen zu sein scheint. - Der als Grenzort bezeichnete Koldenhof könnte die Flußscheide südlich von Boriersdorf erreicht haben. Aber auch wenn dies nicht der Fall war und schon in Werlescher Zeit Cuscin sich über den Raum zwischen Tepenitz und Schubruch erstreckte, so lag doch der Neukloster benachbarte Meklenburgische Hof ohnehin an der Grenze der beiden Landestheile. Die Grenze folgte im Uebrigen unzweifelhaft ursprünglich dem Bache und verlief im 13. Jahrhundert zwischen folgenden Orten:

Werle: Meklenburg:
Pinnow, Perniek, Boriersdorf (Dorfstelle), Neukloster (Lübberstorf?), Neumühle. Pinnow, Neuhof (Gardist), Boriersdorf, Koldenhof, Nakenstorf.

Welches die Pfarrgrenzen waren, als diese Gegend zuerst in die kirchliche Organisation einbezogen wurde, läßt sich, da die ursprüngliche Eintheilung Veränderungen erlitten hat, nicht mehr vollständig zur Anschauung bringen. 1219 wurden dem Kloster neben seinen übrigen entfernter liegenden Besitzungen in der nächsten Umgebung


(  ...  ) die Reihenfolge der Dörfer zum Theil willkürlich verändert wird, vor Bowerstorpe myt der molen die Worte deme velde nachträglich wieder gestrichen. Nach allem diesen ist nicht anzunehmen, daß jene Abweichung von dem Wortlaut der Verleihungsurkunde (1306) auf irgend welchen topographischen Thatsachen beruht. Dieselbe hat sich vielmehr, wie wahrscheinlich auch die verschiedene Angabe über die Lage von Propsthagen (s. (S. 308), durch das Versehen eines Uebersetzers eingeschlichen.
1) Bei fast allen nicht unter Hofverwaltung stehenden Klosterbesitzungen, in welchen nach den Verleihungsurkunden sich Mühlen befanden, sind Einkünfte aus denselben in der Heberolle verzeichnet, so bei Nakenstorf, Reinstorf, Kl. Warin, Degetow, Minnow, Techentin (unter Techentinerhaghen), Brunshaupten; Nepersmolen und Gherwensmolen gehören in dieselbe Kategorie. Die 1271 verliehene Kornrente aus der Mühle zu Damnmhusen war 1299, nachdem der Fürst dieses Dorf (cum molendino) an Wismarsche Bürger verkauft hatte, gegen die in der Heberolle berechneten gleich großen Einkünfte aus der Mühle zu Malpendorf vertauscht worden. Es fehlt demnach nur die in Lüdersdorf, welche vielleicht eingegangen war. Sie lag wohl an einem Nebenbache der Klaasbek. - Die zwei Mühlen in GroßTessin waren nach M. U.=B. 2775 im Lehnbesitz der Herren von Schwerin geblieben und wohl deswegen dem Kloster gegenüber abgabenfrei (winthmole situm prope Dessyn, 1318 erwähnt, war wohl außerdem noch vorhanden). Novum Molendinum und curia Pinnowe (cum molendino) waren unmittelbare Besitzungen.
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nur wenige Dörfer verliehen, aus welchen erst allmählich durch weitere Schenkungen ein größerer zusammenhängender Komplex sich bildete, so daß es ein auch in kirchlicher Beziehung von vorneherein abgeschlossenes Gebiet, wie es die Abtei Doberan erlangte, hier Anfangs nicht geben konnte. Nur eine Kirche, die in dem weit entfernten Kessin, wird unter den Bewidmungen der Stiftungsurkunde erwähnt. - Daß die kirchliche und politische Grenze ursprünglich auch bei Neukloster übereinstimmten, läßt trotz der Abweichungen die spätere Anordnung noch durchscheinen. Die Visitationsprotokolle geben unter
Kirchspiel Neukloster: Kirchspiel GroßTessin:
Nevern, Neuhof, Nakenstorf, Lübberstorf, Neumühle, Reinstorf, KleinWarin, Bäbelin mit Pinnowhof. Lüdersdorf, Hermannshagen, Perniek, Lutkendorp, Glasin, Strameuß, Babst, Warnkenhagen.

Die hieraus sich ergebende Sprengelgrenze, mit welcher nach dem Bukower Verzeichniß (Kirchspiel GroßTessin) die von 1412 übereingestimmt haben muß, zeigt, wenn wir von Neukloster selbst zunächst absehen, im Lande Werle nur Lübberstorf und Neumühle mit Orten der Meklenburgischen Seite in Verbindung. Im Uebrigen vertheilen sich aber die Dörfer auf die beiden Länder nach Maßgabe der Urkunde von 1306, und zwar trennt die Tepenitz, soweit sie noch als Feldscheide erkennbar ist (an der Westseite von Perniek), auch die Kirchspiele von einander.

Daß Perniek (jetzt Kirchspiel Neukloster) zum Kirchspiel GroßTessin gehörte, folgt schon aus der Heberolle, nach welcher vier der dortigen Hufen pertinent ad dotem in Duscyn. Mit letzterem zugleich wurde 1275 die seit längerer Zeit dort vorhandene Kirche verliehen, nachdem mehrere der eingepfarrten Dörfer bereits früher vom Kloster erworben waren. Obwohl dasselbe jenes Kirchlehn in der Folge immer behalten hat und mit seinen übrigen Patronaten sich zu wiederholten Malen bestätigen ließ, so vermissen wir doch GroßTessin 1313 (M. U.=B. 3595) in der Bescheinigung des Visitators des Erzstiftes Bremen, daß in Akenstorpe (Nakenstorf), Bobelyn, Bruneshoveth, Ketscin, Thechentin ecclesiarum plebani Visitationsgebühren bezahlt hätten in presencia domini prepositi Noui Claustri, cui sunt subjecti, wie auch ca. 1319/20 nur diese Pfarren (zugleich mit denen der Doberaner Präpositur) über ihre Einkünfte berichten. Es hängt dies wohl mit der Thatsache zusammen, daß die Synodalrechte, welche der Propst über seine anderen Kirchen ausübte. 1 ) sich


1) Die Jurisdictionsbefugnisse des Propstes finde ich zuerst bezeugt M. U.=B. 7143 (S. 453); vergl. 3968.
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auf die GroßTessiner nicht mit erstreckten, da für diese dem Kloster Rühn der Bann zugesprochen war. Auch reichte das Kirchspiel mit Hermannshagen und Warnkenhagen, welche den Rühner Nonnen verliehen wurden, über das Neuklostersche Propsteigebiet hinaus.

Das Kirchspiel Neukloster hat zwei ehemalige Pfarren in sich aufgenommen: die zu Bäbelin, dessen Kirche als Filiale noch bis heute besteht, und die ganz eingegangene Nakenstorfer. Dieselben werden erst auf Neuklosterschem Gebiete entstanden sein. Denn als beide Dörfer den Nonnen verliehen wurden (1231 und 1236), ist weder von Geistlichen noch von Kirchen dort die Rede. Erst 1271 wird durch Gerardus plebanus in Naquinesdorp (1280 als sacerdos beim Propst) die Existenz eines Gotteshauses daselbst erwiesen, und 1306 erfolgte die Bestätigung der genannten Orte cum jure patronatus - scilicet donatione ecclesie. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die beiden damals zugehörigen Kirchspiele im jetzigen Neuklosterschen Sprengel völlig mit enthalten sind. Denn die außer letzterem noch übrigen Propsteidörfer Züsow, Tollow, Teplitz, Zarnekow (alle nach 1267 erworben) und Sellin (1267 zuerst als Klostergut genannt) gehörten, wenigstens im 15. Jahrhundert, sämmtlich zu außerhalb des Klostergebietes gelegenen Kirchen. 1 ) Ueber die Ausdehnung jener beiden Pfarrgebiete liegen aus älterer Zeit keine ausdrücklichen Nachrichten vor. Doch ist mit Bäbelin, seitdem es Tochterkirche war, immer nur Pinnowhof verbunden gewesen. Da ferner 1355 (M. U.=B. 8073) das kerspel Nakenstorf als Bestandtheil der neugebildeten Vogtei Eickhof genannt wird, nach einer früheren Urkunde (1344) aber ebenso wie nach späteren Nachrichten (z. B. 4. April 1372) immer nur das Dorf dieses Namens mit dem Hause Eickhof verbunden war, so liegt der Schluß nahe, daß der Umfang der Pfarre sich auf den einen Ort beschränkte.

Es bleibt noch die Pfarre von Neukloster zu besprechen übrig, welche zu mancherlei Zweifeln Anlaß bietet. Wenn es an dem Orte, wo das Kloster gegründet wurde, von vornherein eine Pfarre gegeben hätte, wäre dieselbe, wie bei anderen Frauenklöstern des Landes den Stiftungsbriefen zufolge der Fall war, 2 ) wohl sogleich bei der Stiftung den Nonnen verliehen oder doch 1235 vom Bischof bestätigt worden.


1) Südlich schloß sich an die Propstei das Kirchspiel Jesendorf (1390 rector parrochialis ecclesie in Jhesendorp nach Beyer). Im Kirchspiel 1426 Trams (Lehnrepertorium).
2) So bei den Klöstern Rühn und Rehna (M. U.=B. 420, 467 971). Auch die Kirche des Nonnenklosters Zarrentin war zugleich Pfarrkirche (vergl. M. U.=B. 154, 375, S.366).
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Auch ist es nicht wahrscheinlich, daß kleinere Kirchspiele schon um 1219 in dieser Gegend abgegrenzt waren. Als dies aber später geschah, mag auch ein Neuklosterscher Sprengel sich gebildet haben. In den so zahlreichen Klosterbriefen der ersten Jahrhunderte läßt ein solcher sich allerdings nicht nachweisen. Indessen könnte der Verwalter der Pfarre sich in den Urkunden öfter hinter einen der männlichen Geistlichen des Klosters verbergen. Auch befindet sich 1271 unmittelbar vor dem Pfarrer von Nakenstorf unter den Zeugen Hinricus sacerdos, capellanus claustri. In den Bestätigungsurkunden seit 1306 dürfen wir, da der Ort Neukloster übergangen wird, auch die Erwähnung der Pfarre kaum erwarten. 1393 steht Wynkelmann der vruwen bigtegher to deme Nygenclostere zwischen den kerkhern von Gr. Tessin und Nakenstorf, 1 ) und ein Leichenstein in der Klosterkirche (mitgetheilt Jahrb. 3B, S. 150) meldet den Tod des Tidericus Winkelman vicarius hujus ecclesie, confessor monialium, 1434. Das Verhältniß der Parrochie zum Propste ist daher vielleicht so zu denken, daß letzterer selbst Inhaber der Pfarre war und dieselbe nicht wie die übrigen Kirchen des Klosters an einen Pleban verlieh sondern mit einem Vicar besetzte, welcher zugleich Caplan der Nonnen war. - Uebrigens sind Zeugnisse vorhanden, nach welchen die Existenz der Pfarre schon geraume Zeit vor Aufhebung des Klosters außer Zweifel steht, und zwar bestand sie gleichzeitig mit der Nakenstorfer, welche noch 1529 von Propst und Convent verliehen wurde an Jacob Vosz, eyn prester - myt vns vp vnszem klosterhaue - wanende. 2 ) Denn ein im Archiv befindliches Schriftstück von einem halben Bogen, dessen Hand nach dem Urtheil des Archivraths Grotefend auf die Zeit von 1410 - 20 weist, das jedenfalls aber in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts gehört, enthält eine Anzahl Bede entrichtender Dörfer des Amtes Bukow u. a. in parrochia Nyekloster: Luberstorp, Never. Das Kirchspiel, zu welchem 1437 auch Reinstorf gezählt wird, 3 ) scheint hiernach damals dieselben Dörfer umfaßt zu haben wie später, ausgenommen Bäbelin (mit Pinnowhof) und Nakenstorf. Wie lange am letztgenannten Orte nach 1529 die Pfarre noch blieb, finde ich nicht genau angegeben. Jedenfalls war sie, als der Nonnenkonvent sich auflöste (1555), in der von Neukloster aufgegangen. Denn die "wüste Kirche" zu Nakenstorf wurde 1554 abgebrochen; die Steine verwendete man zum Bau des fürstlichen Hauses in Wismar, theilweise auch zu dem des Schweriner


1) Lisch, Mekl. Urk. II, No. 83.
2) Lisch, ebd., No. 175.
3) Lehnrepertorium.
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Schlosses. 1 ) Der alte Pfarracker gelangte, wie oben erwähnt, in den Besitz der Kirche von Neukloster.

Aus der ursprünglichen kirchlichen Topographie scheint mir die besprochene Sprengel= und Archidiaconatsgrenze nicht ohne einige Verschiebungen hervorgegangen zu sein. Für die ältesten in dieser Gegend vorhandenen Kirchen, wahrscheinlich Lübow und Neuburg, deren sacerdotes in der Neuklosterschen Stiftungsurkunde auftreten, ergab sich, seitdem das Kirchspiel Gr. Tessin ins Leben getreten war, als natürlicher Abschluß die Tepenitz, in Uebereinstimmung mit der klaren politischen Grenze. Nur das in Cuscin gegründete Kloster wird außerhalb des Parrochialverbandes gestanden haben, bis für die Kirche desselben ein eigener Sprengel errichtet wurde, welcher von den benachbarten Pfarren die nächstgelegenen Dörfer an sich zog. Bei dieser Gelegenheit mögen Lübberstorf und Neumühle, welche von Gr. Tessin weiter entfernt sind, zu der näheren Klosterkirche gelegt worden sein.

Endlich ist noch das Verhältniß des Propsteilandes zu den Burgbezirken ins Auge zu fassen. Daß die Meklenburgische Vogtei Schwaan die vor 1412 zu Bukow gelegten Dörfer am östlichen Tepenitzufer zunächst noch mit umfaßte, geht aus dem bisher Gesagten zur Genüge hervor. In dem altmeklenburgischen Theile des Klostergebietes hingegen waren zwei Verwaltungsbezirke vertreten, die der Burgen Meklenburg und Bukow.

Zur Vogtei Meklenburg gehörte das nach Zurow eingepfarrte Sellin. 2 ) Denn als 1460 die von Stralendorf höchstes Gericht, Bede etc. . "in des Gotteshauses Dorf Tzellin" dem Kloster überließen, gestatteten sie demselben, wenn auf jene Einkünfte und Rechte von anderer Seite Ansprüche erhoben würden: so moghen se bruken - des houetbreues, den wy vnde vnse eruen van vnser herschop van Mekelenborg hebben vppe Criwetze, de vogedye van Mekelenborg vnde dat land Tzelesien vnde dat sulue vorbenomede gud. 3 ) Im Pfandbesitze der Vogtei Meklenburg waren die von Stralendorf schon seit längerer Zeit. Zwar ist die Urkunde, auf welche sie sich hier zu berufen scheinen, ausgestellt an=


1) Jahrb. 5, S. 15 und 50. Das Jahr der Aufhebung giebt Lisch, Jahrb. 22, S. 101.
2) Tzellin, beleghen in deme kerspel to Tzurow 1463 (Lisch, Mekl. Urk II, No. 143).
3) Lisch, a. a. O., No. 140. Ich nehme an, daß die letzten Worte nicht ein außerhalb der genannten Vogteien gelegenes einzelnes Dorf hinzufügen, sondern nur hervorheben wollen, daß Sellin in denselben mit enthalten war. Vergl. auch die anderen auf diese Verpfändung bezüglichen Urkunden.
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geblich 1356, eine Fälschung aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 1 ) vielleicht angefertigt mit Rücksicht auf das Land Silesen, welches Anfangs neben Crivitz nicht ausdrücklich als Pfandstück bezeichnet war. Es ist aber noch eine von 1355 datierte, in Abschrift erhaltene Urkunde vorhanden, in welcher Herzog Albrecht dem Ritter Heinrich von Stralendorf de gantzen vøgedie to Crywitz vnd de gantzen vøgedye des landes to Mekelenborch pfandweise überläßt. 2 ) Dies Schriftstück ist auch wegen seines anderweitigen Inhaltes für uns von Interesse. Denn der Herzog will, wie es weiter heißt, von den ausgeliehenen Ländern nichts behalten wen desse nagescreuenen kerspele, dese ligghen in der vorbenomeden vogedie to Mekelenborch, als Naquenstorp, Pentzyn vnd Brw 0 l, die er zum Schlosse Eickhof gelegt habe. 3 ) Bevor das Kirchspiel (Dorf) Nakenstorf an Eickhof kam, mit welchem es schon 1344 zusammen genannt wird, lag es also in der Vogtei Meklenburg, und zwar wird es ein Grenzort an der Nordseite desselben gewesen sein, wie von den Kirchspielen Brüel und Penzin feststeht, daß sie an der Südostecke des Landes den Abschluß bildeten. 4 )


1) M. U. B. 8210 n. Der Herzog bekennt in dieser Urkunde, Heinrich von Stralendorf sei vor ihm erschienen und besorgt gewesen, daß in den Briefen, de wy eme gheuen - hebben, - dat lant to Tzylesen nicht vterken is vtedrucket in synen breffen, vnde doch syn pand, alze desse vorbenomede voghedie (Crivitz).
2) M. U.=B. 8073. 1377 (M. U., December 8.) entlieh Herzog Albrecht von den Gebrüdern Stralendorf auf die bereits verpfändeten Vogteien Crivitz und Meklenburg weitere 300 Mark.
3) In früherer Zeit waren die Brüeler und folglich auch die östlich benachbarte Penziner Pfarre nicht zum Lande Meklenburg gerechnet worden. Denn 1266 (M. U.=B. 1059) werden von ecclesiis in terra Ylowe et in terra Bruyle diejenigen in terra Mekelenburgh ausdrücklich unterschieden. Wie weit dieses Land Brüel nach Norden sich erstreckte, läßt sich urkundlich nicht feststellen. Das Kirchspiel Bibow könnte noch dazu gehört haben; auszuschließen ist hingegen das Gebiet des Kirchspiels Jesendorf, da dasselbe sich zwischen die Gegend von Nisbil, Warin, Mankmoos (in Mikelenburgh 1186, 1189 u. ö.) und den größeren westlichen Theil des Bezirks (mit der Burg Meklenburg) einschiebt.
4) Die terra Meklenburg in ihrer späteren Ausdehnung berührte sich hier (zwischen der Warnow und dem Stiftslande) mit der Vogtei Sternberg, von welcher ebenfals ein Grenzbezirk für das neue Amt Eickhof abgenommen wurde. Denn als Zubehör des Schlosses werden 1344 (M. U.=B. 6458) neben den Sprengeln Brüel und Penzin das östlich angrenzende Kirchspiel Sülten (1357 Mutterkirche von Penzin), sowie die Dörfer Eickelberg und Labenz mit Hufen in Laase angegeben. In provincia Sterneberghe finden wir aber 1306 vtrumque Grornowe (Groß und KleinGörnow), welches 1287 von der Kirche Zulta an die zu Ekelenbergh gekommen war, sowie im lant tu deme Sternebergh 1333 den Eickhof (Kirchspiel Eickelberg) selbst. (Mekl. (  ...  )
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Daß es aus der Mitte herausgenommen wurde, ist wenig wahrscheinlich. Mit Nakenstorf sind zugleich Reinstorf und Kl. Warin durch ihre Lage als Dörfer desselben Burgbezirks für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts erwiesen. Denn daß in älterer Zeit die Vogteien, welche sich nicht wie die von Eickhof aus verschiedenen Pfandstücken künstlich zusammensetzten, durchaus zusammenhängende Gebiete darstellten, dürfte nicht zu bezweifeln sein. Uebrigens findet sich Reynstorp in einem noch dem 15. Jahrhundert angehörenden Stol=Bede=Register des Amtes Meklenburg. Hier sind u. a. auch Jesendorp, Nepersdorp, Tramse, Busecow, Schymme, Tartzow aufgezählt (alle in dem südlich sich anschließenden Jesendorfer Sprengel gelegen). (Beyer.)

Andererseits ragte vom Lande Bukow das Kirchspiel Mulsow, welches wir als alten Bestandtheil der Herrschaft Meklenburg kennen lernten, mit Teplitz in die Propstei hinein. Näheres erfahren wir aus dem oben erwähnten Bedenverzeichniß. Dieses kann, entsprechend der zu vermuthenden Entstehungszeit (1410 - 20), als Ergänzung des Registers von 1412, das nur den größeren östlichen Theil der Vogtei Bukow specificiert, 1 ) angesehen werden, während die hier berücksichtigten Parrochien sämmtlich dem anderen, westlicher gelegenen Theile angehören; innerhalb der einzelnen Kirchspiele sind die Angaben unvollständig. Wir finden hier außer den Pfarren Oldenbukow, Oedeskerke (Drewskirchen) und Nyge Bukow die von Goldebue (Goldebee) mit Bentse und Toldaz, nygeborch u. a. mit Sarnekow und Süsow, endlich, wie bereits bemerkt, Neukloster mit Lübberstorf und Nevern. Ferner hatte nach einer Urkunde des Herzogs Johann (1421) Herzog Albrecht in der Vogtei Bukow und Propstei zu Neukloster verliehen: (Lübberstorf), Neverin, Toldas, Suzowe, Zarnekowe und Babelin (Beyer). Es handelt sich daher nur noch um den Vogteiverband von Pinnowhof, Neuhof und Koldenhof.


(  ...  ) U.=B. 1910, 3126, 5443.) Daß diese Gegend ursprünglich nicht mit Sternberg im Lande Warnow zusammengehörte, zeigt M. U.=B. 282 (s. Wigger, Annalen 109 a, A. 4). Die Verlegung wird erfolgt sein, nachdem der westliche Theil der Herrschaft Parchim (mit Sternberg) an die Meklenburgischen Fürsten gelangt war. Vorher hatten jene Ortschaften vermuthlich zum Lande Brüel gehört. - Dependenz von Eickhof ist (1344) endlich Holtdorpe (1372 Holtorpe), wahrscheinlich Holdorf (ritterschaftlichen Amts Meklenburg), welches an der Ostgrenze des Landes Silesen zu suchen ist. Denn es berührt sich östlich mit Kirchspiel Brüel und gehört zur Filialkirche Buchholz, wo 1251 eine Capelle der Pfarre zu Retgendorf (in Tzelesen 1350) gegründet wurde (M. U.=B. 533, 7051). 1371 (M. U.=B. 10254) sollen die coloni ville Holtorpe nullam aliam ecclesiam preterquam - in Retekenthorpe besuchen.
1) Außer den auf Seite 278, 290 und 294, Anm. 2, genannten Kirchspielen enthält das Register noch die Pfarren Russow und Oldengharze.
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Aber auch hierüber erhalten wir Aufschluß, da es 1412 am Ende des Registers heißt ausgeschlossen von der Theilung des Landes Bukow und gemeinsam sollten bleiben: die Stadt Nyenbukow und Neukloster mit allen Höfen, ausgenommen Brunshouede. Das vorhergehende Dörferverzeichniß übergeht daher die Höfe zu Teplitz und GroßTessin, obwohl dieselben innerhalb des beschriebenen Antheiles liegen, ebenso auch den Kniephof, welcher vermuthlich im Kirchspiel GroßTessin zu suchen ist; folgerichtig wird hingegen in Brunshouede Dorf und Hof erwähnt (vergl. S. 278). Es ist demnach nicht zu bezweifeln, daß auch die anderen drei Höfe, welche ihrer Lage nach ohne jene Zusatzbestimmung dem westlichen Antheile zugekommen wären, zu der Vogtei gehörten. 1 )

Diese Angaben reichen aus, die ungefähre Grenze der beiden Bezirke zu reconstruieren. Am Neuklosterschen See und nahe der Einmündung der Tepenitz stieß die Vogtei Meklenburg mit dem Lande Bukow zusammen und zwar zunächst mit dem westlichen Theile der Feldmark Neukloster, welcher (nach S. 306) bis 1301 vielleicht auch noch für die Herrschaft Werle (Vogtei Schwaan) in Anspruch zu nehmen ist, (bis an die Niederung, welche Neukloster von Nakenstorf schied). Weiterhin ist zu Meklenburg zu rechnen etwa die Feldmark von Rügkamp (ehemals zu Nakenstorf), sowie Sellin mit Ravensruh; zu Bukow hingegen Nevern (mit Koldenhof), welches als altmeklenburgischer Besitz ebenso wie Neuhof, Pinnowhof und die nördlicher gelegenen Dörfer diesem Burgbezirke bereits angehört haben wird, bevor derselbe über Neukloster und die anderen Klostergüter des Landes Schwaan erweitert ward. Außerhalb der Propstei verlief die alte Grenze, soweit sich ohne eingehendere Forschungen übersehen läßt und in Uebereinstimmung mit den Registern des 15. Jahrhunderts, zwischen den Kirchspielen Zurow und Goldebee, Lübow (mit Hornstorf) und Neuburg, um zwischen Dorf und Hof Redentin die Meeresküste zu erreichen.

Der ersten nachweisbaren Verschiebung der Verwaltungsgrenzen innerhalb der Propstei (Anschluß des östlichen Theiles an Bukow) folgten später weitere Veränderungen. Denn die Verzeichnisse des 16. Jahrhunderts halten an jener älteren Eintheilung der westlichen


1) Für die curia in Kl. Warin müßte freilich, wenn dieselbe damals noch vorhanden war (1371 frater Thydericus in curia nostra Warin) das Gleiche angenommen werden, obwohl der Ort von der übrigen Vogtei Bukow durch Nakenstorf isoliert lag. Es ist aber zu beachten, daß es der einzige noch übrige Wirthschaftshof des Klosters war, sowie daß die alten Ländergrenzen seit Errichtung des Amtes Eickhof hier ohnehin verändert waren. Anfänglich muß Kl. Warin, wie aus dem über Nakenstorf Mitgetheilten hervorgeht, zur Vogtei Meklenburg gehört haben.
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Klosterdörfer nicht mehr fest. So werden im Landbuche der Vogtei Meklenburg (nach 1506/7) nicht nur Reinstorf und Sellin, sondern auch Nevern, Lübberstorf, Züsow, Tollow, Bäbelin, Zarnekow dem Amte Meklenburg zugezählt. Damit stimmt eine Beschreibung des Amtes von 1556 überein, in welcher nur Sellin fehlt. Dieselben Dörfer (ohne Lübberstorf) kehren als Dependenzen von Meklenburg nach Techens Mittheilung auch in einem ungefähr der gleichen Zeit entstammenden Theilungsregister wieder; hingegen werden Perniek, Strameuß, Luitkendorp, Lüdersdorf, Babst mit dem "Hochsten und Ablager" noch immer zu Bukow gerechnet, 1 )Nakenstorf nach wie vor zum Eickhof. Indem man daher die meisten der alten Meklenburgischen Dörfer (dazu auch Lübberstorf, wohl in Folge seines Parrochialverbandes), im Gegensatz zu den ehemals Werleschen am linken Tepenitzufer, wieder zusammenfaßte, griff man gewissermaßen auf die ursprüngliche Hauptgrenze noch einmal zurück. Ueber Teplitz schwanken die Angaben des Theilungsregisters, indem das Höchste einmal nach Bukow, das andere Mal zum Kloster, das Ablager bald zu letzterem, bald zu Meklenburg gezogen wird. Mit "allem Rechte" gehörten damals zum Kloster: Sellin und GroßTessin. Das Gleiche gilt vielleicht von den Höfen Pinnowhof, Neuhof und Kl. Warin, da dieselben nicht in Zusammenhang mit anderen Vogteien erwähnt werden. Wie und wann ein eigenes Amt Neukloster sich bildete, bedarf noch im Einzelnen der Aufklärung. Seitdem sämmtliche Propsteidörfer aus ihrem bisherigen Vogteiverbande völlig ausgeschieden waren und dem Neuklosterschen Amte sich angeschlossen hatten, erinnerte nichts mehr an die Ländergrenzen, welche in alter Zeit dieses Gebiet durchzogen.


Wir wenden uns der südlichen Vogteigrenze zu, einer Trennungslinie zwischen weltlichem und geistlichem Gebiete, über welche aus neuerer Zeit Nachweise genug vorhanden sind. Denn als die anderen alten Grenzen innerhalb unseres Landes gefallen waren, blieb das Stiftsland (Aemter Warin und Bützow) Anfangs unter den Bischöfen, in evangelischer Zeit unter Administratoren, als politisch gesondertes Territorium noch lange von Bestand. Hier handelt es sich aber darum, in ähnlicher Weise wie in den vorhergehenden Untersuchungen


1) Gelegentlich eines Streites, welcher 1576 über die Mastgerechtigkeit in den Neuklosterschen Waldungen, namentlich in der "Kniephower Heyde und dem Lüberstorff Woldt" geführt wurde, war man beiderseits darüber einig, daß die "sechß Dörfer" mit hohem Gericht und Burgdienst dem Amte NeuBukow unterworfen seien (Beyer).
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überall die ältesten auf die Grenzen bezüglichen Ueberlieferungen zusammenzustellen. Grundlegend hierfür sind die alten Nachrichten, welche uns in einem Experpte Clandrians über die Scheide der Länder Schwaan und Bützow aufbewahrt sind. Diesem zufolge setzten sich 1232 (jedenfalls vor Stiftung des Klosters Rühn) die Fürsten Nicolaus von Werle und Heinrich von Rostock mit dem Bischofe von Schwerin über die beiderseitige Grenze auseinander. Für das Gebiet am linken Warnowufer finden wir hier zunächst folgende Ortsbestimmungen:

vom See Warin bis ins wasser Tyepnizham, da ess in den See leufft, darnach ins bachlin Studieno, folgendes in die Morass Guolenzke - lugi genant, von dannen in Sywan o f laz, ferner ins wasser Rozstrambounizham, als dasselb sich strecket vnd fleust in den See Duzcin, vnd ein teil des Sees, soweit das Ufer daran gehet, mit aller nutzung, vom See Duzcin ins bachlin Duznizham, als die laufft in den See Byalz, vnd desselben Sees teil, so weit das vfer sich daran erstrecket. (M. U.=B. 398.)

Die Grenze erscheint hiernach bestimmt durch zwei Wasserlinien, welche durch ein Sumpf= und Waldgebiet von einander getrennt sind: Guolenzke lugi und Sywan o f laz (ersteres = Gölliner Sümpfe nach Kühnel, letzteres = Wald des Zivan nach Kühnel und Beyer). Der Clandriansche Auszug läßt uns aber unklar darüber, warum die Urkunde, welche doch nur von den Fürsten von Rostock und Werle ausgestellt war, die Grenzbeschreibung schon mit dem Wariner See begann. Denn durch diesen sowie durch die Tepenitz aufwärts bis Neumühle wurde damals das Stiftsland von der Herrschaft Meklenburg geschieden. 1 ) Soweit die aus der Urkunde mitgetheilten Localitäten sich auf die Werlesche Grenze beziehen, sind dieselben auf der Strecke zwischen Neumühle und dem NeuKirchener See zu verfolgen, in Anschluß an die von Wigger (Jahrb. 28, S. 209) versuchten Deutungen.

Unterhalb des Gehöftes Neumühle mündet in die Tepenitz ein Bach, welcher in seinem stellenweise sehr sumpfigen Unterlaufe die Grenze bildet zwischen Pennewitt 2 ) einerseits, Neumühle und Lübberstorf andrerseits. Da, wo derselbe in seinem Oberlaufe aus der nordwestlichen Richtung (vom Dorfe Pennewitt her) in die südwestliche übergeht, vereinigt sich mit ihm ein anderer, welcher auf der Feldmark von Lübberstorf (zwischen der Dorfstätte und der Pennewitter


1) Vergl. S. 307, Anm. 1.
2) Auf dem Schmettauschen Brouillon erstreckt sich nördlich bis Neumühle, durch den Bach davon getrennt, das Stadtfeld von Warin an Stelle von Pennewitt.
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Scheide) läuft und sich, theilweise mit künstlichem Durchstich, bis zur Chaussee Neukloster - Bützow zwischen Dorf und Holzwärterei Lübberstorf verfolgen läßt. Wir kommen somit nach Pelz, dessen Beihülfe wir auch für diese Gegend zu theil wurde, dem Gebiete sehr nahe, welches in weiterem Sinne als Gölliner Sümpfe bezeichnet werden kann (ungefähr zwischen der hohen Burg, Feldmark Hermannshagen, Lüdersdorf, NeuKäterhagen, Forst Lübberstorf und Glambeck). Den Mittelpunkt desselben bildet etwa Göllin, welches ungefähr auf der Wasserscheide der Gebiete des Neuklosterschen, GroßTessiner und Labenzer Sees liegt. Nordwestlich vom Hofe Göllin, auf dessen Feldmark nach Lüdersdorf hin, dehnt sich das eigentliche Gölliner Moor aus, von dem obersten Laufe des zuletzt erwähnten Baches durch den Lübberstorfer Forst getrennt, in welchem sich aber auch schon mehrere kleine Sümpfe befinden. Für den GroßTessiner See weist die Karte drei Zuflüsse auf: 1) einen sehr kleinen Bach, welcher auf dem Felde von KleinSien nahe dem Hofe einmündet, 2) an der Scheide von Strameuß und Hermannshagen ein Gewässer, welches aus der Richtung nördlich von Käterhagen und dem Käterhäger Moore (also vom Gölliner Sumpfgebiete) herkommt, 3) zwischen beiden einen Bach, welcher bis nördlich von Göllin, also nahe an das Gölliner Moor (im engeren Sinne) sich zurückverfolgen läßt und von hier fast direct nach Norden fließt.

Der Name Tepenitz kommt urkundlich, abgesehen von der Strecke zwischen Neumühle und Wariner See, nur noch für den Lauf zwischen letzterem und dem Tempziner See vor. 1 ) Wenn man als Oberlauf desselben mit Wigger den Pennewitter Bach betrachtet, so würde die Bezeichnung Studieno auf den von Lübberstorf kommenden Nebenbach des letzteren zu beschränken sein. Indessen hält man die Tepenice der Laufrichtung entsprechend wohl mit mehr Recht für eine Fortsetzung des Werle=Meklenburgischen Grenzflusses, 2 ) in dessen Quellgebiete das Dorf Teplitz liegt. Die Benennung Studieno würde demnach dem ganzen Wasserlaufe von Neumühle bis in die Nähe des Wald= und Sumpfgebietes zukommen, durch welches die Grenze laufen sollte, um jenseit desselben bis zum See Duzcin der Rozstrambounizha zu folgen, für welche jedenfalls einer der beiden größeren Zuflüsse des GroßTessiner Sees in Anspruch genommen werden muß. Die Duznizha ist unzweifelhaft der Bach, durch welchen dieser See mit dem NeuKirchener (an dessen Ufer das Dorf Belitz liegt) in Verbindung steht.


1) 1222 (M. U.=B. 282) wird die curia Tunischin (Tempzin) bis an die Tepenice dem Antoniushospitale verliehen.
2) Im Volksmunde findet sich für denselben die Bezeichnung "Bukower Bek" (Jahrb. 33, S. 13).
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Auf der Strecke bis zum Gölliner Moor traf das Stiftsland später mit der Propstei Neukloster zusammen. Die nördliche Scheide der ehemals bischöflichen Dörfer Pennewitt (Kirchspiel Warin) und Göllin (Kirchspiel Qualitz) kann von der 1232 beschriebenen Grenze nicht erheblich abweichen, mit welcher sie, wie vorhin gezeigt wurde, zum Theil noch genau übereinstimmt. Colenin war schon eine der octo ville in Mikelenburch, deren Besitz 1186 dem Bisthum bestätigt wurde. Auch die ältesten Nachrichten über Pennewitt machen dasselbe als Besitzung des Stiftes kenntlich, da 1322 der Bischof von Schwerin einige Hufen in dem Dorfe von neuem vergab; auch heißt 1287 Engelkinus, Besitzer zweier bischöflichen Lehnhufen zu Warnow, von Peneuitz. 1 ) Zwar bestätigte 1362 Herzog Albrecht einige an Neukloster verliehene Einkünfte in villa Penneuitte; doch hatten einige Zeit früher die Verkäufer versprochen, diese Hebungen coram episcopo Zwerinensi, dum episcopatum regere pretendet, aufzulassen. 2 ) Der Bischof Andreas hatte nämlich die Länder Warin und Bützow, aus welchen er durch den Pfandbesitzer von Bülow verdrängt worden war, damals noch nicht wieder in seiner Hand. 3 )

Etwa von dem Moore nördlich von Göllin (Guolenzke lugi nach Wigger, a. a. O., S. 209) zog in nördlicher Richtung die Grenze weiter zwischen der Herrschaft Werle und dem stiftsländischen Nonnenkloster Rühn. In dem Bewidmungsbriefe von 1233, welcher bekanntlich wie fast alle älteren auf diese Stiftung bezüglichen Urkunden leider nur auszugsweise durch die Inhaltsangaben Clandrians auf uns gekommen ist, wurde das Kloster vom Bischof Brunward mit den Synodalrechten über eine Reihe von Kirchen, den Patronaten verschiedener Pfarren und mit Grundbesitz dotiert. Der letztere umfaßte außer einigen Dörfern in der näheren Umgebung von Rühn auch noch folgende Localitäten: Brunit mit dem Hagen, 4 ) Altona, Duzcin mit dem. langen Hagen, so von Duzcin gehet nach Glambeke werts. (M. U.=B. 420.)

Der Richtung des langen Hagens entspricht am meisten der Hermannshäger Bach (oben Nr. 3). Derselbe kann als Kirchspielsgrenze angesehen werden. Wir finden ihn zuerst auf der Feldmark Käterhagen (Kirchspiel GroßTessin), welche nur mit einem kleinen Theil östlich über ihn hinausreicht, dort wo Käterhagen sich mit Schlemmin (Kirchspiel Moisall) berührt. Sodann fließt er über die Feld=


1) M. U.=B. 4334, 1915.
2) M. U.=B. 9024, 9027; vergl. 9122, 10102.
3) Vergl. die Actenstücke über diesen Streit 1351 - 1363 (M. U.=B. 7538 u. a.).
4) Ueber die Interpunction dieser Stelle s. Schildt, a. a. O., S. 235, Anm. 2
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mark Hermannshagen hinweg, auf welcher in kirchlicher Beziehung noch unterschieden werden: westlich Hof Hermannshagen im Kirchspiel GroßTessin, welchem auch die jetzt zu KleinSien gerechnete Mühle an der Mündung des Baches in den See angehörte (früher Hermannshäger Mühle genannt), und östlich Bischofshagen (mit Dorf Hermannshagen) im Kirchspiel Moisall. 1 ) Mit dieser kirchlichen Grenze stimmt die politische, soweit wir sie zurückverfolgen können, überein. Es kann zwar nicht mit Sicherheit constatiert werden, in welchem Hermannshagen 1314 Heinrich von Meklenburg dem Bützower Domstifte einige vom Ritter Heinrich Ketelhodt verkaufte Hebungen verlieh, da es noch 2 andere, ebenso benannte Dörfer (in den Aemtern Bukow und Grevesmühlen) gab. 2 ) Für unser Hermannshagen (Hof) spricht aber der Umstand, daß die Ketelhodt in der Nachbarschaft desselben um diese Zeit thatsächlich begütert waren; auch stand, wie aus einer gelegentlichen Notiz hervorgeht, ein Angehöriger des Geschlechtes später in dieser Gegend zur Propstei Neukloster in Dienstverhältniß (s. unten). Jedenfalls war der Ort 1596 ein Meklenburgischer Rittersitz, welcher damals (u. a. mit der Mühle) dem Administrator Ulrich verkauft wurde, zugleich mit dem Bauerndorfe "im Hagen", dem heutigen Käterhagen (Schildt, a. a. O., S. 238). Es sind offenbar dieselben Ortschaften, welche 1412 in der Vogtei Bukow als Hermannshagen, Hof und Dorf, unter Kirchspiel Groß=Tessin verzeichnet sind. - Andrerseits werden 1264 3 ) die villani von Hermernshagen von dem Bischof unter den parrochiani der damals von Schlemmin nach Moisall verlegten Kirche angeführt, und zwar gelegentlich einer Grenzbestimmung für das Pfarrgut derselben. Diese Bauern waren Unterthanen des Bischofs, nicht der Herrschaft Werle. Das von ihnen bewohnte Dorf führte später, wohl um es von dem benachbarten Hofe zu unterscheiden, den Namen Bischofshagen. 4 ) und war im Besitz des Klosters Rühn, welchem es von der Zeit der Stiftung her gehört haben wird. 1632 wurde an Stelle des Bauernhofes ein Meierhof desselben Namens errichtet und auf dem ehemaligen Schulzengehöfte der Hof erbaut, zu dessen Acker die


1) Raabe, Meklb. Vaterlandskunde I, S. 619, giebt Bischofshagen (mit Dorf Hermannshagen) noch als eigne Feldmark an.
2) M. U.=B. 3727. Vergl. 6290, wonach 1343 illi Keetelhude de Herme[n]shaghene einem Wismarschen Bürger verschuldet sind.
3) M. U.=B. 1017, Kopie von einem Transsumpt des Bischofs Herzog Rudolf (1390 - 1415.)
4) Amtsbericht von 1579: Hermenshagen oder Bischofshagen; 1633 heißt das Dorf Nonnenhagen (Beyer). - Damit stimmen die Visitationsprotocolle überein. Denn 1558 gehörte zur Kirche Moisall Hermannshagen, 1593 dafür Bischofshagen.
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meisten wüsten Bauernstellen gelegt wurden, mit Hinzufügung einiger gleichfalls wüsten Stellen von KleinSien. 1 ) Da einige Bauern von Bischofshagen übrig blieben, ist auf diese vielleicht das spätere Dorf Hermannshagen zurückzuführen. 2 ) - Die Rozstrambounizha halte ich demnach für den Hermannshäger Bach; Sywan o f laz wäre dann, nach der von der Urkunde innegehaltenen Reihenfolge zu urtheilen, am Oberlaufe desselben zunächst nördlich vom Gölliner Moore zu vermuthen. 3 )

Die Scheide des GroßTessiner Sprengels setzt sich fort im GroßTessiner See und im nördlichen Abflusse desselben (Duznizha), folgt hier also sicher der 1232 festgesetzten Linie. Von Westen her stieß an diese Gewässer wieder die Propstei Neukloster mit Strameuß und GroßTessin, außerdem auch noch Warnkenhagen. Letzteres gehörte allerdings dem Kloster Rühn, war demselben aber durch Heinrich von Werle 1290 verliehen worden, dessen Vasallen, die Gebrüder Ketelhodt, es verkauft hatten, 4 ) wie es auch 1412 und später immer zum Amte Bukow gerechnet wurde. An der entgegengesetzten Seite des Sees gehört KleinSien (d. i. KleinTessin) zur Pfarre Moisall, welcher auch das von dem Bache begrenzte Ulrikenhof zugezählt wird. Es fragt sich, ob die über die beiden letzterwähnten Dörfer zu Gebote stehenden geschichtlichen Nachrichten sich mit dieser Grenze in Einklang befinden. Dies mußte verneint werden, wenn KleinSien, wie bisher immer angenommen wurde, auch unter dem Namen Minnitz gegangen


1) Schildt, a. a. O., S. 235 und 236. v. Schmettau verzeichnet den Meierhof südlich von Gehöft Hermannshagen am Bache; zwischen beiden, gleichfalls am Bache, liegt "Althof" (eine ältere Hofstelle von Hermannshagen?).
2) Auf der Feldmark von Bischofshagen ist wohl Merchowe zu suchen, welches 1264 unter den zu Schlemmin=Moisall eingepfarrten Dörfern zwischen Hermannshagen und KleinSien genannt wird. Darauf deutet der Name "die kleine und die große Marchau" hin, welchen nach Mittheilung von Beyer 1559 der erste und der zweite Ackerschlag von Bischofshagen führte. Das ebenfalls untergegangene Horne scheint, der Reihenfolge entsprechend, zwischen KleinSien und Moisall gelegen zu haben.
3) Da die entscheidenden Nachrichten über die Grenze nicht über das fünfzehnte (resp. vierzehnte) Jahrhundert zurückreichen, so ist die Möglichkeit zuzugeben, daß die Scheide des Stiftslandes nach der Festsetzung von 1232 anfangs dem Bache zwischen Strameuß und Hermannshagen folgte und erst später an jenes andere Gewässer zurückverlegt ward. Den Ortsnamen Strameuß leitet Beyer von Rostramboniz her.
4) M. U.=B. 2071. Das Ortsregister des Urkundenbuches läßt hier zweifelhaft, ob Warnkenhagen (Amts Rühn) oder das Kirchdorf im Amte Güstrow gemeint sei. Die genannten Vasallen hatten zwar in der Güstrower Gegend Güter (im Kirchspiel Wattmannshagen, vergl. S. 296, A 3). Es ist aber nicht bekannt, daß das dortige Warnkenhagen jemals dem Kloster Rühn gehörte.
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wäre, so daß dieser 1275 vom Fürsten von Werle verliehene Neuklostersche Ort östlich vom See und Bach gelegen haben würde. Es handelt sich aber um ganz verschiedene Dörfer. Vsque ad agros villanorum minoris ville Dessyn sollte, wie 1264 der Bischof verfügte, das Pfarrgut der Kirche Moisall sich erstrecken, und im Sprengel der letzteren lagen damals 13 mansi in Minori Dessyn. Derselbe Name in niederdeutscher Form erscheint 1381 wieder in einer aus Kirchenschriften von Moisall stammenden Aufzeichnung, wo berichtet wird, daß am 3. Februar Martin Axekow in Gnemern (weil er den Fischern ihre Garne und Wehre in der "Herrn Beke" weggenommen und zerrissen habe) gefangen worden sei vor "Lütken Desßin" durch Otto Ketelhodt, den Unterpropst von Neukloster (Besitzer von Hermannshagen und Vogt des Klosters?) (M. U.) Auch die Visitationsprotocolle (1558) geben "Lutken Dessin" unter Kirchspiel Moisall. Das im Besitze des Klosters Rühn befindliche Dorf wurde im 16. Jahrhundert mit Bede, höchstem Gerichte etc. . zum Amte Bützow gezählt. (Schildt, a. a. O., S. 230). Hingegen ist weder in den Neuklosterschen Urkunden und in der Vogtei Bukow, noch im Kirchspiel GroßTessin jemals die Rede von KleinTessin. Der Name Minnitz, jedenfalls wendischer Herkunft, wurde jedoch, weil er an das niederdeutsche min (== kleiner) anklingt, später umgeformt. Die Neuklostersche Privilegienbestätigung von 1362 hat noch Mynnitze; im Verzeichniß der bischöflichen Burglehne heißt der Ort Mynse; im Theilungsregister der Vogtei Bukow Mynitz. Aber das Neuklostersche Kopialbuch registrierte im 15. Jahrhundert die Verleihung von 1275 mit den Worten: privilegium - super Mynnetze, quod vulgariter dicitur dat Ludtkedorp (M. U.=B. 1373 n.); ähnlich lautet der Name 1493 (Lutkendorppe beleghen in deme kerspele to Groten Dessyn), sowie in den Visitationsprotocollen (Luidkendorp 1558) und in späteren Registern. Die Lage des eingegangenen Dorfes läßt sich noch ziemlich genau ermitteln. Denn in der Grenzbeschreibung des Amtes Neukloster (1725) heißt es von den Scheiden des Dorfes Strameuß, daß sie "gehen an zwischen Warnkenhagen und Glasin durch den aus dem Füllungsmohr kommenden Wasserlauff nach dem Lütkendorffer Holtze", ferner durch ein Moor und verschiedene Wiesen an einen Bach, "so zwischen Warnckenhagen und dem Lüttkendorffer feldt läuft" etc. . Glasin und Strameuß, die hiernach damals unmittelbar an Warnkenhagen grenzten, wurden später von demselben durch GroßTessin, welches sich demnach weiter nach Norden vorgeschoben haben muß, völlig getrennt. Das Schmettausche Brouillon nennt auf diesem ehemals Strameußer, resp. Glasiner Felde: Lüttendorffer Holtz nach Warnkenhagen hin, Lüttendorffer Moor in der

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Richtung auf Glasin und Babst (vergl. die Skizze). Das Dorf lag daher von der Grenze des Stiftslandes weiter entfernt, und das bischöfliche KleinSien des Klosters Rühn stand in keinem Zusammenhange mit Minnitz.

Die jetzige Feldmark Ulrikenhof hat ihrem Hauptbestandtheile nach ursprünglich jedenfalls zu KleinSien gehört, indem an der Nordseite des Sees die Duznizha zur Abgrenzung von Groß= und KleinTessin diente, ebenso wie südlich der von Duscin auf Glambeck gerichtete Hagen vermuthlich durch die Rozstrambounizha in zwei Theile geschieden wurde. Denn nach Analogie fast aller ähnlichen Fälle ist anzuehmen, daß die durch den Zusatz "Groß" und "Klein" unterschiedenen Dörfer Tessin anfangs unmittelbar nebeneinander lagen. Die ältere Topographie kommt auch darin zum Vorschein, daß die Rühner Stiftungsurkunde, welche an zweiter Stelle anscheinend einen zusammenhängenden Landstrich an der Grenze der Herrschaft Werle beschreiben will, zwischen den jetzt durch Ulrikenhof getrennten Orten Moltenow und Duscin kein anderes Dorf zu nennen weiß. Zu demselben Resultate führen auch die über das "Mönchfeld" vorliegenden Nachrichten. Diese Feldmark wurde nach der Beschreibung des Klosteramtes Rühn (1654) von den Bauern in KleinSien, Warnkenhagen und Moltenow bebaut, ist also zwischen diesen 3 Klosterdörfern, etwa an der Stelle von Ulrikenhof, zu suchen (Schildt, S. 237, Anm. 1). Während aber von den 17 Moltenower Bauern nur 2, von Warnkenhagen nur der Schulze, Acker daselbst gepachtet hatten, waren die Bauern von KleinSien sämmtlich dort betheiligt. Auch hatte der Schulze dieses Ortes die Hälfte des GroßTessiner Sees in Pacht, welcher das Recht, in demselben zu fischen, mit Neukloster theilte (ebd. S. 230, 237 u. 238). Um 1700 lag an Stelle des Mönchfeldes ein Meierhof des benachbarten Moltenow (Kirchspiel Bernitt) (Beyer), welcher den Namen Ulrikenhof erhalten haben wird.

Der Bewidmungsbrief unterscheidet, soweit sich aus dem Excerpte erkennen läßt, nicht Groß= und KleinTessin von einander. Vielmehr wird mit demselben Namen (Duscin) sowohl das Pfarrdorf bezeichnet, über dessen Kirche das Kloster die Archidiaconatsrechte erhielt, deren Verleihung dem Bischof in seiner ganzen Diöcese zustand, als auch die Feldmark, welche von ihm als Eigenthum verliehen wurde, also in seinem Lande liegen mußte. Eine ähnliche Ungenauigkeit zeigt sich auch, falls 1232 nicht der Strameußer, sondern, wie zu vermuthen, der Käterhäger Bach als Grenze bestimmt war, in dem von Duscin nach Glambeck sich erstreckenden "langen Hagen". Wir können nicht wissen, ob in dem vollständigen Texte ein Unterschied zwischen der bischöflichen Feldmark (KleinTessin) und der Werleschen (GroßTessin) aus dem Zusammenhange sich ergab. Wenn in Widerspruch mit dem

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Grenzvertrage (1232) von Seiten des Bischofs oder des Klosters auf GroßTessin (resp. den westlichen Theil des Hagens) später Ansprüche erhoben wurden, so sind sie damit den Fürsten gegenüber jedenfalls nicht durchgedrungen. Johannes de Duscin ist Zeuge bei Nicolaus von Werle schon 1242; ein Ritter desselben Namens begegnet seit ca. 1274 als Werlescher Vasall und gehört zur ständigen Umgebung der Fürsten. Er wird sich nach dem Dorfe genannt haben, welches die Herren von Werle, wie u. a. Johannes de Duscin bezeugte, 1275 zugleich mit Minnitz dem Kloster Sonnenkamp übertrugen. 1 ) Wahrscheinlich blieben aber die bisherigen Eigenthümer, nunmehr als Vasallen des Klosters, im Besitze der Güter. Eine Tochter Johanns gehörte 1291 dem Nonnenkonvente an; doch waren ihre 6 Brüder (de Duzsin, 1300 de Descin genannt) nicht im Stande, die 60 Mark zu bezahlen, welche der Vater vor seinem Tode als Präbende ausgesetzt hatte. Wir finden die beiden Dörfer bald nachher in den Händen einer anderen Familie. Denn 1299 verkaufte Alexander de Duscin, welcher sonst immer de Zverin heißt, Hebungen in Minnitz dem Kloster, worauf 1302 er und seine Brüder (dicti de Zverin) alle Güter, welche sie von Propst und Konvent zu Lehn gehabt, u. a. Duscin, Minnizce, vor demselben aufließen, mit Ausnahme der curia nebst Zubehör, 2 ) welche Alexander in Duscin besaß und für welche er, wie auch ihre Erwähnung in der Heberolle (ca. 1319) zeigt, Lehnsinhaber blieb. Vermuthlich ist dies derselbe Hof (curia in Duscyn), für welchen der Fürst von Meklenburg 1311 dem Kloster die höhere Gerichtsbarkeit verlieh. Alexander von Schwerin, welcher meistens in der Umgebung des Bischofs vorkommt (Burgmann in Bützow 1284, mit Besitz in WendischTrechow 1321) war demnach für seine Güter in der Propstei Neukloster Meklenburgischer Aftervasall. Unverständlich ist mir aber die Kornabgabe, welche er nach M. U.=B. 2562 sowie nach der Heberolle (S. 405) von seinem Hofe Duscin und Minnitz an den Bischof zu leisten hatte; auch auf die Anwesenheit des Propstes von Rühn bei Verleihung der beiden Ortschaften (1275) mag hingewiesen werden.

Den nördlichen Abschluß der Bewidmungen des Klosters Rühn bildete das Gebiet des Kirchspiels Bernitt. Das Gotteshaus, dessen Patronat im Stiftungsbriefe dem Kloster in Aussicht gestellt wird,


1) M. U.=B. 1350, 1682 u. ö. Die Dörfer des Namens Tessin (in den Kirchspielen Retgendorf, Zahrendorf, Döbbersen und Tessin) und Dessin (Kirchspiel Prestin) lagen sämmtlich außerhalb der Herrschaft Werle. Nur Groß= und KleinTessin (Kirchspiel Bellin und Krakow) könnten neben dem Klosterdorfe noch in Frage kommen.
2) M. U.=B. 2109, 2618, 2562, 2775.
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scheint nach Jahrb. 22 (S. 314) noch Reste des alten Baues bis heute bewahrt zu haben. Der Sprengel erreicht den Bach mit Moltenow, dem einzigen, außer dem Kirchdorfe, noch eingepfarrten Orte. 1 ) Indirect ergiebt sich dieser Zusammenhang schon aus der erwähnten Urkunde über das Moisaller Pfarrgut. Dasselbe sollte sich zwar erstrecken usque ad agros villanorum ab uno latere Moltena; unter den parrochiani werden aber die Bewohner dieses Dorfes nachher nicht mit genannt. Jenseits des Gewässers ist Gnemern (Kirchspiel Berendshagen) 1320 und 1327 als Preensches Gut kenntlich 2 ) und wurde 1383 vom Herzog an Werner Axekow verliehen (M. U.). KleinGnemern kommt in früherer Zeit nicht vor (1412 Hof und Dorf Gnemern).

Nachdem der Bach das Klostergebiet verlassen hat, bildet er auch fernerhin die Landesgrenze, welche sich im NeuKirchener See fortsetzt, in Uebereinstimmung mit den bis jetzt erhaltenen Feldmarkscheiden. Zunächst trennt die Duznizha auch noch die Kirchspiele von einander: GroßGischow (Kirchspiel NeuKirchen) ist das Dorf Gissecow, in welchem der Bischof 1320 Gericht und Bede verpfändete, während nach Berendshagen (dessen Kirche nach Jahrb. 19, S. 331, vielleicht schon im 13. Jahrhundert existierte) Dolglas (zuerst 1358 erwähnt als Dolghelize) und der Hof Ghissecow (KleinGischow) eingepfarrt waren (Vogtei Bukow 1412). So sollte auch nach dem Bützower Landbuch (1580) der "Gischower Bach" Fürstenthum und Bisthum scheiden und der Hof im Fürstenthum liegen: für Besitz im Dorfe waren im 16. Jahrhundert die von Stralendorf des Bischofs Lehnsmannen 3 )

In ihrem weiteren Laufe zieht sich jedoch die Wassergrenze quer durch das Kirchspiel NeuKirchen, zwischen die Feldmarken

in Werle: im Stiftsland:
Jürgenshagen, NeuKirchen, KleinBelitz, Selow. Viezen, Reinstorf, Penzin.

Clevena, dessen Hufen im 14. Jahrhundert an die Bauern in Viezen verpachtet waren und daher in diesem Dorf untergegangen zu sein scheinen, wurde 1280 vom Bischof an das Domcollegiatstift zu Bützow verkauft. 4 ) In Reinstorf, welches gleich Vizen später ein Bauerndorf der Stiftsritterschaft war (Schildt, S. 214), hatte dasselbe Stift schon 1248 von Bischof Wilhelm 9 Hufen cum omni jure


1) Visitationsprotocoll 1540: Bornydt - zum kerspel gehort Moltenau.
2) M. U.=B. 4208, 4879.
3) M. U.=B. 4198. Jahrb. 28, S. 209, Anm. 2 (vergl. Schildt, a. a. O., S. 213).
4) M. U.=B. 1547 (dazu die Glosse des Bützower Diplomatars). Nach Jahrb. 56, S. 192. lag Clevena 1/4 Meile südwestlich von Reinstorf.
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erworben. Ueber Penzin liegt eine Urkunde vor, nach welcher 8 dortige Hufen cum piscaturis adjacentibus und die Hälfte des NeuKirchener Sees (dessen Westufer die Feldmark berührt) 1318 vom Bischof verpfändet waren; als helfte der se, de licht to Pentzin wert, wird derselbe Seeantheil 1364 bezeichnet. 1 ) - In Jürgenshagen, auf der anderen Seite des Baches, sehen wir hingegen das Bisthum, welches 1284 - 87 über einige Einkünfte daselbst (annona et decima und Brückengeld verfügte, keine Herrschaftsrechte ausüben. Vielmehr wurde 1331 das ganze Dorf und der Hof zu Jordenshagen vor dem Herzog aufgelassen. 2 ) 1375 verkaufte es der damalige Besitzer dem Schweriner Stifte (M. U.=B. 10708) und, nachdem es von diesem der Administrator Ulrich eingetauscht hatte, wurde es der Vogtei Bützow einverleibt (Schildt, S. 172). Früher erreichte mit diesem Dorfe die erweiterte Vogtei Bukow (1412) im Osten ihren Abschluß. Mit NeuKirchen betreten wir das der Burg Schwaan verbliebene Gebiet. Mit diesem Werleschen Orte hängt wahrscheinlich Judita de Nienkerken zusammen, welche sich 1244: unter den Grenznachbaren des Klosterhofes Satow befindet. 1368 verlieh der Herzog das ganze Dorf und den Hof (de yn der voghedye to Sywan ligghen) mit höchstem Gericht und Bede an seinen Vasallen Henneke Molteken van der Nyenkerken. 3 ) Eine Befestigung an der Grenze war die im Jahrb. 7 B, S. 32 und 9 B, S. 406 beschriebene Anhöhe zu NeuKirchen (nach der Reinstorfer Scheide hin, nahe dem Bache gelegen), nach den gefundenen Ueberresten zu schließen wohl als mittelalterlicher Burgwall zu betrachten. KleinBelitz (vgl. Byalz 1232) war jedenfalls im Besitze der oft bei den Meklenburgischen Fürsten genannten Moltke de Belitz (so 1328 4 ), und in Selow verlieh der Fürst von Werle 1277 das Eigenthum von 4 1/2 Hufen; 5 ) mit den beiden Dörfern war auch die zu ihrer Uferstrecke gehörige östliche Hälfte des später nach NeuKirchen benannten


1) M. U.=B. 610, 3974, 9223. Der 1318 als stagnum prope Nigenkerken bezeichnete See scheint die Feldmark von NeuKirchen selbst ebensowenig wie heute berührt zu haben.
2) M. U.=B. 1759, 1852, 1904, 5205.
3) M. U.=B. 9781, vergl. 8876.
4) Daß kleine über den Unterlauf des Baches hinausreichende Stück von Belitz wird ursprünglich zu Penzin gehört haben. Vielleicht war dies der Acker der 3 Penziner Bauleute und 3 Kossaten, welche, nach dem Bützower Landbuch (Schildt, S. 173), von den Moltke angefochten wurden, obwohl "itzige Leute nicht gedenken, daß Moltken daran gehabt."
5) M. U.=B. 1932. Die später (um 1500) hinzugefügte Korrectur (20 Selower resp. 10 Kambser Hufen) beruht, wie M. U.=B. 3517 zeigt, auf Verwechselung mit der Zahl der einkommenden Drömt Kornes.
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Sees Byalz vom Stifte ausgeschlossen. 1 ) Die Hufen in NeuKirchen, Belitz und Selow, über welche 1270 die Präbendenordnung des Bützower Domcollegiatstiftes verfügte, lagen also nicht im Lande des Bischofs; übrigens scheint es sich in diesem Falle nur um die Zehnten von jenen Hufen, nicht um den Grundbesitz gehandelt zu haben. 2 ) - Auf dem Felde von Selow sollen (Jahrb. 7 B, S. 58) 3 Höfe, deren Namen und ehemalige Lage den Bewohnern noch genau bekannt sei, während des dreißigjährigen Krieges untergegangen sein: Nienhof, mit Kirche und Pfarre (?), in der Nähe von KleinBelitz, ferner Sievershof und Hawhof, über deren Lage Näheres nicht mitgetheilt wird. Wenn diese Orte, von denen anderweitig nichts bekannt ist, im 16. Jahrhundert zum Stiftslande gehört hätten, würden sie jedenfalls im Bützower Landbuche erwähnt sein.

Den jetzigen Umfang des Kirchspieles NeuKirchen zeigen auch die Visitationsprotocolle, mit welchen schon die unvollständigen Angaben des Heberegisterbruchstückes übereinstimmen. Aber schon im 13. Jahrhundert fiel es auf, daß hier die kirchlichen Grenzen von den politischen abwichen. Die Ausnahme von der Regel hing vermuthlich mit der Thatsache zusammen, daß das Patronat über die Kirche des Werleschen Dorfes vom Bischof in Anspruch genommen wurde, welcher dieselbe 1248 dem Bützower Domstifte übertrug taliter, ut persona sit eanonicus, sustentacione competenti vicario reseruata. In einem 1291 super questione juris patronatus in Nyenkerken abgeschlossenen Vergleich ließ Heinrich von Werle dem Bischof die freie Wahl, ob die dortige Kirche cum omnibus villis, tam nostri districtus, quam etiam de terra sua, ad eam hactenus pertinentibus permanere debeat indecisa, uel ipse suas villas uelit ab eadem ecclesia remouere. Wenn der Sprengel ungetheilt bleibe, solle der jedesmalige Pleban dem Bischof jährlich 10 Mark entrichten - auf diese Summe wird sich die Einnahme des mit der Pfarre ausgestatteten Domherrn belaufen haben - für die Hufen und Zehnten, quibus eadem ecclesia dotata fuerat de redditibus episcopalis mense. Wenn er hingegen die Dörfer des districtus Butsowensis von der Kirche trennen will, so soll die letztere aller Verpflichtungen gegen ihn


1) Nach dem Landbuche (Schildt, S. 168) soll der See sein "halb Fürstenthums und halb Stifts. Die Moltken und Haus Schwaan brauchen ihn zugleich."
2) In Selow X mansos heißt es 1270, in Zelow decimam decem mansorum in der Bewidmungsurkunde dese Domstiftes; auch in NeuKirchen wurden damals vom Bischof Zehnten verliehen, mansi cum omni jure hingegen nur in solchen Dörfern, die unter seiner Herrschaft standen (Steinhagen, Laase, Reinstorf) (M. U.=B. 1178, vergl. 1852; 610),
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enthoben sein. Welchem der beiden Vorschläge aber der Bischof auch zustimmen wird, die Patronatsrechte sollen künftig für immer dem Fürsten bleiben. Der Bischof wird sich für die erste Alternative entschieden haben, denn die 4 Grenzorte des Stiftes blieben in der Folge mit der im übrigen Werleschen Parrochie verbuuden. 1 ) Es muß dahingestellt bleiben, ob dies den ursprünglichen Pfarrgrenzen entsprach oder ob die Dörfer des Landes Bützow, um zur Dotation des Pfarrinhabers beizutragen, vom Bischof erst später der von ihm zu verleihenden Kirche hinzugelegt waren, so daß anfangs die Sprengeleintheilung auch hier der politischen Grenze Rechnung getragen haben würde. 2 )

Auf der Strecke vom See Byalz bis an die Warnow wird 1232 eine Reihe schwer zu deutender oder überhaupt nicht mehr fixierbarer Localitäten angegeben. Einigen Anhalt für den ungefähren Verlauf der alten Grenze gewähren aber doch die späteren Feldscheiden der bischöflichen und Werleschen Dörfer. Die Scheide zwischen Penzin und Selow zieht sich, die Richtung des Unterlaufes der Duznizha und des lang gestreckten NeuKirchener Sees beibehaltend, noch eine Strecke weiter südlich. Darauf setzt wieder die Sprengelgrenze ein, indem das Kirchspiel Bützow (mit LangenTrechow, Parkow, Passin und dem Bützower Stadtfelde) an Selow von Süden her, darauf an die Dörfer der Pfarre Kambs (Tatschow, Kambs und Friedrichshof) hinantritt.

In Teutsch Trechow, d. i. Kirchdorf LangenTrechow. 3 ) verschrieb 1287 der Bischof an die Babbe, Burgleute zu Bützow, 6 ehemals von Eberhard Moltke besessene Hufen, "so von alters


1) M. U.=B. 610, vergl. 1178; 2121, vergl. 6051. - 1352 machte wieder der Decan der Bützower Kirche die Patronatsrechte geltend, während 1353 Herzog Albrecht erklärte, daß seinem Vasallen Teze von Zernin ebenso wie früher dessen Vorfahren das Kirchlehn zukomme. Der Streit kam endlich zum Austrag, indem Teze 1367 die Pfarre gegen Verpflichtung zu einer Seelenmesse dem Domstifte schenkte (M. U.=B. 7676, 7734, 9612, 9627).
2) Wie Jahrb. 7 B. (S. 58, 59) mitgetheilt wird, lag der Sage nach auf der Viezener Feldmark ein Kirch= und Bauerndorf (in welchem Schildt, S. 214, Anm., daß früh untergegangene bischöfliche Clevena vermuthet) und war auf einem dortigen Ackerstücke nach NeuKirchener Pfarrinschriften "ehemalen ein alter Kirchkathen" gelegen. Diese Nachrichten sind indessen für die weit zurückliegende Zeit, um welche es sich hier handelt, wohl nicht zu verwerthen. - Eine Filiale des ziemlich umfangreichen Kirchspiels NeuKirchen war nach Schildt, S. 173, in Penzin.
3) 1329 (M. U.= B. 5046) bestätigt der Bischof, daß in villa Dudeschen Trechow, sita infra terminos parrochie - ecclesie Butzowensis ein Kirchhof und eine Kapelle geweiht werden sollten. Dagegen 1321 Slauicalis Trechowe (M. U.= B. 4254). 1593 (Visitationsprotocoll) werden beide Dörfer als Langen= und KurzenTrechow unterschieden.
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lehnguter gewesen." (M. U.=B. 1915, Clandrian.) Parkow, welches bis 1370 nur in einer Urkunde vorkommt (1302), wird hier vom Bischof als Grenzort des an die Stadt Bützow verliehenen (untergegangenen) Cernyn namhaft gemacht. 1 ) Eine Erhöhung in einer zu Parkow gehörigen Wiese ist auf dem Schmettauschen Brouillon (an der Scheide nach Selow hin) als "Borgstäde" notiert. 2 ) Ueber Partzin (sita infra terminos ecclesie Butzowensis) waren 1329 bischöfliche Vasallen die domini temporales siue censum ex ea percipientes. Schon 1236 hatte, wie Clandrian berichtet, Brunward die Scheide des Bützower Stadtfeldes am linken Warnowufer gesetzt an die Grenze der Dörfer Rühn, Steinhagen, Neuendorf und an die helffte des Morasses vom dorffe Zarnyn vnd in die helffte dess Morasses oder luhes von Partzin. 3 ) Offenbar sollte diese Grenzlinie, wie die Reihenfolge der Ortsnamen zeigt, im Süden an der Warnow bei Rühn beginnen und im Norden der Stadt zum Flusse zurückkehren durch den Sumpf von Passin. Letzterer muß daher südlich vom Dorfe Passin sich bis an die Warnow erstreckt haben, so daß die südliche Hälfte der Stadt zufiel, die nördliche hingegen damals noch ausgeschlossen war und vermuthlich bei Passin verblieb. 4 ) Es geht aus dem Gesagten hervor, daß hinter der Nordgrenze des Stiftslandes, wie wir sie aus späterer Zeit kennen, diejenige der früheren Jahrhunderte auch hier nicht zurückblieb.


1) M. U.=B. 2789: Cernyn, sitam inter ciuitatem ipsam et villam Perkowe. Ueber das eingegangene Dorf (in der Nähe des Bützower Sees) s. Schildt, a. a. O., S. 151 und Anm. 1. Auch M. U.=B. 456 ist jedenfalls dieses am linken Warnowufer gelegene Cernyn gemeint.
2) Die Annahme Beyers, welcher mit Rücksicht auf das in dieser Gegend untergegangene Hawhof in jener Burgstätte die Howborch vermuthet, wo 1327 Fürst Heinrich eine Urkunde ausstellte (datum in castris Howborch, M. U.=B. 4851), halte ich für etwas gewagt. Auch ist Hawhof, wie oben bemerkt, auf der Feldmark von Selow zu suchen. Das Urkundenbuch erklärt Howborch als Hohe Burg bei Bützow. 1264 aber heißt diese mons Sclemminerborgh. (M. U.=B. 1017.)
3) M. U.=B. 5046 n und 456.
4) Das untergegangene Bahlen, nach Schildt (S. 174 und Anm.) links am Wege von Bützow nach Passin und in der Folge ganz oder größtentheils in Horst aufgegangen, scheint hiernach so gelegen zu haben, daß es den Zusammenhang zwischen Passin und dem Luche von Passin nicht unterbrach. Die Existenz des Dorfes läßt sich, wie ich glaube, schon für das vierzehnte Jahrhundert nachweisen. Denn bischöfliche Vasallen sind 1329 Baroldus et Nicolaus - in villa Bolen morantes; und 1337 wird Speckin, qui moratur in villa Bolen, zu Rostock verfestet. Das Ortsregister des Urkundenbuches deutet den Ort als Bölendorf (südl. von Sülze); doch heißt dieses 1298 villa Bolendorp. 1593 Balen im Kirchspiel Bützow (Visitationsprotocoll).
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Hingegen gehörte Kambs (in dessen Feldmark das später angelegte Friedrichshof von der Passiner Scheide her einen tiefen Einschnitt bildet) zur Herrschaft Werle, da Fürst Heinrich 1287 zugleich mit dem oben erwähnten Besitz in dem nahegelegenen. Selow 2 Hufen in Campze verlieh; (Kambs bei Röbel lag im Landestheile des Fürsten Nicolaus). Da der Rostocker Johann Frise 1268 wie in anderen Kirchen des nördlichen Meklenburg auch in Campiz ein Legat stiftete, so muß die dortige Kirche schon vorhanden gewesen sein; auch Untersuchungen über den Baustil des Gotteshauses führen in das dreizehnte Jahrhundert zurück. 1 ) Ueber 4 Hufen in Tatsecowe verfügten 1350 - 1372 die Gebrüder Berincle (Berclinghe), ein Familienname, welcher in unserem Urkundenbuche in früherer Zeit sehr wenig vertreten ist (dreimal von 1272 bis 1316). Aber im Lagerbuche des Stiftes sind illi de Berclinge mit Gütern (Zehnten) in Campze und Litzecowe (Letschow), also in Dörfern des Fürstenthumes, registriert. 2 ) Auch dsr Umstand, daß 1285 Bischof und Domkapitel proprietatem ville Paruum Grenze cum fundo suo et decimis dem Kloster Doberan verkauften, könnte über den Verlauf der Grenze Zweifel erregen, wenn nicht 1283 die Herren von Werle uillam nostram Paruum Grenzce cum - jure et judicio dem Abte veräußert hätten; das Bisthum hatte demnach dort nur das Eigenthum, nicht das Dominium. 3 ) Im Fürstenthum Werle lagen nachweislich auch GroßGrenz (1278), Vorbeck (1285), Letschow (1301), Bandow (1274). 4 )

Vergleichen wir mit diesen Thatsachen die Ortsbestimmungen des Grenzvertrages, so geht aus letzterem zunächst soviel mit Sicherheit hervor, daß die Scheide des Landes Bützow dem Bach (rivus Grentze 1344) nicht folgte, welcher, als Fortsetzung der Duznizha, nahe der Stelle, wo diese in den NeuKirchener See einmündet, denselben in entgegengesetzter Laufrichtung wieder verläßt, um bei Schwaan die Warnow zu erreichen. Denn vom See Byalz soll die Grenze weiter gehen in Priedl o i (Thal, nach Kühnel S. 146), welches ist zwischen Jazwini vnd Wanowe m o gili (Hügel des Wan, ebenda S. 155). Beyer, welcher wohl mit Recht die Pluralform mugili auf Jazwini und Wanowe zugleich bezieht, vermuthete in denselben anfangs zwei Grabhügel bei Katelbogen, deutet sie aber später als Hügel überhaupt und meint, als Grenzlinie habe das schmale, tiefe Wiesenthal gedient,


1) M. U.=B. 1932, 1153. Jahr. 6 B, S. 87, u. 27, S. 207.
2) M. U.=B. 1252, 1543, 3843. Saß a. a. O., VIc, S. 124.
3) M. U.=B. 1790, 1668. Ritter Albero de Grens 1272 beim Bischof (M. U.=B. 1252, vergl. 610, 907, 1852).
4) M. U.=B. 1464, 1817, 2762, 1324.
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welches sich von der Südspitze des Sees gegen Trechow hinziehe, und welchem noch heute die Scheide zwischen Penzin und Trechow einerseits, Selow und Parkow andrerseits folge (Materialiensammlung). Daß die Urkunde dieses Thal, soweit es zwischen Penzin und Selow sich erstreckt, wirklich im Sinne hat, ist schon darum sehr wahrscheinlich, weil beide Feldmarken bereits durch den Grenzsee Byalz (1232) getrennt sind. An der Scheide von Selow und Parkow bog aber die Grenze des Stiftslandes, nach den heutigen Feldscheiden zu urtheilen, aus der bisherigen südlichen Richtung scharf nach Osten um. Da nun gerade hier, an einer zur Orientierung des Grenzzuges geeigneten Stelle, auf der einen Seite des Thales ein Hünengrab, auf der anderen der "Steinkistenberg", gleichfalls mit einem Hünengrabe, beschrieben Jahrb. 14, S. 309, 1 ) sich befindet, so ist vielleicht an diese beiden Localitäten zu denken. Die nun folgende, durch den kleinen See und zwo vermalete Eichen bezeichnete Strecke wird die Verbindung hergestellt haben mit der großen Niederung, von welcher jedenfalls das Bruch von Partzin einen Theil bildete. Hier sind also Machnaci lug, Trezstini lug (Sumpf des Machnac und Schilfsumpf nach Kühnel) und Myriewo zu suchen, von welchen aus die Grenze beim Holz Lang die Warnow erreichen sollte. Auch die Fortsetzung derselben jenseits des Flusses bis zur Nebel hin kann von der späteren nicht wesentlich verschieden gewesen sein (vergl. Jahrb. 28, S. 210).

Es war anscheinend keine neue Grenze, welche 1232 gezogen wurde. 2 ) Denn in dem westlichsten Theil des Landes Bützow, welcher früher zu Meklenburg gehört hatte und der durch die Bewidmungsurkunde des Schweriner Bisthums erworbenen terra Butessowe bald nachher zugelegt wurde, finden wir 1178 Warin, 1186 Colenin (Göllin), während es der Fürst war, von welchem mit dem benachbarten Cuscin und dessen Umgebung 1219 das Kloster Sonnenkamp ausgestattet wurde. In dem eigentlichen Lande Bützow machen zwar die Bewidmungsbriefe keine Dörfer namhaft; soweit sich aber in der Zeit vor 1232 über die beiderseitigen Gebiete Nachrichten finden, ist keine Abweichung von der späteren Grenze bemerkbar. Bertoldus


1) Auf dem Felde von LangenTrechow, an der Scheide von Parkow und Selow.
2) Beyer (Sammlung) vermuthet, daß das Land Bützow ursprünglich bis an den bei Schwaan mündenden Bach sich erstreckt habe, weil der Name des Flusses sowohl nach deutscher, als auch nach slavischer Ableitung "Grenze" bedeutet (cf. kneze graniza == Herrengrenze, M. U.=B. 114, 247). Allerdings liegen sowohl die Dörfer Groß= und KleinGrenz, als auch Kirche und Burgplatz von Schwaan südlich vom Bache. Urkundliches liegt aber über eine solche Grenze, die in älterer Zeit einmal vorhanden gewesen sein mag, nicht vor.
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de Trechow wird 1229 beim Bischof Brunward, ein Ritter Henricus de Gnemare 1223 beim Fürsten Burwy erwähnt. Das jetzt nur durch ein Stück NeuKirchener Feldes von der Duznizha getrennte Dorf Wokrent, (villam hereditatis sue) nahm Heinrich Burwy im Austausch gegen die Satower Zehnten von Brunward zu Lehn (dans eam in episcopatum). Wurde auf dieser Werleschen, aber vom Bischof zu Lehn gehenden Feldmark an der Scheide des Stiftslandes die nova ecclesia gegründet, über deren Patronat später sich die oben berührten Streitigkeiten erhoben?

Es ist nicht die besprochene Grenzbeschreibung allein, welche der Urkunde von 1232 für die Topographie Bedeutung verleiht. Die Urkunde besteht aus zwei Theilen: Zunächst bekennen die Fürsten, daß sie alle Rechte, die sie gehabt haben mögen am Lande Butessowe, unter der Bedingung an den Bischof abgetreten haben, daß dieser in seinem Lande ein Kloster errichte und demselben 100 Hufen zulege; dann erst wird, damit auch kunfftig kein streit der grentzen halben einfalle, die Scheide festgesetzt. Die Frage nach dem Ursprung der Rechte, welche die Fürsten am Lande Bützow beanspruchten, wäre nach Jahrb 28, S. 205, dahin zu beantworten, daß wahrscheinlich die Bedingung, ein Kloster zu gründen, bereits dem Bischof Berno gestellt worden sei, gelegentlich der Erweiterung, welche das Stiftsland nach der kaiserlichen Urkunde von 1181 durch Heinrich den Löwen mit Zustimmung Pribislavs im Osten der Warnow (im Lande Werle 1186) erfahren habe. Hiernach würden sich die prätendierten Rechte nicht auf das ganze Land Bützow, sondern nur auf einen ursprünglich zum Burgbezirke Werle gehörigen Theil desselben bezogen haben 1 ) Aus den Clandrianschen Regesten läßt sich diese Anschauung indessen, wie ich glaube, nicht rechtfertigen, auch abgesehen von der unklaren Rolle, welche in der Bewidmungsurkunde die Schenkung im Lande Werle spielt, von der es zweifelhaft ist, ob sie jemals in den Besitz des Stiftes gelangt ist. Allerdings hatte schon Berno die Gründung eines Klosters in Bützow begonnen, dieselbe jedoch nicht zur Ausführung gebracht (M. U.=B. 417, 420). Die Bedingung kann trotzdem sehr wohl 1232 von den Fürsten zuerst ausgesprochen worden sein, um bald nachher durch die Bewidmung des Klosters Rühn in Erfüllung zu gehen. Dies mochte um so billiger erscheinen, da u. a. für die Feldklöster Doberan und Sonnenkamp das Gebiet der Fürsten in Anspruch genommen war. Die Angabe, daß schon Berno zur Anrichtung eines Klosters verpflichtet gewesen sei, findet sich Jahrb. 8, S. 3, und wird 11, S. 59, wiederholt; doch ist hier


1) M. U.=B. 134, 141.
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Berno mit Brunward (M. U.=B. 498) verwechselt worden. Welche Auffassung man später von dem Umfange der 1232 fürstlicherseits aufgegebenen Ansprüche hatte, geht aus der Inhaltsangabe der Bestätigungsurkunde hervor, welche 1239 Bischof Friedrich dem Kloster Rühn ausstellte (M. U.= B. 498). Hier heißt es, jedenfalls mit Bezug auf den wenige Jahre vorher abgeschlossenen Vertrag, Brunward sei zur Errichtung des Klosters verpflichtet gewesen, weil mit solchem bescheide das land Buzhiowe der Kirchen oder Stiffte Zwerin gegeben worden, das der Bischoff ein Closter darin bawen solte. Hätte es sich 1232 nur um einen durch frühere Schenkung (1181, resp. 1186) erworbenen Theil des Landes Bützow gehandelt, so wäre auch die am Schlusse der fürstlichen Urkunde hinzugefügte Ueberlassung der zwei Dörfer am Plauer See nicht zu verstehen, welche doch schon 1171 zugleich mit der terra, que uocatur Butissowe, vom Herzog Heinrich dem Löwen verliehen waren. 1 ) Die Herrschaftsrechte, welche 1232 die benachbarten Fürsten abtraten, werden sich demnach auf die Burg Bützow mit dem ganzen damals hinzugerechneten Lande bezogen haben. Daß überhaupt derartige Prätensionen erhoben wurden, entsprach freilich nicht der staatsrechtlichen Stellung des Stiftslandes, da dasselbe durch den Sachsenherzog als Stellvertreter des Kaisers dem Bischof übertragen war. 2 ) Daß aber gerade Nicolaus und Heinrich, denen wenige Jahre früher die Burgen Werle und Rostock zugefallen waren, mit solchen Ansprüchen thatsächlich hervortraten, würde verständlicher, wenn wir annehmen dürften, es habe der Bezirk Bützow in der Ausdehnung, wie er 1171 dem Stifte überlassen wurde, ursprünglich mit dem östlichen Landestheile in territorialem Zusammenhange gestanden. Dann schienen jene beiden Fürsten nähere Anrechte zu besitzen als Johann und Pribislav, indem sie das Stiftsland als Zubehör ihres Gebietes ansahen, mochten auch


1) villam in Mvriz et aliam in Warnowe (M. U.=B. 100). Das Dorf im Lande Müritz wird identisch sein mit Crazneierst (1232), welches Wigger (Jahrb. 28, S. 216) in Biestorf an der Elde vermuthet. Das andere Dorf (nach Wigger Cussin, jetzt Quetzin, nach einer ansprechenden Vermuthung Beyers, Jahrb. 32, (S. 92, hingegen Allt=Schwerin), dessen Namen wir auch 1232 nicht erfahren, lag freilich, wenn nicht inzwischen ein Austausch erfolgt war, wahrscheinlich im Lande Pribislavs von Parchim=Richenberg, da an diesen das Land Warnow (nach M. U.=B. 560 auch die Gegend von Quetzin) gekommen war. Die beiden bischöflichen Dörfer werden aber 1232 als Zubehör der Burg Bützow gegolten haben nnd aus diesem Grunde von den Rostocker Fürsten für ihre Herrschaft angesprochen sein.
2) M. U.=B. 90, 100 (vergl. Wigger a. a. O., S. 227). Zu den 300 Hufen, mit welchen (auctoritate et concessione - imperatoris Fritherici) der Herzog das Bisthum ausstattete, gehörten auch die Dörfer in Ilow, über welche nachher trotzdem die Fürsten die Landeshoheit hatten ( s S. 293 u. 294).
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inzwischen durch einen späteren Schenkungsact einige Meklenburgische Dörfer der Burg Bützow hinzugelegt sein. 1 )

IV. Die älteren Meklenburgischen Landestheilungen.

Nach Burwy-s I. Tode (1227) fiel bekanntlich dessen ganze Herrschaft an seine vier Enkel, die Söhne des bereits verstorbenen Heinrich Burwy II. Dieselben standen zunächst unter Vormundschaft; doch bestand nicht erst seit 1229, wie früher ohne hinreichenden Grund angenommen wurde, sondern schon 1227, wahrscheinlich nach einer vom Großvater getroffenen Anordnung, eine Landestheilung in der Weise, daß die beiden älteren Fürsten Johann (von Meklenburg) und Nicolaus (von Werle) die den jüngeren Brüdern Heinrich und Pribislav bestimmten Länder mit verwalteten. 2 ) Erst in der Folge gingen aus dem einen Haupttheile die Herrschaften Meklenburg und Parchim=Richenberg, aus dem anderen diejenigen von Werle und Rostock hervor. 3 ) Das Gebiet der nachmaligen Vogtei Schwaan war demnach in seinem ganzen Umfange ein Bestandtheil der östlichen von jenen beiden Ländergruppen. Es fragt sich nun, inwieweit auch schon für frühere Zeiten eine nähere Beziehung dieser Gegend zu den östlichen Theilen des Wendenlandes nachweisbar ist. Die zuweilen ausgesprochene Vermuthung, 4 ) daß bei der Zweitheilung von 1227 die älteren Landestheilungen zu Grunde gelegt seien, hat eine zusammenhängende Begründung meines Wissens bisher nicht erfahren. Es mögen daher die hierauf bezüglichen topographischen Nachrichten im Folgenden zusammengestellt werden.

Von den beiden Söhnen Heinrich Burwy-s I. begegnet in Urkunden seit 1219 der ältere, Heinrich Burwy II., als Herr zu Rostock (in Uebereinstimmung mit den Umschriften seiner Siegel) oder Werle, der jüngere, Nicolaus, als Herr von Meklenburg (einmal auch von Gadebusch, wo er auch nach chronistischen Aufzeichnungen


1) 1189 werden die 8 Dörfer in Mikelenborch und die terra Noua (am östlichen Warnowufer) noch neben dem castrum Buttessou cum terra sibi attinenti getrennt angeführt; 1191 heißt es aber nur: totam - terram Butissowe cum omni utilitate et pertinentiis suis (M. U.=B. 149, 151). Vom castrum Warin ist 1284 (M. U.=B. 1759) zuerst die Rede.
2) Lisch, Jahrb. 10, 1 - 22 (vergl. Beyer, Jahrb. 11, S. 40), dagegen Wigger, Jahrb. 50, S. 149.
3) Heinrich Burwy III. verfügte 1237 selbstständig für das Doberaner Abteigebiet (als dei gratia de Rozstok), 1243 über die (Saline zu Sülze (M. U.=B. 463, 550). Eine eigene Herrschaft Rostock war also damals bereits vom Haupttheile abgezweigt. Daß sich Nicolaus von Werle häufig noch als Fürst von Rostock bezeichnet, kann daran nicht irre machen.
4) So Beyer, Jahrb. 11, S. 40.
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seine Residenz gehabt zu haben scheint 1 ). Da der alte Fürst seine beiden Söhne überlebte, ist die Landestheilung zwischen denselben zwar nicht eigentlich verwirklicht worden, macht sich aber trotzdem auch in geschäftlicher Beziehung in den Urkunden mehrfach bemerkbar. Es muß eine Anordnung des Inhalts getroffen sein, daß, während der Vater die Gesammtherrschaft sich vorbehielt, den Söhnen schon bei seinen Lebzeiten verschiedene Territorien überwiesen sein sollten.

Der Landestheil des Fürsten von Meklenburg grenzte mit dem Lande Dassow im Westen an das Ratzeburger Stiftsland, wie aus der Bestimmung hervorgeht, welche er 1220 über die Hälfte der Brücke zu Dassow traf, und welche auch für seine Nachkommen gültig sein sollte; 2 ) die Urkunde ist von ihm allein ausgestellt, aber von Vater und Bruder mit untersiegelt. Im Lande Brcesen lag Manderow (Kirchspiel Hohenkirchen), welches der alte Burwy, sicut eam filius meus Nicholaus ubique disterminauit, 1222 dem Bischof von Ratzeburg schenkte, u. a. mit Vorbehalt der von den Bewohnern an der Umwallung der Burg Meklenburg zu leistenden Burg= und Brückenarbeiten; 3 ) ebenso auch die in der Bewidmungs=Urkunde (M. U.= B. 65) dem Bischof verliehene uilla Lvbimari, welche, wie der ältere Fürst 1222 anordnete, (vom Bischofe) filius meus Nicholaus in beneficio mecum recepit; auch von dem aus der silua Clutze zu erwartenden Zehnten soll Nicolaus einen Antheil haben. Ferner ist zu beachten, daß jene von ihm allein ausgestellte Urkunde über die Dassower Brücke in Bukow verhandelt wurde. Als Zeugen fungieren in derselben neben den Rittern Heinricus Holsatus (im Ratzeburger Zehntenregister mit Besitz im Kirchspiel Kalkhorst) und Heilardus (1219 und 1222 Vogt von Gadebusch) u. a. die Geistlichen Walterus in Bukowe und Arnoldus sacerdos (wohl eine Person mit dem Pleban von Neuburg 1231). - Hiernach würden für den Landestheil des jüngeren Bruders zunächst


1) Vergl. Wigger, Jahrb. 50, S. 146.
2) cum patre meo fratreque meo Heinrico mediam partem pontis in Dartchowe exstruxi posteritatique mee -- extruendam reliqui -, jam dictum locum - ab omni teloneo duximus absoluendum, idque posteris nostris statuimus obseruandum (M. U.=B. 269).
3) M. U.=B. 284. Homines tantum illius uille burgwerk et brukewerk operentur, circulum scilicet urbis Magnopolis. Hiernach steht zu vermuthen, daß das Land Breesen (später zur Vogtei Grevesmühlen) damals mit dem Burgward Meklenburg verbunden war, obwohl es von demselben durch die Diöcesangrenze geschieden ward. Wie M. U.=B. 471 und 859 zeigt, umfaßte Breesen die silva Cluthze mit, wenngleich das Ratzeburger Zehntenregister (M. U.=B. 375, S. 371) beide getrennt neben einander aufführt. In weiterem Sinne scheint auch Dassow dazu gerechnet zu sein. (M. U.=B. 91.)
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dieselben Landschaften in Anspruch zu nehmen sein, auf welche (mit Hinzurechnung von Brüel) seit der Viertheilung das zusammenhängende Territorium der Meklenburger Linie bis über die Mitte des 13. Jahrhunderts beschränkt war.

Aber auch zu dem Gebiete der späteren Herrschaft Parchim=Richenberg (mit welcher das Fürstenthum Meklenburg nur durch das Land Brüel zusammenhing) sehen wir Nicolaus in näherer Beziehung. In der Stiftungsurkunde für das Antoniuskloster Tempzin verlieh nämlich 1222 Borewinus - Magnipolensis dominus cum vxore mea - filiisque meis Heinrico et Nicolao - curiam Tunischin (wohl im Lande Brüel) mit Zubehör; außerdem aber schenkte er cum filio meo Nicolao (Heinrico filio meo - annuente) im Lande Warnow 16 Hufen in Goltbeke (bei Sternberg. 1 )

Auf die beiden Hauptlandestheile bezieht sich eine ehemals im Dobbertiner Klosterarchive aufbewahrte Urkunde (M. U.= B. 343), welche nach dem Extracte Clandrians 1227 von den Fürsten Johann von Meklenburg und Nicolaus von Werle ausgestellt war. Derselben liegen anscheinend zwei ältere Dokumente zu Grunde: 1. Die Bewidmungsurkunde für das Kloster Dobbertin, welchem mit je 40 Hufen verliehen waren von Burwinus, dem Großvater der beiden Fürsten: Dobrotin, von ihres Vaters Bruder Nicolaus: Dobin, von ihrem Vater Heinrich: Geline und der See Lanckaue[l] nebst einer Kornhebung von 10 Drömt in Golss; 2. eine nach dem Tode des Nicolaus von Gabebusch (wahrscheinlich 1225, 28. September) für das Seelenheil desselben von seinem Bruder hinzugefügte Schenkung, welche in der Hauptsache aus dem Dorfe Lomene bestand. Nach Bestätigung dieser älteren Verleihungen wenden die beiden ausstellenden Fürsten selbst dem Kloster zu "die bach Clestene, welche die greintze scheidet zwischen Gols vnd Dobrotin." Der Inhalt des Stiftungsbriefes ist zum Theil schon verbürgt durch eine Dobbertiner Originalurkunde Johanns von Meklenburg, welcher 1231 Korneinkünfte von 10 Drömt als Besitz der Mönche anerkannte. Zwar erklärt er, sein Großvater Burewinus (statt des Vaters Heinrich) habe dieselbe geschenkt. 2 ) Indessen kann gegen die Zuverlässigkeit des Clandrianschen Regestes dies nicht angeführt werden, da die Worte des Originals wahrscheinlich so gefaßt waren, daß auch für die speciell von den Söhnen getroffenen Bestimmungen als der eigentliche


1) M. U.=. B. 282, Transsumpt von 1490; an der Urkunde hingen die hier beschriebenen Siegel der beiden jüngeren Fürsten. - Ueber die Lage des untergegangenen Dorfes Goltbeke (südlich von Sternberg) s. Lisch, Jahrb. 12, S. 180 und Anm. 1.
2) M. U.=B. 386.
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Verleiher ihr Vater (Burwy I.) erschien (vergl. den Wortlaut in M. U.=B. 282). Daß man in Dobbertin eine Stiftungsurkunde, in welcher die drei Fürsten zusammen auftreten, seit alter Zeit hatte, zeigen auch die Eingangsworte eines durch Rudloffs handschriftliches Diplomatar überlieferten Dokumentes des Bischofs Brunward. 1 )

Offenbar bildete in der Gegend von Dobbertin zwischen beiden Landestheilen die Mildenitz die Grenze. Denn das von Nicolaus verliehene Dobbin (dessen Feldmark nach M. U.=B. 1440 im Süden den westlichen Theil des Dobbertiner Sees berührte) liegt ganz an der linken (westlichen) Seite jenes Flusses. Hingegen finden wir am jenseitigen Ufer das Dorf Jellen (welches ca. 1263 Gelin heißt) und in der Nähe den See Langhagen (vergl. M. U.=B. 343 n.); über beide Localitäten hatte Heinrich zu verfügen, in dessen Lande auch das später für das Seelenheil seines Bruders geschenkte Lohmen (Kirchdorf zwischen Dobbertin und Güstrow) lag. Das Feld in Goldberg (Golss), wo derselbe Fürst wahrscheinlich auch schon in der Stiftungsurkunde die Kornernte verlieh, 2 ) wird von Duge (Urkundliche Nachrichten über Goldberg und Umgegend) mit Recht im nördlichen Theile der späteren Stadtfeldmark vermuthet, zwischen der Mildenitz und der Dobbertiner Scheide, welche 1227 ebenso wie heute einem vom Dorfe Kleesten herkommenden Bache folgte. 3 ) Denn wie die übrigen Verleihungen, so wird auch jenes Feld unmittelbar an Dobbertin gegrenzt haben.

Jedenfalls hatte auch nachher das Fürstenthum Parchim, wie schon im Jahrb. 10, S. 40, vermuthet wird, auf weitere Strecke hin die Mildenitz zur Grenze. Mit Hülfe späterer Urkunden und Register dürfte dies noch im Einzelnen nachweisbar sein. In der Gegend von Goldberg abwärts ist es z. B. ersichtlich für Dobbin, welches von dem Werleschen Dobbertin (zu dem der östliche Theil des Sees


1) M. U.=B. 425: cum - dominus Borwinus - et filii ejus Hinricus de Werle et Nicolaus de Godebutz - ecclesiam Dobbertin instaurassent et dotassent.
2) Daß dies nicht erst in Burwy-s II. Urkunde über Lohmen geschah (s. oben unter 2), folgt aus dem Wortlaute bei Clandrian: Darnach hat auch ihr vater etc. Diese Worte markieren einen scharfen Einschnitt, während die Hebungen in Golss an die 40 Hufen in Geline einfach angereiht sind. Möglich ist aber immerhin, daß die Kornhebung Gegenstand einer besonderen. Verleihung war, welche Burwy II. nach der Stiftung des Klosters, aber vor der Schenkung Lohmens vornahm.
3) Der Bach Clestene ist der Abfluß aus der Lüschow in den Dobbertiner See, nach Duge (S. 7) jetzt "wüster Mühlbach" genannt. Er ist identisch mit der 1237 (M. U.=B. 469, vergl. 1347) als Scheide des Dobbertiner Kloster gebietes angegebenen Jasenitze, welche aus dem See Luzcowe in den See Jawir (den Dobbertiner See) fließt.
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gehörte) durch den Fluß und den See getrennt war. Denn bis dahin westlich dehnte sich 1237 der Werlesche Antheil des Dobbertiner Klostergebietes aus; erst 1275, als schon seit längerer Zeit Plau und Goldberg in den Besitz der Werleschen Linie übergegangen waren, bekannte Nicolaus II., villam Dobin dem Kloster verkauft zu haben. Die Zugehöngkeit des Ortes zum Lande Parchim ist überdies deutlich bezeugt in der Urkunde über die Werlesche Landestheilung von 1316, wo bestimmt wird, daß Dobbertin, Kleesten, Kläden und Oldenstorf dem Theile von Goldberg und Parchim hinzugefügt werden sollten, denn desser dorp was de del to Parchym to clene. 1 ) Bis dahin hatte also dieser bis an die Mildenitz (Dobbin gegenüber) reichende Distrikt im Lande Güstrow, und zwar genau an der Grenze desselben gelegen. 2 )

Flußaufwärts von Goldberg liegt Jellen, welches indessen vor Auflösung der Herrschaft Parchim in den Urkunden nicht wieder begegnet. Auch ist es ein der Erforschung der älteren Topographie in dieser Gegend ungünstiger Umstand, daß die Vogteien Güstrow (resp. Krakow) und Plau durch die späteren Theilungen innerhalb des Hauses Werle immer derselben Linie zugewiesen werden. Daß aber mit dem Werleschen Dorfe Kleesten 3 ) das nahe gelegene Jellen, schon bevor das Fürstenthum Pribislavs einging, politisch zusammengehörte, ist deswegen sehr wahrscheinlich, weil beide Orte beim Kirchspiel Kirch=Kogel eingepfarrt sind. Dazu kommt, daß Jellen von den 13 Dörfern des Kirchspiels Kuppentin, so wie dieselben 1235 namentlich angeführt werden, 4 ) durch die Heide und die Mildenitz=Niederung geschieden ist.

In Bezug auf Goldberg selbst müssen wir, wenn Heinrich Einkünfte aus Golss noch zu Lebzeiten seines Bruders schenkte, eine geringe Verschiebung der Grenze annehmen, da nachmals die Gesammtfeldmark zu beiden Seiten der Mildenitz und bis zum Bache Clestene nordwärts zum Fürstenthum Parchim gehörte. 5 ) Es mag dies so zu


1) M. U.=B. 469 (Clandrian), 1368, vergl. 1440, 3860.
2) 1295 werden unter den Fürsten (dominorum suorum spiritualium et secularium), zu deren Gedächtniß der Ritter Nicolaus von Brüsewitz der Kirche zu Brütz (bei Goldberg) Einkünfte zuwendet, u. a. Nicolaus von Gadebusch und Pribislav erwähnt (M. U.=B. 2350).
3) 1251 verlieh nach Clandrian (M. U.=B. 680) Nicolaus von Werle dem Kloster das Dorf Clesten. Bis 1256 tritt aber noch Pribislav als regierender Fiirst in seinem Lande auf (M. U.=B. 770, 771).
4) M. U.=B. 436 (Abschrift aus den Visitationsprotokollen).
5) Der 1227 als Scheide zwischen Golss und Dobbertin angegebene Bach Clestene scheint schon damals die beiden Landestheile begrenzt zu haben, da ihn die ausstellenden Fürsten Johann und Nicolaus gemeinsam verleihen. Dem entspricht es, daß über jenes nördlich von der Mildenitz zu vermuthende Feld 1231 nicht Nicolaus, sondern Johann verfügte, von welchem später Pribislav abgetheilt wurde. - Vergl. hierzu die Anm, 2 auf voriger Seite.
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erklären sein, daß am Südufer eine deutsche Ansiedelung (mit Kirche) entstanden war, welche jene wendische Feldmark in sich aufnahm.

Hiermit ist die Zahl der aus der Zeit der ältern Landestheilung erhaltenen Specialverfügungen, soweit sie als solche direct kenntlich sind, erschöpft. Späteren Urkunden zufolge waren in dem Land östlich vom Plauer See mehrere Verleihungen von Burwy II. vorgenommen worden. So sagen schon 1227 die vier Fürsten, ihr Vater habe im Lande Turne dem Johanniterorden 60 Hufen geschenkt; auf eine Verfügung des letzteren berief sich auch Nicolaus von Werle, als er 1270 den Besitz der Komthurei Mirow bestätigte, ebenso bei Konfirmation des Schweriner Stadtrechtes für NeuRöbel (1261) und Penzlin (1263). 1 ) Indessen ist nicht mehr zu entscheiden, ob diese Bestimmungen, falls sie wirklich alle schon von dem alten Fürsten herrührten, getroffen wurden, bevor die Landestheilung erlosch, oder während der wenigen Lebensjahre, welche ihm nachher noch übrig blieben. Daß er aber die Bewidmung Parchims mit dem Stadtrecht erst nach dem Tode seines Bruders vornahm, wie M. U.=B. 319 n. hergeleitet wird, muß auch in Rücksicht auf das Territorium angenommen werden, welchem der Ort angehörte. Wenn ferner Heinrich Burwy I. mit Consens seiner beiden Söhne 1224 ein Landgut bei der Burg Ilow verlieh, während es 1286 heißt, Borwinus habe es de voluntate filii sui - Henrici de Werle angeordnet, 2 ) so enthalten entweder diese Worte eine den Thatsachen nicht entsprechende Ungenauigkeit, oder es existierte über den gleichen Gegenstand noch eine zweite Urkunde, welche von den beiden Burwynen ohne Nicolaus, nach dessen Ableben, ausgestellt war. Auf dieselbe Zeit führt M. U.= B. 1183, wo Heinrich von Meklenburg in Bezug auf eine Hufe in Neuburg (im Lande Ilow) von seinem Großvater (dem jüngeren Burwy) spricht.

Die beiden Territorien, welche sich 1227 bildeten, zeigen demnach in ihrer Ausdehnung mit denjenigen, welche bis 1225 bestanden, mehrfach bemerkenswerthe Uebereinstimmung, während, vielleicht mit Ausnahme einer kleinen Grenzfeldmark, Abweichungen nicht zu constatieren sind. Wir können daher eine von älterer Zeit her vorhandene Hauptlandesgrenze annehmen, welche ebenso wie später von der Meeresküste (etwa an der Stelle, wo der Fulgenbach einmündet) sich südlich zur Tepenitz und diesen Bach entlang bis Neumühle zog, sodann durch das Stiftsland Bützow (zu beiden Seiten der Warnow) unterbrochen wurde, jenseits der Warnow aber an


1) M. U.=B. 344, 1199, 911, 987.
2) M. U.=B. 301, 1858. Für M. U.=B. 1859 scheint 301 vorgelegen zu haben.
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die Mildenitz gelangte und endlich aus der Quellgegend der letzteren durch den Plauer See nach Süden lief.

Wie das Land westlich von den Burgen Rostock und Werle sich auf die beiden Gebiete vertheilte, kommt auch darin zum Vorschein, daß 1219 Heinricus de Roztoc und Nicolaus de Magnopoli gemeinsam die Urkunde ausstellten (M. U.=B. 258), in welcher der Abtei Doberan Güter überwiesen wurden, die zu einem Theil zwischen Rostock und Kröpelin, zum anderen zwischen Wismar und Neubukow lagen. Da nun in dem Bestätigungsbriefe von 1231 die vier Fürsten bemerken, es sei den Mönchen zu Theil geworden Heinrici patris nostri, principis de Roztoc, necnon Nicolai patrui nostri - beneuolentia in parte sua, so scheinen mit diesen Worten die verschiedenen Gebiete der beiden älteren Fürsten angedeutet zu werden. Dem entspricht es, daß wir KleinSchwaß (westlich der Warnow) 1219 (M. U.=B. 254) in provincia Rodestoch, also östlich von der Hauptgrenze, finden. Einen Hinweis auf die Landestheilung mag auch die Urkunde über die Gründung des Klosterhofes Satow enthalten haben. Als die letztere erfolgte, war Nicolaus noch am Leben. Denn dem Amelungsborner Diplomatar zufolge (nach zwei Urkunden Brunwards) legte (spätestens 1224) der alte Burwy cum consensu filiorum suorum der Satower Kirche in prima loci ipsius fundatione einen Pfarrsprengel zu, und collato praedio - Zathowe (also wohl erst einige Zeit nach der Stiftung) tauschte er coniuentia filiorum et heredum suorum den dortigen Zehnten ein. 1 ) In wessen Namen der Stiftungsbrief die Schenkung des Hofes ausgesprochen hatte, geht hieraus noch nicht hervor, kann aber aus den Angaben des Amelungsborner Gedenkbuches vielleicht entnommen werden. Denn hier findet sich beim Todestage Heinrich Burwy-s I. die Bemerkung: qui contulit ecclesie nostre grangiam et indaginem Satowe cum decima - pro uilla Wukernte mutata, und beim Todestage des älteren Sohnes: cujus consensu Satowia est collata. 2 ) Hingegen ist beim Namen des Fürsten Nicolaus (filius Burwini) von Satow nichts erwähnt. 3 ) Auch Nicolaus von Werle


1) M. U.= B. 257, 300. Daß in beiden Urkunden der ältere Burwy gemeint ist, zeigt der Vergleich mit den Nachrichten des Memorienbuches. Für 257 legt dies schon der Zusatz heredum zu filiorum nahe. Diese undatierte Urkunde ist in der Anmerkung nach Jahrb 13, S. 122, in das Jahr 1219 gesetzt. Doch ist, was hier als Grund dafür angeführt wird (die ungefähr gleichzeitigen Urkunden für Doberan und Neukloster), nicht ausreichend. Daß die Zustimmung der Erben (vermuthlich der Söhne Burwy-s II.) erwähnt wird, weist eher auf ein späteres Jahr.
2) M. U.=B. 336, 324.
3) Mit M. U.= B. 316 n. nehme ich an, daß der Todestag dieses Fürsten gemeint ist und nur der Zusatz über die Schenkung des Hofes Drans (  ...  )
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sagt 1244: pater noster Heinricus de Werle cum patre suo Heinrico Bvrewino - contulerunt - ecclesie Amelungsbornensi - quedam bona Sathowe nuncupata. Hiernach darf die Vermuthung ausgesprochen werden, daß in der Stiftungsurkunde auf die Landestheilung in ähnlicher Weise Rücksicht genommen war, wie in mehreren der oben erwähnten Documente.

Im Zusammenhang mit den bisherigen Resultaten gewinnen für die alten Grenzverhältnisse in dieser Gegend auch diejenigen Thatsachen eine größere Bedeutung, welche, in das zwölfte Jahrhundert zurückführend, über eine noch frühere Landestheilung uns überliefert sind. Eine solche fand statt zwischen Heinrich Burwy I. und seinem Vetter Nicolaus, dem Sohne jenes Wartislav, welchen Heinrich der Löwe bei Malchow hatte hinrichten lassen.

Arnold von Lübeck (L. III c. 4) berichtet von einem Verwandtenkriege, welcher zwischen beiden Fürsten geführt wurde: Nicolaus wurde aus dem Lande vertrieben und fand Zuflucht bei Jarimar von Rügen, während sein Vetter sich in der Heimath behauptete und von Bogislav von Pommern Beistand erhielt. Im Verlaufe des Krieges gerieth Burwy in die Hände Jarimars, welcher ihn gefesselt dem Dänenkönige Kanut (seinem Lehnsherrn) zuschickte; andrerseits wurde aber Nicolaus auf einem Plünderungszuge, den er nach Pommern unternahm, von Bogislav gefangen genommen. Nachdem die Fürsten lange Zeit in Haft gehalten waren, wurden sie unter der Bedingung freigegeben, daß sie Geiseln stellten und ihr Land vom Dänenkönige zu Lehn nahmen, und zwar gab nach der Verfügung des letzteren Burwy Rostock auf und überließ es seinem Vetter, während er selbst Ilow und Meklenburg als Antheil erhielt (in possessionem sortitus est). Was zunächst den Zeitpunkt dieser Landestheilung betrifft, so giebt für die Bestimmung desselben einen Anhalt die Erzählung des Saxo Grammaticus (XVI, 6) über den Krieg, welchen Kanut (Nachfolger des 1182 verstorbenen Königs Waldemar I.) im Verein mit dem Fürsten von Rügen gegen Bogislav führte. Der letztere (non solum - domesticis viribus instructus, sed etiam a finitimis late praesidia mutuatus) erwartete vor der Seeschlacht bei Rügen die Hülfstruppen der westlichen Slaven unter Burwy (Borwegius). Die von Saxo erzählten Feldzüge des Königs fanden aber, wie der Vergleich mit den übereinstimmenden Angaben anderer nordischen


(  ...  ) (vergl. M. U.=B. 558) auf Verwechselung mit seinem Neffen Nicolaus II. von Werle beruht. Denn des letzteren Vater wird im Gedenkbuche nicht Borwinus, sondern Henricus genannt (im Diplomatar Henricus de Werle M. U.=B. 396, s. 557). Vergl. auch M. U.=B. 1434 das ganz abweichende Datum für den Todestag des jüngeren Nicolaus.
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Quellen ergiebt, 1184 und 1185 statt. 1 ) Noch im letztgenannten Jahre endete der Krieg, indem der Pommernherzog den Huldigungseid leistete. Alle diese Begebenheiten setzt Wigger (Jahrb. 28, S. 270), wie auch in den Meklenburgischen Geschichten von Wedemeier (Raabe II, S. 719; Quade III, S. 64) und Boll (I, S. 100) geschah, vor die durch Kanut bewirkte Landestheilung. Zwar gelangt er in anderem Zusammenhange (Jahrb. 50, S. 139 n., vergl. S. 143) zu dem Schluß, dieselbe habe schon 1183 stattgefunden. Es wird dies aber nur durch die Reihenfolge begründet, welche Arnold von Lübeck bei der Mittheilung jener Ereignisse beobachtet. Entscheidend für die früher geäußerte Ansicht 2 ) ist Burwy-s Parteinahme für Bogislav gegen Kanut, mit welcher kaum vereinbar ist, daß letzterer dem Fürsten einen Vertrag mit Geiselstellung damals schon auferlegt hatte. Dies wird vielmehr erst geschehen sein, nachdem sein Beschützer Bogislav infolge der erlittenen Niederlagen sich zum Frieden mit dem Könige herbeigelassen hatte, also nicht vor 1185, wahrscheinlich in diesem Jahre. Bis dahin befand sich Nicolaus, zu dessen Gunsten nachher Kanut den Fürsten Burwy zur Abtretung eines Theiles seines Gebietes genöthigt zu haben scheint, in der Haft des Pommernherzogs.

Das Wenige, was wir urkundlich über diese Landestheilung erfahren, befindet sich in topographischer Hinsicht wiederum mit der späteren Anordnung in Uebereinstimmung. In der oben erwähnten Konfirmation der Fürsten Heinrich von Rostock und Nicolaus von Meklenburg für das Kloster Doberan (1219) heißt es nämlich: Ad hec (zu den Verleihungen ihres Vaters Henricus Buruwi) etiam dilecti nobis cognati domini N. principis de Roztoc - fratribus accessit beniuolentia in parte sua, quoad uixit, eisdem se exhibens liberalem. Es liegt fast auf der Hand, daß das Gebiet dieses Fürsten kein anderes gewesen war als dasjenige Heinrichs von Rostock, daß insbesondere diejenigen Dörfer dazu gehörten, welche das Kloster in der Gegend von Doberan besaß. Wir besitzen ferner von Nicolaus, Slauorum princeps, zwei Rostocker Originaldiplome für Doberan, mit dem Reitersiegel des Fürsten (Umschrift: Nicolavs de Roztoc), die zwar in Bezug auf das Jahr der Ausstellung mangelhaft datiert sind, nach den sonstigen Zeitangaben aber zwischen 1188 und 1190 ausgestellt sein müssen (S. die Anm. zum M. U.=B. 147 und 148). Der gleichzeitig im Meklenburgischen Lande herrschende Vetter des


1) Jahrb. 28, S. 269, Anm. 3 und 4.
2) Auch neuere Darstellungen befolgen in der Erzählung dieser Vorgänge dieselbe Anordnung, so Heimann (Gesch. von Braunschweig und Hannover, I, S. 270), und Giesebrecht im kürzlich erschienenen letzten Bande der Geschichte der deutschen Kaiserzeit (S. 44, 45).
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Fürsten befindet sich in der einen Urkunde unter den Zeugen (Henricus Buruwe princeps de Michelenburc), und beide gemeinsam (constitui - cum nepote meo Buruwone) treffen in der anderen Bestimmungen zum Schutze der Mönche. Es bestand demnach eine Landestheilung in der von Arnold angegebenen Weise in der Zeit nach 1185. Auch mit wie weitem Gebiete nach Westen hin Nicolaus von Kanut die Burg Rostock empfangen hatte, kann, wenn wir jene beiden Documente zu Grunde legen, nicht mehr zweifelhaft sein. Denn der Fürst, welcher (ex quo principatum in Slauia suscepi) immer auf das Wohl der Doberaner Mönche bedacht gewesen ist, schenkt (M. U.=B. 147) denselben außer einer Hebung in Goderac (Kessin, am rechten Warnowufer) auch predium Wilsne 1 ) (östlich vom Konower Bache). Die Darstellung Jahrb. 28, S. 274, legt nahe, daß von den Klostergütern nur Wilsen zu der Herrschaft Rostock, hingegen Doberan und die anderen ehemals von Pribislav verliehenen Orte zum Meklenburg=Ilower Territorium gehörten. Sicherlich rechnet aber die Urkunde auch die letzteren zur Herrschaft Rostock. Denn der Fürst verleiht (M. U.=B 148) Zoll, Fischerei und Strandgut an der Meeresküste bis an die westliche Grenze der Abtei. Zwar ist dieser Satz (zugleich mit dem Datum) mit schwärzerer Tinte und anderer Hand hinzugefügt worden. Mag dies aber auch erst etwas später geschehen sein, so bleiben die Worte doch für die Topographie beachtenswerth. Davon abgesehen ist noch zu bemerken, daß Nicolaus zum Schutze der Mönche homines meos habentes podacam meam (Vasallen?) in uillis eorum ansiedelte. Auch M. U.=B. 147 wird ganz allgemein den Bauern, welche unter den Mönchen in uillis eorum sederint, Freiheit von Burg= und Brückenbau zugestanden. Dazu kommt, daß hier unter den Zeugennamen Bruno de Chubanze erscheint, welcher jedenfalls zu den in dieser Gegend liegenden Dörfern in Cubanze in Beziehung stand. 2 ) 1192 (M. U.=B. 152) bestätigt


1) Es geschieht dies eodem jure, quo Pribizlaus omnia bona siue predia, que largitus est, ipsis contulit, aber ohne daß der früheren Verleihung dieses Dorfes durch Pribislav Erwähnung gethan wird, sei es, daß eine solche in Wirklichkeit noch nicht stattgefunden hatte und im Diplomatar (M. U.=B. 122) unrichtig überliefert ist, oder daß das Kloster, vielleicht seit dem Wendenaufstande (1179) noch nicht wieder in den thatsächlichen Besitz des Dorfes gelangt war.
2) Wie ich nachträglich bemerke, ergab eine nochmalige Prüfung der beiden Originale nach dem Urtheile des Archivraths Grotefend das Resultat, daß die Schriftzüge erst etwa dem Anfange des 13. Jahrhunderts angehören. Es wirft dies auf die ohnehin mangelhaft fundierte ältere urkundliche Ueberlieferung des Klosters kein günstiges Licht. Indessen steht für die hier vorliegenden Untersuchungen die Frage nach der diplomatischen Echtheit erst in zweiter Linie. Ortschaften, welche nicht lange nach dem Tode des Fürsten Nicolaus seinem (  ...  )
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nun freilich Burwy die Rechte und Güter der Abtei nicht nur für die neu erworbenen Dörfer im Lande Bukow, sondern auch für das alte Klostergebiet (mit Einschluß von Wilsen). Diese Urkunde aber, welche wir nur aus dem Diplomatar kennen, nimmt auf die Landestheilung überhaupt keine Rücksicht, da der Fürst mit dem hier ihm beigelegten Titel (Magnopolitanorum et Kyzzenorum princeps) als Herr des ganzen Landes, auch des Rostocker Gebietes, sich zu erkennen giebt. Es ist dies mit der gut beglaubigten Nachricht, daß Nicolaus von Rostock (welcher bis zu seinem Lebensende den Mönchen sich freigiebig erwiesen hatte) erst ca. 1200 in dem Treffen bei Waschow seinen Tod fand (M. U.=B. 166), schwer in Einklang zu bringen. Auffallend ist es auch, daß schon 1192 der Consens der beiden Söhne erwähnt wird. Denn die erste Urkunde, in der dies nachweislich wieder geschieht, ist 25 Jahre jünger (ein Regest von 1217, 1 ) und seitdem urkundet Burwy nur noch mit Zustimmung der jungen Fürsten (M. U.=B. 239 bis 257), deren Mitregierung seit 1. August 1219 zu constatieren ist. Sollte M. U.= B. 152 wirklich von dem Fürsten ausgestellt sein, so geschah dies vermuthlich erst in den späteren Jahren seiner Regierung. Bedenken erregt aber ferner jener 1192 vom Fürsten gebrauchte Titel, der erst 26 Jahre später in einer gleichfalls nur im Diplomatar enthaltenen Urkunde wieder begegnet, sonst aber in den recht zahlreich erhaltenen Documenten dieses Herrschers nie wieder vorkommt. Jedenfalls kann aus der Urkunde von 1192 für die Ausdehnung der Territorien nichts gefolgert werden. Es ist vielmehr hinreichender Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Grenze derselben gleich der späteren westlich von der Abtei Doberan und an der Tepenitz bis an das Stiftsland verlief.

Von anderen Gegenden des Meklenburgischen Wendenlandes verlautet zu der in Rede stehenden Zeit überhaupt sehr wenig. 2 ) Zu welcher


(  ...  ) Gebiete zugeschrieben sind, werden dort auch gelegen haben. Uebrigens ist nicht ausgeschlossen, daß der Inhalt der beiden Documente echt ist und daß gleich oder ähnlich lautende Urkunden in der aus Indiction, Kaiser= und Papstbezeichnung sich ergebenden Zeit (1189) von Nicolaus angestellt waren.
1) M. U.=B. 234. In die Zwischenzeit fällt 1210 die Urkunde Burwy-s über Marlow (registriert von Clandrian, welcher consentierende Fürsten gewissenhaft anzugeben pflegt) und wahrscheinlich auch die nach 1200 vorgenommene Verleihung der Mühle zu Vitense (M. U.=B. 192, 171). Die Datierung von M. U.=B. 167, ausgestellt von Heinricus - Magnopolitanorum princeps (cum consensu uxoris nostre et filiorum nostrorum) ist ganz unsicher.
2) Beyer (Jahrb. 11, S. 45) vermuthete, daß der südliche Theil des Landes (Warnow und Müritz) ebenso wie die Gebiete der Circipaner, Tolenzer und Redarier längere Zeit hindurch der Herrschaft der Meklenburgischen Fürsten entzogen gewesen seien. Vielleicht wurde er dazu durch urkundliche Angaben (  ...  )
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der beiden Herrschaften das Gebiet südlich vom Lande Bützow und von der Mildenitz damals zu rechnen ist, läßt sich aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit abschätzen. In Vergleich nämlich mit dem von Kröpelin und Neukloster östlich bis an die Reckenitz sich erstreckenden Landstriche, welcher dem Fürsten von Rostock zur Verfügung stand, war das Land, welches westlich von jener Grenze für den Meklenburger Herrn übrig blieb, ohnehin von nur geringem Umfange. Denn im Westen und Süden wurde es von der Grafschaft (resp. Stiftsland) Ratzeburg, von welcher damals das Land Gadebusch noch nicht getrennt war, sowie durch die Grafschaft Schwerin eingeengt. Nur nach Südosten hin fand eine Verbindung mit dem Lande Sternberg und den sich anschließenden Bezirken statt. Daß aber dieses im dreizehnten Jahrhundert als Herrschaft Parchim bezeichnete Gebiet zugleich mit den sonst noch für das Fürstenhaus disponiblen östlichen Ländern (wie Müritz, zum Teil vielleicht Circipanien) auch noch zur Burg Rostock gehört haben sollte, ist eine Annahme, welche sich fast verbietet, wenn man die allzugroße Verschiedenheit des Umfanges berücksichtigt, welche sich daraus für die beiden Territorien ergeben würde.

Daß bei den verschiedenen Landestheilungen immer wieder auf dieselbe Grenze zurückgegriffen wurde, ist um so erklärlicher, da dieselben alle in der verhältnißmäßig kurzen Zeit von etwa 40 Jahren vor sich gingen. In gewissem Sinne besteht freilich die alte politische Grenze noch heute, zwischen den Herzogthümern Schwerin und Güstrow (resp. dem Meklenburgischen und Wendischen Kreise). Denn in Folge des fürstbrüderlichen Theilungsvertrages von 1621, für welchen wiederum die Theilungen des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts die Grundlage gebildet haben werden, wurde die Vogtei Schwaan, welche man als einen Bestandtheil der Herrschaft


(  ...  ) veranlaßt. Denn allerdings nennen zwei Bestätigungsbriefe für das Bisthum Schwerin (von 1186 und 1189), indem sie die einzelnen Besitzungen nach den Gebern getrennt anführen, vnam uillam in Moritz et unam in Warnou hinter duas uillas in Circipen und den übrigen vom Pommernherzog geschenkten Ortschaften (ex dono Casemari principis), ähnlich auch 1187; und in der Urkunde des Papstes Alexander III. (M. U.=B. 124) erscheinen zwei Dörfer circa lacum Sturizche (Plauer See), unter denen aller Wahrscheinlichkeit nach dieselben Orte zu verstehen sind, ebenfalls nicht zwischen den de terra Pribislai verliehenen Gütern; aber auch bei Kasimirs Schenkungen stehen sie hier nicht, sondern unter den vom Sachsenherzog unmittelbar überwiesenen Besitzungen. Ob dies ausreicht, für die beiden Länder eine vorübergehende Trennung von dem Gebiete der Meklenburgischen Wendenfürsten anzunehmen, ist mir zweifelhaft. In der Urkunde des Kaisers Friedrich (1170) sind mit dem castrum Dymin nur Tolenze und Chirzepene, nicht Müritz und Warnow verbunden.
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Rostock ansah, zum Herzogthum Güstrow gelegt. Zu letzterem gehörten daher am linken Warnowufer, wenn wir von einzelnen Verlegungen absehen, nur die Dörfer des jetzigen Domanial= und Ritterschaftlichen Amtes Schwaan, ein Bruchstück der ehemaligen Vogtei. Später wurden noch die von der Theilung anfangs ausgeschlossenen Gemeinschaftsorte (Rostocker Districts) hinzugefügt. Ausgeschieden blieben hingegen u. a. die schon etwa gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts zu Bukow gelegten westlichen Kirchspiele des alten Burgbezirkes (einschließlich Neukloster), ebenso das 1552 säcularisierte Doberaner Klostergebiet. Von der Herrschaft Parchim=Richenberg haben nur die Aemter Sternberg und Lübz (Eldenburg mit der Thure) den älteren Zusammenhang mit dem westlichen Landestheile im Ganzen bewahrt, während die Länder Goldberg und Plau, weil sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts an Werle gefallen waren, in der Folge dem Herzogthum Güstrow zugezählt wurden.

Die um 1185 vorgenommene Landestheilung ist die früheste im Hause Niklots, welche sich geschichtlich feststellen läßt. Wigger 1 ) nahm an, daß schon vor der durch den Dänenkrieg veranlaßten Auseinandersetzung Burwy und dessen Vetter in abgesonderten Ländern geherrscht hätten, und zwar sei der letztere nach Pribislavs Tode als Herr von Rostock und Ilow aufgetreten. Er gelangte zu dieser Ansicht, indem er die Erzählung Arnolds von Lübeck (III, 4) über die der Vertreibung des Fürsten Nicolaus vorhergehenden Ereignisse mit Nachrichten in Kirchbergs Reimchronik combiniert. In der letzteren erscheint Nicolaus von vornherein als Herr von Rostock, wie sie ihn auch nach seiner Niederlage durch die aufständischen Wenden sich nach Rostock zurückziehen läßt. Arnold berichtet aus späterer Zeit (nach dem Sturze Heinrichs des Löwen), daß die dem neuen Sachsenherzoge Bernhard verfeindeten Grafen von Holstein, Schwerin und Ratzeburg, in der Absicht, diejenigen aus dem Lande zu vertreiben, welche sie als Freunde des Kaisers kannten, einen Einfall ins Slavenland unternahmen, wo sie die Burg Ilow verbrannten, nachdem sie die Mutter des Fürsten Nicolaus aus derselben vertrieben hatten. Dieser selbst entfloh aus dem Lande, um auswärts Hilfe zu suchen (s. o.) Burvinus vero, filius Pribizlavi, qui filiam Heinrici ducis habebat, Mechthildam, optinuit castra Rostoch et Michelenburg. Für Ilow ist aus diesen Kriegsereignissen allenfalls zu entnehmen, daß dasselbe der Wittwe Wartislavs als Leibgedinge angewiesen war. Welche Gebiete die beiden einander


1) Jahrb. 28, S. 257, vergl. S. 260 und 268. Jahrb. 50, 141 f. wird diese Annahme nicht wiederholt.
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befehdenden Fürsten beherrschten, geht daraus ebensowenig hervor, wie angedeutet wird, ob überhaupt damals eine Theilung zwischen den Vettern schon statthatte. Aus Kirchberg, nach welchem dies allerdings der Fall war, ist jedenfalls nicht zu schließen, daß das Land Ilow zum Antheil des Rostocker Fürsten gehörte, wenn er (c. 103) von Pribislav erzählt; her hatte eyns bruder son ouch sus - den hiez man Nycolaus - den teylte her von sich mit Custyn - vnd mit dem lande zu Kissyn - vnd behielt ym selbis glich - zu Obotriten daz konigrich Dieser für die ältere Geschichte nicht selten unzuverlässige Chronist, welcher weder von dem Verwandtenkriege, noch von der späteren Anordnung des Dänenkönigs etwas zu berichten weiß, obwohl Arnolds Text von ihm benutzt wurde 1 ), hat wahrscheinlich in willkürlicher Weise (vielleicht auch schon durch eine seiner Vorlagen dazu veranlaßt) die Landestheilung, deren Vorhandensein ihm aus einheimischer Quelle bekannt war, möglichst weit zurückdatiert. Da die Urkunden Pribislav stets als Herrn des ganzen Gebietes zeigen, während Nicolaus zu seinen Lebzeiten nie vorkommt 2 ), so wird eine Theilung erst später vorgenommen sein. Wigger (a. a. O., S. 257 und 260) vermuthet, daß es bald nach Pribislavs Tode (durch Abtrennung von Ilow und Rostock) geschehen sei. Wenn aber (nach Clandrian) Heinrich Burwy 1179 (M. U.=B. 127) über Schloß und Land Marlow verfügte, so hält es schwer, zu glauben, daß sein Vetter sich gleichzeitig im Besitze des zur Hauptburg Rostock gehörigen Landes sich befand.

Soweit die lückenhafte und schwer controlierbare Ueberlieferung einen Schluß gestattet, ging nach Pribislavs Tode (vor 1179) die Herrschaft über das ganze Land zunächst auf seinen Sohn Heinrich, den Schwiegersohn des Sachsenherzogs, über. Seinen Vetter Nicolaus aber, dessen Vater auf Heinrichs des Löwen Geheiß getödtet war, dürfen wir wohl schon in dieser Zeit, während des zwischen Kaiser und Herzog obwaltenden Zwistes, unter den Gegnern des letzteren vermuthen. Daß auch Meklenburg von dem das ganze Reich erschütternden Streite nicht unberührt blieb, legt der Kriegszug der heidnischen Wenden nahe, welche nach Kirchbergs Erzählung (c. 115) und der Doberaner Genealogie 1179 Althof zerstörten. Derselbe wurde, wie Wigger (a. a. O, S. 260) wahrscheinlich macht, im Interesse Heinrichs des Löwen, also gegen die Anhänger des Herzogs im Lande, unternommen. In diesem der Kolonisation erst seit


1) Thoms, die Meklenb. Reimchronik des Ernst von Kirchberg und ihre Quellen, S. 22 (Schirrmachers Beiträge II).
2) 1171 Pribizlauus de Kizin, 1171 de Mikelenburg (M. U.=B. 100, 101; vergl. 91, 122, 124).
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Kurzem geöffneten Gebiete konnten die politischen Gegensätze noch leicht in einen Kampf der heidnischen und christlichen Partei umschlagen. Ebenso waren die Zeitverhältnisse darnach angethan, dynastische Zwistigkeiten hervorzurufen oder zu befördern. Nicht um einen unter seiner Herrschaft stehenden Gebietstheil zu vertheidigen, sondern als Haupt der kaiserlichen Partei wird Nicolaus zum Schutze des Klosters den Wenden entgegengetreten sein, und es ist leicht möglich, daß bei jenen Parteiungen auch ein Streit um die Erbfolge im Spiele war. Zwar verlor Nicolaus gegen die Wenden die Schlacht. In der Folge aber, als überall die herzogliche Partei unterlag, scheint er, der Freund des Kaisers, zum Ziele gelangt zu sein und auf einige Zeit die ganze Herrschaft in Besitz genommen zu haben. 1 ) Denn sonst hätte Burwy nachher nicht nötig gehabt, ihm die Burgen Meklenburg und Rostock, welche bei Arnold ebenso wie in den urkundlichen Fürstentiteln das Gesammtgebiet repräsentieren, wieder abzugewinnen. - Daß Nicolaus in der Ueberlieferung eine nicht unwichtige Rolle spielte, läßt die Darstellung bei Kirchberg noch durchscheinen. Arnold von Lübeck (VI, 13) rühmt ihn als vir bonus et prudens, cujus ruina tota Sclavia in merorem est versa.

Sicherlich liegt kein Anlaß vor, für die Zeit bis zur Vertreibung des Fürsten eine von der späteren Anordnung (seit 1185) so völlig abweichende Eintheilung anzunehmen, wie eine Zusammenlegung von Ilow und Rostock mit sich gebracht haben würde. Eine solche würde übrigens den Grenzverhältnissen der weiter zurückliegenden Zeit ebensowenig entsprochen haben, wie der späteren. Wir treten damit der schwierig zu erörternden Frage nahe, in welchem Zusammenhange nach wendischer Topographie das Land Schwaan gestanden haben mag. Nach der jetzt woht allgemein gültigen Annahme wurden die Länder der Abodriten und Kessiner durch die Warnow geschieden 2 ),


1) Einen Krieg um die Erbfolge, durch welchen Nicolaus sich des ganzen Landes bemächtigte, nehmen auch Boll (Meklb. Gesch. I, S. 99) und Wedemeyer (Raabe II, S. 718; Quade III; S. 64) an. Dieselbe Auffassung findet sich bei W. Giesebrecht (V, 2, S. 936). Letzterer vermuthet ferner, auf eine Stelle in den Bosauer Annalen gestützt, daß der Kaiser, als er 1181 bei Lübeck verweilte, den Abobritenfürsten Nicolaus mit dem Lande belehnte, welches früher Pribislav besessen hatte. (Ebd. S. 939 s. und Bd.VI, S. 577.)
2) So u. a. in von Spruner-s historischem Atlas. Vergl. Wigger im topographischen Anhang zu seinen Annalen, S. 108 (wo indessen in Bezug auf die spätere vorchristliche Zeit noch Zweifel geäußert werden), und Jahrb 28, S. 19, 113 n. ö. Auch Beyer (Sammlung) geht von derselben Voraussetzung aus. von Lützow (pragmat. Gesch. von Mecklb. I, 102 u. II, 13, A. 1) und Wedemeier a. a. O., S. 678 u. 755 (Quade, S. 81) sind durch den Irrthum beeinflußt, daß Neukloster und ein Land "Kussin" durch die Hauptlandestheilung (  ...  )
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und ist erst durch Landestheilung eine Verschiebung eingetreten. Daß indessen größere wendische Bezirke so, wie sie zur Zeit der beginnenden Germanisierung im Sprachgebrauche feststanden, für die Ausdehnung nachmaliger Territorien maßgebend waren, läßt sich wenigstens in einem Falle mit Gewißheit noch urkundlich feststellen. Denn jedenfalls deckte sich das Land Warnow, um 1170 zu beiden Seiten der Elde, von Grabow aufwärts bis an den Plauer See, 1 ) durchaus mit der Herrschaft Parchim, während das östlich anstoßende Gebiet (Müritzgau) durch Landestheilung der Herrschaft Werle zufiel. Die Grenze zwischen dem Abodriten= und Kessinerlande mußte, wenn hier ähnlich verfahren wurde, nicht an der Warnow, sondern an der Tepenitz und östlich von Bukow gesucht werden. Urkundliche Nachrichten, welche sich dafür direct verwenden ließen, sind nicht vorhanden, denn die Worte: castrum Werle dictum cum terra attinenti etiam Werle dicta ex vtraque parte aque Warnowe, nach welchen 1171 hier keinerlei Landscheide existiert hätte, stehen in einer gefälschten Urkunde und werden in einer anderen (1197) wiederholt, welche der Interpolation verdächtig ist. 2 ) Diese Angabe findet sich beide Male mit Fälschungen verbunden, die anscheinend mit dem Streite zusammenhängen, welcher sich im 13. Jahrhundert zwischen den Bischöfen von Schwerin und Kammin über die Ausdehnung ihrer Sprengel erhob.

In Helmolds Slavenchronik (I, 87) lesen wir, daß Heinrich der Löwe, als er nach Niklots Tode (1160) mit dessen Söhnen Pribislav und Wartislav sich aussöhnte, denselben Wurle (Werle) et omnen terram überlassen habe, dasselbe Land, welches nachher (I, 92) als terra Kicinorum et Circipanorum bezeichnet wird, und welches der Sachsenherzog nach seinem siegreichen Feldzuge gegen Werle (1163) dem Lubemarus, einem Bruder Niklots, als Vasallen einräumte. In der terra Obotritorum hingegen, d. h. in dem übrigen Theile des von Niklot zuvor beherrschten Reiches, 3 ) quam dux abstulerat jure belli, und welche mit Kolonisten besetzt wurde, lagen die Burgen, welche der Herzog an deutsche Vasallen verlieh: Malchow,


(  ...  ) an die Herrschaft Meklenburg gekommen seien, ebenso auch Boll, welcher indessen wenigstens die Gegend von Kröpelin noch dem Kessinerlande zuweist (I, 24 f., 107). Lisch (urkundl. Gesch. der Familie von Oertzen, I, S. 35) scheint anderer Meinung über die Grenze gewesen zu sein.
1) M. U.=B. 100, 124 (wegen des Plauer Sees), 141, 149. Vgl. Wigger, Annalen, S. 108, und Jahrb. 28, S. 215.
2) M. U.=B. 100 C, 162.
3) Diese terra Obotritorum, innerhalb welcher Helmold keine Ländernamen unterscheidet, erscheint ihm in Niklots Abodritenreiche als ein einheitliches Gebiet, im Gegensatz zu den (lutizischen) Kessinern und Circipanern, welche einen weniger zuverlässigen Bestandtheil desselben bildeten.
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Cuscin, Schwerin, Ilow und Meklenburg. Helmolds Worte lassen keine andere Deutung zu, als daß 1160 die Abgrenzung des den Wendenfürsten verbliebenen und des von den Deutschen in Besitz genommenen Gebietes sich an eine den Zeitgenossen geläufige Eintheilung des Wendenlandes anschloß, so daß südlich von der terra Kicinorum et Circipanorum die ganzen Länder Müritz (mit Malchow) und Warnow (mit Cuscin), 1 ) im Westen ebenfalls ein vollständiger Bezirk, vermuthlich das eigentliche Abodritenland (mit Ilow und Meklenburg) den Deutschen gehören sollten: eine Trennung, welche wahrscheinlich bis 1167 von Bestand blieb, als Pribislav nach seiner definitiven Aussöhnung mit dem Herzog jene drei Landschaften, welche an das für ihn und Wartislav 1160 reservierte Gebiet unmittelbar angrenzten, mit dem letzteren wieder vereinigte und beides als sächsisches Lehn zurückerhielt (II, 7). Ueber den Verlauf dieser Grenze finden wir bei Helmold keinerlei genauere Mittheilung; gewiß ist nur, daß er sie im Norden zwischen den beiden Festungsreihen (Ilow und Meklenburg, Kessin und Werle) annahm. Von Pribislav, welcher 1164 offenbar von Osten, wahrscheinlich von Werle, herkam, heißt es (II, 2): collegit latenter exercitum et venit improvisus Mikilenburg. Es spricht dies trotz der Eroberung Werles (1163) nicht dafür, daß die Warnow damals zwischen beiden Völkern als Grenze galt, so daß der ganze Landstrich zwischen Werle und Meklenburg dem wendischen Reservate entzogen gewesen wäre. Jedenfalls ist, wenn wir uns das letztere bis an die Tepenitz, also näher an Meklenburg und Ilow hinangerückt denken, jener plötzliche Ueberfall für den Leser verständlicher, zumal da nach Helmold Heinrich von Skathen Flandrische Colonisten in Mikilinburg et in omnibus terminis ejus angesiedelt hatte.

Es ist nun zwar auf die Warnow als eine starke Naturgrenze hingewiesen worden, sowie auf die Reihe bedeutender Burgwälle, welche sich vorzugsweise am rechten Ufer erhoben. Von einem anderen größeren Flusse, der Elde, wissen wir aber, daß er mitten durch die Länder Warnow und Müritz floß. Ist es ferner schon zweifelhaft, ob aus der Thatsache, daß an der Grenze mittelalterlicher Vogteien vielfach Burgwälle sich finden, eine allgemein gültige Regel für die einzelnen Burgwarde der wendischen Zeit hergeleitet werden darf, so würde es noch weit bedenklicher sein, aus dem Vorhandensein derartiger Anlagen auf die Scheide ganzer Länder zu schließen. Auch in dem


1) Unter Cuscin versteht hier Helmold, wie II, 3 zeigt, nicht Neukloster, sondern die Burg im Lande Warnow (Quetzin am Plauer See), vgl. Wigger. Jahrb. 28, S. 119, A. 3. - Zweifelhaft ist hingegen, welche Burg er I, 18 im Sinne hat (Derithsewe, Morize, Cuzin).
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Tempel des wendischen Götzen Goderac bei Kessin braucht man nicht ein Grenzheiligthum des ganzen Kessiner Gebiets zu sehn; Abgötter werden in der weiter westwärts gelegenen Gegend ebenfalls verehrt worden sein, wie z. B. nach Kirchberg bei Althof der Fall war. Da indessen für die ältere Zeit die Quellen keinerlei Anhalt gewähren, so mag man mit Wigger (Annalen) vermuthen, daß die Burgen Kessin (nach welcher wahrscheinlich die Kessiner ihren Namen trugen), Werle u. a. ursprünglich Grenzwehren der Wilzen gegen die Abodriten gewesen seien. Daß aber die Warnow mit den Burgwällen des rechten Ufers während des 12. Jahrhunderts gegen die von Westen her drohenden Angriffe besonders hervortritt, hat lediglich in der strategischen Bedeutung dieser Flusslinie, 1 ) nicht aber in zufälligen Grenzverhältnissen seinen Grund. Lagen doch auch die bedeutendsten Festungen des Abodritenlandes, Ilow und Meklenburg, damals sicherlich nicht an der Westseite desselben. Uebrigens fehlte es, wie oben nachgewiesen wurde, im Westen des nachmaligen Rostocker Hauptlandestheiles nicht an natürlichen Grenzen. Kleine Bäche, wie die Tepenitz, waren, zumal bei der stärkeren Bewaldung jener Zeit, gewiß weit wasserreicher als heutzutage. Wir dürfen auch annehmen, daß die Grenzlinie in wendischer Zeit nicht unbefestigt war, wenngleich wir bei Helmold nichts finden, was darauf hindeutet, vermuthlich weil sie bei den von ihm geschilderten Kriegsereignissen nur eine untergeordnete Rolle spielte; er theilt, wie es scheint, nur die Hauptschläge mit, welche bei den bekannten großen Burgen stattfanden. Wie man aber mit gutem Grunde bisher immer vorausgesetzt hat, ist Neukloster aus einem castrum Cuscin hervorgegangen (s. unten). Zur Anlegung einer Burg war der Platz durch seine Lage wohl geeignet. Denn zwischen Werle und Meklenburg gewährte eine Straße, welche am Nordende des Neuklosterschen Sees über die Tepenitz führte, die nächste Verbindung, wohl eine Fortsetzung der aus Pommern über Laage heranziehenden via regia. Vermuthlich verzweigte dieselbe sich in Cuscin, denn auch von Schwerin und Dobbin her gelangte man über diesen Ort auf dem geradesten und bequemsten Wege nach Werle und dem Osten. Zwischen Cuscin und der Mündung des Fulgenbaches sind wendische Burgstellen nicht sicher nachzuweisen, werden aber gleichwohl vorhanden gewesen sein 2 ). Die Befestigungen waren hier vielleicht kleiner und unbedeutender als jene Hauptstützpunkte der wendischen Macht während der Kriege des 12. Jahrhunderts. Ferner dürfte der Umstand mit in Rechnung zu ziehen sein, daß in dieser Gegend,


1) Vgl. hierzu Beltz, Die Wenden in Mecklenburg, Schweriner Programmbeilage 1893, S. 16.
2) An der Mildenitz hingegen sind mehrere Wälle bekannt.
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welche zum großen Theile früh in die Hände geistlicher Körperschaften gelangte, solche Werke bei zunehmender Bodenkultur der Zerstörung leichter ausgesetzt waren als anderswo, während z. B. die Burg Meklenburg noch weit in die christliche Zeit hinein benutzt wurde. Manches mag sich auch näherer Nachforschung bisher entzogen haben. Den "Kirchberg" auf der Feldmark von Parchow wäre Lisch (Jahrb. 33, S. 6) geneigt, für einen fürstlichen heidnischen Burgwall zu halten, wenn er nicht so sehr niedrig wäre. v. Ehrenström (Beschreibung des königl. Schwedischen Amtes Neukloster 1788 I, 1 - 20) erwähnt die "Sägenborg, Ueberbleibsel einer runden Festung auf dem Neuhofer Felde, die mit Wällen und Gräben umgeben gewesen. Sie ist so alt, daß niemand etwas davon zu erzählen weiß". Man mag bei diesen Worten zunächst an Ueberreste eines Steinbaues denken; doch ist auch an den Namen des in Neuhof untergegangenen Ortes Gardist (=Burg) zu erinnern. 1 ) Wegen des Ländernamens Cubanze möchte man ferner eine gleichnamige Burg in der Gegend von Kröpelin vermuthen.

Ziehen wir die älteren Urkunden zu Rathe, so werden wir nie auf die Warnow, sondern immer wieder auf die Tepenitzgrenze und deren Verlängerung nach Norden hingewiesen. Als 1170 Kaiser Friedrich das Bisthum Schwerin bestätigte, bestimmte er den Umfang desselben nach Hauptburgbezirken 2 ), welche den alten Landschaften sich angepaßt zu haben scheinen (M. U.=B. 91). Als solche werden angeführt: Castrum Magnopolense, Suerin, Cuthin, Kyzhin cum omnibus villis ad illa ipsa castra pertinentibus, excepta terra Pole et alia, que dicitur Brezze, Parchim quoque, Cuthin et Malechowe cum omnibus villis (zu beiden Seiten der Elde) ad ipsa castra pertineritibus (dazu endlich das Pommersche castrum Dymin, mit welchem damals u. a. auch Circipanien verbunden war.) Da die Urkunde die von der Diöcese ausgeschlossenen Länder Pöl und Breesen nicht als eigne Bezirke neben den vorher genannten Burgen gelten läßt, so scheinen dieselben, ihrer Lage entsprechend, als Dependenzen von Meklenburg aufgefaßt zu sein 3 ). Auch das ganz unerwähnt gelassene Ilow ist wohl als untergeordnet zu denken. Rechnen wir noch das Land Brüel hinzu, so würde sich für das zum castrum


1) Auf der Feldmark von AltKarin verzeichnet die Schmettausche Karte »Wenden Berg«.
2) Dieser Ausdruck rechtfertigt sich aus dem Inhalt der Urkunde. Eine Organisation des Wendenlandes nach größeren Bezirken, als deren Unterabtheilungen kleinere Burgwarde zu betrachten seien, nimmt auch Wigger Jahrb. 28, S. 24 (vgl. Annalen, S. 123, 124) an.
3) Wigger, Annalen, S. 124 b, A. 1.
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Magnopolense gerechnete Gebiet ein Umfang ergeben, welcher dem späteren Meklenburgischen Territorium (ohne das Ratzeburgische Gadebusch) gleichkommt. Vielleicht galt dieses Land als der eigentliche Abodritengau. Das Schweriner Gebiet nahm eine gesonderte Stellung ein, nicht bloß weil es (Zverin et attinentia ejus, Helmold II, 7) auch nach 1167 unter der Herrschaft deutscher Grafen verblieb, sondern auch weil es ursprünglich zum Bisthum Ratzeburg (Polabenland) gehört hatte. Nicht unwerth der Beachtung scheint mir aber ferner, daß Cuthin nicht mit Meklenburg, von dem es durch Suerin getrennt ist, sondern mit Kyzhin zusammengestellt wird. Nahe liegt nun m. E. die Deutung, daß jene beiden Burgen für das gesammte Kessinerland (etwa als größere Abtheilungen desselben) stehen, ebenso wie Parchim und Cuthin sicher für das Land, welches der Sprachgebrauch mit dem althergebrachten Namen Warnow bezeichnete (Malechowe für den Müritzgau). Dieses an zweiter Stelle genannte Cuthin ist mit dem Cuscin Helmolds (I, 87), der es immer mit Malchow zusammenstellt, gleichbedeutend; eine terra Cutsin (mit Techentin, also westlich vom Plauer See), wird 1219 genannt (wiederholt 1235 1 ). Die andere Burg dieses Namens ist aber kaum anderswo zu suchen als bei der villa Cuszin, welche Heinrich Burwy 1219 aus seinem Patrimonium den Nonnen von Parchow verlieh. Man könnte versucht sein, noch weiter zu gehen und zu vermuthen, daß die nach 1229 vollzogene Scheidung der Fürstenthümer Rostock und Werle sich den Grenzen der Länder Kyzhin und Cuthin angeschlossen habe. Doch findet sich anderweitig dafür kein Anhalt, ebensowenig wie für die Annahme Beyer-s (Sammlung), welcher, indem er die der Aufzählung der castra vorhergehenden Worte (termini sunt hic) genau nimmt, die Burggebiete für Grenzländer der Diöcese hält und dementsprechend, da Meklenburg und Schwerin westlich lagen, die Provinz Cuthin bis an die Meeresküste und die Warnow setzt. 2 ) Welches aber auch die weitere Ausdehnung des Landes gewesen sein mag, die Lage des Ortes Cuscin, sowie der 1186 dem Bischof bestätigten 8 Dörfer in Mikelenburch


1) M. U.=B.254, 255, 429. Sie reichte östlich bis an den Plauer See. Jahrb. 10, S. 40, wird Jabel (nördlich vom Kölpin See) irrthümlich zu Kussin gerechnet (vgl. M. U.=B. 5233 mit 7296). - AltSchwerin und Stuer lagen 1289 im Lande Waren (M. U.=B. 2015).
2) Beyer, für welchen es feststand, daß Cuscin später zur Herrschaft Meklenburg gehörte, ordnet Ilow dem ersteren unter, ebenso anscheinend auch Wigger Jahrb. 28. S. 24, entsprechend seiner Ansicht über dieWarnowgrenze. - Für verfehlt halte ich Beyers (auch Jahrb. 27, S. 45, angedeutete) Ansicht von einer ehemaligen Herrschaft Kussin (mit Ilow, Meklenburg und Brüel), welche sich etwa zur Zeit Karls des Großen mit den Herrschaften Warnow und Müritz zu der obotritischen Woiwodschaft vereinigt hätte.
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kann darüber keinen Zweifel lassen, daß ein zu ersterem gehöriger Bezirk in Uebereinstimmung mit der späteren Werleschen Grenze von dem Burggebiete Meklenburg im Südosten durch die oben beschriebene Wasserlinie zwischen Neumühle und dem Gölliner Moore, 1 ) im Westen durch den Neuklosterschen See und aufwärts desselben durch die Tepenitz geschieden wurde. Wir gehen daher schwerlich fehl, wenn wir auch die Fortsetzung dieser nachmaligen Hauptlandesgrenze bis zum Meere hin als westliche Scheide der Länder Cuthin, Kyzhin betrachten. Wir sind dazu um so mehr berechtigt, als aus Urkunden hervorgeht, daß zu beiden Seiten die Länder von vornherein verschieden benannt wurden, während an der Warnow, welche von Bützow abwärts vor dem 14. Jahrhundert niemals als Herrschaftsgrenze gedient hat, dergleichen fast garnicht hervortritt. Päpstliche Urkunden (1186/97) für das Bisthum Schwerin erwähnen Doberan et totam terram Gobange (Gobantze) spectantem, womit wahrscheinlich das von Pribislav gestiftete Doberaner Abteigebiet bezeichnet wird. Mit diesem von der Klostertradition unabhängigen Zeugniß stimmen die Doberaner Urkunden nur insofern nicht überein, als in ihnen immer nur von quatuor ville in Cubanze die Rede ist (s. S. 272). Wenn wir aber auch mit Beyer annehmen könnten, daß Cubanze gleichbedeutend sei mit dem Lande Bukow, in dessen östlichstem Theile diese 4 Dörfer ursprünglich gelegen hätten, so würde die Herrschaft Rostock über eine hier vorhandene Grenze doch nur um weniges nach Westen vorgeschoben sein. Andrerseits finden wir die 10 Dörfer, welche Bischof und Domkapitel 1171 (resp. 1191) im Lande Ilow geschenkt erhielten, soweit ihre Namen noch kenntlich sind, alle westlich von der Herrschaftsgrenze des 13. Jahrhunderts, welche sie nachweislich mit Mentino, vielleicht auch mit Curiuiz (S. 293) genau erreichten, wie auch Panzow (Pancouiz?) derselben nahe kommt. Uebrigens kann, da auch Quazutino (Questin, nördlich von AltBukow) unter jenen 10 Dörfern erwähnt wird, ein Bezirk Bukow außerhalb des Landes Ilow (welches mit Gobange in denselben Urkunden genannt wird) nicht wohl existiert haben. Letzteres erstreckte sich vielmehr bis an das Meer und wird in der Folge, als das castrum nach Bukow verlegt wurde, von diesem seinen Namen erhalten haben.

Es fragt sich noch, in welchem Zusammenhange das Land Bützow (in seiner ursprünglichen Ausdehnung) stand, bevor es an das Bisthum


1) S. oben S. 322. Mit alleiniger Ausnahme von Pennewitt sind alle zwischen dieser Wasserlinie und dem GroßLabenzer See gelegenen Ortschaften wendischen Namens in jenen 8 Dörfern wieder zu erkennen. - Schon Papst Alexander III. verleiht in der von 1177 datierten Urkunde quatuor uillas in deserto Nohum, alias quinque uillas circa Warin usque Glambike,
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Schwerin gelangte. Die Lage der Burg weist weit eher auf eine Verbindung mit Cuscin als mit Meklenburg. Auch ist an die Ansprüche zu erinnern, welche bald nach der Hauptlandestheilung die Herren von Werle auf das dazu gehörige Gebiet erhoben. Der (S. 322 ff.) beschriebenen Nordseite desselben (von Guolenzke - lugi bis an die Warnow) würde demnach nicht die Bedeutung einer Hauptgrenze zukommen. Eine solche ist mit mehr Recht im Westen des alten Landes Bützow zu vermuthen. Es fehlte hier nicht an einer natürlichen Grenze im Anschluß an die vorhin erwähnte alte Scheide zwischen Cuscin und Meklenburg. Denn vom Gölliner Moore der Hauptwasserscheide in dieser Gegend, fließt nach Süden ein Bach in den GroßLabenzer See, so daß die 6 Dorfstellen, in welchen die Namen von 7 der 8 villae in Mikelenburch (1186) noch fortbestehen (u. a. Göllin, Glambeck, Mankmoos, KleinLabenz) westlich von derselben liegen bleiben. Von KleinLabenz aus erreichte, wie freilich erst aus späterer Zeit bekannt ist, die Scheide des Landes Bützow und der Herrschaft Meklenburg bei Eickhof die Warnow.

Wir können endlich nicht umhin, auf einige spätere Quellen hier einzugehen, welche die Namen wendischer Völkerschaften mit den Titeln der älteren Herrscher in Zusammenhang bringen. In dem Doberaner Necrologium, welches ehemals an einem Fenster des Kreuzganges des Doberaner Klosters zu sehen war, 1 ) und dessen Entstehung wohl spätestens gegen Ende des 14. Jahrhunderts zu setzen ist, sind die frühesten Fürsten aus Niklots Geschlecht mit folgenden Titulaturen versehen:

Niclotus wagirorum cirsipanorum polaborum obotritarum kissinorum ac totius sclauie rex.

Pribizlaus dei gra. wagirorum polaborum magnopoli et cisinorum regulus.

Wratizlaus cirsipanorum cussinorum et kissinorum rex.

Nicolaus dei gra. cuscinorum et kissinorum princeps.

Das Necrologium, welches aus älteren Kalendarien und Totenbüchern des Klosters geschöpft sein wird 2 ), hat sich durch seine sonstigen Datierungen, wenn dieselben auch von Irrthümern nicht frei sind, doch als eine sehr werthvolle Quelle bewährt (vergl. die Untersuchungen Wiggers, Jahrb. 50, zu den Stammtafeln des Großherzoglichen Hauses). Auch die vorstehenden Nachrichten, welche wir zunächst lediglich nach


1) Mitgetheilt von Lisch, Jahrb. 1, S. 131 ff., nach einer älteren Abschrift von Anfang des 16. Jahrhunderts. Einige bemerkenswerthe Abweichungen, welche in einer jüngeren Abschrift enthalten sind, erwähnt Wigger, Jahrb. 50, S. 113, Anm. 1.
2) Lisch, a. a. O., S. 134,
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ihrem Inhalte, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, betrachten wollen, machen jedenfalls nicht den Eindruck einer willkürlichen Zusammenstellung. Niklot und Wartislav, deren ganze Wirksamkeit noch in die heidnische Periode fällt, werden mit dem Titel rex bezeichnet, welchen mehrere der früheren Herrscher des Abodritenreiches wirklich geführt hatten, zuletzt (mit Bewilligung des Kaisers Lothar) Kanut Laward, nach dessen Tode sein bisheriger Lehnsmann Niklot, wenigstens in den Augen der Wenden, als Nachfolger betrachtet wurde. 1 ) Sicherlich war die Anschauung von der königlichen Herkunft des Fürstenhauses trotz ihrer zweifelhaften Berechtigung, wie die Krönung des Stierkopfes auf den ältesten Siegeln vielleicht schon andeutet, längst vor dem 14. Jahrhundert vorhanden. Der Zusatz dei gratia fehlt nur bei den beiden erwähnten Fürsten. - Pribislav, welcher gleichfalls noch als Vertreter der wendischen Nationalität gelten kann und erst in seinen späteren Lebensjahren dem Christenthum und der deutschen Herrschaft sich beugte, heißt regulus (wie Niklot bei Helmold), während die folgenden Herrscher in Uebereinstimmung mit den urkundlichen Benennungen als principes oder domini aufgeführt werden. Auch in Bezug auf die beigefügten Völkernamen läßt sich, wenn wir von den Cuscini einstweilen absehen, nicht verkennen, daß sie mit anderweitig bekannten geschichtlichen Begebenheiten im Einklang stehen. Denn während Pribislav nach dem Friedensschlusse mit Heinrich dem Löwen auch das Abodritenland wieder beherrschte, konnte sein schon vorher gestorbener Bruder nur als Fürst der weiter östlich wohnenden Stämme angesehen werden. Zwar werden in Widerspruch mit den Thatsachen auch die Wagrier und Polaben in den Titel Niklots und Pribislavs mit aufgenommen. Doch ist der alte Zusammenhang zu berücksichtigen, in welchem diese Länder noch in Niklots früheren Jahren mit dem Abodritenreiche gestanden hatten. Mit Nicolaus von Rostock, zu dessen Gebiet Doberan gehörte, sind die gleichen Völkernamen verbunden, wie mit seinem Vater Wartislav; nur daß die Circipaner fehlen, was wiederum zu der aus Helmold in Verein mit urkundlichen Nachrichten sich ergebenden Thatsache stimmt, daß in der Zwischenzeit Circipanien ganz oder zum großen Theil unter Pommersche Herrschaft gekommen war. Heinrich Burwy, welcher nach seines Vetters Tode dessen Land mit Meklenburg wieder vereinigte, erhält dem entsprechend wieder den vollständigen Titel. - Die Cusciner - ein Name, welcher bei den alten Schriftstellern unter den wendischen Volksstämmen nie vor=


1) Diese Anschauung hat offenbar Helmold I, 52: Postquam igitur mortuus est Kanutus - rex Obotritorum, successerunt in locum ejus Pribizlaus (I) atque Niclotus. Nach c. 49 waren sie von Kanut gezwungen worden, quousque ea, que subjecta sunt, sentirent.
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kommt - gelten im Necrolog nur als Nebenbezirk des Kessinerlandes; es geht dies daraus hervor, daß sie bei den das ganze Land beherrschenden Fürsten neben den Kessinern nicht besonders erwähnt werden. Von den beiden Festungen des Namens Cuscin kann die am Plauer See, da sie nach Helmold in der von den Deutschen besetzten terra Obotritorum lag, nicht Zubehör der terra Kicinorum gewesen sein, welche (nach 1160) von Pribislav und Wartislav beherrscht wurde. Auch war die terra Cutsin (1219) vermuthlich nicht im Besitze des Nicolaus von Rostock (S. 349). Jedenfalls fiel sie als Theil des Landes Warnow durch die zweite Landestheilung der Meklenburger Linie zu. Keines dieser Bedenken würde bei Neukloster (dem 1170 vor Kyzhin genannten Cuthin) zutreffen, welches wir vielmehr in seinem näheren Verhältnisse zu Rostock und Werle weiter zurückzuverfolgen vermochten. Für welche der beiden Deutungen man sich aber auch entscheidet, in jedem Falle führen die Angaben des Necrologs, wenn wir dieselben für die vorliegende Frage verwerthen dürfen, in Verbindung mit den Nachrichten über die erste Landestheilung zu dem Schlusse, daß schon in wendischer Zeit zwei Hauptgebiete nicht an der Warnow, sondern westlich von Doberan sich berührten.

Aufzeichnungen ähnlicher Art wie zu Beginn des Necrologs werden auch den beiden verlorenen Genealogieen von Dobbertin und Neuenkamp vorgelegen haben, aus welchen nach einer Urkunde von 1418 1 ) die Fürsten von Werle beweisen wollten, daß sie königlicher Herkunft seien. Denn jene beiden Handschriften (ex antiqua scriptura, also sicher spätestens aus dem 14. Jahrhundert) enthielten in sich Slauorum quondam regum, regulorum et principum cronicam. Diese dreifache Abstufung in der Titulatur hat sonst, soweit mir bekannt, außer dem Necrolog keine andere der noch vorhandenen Quellen.

Die Doberaner Genealogie, welche 1370 verfaßt wurde. 2 ) erwähnt von den oben aus dem Necrolog herangezogenen Herrschern nur diese beiden: Pribizlawus, Magnipolitanorum et Kissinorum ac tocius Slauie regulus atque nobilis princeps, und Hinricus Burwy, nobilis princeps. Indem sie letzteren den einzigen Erben Pribislavs nennt, übergeht sie die geschichtlich feststehende erste Landestheilung. 3 )


1) Abgedruckt Jahrb. 11, S. 330 f., vgl. Wigger, a. a. O., S. 129 Anm.
2) Doberaner und Parchimsche Genealogie, Jahrb. 11, S. 1 f. Ueber die Abfassungszeit s. Wigger, Jahrb. 50, S. 113, Anm. 1.
3) Die von der Doberaner abhängige Parchimsche Genealogie hat mehr als jene, scheint aber von den ihr bekannten wendischen Völkernamen einen willkürlichen Gebrauch zu machen.
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In Ernst v. Kirchbergs Reimchronik hingegen (begonnen 1378), welche neben der Doberaner Genealogie für die ältere Meklenburgische Geschichte andere, nicht mehr vorhandene Aufzeichnungen benutzte, die anscheinend aus Doberaner Quellen stammten, 1 ) tritt Nicolaus als Herr von Kyssin (c. 105 und 117) und an der vorhin citierten Stelle (c. 103) als Fürst von Custyn und Kissyn auf, hier also in sachlicher Uebereinstimmung mit dem Necrolog, dessen Daten auch sonst öfter bei ihm wiederkehren (vergl. Wigger, a. a. O.). Durch die Hauptlandestheilung fällt nach Kirchberg (c. 126) an den Fürsten Johann Meklenburg, welches ihm gleichbedeutend ist mit Obotriten, an Nicolaus Güstrow, an Burwy Rodestok und Kyssyn, an Pribislav Richenberg.

Die Vertheilung der Völkernamen auf die einzelnen Herrscher im Necrolog scheint mir nicht eine Erfindung späterer Zeit zu sein, sondern auf alte Doberaner Ueberlieferung zurückzugehen. Wenn irgendwo, so konnte sich in Doberan von der wendischen Topographie, soweit es sich um das Kessiner= und Abodritenland handelt, Kunde erhalten haben. In dieser Annahme bestärkt uns der Titel, welcher dem Fürsten Heinrich Burwy in jenen beiden Verleihungsbriefen (1192 und 1218) des Doberaner Diplomatars beigelegt wird: Magnopolitanorum et Kyzzenorum princeps. Denn da in diesen Urkunden außer von den Dörfern um Redentin, welche im Meklenburgischen Landestheile lagen, nur noch von der Gegend um Doberan die Rede ist, so gilt ihnen die letztere jedenfalls als Theil des Kessinerlandes.

Weder aus den alten Schriftstellern, noch aus den Urkunden läßt sich für die bisher angenommene Warnowgrenze etwas herauslesen. Will man nicht vorziehen, auf die Lösung derartiger Fragen überhaupt zu verzichten, so wird man das Land Schwaan für die Kessiner in Anspruch nehmen wüssen. Wenigstens für die Zeit der beginnenden Kolonisierung ist ein näherer Zusammenhang desselben mit dem Osten nicht zu verkennen. In der Tradition kam gewiß derjenigen Grenze eine besondere Bedeutung zu, an welcher, wahrscheinlich zum Theil an Stelle ehemaliger wendischer Heiligthümer, die Kirche mit bedeutenden Gründungen Fuß faßte. Von letzteren entstand zwar Neukloster erst nach der zweiten Landestheilung, Parchow jedenfalls vor derselben. 2 ) Vor aller Landestheilung wurde aber schon zum Kloster Doberan und zum Stiftslande der Grund gelegt. Auch in kulturgeschichtlicher Beziehung scheint ein gewisser Gegensatz zu


1) Thoms, a. a. O., S. 26. Wigger, Jahrb. 50, S. 114.
2) S. Jahrb. 33, S. 4, wo 1210 als Stiftungsjahr angenommen wird.
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beiden Seiten der Grenze bemerkbar. Aus den früheren Geschichtsschreibern gewinnen wir den Eindruck, daß von vornherein die Abodriten dem deutschen Einflusse und dem Christenthum sich zugänglicher zeigten als die weiter östlich wohnenden Stämme. Bei Helmold ist es insbesondere das Land der Kessiner und Circipaner, in welchem das Heidenthum und die wendische Nationalität noch zuletzt eine Zufluchtstätte fanden. Es ist doch wohl dasselbe Gebiet, in dessen Umgebung, um es nach der Bezwingung durch die Waffen der christlichen Kultur auf die Dauer zu gewinnen, wie nach einem gewissen Plane die ersten größeren geistlichen Stiftungen stattfanden, von welchen innerhalb der Schweriner Diöcese die Rede ist. Denn fast gleichzeitig mit jenen kirchlichen Anlagen im Westen und im Süden trat an der Ostgrenze von Circipanien das Kloster Dargun ins Leben, zu welchem um 1170 dänische Cistercienser den Grund legten. Wie wenig gesichert aber hier die Kirche zunächst noch dastand, zeigt die Reaction des Heidenthums, deren Schauplatz wenig später grade diese Gegenden wurden. Schon Pribislav konnte, wie es 1192 heißt, per insultum Slauorum die von ihm unternommene Bewidmung der Doberaner Mönche nicht zur Vollendung bringen. 1 ) Dasselbe Kloster war das Ziel des Kriegszuges (1179), als dessen Haupttheilnehmer bei Kirchberg (c. 117 und 120) die Circipaner erscheinen. Auch die Darguner Mönche mußten, vielleicht um dieselbe Zeit, ihr Kloster wieder verlassen, 2 ) welches auf längere Zeit wüst liegen blieb. "Wegen einfalss der Wenden" hatte, wie Brunward 1233 (M. U.= B. 420) berichtet, sein Vorgänger Berno eine zu Bützow begonnene Klostergründung nicht auszuführen vermocht. 3 )

~~~~~~~~~~

1) Die Zerstörung des Klosters durch die Wenden (1179) kann nicht gemeint sein, wenn der Einfall noch unter Pribislav stattfand. Denn alle Angaben stimmen darin überein, daß dieser vor 1179 gestorben ist. Vgl. die Anm. zu M. U.=B. 126; dazu kommt jetzt noch, daß in der durch Wigger (Jahrb. 50) näher bekannt gewordenen jüngeren Abschrift des Necrologs von Fabricius statt des fehlerhaften Datums in der älteren (1113) als Todesjahr des Fürsten 1177 angegeben ist. Vielleicht liegt aber ein Irrthum des Schreibers der (wahrscheinlich unechten) Urkunde von 1192 vor.
2) Wigger, Jahrb. 28, S. 261.
3) Das in der Nähe der Westgrenze gelegene Bäbelin konnte, wie noch 1236 geklagt wird, propter uastationem Slauorum inde quandoque ejectorum längere Zeit hindurch nicht bebaut worden (M. U.=B. 454).
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Nachträge.

1) S. 282 wurde nachgewiesen, daß Brutzowe, wo Heinrich von Meklenburg 1270 dem Kloster Doberan 7 Hufen verlieh, mit dem im Lande Rostock gelegenen Dorfe Brusow nicht identisch sein könne. Es wurde dabei die Vermuthung ausgesprochen, daß jener Meklenburgische Ort eine eingegangene Feldmark sei und in der Vogtei Bukow gelegen habe. Nähere Nachforschung über das Geschlecht der Preen im Urkundenbuche führt aber auf sehr einfache Weise zu einer anderen Lösung. 1280 (M. U.=B. 1523) erklärte Konrad Preen, daß mit seiner und seiner Erben Zustimmung Abt und Konvent von Doberan dem Kloster Reinfeld uendiderunt - septem mansos in uilla Burtsowe, quos a nobis et nostris progenitoribus habuerant - (vergl. M. U.=B. 1524). Es handelt sich also um das Dorf Börzow (Amts Grevesmühlen, 1302 Burzsowe geschrieben). Vergl. auch die Anm. zum M. U.=B. 2778.

2) Koppmann, Zur Geschichte der Lande Werle und Schwaan (Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, Heft IV. S. 21 - 28, 1895) ist mir leider erst nach Vollendung meiner Arbeit zu Gesicht gekommen. - Die Fischerei auf der Ober=Warnow (inter Rostok et Sywan nach M. U.=B. 3223, genauer: inter murum Rozstoch et pontem Zywan nach M. U.=B. 4901) wurde nicht erst durch König Erich und Fürst Nicolaus, sondern , was ich oben S. 257 übersehen habe, schon durch Waldemar von Rostock (gest. 1282) verliehen, in Widerspruch mit der anderweitig feststehenden Grenze der beiden Landestheile, welche etwa eine Meile nördlich von Schwaan lief. Mit Koppmann (S. 27) nehme ich daher an, daß der Verleihung Waldemars eine andere zu Grunde liegt, welche in ältere Zeit, als Rostock und Schwaan noch politisch zusammengehörten, zurückführt.

Vignette
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Umgegend von Neukloster.

(Zu S. 297 ff.)
Umgegend von Neukloster
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IX.

Seeräuberei an Meklenburgischer Küste.

Von
Dr. Friedrich Stuhr.
~~~~~~~~

D er Kampf des Deutschordens in Livland mit dem Großfürsten Iwan IV. von Rußland in den Jahren 1558 - 1561, der die politische Selbstständigkeit Livlands vernichtete, hat indirect auch die Hansa ihrem Verfall bedeutend näher gebracht. Bis zum Jahre 1558 waren Riga und Reval fast die einzigen Stapelplätze gewesen, von denen aus russische Waaren über die Ostsee verschifft wurden; die anderen livländischen Städte, wie das für den russischen Handel besonders günstig gelegene Narva, hatten mit jenen nicht concurrieren können. Als aber 1558 Narva in die Hände des Großfürsten fiel, ergriffen die westlichen Hansestädte, unter ihnen besonders Lübeck, sogleich diese Gelegenheit, den Zwischenhandel Rigas und Revals zu umgehen. In den nächsten Jahren war Narva ein Haupthandelsplatz für den hansischen Seehandel, und die "Narvafahrt" wurde die Veranlassung zahlreicher Fehden und Verhandlungen.

Der livländische Ordensmeister Gotthard Kettler und sein Schutzherr, König Sigismund August von Polen, suchten den Handel der Hansa nach Narva zu hindern, weil er dem Moskowiter auch Kriegsmunition und Proviant in beträchtlicher Menge zuführte; Kettler ließ 1560 durch seine Auslieger alle nach Rußland fahrenden Schiffe anhalten. 1 ) Aber weder sie, noch das Heilige Römische Reich mit


1) Bienemann, Mittheilungen über das Danziger Stadtarchiv und dessen Livonica von 1558 - 1562, in Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv=, Est= und Kurlands. 12. Bd., S. 128. Kaperbriefe, abgebruckt bei Schirren, Quellen zur Geschichte des Untergangs livländischer Selbständigkeit, im Archiv für die Geschichte Liv=, Est= und Curlands, N. F., 5. Bd., Nr. 575 und 582.
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seinen Mandaten 1 ) an die Reichsstände hatten nennenswerthen Erfolg. Wußte doch Lübeck in Wien sogar eine kaiserliche Erklärung unterm 3. April 1560 2 ) für sich zu erwirken, daß der Handel, außer mit Kriegsvorräthen, frei bleiben sollte. Erfolgreicher schien Anfangs Schweden, dem sich Reval 1561 angeschlossen hatte, mit seinem Verbot der Narvafahrt zu sein; denn Schweden stand eine neu aufblühende Flotte zur Verfügung. Doch mußte auch diese Macht in dem Frieden zu Stettin 1570, der ihrem Kampfe mit Dänemark und Lübeck ein Ende machte, Lübeck das Recht der freien Schifffahrt nach Rußland zugestehen.

Unter den Hansestädten herrschte über die Narvafahrt völlige Uneinigkeit. Während Lübeck, Hamburg und Bremen die Narvafahrt eifrig verfochten, Riga und Reval sie ebenso eifrig zu hindern suchten, nahmen die pommerschen und meklenburgischen Städte eine neutrale Stellung ein. Einerseits waren sie selbst weniger als Lübeck bei dem russischen Handel interessiert, andererseits wirkten die Landesherren auf Innehaltung der kaiserlichen Mandate hin. 3 ) Danzig und Thorn, seit dem Thorner Frieden von 1466 polnisch, folgten der Politik ihres Königs Sigismund August. So verlangte Lübeck am 16. August 1560 von Danzig Auskunft, auf wessen Befehl Schiffe und Volk daselbst ausgerüstet würden, um den nach Rußland handelnden Kaufmann zu schädigen. 4 ) Und ein Kaperbrief Königs Sigismund August vom 22. August 1567 ermächtigte den Danziger Schiffshauptmann Martin Fibrand, des Königs Feinde und deren Helfershelfer (etliche Kaufleute, die den Feinden "allerley ab=, zufuhr, entsatzung vnd hulff" leisten) anzugreifen und alle eroberten Güter in seinem Nutzen zu verwenden. 5 )

In diesen Zusammenhang gehören auch die nachfolgenden Ereignisse, die sich 1568 an der meklenburgischen Küste zutrugen.


1) Bienemann, in den Mittheilungen etc. ., 12. Bd., S. 128: "auf Grund des alten Verbotes des heiligen römischen Reiches." Ein Mandat Kaiser Ferdinands vom 26. November 1560 findet sich bei den zu meiner Arbeit benutzten Archivakten. (Acta betr. Civ. Rostock, rubr. Schifffahrt).
2) Schirren, im Archiv etc. ., N. F., 4. Bd., Nr. 541.
3) Für Pommern s. Blümcke, Pommern während des nordischen siebenjährigen Krieges, in Baltischen Studien, 40. Jahrgang, S. 139. In Meklenburg forderte 1569 Johann Albrecht unter Bezugnahme auf das kaiserliche Mandat vom 26. November 1560 von Rostock die Auslieferung eines Schiffes, das in dem Verdacht stand, Munition für den Moskowiter an Bord zu haben.
4) Bienemann, in den Mittheilungen etc. ., 12. Bd., S. 129, aus dem Danziger Stadtarchiv.
5) Nach Akten im Geheimen und Haupt=Archiv.
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Am 24. November dieses Jahres liefen zwei Schiffe, von denen das eine Herzog Adolf von Holstein gehörte, das andere in Hamburg beheimathet war und lübische Waaren mit sich führte, in die meklenburgischen Gewässer ein. Sie befanden sich auf der Rückfahrt von Narva in die Heimath und wollten den für Kauffahrteischiffe freien Hafen Wismar anlaufen. Da wurden sie auf der Höhe von Wismar von zwei Danziger Orlogsschiffen und drei Pinken angefallen, die mit Volk und Geschütz wohl versehen waren und sich bereits 8 Tage vor Wismar gezeigt hatten, ohne daß man sich einer Gewaltthat von ihnen versehen hätte. Das holsteinische Schiff mußte bei Timmendorf auf Poel auf den Strand laufen, wurde von den Seeräubern ausgeplündert und sammt den Gütern fortgenommen. Das Hamburger Schiff, "so etzliche Last größer", konnte nicht sogleich genommen werden und strandete erst nach längerer Verfolgung bei AltGaarz. Eine große Menge an Zobel, Marder, Wölfen und anderem theuren Pelzwerk wurde daraus geraubt, das Schiff beschädigt und voll Wasser am Strande liegen gelassen.

Noch am Abend des 24. November schrieb der Amtmann Heinrich Magnus v. Preen 1 ) zu Neubukow an den fürstlichen Hofrath Hubertus Sieben 2 ) von dem Ueberfall am Timmendorfer Strand und bat, dem Herzog den Sachverhalt mitzutheilen. Herzog Johann Albrecht schickte am 26. November seinen Rath Heinrich Pelican 3 ) mit dem Auftrag ab, sich mit dem Amtmann v. Preen und dem Rath von Wismar wegen Schiffe und Geschütz in Verbindung zu setzen. Ferner erhielt der Rentmeister Bernhard Koch 4 ) um 1 Uhr in der Nacht vom 26. auf den 27. November den Befehl, Leute zu Schwerin zu werben. Er berichtete um 7 Uhr Morgens des 27., die Bürger seien bereit zu fahren, auch habe er 10 oder 12 Hakenschützen in der


1) Heinrich Magnus v. Preen folgte 1562 seinem Bruder Volrath dem Jüngeren als Amtmann von Neubukow. Preen war im Amte bis 1576. Im April d. J. wurde er infolge der Beschwerden, die der Rath und Prediger zu Neubukow, mehrere vom Adel und verschiedene Unterthanen des Amtes gegen ihn wegen Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse beim Herzog Ulrich einreichten, abgesetzt.
2) Hubertus Sieben, beider Rechte Licentiat, wurde 1558 vom Herzog Johann Albrecht zum Hofrath mit einer jährlichen Besoldung von 100 Rthlr., freier Kost für sich und seinen Diener bei Hofe und der gewöhnlichen Hofkleidung bestellt. Er war verheirathet mit Emerentia Bralstorf und starb am 26. März 1582.
3) Ueber Heinrich Pelican s. Lisch, Jahrb. 19, S. 27; und 22, S. 45.
4) Bernhard Koch aus Goslar wurde 1561 zum Küchenmeister zu Schwerin ernannt. Er ist als solcher bis Januar 1566 nachzuweisen. Noch in demselben Jahre wird er Rentmeister geworden sein. Dies Amt verwaltete er bis zu seinem Tode im Jahre 1575.
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Stadt aufgebracht; die Bürger seien mit 4 Keilstücken, einer halben Schlange, einem "Schnellfagel", vier Tonnen Pulver und den nöthigen Kugeln aufgezogen. Doch beide, Pelican wie Koch, kamen zu spät. Als Pelican am 27., 8 Uhr Morgens, in Wismar eintraf, hatte der dortige Factor Hans Gladow mit anderen Leuten bereits das Geschütz von dem dortigen herzoglichen Schiffe genommen und 9 Schuß auf die Seeräuber abgegeben. Darauf waren diese sogleich mit dem genommenen Schiff vom Lande abgestoßen und unter Segel gegangen. Auch das bei AltGaarz gestrandete Schiff war bereits am 26. ausgeplündert worden. Am 29. November berichtete Koch an den Herzog, es wären noch über 100 Faß Talg, jedes Faß ungefähr zu 4 Schiffspfunden (1 Schiffspfund == 280 oder 300 Pf.), und eine ziemliche Menge Hanf, Flachs und Heede in dem Schiff. Diese Güter würden in die Kirche zu Gaarz geschifft, um sie vor dem Verderben zu schützen, und sollten dort verzeichnet werden.

Am 4. December wurde am Timmendorfer Strand in Gegenwart des Hofraths Sieben, der Bürgermeister "Asmus Lemeke" und "Peter Fermans", 1 ) der Schulzen von Timmendorf und Seedorf, des Wismarschen Stadtdieners und zweier Notare ein amtliches Protokoll über diesen Vorgang aufgenommen. Durch weitere Erkundigungen in Wismar stellten die Notare dann fest, daß auch Meklenburgische Unterthanen beraubt seien. So sei der Schiffer Bene auf der Rückfahrt von Riga nahe bei Wismar angefallen und ihm Speck, Butter, Fleisch, Lachs u. a. genommen. Ein Faß Neunaugen, das Jungfrau Elisabeth von Heiligen der alten Knosickschen geschickt, habe er vor den Seeräubern retten wollen und deshalb vorgegeben, es stamme vom Schlosse zu Riga und sei für Herzog Johann Albrecht bestimmt. Da hätten die Freibeuter jedoch gesagt, es stände dem Herzog oder dem Teufel und seiner Mutter zu, daran wäre ihnen nichts gelegen, hätten die Bande vom Fäßlein entzweigehauen und den Inhalt weggenommen. Ein anderer Schiffer, Heinrich Baumgarten, hätte auf der Fahrt nach Königsberg infolge wiedriger Winde Danzig angelaufen; er hätte unterwegs vor den Freibeutern die Segel streichen müssen und 2 Tonnen Bier an sie verloren. Auch erfuhren die Notare, daß etliche vom Rat und Bürger zu Danzig den Raub mit den Freibeutern theilten.

Bald nach diesen Ereignissen bot sich dem Herzog eine Gelegenheit, Repressalien für die Verletzung seiner Hoheitsrechte auszuüben. Von


1) Die Bürgermeister sind bei Crull, die Rathslinie der Stadt Wismar, Halle 1875, nicht angeführt. Die Einzeichnungen in das Stadtbuch sind von 1511 an nicht gleichmäßig gemacht.
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dem plötzlich eintretenden Winter überrascht und von Proviantmangel gedrängt, mußte der Danziger Freibeuter Martin Fibrand sich in den Hafen zu Warnemünde flüchten und wurde vom Rostocker Magistrat freundschaftlich eingenommen. Als der Herzog dies erfuhr, suchte er vom Rostocker Rath durch seinen Gesandten Heinrich Schrader und Johann Molinus die Beschlagnahme des Kaperschiffes zu erlangen. Die Verhandlungen sind nach 2 Richtungen interessant. Sie zeigen, wie abhängig damals die Hansestädte in ihren überseeischen Handelsbeziehungen von der Gunst und Ungunst fremder Herrscher waren, und wie ängstlich Rostock über seinen Privilegien wachte.

Am 17. Jannar 1569, 9 Uhr Vormittags, überreichten die herzoglichen Gesandten in einer Sitzung des Rostocker Raths ein Schreiben Johann Albrechts folgenden Inhalts: Der Herzog zweifle nicht, daß der Rath wisse, wie Freibeuter seiner Jurisdiction bei Poel und auch sonst seinen Unterthanen Abbruch gethan hätten. Nun werde ihm berichtet, daß einer aus derselben Compagnie, Martin Fibrand, der bei Poel mitgewirkt habe, vor der Warnow mit einem Schiff angekommen sei. Deßhalb werde der Herzog verursacht, diesen Freibeuter mit dem, was er bei sich habe, anzuhalten und sich nach seinem Wandel und seiner Gelegenheit zu erkundigen. Er ersuche den Rath, seine Gesandten bei Verhängung des Arrestes zu unterstützen. - Der Bürgermeister Thomas Gerdts antwortete, er wolle den ganzen Rath zusammenrufen und um 2 Uhr Nachmittags Bescheid geben.

Nachmittags um 2 Uhr erschienen die Gesandten wieder auf der Schreiberei. Der Bürgermeister setzte die Sachlage etwa folgendermaßen auseinander: Der plötzlich und unerwartet eingetretene harte Winter und Mangel an Proviant hinderten die Freibeuter weiter zu kommen und andere Häfen aufzusuchen. Sie legten sich vor den Hafen von Warnernünde und baten den Rath durch Abgesandte, ihnen das Einlegen zu verstatten. Der Rath lehnte das Gesuch anfänglich ab, weil die Freibeuter möglicherweise auch befreundete und benachbarte Städte geschädigt hätten. Darauf antworteten die Freibeuter, sie hätten Bestallung vom König von Polen und wollten einem jeden Rede und Antwort stehen, der sie mit Recht besprechen würde; der Rath werde dem König von Polen auch einen Gefallen durch Gewährung ihrer Bitte erweisen. Dadurch wurde denn der Rath schon umgestimmt. Er erwog aber noch weiter, daß Herzog Christoph von Meklenburg jetzt in des Königs von Polen Haft sei und einen Abschlag vielleicht zu büßen habe. Auch glaubte der Rath die Schifffahrt seiner Bürger nach Danzig, Königsberg und Memel, die täglich stattfinde und der sie nicht

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entrathen könnten, berücksichtigen zu müssen. Den endlichen Ausschlag gaben jedoch die polnischen Gesandten, die auf der Reise nach Dänemark gerade nach Rostock gekommen waren. Diese erklärten dem Bürgermeister Thomas Gerdts, daß es ihnen unverständlich wäre, weshalb der Rath den Ausliegern ihres Königs die Einfahrt in den Hafen versagen wolle; er möchte bedenken, daß ihr König der Stadt Rostock seine Häfen auch verschließen könne. Darauf hat der Rath den Freibeutern erlaubt einzulegen, ihnen auch Sicherheit vor seinen Bürgern versprochen; sollte sonst jemand sie besprechen, so müßten sie ihm Rede stehen. - Der Bürgermeister bat, dies dem Herzog zu melden.

Die Gesandten traten ab, beriethen sich und antworteten dann dem Rath, daß, wie ihm das Hemd viel näher als der Rock, so wäre es billiger, ihrem Landesfürsten etwas zu unterthänigem Willen und Gefallen zu thun, als dem König von Polen. Es möchte dem Rath an S. F. G. gnädigem oder ungnädigem Gemüth auch wohl soviel als an des Königs von Polen Gunst gelegen sein. Der Herzog würde schon dafür Sorge tragen, daß weder seinem geliebten Bruder, Herzog Christoph, noch der Stadt Rostock irgend eine Weiterung oder Beschwerde daraus erwachsen würde. Der Herzog stände mit dem König von Polen in freundlichem Vernehmen und dieser habe, wenn sich auch die Freibeuter auf seine Bestallung beriefen, doch nimmermehr befohlen, Einfälle in die Ströme S. F. G. oder eines anderen Standes des heiligen Reiches zu machen. Wenn sie das Gesuch abschlügen, würde es den Anschein gewinnen, als wollten sie dem Landesfürsten die Justiz versagen. Wenn sie im Falle ihrer Einwilligung eine Schädigung ihres Jurisdictionsrechtes fürchteten, so wäre es doch nicht ungebräuchlich, daß ein Fürst oder eine Stadt der andern, ihrer Jurisdiction unschädlich, Personen, die in ihrem Gerichtsgebiet betroffen würden, auf gebührliche Cavierung folgen ließe. - Die Gesandten baten um eine andere Antwort.

Der Rath verwahrte sich gegen die Anschauung, daß er dem Herzog das Recht verweigere. Gedächte S. F. G. die Freibeuter mit Recht zu besprechen, so werde es ihm nicht verwehrt. Morgen wolle der Rath noch mit einigen Bürgern die Sache bereden.

Am 18. Januar, 10 Uhr Vormittags, erklärte der Bürgermeister Gerdts den Gesandten, sie hätten die Angelegenheit einer Anzahl von Bürgern vorgelegt. Es wäre folgende Antwort beschlossen: Rath und Bürgerschaft bekennen sich schuldig, dem Herzog in allen billigen Sachen zu gehorchen. Sie haben aber auch der Stadt Bestes zu bedenken. Wenn sie die Freibeuter trotz ihres Erbietens zu Recht mit Leib und Leben dem Herzog übergeben, so

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wird der König von Polen allem Vermuthen nach nicht allein in seinen Landen die Schiffe und Güter der Rostocker anhalten, die doch sämmtliches Holz zu Tonnen des Brauwerks, welches der Stadt Nahrung sei, aus polnischen Landen holen müssen; er wird auch bei seinen Verbündeten, dem König von Dänemark und der Stadt Lübeck, und bei dem ihm befreundeten König von Schweden 1 ) dasselbe durchsetzen. Will der Herzog die Freibeuter dagegen mit Recht besprechen, so sollen sie vom Rath nicht beschützt, sondern auf Erfordern gefänglich eingezogen und unter bürgerliche Sicherung gestellt werden.

Die Gesandten erklärten, sie hätten sich einer anderen Antwort vom Rath versehen. Der Rath lade den Verdacht des Einverständnisses mit den Freibeutern auf sich, da der Herzog wisse, daß die Freibeuter ihr Geschütz nächtlicher Weile in das St. Katherinen=Kloster geschafft hätten, das doch unter des Raths Befehl stehe. Da der Rath jedoch auf seiner Erklärung beharrte, so verlangten die Gesandten, die Freibeuter so zu verwahren, daß der Herzog an ihnen Recht erlangen könne, das Geschütz, Kraut und Loth aber zu inventieren und zu besichtigen.

Der Rath willigte darin, die Freibeuter einzuziehen, falls die Gesandten Bürgschaft nach Stadtgewohnheit stellten. Den Arrest auf das Geschütz wollten sie selbst legen, das Inventar durch einen Notar und etliche Bürger aufstellen lassen und den Gesandten nur freistellen, die Angaben des Inventars zu vergleichen und zu controllieren.

Die Gesandten weigerten sich, Caution zu stellen, da sie dazu keinen Befehl hätten; es wäre auch unbillig, daß der Herzog seinen Unterthanen Caution stelle. Uebrigens verlangten sie auch nicht, die Freibeuter in die Büttelei zu setzen, sondern nur Vorkehrungen zu treffen, daß sie nicht entweichen könnten.

Dies letztere sagte der Rath zu. Der Barbier Asmus Preuße bürgte mit Leib und Gut für sie, außerdem gelobten die Freibeuter den beiden Bürgermeistern mit Handschlag, daß sie sich nicht von hinnen begeben, sondern des Rechts gewärtig sein wollten.

Damit brechen die Verhandlungen wegen Fibrand vorläufig ab.

Am 9. Februar 1569 schrieb Herzog Johann Albrecht von Ribnitz aus an den Rath, er habe von Heinrich Schrader und Johann Molinus erfahren, daß sich der Rath in Sachen der Freibeuter nicht willfährig bezeigen wolle; besonders unwillig sei er über die Cautionsforderung. Er wolle vor ihnen, seinen Unterthanen, kein Recht suchen, sondern seine articulierte Klage gegen die Freibeuter bei


1) Seit dem Herbst 1568 nahm Sigismund August eine vermittelnde Stellung zwischen Dänemark, Lübeck und Schweden ein. Vgl. Blümcke, in Baltischen Studien, 41. Jahrgang, S. 14 ff.
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dem Concilio der Universität niederlegen, dem auch die Freibeuter dann ihre Antwort schriftlich einreichen könnten. Wenn die Akten zum Urtheil geschlossen seien, sollten sie rotuliert und einem unparteiischen Richter zum Spruch übersandt werden.

Dem Rostocker Professor Dr. Lorenz Kirchhof wurde unterm 10. Februar aufgetragen, die Klage schriftlich bei der Universität einzulegen. Am 4. März berichtet Kirchhof, er habe gestern dem Rector und Concil die Klage übergeben und vom Rector den Bescheid erhalten, daß sie die Freibeuter ad excipiendum et respondendum a tempore producti libelli längstens in 3 Wochen citieren und laden wollten. Zum Schluß seines Schreibens drückte Kirchhof die Befürchtung aus, daß die Freibeuter der Juristen=Fakultät propter incompetentiam judicis keine Folge leisten würden, und rieth deshalb, sie nach Urfehde und Caution freizulassen, besonders weil sie beweisen wollten, daß sie zur Zeit des Poeler Ueberfalls noch in Danzig gewesen wären.

Unterdessen war ein dringendes Gesuch des polnischen Kommissariats zu Danzig um Freilassung der Seeräuber beim Rostocker Rath eingegangen. Dieser gab das Gesuch am 4. März an den Herzog weiter und bat, unverzüglich mit der Klage, und zwar vor ihrem Gericht, vorzugehen; sonst wäre er, um von den Rostocker Bürgern Schaden fern zu halten, genöthigt, den Arrest aufzuheben.

Am 25. März 1569 berichteten Rector und Concil, daß - wie Kirchhof es vorausgesagt - die Freibeuter sich geweigert hätten, vor dem Concil zu Recht zu erscheinen, weil sie nicht unter dessen Botmäßigkeit gehörten. Wollte der Herzog sie nicht ganz unbesprochen lassen, so würden sie die Ansprache vor dem Rath der Stadt Rostock erwarten, der sie in sein Geleit genommen hätte.

Der Rostocker Rath suchte aus Furcht vor den polnischen Ausliegern am 2. April noch einmal eine Beschleunigung des Verfahrens beim Herzog zu erreichen, aber vergeblich. Erst ein Fürschreiben des Königs Sigmund August von Polen, datirt Lublin, 22. März 1569, das bald nachher eingegangen sein wird, hatte Erfolg.

Am 12. Juni 1569 entließ der Herzog, angeblich auf Bitten des Königs, wahrscheinlich in der Erkenntniß, daß er den Freibeutern die Theilnahme an dem Pöler Uebergriff nicht nachweisen könne, diese ohne Entgelt aus dem Arrest. Er knüpfte nur die Bedingung daran, daß sie sich Uebergriffe in des Herzogs Jurisdiction nicht zu Schulden kommen ließen, und daß sie den Professoren Dr. juris Friedrich Heine und Licentiat Barthotomäus Klinge mit Hand und Mund angelobten, sich nicht wegen des Arrestes zu rächen.

Vignette
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           LXI, 1.                                                                 October 1895.

Quartalbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.


Inhalt:   I. Geschäftliche Mittheilungen. II. Wissenschaftliche Mittheilungen: 1) Nachträge zu den Stammtafeln des Großherzoglichen Hauses (Jahrb. L). 2) Einzeldrucke einzelner Gedichte des Herzogs Gustav Adolph von Meklenburg. 3) Untergegangene Ortschaften. 4) Das Steinkreuz zu Schönberg. 5) Jagdfalken. 6) Münzfund von Mamerow.

I. Geschäftliche Mitteilungen.

D ie erste Quartalsitzung des 61. Rechnungsjahres konnte wegen verschiedener Hindernisse erst am dritten Montage, dem 21. October, abgehalten werden. Nach dem Berichte des zweiten Sekretärs ist der Mitgliederstand während des abgelaufenen Vierteljahrs von 491 auf 487 herabgegangen.

Ausgeschieden sind im Ganzen 9 Mitglieder, davon 2 durch den Tod, und zwar:

1) Baron von Möller=Lilienstern auf Rothspalk, gest. 11. Juli, Mitglied seit 1842;

2) Landgerichts=Präsident a. D. von Monroy=Schwerin, gest. 18. August, Mitglied seit 1882.

Unter die Ehrenmitglieder sind versetzt worden:

1) Freiherr Julius von Maltzan=Doberan,

2) Landsyndicus Ahlers=Neubrandenburg,

3) Geh. Finanzrath Balck=Schwerin.

Ihren Austritt haben erklärt:

1) Generalmajor z. D. von Weltzien=Schwerin, Mitglied seit 1873;

2) Pastor Nahmmacher=AltStrelitz, Mitglied seit 1886;

3) Syndicus Präfcke=Neubrandenburg, Mitglied seit 1883;

4) Geh. Polizeirath Ackermann=Schwerin, Mitglied seit 1851.

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Neue Mitglieder hat der Verein 5 gewonnen, nämlich:

1) Lieutenant und Adjutant Volrad v. d. Lühe=Schwerin,

2) Rechtskandidat Schröder=Rostock,

3) Oberpostdirections=Sekretär Möller=Schwerin,

4) Forstassessor Plüschow=Höltingsdorf,

5) Lieutenant a. D. Plüschow=Schwerin.

Aus dem Kreise unserer 9 Ehrenmitglieder sind 2 durch den Tod abgerufen worden:

1) der Oberkirchenraths=Präsident a. D. Kaysel zu Schwerin, Ehrenmitglied seit 1885, gest. 1. August, und

2) der Geh. Rath Professor Dr. von Sybel zu Berlin, Ehrenmitglied seit 1888, gest. ebenfalls am 1. August.

Dagegen sind die 3 obengenannten Herren (v. Maltzan, Ahlers und Balck) unter die Zahl der Ehrenmitglieder aufgenommen worden.

Die Zahl der Ehrenmitglieder beträgt demnach 10.

Im Uebrigen erledigte die Versammlung laufende Geschäfte.

Die erste Abendversammlung der Schweriner Vereinsmitglieder wird am 23. November im Hôtel Luisenhof stattfinden.

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II. Wissenschaftliche Mittheilungen.

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1.

Nachträge zu den Stammtafeln des Großherzoglichen Hauses (Jahrb. L.).

Von Dr. F. Techen in Wismar.

Bei einer aus so vielen einzelnen Daten zusammengesetzten Arbeit, wie es die Wiggerschen Stammtafeln sind, können, selbst wenn ein so gewissenhafter Mann, wie Wigger, sie macht, Berichtigungen und Nachträge nicht ausbleiben. So mögen denn den Einzelnheiten, die bereits in den Jahrb. LV, S. 216 und Schlußbericht S. 5, und Jahrb. LVI, S. 224 und 227 berichtigt sind, die folgenden Kleinigkeiten sich anschließen.

1) Zu Seite 173: Aus einer Vergleichung der im Urkundenbuch XV, Nr. 9045 aufgezählten Bürgen mit der in XIV, Nr. 8775 vorliegenden Reihe ergiebt sich mit vollkommener Sicherheit, daß die Vermählung Herzog Heinrichs III. mit Ingeburg, der Tochter König

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Waldemars von Dänemark, am 10. August 1360 verabredet und damals die Mitgift verbrieft ward. Es rechtfertigt sich also das gute Zutrauen, das Wigger zu der Nachricht Slaggerts hatte, der die Vermählung zum Jahre 1361 berichtet. Ebenso ist das Mißtrauen, mit dem Wigger ersichtlich dem lateinischen Slaggert begegnet (s. a. a. O. S. 118, Anm.) wohl begründet: ist doch dieser lateinische Text nach dem eigenen Geständnisse des Uebersetzers von dem späteren lübischen Domprobste Dreyer in seinen jungen Jahren aus dem Niederdeutschen übertragen (wie die Schwerinische Chronik Hederichs aus dem Hochdeutschen. Koppe, jetztlebendes gelehrtes Mecklenburg, III, S. 52 f.).

2) Die Urkunde, die Herzog Heinrich für den Brautschatz seiner zweiten Gemahlin Mechthild, der ältesten Tochter des Herrn Bernhard von Werle, sicher stellte, ist erhalten (a. a. O. S. 173). Ein zweites, aus den Hamburger Kämmereirechnungen (herausgegeben von Koppmann, I, S. 255) für das Datum der Heirath zu gewinnendes Zeugniß hat daneben allerdings nur geringen Werth. Im Jahre 1377 verausgabten die Hamburger Kämmerer "48 ß. Stephano Leygen joculatori, de nupciis ducis Hinrici Magnopolensis."

3) Zu Wiggers Annahme, daß die Hochzeit Herzog Albrechts II. mit der Gäfin Adelheid von Hohenstein nicht lange vor den 4. März des Jahres 1378 falle (a. a. O. S. 171), stimmt der Ansatz einer Ausgabe der Hamburger Kämmerei im Jahre 1378: "Kothen hystrioni 48 ß. de nupciis domini Alberti ducis Magnopolensis" (Kämmereirechnungen, I, S. 273). Das Rechnungsjahr begann mit dem 22. Februar.

4) Für die Hochzeit Herzog Albrechts IV. mit der Gräfin Elisabeth von Holstein (a. a. O. S. 182) fehlte es bisher an einer näheren Bestimmung. Es haben aber die Hamburger Kämmerer zum Jahre 1385 gebucht: "2  8 ß fistulatoribus domini ducis Magnopolensis ex parte nupciarum celebratarum cum filia domini Nicolai comitis Holtzacie" (a. a. O., I, S. 411).

5) Die Heirath Herzog Johanns IV. mit Katharina, Tochter Herzog Erichs von Sachsen=Lauenburg, seit 1414 Wittwe Herrn Johanns VII. von Werle=Güstrow (a. a. O. S. 189), wird in der Wolfenbüttler Handschrift des Körner genauer datirt. Die betreffende Stelle lautet dort (nach Waitz, über Hermann Korner und die Lübecker Chroniken, S. 13, aus dem fünften Bande der Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen): "Johannes dux Magnopolensis in consortem suam accepit sororem Erici ducis Saxonie de Lovenborch, licet attinentem ei in tertio

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gradu consaguinitatis; quorum nupcie sunt celebrate infra octavas epiphanie in castro Lovenborch". Danach ist die Hochzeit in der ersten Hälfte des Januar, wohl im Jahre 1417, begangen.

6) Die Vermählung Herzog Albrechts VI. mit der Gräfin Katharina von Lindow=Ruppin (a. a. O. S. 196) wird 1467 im Januar oder Februar gefeiert sein. Die Hamburger Kämmereirechnungen geben zum Jahre 1466 (wegen des Rechnungsjahres s. zu 3) "18 ß Hermanno Schroder, misso cum amphora argentea propinata domino duci Alberto Magnopolensi in nupciis suis," zum Jahre 1467 aber "44  pro una amphora argentea habente in pondere 4 marcas 1 loth cum factura et deauracione, propinata domino Alberto duci Magnopolensi in nupciis suis. 1  Johanni Schroder aurifabro pro 2 clippeis argenteis ad 2 amphoras, quarum una fuit propinata prefato domino Alberto duci, reliqua vero domino episcopo Lubicensi" (a. a. O., II, S. 292, 339).

7) Zur Taufe Herzog Heinrichs V., der 1479, Mai 3, geboren war (a. a. O. S. 278), spendete die Stadt Hamburg 16 Tonnen Bier. Wir finden nämlich zum Jahre 1479 angeschrieben "14  16 ß pro 16 tunnis cervisie Hamburgensis propinatis domino Magno duci Magnopolensi in baptisatione sui primogeniti" (a. a. O., III, S. 361) und "4  11 ß 9  Nicolao Angermunde portanti domino Magno duci Magnopolensi 16 tunnas cervisie Hamburgensis eidem propinat(a)s" (S. 363). Auf ein Geschenk zu seiner Hochzeit (a. a. O. S. 198) dagegen beziehen sich wahrscheinlich die 1478 gebuchten Ausgaben "26 ß Timmoni Greven portanti amphoram argenteam domino Magno duci Magnopolensi" und "69  14 ß 6  pro una amphora argentea, habente in pondere 5 marcas 5 1/2 loth, propinata domino Magno duci Magnopolensi" (a. a. O., III, S. 312, 323).

8) Die Angabe Marschalcks, daß Balthasar von Wenden 1421, April 5, gestorben sei (a. a. O. S. 250), wird einigermaßen dadurch bestätigt, daß seine Wittwe in den Hamburger Kämmereirechnungen schon 1423 Gräfin von Oldenburg genannt wird. Es heißt dort II, S. 39: "24  pro 2 dimidiis pannis propinatis relicte domini de Wenden, jam vocate domine de Oldenborch."

9) Professor G. Lindström liefert im zweiten Theile seiner anteckningar om Gotlands medeltid (Stockholm, Norstedt och söners förlag 1895) S. 141 - 144 folgende Beschreibung der Grabstelle Herzog Erichs (Wigger, a. a. O. S. 184) zu Wisby, die, da das schwedische Buch nur wenigen Meklenburgern zugänglich sein dürfte, in deutscher Uebersetzung nicht unwillkommen sein wird.

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"Zwei aufrechte Steine auf dem Kirchhofe der Stadt Wisby südlich der Kirche." So schreibt Mag. Broocman, der 1753 Langebek auf seiner Reise nach Gotland begleitete und einen Theil von Abilgaards Zeichnungen abzeichnete.

Die Steine standen zu beiden Enden desselben Grabes. Der östliche dieser Steine, oben abgerundet und mit breitem Fuße, hatte auf der innern Seite Meklenburgs Wappenbild, den gekrönten Stierkopf mit dem für den regierenden Zweig des Geschlechtes charakteristischen Halsfelle, das man auf meklenburgischen Münzen und Siegeln sieht. Der Stein hat 1,34 m in der Höhe, 1,64 m am Fuße, 0,64 m am Fuße des oberen Rundtheils (in der Einhalsung) und 0,12 m in der Dicke und ist noch vorhanden. Der andere an der Westseite des Grabes stehende Stein ist verschwunden. Er hatte nach Broocmans Zeichnung die Gestalt eines oben und unten zugespitzten Schildes und auf ihm erschien der wendische Greif, wie man ihn im Rostocker Wappen vorfindet. Alles zielt darauf, daß ein Mitglied des meklenburgischen Fürstenhauses zwischen diesen Steinen begraben war, und man greift sicher nicht fehl, wenn man annimmt, daß das Herzog Erich von Meklenburg war, König Albrechts 1397 auf Gotland verstorbener Sohn. Das diarium fratrum minorum sagt darüber: anno domini m ccc xcvij feria quinta post Marie Magdalene dux Ericus filius Alberti obiit in Gutlandia in Clyntæ in castro suo, quod edificauit, dicto Landeskronæ et sepultus Wisby apud beatam Virginem. Es wird also ausdrücklich gesagt, daß er bei der Marienkirche begraben ward. Aber es kann verwundern, daß ein so vornehmer Mann nicht den Ehrenplatz im hohen Chore der Kirche erhielt, der seinem Stande zukam. Eine Erklärung dürften wir darin finden, daß der wohlunterrichtete Nicolaus Marschalk in seinem commentariolus annalium Herulorum siue Megapolensium, Rostock 1521, Blatt LII sagt: tumulatus (nämlich König Albrecht) in Gadebuso, anno millesimo trecentesimo nonagesimo quarto, Erico rege ex conjugio primo peste absumpto in Albiburgio 1 ) Gutorum tumulato. Daß er an der Pest starb, gegen die man Vorsichtsmaßregeln ergreifen mußte, hat wahrscheinlich verursacht, daß sein Grab draußen vor der Kirche blieb. Lange hat man den sehr großen Stein, der vor dem Portale zur Kapelle liegt, als Herzog Erichs Grabstein angesehen, aber es findet sich dafür kein Beweis. Der Stein, der ohne Zweifel zwischen den beiden aufrechten Wappensteinen gelegen hat, ist seit lange fort.


1) Soll eine Uebersetzung von Wisborg sein.
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Weder Langebek noch Broocman lieferte über den Stein eine Erklärung noch ahnten sie seine Bedeutung. In den vierziger Jahren habe ich ihn oft betrachtet. Er stand damals sehr hoch über der Erde auf St. Marien=Kirchhofe, und die Erinnerung daran erwachte, als ich 1890 Broocmans Zeichnung sah. Ich sah da ein, daß er zu Herzog Erichs Grabmal gehören mußte und theilte dem Reichsantiquar, der vorher nicht Bescheid darum wußte, meine Ansicht mit, die er guthieß. Er ließ 1892 den tief eingesunkenen Stein aufgraben und ihn nach der unbenutzten St. Nicolai=Kirche schaffen, wo er nun in gutem Schutze steht. Meklenburgische Historiker sehen es für ganz zweifellos an, daß es einer der Denksteine für Herzog Erich ist. In seinem Werke Wisby S. 68 hat H. Hildebrand eine Abbildung davon geliefert.

In seinen Aufzeichnungen sagt Wallin: "in dieser St. Marien=Kapelle liegt Herzog Erich begraben, ich meine in dem schönen, erhöhten Grabe mit dem Pferde und dem Ritter darauf, der entweder sein kann effigies hujus principis oder auch Ritter St. Georg in Lebensgröße. Dies Grab hat neulich, nämlich 1740, Herr Zollverwalter Camitz gekauft". Man kann hieraus nicht deutlich abnehmen, ob es eine Reiterstatue frei auf dem Steine oder ein eingehauenes Bild war. Eine Verwechslung mit dem seither in der Kapelle verwahrten St. Georg aus Wisborg ist ausgeschlossen.


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2.

Einzeldrucke geistlicher Gedichte des Herzogs Gustav Adolph von Meklenburg.

Von Dr. W. Voß.

Die erste größere Sammlung geistlicher Dichtungen des Herzogs Gustav Adolph erschien 1663; sie wurde ohne Vorwissen des Herzogs von dem Superintendenten Vossius besorgt und dann zum größten Theile wieder eingezogen. Bekannter sind die späteren Ausgaben von 1698 und 1699. 1 ) Aber bevor noch jene erwähnte erste Sammlung veranstaltet wurde, waren mehrere der Gedichte schon in Einzeldrucken veröffentlicht worden; 2 ) doch soviel ich sehe, ist von


1) Bachmann, Geschichte der evangelischen Kirchengesanges in Meklenburg. S. 317 ff.
2) Wedemeyer, Abriß der meklenburgischen Geschichte (in Raabes Vaterlandskunde, Bd. II) S. 973 Anmerkung.
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diesen bisher noch keiner genauer bekannt gegeben. Die Großherzogliche Regierungsbibliothek in Schwerin besitzt deren zwei, und ich will sie der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten. Der eine dieser Drucke ist ein schmaler Band in 4°, 12 Blätter = 3 Bogen stark, mit den Custoden A, A 2, A 3, B, B 3, C, C 2. Seite 1 und Seite 24 sind nicht paginirt; wohl aber sind es die Seiten 2 bis 23. Titel, Angabe des Druckers, Ort und Jahr fehlen. Am Kopfe von Seite 1 steht: Gratia Altissimi Ducat Me!, am Schlusse von Seite 24:

Anno MDCLXII. a . d . XXXVI 1 ) . Februarii
Qui in Fastis Sacer est Nestori: idem verò

Natalis XXX . OPTIMI PRINCIPIS .

Annos Nestoreos VIVAT GUSTAVUS ADOLPHUS!
De Nostris Annis IPSI DEUS augeat Annos!

*                  *
*
Nestoreos Annos VIVAT QUI Nestoris olim
Luce hausit Vitam, PRINCEPS GUSTAVUS ADOLPHUS!
FELICITER! FELICITER!

Man kann also annehmen, daß dieser Druck 1662 erschien als Gratulationsschrift zum Geburtstage des Herzogs; von wem er veranlaßt wurde, muß allerdings dahin gestellt bleiben. Gedruckt ist er wahrscheinlich in Güstrow, wie die späteren Ausgaben. Sein Inhalt umfaßt 7 Dichtungen. Nr. 1 (S. 1 - 14) mit der Ueberschrift "Sieben Stuffen Göttlicher Liebe || auff "die Worte der Passions=Historie: || Und Er reiß Sich von ihnen bey einem Stein= || wurff - - und Er stund auff || vom Gebete." entspricht der Nr. LXXXVII (S. 165 - 79) im ersten Bande der Ausgabe der Reimgedichte vom Jahre 1699. Beide Drucke stimmen aber nicht wörtlich genau überein: schon die Ueberschrift des Gedichts zeigt abweichende Fassung, desgleichen die Ueberschriften der Unterabtheilungen, der 7 "Stufen", und auch im Texte selber zeigen sich an mehreren Stellen Unterschiede in Schreibung und Wortlaut. Ich theile einige der wichtigeren Lesarten unseres Druckes mit: Stufe II, Z. 15: "Dein Leib ist Erd und Asch; Du aber bist noch minder." StufeVI, Z. 2: "Damit an reiner Lieb- es ja nie keinem fehle." Stufe VII, Z. 30: "Den aller Himmel Heer aus allen Kräfften lobet." Charakteristisch mag sein, daß vielfach statt "schwer", "Schmach" sich die Schreibung findet "swer", "Smach".


1) Das erste X ist nachträglich mit Tinte durchstrichen und so XXXVI in XXVI verbessert worden.
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Nr. 2 (S. 15 - 17) mit der Ueberschrift "Auf das Leiden CHRJSTJ || im Garten" entspricht der Nr. LXXXVIII (S. 179 - 81) im ersten Bande der Sammlung von 1699; im ganzen und großen sind beide als übereinstimmend anzusehen. Nr. 3 (S. 17 - 20) "Betrachtunge der Liebe Christi || im Leiden" entspricht der Nr. LXXVII (S. 142 - 44: "Andächtige Betrachtung der Liebe Christi in || seinem heiligen Leyden)," Nr. 4 (S. 20/21) "Trost aus Den Wunden Christi" der Nr. LXXV (S. 139/40: "Trost=Gebet nach berewter Sünde | in Betrach= || tung der Wunden Christi"), Nr. 5 (S. 21) "um Gottes Gnade durch || Christi Todt erworben" der Nr. LXVIII (S. 131), Nr. 6 (S. 22) "Bußgebett" der Nr. LXXI (S. 134/35) im ersten Bande gedachter Sammlung. Kleinere Abweichungen kommen auch in diesen Stücken vor: z. B. steht in Nr. 3, Z. 8 "Und deinen Liebes Rock;" das "Amen" fehlt am Schlusse der Nr. 3; Nr. 4, Z. 29/30 steht "wie Du die wehrte Seite || Am Kreutze öffnen läst", u. a. mehr. Nr. 7 endlich (S. 23/24) "Dankschuldige Gedechtnuß des Leidens Christi |   || zum Würdigen Gebrauche Des Heil. Abendmals" entspricht der Nr. LI (S. 87 - 93) im zweiten Bande der Sammlung von 1699 "Hertzliche Betrachtung der Gnug=thuung JESU CHRISTI" Unser Druck hat aber nur 23 Strophen gegen 24 der Sammlung; es fehlt Strophe 9 der Sammlung. Der Text hat verschiedentlich abweichenden Wortlaut, z. B. Strophe 6 "Unter aller hohen Güte", Strophe 7 "Zu uns in die Nacht absteiget", Strophe 8 "Eussert Er Sich der Gewalt", u. a. Seite 23 und 24 sind enger gedruckt als die vorauf gehenden Seiten; man mußte mit dem Raume knappen, um das umfangreiche Gedicht ganz zum Abdrucke bringen zu können.

Der andere Einzeldruck, den die Regierungsbibliothek besitzt, hat dasselbe Format wie der oben beschriebene, ist aber an Umfang wesentlich kleiner; er hat nur 2 Blätter = 4 Seiten, die unpaginirt geblieben sind. Die Angabe des Druckers, des Druckortes, des Druckjahres fehlen. Die Typen glichen denen des ersterwähnten Drucks und so wird auch er aus Güstrow stammen. Am Kopfe des ersten Blattes steht auch hier Gratia Altissimi Ducat Me! Als Textinhalt bringt er (S. 1 - 3) nur ein Gedicht mit der Ueberschrift "Beym Gebrauche des Saur= und || Gesund=Brunnen" und dieses entspricht der Nr. XVIII (S. 30 - 33) im II. Bande der Sammlung von 1699. Kleinere Abweichungen kommen vor, z. B. Strophe 2: "Der schnöde Leib" statt "Der geile Leib"; statt sch ist zuweilen s gebraucht (Strophe 2: swere). Am Schlusse (Seite 3) steht Spadae, 27. Junii MDCLIIX, darunter handschriftlich (ob gleichzeitig?) VIVAT GUSTAVUS ADOLPHUS!


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3.

Untergegangene Ortschaften.

(Zu Jahrbuch LVI, S. 190.)
(Von Dr. F. Crull.)

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begegnet in Wismar eine ganze Anzahl Personen, welche den Zunamen "von Krukow" tragen. Da westlich an die Feldmark von Wismar ein Dorf dieses Namens grenzte, welches - das heutige Krukower Feld - sammt der dazu gehörigen Köppernitz=Mühle - der im Anfange dieses Jahrhunderts aufgegebenen St. Jakobs=Mühle - 1300 von der Stadt angekauft wurde (M. U.=B. 2628), so liegt es nahe, zu vermuthen, daß jene Personen von diesem Orte stammten und nach ihm genannt wurden, und solches ist von einem Theile derselben auch zweifellos, denn es kaufte der 1230/34 als Besitzer von Zehnten aus Krukow genannte Böle (ebd. 375) im Anfange der funfziger Jahre vom Rathe zu Wismar hier eine Worth, und 1277 verfügte Nanne von Krukow, der sein Sohn gewesen sein kann, gemeinschaftlich mit seinem Sohne Werner über Besitz in Krukow und der Köppernitz=Mühle (ebd. 1426). Außer diesem Nanne und seinen Brüdern und Nachkommen bemerkt man aber noch eine zweite Gruppe, die mit jenen anscheinend nicht zusammenhängt. Im Jahre 1278 einigten sich nämlich Rudolf von Krukow und sein Sohn Johann über gemeinschaftlichen Besitz dahin, daß letzterer denjenigen zu Rakow, der Vater aber die Freiheit haben sollte, den in Bukow zu verkaufen (ebd. 1457), eine Freiheit, von welcher derselbe 1283 Gebrauch machte, indem er diesen Besitz dem Rathe zu Neubukow für 270 Mark überließ (ebd. 1658). Bei der verhältnißmäßigen Größe dieser Summe darf man mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß dieser Handel Seitens des zwischen 1255 und 1260 zuerst als Stadt genannten Ortes (ebd. 874) zum Zwecke der Vergrößerung der Feldmark abgeschlossen ist, und wenn wir in einem Stadtbuche des 15. Jahrhunderts, welches sich zu Neubukow erhalten hat, mehrere, zehn Male einen Krukower Bruch genannt finden ein Mal die Krukower Weide, so scheint die Vermuthung doch nicht von der Hand zu weisen, daß diese Flurbezeichnungen auf ein ehemaliges Dorf oder Gehöft deuten, daß selbiger der von Radolf verkaufte Besitz war und er von demselben genannt wurde. Gegenwärtig ist der Name Krukower Bruch nicht mehr bekannt, aber da in dem gedachten Stadtbuche (fol. 78) ein Morgen als beim Krukower Bruche nach dem Krempiner Wege hin gelegen bezeichnet und der heute als "das Weideland" benannte Ackercomplex an der Ulenbroker

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und Krempiner Scheide liegt, so ist daraus wohl zu entnehmen, wo jenes Krukow zu suchen ist.

Anscheinend ist noch eine zweite Ortschaft im Neubukowschen Stadtfelde untergegangen. Das nach Süden führende Thor zu Neubukow heißt das Kneser Thor, die Straße zu demselben die Kneser Straße. In Raabes Vaterlandskunde (I, S. 313) ist vermuthet, daß sie den Namen von dem slavischen Worte Knes=Fürst hätten, aber abgesehen davon, daß die fürstliche Burg am entgegengesetzten Ende der Stadt, vor dem Mühlenthore lag, mithin durchaus kein Anlaß zu der (slavischen) Bezeichnung jenes Thores als des fürstlichen in der (deutschen) Stadt vorlag, so ist nach dem oben erwähnten Stadtbuche die alte Namensform 1407 und 1418 Koneser, 1428 Conezer dor, was etwa auf ein Conesco zurückzuführen sein dürfte, wie das vor Sülze liegende Knese, in der vulgären Form Kneß, ursprünglich hieß (M. U.=B. 192), und wahrscheinlich, daß von einer so genannten Ortschaft Thor und Straße ihren Namen erhalten haben.

Unstede kann nichts anderes sein als das heutige Lenenhof, wie auch in der Geschichte des Geschlechts von Oertzen (VI, S. 23) angenommen ist. In dem erwähnten Stadtbuche heißt es 1434 von einem Morgen, er liege zwischen Unsteder Felde und Krögers Bruch, welch letzterer Bestandtheil der Neubukowschen Feldmark mit Ulenbrok und Krempin grenzt, während der Unstedter Schlag derselben nördlich an Malpendorf und Jörnstorf, östlich an Lenenhof und südlich an Krempin stößt.


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4.

Das Steinkreuz zu Schönberg.

Von Pastor Krüger=Schönberg.

In seiner "Geschichte des Bisthums Ratzeburg" (S. 329. Anm.) erwähnt Masch ein Steinkreuz auf der Schönberger Feldmark, das er für einen Stationsstein der Kalandsbruderschaft hält und mit folgenden Worten beschreibt: "Es hat auf der einen Seite ein Crucifix mit einer daneben knieenden männlichen Figur, welche betend die Hände erhebt, mit den Worten auf einem Zettel: miserere mei deus. Die Inschrift der andern Seite in fünf Zeilen ist dergestalt verwittert, daß nur wenige Buchstaben noch erkennbar sind.

Seit circa 40 Jahren war das Steinkreuz von seinem Standorte verschwunden; im vorigen Jahre wurde es wieder aufgefunden; es lag in der Erde als Brücke über einem Wasserlaufe. Der Besitzer des Grundstückes schenkte den Stein auf mein Ersuchen der Kirche, in

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ihrer Nähe wird er aufs neue aufgestellt werden. Der Stein mißt über der Erde 2,30 m und war noch 0,90 m tief in die Erde gesenkt.

Masch hat die Vorderseite richtig beschrieben. Der Crucifixus ist edel gehalten, die knieende Gestalt aber zeichnet sich vor bekannten ähnlichen Darstellungen durch ziemlich unmögliche Stellung aus. Dagegen irrt Masch mit seiner Annahme, es handle sich um einen Stationsstein der Kalandsbruderschaft. Er wird durch unrichtige Lesung eines Namens der Rückseite zu dieser Vermuthung gekommen sein. Unter Beihülfe des Herrn Dr. Latendorf hierselbst ist es mir zu meiner Freude gelungen, vermittelst eines genommenen Papierabklatsches die sehr verwitterte Inschrift der Rückseite zu entziffern. Sie lautet:
Inschrift

Es ist also auch dieses Steinkreuz, wie andere seiner Art in unserer Gegend, dem Andenken eines Erschlagenen von seinem Sohne gewidmet. Ueber der Inschrift ist ein Schild mit dem Wappen der Familie von Karlow (steigender Bär mit Halsband) angebracht.

Die Persönlichkeiten, die in der Inschrift genannt werden, sind bekannten Geschlechts und Namens. Das Geschlecht der Karlowe findet sich im 14. Jahrhundert im Süden des Bisthums Ratzeburg an verschiedenen Orten, so in Demern, Schaddingsdorf, Röggelin, Karlow, Clocksdorf begütert (s. Masch, Gesch. des Bisthums S. 303, 306, 309, 323; M. U.=B. Nr. 3628, 6386). Der hier genannte Hermann Karlowe wird derselbe sein, welcher im Jahre 1397 Hof und Dorf Karlow, Clocksdorf, Kulrade, Dependorf an Bischof Detlev von Parkenthin verkaufte und dafür ao. 1400 von demselben Röggelin für 1000 Thaler in seinen Besitz brachte. In einem Klageartikel gegen die Stadt Lübeck vom 3. August 1418 nennt ihn Herzog Erich V. von Sachsen=Lauenburg seinen mann und bezeichnet ihn als bereits verstorben. Seine Söhne Hans und Vicke machen Anspruch auf Schadenersatz an die Stadt Lübeck. Diese schildert ihn als Straßenräuber (desulue Herman vnde sine knechte schinden den copman vp der straten, dar vns vaken vnde vele claghe van quemen. Vergl. Lüb. U.=B. 14, S. 56, 81.). Er wird also in dem zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in einem derartigen Kampfe auf der Landstraße seinen Tod gefunden haben. Dieser Zeit

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entspricht auch Form des Kreuzes und Charakter der Schrift. Daß die Inschrift deutsch ist, wird das Steinkreuz unter den Denkmälern jener Zeit als beachtenswerth hervorheben.


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5.

Jagdfalken.

Von F. v. Meyenn.

Im Großherzoglichen Hauptarchiv zu Schwerin findet sich von der Hand des bekannten Kanzlers Kaspar von Schönaich das undatirte Concept eines an Dr. Andreas Becker gerichteten Schreibens Herzog Heinrichs V. von Meklenburg, das folgenden Wortlaut hat:

Vnsern gonstigen willen zcuuorn. Hochgelerter lieber besunder. Wir werden bericht, wie der hochgeborne furste, vnser lieber ohme, her Bugslaff zcu Stettin - Pommern etc herczog, zcwene zcocker haben solle, vnd szo jr vormerkt, das seyne Lieb dieselben, als wir vns vorsehen, diser zceit zcu gebrauchen nicht willens were, szo ist vnser gutlich beger, woldet vns fordrigk sein, das seine Lieb vns mit selben vogeln beyden adir ye mit eynem zcu lust vnsers wedewergks bedencken, vnd euch hirin gutwillig jrzceigen, das wollen wir ken euch mit sunderlicher gunst bedencken.

An docter Andres Beckern.

Unter Zcocker ist der Würg= oder Sakerfalke, slavisch Sokol, Falco laniarius L., ein Bewohner des südöstlichen Europas und der Steppengebiete des westlichen Asiens, zu verstehen, der als Baizvogel hoch geschätzt war. Uebrigens sind nur äußerst spärliche Nachrichten über Falkenjagden in Meklenburg auf uns gekommen. In den Rentereirechnungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erscheint wenige Male ein "Falkenierer" unter den Hofbedienten, und zu Ende des 17. Jahrhunderts hielt Herzog Gustav Adolf von Meklenburg=Güstrow ebenfalls einen solchen. Von dem Landadel scheint die Falkenjagd dagegen nicht gepflegt worden zu sein.


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6.

Münzfund von Mamerow.

Von Dr. Oertzen.

Im December 1894 wurden auf der Erbpachthufe Nr. II im Dorfe Mamerow, Domanial=Amts Güstrow, auf dem sog. Riedenberg

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beim Pflügen 898 Silbermünzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert gefunden. Dieselben sind anscheinend in einen Beutel verpackt gewesen, von dem sich noch Reste vorfanden. Die älteste dieser Münzen stammt aus dem Jahre 1500 (Schilling des Herzogs Bogislaus von Pommern), die jüngste aus dem Jahre 1628 (Magdeburger Thaler).

A. Thaler (141 Stück).

1. Spanien. Philipp II. 1589.

2. Schweden. Sigismund. 1594.

3. Niederlande:

a. Westfriesland. 1592, 1593, 1596 (3 Exempl.), 1597 (4 Exempl.), 1598 (4 Exempl.)

b. Geldern. 1587, 1591, 1592, 1593, 1595.

c. Holland. 1586, 1600.

d. Oberyssel. 1584.

e. Utrecht. 1587, 1591, 1593, 1595.

f. Zeeland. 1595, 1596, 1619.

4. Oesterreich:

a. Ferdinand I. (mit dem Titel eines römischen Königs). O. J. 1548.

b. Ferdinand I. Für Böhmen. O. J. (Joachimsthal.)

c. Ferdinand II. 1624.

d. TirolerThaler d. ErzherzogsFerdinand. O. J. 15 Exempl.

e. Elsässer Thaler desselben. O. J. 5 Exempl.

f. Tiroler Thaler des Erzherzogs Max. 1618.

g. Elsässer Thaler des Erzherzogs Leopold. 1622.

5. Brandenburg in Franken:

a. Georg und Albrecht. 1539, 1543, 1544 (2 Exempl.).

b. Albrecht. 1549.

6. Braunschweig:

a. Wolfgang und Philipp II. (Grubenhagen). 1579, 1581.

b. Heinrich (Wolfenbüttel). 1561.

c. Julius (Wolfenbüttel). 1586 (Lichtthaler), 1588 (Brillenthaler).

d. Friedrich Ulrich (Wolfenbüttel). 1617.

e. Wilhelm (Harburg). 1622.

f. Erich II. (Calenberg). 1575.

g. August der Jüngere (Neu=Wolfenbüttel). O. J.

7. Holstein=Gottorp. Friedrich III. 1625.

8. Meklenburg:

a. Heinrich V. 1540.

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b. Ulrich. 1556.

c. Hans Albrecht. 1623.

9. Pfalz. Friedrich. 1548.

10. Sachsen:

A. Ernestinische Linie.

a. Johann Friedrich und Moritz. 1543.

b. Friedrich Wilhelm I. und Johann (Weimar) 1589.

c. Johann (Weimar). 1596.

B. Albertinische Linie.

a. Moritz. 1548, 1550.

b. August. 1556, 1557, 1564, 1571, 1575, 1583, 1586.

c. Christian I. 1589, 1590.

d. Christian II., Johann Georg und August. 1594, 1599.

e. Johann Georg. 1620.

11. Henneberg. Wilhelm. 1553.

12. Mansfeld:

a. Hoyer VI., Gebhard VII., Albert VII., Philipp (Vorderort). 1532.

b. Peter Ernst, Johann Albert, Johann Hoyer, Hoyer Christoph (Friedeborn). 1582.

c. Peter Ernst, Johann Albert, Johann Hoyer, Bruno II. und Hoyer Christoph (Friedeborn). 1583.

d. Peter Ernst, Bruno II., Gebhard VIII., Johann Georg (Friedeborn). 1591.

13. Ostfriesland:

a. Edzard II., Christoph. Johann. 1564.

b. Edzard II. 1595.

14. Oettingen. Carl Wolfgang, Ludwig XV., Martin. 1544.

15. Erzbisthum Köln:

a. Anton von Holstein. 1556.

b. Johann Gebhard von Mansfeld. 1558. (3 Exempl.)

c. Salentin von Isenburg. 1572. (Münzverein.)

16. Erzbisthum Salzburg. Joh. Jacob Khuon von Belasy. 1563.

17. Bisthum Halberstadt. Albert von Brandenburg. 1538.

18. Bisthum Ratzeburg. Christoph von Meklenburg. 1581. (Evec. 32,1.)

19. Bisthum Würzburg. Melchior Zobel von Giebelstadt. 1554.

20. Abtei Stablo in Belgien. Christoph Graf von Manderscheid. 1570.

21. Abtei Thoren in Belgien. Margareta von Brederode. 1570.

22. Aachen. 1568.

23. Campen. 1596. (2 Exempl.) 1598.

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24. Deventer, Campen, Zwoll. 1555 (3 Exempl.), 1583, 1586.

25. Hamburg. 1553, 1589 (2 Exempl.), 1590.

26. Herford. 1552.

27. Kaufbeuren. 1543.

28. Kempten. 1546.

29. Lübeck. 1546, 1549, 1559 (2 Exempl.), 1568, 1588 (2 Exemplare).

30. Magdeburg. 1628.

31. Neuß. 1558.

32. Nymwegen. O. J. (3 Exempl.)

33. Schaffhausen. 1550.

34. Solothurn. O. J.

B. Kleinere Silbermünzen. (756 Stück.)

1. Dänemark.

a. Christian III. 2 Skilling. 1558.

b. Christian IV. 1 Mark danske 1617. 4 Skilling. 1616, 1617.

2. Brandenburg.

a. Joachim I. und Albert. Groschen. 1508, 1512, 1516.

b. Joachim II. Groschen. 1539.

3. Holstein.

a. Fredrich († 1533). Groschen. O. J.

b. Johann Adolf. Dütchen. O. J. (2), 1592, 1594, 1596 (3), 1597 (9), 1598 (9), 1600, 1601 (3), 1602 (3), 1603 (7), 1604 (9), 1605 (10), 1606 (2), 1607 (3), 1608 (4), 1615 (1). Undeutlich (10).

c. Fredrich III. Doppelschilling. 1617 (2), 1618 (1).

4. Lauenburg. Friedrich II. Dütchen. 1609.

5. Meklenburg.

a. Magnus und Balthasar. Schilling. O. J.

b. Heinrich V. Doppelschilling. 1525. Sechsling. 1538 (7).

c. Albrecht VII. Doppelschilling o. J. und 1525. Zwitterschilling. Güstrow. 1527/28. Schilling. 1528 (2). Undeutlich (l). O. J. mit Adler (1). Sechsling. 1537 (2).

d. Adolf Fredrich. Doppelschilling. 1611, 1613 (5), 1614 (2), 1615, 1616, 1617.

e. Carl. I. Doppelschilling. 1604, 1606, 1607 (5), 1608 (3), 1609 (2).

f. Hans Albrecht. Doppelschilling. 1616 (2).

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6. Pommern:

a. Bogislaus X. Schilling 1500, 1501, 1505, 1508 (2), 1519, 1520. Undeutlich oder ohne Jahr (6).

b. Philipp Julius von Wolgast. Doppelschilling 1609 (6), 1610 (2), 1611 (11), 1612, 1613, 1616.

7. Lippe. Simon. Groschen 1563.

8. Oettingen. Carl Wolfgang, Ludwig XV., Martin. 1/2 Thaler 1543.

9. Schaumburg. Ernst. Dütchen 1608 (5), 1609 (14), 1611 (7), 1612 (3), 1614.

10. Erzbistum Bremen. Johann Friedrich von Holstein. Dütchen 1611, 1612 (3), 1613 (3), 1615, 1616, 1618.

11. Erzbistum Cöln. Ernst II. von Baiern. Dütchen 1607 (?), 1608 (10), 1609 (6).

12. Hamburg. Dütchen 1592, 1594, 1595, 1596, 1597 (3), 1599 (6), 1600 (4), 1601 (5), 1602 (3), 1603 (4), 1604, 1607 (5), 1608 (2), 1614 (2), 1615. Undeutlich (2).

13. Hameln. Dütchen 1607, 1608 (2).

14. Hildesheim. Dütchen 1600, 1601 (4), 1606 (2). Undeutlich (1).

15. Lübeck. 1/2 Reichsort 1522 (2). Groschen o. J. Schilling 1532, 1537 (6). Undeutlich (3).

16. Lüneburg. Dütchen 1601, 1617. Groschen 1562.

17. Magdeburg. Dütchen 1600 (?).

18. Marsberg. Groschen 1609.

19. Rostock. Doppelschilling 1606, 1607 (4), 1608 (3), 1614, 1616. Undeutlich (1). Schillinge meist ohne Jahr (358 Stück).

20. Stralsund. Dütchen 1623. Groschen 1611 (4), 1612 (10), 1613 (5), 1614. Schilling 1515 (2), 1538 (31), 1554. Undeutlich (4).

21. Wismar. Dütchen 1601, 1604, 1605 (3). Ohne Jahr oder undeutlich (10). Doppelschilling 1563 (3). Schilling 1537 (6), 1538 (1), 1543 (3). Undeutlich (l).

Vignette

Schwerin, im October 1895.

Der zweite Secretär:     
F. v. Meyenn .          

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           LXI, 2.                                                                 Januar 1896.

Quartalbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.


Inhalt:   I. Geschäftliche Mittheilungen. II. Wissenschaftliche Mittheilungen: 1) Die Wappen in der Kirche zu Sternberg. 2) Der Wiederaufbau des Schweriner Rathhauses nach dem Stadtbrande von 1651. 3) Alterthümer von Sülten bei Stavenhagen. 4) Wie die Rostocker Fischer ihre Privilegien erhielten. 5) Die Statue aus Heiligen Christophorus in der Kirche zu Warnemünde. 6) Hausmarken aus Warnemünde.

I. Geschäftliche Mitteilungen.

U eber die zweite Quartalversammlung, die am 6. Januar stattgefunden hat, ist das Nachfolgende mitzutheilen. Nachmittags 6 Uhr wurde die Sitzung im Lesesaale der Großherzoglichen Regierungs=Bibliothek vom Herrn ersten Präsidenten in Gegenwart der beiden Vereinssekretäre, des Bilderwarts und dreier Repräsentanten eröffnet. Die übrigen Ausschußmitglieder waren behindert, an der Versammlung theilzunehmen.

Im Mitgliederstande haben sich, wie der zweite Sekretär berichtete, nur geringe Veränderungen zugetragen; zwei Mitglieder sind ausgeschieden, zwei sind dem Vereine beigetreten.

Ihren Austritt haben erklärt die Herren:

Kaufmann Staude zu Malchin und
Amtsassessor Freiherr von Meerheimb zu Grabow.

Neu eingetreten sind die Herren:

Lieutenant und Adjutant E. von Holstein zu Schwerin
und Forstmeister Freiherr von Rodde zu Ludwigslust.

Die Gesammtzahl der ordentlichen Mitglieder ist somit unverändert 487 geblieben.

Bei den Ehren= und correspondirenden Mitgliedern sind keine Veränderungen zu verzeichnen gewesen.

Die Bildersammlung unseres Vereins ist im verwichenen Quartal um elf Bilder, vorwiegend ältere meklenburgische Städte=Ansichten, vermehrt worden, die vorgezeigt und mit Interesse besichtigt wurden.

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Weiter wurde der Etat der Urkundenbuch=Kommission für das Jahr vom 1. März 1896 bis zum 1. März 1897 vorgelegt und genehmigt.

~~~~~~~~~

II. Wissenschaftliche Mittheilungen.

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1.

Die Wappen in der Kirche zu Sternberg.

Von Dr. Crull.

Bei Gelegenheit der Neuherstellung der Kirche zu Sternberg fand man beim Säubern derselben von Tünche die schrägen Seiten der achteckigen Pfeiler bis etwa zur halben Höhe hinauf mit einem geometrischen Ornamente in Weiß, Roth und Schwarz bemalt, eine Dekoration, welche mit einer rechteckigen geputzten Fläche abschloß, auf die je ein dreiseitiger Wappenschild gemalt war und zwar so, daß derselbe Schild immer mehrfach vorkam. Da acht freie Pfeiler und vier halbe, an die Ost= und die Westwand sich schließende vorhanden sind, so würden sich demnach 40 Schilde ergeben, doch sind beim Anbringen der neuen Kanzel zwei und durch den Einbau der Orgelempore deren vier zerstört worden, so daß jetzt nur noch 34 oder vielmehr, da ein Rechteck auf der südlichen Seite des ersten Pfeilers der südlichen Reihe nicht mit einem Schilde, sondern mit einer Darstellung aus der Heiligengeschichte bemalt ist, nur 33 erhalten sind.

Es finden sich folgende verschiedene Wappenbilder:

a. Zwei quergelegte Hirschstangen, schwarz in Weiß;

b. eine schrägegelegte gespannte Armbrust, roth, auf einem von Weiß und Schwarz getheilten Felde;

c. von Weiß und Roth getheilt;

d. ein Flügel mit aufwärts gerichteten Schwungfedern, weiß in Roth;

e. ein getreppter Giebel, schwarz in Weiß;

f. ein halber steigender Bock, roth in Weiß;

g. ein getreppter Sparren, weiß in Roth, begleitet von drei blauen Pfeileisen (?), deren obere einander zugeneigt sind;

h. in Roth ein weißes gemeines und Schräg=Kreuz ("Doppelkreuz"), belegt mit grüner Blattranke;

i. ein siebenstrahliger Stern, weiß in Schwarz;

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k. drei Zangen, eine Schmiedezange zwischen zwei anderen, schräge gelegt, roth in Weiß;

l. ein Schrägbalken, weiß in Schwarz, belegt mit einer schwarzen Ranke;

m. vier in der Mitte vereinigte Hahnenfederbüsche, schrägkreuzartig angeordnet, schwarz in Weiß;

n. durch eine (conturirte) weiße Weinranke von Weiß und Schwarz schräge getheilt;

o. ein aufgerichteter Greif, roth in Weiß.

Von diesen bislang völlig unbekannten Wappenschilden fanden sich i fünf Mal, d und g vier Mal, h und m ein Mal, alle übrigen zwei Mal, und zwar in nebenstehender Anordnung, in welcher die Zahlen die Schilde anzeigen, welche zerstört sind, das Kreuz die Stelle, wo statt eines Schildes ein Bild sich findet.

Anordnung der Wappen

Aus dieser Uebersicht ergiebt sich, daß die 14 Schilde nicht etwa aus bloß dekorativen Gründen beliebig durch einander, vielmehr alle paarig oder zweipaarig neben einander wiederholt sind, und daß ohne Zweifel f an Stelle 1, h an 2 sich wiederfand, sowie daß 3 = c, 4 = o, 5 = i und 6 = m gewesen ist, wonach kein Schild für uns verloren sein würde.

Welche Bedeutung haben nun diese Schilde? Die wahrscheinlichste und, wie mich dünkt, allein mögliche Erklärung für das Anbringen derselben wird sie sein, daß sie das Andenken an diejenigen Geschlechter oder Personen erhalten sollten, welche den betreffenden Bautheil, die Pfeiler, haben aufführen lassen, wie ja auch in gleicher Absicht der Schild der v. Bülow am Schweriner Dom und am Umgange der Kirche zu Bützow, derjenige des Bischofs Nicolaus Böddeker an der Burg zu Warin, des Präceptors Kran an Bauten zu Tempzin angebracht ist oder war, oder wie vermuthlich aus demselben Grunde Gewölbescheiben oder Schlußsteine in Lübeck, Stralsund, Rehna, Tarnow, auch Wismar mit Wappenschilden versehen sind.

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So wie diese Gewölbe auf Kosten der Betreffenden hergestellt worden, so sind es auch die Pfeiler zu Sternberg, und würden demnach i die Kosten für 1 1/2 Pfeiler, c und g für je 1, d und f für je 2/2, alle übrigen aber für je einen halben Pfeiler hergegeben haben. 1 )

Nimmt man an, daß die Wappenschilde die vorstehend vermuthete Bedeutung haben, so wird man die Bauherren unter den Mitgliedern der kirchlichen Gemeinde und insbesondere, da das Kirchspiel außer der Stadt selbst nur Stiten, welches im 14. Jahrhunderte wesentlich noch ein herrschaftliches Dorf gewesen sein wird (M. U.=B. 3163, 3468, 3469), sowie Kobrow begreift, wo noch 1333 eine eigene Kirche war (ebd. 5411), unter den Bürgern von Sternberg suchen müssen. Wenn Sternberg mehr als wahrscheinlich von Pribislav von Parchim=Richenberg, und zwar nach Dr. Lischs annehmlicher Vermuthung (Jahrb. XII, S. 189), zwischen 1240 und 1250 gegründet worden ist, so erhielt es selbstverständlich zur selben Zeit auch seine Kirche, die der Heiligen Jungfrau und St. Nicolaus dedicirt wurde (ebd. S. 190, N.) und an welcher schon 1256 ein Vicar angestellt war (M. U.=B. 770), doch ist dieser Bau wahrscheinlich in dem Brande, welcher die Stadt im ersten Decennium des 14. Jahrhunderts heimsuchte (ebd. 3293), mit untergegangen (ebd. 4363, N.) und an seine Stelle die jetzige schöne Hallenkirche getreten, die man ihres Stils wegen in das zweite Jahrzehnt setzen darf und vor 1320 oder 1322 setzen muß, da laut Inschrift (ebd.) derzeit der Thurm der Kirche vorgebaut worden ist. Sind aber die Kirche und insbesondere die Pfeiler auf Kosten Sternberger Bürger aufgeführt, so können diese nur solche gewesen sein, die in besseren Vermögensverhältnissen waren, die sich den Luxus eines Wappens gestatten durften, die Altbürger, die Nachkommen derjenigen, welche Gründung und Einrichtung der Stadt in die Hand genommen hatten, die Patricier, wie Lisch sie nennt und wie man sie wohl der Kürze wegen und um so eher bezeichnen darf, als verschiedentlich Mitglieder dieser Familien in die Mannschaft übergetreten sind. Bei der geringen Zahl der Sternberger Urkunden, die auf uns gekommen ist, kennen wir aber nur zehn oder, falls der Reystuerus der erwähnten Inschrift wirklich ein v. Rüst sein sollte, elf Familien aus der Zeit von 1306 bis 1320, nämlich: Deding, v. Markow (3 Personen), v. Wamekow (7), Alberdes, v. Rosenow, v. Dömelow, v. Zaschendorf, v. Sternberg (9), Trendekopp (5), v. Woserin (4), v. Rüst.


1) Natürlich zeigt nicht jedes in einer Kirche gemaltes oder sonst angebrachtes Wappen die Betheiligung des Eigners am Bau an, sondern ebenso oft die Urheberschaft von frommen Stiftungen. Vgl. Schröder, P. M., S. 2041.
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Die ersten neun hatten Mitglieder im Rath, wie aus den Urkunden sich ergiebt; aus dreien dieser Familien sind Angehörige in die Mannschaft eingetreten, nämlich aus den Wamekow, Sternberg und Trendekopp, und bislang sind allein die Wappen der Wamekow und Trendekopp bekannt geworden (ebd. 4561, 6153). Diese beiden Wappen finden sich nun aber nicht unter den in der Kirche angebrachten, und das scheint in der That ein starkes Argument gegen die Annahme, daß letztere Sternberger Optimaten angehörten. Dennoch wird sie sich aufrecht halten lassen. Im Urkundenbuche der Stadt Lübeck (II, Nr. 949) ist nämlich eine im dortigen Ratsarchive aufbewahrte und in das Meklenburgische Urkundenbuch (Nr. 7032) hinübergenommene Urkunde vom 2. Januar 1350 abgedruckt, an welcher die an beiden Orten nicht beschriebenen Siegel der Aussteller hangen, nämlich das des Berthold Wamekow und das Ludolf Sternbergs. Beide sind nicht scharf ausgedrückt. Ersteres ist rund und enthält den Wamekowschen Schild unverkennbar, doch ist von der Umschrift nichts zu lesen, das zweite aber ist schildförmig und zeigt einen halben steigenden Bock, während die Umschrift, im Vornamen völlig deutlich, im Familiennamen minder klar, lautet: [S] LVDOLF . . . . NEBER. . Daß dies das Ludolf Sternberg zuständige Siegel sei, wird, wie ich denken sollte, nicht in Zweifel zu ziehen sein. Sein Wappenbild ist also dasselbe, welches oben unter f aufgeführt ist, und dieser Umstand dürfte, ist schon sonst ein Zeuge kein Zeuge, ausreichend sein, die oben ausgesprochene Vermuthung, daß die fraglichen Wappen die von Sternberger Patriciern seien, zu stärken und zu stützen. Daß die Schilde der v. Wamekow und der Trendekopp, dieser offenbar sehr hervorragenden Geschlechter, fehlen, ist allerdings auffallend, erklärt sich aber wohl so am Natürlichsten, daß diese Famlien zwar nicht zum Bau der Pfeiler beigetragen, aber durch fromme Stiftungen ihrer Stellung in der Stadt gerecht zu werden gesucht haben, was auch von den Wamekow bezeugt ist (ebd. 3468, 3469), oder in anderer Weise, etwa durch Ausführung von Gewölben, den Bau gefördert haben.

Daß es in der Folge noch gelingen sollte, die übrigen Schilde oder auch nur eines oder das andere zu bestimmen, ist leider aussichtslos, da außer den erwähnten kein anderes Siegel von Sternbergern bis 1375 zum Vorschein gekommen ist.

Schließlich sei noch auf den Umstand hingewiesen, daß Blau und Gelb so gut wie gar nicht auf den Wappen sich finden und nur Weiß, Schwarz und Roth, wie auf dem Teppichmuster, als Tincturen angewendet sind.


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2.

Der Wiederaufbau des Schweriner Rathhauses nach dem Stadtbrande von 1651.

Von Dr. Fr. Stuhr.

Am 18. Juli 1651 wurde ein großer Theil der Stadt Schwerin eingeäschert. Nach einer Bekanntmachung in Nr. 31 der "Ordinari Diengstags=Zeitung Anno 1651" kam das Feuer um 12 Uhr Mittags beim Rathaus aus, wo zum Trocknen ausgebreiteter Flachs durch die Funken einer nahen Schmiede in Brand gerieth. In kurzer Zeit hatten die Flammen die Häuser am Rathhaus und dieses selbst ergriffen. Man versuchte das Rathhaus 1 ) zu retten; aber da der Boden desselben mit Flachs angefüllt war, entwickelte sich ein solcher Qualm, daß Niemand zum Löschen nahe kommen konnte. Brennende dürre Schindeln vom Rathhausthurm verbreiteten das Feuer dann weiter über den Markt und von da nach der Schmiedestraße und Schloßgasse hin, sodaß schließlich 160 Häuser mit dem Rathhause in Asche lagen. Eine schwere Heimsuchung war dieser Brand für die Bürgerschaft. "Gottes lichterloh brennender Zorn" wurde darin erkannt, und bußfertig flehte die Bürgerschaft zu Gott, mit fernerer Strafe innezuhalten, wie es mehrere uns erhaltene Predigten der Zeit erkennen lassen. Gleichzeitig nahm man aber auch thatkräftig den Wiederaufbau der wüsten Stätten in Angriff. Der Herzog erließ Fürschreiben an Städte und Fürsten um Beihülfe, und seine Sendboten, aus den verschiedenen Ständen der Stadt ausgewählt, durchzogen das Land, um die aufgebrachten Hülfsgelder einzusammeln. Wenn auch ein großer Theil dieser Hülfsgelder für Diäten der Boten ausgegeben werden mußte, kamen doch nicht unbeträchtliche Summen den Abgebrannten zu Gute.

Der Magistrat richtete vor allen Dingen sein Augenmerk auf die Wiedererrichtung des Rathhauses. 2 ) Am 21. September 1651 suchte er beim Herzog nach, die in Rostock und Wismar für die abgebrannten Leute gesammelten Gelder zum Rathhausbau verwenden zu dürfen, damit bald wieder Zusammenkünfte zu Rath und Gericht ordentlicher Weise abgehalten werden könnten. Es würde beabsichtigt, die vom Rathhaus stehen gebliebenen Gewölbe, Keller und Mauer=


1) Das damalige Rathhaus war nach dem Brande von 1558 erbaut. S. Fromm, Chronik von Schwerin, Schwerin 1862, S. 131.
2) Acta die Wiedererbauung des abgebrandten Rath=Hauses in Schwerin betreffend, de Annis 1651 et 1652, item 1653 et 1654, im Geheimen und Haupt=Archiv.
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werk noch vor dem Winter zu bedachen, um sie vor weiterem Verfall zu schützen. Diesem Gesuch folgte am 2. October ein zweites um Bewilligung von Eichenholz zu den Balken, denn in der Stadthölzung wäre nur Tannenholz vorhanden, das man lediglich zum Sparrwerk verwenden könne. Trotzdem das erste Gesuch bewilligt wurde, nahm man den Bau vor dem Winter 1651/52 nicht in Angriff. Noch im Frühjahr 1652 war man in Zweifel darüber, wie man das neue Rathhaus anzulegen habe, damit dasselbe eine Zierde der Stadt werde. Wieder nahm man zum Herzog seine Zuflucht und bat um Zuordnung sachverständiger Personen. Darauf verfügte Herzog Adolf Friedrich unterm 28. April 1652, man möge das Rathhaus unter Benutzung der alten Fundamente so, wie das alte gewesen wäre, wiederaufrichten, aber darin abweichen, daß die oberen Räume, besonders der Saal, etwas höher aufgeführt würden. Genau einen Monat später erhielt der Zimmermeister Hans Roepke Befehl, mit der Zimmerarbeit unverzüglich zu beginnen. Ihm wurde nach Ausweis der im Archiv erhaltenen Baurechnungen später der Zimmermeister Claus Bydeck beigegeben. Die Maurerarbeiten leitete der Maurermeister Jochim Stolte. Im Juli 1652 waren die Arbeiten in vollem Gange. Bald trat jedoch wieder Geldmangel ein. Am 30. Juli 1652 dankte der Magistrat für die ihm zum Rathhausbau in zwei Raten von je 600 Thlr. aus den Brandkollekten (incl. Rostock und Wismar) bewilligten 1200 Thlr. und bat den Herzog um fernere Unterstützung, und, als darauf nichts erfolgte, wiederholte der Magistrat seine Bitte unterm 28. August. Er führte in dem zweiten Gesuch aus, daß auf die schon tief verschuldeten Stadtgüter nicht der geringste Heller mehr aufgenommen werden könne, und daß es billig sei, die von der Stadt in den Kriegsjahren 1631 und 1632 über die Gebühr hergegebenen 6493 fl. 20 ßl. nunmehr aus dem Landkasten zurückzuzahlen. Der Herzog mochte der Ansicht sein, daß man für die bewilligten 1200 Thlr. sehr wohl das Rathhaus hätte aufführen können, denn er ordnete am 6. September 1652 eine Revision der Baurechnungen an. Es ergab sich dabei eine Einnahme der Stadt von genau 1216 Thlr. 21 ßl. 6 Pf., die sich folgendermaßen vertheilte:

409 Thlr. 41 ßl. 6 Pf. von der Stadt Rostock,
73 Thlr. 36 ßl. von der dortigen Universität,
132 Thlr. 40 ßl. von der Stadt Wismar,
600 Thlr. von der gemeinen Einnahme aus Brandkollekten.

 
1216 Thlr. 21 ßl. 6 Pf.  
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Davon waren ausgegeben 1192 Thlr. 16 ßl., sodaß ein Vorrath von nur 24 Thlr. 5 ßl. 6 Pf. vorhanden war. Die herzogliche Kommission beanstandete von den Ausgaben zwei Posten:

1) 75 Thlr. 16 ßl. für Entfernung des Schuttes aus dem Rathhaus und Mühlenthor,

2) 47 Thlr. 41 ßl. für Reparirung der Rathsbuden,

und appellirte deswegen an die Entscheidung des Herzogs. Adolf Friedrich ordnete nun unterm 8. September 1652 an, die 75 Thlr. 16 ßl. durch eine Kollekte von den vom Feuer verschonten Bürgern aufzubringen und fügte - was für den Gerechtigkeit liebenden Herzog charakteristisch ist - hinzu, er müsse sich wundern, daß der Magistrat nicht selbst auf eine so billige Anordnung verfallen sei; die 47 Thlr. 41 ßl. sollten aus der Heuer der Bewohner der Buden bezahlt werden. Für die dem Magistrat auf diese Weise noch verbleibenden 147 Thlr. 14 ßl. 6 Pf. (eingeschlossen den obigen Vorrath) sei das Rathhaus noch vor Wintersanbruch unter Dach zu bringen. Letzteres scheint aber doch nicht ausführbar gewesen zu sein. Neue Bittgesuche des Magistrats vom 24. Februar und 28. November 1653 und vom 20. Januar 1654 führen an, daß auch die jährlichen Einkünfte des Weinkellers zum Bau des Rathhauses angegriffen, damit aber auch die letzten Mittel ersschöpft seien; der Magistrat bittet deshalb um die letzthin eingekommene Kopfsteuer von etwa 300 Thlr. auf Abschlag der Forderung an den Landkasten von 6493 fl. 20 ßl. Mit einem befürwortenden Rescript des Herzogs, der sich nun doch von der Nothlage überzeugt haben mochte, an den Engeren Ausschuß der Ritter= und Landschaft vom 6. März 1654 brechen die Archivacten ab. Da auch die im jetzigen Stadthaus aufbewahrten Magistrats=Acten, betreffend die Wiedererrichtung des Rathhauses nach dem Brande von 1651, über das Rescript vom 6. März 1654 nicht hinausgehen, so läßt sich über die Vollendung des Baues etwas Bestimmtes nicht beibringen. Doch kann man mit Fromm, Chronik von Schwerin, 1 ) schließen, daß das Rathhaus im Herbste 1654 fertig gestellt worden ist, da Laetare 1655 zuerst wieder die Bürgersprache der versammelten Bürgerschaft aus dem geöffneten Fenster des Rathhauses vorgelesen wurde.

In der Folgezeit ist das Rathhaus mehrfach durchgebaut und erweitert worden und hat nach der Marktseite zu durch eine neue Fassade ein ganz anderes Aussehen erhalten; auf der Rückseite, nach der Schlachterstraße zu, sind jedoch noch manche Theile des 1652 bis 1654 errichteten Gebäudes unverkennbar.



1) Fromm, Chronik von Schwerin, S. 230 - 231.
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3.

Alterthümer von Sülten bei Stavenhagen.

Von Ludwig Krause in Rostock.

Das Rostocker Alterthumsmuseum bewahrt in seiner prähistorischen Sammlung auch eine Anzahl im Jahre 1889 erworbener Alterthümer von Sülten bei Stavenhagen. Nach dem Fundberichte wurden dieselben früher auf obiger Feldmark beim Ausbrechen von Steinen in zwei Hünengräbern 1 ) gefunden. Wie gewöhnlich, hatten die Arbeiter die von ihnen aufgedeckten Urnen bezw. Urnenreste einfach bei Seite geworfen, und wir verdanken die Erhaltung der hier zu beschreibenden Stücke nur dem Umstande, daß der später hinzukommende Verwalter Alles, was noch zu finden war, aufsammelte. Die so geretteten Gegenstände sind:

1. Die vordere Hälfte eines schön polirten, auf der einen Seite hohlmeißelartig ausgeschliffenen Keiles aus gelbem Feuerstein, 68 mm lang und bis zu 44 mm breit. Die flach concave Ausschleifung nimmt vorne an der Schneide die volle Breite des Keiles ein, verschmälert sich aber nach hinten allmählich, so daß sie an der Bruchstelle nur noch 28 mm breit ist und an beiden Seiten von einem 8 mm breiten erhöhten Rande begrenzt wird. Beide Schmalseiten des Keiles sind abgerundet, bilden also mit den beiden breiten Seitenflächen keine Kanten. Die Ausschleifung ist 1 1/2 - 2 mm tief.

2. Ein Instrument unbekannter Bestimmung aus bräunlichem Gestein. Von der Seite gesehen von fast dreieckiger Form, ist der Stein ringsherum mit einer 21 - 26 mm breiten und 8 - 19 mm tiefen Rinne versehen und hat vielleicht einst als Webergewicht oder dergl. gedient.

3. Ein auf einer Seite etwas abgeplatteter, im Uebrigen runder durchlöcherter Feuerstein von blaugrauer Farbe und 2 - 2 1/2 cm Durchmesser. Da von den beiden Oeffnungen der durch den Stein gehenden Höhlung die kleinere an ihrem Rande mehrfach kleine Bruchflächen aufweist, so ist die Vermuthung nicht ausgeschlossen, daß dies jetzt ziemlich runde Loch einst vielleicht durch vorsichtiges Abschlagen kleiner Splitterchen künstlich etwas erweitert wurde, um den Stein dann als Zierrath, Netzsenker, Spindelstein oder dergl. auf


1) Um "Hünengräber" im eigentlichen Sinne, d. h. megalithische Denkmäler aus der Steinzeit, handelt es sich im vorliegenden Falle schwerlich. Die Scherben weisen nach Technik, Form und Verzierung in eine weit jüngere Zeit; ob der Hohlkeil (Nr. 1), das einzige auf die Steinzeit weisende Stück, wirklich zu den Urnen gehört, wird sich leider nicht mehr sicher bestimmen lassen.
     Beltz.
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eine Schnur ziehen bezw. auf einen Stock stecken zu können. Das an der entgegengesetzten platten Seite befindliche Loch ist länglich. Im Innern zeigt der Stein, der sonst jedenfalls keinerlei Bearbeitung aufweist, einen natürlichen Hohlraum mit unregelmäßigen, mit Kreide überzogenen Wänden, wie man dergl. Hohlräume in Feuersteinen (vergl. z. B. die sog. Klötersteine) ja so häufig findet. 1 )

4. Ein Spinnwirtel aus hart gebranntem, graubraunem, stellenweise röthlichem Thon von doppelkonischer Form, jedoch mit fast völlig abgerundeter Kante in der Mitte, etwas bestoßen, unverziert, 2 cm hoch, oben und unten 22 mm und in der Mitte 32 mm Durchmesser. Das durch die Mitte gehende Loch ist rund und überall gleich weit. Es hält 14 mm Durchmesser im Lichten und hat ringsum glatte Wände.

5. Eine verzierte und elf unverzierte Urnenscherben, darunter drei Randstücke. Dieselben bestehen sämmtlich aus mit Steingrus vermengtem, gebranntem Thon und stammen den verschiedenen Randformen nach von mindestens drei Urnen, über welche sich hiernach noch Folgendes feststellen läßt:

a. Die eine Urne war hart gebrannt, außen und innen theils gut, theils nur mäßig geglättet, 5 - 6 mm dick und von grauer bis röthlichbrauner Farbe. Der auf der Innenseite mit einer Kante absetzende Rand ist nach außen hin abgerundet. Hierher gehören ein Randstück und drei andere Scherben.

b. Die zweite Urne war schlecht gebrannt und roh gearbeitet, innen geglättet, außen zum Theil geglättet, zum Theil rauh. Infolge des schlechten Brennens haben die 5 - 9 mm dicken Scherben stellenweise durch Verwittern gelitten. Der sich etwas verengende Hals schließt oben mit einem abgeplatteten, etwas nach außen hinüberstehenden Rande ab. Farbe: außen röthlich, im Uebrigen grau. Vorhanden sind ein Randstück und vier andere Scherben.

c. Die Reste der dritten Urne zeigen den härtesten Brand und den meisten, zum Theil ziemlich groben Steingruszusatz. Die Urne war innen geglättet, außen theils geglättet, theils künstlich rau gemacht und unter dem aufrechten, 1 cm hohen, etwas verdickten Halse mit 1 - 1 1/2 mm tiefen Horizontalrillen verziert. Vorhanden: ein Randstück und zwei andere Scherben, graubraun, 5 - 8 mm dick.



1) Eine ähnliche durchlöcherte natürliche Feuersteinkugel, die aber an einem Ende durch Abschlagen kleiner Splitter künstlich etwas zugespitzt war, sowie 3 Feuersteinspähne - sämmtlich ebenfalls bei Sülten gesammelt - gelangten leider nicht in das Museum. Vergl. übrigens zu diesen Steinkugeln Jahrb. XIII, S. 361.
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4.

Wie die Rostocker Fischer ihre Privilegien erhielten.

Von Ludwig Krause in Rostock.

Im Herbst 1893 erzählte der Kapitän eines der zwischen Rostock und Warnemünde verkehrenden Flußdampfer über den Ursprung der Rostocker Fischerei=Privilegien folgende Geschichte:

Früher waren die Dünen nur ganz niedrig, so daß bei jedem stärkeren Sturm die Wellen auf der ganzen Strecke von der Rostocker Heide bis zur Stoltera über sie hinwegspülten. Deshalb ging zum Schutze von "De Pogg-" etwa nach Großen=Klein hinüber eine große Steinmauer. Hier nun strandete einstmals Fürst Borwin und wurde von den Rostocker Fischern abgeborgen. Zum Danke verlieh er ihnen das Privileg, für ewige Zeiten die Warnow abgabenfrei auszunutzen. So weist es noch ihr altes Pergament aus, welches aus Borwins Zeiten stammt. -

Der mir anderweitig noch nicht vorgekommene Name "De Pogg-" ist augenscheinlich nur eine abgekürzte Bezeichnung für den sonst sogenannten Pagenwerder, die bei der Neuregulirung des Fahrwassers 1837 - 1838 durchstochene Wieseninsel am Nordrande des Breitlings südöstlich von Warnemünde. Dann würde unter der großen Steinmauer von hier nach Großen=Klein das einst von der Stadt Rostock zum Schutze und zur Bezeichnung des alten Fahrwassers im Breitling unterhaltene Steinkistenbollwerk zu verstehen sein, die aus starken Balken zusammengezimmerten und mit großen Steinblöcken gefüllten mächtigen Breitlingskisten, deren es 1836 noch 112 gab.


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5.

Die Statue des Heiligen Christophorus in der Kirche zu Warnemünde.

Von Ludwig Krause in Rostock.

Aus derselben Quelle, wie die obige Notiz über die Fischerei=Privilegien auf der Warnow, stammt auch die folgende Erzählung:

Noch als die ersten Ansiedler sich in Warnemünde niederließen, war das Land nur ganz flach. Wenn jetzt in den Häusern oben an der Alexandrinenstraße Keller ausgeschlachtet werden, dann stößt man auf die Dächer der damals errichteten Buden.

Die Warnow lief damals als ganz flaches Rinnsal durch die Dünen, so daß man bequem hindurchwaten konnte, was auch immer

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geschah. In der Gegend der heutigen Vogtei aber wohnte ein Mensch, welcher die Leute gegen Bezahlung auf seinem Rücken hindurchtrug. Ihm reichte das Wasser nur etwa bis an die Hüften. Eine Darstellung dieses Mannes findet man noch heute in der Warnemünder Kirche. An die Erhaltung dieser Statue knüpft sich aber zugleich die Zugehörigkeit der anderen Dörfer an Warnemünde. Sowie die Statue beseitigt würde, wurde keine andere Ortschaft mehr Abgaben an die Warnemünder Kirche entrichten. Es würde sich vielmehr jedes Dorf selbst eine Kirche bauen.

Mit der hier erwähnten Statue kann nur diejenige des heiligen Christophorus in der Warnemünder Kirche gemeint sein.


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6.

Hausmarken (?) aus Warnemünde.

Von Ludwig Krause in Rostock.

Im September 1892 sah ich auf einem der als Bootsballast benutzten Steine am Strom zu Warnemünde folgendes, mit schwarzer Farbe oder Theer darauf gemalte Zeichen: Hausmarke . Im letzten Sommer untersuchte ich diese Steine am Strom entlang dann häufiger nach derartigen Marken, fand dabei aber außer der erwähnten nur noch folgende drei: Hausmarke     Hausmarke     Hausmarke und, bereits ziemlich abgescheuert, daher nicht genau mehr erkennbar, auf einem Steine augenscheinlich noch einen unklaren Anker: Hausmarke .Auch diese Zeichen waren sämmtlich mit schwarzer Farbe oder Theer hergestellt. Die übrigen Steine trugen, in gleicher Weise, aufgemalt die Anfangsbuchstaben des Eigenthümers bezw., in neuerer Zeit mehr und mehr zunehmend, die betreffende Jöllennummer.

Ueber Namen und Bedeutung dieser alten Hausmarken war bisher leider weiter nichts zu erfahren, als die echt Warnemünder Auskunft: "Dat sint Teken, wer de makt het, de kennt se wedder."

Zum Schluß mag hier auch noch ein hausmarkenartiges Zeichen mit angeführt werden, das ich im Jahre 1883 auf einem ebenfalls als Bootsballast dienenden Barren von Gußeisen am Fischerhafen zu Rostock sah: Hausmarke . Zeichen, Buchstaben und Ziffern ragten etwa 1/2 cm hoch aus dem Barren hervor und waren mit demselben in einem Stück gegossen.

Vignette

Schwerin, im Januar 1896.

F. v. Meyenn , 2. Sekretär.

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           LXI, 3.                                                                 April 1895.

Quartalbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.


Inhalt:   I. Geschäftliche Mittheilungen. II. Wissenschaftliche Mittheilungen: 1) Mistewoi (Mistizlav). 2) Die Wappen in der Kirche zu Sternberg. (Berichtigung.)

I. Geschäftliche Mitteilungen.

Die dritte Quartalversammlung des 61. Rechnungsjahrs wurde am 20. April in der Großherzoglichen Regierungs=Bibliothek abgehalten unter Vorsitz des Herrn Staatsraths von Bülow Excellenz. Mit Ausnahme des ersten Präsidenten und des Bibliothekars waren alle Ausschußmitglieder gegenwärtig.

Ueber den Mitgliederstand theilte der zweite Sekretär das Folgende mit. Durch den Tod hat der Verein im jüngstverflossenen Vierteljahr vier Mitglieder verloren, nämlich:

  1. den Seminardirector a. D. Kliefoth zu Neukloster, Mitglied seit 1877, verstorben am 5. Januar;
  2. den Lehnsgrafen von Holstein auf Ledreborg auf der Insel Seeland, Mitglied seit 1877, dessen schon am 22. December v. J. erfolgter Tod uns erst nach der Versendung des zweiten Quartalberichts bekannt geworden ist;
  3. Pastor Kämpffer zu Schönberg, Mitglied seit 1882, verstorben im Februar;
  4. Hofmarschall Graf von Schwerin=Göhren zu Neustrelitz, Mitglied seit 1882, verstorben am 7. März zu Berlin.

Ausgetreten sind gleichfalls 4 Herren, und zwar:

  1. Dr. von Oertzen auf Rossow, Mitglied seit 1882;
  2. Oeconomierath Schumacher zu Warnemünde, Mitglied seit 1890;
  3. Hofrath Crull zu Schwerin, Mitglied seit 1890, und
  4. Hillmann jr. zu Lübzin, Mitglied seit 1894, der wegen Zahlungsverweigerung gestrichen wurde.
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Einem Verluste von im Ganzen 8 Mitgliedern steht ein Zuwachs von 10 Mitgliedern gegenüber. Neu eingetreten sind die Herren:

  1. Oberlehrer Gustav Krüger zu Schwerin,
  2. Drost von Bülow zu Doberan,
  3. Oeconomierath Harms zu Schlutow,
  4. Gutspächter Wilbrand zu Pisede,
  5. Rector Köhn zu Dargun,
  6. Dr. Hensolt, Director der Ackerbauschule zu Dargun,
  7. Hauptmann à la suite des Füsilier=Regiments Nr. 90 Hävernick, commandirt zur Kriegsschule in Neiße,
  8. Bürgermeister Dr. Stegemann in Neukalen,
  9. W. Wolfes, Lehrer an der Ackerbauschule zu Dargun, und
  10. Rittergutsbesitzter von Klinggraeff=Pinnow.

Die Zahl der ordentlichen Mitglieder beträgt somit am Schlusse des 3. Quartals 489.

Unter unsern Ehrenmitgliedern haben keine Veränderungen stattgefunden; dagegen ist Professor Ludwig Rütimeyer zu Basel, der dem Vereine seit dem 3. October 1864 als correspondirendes Mitglied angehört hat, schon am 25. November v. J. verstorben, wie wir erst im folgenden Quartal erfahren haben.

Die weiteren Verhandlungen und Beschlüsse betrafen geschäftliche Angelegenheiten des Vereins und bieten kein allgemeines Interesse.


II. Wissenschaftliche Mittheilungen.

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1.

Mistewoi (Mistizlav).

Von Dr. Nobert Beltz.

Die Geschichte des Obotritenlandes um die Scheide des ersten Jahrtausends ist recht zweifelhaft, besonders da unserer Hauptquelle, Thietmar, der über die Lutizen so gut unterrichtet ist, die Verhältnisse im westlichen Theile des Landes ferner liegen. In scharfsinniger und kritischer Weise haben F. Boll (Ueber den Obotritenfürsten Mistuwoi, Jahrb. 18, S. 160) und F. Wigger (Meklenburgische Annalen, S. 136) die zahlreichen Widersprüche in den Quellen zu motiviren gesucht, ohne jedoch ein allseitig befriedigendes Resultat zu erreichen. Der Grundfehler lag in der Gleichsetzung der Fürsten Mistewoi und Billug, welche in den älteren Behandlungen der Meklenburgischen Geschichte vorgenommen ist. Es ist Wiggers Verdienst,

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das richtige Verhältniß gefunden zu haben (Jahrb. 45, S. 8), indem er, anknüpfend an die ganz bestimmte Nachricht Ibrahims, daß zu seiner Zeit (973) Nacur (Nacun?) d. i Nacon Fürst der westlichen Wenden gewesen sei, den Beinamen Billug nicht dem Mistewoi, sondern dem Nacon (Naccon) beilegt. Damit gewinnt aber die Geschichte des Obotritenlandes und besonders die Genealogie des alten Herrscherhauses vor Niklot, dessen bekanntester Vertreter Gottschalk ist, eine andere Gestalt.

955 kämpfen Naccon und Stoignew gegen die Sachsen unter Kaiser Otto d. Gr., 955 fällt Stoignew, 961 wird Hermann Billung Herzog von Sachsen; bald darauf beginnt die Missionsthätigkeit von Magdeburg und Oldenburg aus; damals wird auch Naccon getauft sein und den Namen des Sachsenherzogs als Taufnamen angenommen haben.

Neben Naccon erscheinen bei Adam in einer Zusammenfassung der Zeit von 967 bis 988 etwa (Wigger M. A., S. 38) Missizlav und Sederich 1 ); ihm folgt Helmold; Widukind nennt 966 oder 967 Selibur und Mistav 2 ); ihm folgend Thietmar Selibur und Mistui. 3 ) Offenbar also ist hier Mistav und Mistui dieselbe Persönlichkeit wie Missizlav; die ersten Namensformen hat Widukind und ihm folgend Thietmar, die andere Adam (aber schwankend) und ihm folgend Helmold; ebenso nennen ein Scholion zu Adam und Helmold den Mistizlav von 1018 Mistewoi und verwechseln ihn mit dem Zerstörer Hamburgs (s. unten), die Grundform ist sichtlich Mistizlav, welche Thietmar da braucht, wo er nicht nach fremden Quellen, sondern aus zeitgenössischer Kenntniß schreibt. (Thietmar VIII, 4. 1018).

Ueberblicken wir die Erwähnungen von Trägern dieses Namens in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge, so wird der Mistizlav (um diese Namensform als die Grundform festzuhalten), der um 967 theils allein, theils neben Naccon erwähnt wird, ein Sohn desselben sein, der schon damals eine selbstständige Bedeutung neben seinem Vater verlangt hat. Nach der zweiten Vermählung seines Vaters mit einer Schwester des Bischofs Wago (nach 973, s. Wigger M. A., S. 39) vertritt er die heidnische Partei, doch wirbt sein Vater für ihn um eine Nichte des Herzog Benno (Bernhard I. 973 - 1011) und entsendet ihn zu dem Römerzuge Otto II. 982. 4 ) Hier soll ihn die in dem Scholion 30 zu Adam II. 40 erzählte Beleidigung durch Markgraf Dietrich ge=


1) Suein . . . . principes ejus temporis Missizlav, Naccon et Sederich Adam II, 24.
2) duo subreguli Herimanno duci. . . Selibur. . . Mistav. Wid. III, 68.
3) Her. dux Seliburem et Mistui tributarios fecit. Thietm. II, 9.
4) Daß dieses Jahr, nicht 996 mit Giesebrecht, anzunehmen ist, hat Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 137, überzeugend nachgewiesen.
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troffen haben, die Helmold I, 16 in seinem Pragmatismus zur Veranlassung der Zerstörung von Hamburg macht. Zur Erklärung der Ereignisse brauchen wir sie nicht. Bei der gewaltigen Erschütterung der deutschen Reichsmacht durch die Niederlage Otto II. in Unteritalien 982 begreift sich der furchtbare Ausbruch der Feinde des deutschen Reiches an seinen Nordgrenzen ganz von selbst; auch die Obotriten mußten in die von den Dänen einerseits, den Lutizen anderseits ausgehende Bewegung hineingezogen werden. 983 1 ) verbrannten die Obotriten Hamburg unter Führung des "Mistui" (so Thietmar, " Mystewoi" Adam, "Mistiwoi" Helmold, "Mistwin" Chronik des Lüneburger Michaelisklosters). 984 beruft Herzog Heinrich von Baiern, in der Absicht sich Anhänger in seinen Bestrebungen gegen den jungen Kaiser Otto II. zu gewinnen, eine Versammlung nach Quedlinburg. Dort tritt auch "Mistui" auf und zwar mit denselben Fürsten, die 973 Ibrahim als die bedeutendsten Machthaber in den Slavenländern nannte. 2 )

Demnach ist Mistizlav zwischen 973 und 984 an die Stelle seines Vaters getreten; folgt man den Angaben von Helmold und Scholion 30 zu Adam, besonders über die Familien=Beziehungen des Naccon, und berücksichtigt, daß Mistizlav von seinem Vater nach Italien geschickt wird (982) und Hamburg als Führer zerstört (983), so ergiebt sich das Jahr 982 oder Anfang 983.

Das nächste sichere Jahr in unserer Ueberlieferung ist erst 1018, wo Thietmar die Vertreibung des Fürsten Mistizlav aus seiner Burg Schwerin - bekanntlich die älteste Erwähnung der Stadt - erzählt. 3 ) Diesen Mistizlav hielt man in Hamburg später für identisch mit dem Zerstörer Hamburgs. Denn über das Ende des Mistewoi berichtet


1) Dieses Jahr ist viel umstritten, vergl. zuletzt Dehio, Geschichte des Erzbisthums Hamburg=Bremen I, Anmerkungen S. 65. Wigger hielt 990 für wahrscheinlicher, doch ist sein Bedenken, daß "Mistewoi" im nächsten Jahre 984 auf einer "Reichsversammlung" in Quedlinburg erscheint, hinfällig. Jene Versammlung hielt der Prätendent Heinrich von Baiern ab, der sich naturgemäß auf die den bisherigen Machthabern feindliche Partei stützte; sein Sohn, Kaiser Heinrich II., hat bekanntlich in der That die Lutizen als feste Bundesgenossen gehabt. So hat auch das Erscheinen Mistewois trotz der Ereignisse des vorigen Jahrs nichts Bedenkliches.
2) Ibrahim (Wigger, Jahrb. 45, (S. 7): Gegenwärtig sind da vier Könige: der König von Bulgarien; Boleslav, der König von . . . Bowîma (Böhmen) . .; Misjko, der König von dem Norden (Polen); und Nacun in dem westlichsten Theile der Slavenländer. Thietmar IV, 2: huc Miseco et Mistui et Bolizlovo duces confluebant.
3) Luitici Mistizlavum seniorem . . . petunt . . . ac intra Zuarinae munitionem colligere cogunt. Thietmar VIII, 4. Daß senior nicht Greis, sondern Fürst heißt, ergiebt sich aus dem folgenden seniori proprio rebelles.
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die dortige Tradition, daß er das Christenthum nicht verlassen wollte und in Bardowiek als Greis gelebt habe. 1 ) Gegen diese Gleichsetzung sprechen aber gewichtige Gründe.

Weniger das Christenthum des Mistizlav. Es scheint allerdings zwischen dem Kirchenräuber Mistewoi und dem Mistizlav, der "um seines Glaubens willen" (Wigger Jahrb. 28, S. 12) sein Land verlassen mußte, ein gewaltiger Unterschied. Betrachtet man aber die Quellen genauer, so scheint es nur so; weder war Mistewoi 983 Heide (bei dem Zuge gegen Hamburg begleitete ihn sein Kapellan Avico; Thietmar a. a. O.), noch war der Krieg der Lutizen gegen Mistizlav 1018 religiösen Motiven entsprossen. Aus Thietmar geht unzweifelhaft hervor, daß nach einer seltsamen Ironie der Geschichte die heidnischen Lutizen als Bundesgenossen Kaiser Heinrichs, den die Geschichte den Frommen nennt, die Obotriten, oder richtiger deren Fürsten bekämpft haben (vergl. die schönen Ausführungen in L. Giesebrechts Wendischen Geschichten, Bd. II, S. 51).

Nur wenig schwerer wiegt die Notiz Thietmars über Mistewois Ende. 2 ) Die Notiz ist ein Nachtrag des Schriftstellers unter dem Texte. Thietmars Tendenz ist, das Unglück im Reiche auf die Aufhebung des Bisthums Merseburg und die darin liegende Verletzung des heiligen Laurentius zurückzuführen; die Erzählung schließt unmittelbar an ein Wunderzeichen bei der Einnahme von Hamburg an und wird so als eine pia fraus zur größeren Ehre des heiligen Laurentius verdächtig. Aber immerhin ist es unwahrscheinlich, daß eine derartige Legende sich an einen noch lebenden Fürsten geknüpft haben sollte, wie es doch sein müßte, wenn nur ein Mistizlav (Mistewoi) existirte, da Thietmar in demselben Jahre 1018 sein Werk abschloß und starb, in welchem Mistizlav in die Verbannung ging.

Entscheidend für die Annahme zweier (gleichnamiger) Fürsten ist die lange Zeit ihrer Erwähnung (967 bis nach 1018). Wie aber das Verwandtschaftsverhältniß zwischen beiden war, ist nicht zu bestimmen; und ebenso dunkel das Jahr des Regierungswechsels: zwischen 984 und 1018 liegt kein Datum, das mit Sicherheit auf einen der beiden bezogen werden kann. (Ueber die angebliche Zerstörung des Klosters Hillers=


1) Adam schol. 28 (zu dem Kapitel, in dem der große Aufstand erzählt ist): Mistewoi cum nollet christianitatem deserere depulsus a patria confugit ad barbaros (Lappenberg verbessert nach Helmold: Bardos) ibique consenuit fidelis. Helmold I, 16: Mistewoi princeps Slavorum circa ultima tempora poenitentia ductus et ad Dominum reversus cum nollet. . . . Bardos . . . fidelis.
2) Post haec in amentiam versus Mistuvoi in vinculis tenetur et aqua benedicta immersus: sanctus, inquit, me Laurentius incendit et antequam liberaretur miserabiliter obiit. Th. III, 11.
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leben durch einen Mistuuitz, dux Obutriorum, 1000, s. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 137. Der Name eines Obotriten Mistewoi scheint in der Magdeburger Tradition früh als der eines Kirchenschänders halblegendarisch geworden zu sein; so wird ihm auch die Zerstörung des Klosters Calbe an der Saale zugeschrieben, und so erklärt sich die sagenhaft klingende Erzählung von seinem Tode bei Thietmar.) Wir kommen mit unseren deutschen Quellen über jene große Lücke nicht hinweg.

Vielleicht gelingt es noch einmal aus dem Gewirr der nordischen Sagengeschichte einige feste Punkte herauszuschälen. Die Beziehungen der Wenden zu den Dänen u. s. w. treten ja in den deutschen Quellen natürlich zurück. Daß sie sehr enge gewesen sind, beweisen allein schon die Verwandtschaftsverhältnisse. Auch den Namen Mistizlav wenigstens glaube ich in einer nordischen Quelle nachweisen zu können. In der Ueberlieferung des Saxo Grammaticus und des Sögubrot, einer isländischen Saga, deren Handschrift in das 14. Jahrhundert gesetzt wird, ist der Inhalt eines Liedes über die sagenhafte Brawallaschlacht erhalten. Die Abfassung dieses Liedes fällt nach dem Urtheil der berufensten Kenner (s. besonders Müllenhoff, Deutsche Alterthumskunde, Bd. V, S. 335 ff.) an den Anfang des elften Jahrhunderts, wahrscheinlich vor 1013; und die Brawallaschlacht erscheint in demselben als mythisches Gegenstück zu der großen Schlacht "am Svöldr" 1000, in der Olaf Tryggvason der vereinigten dänischen und schwedischen Macht erlag. Die Namen und allgemeinen geschichtlichen Verhältnisse entnahm der Dichter seiner Zeit. Hier erscheinen auch die Wenden als Verbündete des Dänenkönigs Harald. Unter Führung dreier Schildmädchen kämpfen je sieben Führer (nach Müllenhoffs Kombination der in Verwirrung gerathenen Nachrichten bei Saxo und dem Sögubrot): der Vuebiorga oder Vebiorg folgen Jütländer, der Vuisna (so Saxo; Visma Sögubrot) Slaven, 1 ) bei der Hetha (Heid) wird die Nationalität nicht angegeben. Offenbar hat die Vebiorg ihren Namen von der jütischen Stadt Viborg, die Heid von Heidaby, dem dänischen Namen für Alt=Schleswig. Ist


1) Vuisnam vero imbutam rigore feminam reique militaris apprime peritam Sclaua stipaverat manus. Cuius praecipui Barri ac Gnizli satellites agnoscuntur. Coeteri vero ex eadem cohorte corpus clipeolis tecti praelongis ensibus aeriique coloris parmulis utebantur. Quas belli tempore aut in tergum repellentes aut impedimentorum gerulis dantes abjectis pectorum munimentis expositisque ad discrimen omne corporibus districtis Martem mucronibus intendunt. E quibus Totcar atque Ymi praecipue claruere. Post quos Toki Iumensi provincia ortus cum Otrito, cui agnomen juvenis erat, illustris agnoscitur. So Saxo VIII, Anfang. Er zählt also nur sechs Führer; den siebenten führt das Brot mit dem Namen Milva an.
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Visna oder Visma dann Wismar? Jedenfalls liegt keine andere Stadt von gleicher Namensähnlichkeit an der Ostseeküste. Und wenn auch die Geschichte der heutigen Stadt Wismar erst zwei Jahrhunderte später beginnt, so bedarf es doch keines weiteren Beweises, daß diese an eine ältere wendische anknüpfte, von der bisher keine Nachricht vorhanden war. Die Namen der Begleiter der Visna, welche das Banner trägt (Bruno, der für den alten Harald das Heer ordnet, Vuisnam aquiliferam facit), sind für uns zumeist inhaltlos; Toki wird der bekannte Palnatoko von der Jomsburg sein, Otritus vielleicht ein Eponym der Obotriten; in dem Milwa des Brot aber steckt sicher unser Mistizlav. Weiteres, als daß die dichterische Tradition des beginnenden elften Jahrhunderts einen Mistizlav als Bundesgenossen der Dänen einführt, können wir allerdings daraus nicht entnehmen. (Ebenso wie die Slavenführer Duc, mit dem Beinamen corpulentus, und Dal, welche nach Saxo Harald Hildetand sich unterwirft oder der Wasce, Waza, Wilze, den der dänische fahrende Kämpe Starkadr besiegt [s. Müllenhoff a. a. O., S. 311 ff.], nur eponyme Gestalten sind, zu denen sich die Erinnerung an die geschichtlichen Verhältnisse jener Zeit verdichtet hat.)

Auch mit den verwandtschaftlichen Beziehungen zu den skandinavischen Fürsten kommen wir über einige Namen nicht hinaus: Olav von Schweden, der "Schlooßkönig," 1000 - 1025, hatte nach einander zwei Frauen aus dem Wendenlande: die eine als unrechtmäßig angesehene Edla, Vindlandiae dynastae filiam, wohl aus Pommern; die andere legitime Estred (Astrid), filiam Sclavorum de Obodritis (vergl. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 53.) Eine Einordnung dieser Astrid in die obotritische Genealogie ist bei deren eigenem Schwanken unthunlich.

Ebenso war eine Schwester Knud des Großen, Stiefbruders Olavs von Schweden, im Wendenlande vermählt (vergl. Dahlmann, Dänische Geschichte I, S. 106 f., und Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 61, Anm.) und Gottschalk, der Sohn des Pribignew (Uto), war materno genere Danus (vergl. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 48); das enge Verhältniß Gottschalks zu den Dänen war also in der voraufgehenden Zeit vorbereitet.

Pribignew, mit deutschem Namen Uto, erscheint 1024 als Fürst, wird also Nachfolger des Mistizlav sein; er wird gegen 1030 ermordet; sein Sohn Gottschalk wird Enkel eines Mistewoi genannt. Ob dieses der ältere oder jüngere Mistewoi ist, ist fraglich; näher liegt das letztere. Da dieser Mistizlav bei seiner Vertreibung eine Schwiegertochter hat (Thietmar VIII, 4), steht zeitlich nichts im Wege; auch sachliche Schwierigkeiten liegen nicht vor.

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Nach dem Gesagten würde sich der Stammbaum des Gottschalk folgendermaßen gestalten: 1 )

Stammbaum

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2.

Die Wappen in der Kirche zu Sternberg.

(Berichtigung.)

Es sind nicht, wie in der betreffenden Mittheilung in Quartalbericht 2 angegeben ist, 14 verschiedene Schilde vorhanden, sondern 15, und ist S. 19 hinter Zeile 10 einzuschalten:

p. gespaltener, vorne von Weiß und Roth, hinten von Schwarz und Grün getheilter Schild,

sowie in dem Schema ebendort neben den ersten Pfeiler der südlichen Reihe statt dd zu setzen pp, auch Zeile 13 und S. 20, Zeile 3 zu streichen "d und" und an letzter Stelle noch "je".

Herr Lic. Schmidt, welcher die Güte hatte, mich auf diesen, durch ein mißverstandenes Verweisungszeichen verschuldeten Fehler aufmerksam zu machen, bemerkte mir außerdem, daß das früher nach Kobrow eingepfarrte Stiten erst 1572 zu Sternberg gelegt wurde, so daß um so weniger an eine Betheiligung am Sternberger Kirchenbau von dort her zu denken ist.

Dr. Crull.

Vignette

Schwerin, im April 1896.

F. v. Meyenn, 2. Sekretär.


1) Gegen Boll, Jahrb. 18, S. 155:
Stammbaum
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           LXI, 4.                                                                 Juli 1896.

Quartal- und Schlußbericht

des

Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.


Inhalt:   Geschäftliche Mittheilungen. Anl. A.: Zuwachs der Bildersammlung. Anl. B.: Zuwachs der Bibliothek.

I. Geschäftliche Mitteilungen.

D ie vierte Quartalversammlung wurde am Montag, den 6. Juli, im Lesesaale der Großherzoglichen Regierungs=Bibliothek abgehalten. Gegenwärtig war der gesammte Ausschuß mit Ausnahme des zweiten Präsidenten und zweier Repräsentanten. Den hauptsächlichsten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Bericht des zweiten Sekretärs über den Mitgliederstand. Daraus ist das Nachfolgende mitzutheilen.

Während des 4. Quartals sind an Veränderungen im Personalstande unsers Vereins zu verzeichnen gewesen:

Ausgeschieden sind 12 Mitglieder, davon 2 durch den Tod, und zwar:

  1. der am 15. April zu Schwerin verstorbene Baumeister Ruge, der dem Vereine seit dem 1. Januar 1845, also 51 Jahre, angehört hat, und
  2. der ehemalige Buchhändler Hildebrandt zu Schwerin, der 33 Jahre Vereinsmitglied gewesen ist und am 5. Januar das Zeitliche gesegnet hat.

Ausgetreten sind die Herren:

  1. Graf v. Bassewitz=Schwiessel, Mitglied seit 1886;
  2. Hauptmann a. D. Fronhöfer zu Schwerin, Mitglied seit 1892;
  3. Major a. D. von Holstein zu Schwerin, Mitglied seit 1877;
  4. Großherzoglicher Hoftheater=Obermaschinenmeister Dodell zu Schwerin, Mitglied seit 1892;
  5. Professor Dr. von Stein zu Rostock, Mitglied seit 1865, am 23. April ausgetreten und jüngst verstorben;
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  1. Sanitätsrath Dr. Wigel zu Boizenburg, Mitglied seit 1882;
  2. Gymnasiallehrer Prilwitz in Brieg, Mitglied seit 1889;
  3. Kaufmann Garve zu Hamburg, Mitglied seit 1892;
  4. Pastor Woisin zu Woldegk, Mitglied seit 1888;
  5. Gymnasialprofessor Lemme zu Wismar, Mitglied seit 1890.

Sodann ist das Stadtgymnasium zu Stettin, das als Mitglied angemeldet war, dessen Aufnahme aber s. Z. nicht zum Vollzuge kam, in der Matrikel, in die es schon eingetragen war, getilgt worden.

Außerdem ist Se. Exc. der Wirkl. Geh. Rath von Buchka, dessen Austritt im Jahre 1895 versehentlich nicht angezeigt worden ist, nach seinem am 15. Juni d. J. erfolgten Tode in der Matrikel gelöscht.

Beigetreten sind dem Vereine als Mitglieder die folgenden vier Herren:

  1. Buchdruckereibesitzer Willgeroth zu Wismar,
  2. Rector Taetow zu Tessin,
  3. Gymnasiallehrer Dr. Gerhardt zu Rostock und
  4. Kaufmann Ernst Schramm in Wehbach in der Rheinprovinz.

Die Zahl der ordentlichen Mitglieder hat sich demnach um 10 abgemindert und beträgt am Schlusse des vierten Quartals 479 .

Unter den Ehren= und correspondirenden Mitgliedern haben keine Veränderungen stattgefunden.

Betrachten wir die Veränderungen, die sich im Laufe des letzten ganzen Jahres zugetragen haben, so ergiebt sich ein Rückgang der Mitgliederzahl um 11, da einem Verluste von insgesammt 32 Mitgliedern ein Zuwachs von nur 21 gegenübersteht. Von jenen 32 ausgeschiedenen Mitgliedern sind 3 zu Ehrenmitgliedern ernannt worden, 8 sind gestorben und 21 sind ausgetreten.

Aus dem Kreise unserer Ehrenmitglieder sind zwei durch den Tod abgerufen worden:

  1. der Oberkirchenraths=Präsident a. D. Kaysel, Ehrenmitglied seit 1885, gestorben am 1. August zu Schwerin,
  2. der Geheime Rath Professor Dr. von Sybel zu Berlin, Ehrenmitglied seit 1888, gleichfalls am 1. August verstorben.

Dagegen sind 3 neue Ehrenmitglieder ernannt worden, nämlich:

  1. der Freiherr Julius von Maltzan zu Doberan,
  2. der Landsyndicus Ahlers zu Neubrandenburg,
  3. der Geh. Finanzrath Balck zu Schwerin.

Die Zahl der Ehrenmitglieder beträgt gegenwärtig 10.

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Ein langjähriges correspondirendes Mitglied haben wir in Professor LudwigRütimeyer zu Basel durch den Tod verloren. Es bleiben uns 27 correspondirende Mitglieder.

Schriftenaustausch wurde beschlossen mit:

  1. dem Verein für Meiningensche Geschichte und Landeskunde zu Meiningen,
  2. dem Ortsverein für Geschichte und Alterthumskunde zu Wolfenbüttel,
  3. Göteborgs Högskola,
  4. dem Historischen Verein zu Dillingen.

Betreffs der statutenmäßig am 10. Juli abzuhaltenden Generalversammlung wurde beschlossen, von dem Beschluß der Versammlung zu Parchim (im Jahre 1894), wonach die Generalversammlung zu Waren abgehalten werden sollte, abzusehen, da das dort zu gleicher Zeit stattfindende landwirthschaftliche Fest das gleichzeitige Tagen unseres Vereins unmöglich mache. Dagegen solle die Generalversammlung am 10. Juli Abends zu Schwerin abgehalten werden und sich am Tage darauf ein Ausflug nach Ratzeburg anschließen.

Hiernach fand die Generalversammlung am 10. Juli Abends 7 1/4 Uhr im Hotel du Nord zu Schwerin statt und wurde mit einer Begrüßungsansprache des Herrn Präsidenten eröffnet.

Sodann erhielt Herr Archivrath Dr. Grotefend das Wort zu einem Vortrage über die Stadt und den Dom zu Ratzeburg. An der Hand der gedruckten Quellen gab er eine Uebersicht über die bauliche Entwickelung Ratzeburgs, beleuchtete, unterstützt von Plänen und Ansichten, die Baugeschichte des Doms und seine verschiedenen Restaurationen, und verweilte länger bei einer Schilderung der Malereien der Kirche und des Kreuzgangs. Herr Hofdecorationsmaler A. v. Occolowitz hatte die von ihm angefertigten Pausen und Skizzen der Gemälde des Kreuzganges auf Ersuchen des Vortragenden ausgelegt. Die gemeinschaftliche Besichtigung dieser Zeichnungen nahm das Interesse der Versammlung aufs Höchste in Anspruch.

Dem Vortrage und der Besichtigung folgte der geschäftliche Theil der Versammlung. Der vom 1. Sekretär vorgetragene Jahresbericht lautete:

"Nach dem Beschlusse der Generalversammlung zu Parchim im Jahre 1894 hätte die diesjährige Generalversammlung in Waren stattfinden sollen, indessen gerade zur selben Zeit, in der nach den bisherigen Statuten unsere Generalversammlung abgehalten werden muß, vom 9. bis 12. Juli, findet dort ein landwirthschaftliches Kreis=

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fest mit Ausstellung von Vieh und Maschinen statt, und stand zu befürchten, daß das Interesse der Warener und ihrer Umwohner sich naturgemäß mehr diesem Feste zuwenden würde, so daß es rathsam erschien, für dieses Jahr auf den Besuch von Waren zu verzichten und lieber im nächsten Jahre einen Ausflug dahin zu unternehmen.

Der Vereinsvorstand hat daher die Mitglieder im Sinne des neuen Statutenentwurfes, der inzwischen auch die Allerhöchste Zustimmung gefunden hat, die Mitglieder nach Schwerin einberufen, und gedenkt einen Ausflug nach Ratzeburg daran zu schließen, um das neu aus Schutt und Asche erstandene ehrwürdige Gotteshaus, den Ratzeburger Dom, zu bewundern.

Mir ist die Aufgabe zugefallen, Ihnen den Jahresbericht über das vergangene Vereinsjahr vom Juli 1895 bis 1896 zu erstatten.

Er wird sich in den Grenzen eines einfachen Geschäftsberichts halten, denn das Jahr war ein von seinen Vorgängern nicht abweichendes. Außergewöhnliches trat an den Verein in ihm nicht heran.

Wie schon erwähnt, hat der Verein für die im Vorjahre beschlossene Abänderung des § 21 der Satzungen die erforderliche Landesherrliche Genehmigung nachgesucht und auch erhalten.

Demzufolge wird die nächste Generalversammlung im April 1897 zu Schwerin stattfinden.

Ihr werden wir die mit dem 1. Juli dieses Jahres ablaufende Rechnung für 1895/6 vorlegen, nachdem sie vorher den Herren Vereinsrepräsentanten zu Prüfung vorgelegen hat.

Ebenso hat dieser kommenden Generalversammlung auch die vorhergehende Jahresrechnung vorzuliegen, da die diesjährige, an Stelle einer auswärtigen stehend, keine beschlußfassende Befugnisse hat."

Ueber den augenblicklichen Stand der Kasse hatte der Herr Kassenführer einen kurzen Kassenbericht aufgestellt, der wörtlich, wie folgt, mitgetheilt wurde:

Kassenrechnung

Nachdem der Berichterstatter die bereits oben mitgetheilte Uebersicht über die Veränderungen im Mitgliederstande während des ab=

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gelaufenen Jahres und die (auch bereits bekannten) Veränderungen im Tauschverkehr mit auswärtigen Vereinen berührt hatte, ging er zu den Sammlungen und Publikationen über. Ueber die Vermehrung der Bildersammlung und der Bibliothek unterrichten die angehängten Verzeichnisse der neuen Erwerbungen (Anl. A. und B.).

Vom Urkundenbuch sind die Bände 17, 18 und 19 im Druck begriffen. Band 17 enthält die Register zu den Bänden 13 bis 16; Band 18, im Texte bereits seit Juli 1895 fertig, harrt noch auf die Vollendung seiner Register. Band 19 ist im Textdruck begonnen. Auch vom Band 61 der Jahrbücher ist bereits etwa die Hälfte gedruckt.

Die vom Verein angeregte und auch materiell unterstützte Sammlung von Meklenburgischen Volksüberlieferungen ist von dem Herrn Herausgeber, Oberlehrer Wossidlo=Waren, eifrigst gefördert. Das Manuscript des 1. Bandes hat der vom Verein eingesetzten Kommission bereits zur Prüfung vorgelegen. Der Druck dieses Bandes soll sofort beginnen.

Abendsitzungen in Schwerin, die sich nach wie vor der Beliebtheit bei hiesigen und benachbarten Vereinsmitgliedern erfreuen, sind im verflossenen Winter fünf abgehalten worden.

Die Themata der Vorträge lauteten:

  1. Grotefend, Werden und Wachsen des Fleckens Dargun.
  2. Grotefend, Schlacht bei Gabebusch.
  3. Voß, Meklenburg und die Unionspolitik der protestantischen Fürsten vom Wormser Colloquium bis zum Naumburger Fürstentage.
  4. Gerhardt=Rostock, David Chyträus und seine Geschichtsschreibung.
  5. Hofmeister=Rostock, das Lied vom König Anthyrius."

Mit dem Wunsche ferneren Gedeihens für den Verein schloß der Jahresbericht. Nach kurzer Pause folgte ein gemeinsames Essen der Theilnehmer.

Der am anderen Tage unternommene Ausflug des Vereins nach Ratzeburg verlief bei dem schönsten Wetter auf das Erfreulichste. Der Freundlichkeit der Herren Propst Ohl und Buchhändler Schmidt aus Ratzeburg, sowie des Herrn Pastor Rußwurm aus Ziethen, die die Führung übernommen hatten, verdankten die Theilnehmer reiche Belehrung und Anregung.

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Anlage A.

Zuwachs der Bildersammlung.

  1. Schloß Basedow. Colorirte Lithographie, Geschenk des Herrn Archivregistrators Groth.
  2. Erinnerung an Schwerin. 1 Blatt mit 13 Ansichten, colorirte Lithographie.
  3. Schwerin. Gezeichnet von C. Frühsorge. Lithographie.
  4. Sternberg von der Südseite. Lithographie.
  5. Erinnerung an Ludwigslust. 1 Blatt mit 13 Ansichten, col. Lithographie.
  6. Das meklenburgische Rettungshaus in Gehlsdorf. Lithographie.
  7. Wismar. Gezeichnet von Gundlach. Lithographie.
  8. Großherzog Friedrich Franz II. Gezeichnet von C. Schulz. Lithographie.
  9. Schwerin. G. Bodener fecit. Kupferstich, geschenkt von Frl. L. Grandt, Plau.
  10. Kurswagen der Herzoglich Meklenburgischen Fahrpost von Güstrow nach Hamburg (1750). Zeichnung, geschenkt vom Herrn Ober=Postdirectionssecretär Möller, Schwerin.
  11. Richtfest des neuen Postgebäudes zu Güstrow, 28. IX. 1895. Photographie geschenkt vom Herrn Oberpostdirektor Hoffmann, Schwerin.
  12. Gedenktafel in der Schloßkirche zu Dargun über den 1464/79 ausgeführten Bau derselben. Photographie geschenkt vom Herrn Oberlanddrost von Pressentin, Dargun.
  13. Gedenkfeier des Schlachttages von Loigny am 2. December 1895 am Denkmal des Großherzogs Friedrich Franz II. zu Schwerin. Lichtdruck.
  14. Magdalene Maria Charlotte Ackermann. Kupferstich, geschenkt vom Herrn Dr. Crull, Wismar.
  15. Eine Sammlung Sonntagsblätter der Meklenburgischen Zeitung und der Meklenburger Nachrichten mit Meklenburgischen Ansichten. Geschenkt vom Herrn Archivregistrator Groth.
  16. Kirche von Warin. Ansicht auf Briefbogen).
  17. Feier des 75jährigen Jubiläums des 14. Jägerbatallions in Schwerin. Photographie.
  18. Feier des 75jährigen Jubiläums des Feldartillerie=Regiments Nr. 24 in Schwerin. Photographie.
  19. Kirche zu Pampow. Photographie geschenkt vom Großherzoglichen Amt Schwerin.
  20. Das Innere des Doms zu Ratzeburg. Photographie geschenkt vom Herrn Hofdecorationsmaler Albr. v. Occolowitz, Schwerin.

Dr. W. Voß.


Anlage B.

Zuwachs der Vereins - Bibliothek. * )

I. Meklenburg.

1) Großherzogliches Hoftheater zu Schwerin. Uebersicht der während der Spielzeit 1895/96 gegebenen Vorstellungen und Konzerte. Mit Theaterzetteln. 1896.


*) Die mit einem Stern versehenen Nummern sind Geschenke der Herren Verfasser.
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2) 25. - 27. Jahresbericht über das städtische Gymnasium zu Waren. 1894/96.

3) Programm des Großherzoglichen Realgymnasiums in Schwerin für das Schuljahr Ostern 1895/96. Schwerin 1896.

II. Allgemeine Geschichts=, Sprach=, Kunst= und Alterthumskunde.

1) Analecta Bollandiana. Tom. XIV, Fasc. 4. - Tom. XV, Fasc. 1. 2. 3. Paris, Bruxelles 1895/96.

2)* Geiger (K.), Meine Bibliothek Tübingen 1895.

3) Der deutsche Herold. 26. Jahrg. Berlin 1895.

4) Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik. 1894. 1895. Mitau 1895/96.

5) Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. Jahrg. 1893. XIX. - 1894. XX. Norden und Leipzig 1894/95. - Korrespondenzblatt des Vereins. X. Jahrg.1894/95. Heft XVIII. Nr. 3 - 6. Hamburg.

6) Neue Heidelberger Jahrbücher. 5. Jahrg. Heft 2. - 6. Jahrg. Heft 1. Heidelberg 1895/96.

7) Korrespondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. 43. Jahrg. 1895. Nr. 10 - 12. - 44. Jahrg. 1896. Nr. 1 - 5. Berlin.

8)*Mylius (J. C.), Geschichte der Familie Mylius. Buttstädt 1895.

9) Penck (Alb.), Bericht der Central=Kommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland über die zwei Geschäftsjahre von Ostern 1893 bis Ostern 1895. (S.=A.) Berlin 1895.

10) Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner= und dem Cisterzienser=Orden. Jahrg. 16 (1895), Heft 4. - Jahrg. 17 (1896), Heft 1. 2.

11) Zeitschrift für Ethnologie. 27. Jahrg. (1895) Heft 5. 6. - 28. Jahrg. (1896), Heft 1. 2. Berlin. - Ergänzungsblätter 1895. Heft 5. 6. ebd.

III. Preußen und Hohenzollern.

1) Acten der Ständetage Preußens, Königlichen Antheils. (Westpreußen.) Herausgeg. von Fr. Thunert. Bd. I, Lief. 2. 3. (Schriften des Westpreußischen Geschichtsvereins.) Danzig 1896.

2) Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein. Heft 60, Abth. 1. Heft 61. Köln 1895.

3) Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 3. Folge. Bd. 5. Frankfurt a. M. 1896.

4) Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Bd. IX. X. Düsseldorf 1895.

5) Mansfelder Blätter. 9. Jahrg. 1895. Eisleben.

6) Böttger (L.), Die Bau= und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Köslin. Bd. II, Heft 1. Kreis Stolp. Stettin 1896.

7) "Brandenburgia." Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin. 1895. Nr. 4 - 12. Berlin.

8) Engel (B.), Die mittelalterlichen Siegel des Thorner Rathsarchivs. II. Teil: Privatsiegel. Thorn 1895.

9) Geschichts=Blätter für Stadt und Land Magdeburg. 30. Jahrg. (1895) Heft 2. - 31. Jahrg. (1896) Heft 1. Magdeburg 1895/96.

10) Bonner Jahrbücher. Heft 98. 99. Bonn 1895/96.

11) Jahrbücher der Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. N. F. 22. Heft. Erfurt 1896.

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12) Jahresbericht des Thüringisch=Sächsischen Vereins für Erforschung des Vaterländischen Alterthums und Erhaltung seiner Denkmale in Halle a. d. S. für 1894 - 95. Halle a. S. 1895.

13) 36. - 41. Jahresbericht des Coppernicus=Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Thorn für die Geschäftsjahre 1889/96. Thorn 1895/96.

14) Jost (W.), Die Schnitzwerke am Marstall des Jägerhofes zu Düsseldorf. Düsseldorf 1895.

15) Neues Lausitzisches Magazin. 71. Bd. Heft 2. Görlitz 1895.

16) Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. 1895, Nr. 11. 12. - 1896, Nr. 1 - 7.

17) Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch antiquarischer Forschungen. 19. Bd. 2. Heft. Halle 1896.

18) Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. 17. Heft. Erfurt 1895.

19) Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von Köln. 27. Heft. Köln 1896.

20) Mittheilungen des Historischen Vereins für Heimatkunde zu Frankfurt a. O. Heft 18 - 20. Frankfurt a. O. 1895.

21) Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück ("Historischer Verein"). 20. Bd. 1895. Osnabrück.

22) Mittheilungen des Anthropologischen Vereins in Schleswig=Holstein. 9. Heft. Kiel 1896.

23) Monumenta historiae Warmiensis. VI. Bd. III. Abth. 24. Lief. Braunsberg 1895.

24) Mansfelder Münzen im Besitze des Vereins für Geschichte und Altertümer der Grafschaft Mansfeld zu Eisleben. Beschrieben von H. Größler. Eisleben 1896.

25) Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark. 3. 4. Heft. Landsberg a. M. 1895/96.

26) Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. N. F., 9. Bd. 1. Heft. Danzig 1896.

27) Schriften der physikalischen Gesellschaft zu Königsberg in Pr. 36. Jahrg. (1895.) Königsberg 1895.

28) Sonder=Veröffentlichungen der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. III. Posen 1895.

29) Baltische Studien. 45. Jahrg. Stettin 1895.

30) Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild. VI. Bd. 4. Heft. Breslau 1896.

31) Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig=Holstein=Lauenburgische Geschichte. 25. Bd. Kiel 1895.

32) Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. 9. Jahrg. 3. 4. Heft. - 20. Jahrg. l. - 4. Heft. Posen 1895.

33) Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrg. 1895. Hannover.

34) Zeitschrift des historischen Vereins für den Reg.=Bezirk Marienwerder. 33. Heft. Marienwerder 1895.

35) Zeitschrift für die Geschichte und Alterthumskunde Ermlands. Jahrg. 1895. Braunsberg.

36) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. 17. Bd. Register zu Bd. VIII - XV. Aachen 1895.

37) Zeitschrift für Hennebergische Geschichte und Landeskunde zu Schmalkalden. XIII. Heft. (1896.) Schmalkalden und Leipzig.

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IV. Die übrigen deutschen Staaten.

Anhalt.

1) Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde. 7. Bd. 4. 5. Teil. Dessau 1896.

Sachsen.

1) Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein. 31. Heft (1894). Freiberg i. S. 1895.

2) Mittheilungen des Geschichts= und Alterthums=Vereins zu Leisnig im Königreich Sachsen. 9. Heft. Leisnig 1893.

Thüringen.

1) Burkhardt (C. A. H.), Stammtafeln der Ernestinischen Linien des Hauses Sachsen. Weimar (1885).

2) Mitteilungen des Geschichts= und Altertumsforschenden Vereins zu Eisenberg. 11. Heft. Eisenberg 1896.

Hessen.

1) Weckerling (A.), Leonhart Brunner, der erste vom Rate der Reichsstadt Worms angestellte evangelische Prediger. (1527 - 1548.) Worms 1895.

Baden.

1) Veröffentlichungen der Großherzoglich Badischen Sammlungen für Altertums= und Völkerkunde in Karlsruhe und des Karlsruher Altertumsvereins. Heft II. 1895. Karlsruhe.

Württemberg.

1) Reutlinger Geschichtsblätter. Jahrg. 6 (1895), Nr. 5. 6. - Jahrg. 7 (1896), Nr. 1 - 3. Reutlingen.

2) Mitteilungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben. Heft 5 - 8. Ulm 1896.

3) Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. N. F. IV. Jahrg. 1895. Stuttgart 1895.

Bayern.

1) Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte. 49. Bd., 1. Heft. München 1895. - 56. 57. Jahresbericht des Historischen Vereins von Oberbayern. Für die Jahre 1893. 1894. ebd. 1895. - Monatsschrift des Historischen Vereins etc. . IV. Jahrg. 1895. Nr. 10 - 12. V. Jahrg. 1896 Nr. 1 - 9., ebd.

2) Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg. 37. Bd. Würzburg 1895. - Jahresbericht des Historischen Vereins etc. . für 1894. ebd. 1895.

3) Mitteilungen des Historischen Vereines der Pfalz. XIX. Speier 1895.

4) Sitzungsberichte der philosophisch=phiologischen und historischen Classe der k b. Akademie d. W. zu München. 1895. Heft III. IV. - 1896. Heft I. München 1895/96.

5) Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg. 22. Jahrg. Augsburg 1895.

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Elsaß=Lothringen.

1) Jahr=Buch der Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Altertumskunde. Jahrg. 7. 1895. Metz.

2) Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Litteratur Elsaß=Lothringens. 11. Jahrg. Straßburg 1895.

V. Oesterreich=Ungarn.

1) Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1895 Oct. - Dec. und 1896 Jan. - Mai. Krakau.

2) Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. N. F. Bd. 27, Heft 1. Hermannstadt 1896.

3) Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. Red. von J. Fröhlich. Bd. XI. XII, 2. XIII, 1. Berlin=Budapest 1894/95.

4) Bullettino di Archeologia e Storia Dalmata. AnnoXVIII, No. 9 - 12. Anno XIV, No. 1 - 6. Spalato 1895/96.

5) Carinthia I. Jahrg. 85 Nr. 1 - 6. (1895.) Klagenfurt.

6) Festschrift des Geschichts=Vereines für Kärnten. Klagenfurt 1896. - Jahresbericht des Geschichts=Vereines etc. . für 1894. ebd. 1895.

7) 54. Jahres=Bericht über das Museum Francisco=Carolinum. Nebst der 48. Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. Linz 1896.

8) Jahresbericht der Königl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften für das Jahr 1895. Prag 1896.

9) Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark. 43. Heft. Graz 1895.

10) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 25. Bd. 4. - 6. Heft. - 26. Bd. 1. - 3. Heft. Wien 1895/96.

11) Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. 34. Jahrg. Prag 1895/96.

12) Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions=Clubs. 18. Jahrg. (1895) 4. Heft. - 19. Jahrg. (1896), 1. Heft. Leipa.

13) Mittheilungen des k. k. österr. Museums für Kunst und Industrie. 10. Jahrg. 10. - 12. Heft. - 11. Jahrg. 1. - 7. Heft. Wien 1895/96.

14) Oslava stych narozenin Pavla Josefa Safa r éka. V Praze 1895.

15) Viestnik hrvatskoga Arkeologickoga Druztva. Nove Serije Godina I. 1895. U Zagrebu 1895/96.

16) Starohrvatska Prosvjeta. God. I, Br. 2 - 4. God. II, Br. 1. U Kninu 1895/96.

17) Sitzungsberichte der Königl. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, Classe für Philosophie, Geschichte und Philologie. Jahrgang 1895. Prag 1896.

18) Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge, 39. Heft. Innsbruck 1895.

VI. Italien.

1) Archivio storico per le Provincie Parmensi. Vol. II. 1893. Parma 1895.

2) Bullettino di Paletnologia Italiana. Serie III. Tomo I. Anno XXI. No. 7 - 12. - Tomo II. Anno XXII. No. 1 - 3. Parma 1895/96.

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VII. Schweiz.

1) Der Geschichtsfreund. Bd. 50. Stans 1895.

2) Lang (Rob.), Das Collegium humanitatis in Schaffhausen. Ein Beitrag zur Schulgeschichte. 2. Teil: 1727 - 1851. Leipzig 1896.

3) Mitteilungen der historischen und antiquarischen Gesellschaft zu Basel. N. F. IV. Facsimile des Planes der Stadt Basel von Matthaeus Merian. 1615. Basel 1894.

4) Neujahrsblatt des Historisch=antiquarischen Vereins und des Kunstvereins in Schaffhausen für 1896. Schaffhausen.

VIII. Luxemburg.

1) Publications de la Section historique de l-Institut Grand - ducal de Luxembourg. Vol. 42, fasc. 2. 43. 44. Luxembourg 1895.

IX. Belgien.

1) Annales de la Société Archéologique de Namur. Tome 22, Livr. 2. Namur 1896.

2) Bulletin de l-Institut Archéologique Liégeois. Tom. XXIV, Livr. 3. Liége 1895.

X. Niederlande.

1) Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde. 14. Deel (N. R. 6. Deel) 4. Afl. Leiden 1895.

2) Vereeniging tot Beoefening van Overijsselsch Regt en Geschiedenis. Verslag van de Handelingen der 76. Vergadering gehouden te Zwolle 29. October 1895. - Verzameling van Stukken die Betrekking hebben to Overijsselsch Regt en Geschiedenis. II. Afdeeling. Verslagen en Mededeelingen, 19. Stuk. Zwolle 1896.

XI. Dänemark.

1) Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie, udgivne af det Kongelige Nordiske Oldskrift - Selskab. II. Raekke. 10. Bind (1895), 3. 4. Hefte. - 11. Bind (1896), 1. Heft. Kjøbenhavn.

2) Bloch (J.), Stiftmaend og Amtmaend i Kongeriket Danmark og Island 1660 - 1848. Kjøbenhavn 1895.

3) Mémoires de la Société Royale des Antiquaires du Nord. N. S. 1894. p. 301 - 418. Copenhague.

XII. Schweden und Norwegen.

1) Bergens Museums Aarbog for 1894 - 95. Bergen 1896.

2) Almquist (Joh. Ax.), Riksdagen i Gefle 1792. Upsala 1895.

3) Blomgren (L.), Th. Mommsens teori om romerska principatet granskad i dess väsentliga punkter. Upsala 1895.

4) Clason (Sam.), Till reductionens förhistoria gods- och ränteafsöndringarna och de forbudna orterna. Stockholm 1895.

5) Foreningen for Norsk Folkemuseum. Bericht om Foreningens Virksomhed 19. Decbr. 1894 - 31. Decbr. 1895. Christiania 1896.

6) Foreningen til Norske Fortidsmindesmerkers Bevaring. Aarsberetning for 1894. Kristiania 1895.

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7) Fries (Th. M.), Bidrag till en Lefnadsteckning öfver Carl von Linné. II. [Upsala 1894.]

8) Fries (Th. M.), Naturalhistorien i Sverige intill medlet af 1600 - talet. [Upsala 1894.]

9) Meddelanden från Svenska Riksarkivet utgifna af C. T. Odhner. XX. Stockholm 1896.

10) Nicolaysen (N.), Stavanger Domkirke. 1. Heft. Kristiania 1895.

11) Nordin (H.), De ecklesiastika deputationerna under Fredrik I: s regering. Strengnäs 1895.

12) Norske Regnskaber og Jordeböger fra det 16de Aarhundrede. Udgivne ved H. J. Huitfeldt - Kaas. Andet Binds andet Hefte. Christiania 1894.

13) Samfundet för Nordiska Museets Främjande. 1893 och 1894. Stockholm 1895.

14) Antiqvarisk Tidskrift för Sverige. 16. Delen. 1 - 3. Häftet. Stockholm.

XIII. Rußland.

1) X. archeologischer Congreß in Riga 1. - 20. August 1896. Bestand des vorbereitenden Comité-s, die Regeln des Congresses und Fragen, die dem Congreß vorzulegen sind. Moskau 1896.

2)* Hausen (R.), Bidrag till Finlands Historia. Första delen. Helsingfors 1881/83.

3) Mittheilungen aus der livländischen Geschichte. 16. Bd. 2. Heft. Riga 1896.

4) Sitzungsberichte der Gelehrten estnischen Gesellschaft. 1895. Dorpat 1896.

5) Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Rußlands aus dem Jahre 1895. Riga 1896.

XIV. Amerika.

1) 13. annual Report of the Board of Trustees of the Public Museum of the City of Milwaukee. Milwaukee 1895.

2) 10. 11. 12. annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of the Smithsonian Institution. Washington 1894/95.

Der Vereinsbibliothekar:
Dr. Schröder.    

Vignette

Schwerin, im Juli 1896.

F. v. Meyenn , 2. Sekretär

.
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Statuten

des Vereins

für meklenburgische Geschichte und

Alterthumskunde.

(nach den Allerhöchsten Bestätigungen vom 24. Januar 1885 und 25. Juni 1896.)

I. Charakter und Zweck des Vereins.

§. 1.

Der Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde ist eine Vereinigung von Freunden und Erforschern der meklenburgischen Vorzeit und bezweckt die Sammlung und Bearbeitung der historischen Denkmäler Meklenburgs, sowie die dadurch zu bewirkende Erweckung und Förderung des Sinnes für die vaterländische Geschichte. Er steht unter dem Protectorat der beiden Allerdurchlauchtigsten Großherzoge und hat die Rechte einer juristischen Person. Seinen Sitz hat derselbe zu Schwerin.

§. 2.

Die Sammlungen umfassen:

  1. Alterthümer jeglicherArt: prähistorische Funde, Baudenkmäler, Bildwerke, Geräthe, Wappen, Münzen u. s. w.
  2. Urkunden, Acten und Drucksachen aller Art.
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§. 3.

Die Ergebnisse der Vereinsarbeiten werden veröffentlicht:

  1. in den Quartal= und Jahresberichten,
  2. in den Jahrbüchern des Vereins, welche regelmäßig im Herbste jedes Jahres erscheinen; zur Zeit auch
  3. in dem Meklenburgischen Urkundenbuch, dessen Herausgabe einer besonderen Commission des Vereins obliegt.

II. Mitgliedschaft.

§. 4.

Die Mitglieder des Vereins sind entweder ordentliche oder correspondirende oder Ehrenmitglieder.

§. 5.

Jedem unbescholtenen Manne auch außerhalb Meklenburgs, steht jederzeit der Eintritt als ordentliches Mitglied frei. Ueber die Aufnahme von Frauen entscheidet der Ausschuß in jedem einzelnen Falle. - Die Anmeldung zum Eintritt geschieht schriftlich oder mündlich beim zweiten Secretair. Die Aufnahme erfolgt nach zuvor einzuholender Genehmigung des Präsidiums durch Ertheilung eines von dem Präsidenten, dem Vicepräsidenten und den beiden Secretären vollzogenen Diploms und Zusendung der Statuten.

Der Austritt aus dem Verein steht jederzeit frei und ist bei dem zweiten Secretär anzuzeigen. - Ueber eine etwaige Ausschließung von Mitgliedern entscheidet der Ausschuß.

§. 6.

Die Rechte der ordentlichen Mitglieder. Die Mitglieder haben freien Zutritt zu den Sammlungen und das Recht zur Benutzung der Vereinsbibliothek nach der hierfür bestehenden Geschäftsordnung; sie erhalten die Jahrbücher, sobald sie erscheinen, und die Quartal= und Jahresberichte unentgeltlich zugesandt, beziehen

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auf Wunsch die übrigen Vereinsschriften zu einem ermäßigten Preise; sie haben unbeschränkte Theilnahme an der Generalversammlung, sowie beschränkte (ohne Stimmrecht) an den Ausschußsitzungen.

§. 7.

Die Pflichten derselben begreifen: möglichste Förderung der Vereinszwecke, Entrichtung eines baaren Beitrags von sechs Mark für das vom 1. Juli an laufende Geschäftsjahr, welcher vom Januar bis zum März jedes Jahres portofrei an den Rechnungsführer des Vereins einzusenden, nöthigenfalls von demselben durch die Post einzuziehen ist. Erwünscht ist die Vermehrung der Vereinssammlungen durch Geschenke der Mitglieder, sowie die Lieferung von Beiträgen zu den Jahrbüchern.

§. 8.

Die correspondirenden Mitglieder werden vom Ausschuß des Vereins auf Vorschlag seiner Mitglieder aus nicht in Meklenburg wohnhaften Gelehrten erwählt und durch den ersten Secretair von ihrer Wahl benachrichtigt. Sie erhalten ein Diplom gleich den ordentlichen Mitgliedern und haben die Rechte derselben ohne deren Pflichten; jedoch hofft der Verein von ihnen möglichste Förderung seiner Bestrebungen. Der hieraus etwa erwachsene wissenschaftliche Briefwechsel ist zu ordnen und aufzubewahren.

§. 9.

Die Aufnahme von Ehrenmitgliedern geschieht auf den Vorschlag des Präsidiums in der Generalversammlung. Durch ihre Theilnahme will der Verein sich selbst ehren. Im Uebrigen gilt auch von ihnen das in §. 8 Gesagte

§. 10.

Der Verein behält sich vor, Mitglieder fürstlicher Häuser mit ihrer Einwilligung zu hohen Beförderern zu erwählen.

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§. 11.

Mit anderen Vereinen und Instituten von gleichen oder ähnlichen Bestrebungen tritt der Verein nach Beschluß des Ausschusses in Briefwechsel (wie in §. 8) und gegenseitigen Austausch der Schriften. Die Verhandlungen mit diesen correspondirenden Vereinen führt der erste Secretair.

III. Verfassung und Verwaltung.

§. 12.

Organe des Vereins sind:

das Präsidium,
die Beamten,
der Vorstand,
der Ausschuß,
die Generalversammlung.

§. 13.

Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten und dem Vicepräsidenten. Dieselben werden in der Generalversammlung aus der Zahl der ordentlichen Mitglieder erwählt. Die Annahme und die Dauer ihrer Würde ist von ihrem freien Willen abhängig.

Dem Präsidenten, resp dem Vicepräsidenten gebührt die obere Leitung der Vereinsangelegenheiten im Allgemeinen, der Vorsitz im Vorstande, im Ausschuß und in der Generalversammlung, die Genehmigung zur Aufnahme ordentlicher Mitglieder, sowie die Vollziehung ihres Diploms und der Vorschlag von Ehrenmitgliedern.

§. 14.

Die Beamten des Vereins werden aus seinen in Schwerin wohnhaften ordentlichen Mitgliedern von der Generalversammlung

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für das folgende Geschäftsjahr erwählt; sie sind wiederwählbar. Bei ihrem Abgange innerhalb der Geschäftsperiode werden Stellvertreter bis zur nächsten Generalversammlung vom Ausschuß gewählt.

Beamte des Vereins sind: der erste und der zweite Secretair, der Rechnungsführer, der Bibliothekar und der Bilderwart

§. 15.

Dem ersten Secretair liegt die fernere Herausgabe der vom weiland Geh. Archivrath Dr. Lisch gegründeten Jahrbücher ob; er unterschreibt die Diplome mit; er benachrichtigt die correspondirenden und die Ehrenmitglieder von ihrer Aufnahme und führt den Schriftwechsel mit den correspondirenden Mitgliedern und Vereinen; er ist Mitglied des Vorstandes, leitet in Abwesenheit des Präsidiums die Sitzungen des Ausschusses und die Generalversammlung; er berichtet in der Generalversammlung über die eingegangenen wissenschaftlichen Arbeiten, auch über die Aufnahme der correspondirenden Mitglieder und Vereine, sowie über die eingegangenen Alterthümer und Münzen. - Er führt ein kleineres Vereinssiegel.

§. 16.

Der zweite Secretair empfängt die Anmeldungen der ordentlichen Mitglieder, besorgt die Aufnahmediplome und vollzieht sie mit; er ist Mitglied des Vorstandes, erläßt die Einladungen zu den Ausschußsitzungen und der Generalversammlung und führt die Protokolle derselben, berichtet in jeder Ausschußsitzung über die ausgeschiedenen und die neu aufgenommenen ordentlichen Mitglieder, giebt nach jeder Quartalversammlung den zu druckenden und unter die Mitglieder zu vertheilenden Quartalbericht über die Verhandlungen des Ausschusses und den Zuwachs der Sammlungen heraus, berichtet in der Generalversammlung über Geschichte und Wirksamkeit des Vereins im abgelaufenen Jahre, legt die Matrikel der ordentlichen Mitglieder

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vor, und verfaßt dann den demnächst abzudruckenden und unter die Mitglieder zu vertheilenden Jahresbericht. Er führt das große und ein kleineres Siegel des Vereins.

§. 17.

Der Rechnungsführer verwaltet das Vereinsvermögen, insonderheit empfängt, bezw. erhebt er die Jahresbeiträge der ordentlichen Mitglieder, leistet die vom Ausschuß bewilligten Zahlungen, legt in der Quartalversammlung im April die von den Repräsentanten vorher zu prüfende Jahresrechnung des Vorjahres mit Belegen vor, erachtet gleichzeitig über die Finanzverhältnisse des Vereins und macht seine Vorschläge darüber.

§. 18.

Der Bibliothekar verwaltet die Bibliothek und das Archiv des Vereins und legt in den Quartalversammlungen und in der Generalversammlung die Verzeichnisse der neu erworbenen Bücher u. s. w. vor.

Der Bilderwart verwaltet die Bildersammlung des Vereins und berichtet über deren Vermehrung in den Versammlungen.

§. 19.

Die beiden Präsidenten und die beiden Secretaire bilden zusammen den Vorstand des Vereins, welchem die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des letzteren obliegt. Die Willenserklärungen des Vorstandes bedürfen der Unterschrift mindestens eines Mitgliedes des Präsidiums und eines Secretairs.

§. 20.

Der Veinsausschuß ist zusammengesetzt aus den Präsidenten und Beamten des Vereins, sowie aus den vier von der Generalversammlung gewählten Repräsentanten. Der Ausschuß hält jährlich regelmäßig vier Sitzungen (Quartalversammlungen), nämlich jedesmal am Montag in der ersten vollen Woche der Monate Januar, April, Juli und October. Zu diesen ladet der zweite Secretair rechtzeitig unter Angabe von Ort und Stunde ein.

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Außerdem können in wichtig scheinenden Fällen Präsidenten und Beamte den Ausschuß zu außerordentlichen Sitzungen berufen. Einfache Stimmenmehrheit der Anwesenden entscheidet in den Ausschußsitzungen. Das Protokoll führt der zweite Secretair. Der Ausschuß hat die Leitung des Geschäftstriebes im Allgemeinen, wählt die correspondirenden Mitglieder, beschließt Verbindungen mit anderen Vereinen, entscheidet über Aufnahme von Frauen zu ordentlichen Mitgliedern, ebenso über Gewährung von Hülfen zu Sammlungen und Arbeiten und über Zahlungen aus der Vereinskasse, über das Verfahren gegen zahlungssäumige Mitglieder, event. über Ausschluß derselben aus dem Verein, schlichtet etwaige Streitigkeiten in Vereinsangelegenheiten unter den Mitgliedern, wählt interimistisch Beamte und Repräsentanten und nimmt die Berichte der Beamten entgegen. Nach jeder Quartalversammlung wird ein Quartalbericht herausgegeben.

§. 21.

Jährlich im Monat April findet eine Versammlung aller Vereinsmitglieder, eine Generalversammlung, in Schwerin statt. Tag und Stunde werden rechtzeitig vorher vom zweiten Secretair in den gelesensten meklenburgischen Blättern angezeigt. Die Generalversammlung faßt gültige Beschlüsse durch einfache Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Das Protokoll führt der zweite Secretair, der auch den Bericht über Geschichte und Wirksamkeit des Vereins erstattet. Die Generalversammlung wählt die Präsidenten, Vereinsbeamten, Repräsentanten, Ehrenmitglieder und hohen Beförderer, nimmt die Jahresberichte der Beamten entgegen, entlastet den Rechnungsführer, und beschließt über Aenderung der Statuten, sowie auch über Auflösung des Vereins. Die von der Generalversammlung neu gewählten Ausschußmitglieder treten ihr Amt am nächsten 1. Juli an. Nach dem Schlusse jedes Geschäftsjahres wird ein Jahresbericht vom zweiten Secretair herausgegeben.

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Jährlich am 11. Juli oder einem naheliegenden vom Ausschuß zu bestimmenden Tage findet eine Wander=Versammlung in einer der Städte Meklenburgs (mit Ausnahme Schwerins) statt, um durch geeignete Vorträge und Besichtigungen etc. . das Interesse für die Ziele des Vereins zu heben.

IV. Auflösung des Vereins.

§. 22.

Eine Auflösung des Vereins muß in einer Generalversammlung beschlossen werden und bedarf landesherrlicher Genehmigung. Kommt sie hiernach zur Ausführung, so bleiben die Sammlungen des Vereins mit den zugehörigen Mobilien, Katalogen, Repertorien u. s. w. für immer mit den gleichartigen Großherzoglichen Sammlungen zu Schwerin als deren integrirende Bestandtheile vereinigt. Dagegen verfügt die die Auflösung beschließende Generalversammlung frei über die vorräthigen Druckexemplare der Vereinsschriften, sowie über etwa vorhandenes Capitalvermögen.

V. Aenderung der Statuten.

§. 23.

Die Statuten können nur nach Beschluß einer Generalversammlung mit landesherrlicher Genehmigung abgeändert werden.

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