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III.

Das Vermessungsrecht (jus mensurationis).

Von

Referendar Dr. jur. Brümmer.

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D as Wort "Grenze" ist für ein Volk, welches noch nicht seßhaft geworden ist, ein unbekannter Begriff. Erst wenn ein Stamm feste Wohnsitze eingenommen hat ergiebt sich von selbst die Nothwendigkeit einer Abgrenzung der rechtlichen Beziehungen zum Grund und Boden sowohl hinsichtlich der einzelnen Stammesgenossen unter sich, als für das Verhältniß von Stamm zu Stamm.

Was die Art der Begrenzung anlangt, so sind es einerseits von der Natur gegebene Markscheiden, die vom Volke benutzt werden: Höhenzüge, Flußläufe u. s. w., andrerseits willkürlich durch Messen festgestellte und künstlich markirte Grenzzüge (vergl. Grimm, Grenzalterthümer 1 ), S. 115 ff.; diesen Unterschied bezeichnen die Römer durch die Ausdrücke "finis" und "limes".). Die letzteren werden überall da nothwendig, wo es sich um die Auseinandersetzung über Grund und Boden innerhalb des Stammes, vor allem innerhalb der einzelnen Ansiedlung handelt. 2 )

Bekanntlich erfolgte die Eintheilung des Bodens eines neubesiedelten Gebietes in verschiedener Weise. Wo sie im Wege der Einzelansiedlung erfolgte, zerfiel die ganze Flur in eine Anzahl von Einzelhöfen mit umliegendem Land, deren jedwedes im Privateigenthume des Besitzers stanb. Wo sie dagegen im Wege der Gesammtbesiedlung erfolgte, wurde das Land in kleinere Stücke, in Gewanne, zertheilt, in deren jedem jeder Dorfgenosse auf dem Wege der nach gewissen Zwischenräumen sich wiederholenden Auslosung einen bestimmten Antheil erhielt, an dem er sein Nutzungsrecht ausübte, bis eine neue Auslosung vorgenommen wurde (vergl. Hanssen, agrarhist. Abhandlungen,


1) J. Grimm, Deutsche Grenzalterthümer in den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1843.
2) Da uns hier nur die künstlichen Grenzen interessiren, bleiben diejenigen zwischen Dorfschaft und Dorfschaft außer Acht.
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Bd. I, S. 8 ff., Bd. II, S. 187 3 ). Bei Dorfeintheilungen letzterer Art war die Abgrenzung der einzelnen Stücke natürlich besonders wichtig; man bedurfte, da innerhalb der Dorffeldmark jene natürlichen Scheidungsmittel (Höhen, Flüsse etc. .) nicht ausreichen konnten, künstlicher Grenzen, und, um diese zu gewinnen und festzustellen, mußte man messen.

Die am häufigsten vorkommende Art des Messens ist das nordisch sogenannte Reebningsverfahren. In Bezug auf dasselbe ist zunächst zu bemerken, daß eine Messung der einzelnen Ackerstücke meist nur ihrer Breite nach stattfand (Hanssen, a. a. O., I, S. 11 und 49), da sie in der Länge entweder (falls das umliegende Land herrenlos und unbebaut war) grenzenlos oder durch anstoßende Gewanne resp. Dorfschaften abgeschlossen waren. Danach bezieht sich das Reebningsverfahren weniger auf die Feststellung des Inhalts einer Bodenfläche, als auf die Ermittelung und Festsetzung des Grenzzuges. Bei diesem Meßverfahren bediente man sich, wie der Name andeutet, eines Seiles, in den niederdeutschen Quellen rêp genannt, lateinisch funiculus. Auch die Ruthe oder Stange diente dem gleichen Zwecke (Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, S. 540 f.). Die durch das rêp festgestellten Antheile der einzelnen Dorfgenossen wurden ebenfalls rêp genannt, und bezeichnet der Ausdruck in diesem Sinne ursprünglich nicht Ackerstücke von einem bestimmten Flächeninhalt, sondern Ackertheile von gleicher Breite. Besitz und Nutzung daran wechseln nach bestimmten Perioden.

Solange diese Art der Feldgemeinschaft sich erhielt, ja bis in die Zeit nach Entstehung eines reinen Privateigenthums am Ackerlande, blieb auch das Reebningsverfahren in Gebrauch, insbesondere bei Grenzirrungen. Ueber seine Anwendung finden sich z. B. in Jütland eingehende Rechtsvorschriften. Nach dem jütschen Low lib. I cap. 49 konnte jeder Feldgenosse, der sich durch seine Nachbaren beeinträchtigt glaubte, die abermalige Vornahme des Rêpens fordern und alle Theilhaber an der Dorffeldmark mußten alsdann die Entscheidung des Seiles über sich ergehen lassen. Herrschte nur innerhalb eines Gewannes über die Zugehörigkeit eines Stückes zu diesem oder jenem Antheil Streitigkeit, so wurde nur dieses gemessen; war die Grenze zwischen mehreren Gewannen streitig, so mußte die ganze Dorffeldmark neu vermessen werden. (Jütsches Low lib. I cap. 45


3) G. Hanssen, Agrarhistorische Abhandlungen, 2 Bde., 1880 und 1884; auch Brunner in Holtzendorffs Encyklopädie, S. 217, und in der Rechtsgeschichte, Bd. I, S. 61; Heusler, Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. I, §. 56, S. 262 ff.; A. Meitzen, Die Ausbreitung der Deutschen in Deutschland, in Conrads Jahrbüchern, Bd. XXXII, S. 13 ff.
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in der plattdeutschen Uebersetzung für Schleswig: "welcker man im dorpe, de sick beklaget, dat he ringer van dem lande hefft, dat men boel heth, alse em geboret, de kan dat gantze boel tho repende bringen. Kifft ock boel mit boel, dat kan dat gantze dorp tho reepe bringen." Vergl. auch Hanssen a. a. O., Bd. I, S. 54 ff., Bd. II, S. 234 ff. 4 ) Das Verlangen auf Wiederanlegung des Reepmaßes war gerichtlich geltend zu machen, und auch hierfür gab es genaue Vorschriften.

Auch in den deutschen Quellen finden wir ein Seilmeßverfahren, auf welches jedoch, da es nicht der reinen Landvermessung diente, sondern mannigfache andere Zwecke verfolgte, wie z. B. die Erbtheilung (im Nachbarrechte), hier nicht weiter eingegangen wird. (Vergl. Grimms Weisthümer an vielen Stellen, z. B. Bd. I, S. 88, 141 [17], Bd. IV, S. 248, 283 [22] 5 ).)

Von einem derartigen Mensurationsrechte, wie das oben dargestellte nordische, welches dem Zwecke dient, innerhalb einer feldgemeinschaftlichen Genossenschaft die individualen Rechte zu fixiren, finden wir in den Quellenwerken der slavischen Kolonisationsgebiete Norddeutschlands keine Spur. Wie wir von den bäuerlichen Verhältnissen unserer Heimath aus der Zeit der Kolonisation überhaupt wenig wissen und insbesondere über Dorfgemeinschaft und rechtliche Stellung der Dorfgenossen gar keine Kenntniß haben, so vermögen wir auch ein Meßverfahren unter den Bauern in der oben geschilderten Bedeutung und Ausdehnung nicht nachzuweisen. Wohl aber finden sich in unseren Urkundensammlungen sehr häufige Hinweise auf ein jus mensurandi per funiculum, dem eine ganz andere Bedeutung als dem Reebningsverfahren innewohnt.


II.

Im Gegensatz zu der Ackertheilung der Slaven nach Hakenhufen, welche ursprünglich nur das für die Arbeit eines "uncus", eines Hakens, geeignete Land, nicht eine Fläche von bestimmter geometrischer Größe, bedeuten 6 ), beruht die Landeintheilung und damit das ganze System weltlicher und geistlicher Abgaben, die von dem ländlichen Grund und Boden gezahlt werden, wie bei wohl allen Kulturvölkern, so auch bei den kolonisirenden Germanen Norddeutschlands auf einem


4) Bezüglich des schon besäeten Landes finden sich besondere Bestimmungen; vergl. Hanssen a. a. O., Bd. I, S. 55.
5) Jacob Grimm, Weisthümer, 7 Bde., 1840-78. Vergl. du Cange, Glossarium unter: mansus, mensura, funiculus u. a.
6) Vergl. Meitzen, Ausbreitung der Deutschen a. a. O., S. 21 ff.
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vielleicht nach einzelnen Gegenden verschiedenen, aber doch immer einen bestimmten, fest abgegrenzten Flächeninhalt zeigenden Maße. Dieses Maß ist die Hufe. Es ist hier nicht zu erörtern, welche Größe die Hufe hat, und ebensowenig, auf welche Weise die Deutschen zu diesem Flächenmaße gelangt sind. Ich verweise rücksichtlich dieser auf ein anderes Gebiet gehörenden Fragen auf die allgemeineren Arbeiten von Hanssen (vergl. oben Anm. 3), Waitz 7 ) und für unsere Gegenden auf den Aufsatz von Ahlers in den Meklenburgischen Jahrbüchern 8 ).

Um eine Grundfläche in Hufen zertheilen zu können, bedurfte man naturgemäß eines Vermessungsmittels. Dieses war ein im Wesentlichen, abgesehen von der Größe, allen Kulturvölkern gemeinsames: 9 ) das rêp, das Seil (funis, funiculus) oder die Ruthe (virga). In den nördlichen Kolonisationsgebieten Deutschlands: Holstein, Meklenburg, Brandenburg, Pommern und Rügen spielt die mensuratio per funiculum eine große Rolle. Die Art dieser Vermessung resp. deren Gegenstand hat von verschiedenen Seiten Beachtung gefunden, eine systematische Bearbeitung des Vermessungsrechts aber, welche die Fragen nach dem Zweck und dem Umfange der Vermessung, der Stellung des Meßberechtigen u. s. w. beantwortet, ist bisher noch nicht unternommen worden. Es erscheint daher gerechtfertigt, bei dem reichen Material, welches uns vor Allem die Urkundenbücher Meklenburgs, Pommerns, Brandenburgs und des Bisthums Lübeck über den betreffenden Gegenstand darbieten, einerseits, und bei der großen Bedeutung, die dem Gegenstande für die Stellung des Landesherrn sowohl als auch der Kolonisten innewohnt, andrerseits, im Nachstehenden den Versuch einer solchen Bearbeitung des jus mensurationis zu machen.

Bevor wir aber an die eigentliche Darstellung des "jus mensurationis" gehen, ist ein Hinweis auf den verschiedenen Charakter der Landesherrschaft in den einzelnen Kolonisationsgebieten unerläßlich. Was zunächst die Nationalität der Fürsten betrifft, so erhalten die westlicheren Länder: Holstein, Wagrien und die Grafschaft Schwerin beim Eindringen der Deutschen auch deutsche Landesfürsten, während das eigentliche Meklenburg, Pommern und Rügen ihre slavischen Fürstengeschlechter behalten, bis im Jahre 1325 dasjenige Rügens ausstirbt. Sodann aber zeigt sich, wenn man die Stellung des Landesherrn in Betracht zieht, auch bei gleicher Nationalität desselben ein


7) Waitz, Die altdeutsche Hufe.
8) Ahlers, Das bäuerliche Hufenwesen in Meklenburg. Jahrbuch des Vereins für Meklenburgische Geschichte. Bd. 51, S. 49.
9) Vergl. Gaupp, Die Germanischen Ansiedlungen und Landtheilungen, 1844, S. 202.
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wesentlicher Unterschied. In Pommern gewinnt nämlich die Geistlichkeit früh einen großen Einfluß, sodaß die landesherrliche Gewalt zum Theil auf sie übergegangen erscheint. Verschieden ist auch die Stellung der Fürsten zum Grund und Boden. In Holstein sowohl wie in Pommern und Brandenburg sehen wir sehr bald die Geistlichkeit als mächtigen Grundbesitzer auftreten. Hinzu kommt wenigstens in den holsteinischen Gebietstheilen ein ausgedehnter freier Bauernstand (Dithmarschen). In Meklenburg dagegen tritt schon in der Slavenzeit dem Herrscher als Grundbesitzer höchstens der slavische Adel selbstständig an die Seite, während der slavische Bauer in größter Abhängigkeit sich befindet (vergl. Hegel, Landstände, S. 8 ff. 10 ). Mit der sich ausbreitenden Kolonisation verschwindet dieser Adel aber mehr und mehr, und von einem Uebergange des slavischen Ritterthumes in den deutschen Adel kann nach den neueren Forschungen wohl nicht mehr die Rede sein; finden sich doch schon während der Kolonisation innerhalb Meklenburgs nur noch 2 oder 3 Adlige als Grundbesitzer, deren slavische Abstammung nicht zu bestreiten ist (vergl. Ernst, im Programm, S. 20 f. 11 ). Weil aber nach dem Principe des slavischen Rechtes der Landesherr Eigenthümer desjenigen Grund und Bodens ist, der sich nicht im Privatbesitze befindet (Hegel a. a. O., S. 12), so kann man ohne Uebertreibung die meklenburgischen Fürsten zur Zeit der Kolonisation als die alleinigen Grundbesitzer in Meklenburg hinstellen. Jedenfalls übten sie überall Eigenthumsrechte im weitesten Umfange aus, und wenn es einmal vorkommt, daß Wenden gegenüber ein Anspruch an Grund und Boden durch die Leistung einer Entschädigung zugestanden wird, so ist dies Zugeständniß, nach dem Betrage der gezahlten Entschädigung zu urtheilen, ein verschwindend geringes (vergl. z. B. Mecklenburgisches Urkundenbuch Nr. 1888, 2379).

Diese überwiegende, um nicht zu sagen ausschließliche Besitzmacht der Landesherrn findet sich lediglich in Meklenburg, und dadurch rechtfertigt es sich, daß überhaupt die meklenburgischen Verhältnisse im Vorbergrunde dieser Darstellung stehen werden.

Wenn es auch verkehrt erscheint, behaupten zu wollen, daß der Slave überhaupt keine festen Grenzen seines Landbesitzes gekannt habe (Ernst, in Schirrmachers Beiträgen, Bd. II, S. 21, Nr. 1 12 ), so war doch dem Slaven nach der Natur der Sache eine Feststellung des Flächeninhalts des Bodens unmöglich, da er eben zum Maßstabe


10) Hegel, Geschichte der Meklenburgischen Landstände bis zum Jahre 1555.
11) Ernst, Kolonisation von Ostdeutschland. Progr. des Realprogymnasiums zu Langenberg, 1888.
12) Ernst, Kolonisation Meklenburgs im 12. und 13. Jahrhundert, in Schirrmachers Beiträgen zur Geschichte Meklenburgs, Bd. II.
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seiner Abgaben und Leistungen sich nicht eines Flächenmaßes bediente (vergl. Meitzen a. a. O.). Feste, sowohl äußerlich wie inhaltlich bestimmt abgegrenzte Bodenflächen sind dagegen die Kennzeichen der deutschen Ortschaften und die Grundlage der auf dem Boden ruhenden Abgaben. Kein Zweifel also, daß das Institut der Vermessung erst durch die eindringenden Germanen in die slavischen Länder getragen worden ist.

Wir begegnen ihm schon ziemlich zu Anfang der Kolonisation. Für unsere Gegend geschieht seiner am frühesten Erwähnung in Helmolds Slavenchronik (I. 83: quam ob rem comes fecit mensurari terram funiculo ...; I. 91. porro Heinricus ... divisit terram in funiculo distributionis). Im Meklenburgischen Urkundenbuch ist die älteste Notiz in der Urkunde vom 24. November 1221 (M. U.=B. Bd. I, Nr. 278) enthalten und lautet in Bezug auf das Land Tribsees folgendermaßen: "si dominus episcopus et ego (sc. Wizlav, Fürst von Rügen) terram mensi fuerimus per funiculi distinctionem." Eine wirklich stattgehabte Vermessung findet sich im M. U.=B. zuerst bezeugt am 29. April 1235 (Bd. I, Nr. 435): "Nos (Fürst Nicolaus von Werle), dum in funiculo dimensionis excrescentias agrorum in terminis ville P o nek (Pernik) cognoscere desideravimus" u. s. w. Die sich von selbst aufdrängende Frage, was unter der mensuratio per funiculum verstanden werde, läßt sich zunächst negativ dahin beantworten, daß der Ausdruck keineswegs eine Auftheilung des Bodens unter die Ackerbebauer bedeute, obgleich sich eine solche der stattgehabten Vermessung anschließen konnte. Es ist daher unrichtig, wenn Nitzsch 13 ) eine solche Identificirung vornimmt und Schlußfolgerungen daraus zieht, die als unhaltbar bezeichnet werden müssen. (Ueber diese weiter unten.) Desgleichen ist unrichtig die Behauptung von Ahlers (a. a. O., S. 87, daß sich die Vermessung zunächst auf die Abgrenzung des im privaten Besitze der Dorfbewohner befindlichen Ackerlandes, des Hufenschlages der Dorfschaft, von den der gemeinen Nutzung der Hufenbesitzer unterworfenen Gutstheilen beziehe. Ahlers führt keinen Grund für seine Behauptung an, und es findet sich auch im ganzen vorliegenden Urkundenmaterial keine einzige Stelle, die eine derartige Hypothese begründen würde. Die mensuratio per funiculum, der "hofslach", wie sie auch in den Quellen genannt wird, ist zunächst nichts anderes und nichts weiter als die Feststellung des Inhalts einer


13) K. W. Nitzsch, Zur Geschichte der gutsherrlich bäuerlichen Verhältnisse, Jahrbücher für die Landeskunde der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg N. F., Bd. V, S. 102 und 104.
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Bodenfläche. Sie findet sich daher als Aufmessung eines bisher nicht vermessenen Landes ebensowohl, wie als Nachmessung eines schon mit bestimmtem Flächeninhalt bezeichneten Bodens. Diese Feststellung der technischen Bedeutung des Ausdruckes reicht aber nicht aus, um das Institut der mensuratio per funiculum zu verstehen. Daß es jedem Eigenthümer gestattet ist, den ihm gehörigen Grundbesitz zu vermessen, ist ja selbstverständlich, daß aber Jemand eine Feststellung des Flächeninhalts fremden Bodens, womöglich mit autoritativer Kraft, vornimmt, daß er vor allem gegenüber einem Besitzer schon aufgemessenen Landes mit dem funiculus auftritt, um aus einem etwa sich herausstellenden Uebermaß gewisse Rechte herzuleiten, wie dies so häufig in unseren Urkundensammlungen vorkommt (Umstände, die unten ihre ausführlichere Darstellung finden werden), das sind Erscheinungen, die ohne Weiteres nicht verstanden werden können und deshalb zu näherer Betrachtung auffordern.

Fragen wir zunächst, wer die Vermessung ausübt, vor allem, wer eine Nachmessung vornehmen kann, so gehen nicht nur die Ansichten auseinander, sondern auch die Urkunden selbst geben verschiedene Träger des Rechtes an. Die am meisten verbreitete Annahme geht dahin, daß dies Veranstalten einer Vermessung resp. Nachmessung zu den Vorrechten des Landesherrn gehört habe; dieser Anschauung huldigen vor Allem unsere meklenburgischen Forscher Lisch 14 ), Balck 15 ) und Ahlers (a. a. O., S. 87) 16 ). Nitzsch a. a. O. dagegen meint, das Recht zu hofslagen stehe dem Grundherrn zu und werde mit dem Grundeigenthume übertragen.

Eine dritte, bisher unbeachtet gebliebene Ansicht schreibt das Vermessungsrecht dem Inhaber des "judicium" (natürlich des "judicium majus") als solchem zu. Diese Ansicht findet sich bereits in einer holsteinischen Urkunde vom 14. December 1314, in der es folgendermaßen heißt: "Item alia dimensio cum funiculo, quod vulgariter hofslach nominatur, ammodo non fiet per nos nec per nostros heredes vel per successores, si qui iudicium ipsius ville emerint vel possederint in futuro." 17 ) Trotz ihres Alters ist aber diese Anschauung kurzweg zurückzuweisen. Erstens nämlich ist sie eine durchaus singuläre, in den Urkundenbüchern Meklenburgs, Pommerns, Rügens


14) Lisch, Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg. Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte, Bd. XIII, S. 130.
15) Balck, Finanzverhältnisse in Meklenburg=Schwerin, S. 45 f.
16) Von andern sei hier nur genannt: Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen. Bd. II, Abth. 2, S. 64.
17) P. Hasse, Schleswig=Holstein=Lauenburgische Regesten und Urkunden, Bd. III, Nr. 304.
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und Brandenburgs nirgendwo wiederkehrende; zweitens lassen sich eine Reihe von Stellen anführen, nach denen das jus mensurationis und das judicium majus in verschiedenen Händen sind (z. B. M. U.=B. Nr. 2071, 4526), und drittens endlich erklärt sich leicht, wodurch die irrige Anschauung entstehen konnte; denn in den meisten Fällen lagen natürlich das jus mensurationis und das judicium majus in einer Hand, sei es nun der des Landesherrn oder des Grundherrn.

Gehen wir nach Anführung und Zurückweisung dieser dritten Anschauung auf die vorhererwähnten beiden Hypothesen ein, so scheint bei oberflächlicher Betrachtung das vorhandene Urkundenmaterial allerdings für die von Lisch, Balck und Ahlers vertretene - der Kürze wegen nenne ich sie die meklenburgische - Hypothese zu sprechen. Zunächst führe ich auch hier eine, allerdings mangelhaft überlieferte Urkunde an, die direct anzudeuten scheint, daß nur dem Landesherrn das Vermessungsrecht zustehe: Im Jahre 1305 bestätigen der Bischof von Ratzeburg, der Fürst von Meklenburg und der Pfarrer zu St. Marien in Wismar die in der genannten Kirche von Willekin, Arnd und Kurt Hanenstert gestiftete Vicarei, und in der aus dem 16. Jahrhundert herrührenden Notariatsabschrift der betreffenden Urkunde (M. U.=B., Bd. V, Nr. 3039) heißt es nach Aufzählung der Güter nur auf den Fürsten bezüglich: "in welkern gudern boven angeteckent dersulven vicarien eegendom sunderlick wy Heynrik mit deme rechte vns thokamende gegeven hebben vnde die gemelte hoven mit der mathe, die dudeslich (!) hoffslach gesecht wertt, to nenen tyden willen lattenn methen." Aeußerlich dafür zu sprechen scheint, daß von der Nachmessung in den Urkunden meist in Verbindung mit den Hoheitsrechten des Fürsten die Rede ist. Sodann ist es in der weitaus größten Zahl der Fälle der Landesherr, welcher eine Vermessung vornimmt resp. auf sein Recht verzichtet. Kommen auch vereinzelte Fälle vor, in denen ein Vermessungsrecht seitens anderer z. B. der Bischöfe und der Klostergeistlichkeit, ja sogar Seitens Privater ausgeübt wird, so würden diese allein doch nicht genügen, die Hypothese eines ausschließlichen Rechtes der Landesherren hinfällig zu machen, da sie größtentheils eine andere Erklärung zulassen. Wenn z. B. im Jahre 1271 der Abt von Dargun den Bewohnern des Dorfes Polchow die Zahl der Hufen, Pächte und Zehnten unter Verzichtleistung auf die Nachmessung bestimmt (M. U.=B., Bd. II, Nr. 1236): "Notum igitur esse volumus universis nos de communi consensu et beneplacito nostri conventus cum civibus dePolechowe taliter convenisse, quod nos ipsam villam Polechowe in decem mansis censualibus et duobus liberis cum suis terminis volumus jugiter permanere, ita videlicet, ut ipsi mansi de cetero nullatenus

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mensurentur, sed sic sub numero tantummodo duodecim mansorum ipsis perpetuo perseverent"), so ist dies wohl nur dahin zu verstehen, daß das Kloster für die Leistung von Pacht und Zehnten, (welche an das Kloster gezahlt wurden), eine bestimmte Hufenzahl festsetzt, eine Vertragsbestimmung, welche jedem Empfangsberechtigten freistehen würde. Wenn ferner der gleiche Abt den Bewohnern von Walkendorf eine ähnliche Vergünstigung gewährt (M. U.=B., Bd. VI, Nr. 3885: "Donavimus preterea civibus antedictis, ut agri ipsorum et mansorum distinctiones neque per nos nec per nostros successores debeant de cetero aliquo mensurationis genere mensurari aut eciam ipsorum census vel pensiones augeri, sed prout nunc distincti sunt, sic eos ipsi et ipsorum posteri tempore possideant sempiterno"), so beruht dies wohl zum Theil auf demselben Grunde, zum Theil darauf, daß das genannte Dorf schon früher durch den Fürsten Nicolaus von Werle von der Nachmessung befreit worden ist (vergl. M. U.=B., Bd. II, Nr. 1282). Aehnlich verhält es sich mit M. U.=B. III, Nr. 1812 (vergl. M. U.=B. III, Nr. 1668). Auch M. U.=B. IX, Nr. 5888, die von einer Privatvermessung zwecks Konstatirung der Größe eines zu verkaufenden Landes handelt, bietet dem Vertheidiger der Meklenburgischen Hypothese keine Schwierigkeit. Anders verhält es sich dagegen schon mit M. U.=B. XIV, Nr. 8489. In dieser Urkunde verkaufen die Ritter von Barnekow, also Private, dem Kloster Doberan Hof und Dorf Retschow und bekennen: "Ceterum dietarum ville et curie agri tam culti quam colendi virga vel funiculo numquam ullo tempore mensurentur, sed agri predicte curie nunc adiacentes, si pro dictorum abbatis et conventus libitu divisi seu distributi aliisque dicte ville curiis vel kothis appliciti fuerint, cum agris ipsius ville simul in unum accepti pro decem et septem cum dimidio mansis dumtaxat computentur, permaneant et perpetuo habeantur." Doch auch dieser scheinbare Widerspruch gegen die Meklenburgische Hypothese läßt sich dadurch beseitigen, daß man aus der Thatsache, daß der Fürst diesen Verkauf der Barnekows in M. U.=B. Nr. 8490 bestätigt, die naheliegende Folgerung zieht daß die Verkäufer das Gut, welches sie frei von allen Lasten, Abgaben, Diensten u. s. w. gegen den Fürsten verkaufen, entweder vorher frei von allen diesen Lasten und der Nachmessung besessen oder zum Zwecke der Veräußerung von solchen bei den Landesherrn frei gemacht haben oder endlich unter dem Vorbehalte landesherrlicher Bestätigung jene Freiheit konstituirt haben. Dagegen kommen verschiedene Stellen in Betracht, die sich mit einem ausschließlichen Rechte des Landesherrn schlechterdings nicht in Einklang bringen lassen. Im M. U.=B. I,

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Nr. 278 heißt es in dem Vergleich des Fürsten Wizlav von Rügen mit dem Bischof Brunward von Schwerin über den Zehnten der Deutschen und die Abgabe der Wenden im Lande Tribsees: "Elucescat eciam omnibus, quod, si dominus episcopus (der selbstverständlich hier nicht Landesherr ist,) et ego terram mensi fuerimus per funiculi distinctionem, quicquit terre lucrati fuerimus salva integritate mansorum cuivis ville assignatorum decimam ad invicem partiemur." 18 ). In dem Praebendenverzeichniß der Domkirche zu Lübeck vom Jahre 1263 19 ) finden sich folgende Stellen: "Honberge: mansi istius ville, quando capitulo collibuerit, possunt mensurari; hereditas enim libera est ecclesie" (S. 154 a. a. O.). "In Bunendorpe fecimus agros mensurari et inventi sunt 10 mansi; coloni hactenus usurpabant sibi hereditatem, que revera ecclesie est libera" (S. 155 a. a. O.). "De Genin proveniunt 8 mese siliginis et totidem mese avene pro censu et decima; hereditas huius ville et ipsa edificia sunt ecclesie vnde expedit agros ville mensurari et melius disponi" (S. 157 a. a. O.). In einer Urkunde vom Jahre 1276 20 ) beschreibt Johann von Gristow die Grenzen der Dorfschaft Jeser und bekennt: "Ceterum autem nec nos aut heredes nostri villam hanc in sempiternum dimensionis funiculo meciemur; hanc libertatem cives hujus ville 29 marcis den. a nobis sunt mercati." Als sich im Jahre 1286 Arnold, Abt zu Neuenkamp, mit der Stadt Stralsund wegen der über die Mühlenanlagen des Klosters vor der Stadt entstandenen Irrungen vergleicht, heißt es, aus die consules der Stadt bezüglich (Pommersches U.=B., II, Nr. 1367): "nec cuiquam hominum licitum erit aliquando ipsorum vel civitatis ipsorum nomine in gravamen nostrum eadem denuo mensurare, sed tam aream quam predictum spatium in longum latumque, qualitercumque nobis placuerit munitione circumdabimus, omni impeticionis strepitu de cetero quiescente." Das Kloster bezahlt für diese Vergünstigung 150 Mark. Im Jahre 1324 bekundet Heinrich Eselsvot, Bürger zum Sunde (Fabricius a. a. O., IV, H. 4, Nr. 650), den Rechtsstand seiner Bauern in Bannicitse und heißt es auf ihr Land bezüglich: "Nec iidem unci in posterum per me vel meos heredes et successores funiculo debent mensurari vel distingui." Solcher Stellen, wie die vorangeführten, könnten mehrere beigebracht werden, wenn dadurch die Beweiskraft erhöht würde. Zwei Umstände sind es schließlich, die


18) In M. U. B. III, Nr. 1971 spricht der Bischof wohl als Landesherr.
19) W. Leverkus, Urkundenbuch des Bisthums Lübeck, I. Th., Nr. 160
20) R. Prümers, Pommersches Urkundenbuch, II, Nr. 1027.
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die Annahme der Meklenburgischen Hypothese geradezu unmöglich machen. Erstens nämlich läßt sich nachweisen, daß das Recht der Nachmessung durch Ersitzung resp. longi temporis praescriptio ausgeschlossen wird. Die Ritter der Johannitercomthurei Mirow beschweren sich über eine von dem Vogt des Fürsten Nicolaus von Werle auf den Feldmarken Mirow, Gramtzow und Peetsch vorgenommene Vermessung, "cum tamen tempus prescriptionis eorundem agrorum completum fuisset", und der Fürst läßt unter dem ausgesprochenen Verzicht auf fernere Vermessung seinen Anspruch fallen (M. U.=B., II, Nr. 1199 21 )). Desgleichen findet sich in dem Verzeichnisse der Einkünfte der bischöflichen Tafel zu Lübeck aus den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts (Leverkus a. a. O., Nr. 288) ziemlich zum Schlusse die Notiz: "Item cum ecclesia a sui fundatione spacio centum annorum et amplius possederit bona sibi assignata, omnis mensuratio vel actio contra eam competens de cetero penitus est exclusa." Eine solche Vernichtung eines Rechts durch zeitweise Nichtausübung läuft den Eigenschaften landesherrlicher Vorrechte, z. B. des Rechts eine Bede zu fordern, strict zuwider. Zweitens läßt sich aus verschiedenen Stellen herleiten, daß, wenn sich bei der Nachmessung weniger als die bestimmte Hufenzahl herausstellt, der betreffende, gegen den sich diese Maßregel richtet, in bestimmten Fällen Anspruch auf Ersatz dieses "defectus" hat. Im Jahre 1273 bestätigt Fürst Nicolaus von Werle die Besitzungen des Klosters Broda, darunter villam Vridorp cum mansis 50 . . . : "ad quorum mansorum defectum supplendum 10 mansos in Rumpeshagen iacentes dedimus in restaurum" (M. U.=B., II, Nr. 1284). Johann II., Otto IV. und Conrad, Markgrafen zu Brandenburg, bestätigen 1282 der Stadt Pyritz zehn Hufen, zwischen den Dörfern Ziethen u. s. w. belegen, welche der Stadt von Hermann, Bischof von Camin, und Herzog Barnim geschenkt worden sind, "volentes, quod, si duo mansi in mensurando supervenerint, eorum usui sicut ceteri mansi cedent, si vero duo mansi in mensurando ob defectum terre defuerint super inpeticione eorundem liberi esse volumus pacifici et quieti." (Pommersches U.=B., II, Nr. 1228.) Hierzu vergleiche man noch die Urkunde Nr. 1543 des Pommerschen U.=B., in der sich das Kloster Belbuk mit der Stadt Treptow a./R. wegen Theilung der Feldmark und des Waldes des früheren Dorfes Buczin vergleicht, und in der sich sogar als terminus technicus für den Ersatz des defectus, das pro defectu satisfacere, das demnach häufiger vorgekommen


21) Vergl. auch Lisch, Zur Geschichte der Johannitercomthurei Mirow, in den Jahrbüchern des Vereins für Meklenburgische Geschichte, II, S. 60.
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sein wird, der niederdeutsche Ausdruck "vorlanden" findet. 22 ) Diese für die longi temporis praescriptio und das pro defectu satisfacere beigebrachten Stellen lassen sich meiner Ansicht nach nur erklären, wenn man das jus mensurationis als ein in gewissen Fällen immerhin privaten Charakter tragendes Recht auffaßt, und machen folglich die Verwerfung der Hypothese nothwendig, daß das Vornehmen der Vermessung auf einem Hoheitsrechte beruhe.

Die andere oben erwähnte Ansicht (Nitzsch a. a. O.) spricht das Recht dem Grundherrn zu, so daß es mit dem Grundeigenthume übertragen und verloren werde. Danach würden sich allerdings eine Reihe von Stellen, die mit der Meklenburgischen Hypothese unvereinbar scheinen, aufklären lassen, vor allem also die, in denen Privatpersonen als solche genannt werden, die eine Vermessung ausüben oder von ihr befreien. Andrerseits kommen jedoch Fälle vor, die sich auf diese Weise nicht unterbringen lassen. In der schon oben angeführten Urkunde Nr. 278 M. U.=B. I vermißt der Bischof von Schwerin, der doch nicht dominus fundi des Landes Tribsees ist, das letztere in Gemeinschaft mit dem Landesherrn. 1287 bestätigt Fürst Heinrich von Werle dem Kloster Amelungsborn "agros et mansos ville ac curie in Satowe iam per nostros nuncios mensuratos volentes, ut predicti agri absque certo mansorum numero cum terminis firmi ac fixi iugiter perseverent, ita ut exnunc perpetuis temporibus numquam mensurari debeant, nec de mansorum numero conveniri" (M. U.=B., III, Nr. 1893); Satow steht aber schon lange in dem freien Eigenthum des Klosters, vergl. M. U.=B., I, Nr. 556 und 557. Diese beiden Fälle würden genügen, um die Hypothese, daß der Grundherr der zur Ausübung des jus mensurationis einzig Berechtigte gewesen sei, als ebenfalls unannehmbar nachzuweisen. Eine ganze Reihe von Fällen, die dem zweiten gleichartig zu sein scheinen, ließe sich zwar leicht anführen; aber einerseits würde dadurch die Beweißkraft nicht erhöht werden, andrerseits liegt die Gefahr nahe, einen Umstand, der die Sachlage wesentlich ändert, zu übersehen. Wenn z. B. Fürst Nicolaus von Werle das dem Kloster Ivenack vom Herzog Barnim von Pommern im Jahre 1272 geschenkte Dorf Fahrenholz im Jahre 1303 von der Nachmessung befreit, "ita quod ipsam (sc. villam) de cetero dimensionis funiculus non attingat" (M. U.=B., V, Nr. 2895, vergl. dazu M. U.=B. Nr. 1249, 1533 und 2614), so ist dabei in Betracht zu


22) Er fehlt sowohl bei Schiller u. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, wie bei Lübben u. Walther, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, erklärt sich aber leicht durch das an letzterer Stelle verzeichnete Substantiv "vorland" "Vorland".
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ziehen, daß inzwischen das Land Stavenhagen vom Herzogthum Pommern getrennt und mit der Herrschaft Werle verbunden worden ist. Auch Satow, das nach M. U.=B., I, Nr. 556 den Brüdern Nicolaus und Heinrich von Rostock gehört, würde nicht anzuführen gewesen sein, wenn nicht schon M. U.=B., I, Nr. 557 von Fürst Nicolaus von Werle allein ausgestellt worden wäre.

Nachdem ich beide bisher aufgestellten Hypothesen als unhaltbar nachgewiesen zu haben glaube, wird es sich jetzt darum handeln, den Versuch zu machen, das maßgebende Princip zu ermitteln. Meines Erachtens ist zu unterscheiden: Es steht das Recht der Vermessung zu erstens dem Grundherrn. Daraus erklärt sich ganz einfach die Thatsache, (die weiter unten eingehender berücksichtigt werden wird,) daß der sich bei einer Nachmessung ergebende Ueberschuß über die ursprüngliche Hufenzahl, der "overslach" 23 ), das "overland" (auch "dorland" genannt), der "ager superfluens", unter Umständen von dem früheren Grundeigenthümer der verkauften Hufen wieder eingezogen wird. Denn wenn an jemanden ein Stück Land unter der Bestimmung, daß es eine gewisse Anzahl von Hufen enthalte, veräußert oder verschenkt worden war, so konnte nach den damaligen Rechtsanschauungen, ohne daß ein darauf bezüglicher Vorbehalt beim Vertragsschlusse gemacht zu werden brauchte, der frühere Grundeigenthümer, (der ja Anfangs, wie in der Einleitung hervorgehoben wurde, in Meklenburg fast immer der Landesherr gewesen sein wird,) nachmessen und, wenn sich ein Ueberschuß über den im Vertrage festgesetzten Flächeninhalt ergab, diesen als ihm gehörig vindiciren. Im Jahre 1240 z. B. schenkt Borwin, Fürst von Rostock dem Kloster Dargun eine überzählige Hufe zu Lewin zur Erwerbung, Vermehrung und Erhaltung einer Büchersammlung: "cum nos terminos ville Levin metiremur vnus mansus de eisdem terminis superhabundans, ad manus nostras est hereditario iure ac legitimo devolutus" u. s. w. (M. U.=B., I, Nr. 515.) Die Markgrafen von Brandenburg, Johann, Otto und Konrad schenken 1281 dem Kloster Chorin das bei der Vermessung der Dörfer Jädickendorf und Woltersdorf gefundene Uebermaß. In der bezüglichen Urkunde (Riedel 24 ), Bd. XIII, S. 221) heißt es: "protestamur, quod fratribus in Chorin supra centum et viginti mansos, quos habeant in duabus villis videlicet in Woltersdorp et Godekendorp invenimus per mensuram tam in agris quam in paludibus et aquis octo mansos, quos ipsis donavi=


23) Gänzlich mißverstanden ist der Ausdruck von Dade, die Entstehung der Meklenburgischen Schlagwirthschaft, Rost. Diff. 1891, S. 32, Anm. 6.
24) Riedel, codex diplomaticus Brandenburgensis, I. Abtheilung.
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mus perpetuo possidendos." 25 ) Allerdings kommt es vor, daß ein solcher ausdrücklicher Vorbehalt gemacht wird. Als z. B. im Jahre 1355 Herzog Johann von Meklenburg der Johannitercomthurei Nemerow einen Wald bei Nemerow mit dem Eigenthume u. s. w. verkauft, heißt es: "Weret aver, dat dar mer ghevunden worde, wen man dat vorbenumede holt vnde dy stede des holtes mete, so schal de kummeldur vnd. dy brudere vor yslike morghen also vele betalen, alse he ghulde an der huve." (M. U.=B., XIII, Nr. 8122.) Solche vereinzelte Ausnahmen bieten jedoch keinen Grund, der obigen Regel zu widersprechen. - Außer dem Grundherrn steht das Vermessungsrecht zweitens aber allen denjenigen zu, welche Rechte, deren Umfang von dem größeren oder geringeren Flächeninhalt eines Grundstücks abhängt, seien sie nun privater oder öffentlicher Natur, besitzen. Es ist dies vor Allem der Landesherr in Bezug auf die Rechte, die auf dem Grundbesitz lasten und ihm als Landesherrn zustehen, hauptsächlich also bezüglich der Bede; sodann der Bischof wegen der kirchlichen Abgaben (Zehnten); endlich der Verpächter wegen des Pachtgeldes, wenn anders überhaupt von anderen als dem Grundherrn Pachtverträge geschlossen wurden. (Meiner Ansicht nach müssen solche Verträge häufig vorgekommen sein, z. B. zwischen den Kolonisationsunternehmern und den Kolonisten. Die ersteren sind nicht Grundherren.) 26 ) Das Recht der Nachmessung ist also weder, wie Nitzsch annimmt, ein privatrechtliches, noch, wie Lisch, Balck und Ahlers wollen, ein öffentlich=rechtliches, sondern hat, darf man sagen, je nach der Stellung des Berechtigten entweder eine privatrechtliche (Grundherr, obligatorisch=berechtigter Verpächter) oder eine öffentlich=rechtliche (Landesherr, Bischof) Seite. (Damit berührt sich also unsere Ansicht in gewisser Beziehung mit den oben dargestellten.) Nachdem wir hiermit theoretisch festgestellt haben, wem de jure das Recht der Vermessung zukam, so braucht nur kurz darauf hingewiesen zu werden, daß dasselbe de facto auch wohl anderweitig ausgeübt wurde, daß vor allem durch Uebergriffe seitens der Landesherren Ausnahmen entstanden (vergl. z. B. M. U.=B., III, Nr. 1893 mit Lisch a. a. O., S. 130 f. und 291 f.) 27 ). Versuche, das Recht zu hindern, werden natürlich seitens der Verpflichteten


25) Ich will hierbei jedoch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen daß die Besitzverhältnisse in den gennanten Dörfern unklare sind, wie sich aus mehreren anderen in demselben Bande bei Riedel a. a. O. enthaltenen Urkunden ergiebt.
26) Vergl. Balck a. a. O., S. 83.
27) Im Anschlusse hieran sei noch bemerkt, daß eine Reservation des jus mensurationis Seitens des Berechtigten eigentlich in dem ganzen Quellenmaterial nicht vorkommt. Die einzigen eine dahingehende Auslegung zulassenden Stellen sind die Urkunden Nr. 78 bei Leverkus a. a. O. und Nr. 823 im Pommerschen Urkundenbuch II.
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ebenso gemacht: vergl. z. B. Riedel a. a. O., Bd. I, S. 451, wo es in einer aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts herrührenden Beschreibung der dem Kloster Amelungsborn zum Hofe Dransee gehörigen Ortschaften und des Verhältnisses ihrer Bewohner heißt: "VII. Major Roderanke . . . Hec ville et mansi predicti in dominio terre Slavie sunt siti; hoc sumopere caveatur, quod si a dominis terre numerus mansorum requiratur, dissimuletur in quantum potest. Sic similiter de agris curie Dransz, qui de curia coluntur, numquam sane mensura mansorum nominetur, sed in perpetuum manebunt, prout hoc usque est servatum, immensurati. "

Bei unserer Annahme einer Mehrheit von Meßberechtigten entsteht von selbst die Frage, ob das Ergebniß der durch einen Meßberechtigten vorgenommenen Vermessung - Zahl der Hufen etc. . - auch für alle anderen gilt, sodaß sich diese gegenüber dem Verpflichteten, der letztere ihnen gegenüber darauf berufen kann. Daran schließt sich gleich die weitere Frage, ob nach einmal geschehener Vermessung eine abermalige Seitens desselben Meßberechtigten statthaft ist. Konsequenter Weise ist die erstere theoretisch zu verneinen, die letztere zu bejahen. Jeder, der Rechte aus dem Flächeninhalte eines Grundstücks herleitet, die nach der größeren oder geringeren Hufenzahl variiren, konnte, so lange nicht eine unter der Garantie der Oeffentlichkeit stattfindende Feststellung des Flächeninhalts unter staatlicher Autorität eingeführt war, (- daß dies geschehen, läßt sich trotz der Stelle bei Helmold I, c. 83, worüber weiter unten, aus dem Urkundenmaterial nicht nachweisen, -) verlangen, daß eine Feststellung für ihn besonders vorgenommen werde. Daß sich dies in der Praxis häufig einfacher stellte, ist klar. Ja, wir werden sogar annehmen müssen, daß die vom Landesherrn ausgeübte Vermessung in den meisten Fällen eine solche Autorität hatte, daß man auf sie als die maßgebende zurückging. An sich oder war dies nicht nöthig; da jedoch der Landesherr eben häufig der einzige Meßberechtigte sein mochte, der die Macht besaß, einem renitenten Grundbesitzer gegenüber die Vermessung zu erzwingen, so erklärt es sich leicht, daß Vermessungen durch andere Personen verhältnißmäßig selten vorkommen. Wenn aber der Fürst, wie es öfter vorkommt, Freiheit von der Nachmessung in der Weise zusagt daß das betreffende Grundstück auch durch keinen Dritten wieder vermessen werden soll: z. B. M. U.=B., III, Nr. 2335; Pomm. U.=B., III, Nr. 1574, 1767; Fabricius a. a. O., III, Nr. 116, 166, so ist dies keineswegs dahin zu verstehen, daß er für die Zukunft jegliche Nachmessung, z. B. auch durch den Bischof, ausschließen will, denn bei solcher Auffassung würde er etwas versprechen, was er nicht halten

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kann. Er giebt vielmehr nur sein Recht auf Nachmessung auf, sei es, daß sich dies als ein privates auf den ager superfluens oder als ein öffentliches auf die ihm zukommenden Abgaben bezieht. Im letzteren Falle soll wegen der dem Landesherrn zu leistenden Abgaben, insbesondere also der Bede, kein Dritter, d. h. weder ein Beamter des Landesherrn noch einer seiner Nachfolger in der Landesherrschaft, noch auch irgend ein anderer Rechtsnachfolger, an den etwa der Fürst diese Abgaben zeitweilig oder dauernd veräußern sollte, die Nachmessung vornehmen. Die Bestimmung, es sei etwas "numquam per nos vel quoslibet homines denuo mensurandum" (M. U.=B. III, Nr. 2335) ist also nur etwas allgemeiner gehalten als der gewöhnlichere Ausdruck: "nec per nos nec per heredes nostros aut aliquem officialium nostrorum de cetero mensurandum" (z. B. M. U.=B. III, Nr. 2305). Mit der oben erwähnten Verschiedenheit der Machtstellung hängt wohl auch zusammen, daß der Landesherr, der ja auch sonst als Schirmherr der Geistlichkeit auftritt, für diese die ihr wegen des Zehntbezuges zustehende Nachmessung übernahm und dafür einen Theil des Gewinnes zu beziehen hatte. Im Jahre 1268 urkundet der Graf Gerhard von Holstein über die Bedingungen, unter welchen er den Domdechanten zu Lübeck in der Beziehung des Zehnten aus dem Dorfe Grevenhagen zu schützen übernommen hat (Leverkus a. a. O., Nr. 198): "Adiectum est etiam, quod quicquid super sedecim mansos, pro quibus nunc temporis villa iacet, per funiculum dimensionis in agris predicte ville excreverit, illud pro dimidietate decanatui Lubicensi decimam solvat, residua vero medietas decime, sicut antiqua consuetudo optinuit, ad nos pertinebit."

Was die zweite Frage betrifft, so fehlt es nicht an Stellen, die uns zeigen, daß eine und dieselbe Fläche von derselben Seite mehrmals hinter einander gemessen wird. Nachdem z. B. Fürst Jaromar von Rügen im Jahre 1255 die Dörfer und Ländereien im Lande Triebsees hat nachmessen lassen (vergl. Pomm. U.=B. II, Nr. 616), wiederholt dies Fürst Wizlav II. von Rügen im Jahre 1280 (Pomm. U.=B. II, Nr. 1173). Das hier genannte Dorf Prohn liegt in der Nähe von Stralsund im Lande Tribsees. - Im Jahre 1288 verleiht der Bischof von Kamin dem Kloster Dargun den Overslach der Dörfer Mellene, Bast, Verchemin und Vunkenhaghenn mit 110 Hufen (M. U.=B. III, Nr. 1971), und bald darauf erhält das Kloster von dem Ueberschlage des genannten Overslachs, obwohl derselbe vorher schon von der Nachmessung befreit worden war, weitere 10 Hufen (M. U.=B. III, Nr. 1979).

Die Frage nach dem Zwecke der Vermessung steht mit unserer Auseinandersetzung über die Vermessungsberechtigten ebenfalls in engem

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Zusammenhang. Allen diesen kommt es zunächst gleichmäßig darauf an, die Hufenzahl festzustellen, dem dominus fundi, um das zuviel gefundene Land einzuziehen, dem Landesherrn, um seine Abgaben auch von dem ager superfluens zu erheben, dem Bischof wegen seiner Zehnten hiervon, dem Verpächter wegen einer Vergrößerung seiner Pachtsumme. Dementsprechend heißt es in Nr. 435, M. U.=B. I: "Dum in funiculo dimensionis exerescentias agrorum cognoscere desideravimus"; in Nr. 1925, M. U.=B. III: "excrementum wlgariter overslach nuncupatum, quod ex emensuratione agrorum ville, que Nyendorpe vocatur, exccrevit": in diesen Fällen mißt also der Grundherr (vergl. auch M. U.=B., Nr. 1971, 8122; Riedel a. a. O., XIII, S. 221 u. a.). Wenn dagegen Fürst Heinrich von Meklenburg dem Kloster Rehna zusagt: "etiamsi loca lignorum, dicta teuthonice holtstede, que quidem bonis eisdem adiacent, per agriculturam redigantur in mansos, non tamen occasione illorum mansorum novalium ampliorem precariam, ut pretactum est, habebimus in bonis prefatis in perpetuum, nisi solummodo de sex mansis" (M. U.=B. V, Nr. 3305), oder Fürst Heinrich von Meklenburg gelegentlich der Bestätigung gewisser Hufenveränderungen zugesteht: "nec per addicionem predictorum mansorum ad alios mansos numerus aliorum mansorum ipsius ville Grenze, quoad solucionem precariarum debet aliqualiter augmentari, sed pocius ut precarias consuetas et alia que tenentur, facilius, commodius et sufficiencius possint dare" (M. U.=B. VII, Nr. 4900); wenn Fürst Wizlav von Rügen in der dem Heyne von Pores ausgestellten Verkaufs=Urkunde des Dorfes Zilne vom Jahre 1298 (Fabricius III, Nr. 271) verspricht: "Dicta autem villa cum suis agrorum terminis nunquam debet equitari amplius aut metiri, nec nostros redditus inibi vmquam auementare aliquis attemptabit, idem vero Heyno aut sui heredes nobis de dicta villa in precaria et in denariis monete tantum pro vncis quindecim respondebunt", so verfolgt eine etwaige Nachmessung den Zweck, die Bede zu vergrößern, und die Betreffenden messen also als Landesherren (vergl. M. U.=B. IX, Nr. 6457). Bei der von Wizlav von Rügen und Bischof Brunward von Schwerin in Aussicht genommenen Nachmessung handelt es sich um die Feststellung der Höhe des Zehnten, und es ist also zunächst der Bischof, welcher die Berechtigung ausübt (M. U.=B. I, Nr. 278, s. S. 8.). In M. U.=B. VI, Nr. 3885, s. S. 11, ist es endlich die Höhe der Pachtsumme, welche den Grund der Vermessung bildet, und es mißt resp. verzichtet auf die Vermessung also der Verpächter, der in diesem Falle auch der Grundherr ist. (Aehnlich Nr. 309 bei Fabricius, wo Fürst Wizlav der Dorfschaft Patzig das Erbe des

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Dorfes und die dazu gelegenen Haken zu Erbpachtrecht verkauft: "Nemant der mynschen schal vorhogen effte vormehren de vorbenomede unse pacht, welkere wat geringert isz vmme mannigerleye theringe willen, de vnsem hoffgesinde vormiddelst den vorbenomeden mannen geschen isz, vnd de vorbenomede haken scholen nummer mher worden hyrnamals bereden edder gemeten.") Der bei der Nachmessung vorgefundene ager superfluens, der an den Grundherrn zurückfällt, wird von ihm in vielen Fällen an den Besitzer des übrigen Landes verkauft: vergl. M. U.=B. I, Nr. 435, II, Nr. 1194, 1381, III, Nr. 1758, 1925, 1979, 2398, VII, Nr. 4608, IX, Nr. 5803, XV, Nr. 9069; Riedel a. a. O., X, S. 208, XIII, S. 221, XIX, S. 8 u. a., häufig aber auch an andere veräußert: M. U.=B. I, Nr. 515, III, Nr. 1971, 1984, XV, Nr. 8919 u. a. Es wird auch wohl bei der Verleihung des Landes gleich ausgesprochen, daß, wenn der sich bei der Nachmessung herausstellende overslach nur ein verhältnißmäßig geringfügiger ist, dieser dem Erwerber ohne Entgelt zukommen soll. So verleihen z. B. die Fürsten von Werle der Johannitercomthurei Mirow die Dorfer Zirtow und Lenz sub terminis cum 36 mansis und cum 12 mansis; "que ville, si mensurarentur et tres mansi invenirentur, predictis a nobis fratribus sunt collati, si vero super predictum numerum excresceret, de nobis emere debent fratres superius nominati." In der oben angeführten Urkunde bei Fabricius, III, Nr. 271 heißt es weiter: "Si autem agri ampliores quam quindecim unci in dictis terminis extendantur, illos agros eciam large concedimus dicto Heynoni et suis heredibus ad jus homagii, ut eo nobis melius servire poterint." (Vergl. auch Pomm. U.=B. II, Nr. 1228.) In ähnlicher Weise werden auch die aus der Vermessung herrührenden, auf dem overlant lastenden Ueberpächte (overpacht, pactus excrescens), Ueberbeden, Ueberzehnten u. s. w. zum Gegenstande besonderer Rechtsgeschäfte gemacht: M. U.=B. VIII, Nr. 5624, 5713, IX, Nr. 5890, 5911, XIV, Nr. 8402, Riedel, II, S. 204, XVII, S. 448. 28 ) Vergleiche auch die beiden freilich erst aus dem Jahre 1422 stammenden Urkunden XVI und XVII bei Lisch in den Jahrbüchern Bd. XIII, S. 291 ff. In der ersteren bestimmt die Herzogin Katharine von Meklenburg die von ihrem verstorbenen Gemahl, dem Herzoge Johann, dem Kloster Doberan vermachte


28) Ueberpacht bedeutet, nach Ausweis dreier Urkunden des späten 15.Jahrhunderts (Riedel, XVI, S. 495, 497, 500), damals auch einen auf Pachtgut ruhenden Darlehenszins. Ein solcher kann aber wohl nicht gut in den oben genannten Fällen: M. U.=B. VIII, 5713; IX, 5911, angenommen werden. Doch bedarf diese hier nebensächliche Frage noch einer genaueren Prüfung.
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jährliche Hebung von 12 Mark Lüb. an Ueberbede des dem genannten Kloster gehörigen Gutes Satow (vergl. M. U.=B. V, Nr. 2729) zu Gedächtnißfeiern für ihren Gemahl; in der anderen bestätigt Herzog Albrecht diese Schenkung seines verstorbenen Vetters. Auch schon im voraus, ehe die Nachmessung stattfindet, werden solche Werthe veräußert: Erich von Sachsen=Lauenburg vertauscht seine Hoheitsrechte in Schlagbrügge u. s. w. gegen die in anderen Ortschaften und sagt: "Donamus insuper, quicquid. proprietas ac directum dominium necnon alia superius enarrata plus valent aut in futuro plus valebunt ville decimis, mansis et precio supradicto, nihil omnino domini etc. reservantes" (M. U.=B. XV, Nr. 9069.).

Das Recht zur Vornahme einer Vermessung entsteht naturgemäß mit dem Erwerbe der Grundherrschaft, der Landesherrschaft, der bischöflichen Gewalt u. s. w. Als Beispiel diene, daß, wie oben angeführt, die werleschen Fürsten, nachdem ihnen das Land Stavenhagen abgetreten worden ist, im Dorfe Fahrenholz, das die pommerschen Herzöge dem Kloster Ivenack geschenkt haben (M. U.=B. II, Nr. 1249, 1533), das Vermessungsrecht ausüben (M. U.=B. V, Nr. 2895). Eine Uebertragung des Rechts der Nachmessung, losgetrennt von der Grundherrschaft, der Landesherrschaft und der Zehentberechtigung, ist undenkbar. Fürst Heinrich von Werle verleiht dem Kloster Rühn 1290 das Dorf Warnkenhagen mit dem Eigenthum, verzichtet auf sein Recht der Nachmessung, "ita ut in agris suis nullam omnino a nostris successoribus dimensionem funiculi patiatur" und überläßt dem Kloster "facultatem, ut suo stet arbitrio, quando memorate ville agros duxerit mensurare" (M. U.=B. III, Nr. 2071): er giebt also diese Verzichterklärung auf die Ausübung des jus mensurationis ab als Landesherr in Bezug auf Bede etc. . und überträgt als bisheriger dominus fundi dem Kloster mit dem Eigenthum, - wie es selbstverständlich ist, - das grundherrliche Vermessungsrecht. Die Herzöge von Sachsen überlassen 1302 gelegentlich des Verkaufes des Dorfes Mist an das Domcapitel zu Ratzeburg den Käufern, "ut ipsa territoria pro suis et colonorum suorum usibus distribuere, mensurare, alterare et sic inter se permutare possint ibidem, sicut per vices temporum ipsorum placuerit voluntati" (M. U.=B. V, Nr. 2793). Auch dies ist nur eine Ausführung des vorher in der Urkunde Gesagten, daß nämlich das Domcapitel von den Fürsten gekauft habe proprietatem et omnimodam libertatem und verschiedene Rechte, die diesen zugestanden hätten; eine Uebertragung des landesherrlichen Meßrechts liegt darin nicht, denn da der Fürst nicht alle Rechte in dem Dorfe aufgegeben hatte, würde er ja dem Domcapitel durch Uebertragung seines Meßrechtes es in die Hand gegeben haben diese

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seine Rechte beliebig zu verkürzen. Das ist aber undenkbar, die Stelle bedeutet vielmehr nur, was an sich selbstverständlich ist, daß es den Käufern frei stehen soll, das erworbene Land nach einem ihnen beliebigen Maße unter die Kolonen zu vertheilen. Die gleich oder ähnlich lautenden Stellen: M. U.=B. V, Nr. 3540 und Westphalen, Monumenta inedita, Bd. III, S. 580 sind ebenso zu erklären. (Vergl. Riedel a. a. O., Bd. XXIV, S. 17, eine Stelle, die jedoch in mehrfacher Beziehung unklar ist.)

Wie das jus mensurationis mit dem Erwerbe des Grundstücks, der Landesherrschaft und sonstiger Berechtigungen seinen Boden gewinnt, so geht es ebenso selbstverständlich mit deren Verluste unter. - Ein anderer Endigungsgrund ist der Verzicht, der nicht mit der Verleihung des gefundenen Ueberschlages zu identificiren ist. (Vergl. Balck a. a. O., S. 85.) Ein solcher Verzicht findet sich seitens aller Berechtigten so überaus häufig, daß es überflüssig erscheint, besondere Stellen hierfür zu citiren, zumal da in den oben angeführten genug derartige enthalten sind. Landverleihungen durch den Fürsten z. B. enthalten in den meisten Fällen einen Verzicht auf die Ausübung des jus mensurationis. Eine besondere Art desselben enthält die ebenfalls sehr häufige 29 ) Bestimmung, daß das betreffende Land "absque numero mansorum" liegen solle. Zur Erklärung dieser Bestimmung ist Folgendes zu bemerken. Das dem Anbau frei gegebene, noch nicht aufgemessene Land wird von dem Grundherrn verliehen, entweder ohne Angabe seines Flächeninhalts oder nach einer ungefahren Schätzung (vergl. z. B. M. U.=B. V, Nr. 3090: "nam licet ipsorum bonorum estimacio stet pro quatuor mansis"; auch Fabricius III, Nr. 271, s. S. 19.). Im ersteren Falle findet nach gewisser Zeit eine Aufmessung statt, im letzteren eine Nachmessung. Wenn nun dem betreffenden Besitzer gestattet wird, sein Gut absque numero mansorum zu besitzen, so wird für Abgaben und Leistungen ein Pauschquantum festgesetzt: Im Jahre 1232 giebt z. B. Wartislav von Pommern dem Kloster Doberan die Dörfer Groß= und Klein=Racow und Bretwisch, welche das Kloster schon vorher mit der bestimmten Zahl von 30 Hufen erhalten hat, auf die Bitten der Mönche sine numero mansorum. (M. U.=B. I, Nr. 409). Aehnliche Stellen bieten: M. U.=B. II, Nr. 869, 989, 1464, 1519, III, 1583, 1668, 1893 u. a. Vergl. auch das Praebendenverzeichnis der Domkirche zu Lübeck, Leverkus a. a. O., Nr. 160, 288. Während diese Art des Verzichts seltener Seitens des Grundherrn als Seitens der übrigen Berechtigten vorkommt, findet sich eine


29) d. h. in Meklenenburg, bei Fabricius, Riedel und im Pomm. U.=B. habe ich sie oder eine ähnliche nur einmal - Fabricuis II, Nr. 51 - gefunden.
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weitere Art desselben nur bei dem Grundherrn, und zwar hier überaus häufig. Diese besteht darin, daß der bisherige Grundherr das betreffende Land überträgt "in suis terminis", "sicut nunc contentum est", "sicut nunc jacet" u. s. w., d. h. innerhalb gewisser Grenzen ohne Rücksicht auf seine Hufenzahl. Als eine dritte Art des Verzichts sind aufzufassen ausdrückliche Bestimmungen, durch welche die Zahl der Hufen für alle Zeiten festgelegt oder sogar der wirkliche Hufenbestand, was die Zahlung von Abgaben anbelangt, auf einen nominellen herabgemindert wird. So heißt es z. B. in Nr. 1236 M. U.=B. II, daß die Bauern des Dorfes Polchow ihr Land frei von Nachmessung beständig für 10 zinspflichtige und 2 freie Hufen besitzen sollen. In Nr. 2443 M. U.=B. IV bestimmt der Fürst Nicolaus von Werle, daß das Dorf Tessenow sub numero decem et octo mansorum, qui mansi deinceps a nemine mensurabuntur, beständig bleiben soll. Die Größe des Dorfes Vippernitz, welches mit 8 Hufen zu dem Kloster Dargun gehört, (M. U.=B. I, Nr. 721) wird für die Zahlung von Abgaben vom Fürsten von Werle zugleich mit der Befreiung von jeder ferneren Nachmessung auf 4 Hufen festgesetzt (M. U.=B. IV, Nr. 2429). Herzog Otto von Braunschweig und die Herzogin Agnes incorporiren im Jahre 1330 der Stadt Salzwedel das Dorf Böddenstedt, "ita quod quilibet duo mansi predicte ville Bodenstede pro uno de cetero debebunt computari" (Riedel a. a. O., XIV, S. 73). 1344 verfügt Fürst Albrecht von Meklenburg "cum villani in Bröbrowe propter agrorum nimis strictam et abbreviatam mensuram ad plenarias precariarum exactiones secundum numerum mansorum minime valeant, quod dicti villani pro tota villa Bröbrowe precarias pro duodecim mansis tantum dant." (M. U.=B. IX, Nr. 6457.) Aehnliche Bestimmungen finden sich M. U.=B. III, Nr. 1618, IV, Nr. 2431, V, Nr. 3357, XIII, Nr. 8016 u. s. w.; Pomm. U.=B. Nr. 1670, 1766; Fabricius a. a. O., III, Nr. 271; Riedel a. a. O., XVIII, S. 64.

Ein weiterer Endigungsgrund des jus mensurationis ist die schon oben erwähnte Praescriptio. Eine wie lange Zeit dazu erforderlich war, um durch andauernde Nichtausübung des Vermessungsrechtes eine Bodenfläche von der Nachmessung zu befreien, ist nicht anzugeben. In der ersten der beiden oben angeführten Urkunden (M. U.=B. II, Nr. 1199) ist nur von "legitima praescriptis" die Rede, während die andere (Leverkus a. a. O., Nr. 288) allerdings einen Zeitraum von 100 Jahren angiebt. Das ganze Institut scheint zwar, wie schon der urkundliche Name andeutet, ein aus dem römisch=kanonischen Rechte übertragenes zu sein, doch scheint es mir bedenklich, die römisch=kanonischen Grundsätze der longi temporis praescriptio hierher zu

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übertragen, und ich unterlasse es deshalb, irgendwelche Schlußfolgerungen in dieser Richtung zu ziehen. Möglicher Weise konnte diese Art der Befreiung von der mensuratio per funiculum nur dem Grundherrn, nicht auch den übrigen Berechtigten gegenüber geltend gemacht werden; die bezüglichen Stellen sind jedoch zu wenig zahlreich, um sichere Schlüsse nach dieser Richtung hin ziehen zu lassen. In den Quellenwerken Brandenburgs und Pommerns (Rügen) habe ich überhaupt keine bezüglichen Stellen ermitteln können.

Eine wichtigere Art des Untergangs des Messungsrechtes besteht in der Legung des betreffenden abgabepflichtigen Bodens zu Stadtrecht. Dabei sind zu unterscheiden die bloße Verleihung eines Stück Landes an eine Stadt, die Legung zu Stadtrecht und die Einbeziehung des Bodens in den städtischen Bebauungskreis. (Dieser Unterschied wird theilweise eclatant in der in mehr als einer Hinsicht interessanten, wenn auch ganz singulären und schlecht überlieferten Urkunde: Riedel a. a. O., XXIV, S. 17. Lüdeke und Hasse, Gebrüder von Wedel stiften und dotiren die Stadt Falkenberg im Jahre 1333. Nach Beschreibung der Grenzen und Gerechtigkeiten der Stadt folgt: "Binnen disser vorschrevenen scheide scholen liggen tho rechten hofschlage sös hofen vnde achtentich. Baven dissen hoven scholen ligen tein hoven tho börgerlendern. Van deme rechten hovenschlage schall de parrer hebben van ener itlecken hoven des jahres enen schepel roggen vnd twe pennige tho dem schepel, van den tein hofen, de tho börger landen liggen, schol en itlikerre hebben so vele, als em tho böhret na morgental, dat lant nicht tho verkopende, wenne met der erve wereuort (wohl vulbort). Dar den hovern düchte, dat se eren hovenschlach nicht voll hadden, so schölen de radtmanne meten eren hovnschlach voll, watt darbauen is, scholen de ratmanne leggen in der stadt framen, wor idt allerneueste (wohl allereuenste) kombt der stadt." Im Falle der einfachen Landverleihung ist die Stadt ebenso der Nachmessung ausgesetzt, wie alle sonstigen Grundbesitzer, und es finden sich dementsprechend natürlich zahlreiche Befreiungen städtischer Ländereien von der Nachmessung. 30 ) so überlassen z. B. die Markgrafen von Brandenburg, "postquam omnes agri terre nostre Stargard exstiterant mensurati, etiam id, quod superexcreverit nobis de mensura agrorum nostre civitatis Vredheland" (Friedland) den Bürgern daselbst und gewähren Freiheit von der Nachmessung (M. U.=B. II, Nr. 1194). Vergl. ferner M. U.=B. III,


30) Vergl. hier auch Riedel, Die Mark Brandenburg im Jahre 1250, II, S. 107.
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Nr. 1984, V, Nr. 3375, VI, Nr. 4010; Fabricius a. a. O., III, Nr. 209; Riedel a. a. O., IV, S. 392, XVIII, S. 101, XIX, S. 69, XXI, S. 96, 449. Anders, wenn der Stadt vergönnt wurde, das verliehene Land nach ihrem Stadtrecht zu behalten. Allerdings ist auch hier an sich nicht Freiheit von der mensuratio die unmittelbare Folge. Die bloße Vergünstigung der "Ueberlassung zu Stadtrecht" spricht sich vor Allem darin aus, daß einerseits die Stadt das Recht hat, die Bauern zu legen und die Ländereien unter ihre Bürger zu vertheilen, und daß andererseits die Abgaben von der Stadt und nicht mehr von den einzelnen Grundbesitzern erhoben werden (vergl. z. B. M. U.=B. II, Nr. 1261). Auch diese Vergünstigung ist häufig, vergl. z. B. M. U.=B. II, Nr. 1381, III, Nr. 2070 u. s. w., aber ebensowenig nothwendig mit der Befreiung von der mensuratio verbunden. So sehen wir u. a. aus der oben citirten Urkunde M. U.=B. II, Nr. 1194, daß die Fürsten auf der Feldmark der Stadt Friedland, die 1244 von den Markgrafen von Brandenburg gestiftet und mit dem (Stendaler) Stadtrecht bewidmet ist (M. U.=B. I, Nr. 559) die Vermessung vornehmen. Möglich ist es ja, daß nach den einzelnen Stadtrechten ein Unterschied in dieser Hinsicht bestand, daß z. B. das Lübisch=Rostocker Recht die Stadt günstiger stellte (vergl. u. a. M. U.=B. II, Nr. 1381, III, Nr. 2070); einen solchen Unterschied nachweisen zu können, bin ich jeboch nicht in der Lage. Wenn aber das der Stadt unter Bewidmung mit dem Stadtrecht verliehene Land der städtischen Bebauung unterworfen wurde, so mußte naturgemäß die Nachmessung aufhören. Die Stadt als solche ist zwar nach Grundstücken eingetheilt, jedoch bemißt sich jetzt der Werth der letzteren und damit die Höhe der auf sie entfallenden Abgaben nicht mehr nach der Größe der Bodenfläche, sondern nach dem Werthe und der Größe des darauf errichteten Gebäudes. Danach werden die Abgaben nicht mehr nach Anzahl der Hufen gefordert, sondern für die Hausplätze (vergl. Balck a. a. O., Bd. II, S. 4, §. 142). Dementsprechend finden wir denn auch in solchen Fällen die Städte immer von der Nachmessung befreit, vergl. z. B. M. U.=B. X, Nr. 7249.

Was den Gegenstand der Vermessung betrifft, so ist zunächst daran festzuhalten, daß es keinen Unterschied macht, wer Eigenthümer des dem Meßseil unterworfenen Landes ist: Ländereien der Geistlichkeit werden ebenso gut vermessen, wie die die der Städte und der Privatleute. So finden wir in den oben citirten Urkunden die Vermessung städtischen Eigenthumes; in den Urkunden Nr. 1215, 1254, 1582, 2058, 3079 u. a. des M. U.=B., Fabricius a. a. O., II, Nr. 40, III, Nr. 116, 158, 166, 268 etc. ., Riedel a. a. O., XIII, S. 221, XIX, S. 8, XXI, S. 3, XXIII, S. 10 sehen wir die

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Gebiete der Kloster und Orden der Vermessungspflicht unterworfen; ja selbst die bona dotalicia der Kirchen bleiben nicht vom Meßseil verschont: M. U.=B. III, Nr. 1758 bezeugt Fürst Nicolaus von Werle, "quod postquam pater noster dominus Johannes de Werle felicis memorie bona dotalicia ecclesie in Malchowe, sita in villa Rocisse (Roetz) fune suo mensurari fecisset" u. s. w. Ebensowenig kommt auf die sonstige rechtliche Stellung des Landinhabers etwas an: Das Lehngut (M. U.=B. III, Nr. 1792, 1812, Fabricius a. a. O., III, Nr. 271 u. a.) wird geradeso vermessen, wie das Bauerngut (M. U.=B. II, Nr. 1235, 1236, III, Nr. 1618, 1677, 2398, V, Nr. 3173, VI, Nr. 3885; Leverkus a. a. O., Nr. 307, 1574; Fabricius a. a. O., III, Nr. 309, IV, Nr. 560, 565, 650, 661; Riedel a. a. O., XIII, S. 319, XXI, S. 100) und das Land des freien Eigenthümers (z. B. das meiste Kirchengut). Es wäre daher völlig verkehrt, aus einer vorkommenden Nachmessung einen Schluß auf die rechtliche Stellung des Bodeninhabers, ob er nämlich ein obligatorisches oder dingliches, rein persönliches oder erbliches Recht besessen habe, ziehen zu wollen. Was sodann die natürliche Beschaffenheit des Grund und Bodens anlangt, so ist es gleichgültig, ob derselbe bebaut und womit er bebaut; ob er Haide oder Holz, ob Sumpf oder Moor oder Ackerland sei: alles unterliegt dem jus mensurandi und vermehrt die Hufenzahl. In Nr. 435 M. U.=B. I wird z. B. das unbebaute Land vermessen (ebenso Riedel a. a. O., XIX, S. 8), in Nr. 8122 M. U.=B. XIII das ungerodete Holz, und der Erwerber des Landes muß sich den bei der Aufmessung desselben gefundenen Ueberschlag kaufen. (Riedel a. a. O., XXI, S. 3: ligna crescentia et jacentia.) Vergl. auch M. U.=B. III, Nr. 1758, XIV, Nr. 8489; Pomm. U.=B. II, Nr. 1.373, 1670; Leverkus a. a. O., Nr. 440; Fabricius a. a. O., IV, Nr. 661 (darin auch "cespites, que vulgariter torph appellantur"); Riedel a. a. O., IV, S. 392, XIII, S. 319. Mensurabilis ist eben alles, was von den Grenzen des betreffenden Grundstückes eingeschlossen wird: Leverkus a. a. O., Nr. 446: "campos, agros, silvas, paludes seu quecumque alia loca mensurabilia." Aehnlich M. U.=B. III, Nr. 1758, 1893, 1984, V, Nr. 3419. Vergl. auch Nitzsch a. a. O., S. 103. Am umfassendsten spricht sich aus die Urkunde von 1287 bei Riedel XXI, S. 96, worin die Markgrafen Otto und Conrad der Stadt Prenzlau die Freiheit von der Nachmessung ihrer Grundstücke und verschiedene Rechte für 300 Mark Brand. verkaufen: "Civitas etiam Printzlaw cum agris cultis et incultis, pratis, pascuis, stagnis, aquis fluentibus, paludibus et cum onmibus his inclusis, que in ipsius civitatis distinctionibus continentur, libera

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manebit a mensura. Et neque nos neque nostri heredes debemus civitatem Prenzlaw contra justitiam impedire aut agros aut stagna, aut prata aut pascua aut aquas fluentes aut paludes aut metas, que theutonice dicuntur ein huefschlag, vel in mensura seu in aliis rebus, quas quis excogitare sciret sive posset. " Auch in den westlichen Nachbarländern wird es schwerlich anders gewesen sein. Freilich erzählt uns Helmold bezüglich der Streitigkeiten zwischen Bischof und Grafen: "In Aldenburg quoque dedit ei predium satis commodum et adiacens foro. Et ait comes: Eat domnus episcopus in Wagiram et adhibitis viris industriis estimari faciat predia hec; quod defuerit de trecentis mansis ego supplebo; quod superfuerit meum erit. Veniens igitur episcopus vidit possessionem et habita inquisitione cum colonis deprehendit predia hec vix centum mansos continere. Quamobrem comes fecit mensurari terram funiculo brevi et nostratibus incognito, preterea paludes et nemora funiculo mensus est. Et fecit maximum agrorum numerum. Perlata igitur causa ad ducem, adiudicavit dux episcopo dari mensuram juxta morem terre huius nec mensurandas paludes aut silvas robustiores" (Helmold, chron. Slav. M. G. S. S., XXI, S. 76). Aber das beweist doch nur, daß der Herzog dem Bischof die ausgesetzte Hufenzahl in urbarem Land zugewiesen wissen wollte, nicht aber, daß allein dieses vermessen zu werden pflegte. Aehnlich aufzufassen ist auch eine Bestimmung des Fürsten Heinrich von Meklenburg zu Gunsten des Klosters Ribnitz, nach welcher nur das baufähige oder feste Land (solida terra) gemessen werden soll. Der Fürst schenkt dem Kloster 4 Hufen in dem Walde Müritz u. s. w. und bestimmt: "Preterea damus et appropriamus dominabus predictis in parte nemoris nostri Rybenitz, que Muryz communiter appellatur, quatuor mansos bene mensurandos et lignis plenos, sic quod spatia, que predictis mansis coincident, sive sint spatia cespitum vel graminum seu salicum aut simplex mor, in mensuracione predictorum mansorum minime computentur, sed cum mansis in dominium et proprietatem transeant dominarum et cum hoc, quicquid est versus mare in pratis et pascuis ab utroque fine lignorum usque ad aquam linealiter per directum, et poterunt pro alendis pecoribus ibidem pro suo beneplacito etiam curiam collocare." (M. U.=B. VIII, Nr. 5016.) Die ausdrückliche Anordnung und die Bezeichnung dieser Messungsweise als eines bene mensurari beweisen, daß es sich eben nur um eine Ausnahme von der Regel handelt. Aehnlich sind die beiden sehr interessanten Stellen im Pomm. U.=B. I, Nr. 500 a. E. und III, Nr. 1543 aufzufassen. - Daß je nach der Beschaffenheit des Bodens

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das Maß für die Hufen ein mehr oder weniger großes ist, (worüber weiter unten,) steht mit dem Dargestellten nicht in Widerspruch.

Die Frage, in welcher Weise der overslach für ein Grundstück festgestellt wird, ob für das Land als ganzes, oder für jede einzelne Hufe besonders, beantwortet sich nach beiden Richtungen hin bejahend. Wir finden das overland sowohl als Ganzes zum Grundstück liegend (vgl. M. U.=B. II, Nr. 1381, III, Nr. 1971, 1925, V, Nr. 2726, VIII, Nr. 5033, IX, Nr. 5803) als auch bei den einzelnen Hufen besonders (M. U.=B. II, Nr. 948: "etliche overlande" zu Großen=Trebbow; III, Nr. 2282: "quatuor overland" in Grüssow; XV, Nr. 9021 u. a.). Es kommt vor, daß das overland, wenn es nicht so groß ist, um selbständig in Hufen eingetheilt zu werden, auf die einzelnen Hufen vertheilt wird (M. U.=B. IX, Nr. 6259).

In Bezug auf die Größe des Maßes, mit dem die Vermessung ausgeübt wird, behauptet Nitzsch (a. a. O., S. 102 und 104), daß der Meßberechtigte die Vermessung mit jedem beliebigen Maße vornehmen und damit die Leistungen in beliebiger Höhe feststellen konnte, und beruft sich zum Beweise dafür auf eine bei Westphalen mon. ined., Bd. III, S. 580 abgedruckte Urkunde. In derselben heißt es, daß es den Erwerbern eines Dorfes freistehen solle: "omnes mansos dicte ville per dimensiones eis placentes distribuere et colonos ibidem destituere et instituere et cum eis perpetuo facere, quicquid velint, salvis nobis ... expetionibus videlicet lantwere et borgwerk et his, quae communis terra fecerit, servatis." Dies bedeutet aber nichts anderes, als was wir auch schon sonst gefunden haben, daß etwas in die Urkunde hineingesetzt ist, was selbstverständlich ist, daß nämlich die Erwerber das Land beliebig unter ihre Kolonen auftheilen können; von einer Nachmessung in unserem Sinne ist dabei garnicht die Rede. Aehnlich ist M. U.=B. V, Nr. 3540 zu erklären, wo die Herzöge von Sachsen das Dorf Lankow verkaufen "cum eius territoriis et attinenciis, ut nunc iacet, ut ipsa territoria pro suis et colonorum suorum usibus distribuere, mensurare, alterare et sic inter se permutare possint ibidem, sicut per vices temporum suomm placuerit voluntati", woraus der ganze Sinn des Zusatzes noch klarer hervorgeht, als aus der von Nitzsch angeführten Urkunde. (Vergl. auch die oben citirten Stellen, M. U.=B. III, Nr. 2071, V, Nr. 2793.) Indem ich deshalb auf .eine ausführlichere Widerlegung dieser von vorneherein unglaublichen Behauptung verzichte, begnüge ich mich mit dem Nachweise, daß nicht ein willkürliches, sondern ein feststehendes, herkömmliches Maß zur Feststellung des Flächeninhalts benutzt wurde. so wird z. B. in Nr. 1859 M. U.=B. III ein Stück Land überlassen "juxta mensuram, qua

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metiri solent indagines." In Nr. 1984 M. U.=B. III verkauft der Markgraf von Brandenburg der Stadt Friedland einen overslach und dabei heißt es: "dum villa Svichtenberg (Schwichtenberg) 20 mansos habuerit et illos obtinuerit debitam per mensuram." Bei Leverkus a. a. O., Nr. 290 werden Hufen gemessen "secundum mensuram congruam." Ebenda Nr. 319 findet sich: "debitam mensuram et completam per distributionis funiculum, quod vulgo dicitur hofslach." Im Pomm. U.=B. I, Nr. 408 verkauft der Fürst von Rügen Land "sub mensura et quantitate mansorum indaginum." Auch aus der oben mitgetheilten Stelle aus Helmolds Slavenchronik ist das juxta morem terre huius in diesem Sinne anzuführen. - Wie schon oben angedeutet, kommen zwar verschieden große Maße vor; dies beruht jedoch auf der Verschiedenheit in der Beschaffenheit des Grund und Bodens. So ist die mensura, qua metiri solent indagines, also das Maß für die im Walde gemessenen Hufen, größer als das der gewöhnlichen Landhufen (vergl. Ahlers a. a. O., S. 61), und das Gleiche gilt auch von dem mansus cespitum (vergl. M. U.=B. X, Nr. 6769).

Es sei schließlich noch einiger Punkte Erwähnung gethan, die bisher nur nebenbei oder garnicht berührt werden konnten. Zunächst ist hinsichtlich der Vermessungen des Landesherrn zu bemerken, daß Special= und Landesvermessungen zu unterscheiden sind: jene beschränken sich auf einzelne Dörfer oder Feldmarken, diese erstrecken sich auf ganze Länder. Solche Landesvermessungen finden statt z. B. im Lande Tribsees (M. U.=B. I, Nr. 278), Stargard (M. U.=B. II, Nr. 1194), Pyritz (Pomm. U.=B. I, Nr. 517), Tribsees (Pomm. U.=B. II, Nr. 616, 1173) u. s. w. 31 ) - Was den Vermessungsakt selbst betrifft, so wird er, wenn ihn der Fürst, sei es nun als Landesherr oder als Grundherr, anordnet, durch dessen Beamte vollzogen. Vornehmlich ist es der Vogt, der die Vermessung vornimmt oder vornehmen läßt: M. U.=B. II, Nr. 1199; Pomm. U.=B. III, Nr. 1766; Riedel a. a. O., IX, S. 54, XIII, S. 319, XXI, S. 5, 100 u. s. w. Ein allgemeiner Ausdruck bezeichnet die Vermesser als judicii executores, M. U.=B. II, Nr. 1317, ein noch allgemeinerer als officiales, M. U.=B. III, Nr. 2305, Riedel a. a. O., XIII, S. 319, XXI, S. 5, 100. Doch finden sich auch die technischen Bezeichnungen: mensor, Riedel a. a. O., VII, S. 85, und agrimensor, Pomm. U.=B. III, Nr. 1767. Endlich werden nuncii genannt, wahrscheinlich Verwaltungsbeamte (M. U.=B. III, Nr. 1893). Die Ausführung geschah entweder mit dem Meßseil oder (roher) durch


31) Vergl. auch Fabricius a. a. O., II, Abtheilung 2, S. 64.
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Abreiten (vor allem in Pommern und Rügen). Dementsprechend finden sich die Ausdrücke equitare, equitatores terre u. s. w. (Pomm. U.=B. III, Nr. 1927; Fabricius a. a. O., III, Nr. 271, 284, 319; Riedel a. a. O., IX, S. 54, XVIII, S. 27.) Das equitare, welches sich in Meklenburg nicht nachweisen läßt, scheint zu den ritterlichen Geschäften gehört zu haben (Riedel a. a. O., XXIII, S. 10: "Istarum distinctionum iam dictarum fuerunt et sunt equitatores scilicet Nicolaus de Schowen, Rodolfus de Reveninghe, Nicolaus de Bornym et Zabellus de Badelo milites, ac Wilhelmus de foro civis in Vrankenvorde, quos eciam una cum Droysekone et Slotekino pro hujus facti testimonio presentibus in hiis scriptis"), wie denn überhaupt die milites bei dem Meßverfahren eine große Rolle spielen (vergl. Riedel a. a. O., XIII, S. 220, XXI, S. 5). - Daß der Besitzer des zu vermessenden Landes schon der Controlle wegen es nicht unterlassen hat, bei dem Vermessungsakt zugegen zu sein, ist anzunehmen; ein Recht desselben auf seine Gegenwart, durch dessen Nichtbeachtung der Vermessungsakt ungültig geworden wäre, läßt sich, aus dem uns bisher vorliegenden Urkundenmaterial wenigstens, nicht nachweisen. Auch die Zuziehung Dritter als Urkundspersonen, wie wir sie bei Helmold I, 83 (s. S. 27) finden, wird in den Urkunden niemals erwähnt, (die oben citirte Stelle bei Riedel a. a. O., XXIII, S. 10 ist zu mangelhaft überliefert, um daraus einen Schluß ziehen zu können,) und ich kann deshalb einen Umstand, der die Vermessung so zu sagen zu einem öffentlichen Akte stempeln würde, wenigstens für das hier behandelte Gebiet nicht annehmen.

Das Resultat meiner Untersuchung geht dahin, daß das jus mensurationis ein Institut ist, welches einen theilweise öffentlichen, theilweise privaten Charakter trägt, daß aber eine scharfe rechtliche Specialisirung seines Begriffes gerade wegen dieser beiden verschiedenen Seiten nicht möglich ist. Einen die Natur und Stellung annähernd bezeichnenden Ausdruck besitzen wir nicht. Im Laufe der Zeiten muß sich das jus mensurationis zu einem festeren Begriff gestaltet haben. Dies wird in der Weise geschehen sein, daß einerseits die Vermessung durch den Landesherrn immer größere Autorität gewann, und daß andererseits der Landesherr, um dem Interesse seiner Unterthanen Genüge zu thun, dem Lande einen Einfluß auf die Feststellung des Flächeninhalts von Grund und Boden einräumte, und zwar in der Weise, daß die Vermessung unter Zuziehung von Urkundspersonen unter der Garantie der Oeffentlichkeit vorgenommen wurde. Erst durch diese Entwickelung gewann das Institut einen rein staatsrechtlichen Charakter und wurde dadurch geeignet, die Grundlage zu bilden, aus der das heutige Katasterwesen aufgebaut ist.

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