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LVI, 2.
des
Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.
Schwerin, Januar 1891.Die in der Quartalversammlung am 20. Oct. v. J. beschlossene außerordentliche Sitzung des Vorstandes zur Berathung und Beschlußfassung über die Herausgabe des Urkundenbuchs fand am 10. November statt. In derselben wurde beschlossen, daß das von der Urkundenbuchs=Commission entworfene und vorgelegte Statut für die Herausgabe dem hohen Großherzoglichen Ministerium des Innern mit einem Bericht und mit der Bitte um Bestätigung eingereicht werden solle.
In der ordentlichen Vorstandssitzung am 12. d. M. waren anwesend die Herren: Staatsminister von Bülow Exc., Staatsrath von Bülow Exc., Archivrath Dr. Grotefend, Landgerichtsrath Schlettwein, Ministerial=Registrator Schwerdtfeger, Geh. Finanzrath Balck, Hofrath Dr. Piper und Amtmann von Oertzen.
Aus den Beschlüssen der Versammlung ist hier mitzutheilen:
1) daß die Statuten der Urkundenbuchs=Commission nach der Vorschrift eines hohen Ministerial=Rescripts geändert und darauf den Herren Vereins=Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden sollen.
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2) daß der vorgelegte Etat für die Herausgabe des Urkundenbuchs genehmigt wurde.
Am 26. December starb plötzlich auf einer Reise in Neapel der als Alterthumsforscher hochberühmte Dr. Heinrich Schliemann, geb. 6. Jan. 1822 zu Neubukow in Meklenburg, Sohn des Pastors Schliemann daselbft, später zu Ankershagen. Die Wissenschaft verlor in Schliemann einen ihrer begabtesten und thatkräftigsten Vertreter. Unser Verein beklagt zugleich den Verlust eines vieljährigen correspondirenden Mitgliedes, auf dessen Besitz er hohen Werth legen konnte.
Von den ordentlichen Mitgliedern schieden im letzten Vierteljahr aus:
1) | Herr Wirklicher Geheimer Rath Dr. von Wetzell, Excellenz. Mitglied seit 28. Aug. 1867, Vice=Präsident des Vereins von 1869 bis 1886, gestorben zu Rostock 22. Oct. 1890. |
2) | Herr Freiherr von Maltzan auf Krukow, Mitglied seit 28. Aug. 1872, ausgetreten im Oct 1890. |
3) | Herr Divisionsauditeur Lemcke zu Schwerin, Mitglied seit 5. Jan. 1887, ausgetreten 14. Nov. 1890. |
4) | Herr Consistorialrath Rußwurm zu Ratzeburg, Mitglied seit 3. Nov 1882, gestorben 20. Nov. 1890. |
5) | Herr Oberamtsrichter Reichhoff zu Güstrow, Mitglied seit 5. Nov. 1882, gestorben 28. Nov. 1890. |
6) | Herr Dr. Lindig, Director des statistischen Büreaus zu Schwerin, Mitglied seit 25. Febr. 1885, gest. .23. Nov. 1890. |
7) | Herr Redacteur Dr. Martini zu Neustrelitz, Mitglied seit 10. Dec. 1882, gest. 29. Nov. 1890. |
8) | Herr Gymnasiallehrer Dr. Lange zu Rostock, Mitglied seit 29. Oct. 1886, ausgetreten 10. Dec. 1890. |
9) | Herr Oberstabsarzt Dr. Blanck zu Schwerin, Mitglied seit 15. Aprit 1872, gest. 16. Dec. 1890. |
In den Verein aufgenommen wurden:
1) | Herr Referendar P. Thormann zu Wismar. |
2) | der Museums=Verein zu Neubrandenburg. |
3) | Herr Obersteuercontroleur Köhler zu Ludwigslust. |
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Der im vorigen Quartalbericht theilweise abgedruckte Bericht des Dr. Bardey zu Nauen über die Familie Bardey bringt eine unrichtige Mittheilung. Bardey erzählt, daß sein Großvater, der Pastor B. zu Muchow, sich in zweiter Ehe mit einer Tochter des Staatsraths von Kossel, der auf dem "Nachbargut Zierzow" wohnte, verheirathet habe. Der Pastor Bardey hatte aber in zweiter Ehe Sophie Kossel, Tochter des Pächters Hans Kossel (nicht von Kossel) zu Zierzow zur Frau. Ein Staatsrath v. Kossel ist überhaupt nicht bekannt. Vgl. Walter, Unsere Landgeistlichen, S. 191.
Fr. Schildt.
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Dietrich Schröder druckt in seinem Papistischen Meklenburg S. 2238 eine Urkunde vom 26. Oct. 1472 ab, in welcher Bischof Werner von Schwerin und Bischof Michael von Simbalium allen denen, die den Bau der St. Marienkirche zu Rostock, besSonders aber die Vollendung der kupfernen Bedachung und der neuen Uhr durch milde Spenden fördern, vierzigtägigen Ablaß verheißen. Der erste Aussteller ist bekannt; es ist Werner Wolmers aus Hamburg, der den bischöflichen Stuhl zu Schwerin 15 Jahre inne hatte und Ende 1473 starb. Ueber Bischof Michael dagegen, der sich als Episcopus Simbaliensis, reverendi patris Swerinensis in spiritualibus vicarius et suffraganeus bezeichnet, fehlten bisher alle Nachweise, denn wenn ihn David Franck im "Alt= und Neuen Meklenburg", Buch 8, Cap. 7 unter dem Jahre 1471 ohne jede Quellenangabe als päpstlichen Legaten und Ablaßkrämer aufführt, so könnte ihn gerade die eben erwähnte Urkunde dazu veranlaßt haben. Da auch sonst unser Wissen in Bezug auf die Weihbischöfe der für Meklenburg in Betracht kommenden Diöcesen bisher noch recht dürftig ist (nur von wenigen kennen wir den Namen, Näheres von keinem), so mögen die folgenden zerstreuten Notizen diese Lücke wenigstens in Hinsicht auf die Persönlichkeit des Weihbischofs Michael etwas auszufüllen dienen.
Die Matrikel der Universität Rostock enthält unter dem 22. October 1465 die Eintragung: Petrus Suluerfelt de Lubek honoratus per universitatem propter Episcopum Symboliensem. Da die Auszüge im "Etwas" 3 (1739), S. 359 episcopum symbolicum geben, womit natürlich nichts anzufangen war, blieb
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diese Bemerkung bisher unbeachtet, doch war es gerade die falsche Lesung, welche Veranlassung gab, behufs Feststellung des richtigen Textes weitere Nachforschungen anzustellen, die schließlich mit freundlicher Beihülfe des Herrn Dr. theol. Thomas Esser O. P. zu einigen sicheren Ergebnissen führten. Demnach führt Bischof Michael den Familiennamen de Rentelem und gehört somit der angesehenen, weit über Norddeutschland bis nach Livland hin verbreiteten Familie von Rentelen, und wie sich aus seiner Verwendung für den Lübecker Peter Silberfelt wohl schließen läßt, höchst wahrscheinlich dem Lübecker in der Zirkelgesellschaft mehrfach Vertretenen Zweige derselben an. Am 9. April 1462 wurde er von Papst Pius II. als Nachfolger eines Verstorbenen nicht weiter bekannten Bischofs Johannes zum Bischof von Simbalium ernannt. Das Ernennungs=Diplom ist abgedruckt im "Bullarium Ordinis Fratrum Praedicatorum, opera F. Thomae Ripoll Mag. Gen." (8 voll. fol., Romae 1729-1740) tom. III., pag. 438. Aus der ganzen Fassung der Urkunde, in welcher Michael de Rentelem, electus Simbaliensis, Ordinis Fratrum Praedicatorum expresse professus et in sacerdotio constitutus ats Bischof bestätigt und aufgefordert wird, sich sogleich nach Empfang dieser Bestätigung in die verwaiste Diöcese zu begeben, scheint hervorzugehen, daß es sich hier nicht um eine Ernennung in partibus infidelium, sondern um die wirkliche Entsendung in ein noch bestehendes Bisthum handelt. Ripoll sowohl wie Le Quien, Oriens Christianus (Paris 1740) tom. III, col. 1109 stimmen darin überein, daß hier nur der Συμβόλων λιμήν an der Südwestküste der Krim, später Sibula oder auch Cembalo genannt, in der Gegend des heutigen Balaklava, gemeint sein kann. Die Form Cembalo bildet den Uebergang zu dem episcopus Cunabulensis Michael Rutelem, der von verschiedenen älteren Autoren, Cavalerius, Fontana u. a. als vir singulari pietate, doctrina et prudentia ditatus genannt und dessen Todesjahr um 1465 angesetzt wird. Offenbar ist dies kein anderer als unser Michael de Rentelem, wie auch schon Ripoll und Le Quien voraussetzen. Gams, Series episcoporum S. 432, schöpft nur aus letzterem. Im Herbst 1465 tritt er hier auf, ein Nachfolger von ihm ist überhaupt nicht bekannt, und so dürfen wir wohl annehmen, daß sein Bisthum dem Ansturm der Tartaren zum Opfer gefallen ist, worauf er sich nach seiner Heimath zurückwandte und hier dem alternden Bischof von Schwerin als vicarius in spiritualibus beigegeben wurde. Wohl möglich, daß er mit ausgesandt war, die Christenheit zum Kampfe gegen die Ungläubigen anzufeuern und daß David Franck doch nicht so ganz
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unrecht berichtet war, als er ihn einen Legaten des Papstes nannte, seine weiteren Schicksale waren nicht zu ermitteln; unter Werners Nachfolgern Herzog Balthasar und Nicolaus Rentz scheint er keinerlei geistliche Handlungen. mehr ausgeübt zu haben.
Dr. Hofmeister=Rostock.
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Einen eigenthümlichen, in der einschlägigen Literatur bisher, so viel ich sehen kann, nicht beachteten Fall von zweitem Gesicht theilt der Greifswalder Professor Dr. med. Christian Stephan Scheffel (geb. 1693 zu Wismar, gest. 1760 zu Greifswald) in dem Einladungsprogramm zu der am 8. März 1742 stattfindenden Promotion des Candidaten der Medicin Theodor Pyl aus Ukermünde mit. * ) Da der Fall in Wismar beobachtet wurde und zu den am besten beglaubigten gehört, die aus älterer Zeit überliefert sind, dürfte eine Wiedergabe nach manchen Seiten hin von Interesse sein.
Scheffel berichtet, von den Verschiedenen Arten der Weissagung im allgemeinen und von den "Sehers", wie er sich ausdrückt, Nordsfrieslands und Rügens im besonderen ausgehend, zum Theil nach eigener Kenntniß, zumeist aber nach mündlichen und schriftlichen Mittheilungen seiner 1734 verstorbenen Mutter und seines noch lebenden Vaters, des Dr. med. Martin Scheffel (geb. 1659 zu Wismar, gest. 1754 zu Greifswald), wie folgt:
"In meinem väteriichen Hause zu Wismar diente von 1710 bis 1717 eine Magd, Lucia mit Namen, von guter Körperconstitution, heiteren Gemüths, gottesfürchtig und arbeitsam. In den ersten Jahren ihrer Dienstzeit, als ich noch zu Hause war, hatte Niemand Kenntniß von ihrer Fähigkeit, aus Visionen die Zukunft voraus zu verkünden. außer daß sie selbst bei Gelegenheit ähnlicher Gespräche erzählte, ihr früherer Herr, ein Landgeistlicher nicht weit von Wismar, sei ihr nicht lange Zeit vor seinem Tode aufgebahrt erschienen, doch fand sie keinen Gtauben. Meine Eltern bewohnten ein ziemlich großes Haus mit vielen heizbaren Zimmern, die an
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Offiziere, deren es damals zur Zeit des Krieges in Wismar sehr viele gab, vermiethet wurden. Wenn nun ab und an eins davon leer stand, wurde meine Mutter zu öfteren Malen von der Magd benachrichtigt, daß bald wieder ein neuer Miether kommen würde, denn sie habe verschiedene Kisten, Waffen, Kleidungsstücke, Sättel und anderes in das oder jenes Zimmer hineinschaffen sehen. Die Mutter lachte ungläubig darüber und obgleich die Folgezeit ihr Recht gab, hörte doch keiner besonders auf ihre Reden. Aber bald fing man an, ihr mehr Glauben zu schenken. Ein entlegenerer Theil des Hauses, auf der Seite nach dem Marien=Kirchhof zu und mit diesem durch eine besondere Thür verbunden, hatte lange leer gestanden. Einst Nachts, als die Eltern schon zur Ruhe gegangen waren, kommt die Magd, die wer weiß welchem Antrieb folgend dorthin gekommen war, zur Mutter gelaufen und beschwört sie mitzugehen und zuzusehen (sie selbst war solchen Gesichtern gegenüber vollständig furchtlos), aus dem Kirchhofe vor der Thür halte ein Wagen, aus dem viel Gepäck, Laden und allerhand anderes hereingetragen würde und einige von den dabei beschäftigten Leuten trügen grüne Uniform. Die Mutter jedoch, etwas ängstlicher Natur, schalt das Mädchen aus und befahl ihr zu Bett zu gehen. Am dritten Tage daraus bezogen neue Einwohner, gefangene russische Offiziere, genau in derselben Weise und Uniform, wie die Magd es gesehen hatte, durch die erwähnte Thür jene Wohnung. Ungefähr um dieselbe Zeit befand sich unter den übrigen Bewohnern des Hauses ein Lieutenant Namens Koch. Dieser, der mit einem Kaperschiff aus dem Wismarschen Hafen ausgelaufen war, erhielt von einer Granate, die er bei Einbruch der Nacht in ein entgegenkommendes Fahrzeug schleudern wollte und die vorzeitig egplodirte, eine tödtliche Wunde am Schenkel. In derselben Nacht sah das im Hausflur schlafende Mädchen den Todten mit zerschmettertem Schenkel ins Haus bringen und erzählte am Morgen den Eltern, was sie erblickt hatte. Am selben Tage traf die Vorhersagung ein.
Andere Beispiele ihrer Sehergabe mögen folgen: Meine einzige Schwester verheirathete sich 1713 mit dem damaligen Hauptmann im Jemtländischen Regiment Ackerfeldt, jetzt Major in Jemtland; diese Heirath, an die bis dahin Niemand dachte, sagte die Magd gleichfalls voraus. Bald nach der Hochzeit wurde Ackerfeldt nach Stralsund versetzt und meine Schwester begleitete ihren Gatten. Von Stralsund aus wurde er kurze Zeit nachher mit einer Abtheilung Soldaten nach Gützkow entsendet. Inter arma silent Musae; so verließ auch mein jüngerer Bruder, jetzt Artillerie=Hauptmann in
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Stockholm, gegen die ernstlichen Ermahnungen des Vaters seine Studien und flüchtete, erst 14 Jahre alt, im Jahre 1714 mit einem Degen umgürtet heimlich nach Gützkow, um unter dem Befehle des Schwagers in Kriegsdienste zu treten, doch dieser, der die Mühseligkeiten und Widerwärtigkeiten des Kriegslebens zur Genüge kennen gelernt hatte, redete ihm ab und bewog ihn nach Wismar zurückzukehren. Einige Tage vor seiner Rückkehr sieht die Magd bei Anbruch der Nacht, im Begriff die Thür zu verriegeln, den Bruder davor in seiner gewohnten Kteidung, doch ohne Degen. Voller Freuden eilt sie, dies den tiefbetrübten Eltern zu melden und verkündet seine baldige Ankunft. Wenige Tage darauf fand er sich am väterlichen Herde wieder ein, ohne Degen, denn dessen war er auf dem Wege beraubt worden.
Als Stralsund und Wismar im Jahre 1716 von den Feinden besetzt waren und Ackerfeldt sich nach Schweden begeben hatte, war meine Schwester zu den Eltern zurückgekehrt. Dieser, die voller Sehnsucht die Briefe ihres Gatten erwartete, verkündete die Magd regelmäßig an den Tagen, an denen der Postbote zu kommen pflegte, in aller Frühe vor der ersten Ankunft desselben, ob Sie einen Brief erhalten würde oder nicht. Während der ganzen Zeit, die Sie bei meinen Eltern zubrachte. hat sie niemals, einige wenige Fälle abgerechnet, etwas verkündet, was sich nicht erfüllte. Auch ihren eigenen Tod wußte sie vorher. Mehrere Male verkündigte sie sowohl meiner als auch ihrer damals noch lebenden Mutter, es würde binnen kurzer Zeit jemand in unserem Hause sterben, mit dem Zusatz: "und das bin ich." Nach Vertauf von kaum einer Woche starb sie wider Aller Erwarten, vom Fieber ergriffen, unter schweren Krankheitserscheinungen im Alter von 34 Jahren."
Es ist dies wirklich ein merkwürdiger und, man mag über solche Erscheinungen denken wie man will, der Aufbewahrung werther Bericht, nicht allein durch die Zahl der an gesellschaftlichem Rang und wissenschaftlicher Bildung hochstehenden Gewährsleute, sondern fast mehr noch durch die Art und Weise, wie die Aeußerungen des "zweiten Gesichts" hier geschildert werden. Keineswegs nur traurige Begebnisse, auch ziemlich gleichgültige und in der Mehrzahl freudige Ereignisse kündigen sich in voller Schärfe an, ja es möchte abgesehen von dem einmal erwähnten unerklärlichen Drange, sich an einen Ort zu begeben, wo sie gar nichts zu thun hatte, bei den Briefen fast scheinen, als ob die Hellseherin nach Belieben von ihrer Gabe habe Gebrauch machen können. So weicht auch der hier dargestellte Fall von den meisten Schilderungen derartiger Zustände in dem wesentlichen Umstande ab, daß der verdüsternden
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Einwirkung der unheimlichen Gabe auf das Gemüth der davon Betroffenen und der ihnen innewohnenden Furcht vor solchen Erscheinungen nicht nur mit keinem Worte gedacht, sondern ganz ausdrücklich das heitere Gemüth und die Furchtlosigkeit des Mädchens hervorgehoben wird. Die Aufforderung an die Herrin, sich selbst von dem Gesehenen zu überzeugen, bekundet eine Unbefangenheit, die ein Dichter, der die dankbare Figur eines "Spökenkiekers" in einem Werke vorführen wollte, geradezu unterdrücken müßte, um nicht psychologischer Unwahrheit gescholten zu werden, ganz abgesehen davon, daß dem Geheimnißvollen damit ein großer Theil des "Gruseligen" abgestreift würde.
Dr. Hofmeister=Rostock.
Eine für die meklenburgische Kunstgeschichte höchst wichtige Arbeit begrüßen wir in dem bei Trowitzsch & Sohn in Berlin unlängst erschienenen Werk: Der Fürstenhof zu Wismar und die Norddeutsche Terracotta=Architektur von Fritz Sarre. 1890.
Das ursprünglich als Doctordissertation geschriebene Werk ist jetzt in umfänglicherer Weise umgearbeitet, und mit 17 zum Theil in Lichtdruck hergestellten Tafeln ausgestattet, erschienen, und behandelt eine der interessantesten und productivsten Zeitperioden in der Baugeschichte unseres engeren Vaterlandes.
Wie der aus Italien nach Deutschland übergeführte Stil der Renaissance um die Mitte des 16. Jahrh. nach Abschluß der aus der Reformation resultirenden Wirren, rasch sich entwickelte, und zwar eigenartig in jeder Provinz des deutschen Reiches, so weist auch unser Meklenburg in seinen Terracottabauten Leistungen jener Zeit auf, die in Bezug auf Eleganz nur mit den schönen Bauten gleichen Materials in Nord=Italien verglichen werden können, und die daher verschiedentlich auf italienische Einflüsse zurückgeführt wurden. * )
Die schönste Erhaltung solcher Terracotten bietet uns der i. J. 1880 von Luckow und Hamann restaurirte Fürstenhof in Wismar; und dies Bauwerk, sowie im Anschlusse daran den norddutschen Terracottenstil überhaupt einer eingehenden Behandlung zu
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unterziehen unternimmt Herr Dr. Sarre, indem er sich die Aufgabe stellt, "die Irrthümer, von denen die Geschichte desselben nicht frei geblieben ist, gestützt auf das vorliegende archivarische Material zu berichtigen, seine Eigenart stilistisch zu betrachten und einen Ueberblick zu geben über die Ausdehnung dieses Stils."
In dankenswerther Ausführung dieser Aufgabe weist derselbe zunächst nach, daß es nicht richtig sei, wenn "von anderer Seite der Hauptnachdruck darauf gelegt werde, daß die italienischen Paläste der Frührenaissance Einfluß geübt haben auf die eigenthümliche Formbildung des Fürstenhofs ! Eine Abhängigkeit der norddeutschen Terracottabauten überhaupt von italienischen Vorbildern sei vielmehr bestimmt zurückzuweisen. Denn, wie schon im Mittelalter die Länder an der Ostsee wegen des dort fehlenden Hausteins auf das heimische Material, den gebrannten Thon, angewiesen waren, und (wie an verschiedenen Beispielen, so an dem schönen Giebel des südlichen Kreuzschiffes an der Nicolaikirche in Wismar und an dem Holstenthor zu Lübeck nachgewiesen wird) Bedeutendes geleistet haben in Verzierung der im übrigen massigen Ziegelbauten, — so sei diese Kunst auch in der Zeit der Renaissance weiter geübt worden und habe jene schönen Terracottabauten hervorgerufen, von denen der 1554 gegründete Fürstenhof in Wismar als das "charakteristische Denkmal" jenes Stils anzusehen sei!
Die Vorbilder für die Formbildung der norddeutschen Terracotten seien daher nicht in Nord=Italien zu suchen, sondern in der decorativen Formgebung der Niederländischen Frührenaissance, wie sie Cornelis Floris in seinen Blättern darstellt. — Hier wie dort verleugne das Figürliche eine etwas rohe Behandlung nicht, indem weniger Werth gelegt werde auf das Schöne, wie auf das Charakteristische.
Herr Dr. Sarre stellt ferner fest, daß nicht, wie früher angenommen, Gabriel von Aken und Valentin von Lira die Baumeister des Fürstenhofs waren, sondern daß der Hofbaumeister des Herzogs Johann Albrecht: Ehrhard Altdorfer der eigentliche Architekt desselben war, während die Meister Gabriel und Valentin die Maurerarbeiten ausführten.
Mit früheren Autoren iibereinstimmend, räumt der genannte Herr Autor dem Bauherrn selbst, "dem kunstsinnigen Herzog Johann Albrecht einen wesentlichen Antheil an der geistigen Urheberschaft" für den Fürstenhof ein; indem "dieser humanistisch gebildete Fürst einen Vergleich mit den gleichzeitigen Herrschern in
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Italien, mit denen er im Briefwechsel stand, * ) nicht zu scheuen brauchte."
Als die Werkstatt, aus der die Terracotten für den Fürstenhof bezoßen wurden, weist der Herr Autor auf Lübeck hin, welches sich durch reiche Thonlager auszeichnet, und wo nachweislich schon zu Ende des 15. Jahrhunderts eine Ziegelei bestand, die die schönen Terracotten des 1476 vollendeten Holstenthores lieferte. Aus der Mitte des 16. Jahrhunderts werden schon zwei Ziegelbrenner genannt, von denen Statius von Düren, der nachweislich mit Ehrhard Altdorfer in Beziehungen stand, die Ornamente des Fürstenhofes geliefert hat.
Somit wird die bisherige Ansicht, daß die Fabrikation der norddeutschen Terracotten von Lüneburg ausgegangen sei, widerlegt, was um so mehr bestätigt wird durch den Umstand, daß man in neuerer Zeit die frühere Ziegelei des Künstlers bei Lübeck aufgedeckt, und dort Reste seiner Fabrikate gefunden hat.
Herr Dr. Sarre giebt dann eine ausführliche Uebersicht über den nicht umfänglichen Verbreitungsbezirk dieses eigenthümlichen Baustils, dem man nicht mit Unrecht den Namen: Johann=Albrechtstil gegeben hat. — Als äußerste Localitäten des Vorkommens führt der Herr Autor Stralsund, Kiel und Lüneburg an und weist die Zusammengehörigkeit der an den verschiedenen Localitäten verwandten Terracotten, und ihre Abstammung von Lübeck durch specielle Vergleichung der Ornamente und instructive Abbildungen derselben nach. — Eine Ausnahme hiervon machen vielleicht Terracotten von Rostock und Schloß Freyenstein.
In einem Anhang giebt der Herr Autor noch ein Verzeichniß der in Meklenburg von 1550-1600 nachweislich thätig gewesenen Architekten und Meister, zum Theil mit kurzem Lebensabriß, und in einer weiteren Anlage eine Reihe von Urkunden aus dem Großherzogl. Archiv, die einen Bezug auf die in Rede stehende Thätigkeit haben.
Allen, die sich für die baukünstlerischen Leistungen der Renaissancezeit interessiren, ist die vorliegende Arbeit des Herrn Dr. Sarre bestens zu empfehlen, wobei allerdings ein Bedauern darüber nicht unterdrückt werden kann, daß die photographischen Aufnahmen theilweise der wünschenswerthen Schärfe entbehren.
Dr. F. E. Koch = Güstrow.
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Bekanntlich trat im Jahre 1817 der Forstmeister von Drayß zu Mannheim mit seiner Fahrmaschine hervor, die den ersten Anfang des heutigen Fahrrades bildete, und in Deutschland nach seinem Erfinder "Draissine", von den Franzosen aber, denen er sich zu Paris im Jahre 1818 damit vorstellte, Vélocipède genannt wurde. Die Erfindung beruhte noch aus der Idee, daß der Reiter sich mit den Fußspitzen rechts und links abwechselnd abstoßen und dadurch den Rädern ihre Geschwindigkeit mittheilen mußte. Das vordere Rad diente als Lenkrad, die an dem oberen Ende der Lenkstange befindlichen Bügel dienten den Armen als Stütze, um die Balance besser halten zu können, was bei dem abwechselnden Abstoßen nach rechts und nach links nicht so ganz leicht war.
Bekannt ist die Entwickelung der Maschine zum heutigen Velociped, die namentlich den Amerikanern und Engländern zu verdanken ist, weshalb sich denn auch der englische Name Bicycle bei uns eingebürgert hat, den erst neuerdings der deutsche Name "Fahrrad" zu verdrängen strebt. Ebenso bekannt ist es, daß des Erfinders Name noch in der Eisenbahnwelt fortlebt, da man den Namen Draissine noch heute den kleinen Wagen beilegt, die Bahnwärtern, Bahnmeistern und kleineren Arbeitertruppen zur rascheren Beförderung auf der Strecke dienen und mit der Hand fortbewegt werden. Auch Sie verdanken einer Anregung des industriösen Forstmeisters von Drayß das Dasein.
Weniger bekannt ist es aber, daß schon im Beginn des Jahres 1818 ein solches Drayß'sches Fahrrad in Meklenburg sich befand, noch ehe Drayß mit ihnen in Paris sich hatte sehen lassen.
Der Landrath Jaspar von Oertzen auf Roggow machte mit demselben dem hochseligen Großherzoge Friedrich Franz I. ein Geschenk, anscheinend nicht ohne daß eine, vielleicht mündlich geführte Verhandlung darüber zwischen den beiden stattgefunden hätte, in welcher der Großherzog den Wunsch ausgesprochen hatte, eine solche Maschine zu sehen. Ob sie in Ludwigslust je zur Anwendung gekommen ist, läßt sich nicht sagen. Die Thatsache aber, daß der Fürst sein Interesse dieser Erfindung entgegengebracht hat, rechtfertigt wohl die Mittheilung des Briefes, mit welchem die Maschine ihm überbracht wurde.
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"Roggow, den 15. Martz 1818.
Ew. Königlichen Hoheit, haben eine nach der Erfindung des Herrn Forstmeister v. Drais nachgemachte Fahrmaschiene zu haben begehret, und es gewähret mir ein ganz besonderes Vergnügen damit unterthänigst aufzuwarten. nehmen Ew. Königlichen Hoheit dieses unbedeutende kleine Angebinde, wie einen Beweiß meines guten Willen, mit gewohnter Huld und Gnade an, und erinnern sich dabei meiner.
Man muß von dieser Maschine nur das begehren, was sie nur leisten soll, nämlich den Fußgänger aus grossen Touren und festen Wegen ein schnelleres Fortkommen und Erleichterung zu gewähren, und nicht glauben das diese Maschine, wenn ein Mensch damit läuft, ein Pferd damit vorbeieilen könte. So viel ist gewiß, das ein geübter Läufer auf dieser Maschine einen jeden Fußgänger, der noch so stark läuft, vorbeieilen wird. Uebung ist zu einer jeden Sache erforderlich und man muß beim ersten Versuch nicht gleich davon abstehen und auch dieß für eine angreifende unnütze Erfindung halten, da man genöthigt sei die Füße wie beim gehen zu gebrauchen, man wird in der Folge erfahren, das die Körperlast durch den Wagen getragen, und man nur ab und an die Füsse anzusetzen braucht und der Wagen, wenn er im graden Lauf ist, und man nur erst die Balance zu halten gelernt hat, von selbst mit einer Leichtigkeit sich ohne grosse Anstrengung fortbewegen wird, und darüber erstaunen, wie bald man durch fortgesetzte Uebung es zu einer Vollkommenheit hierin erlangen wird, nur muß man in Anfang nur ganz langsam damit fortschreiten, und durchaus nicht gleich damit schnell laufen wollen, dieß wird von selbst schnell genug gehen, auch wenn ein nebenbei gehender Fußgänger den ungeübten Reuter der Fahrmaschine zuerst vorkommen solte, so wird dieser baldigst zurückbleiben, wenn dieser nur erst seiuen Körper grade auf der Maschine in Balance zu erhalten lernet.
Ehe man abfähret, muß man den Sattel grade so hoch schrauben das die Füsse an die Erde stehen, und dan sich grade setzen, den Stock vor sich mit beiden Händen anfassen, und dahin trachten, das beide Räder in einer graden Linie stehen, dan ganz langsam zuerst die Maschine durch abwechselnde Ansetzung der Füsse in Bewegung setzen, und dan diesen graden Gang der Rader zu erhalten bemühet sein, und immer schneller und besser wird der Lauf gehen, besonders Berg ab, und wenn man einen Berg entgegen
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muß, wird diese Anstrengung nicht stärkere Beschwerde verursachen, als wenn man einen Berg zu Fusse hinauf steigen muß. Zum höher Schrauben des Sattels habe ich einen Schlüssel fertigen lassen, damit grosse und kleinere Leuthe sich dieser Fahrmaschine bedienen können. Der kleine Sattel muß aber viel besser mit guten Krulhaaren wie solches bis jetzt geschehen ausgestopft werden, ich würde dieß haben fertigen lassen, doch auf dem Lande hat man dazu keine Gelegenheit, dieses schnell in Ausführung zu setzen, Ew. Königlichen Hoheit können dies in Ludwigslust in einer Stunde gefertiget erhalten, ich habe die Absendung darnach nicht aushalten mögen, es ist dieß aber durchaus nothwendig, weil einen sonst die Lenden Schmertzen werden, besonders muß die Polsterung seitwärts vorzüglich geschehen und ich würde noch anrathen ein Schaaffell darüber befestigen zu lassen, wie die Lanziers oder Husaren sich diese auf Ihren Sätteln bedienen, den zu weich kann dieses aus keinen Fall sein, auch muß der Lenker unten mit weiser Seife bestrichen werden, damit es sich nicht klemmt. — Bei den Wendungen im Lauf muß man vorsichtig sein, weil die Räder wegen Kürtze der Maschine einen sonst leicht an die Füße stossen, und man es schon zu einer grossen Uebung gebracht haben muß um dies zu vermeiden. Die Räder, worin Messingsche Buchsen, müssen mit gutes Baum Oele geschmiret werden, auch dort wo das Eisen durch Glantz sich zeiget das es scheuert. Gefält dieser Wagen, so können sich Ew. Königlichen Hoheit von Ludwigsluster Künstler daran annoch einen besseren machen lassen, wo ich dan anrathen würde, das Gestelle des Wagens etwas länger machen zu lassen, und das Hinterradt etwas höher, dan wird der Druck und die Schnellkraft noch stärker und die Wendungen nicht so beschwerlich sein. Nach meiner Ansicht würde der Fußweg vom Schloß nach den Schweitzer Hause sich zur ersten Probe am besten qualificiren. Man muß diese Erfindung nicht verwerfen und es so ansehen wie Schrittschuhe, die man nur auf den Eise brauchen kann, also wird diese Fahrmaschine auch nicht in ganz tiefen Wegen, oder im Sande mit Nutzen anzuwenden sein, macht ein Fahrlustiger eine große Tour damit, wo es nicht fehlen wird, daß er in unsern Vaterlande leider, schlimme Stellen vorfindet, so wird er genöthiget sein, seinen Laufwagen an der Hand seitwärts zu nehmen und ihm neben sich fortzuschieben, bis er wieder einen festen Fußsteig oder festen Weg vorfindet.
Ehe also die Probe angestellet wird, wiederhole ich die Polsterung des Sattels, das Schmiren der Rader mit reines Baum Oele, das schmiren des Lenker, wo Holtz an Holtz kömt, mit Seife über das Vorderrath — die Aufschraubung des kleinen Sattels
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zur Höhe desjenigen anpassent, der die Fahrmaschine besteigen will — und dan beim Anfang ganz langsam die Maschine in Bewegung gesetzt — und nicht gleich in Laufen davon zu eilen — dies wird schon von selbst kommen.
Auf jeden Fall wird die Maschine, für einen nicht zum gehen geübten Mann ermüdent werden, und ein gewisser J. L. S. Bauer in Nürnberg hat die v. Draissche Maschine zu verbessern gesucht, sodaß diese mit 3 Rädern, nämlich 2 hinten und 1 vorne versehen sind, sodaß man nicht die Balance zu halten nöthig hat und durch Maschinerie der Wagen fortbewegt werde. Ich habe auch eine solche in Rostock bei einen geschickten Künstler bestellet — man sitzt wie auf den Pferde in Steigbügel, und durch eine leichte Bewegung der Hand soll die Maschine durch einen Hebel fortbewegt werden. Ob nun dieses brauchbar werden wird, muß die Zeit lehren, ich hoffe diese in kommender Woche zu erhalten und ich werde sehen, ob die Ausführung sich durch den Erfolg bewarheiten wird — und wenn Ew. Königlichen Hoheit diese befehlen, werde ich solche sofort zu übersenden die Ehre haben und meine Auslagen dafür Ew. Königlichen Hoheit in Ansatz bringen, doch solte die Maschine nicht den beabsichtigten Zweck erreichen, so übersende ich diese nicht — den mein Künstler muß dan diese wieder unentgeldtlich zurücknehmen — Recht viel Zutrauen habe ich zu den combinirten Wesen nicht, die Einfachheit dieser Laufmaschine, wo man durch eigene Füße die Fortbewegung befördert, ist gewiß anwendlicher, sich schneller damit von der Stelle zu bewegen, doch muß man dergleichen Erfindungen nicht verwerfen sonst würde nichts besseres erfunden, und das vollkommene Schiff wäre wohl nicht dahin gediehen, wenn man nicht mit einen ausgehölten Baum den Anfang gemacht hatte.
Entschuldigen Ew. Koniglichen Hoheit dieses langen und gedenten Vortrages, ich habe es aber nöthig gehalten, damit diese Maschine nicht gleich bei Seite gesetzt werde, wenn es im Anfang auch nicht damit glücken wird — aus Erfahrung weiß ich, das diese brauchbar und anwendlich ist, und wenn ich das Glück haben werde Ew. Königlichen Hoheit in Dobberan meine Verehrung zu bethätigen, werde ich einen Laufenden damit hinsenden, der es zu einer besonderen Fertigkeit darin gebracht hat.
Die Unterthänigkeit und wahre Anhänglichkeit versichert
Ew. Königlichen
Hoheit
unterthänigster Oertzen v. Roggow." |
(Mitgetheilt von Grotefend.)
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Ein Schreiben des Helmuth v. Rohr an den Herzog Ulrich v. Meklenburg vom 16. Juli 1588 berichtet über die Ermordung des Pastors zu Priborn. Der klare, sachgemäße Bericht gewährt uns manche Einblicke in das Leben des 16. Jahrhunderts gleich nach der Reformation, so daß er der Veröffentlichung in diesen Blättern werth sein dürfte. v. Rohr nennt den Namen des Pastors nicht, es ist aber aus andern Acten bekannt, daß der Priborner Pastor 1588 Johannes Kökeritz hieß.
Der Bries v. Rohrs lautet:
"Durchleuchtiger, hochgeborner Fürst. E. F. G. sein meine unterthänige bereitwillige Dienste eußerstes Vermögens jederzeit zuvor. Gnediger Herr. E. F. G. kann ich meiner erheischenden Noturft nach unterthäniglich nicht verhalten, wie daß mein Prediger zu Priborn, nachdem er Gottes Wort lauter und rein gepredigt, allerlei Laster und Schande, so im selben Dorfe häufig geübet, insonderheit die Dieberei, weil es der Text mitgebracht, heftig gestrafet, daselbst sich ein muthwilliger Lästerbube Degener Restorfes Unterthan, Hans Pralow genannt, nach geendigter Predigt und Communication zu ihme verfüget und angezeiget, ob er sich wol solch Schelten hart zu Gemüthe gezogen, sintemal er ehemals mit derselben Sünde behaftet gewesen, So wußte er gleichwol doch dagegen, daß er sich solcher Verbrechung halben mit der fürstlichen Wittwe zu Lübz 1 ) desfalls in aller Unterthänigkeit verglichen, wogegen aber gemeldeter Pastor ihm allerlei, daß es sein Amt mitbrächte und die Bosheit in demselben Dorfe ganz sehr überhand nehme, hinwiederum erinnert wie dann auch nicht er allein, sondern alle diejenigen, so ein bös Gewissen hätten, damit gemeinet. Es hat sich aber gemeldeter Pralow daran nicht ersättigen lassen, sondern wie vorgedachter Pastor heute vor acht Tagen als den 9. Majus vorm Schulzengerichte (Schulzengehöfte) gesessen, ist er wieder zu dem Pastoren gegangen und ihm ganz widerwärtige Worte gegeben, hat auch alsbald darauf, wie ihm der Pastor mit hastigem Muthe geantwortet, mit einen Knebelspieß in ihn jämmerlich gestochen, daß er von Stund an todt geblieben.
Als ich nun den armen entleibten Pastoren, wie ja billig und recht, insonderheit weil ich und meine Vettern das jus patro-
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natus desselben gerichtes haben, wie dann künftig genugsam soll dargethan und erwiesen werden, über solchen muthwilligen Mord beschreien lassen wollen, haben mir solches die Flotowen zum Stuer wider alle Fug und Recht gehindert und itzo an der Gerichtsgewalt sich Gerechtigkeit mit anmaßen, dessen sie nunmehr erweisen sollen. Jedoch haben wir uns endlich mit einander verglichen, daß wir folgendes Morgens wieder [zu] Priborn zusammenkommen und uns wegen der Beschreiung bereden und vereinigen wollen. Welchem Abschiede und aller Ehrbarkeit zuwider sein sie aber de facto zugefahren und den Todten, ehe noch ich oder die Meinen daselbst angekommen, in die Erde bescharret und hernach eilig davon gefahren, vermeinen also dadurch meinen und meiner Vettern vor undenklichen Jahren wohlerlangete Gerechtigkeit mir mit Gewalt zu nehmen, und da ich dann mit gleicher Gewalt solches wollte wehren, dazu ich wohl befugt, hoffe ich nicht, daß ich daran groß Unrecht thun würde, muß aber solches itzo noch Gott und der Zeit befehlen und es künftig zu E. F. G. gnädiger Erkenntniß stellen.
Wann aber, gnädiger Fürst und Herr, in erwähntem Dorfe Priborn die Bosheit fast ganz überhand nimmt und allerlei los Gesinde und Landstreicher, insonderheit leichtfertige Weiber auf der Flotowen Hofe geschützet, gelitten und gehandhabet, und gleichwol auch hoch vonnöten, daß den frommen und Bußfertigen in des verstorbenen Predigers Stätte ein ander frommer, tüchtiger Prediger wiederum verordnet, damit die armen Leute, so Gottes Wort gerne horen und darnach leben, nicht versäumet werden, Alß gelangt demnach an E. F. G. mein ganz unterthäniges Bitten, E. F. G. wollen ex officio den edlen, ehrnvesten, ehrwürdigen und hochgelarten E. F. G. Hauptmann zu Plau und Superintendenten zu Güstrow Andrea Celichio auferlegen, daß sie ehestes Tages zu Priborn einen andern frommen und tüchtigen Prediger wiederum einsetzen und confirmiren mögen. — — — — Datum Güstrow den 16. Juli Anno p. 88.
E. F.
G.
untertheniger Lehnmann Helmut Rhor." |
(Mitgetheilt von Fr. Schildt.)
Im Auftrage des Vereinsvorstandes
aushülflich besorgt von
Fr. Schildt.