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6.

Die "große" Glocke von Alt=Strelitz.

Von F. v. Meyenn.

Am 22. Juni d. J. wurde in Strelitz die "große" Glocke, die in Folge eines Sprunges klanglos geworden war, vom Kirchthurm herabgenommen, um in Wismar vom Glockengießer Oberg umgegossen zu werden. Nach einer gütigen Mittheilung des Herrn Dr. F. Crull trägt die über 1 Meter hohe und 20 Centner schwere Glocke in drei umlaufenden Zeilen die nachfolgende Inschrift:

1) Soli deo gloria. V. G. G. Adolph Friderich H Z Mecklenb Etc

2) Sam Behr Hvch Behr F Rahte Lvt Han Joch Semit F Ampil M Nic Borch P Chris Cassvb D Avg Zimer R P Frid C . lec B Sam

3) Lanck R Casp Sweimer Adam Koppe Vors Anno Domini 1619 IV Avg

Hinter dem C am Ende der zweiten Zeile ist ein Buchstabe ausgefallen. Die Inschrift ist mit zierlichen, aber kleinlichen Ornamenten ausgefüllt und eingefaßt und aus eben denselben dicht über dem Schlag ein lateinisches Kreuz mit einem Fuße angebracht.

Die Glocke ist demnach unter der Regierung des Herzogs Adolf Friedrich I. am 4. August 1619 gegossen worden.

Zeile 2 der Inschrift enthält die Namen von:

1) 2) Samuel und Hugold, Gebrüder Behr, auf Hugelsdorf in Pommern erbgesessen; beide waren Räthe des Herzogs Adolf Friedrich, dem sie besonders nahe gestanden haben. Samuel bekleidete daneben die Würde eines fürstlichen Hofmeisters. Er ist am 21. Februar 1621 gestorben und liegt begraben in der Kirche zu Doberan, wo ihm ein Reiterdenkmal errichtet wurde. Sein Bruder Hugold ist schon 1620 verstorben.

3) 4) Lvt Han Joch Scmit F Ampil ist aufzulösen in: Lütke Hahn [und] Jochim Schmidt, fürstliche Amtleute. Jener war Hauptmann, dieser Küchenmeister des Amts. Das i in Ampil steht falsch für t.

5) M Nie Borch P. ist: Magister Nicolaus Burchardi, Pastor in Strelitz.

6) Chris Cassvb D = Christian Cassube, Diaconus in Strelitz.

7) Avg Zimer R = Augustin Zimer, Stadtvogt (Richter) in Strelitz seit 1613.

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8) 9) P Frid C. lec B ist vermuthlich aufzulösen: Paul Friedrich [und] Caspar Leckin, Bürgermeister. Aus den hiesigen Archivacten ist der erste sicher als Bürgermeister nachzuweisen.

10) Mit dem letzten Wort der zweiten und den beiden ersten der dritten Zeile: Sam Lanck R kann ein Rathmann Samuel Lanckhals gemeint sein.

11) 12) Casper Schweimer und Adam Köppen, die in den Acten von 1619 mehrfach als Bürger von Strelitz vorkommen, sind Kirchenvorsteher (» Vors« ) gewesen.

Den Anlaß zur Stiftung dieser Glocke hat eine verderbliche Feuersbrunst gegeben, von der Strelitz in der Nacht vom 27. zum 28. Mai 1619 fast vernichtet wurde. In einem Aufrufe des Herzogs an die öffentliche Mildthätigkeit um Beisteuern zu Linderung der Noth (vom 23. Juni 1619) heißt es:

» - - - in der nacht um 11 Uhr [sei] in gedachtem städlein eine mechtige große vnd fast vnerhörte fewersbrunst, vnwißend ob es von bösen leuten eingelegt worden, aufgangen, welche auch in eil, weil es mitten in der nacht vud die leute im ersten schlaf gewesen, also zugenommen, das inner einer stunden nit allein das ganze städlein von 150 wohnheusern nebens den scheuren vnd ställen, auch allem darin vorhandenen hausgerath vud was dem mehr anhengig, etlichen hundert heubtern viehe, klein vud groß, vud neun menschen, sondern auch sambt der kirchen, kirchturmb, glocken, scholen vnd rathauß leider auf den grund vud zu aschen verzehret, - - -, also daß jhnen [d. h. den Bürgern] bei dieser ohne das beschwerlichen zeit ohne frommer christen steur, hulff vnd handreichung gedachte kirche, thurmb, Glogken, scholen vnd andere nothwendige zubehörungen hinwieder zu erbawen vnd in vorigen stand zu setzen, vnmuglich were. «

In der That war nicht allein das ganze Städtchen abgebrannt, sondern auch noch der vor der Stadt belegene fürstliche Bauhof. Zum Wiederaufbau der Stadt gewährte der Herzog den Abgebrannten das erforderliche Bauholz. Auch entsendete er seinen bekannten holländischen Baumeister, Kapitän Gerhard Evert Piloot, nach Strelitz, um einen Plan für den Wiederaufbau festzustellen und die Bauten zu leiten. Zunächst vermaß und kartirte Piloot die Stadt und den fürstlichen Bauhof. Der von Piloot gezeichnete Situationsplan, der neben dem Vermessungsregister noch im Original vorhanden ist, enthält sämmtliche Erben - Häuser, Buden und wüste Stätten - und die Namen ihrer Eigenthümer.

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Der Wiederaufbau der Wohnhäuser ging schnell von statten, die Kirche aber lag zwei Jahre nach dem Brande noch in Trümmern. Unterm 17. Juni 1621 richten die beiden Ortsgeistlichen, Magister Nicolaus Burchardi und Christian Cassube, die Bitte an den Herzog Adolf Friedrich, daß » nunmehr der Anfangk zu Wiedererbawung des Hauses Gottes gemacht werden muge, vud solches am selbigen Orth, da es vorhin gestanden, weils aldar wegen des vorhandenen fundamenti mit desto geringern Vnkosten geschehen konte. « Der Herzog antwortete, daß im nächsten Frühling der Bau begonnen werden könne, » nachdem die eingepfarrten Leute mehrentheils wieder aufgebawet. « So geschah es denn auch. Der Bau wurde jedoch so mangelhaft ausgeführt, daß schon 1720 eine neue Kirche errichtet werden mußte.

Der Glockenthurm der Kirche wurde erst 20 Jahre nach dem westfälischen Frieden vollendet. Bürgermeister und Rath von Strelitz berichten unterm 20. October 1670 an Herzog Gustav Adolf, daß sie zwar » nunmehr ihren geringen klockenthurm aufgeführet vnd bis auf die Bekleidung fertig hätten, leider aber nur bloß mit einer klocke versehen seien. « Der Kirche sowohl, als der Einwohnerschaft fehle es an Mitteln zur Beschaffung einer zweiten Glocke. » Wan es dan« - so heißt es weiter - » zumahlen schlecht vndt elende leßet, mitt einer Klocken in einer Stadt zu leuten , absonderlich, welches der höchste Gott in Gnaden verhueten vndt abwenden wolle, da solten nach Gottes Willen etwa fürstliche Todesfäll entstehen, vndt wir vnser Schuldigkeitt nach daß klockengeleutte solten vndt musten nachgehen lassen, sehr vbel lauten wurde, - so gelanget an J. Hochf. Durchl. vnser vnterthenigstes Suchen vnndt Bitten, weil in dem Dorffe Möllen annoch zwey klocken vorhanden, welche alda fast nichtes nutze sein, noch gebrauchet werden, Ihr Hochfürstl. Durchl. vnß so gnedigst zu geruhen vndt auß Hochfurstl. Mildigkeit vnser kirchen eine von denen in gnaden zu verehren. « Diesem seltsam begründeten Begehren ist jedoch nicht stattgegeben worden.

Schwerin, im October 1894.

Der zweite Secretär:     
F. v. Meyenn .