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LVI, 1.

 

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.

Schwerin, October 1890.

I. Geschäftliche Mittheilungen.

Die vierteljährliche Vorstandssitzung konnte, weil bis dahin mehrere Vorstandsmitglieder behindert waren, erst am 20. October stattfinden. Dieser Sitzung wohnten bei die Herren Staatsminister von Bülow Exc., Staatsrath von Bülow Exc., Archivrath Dr. Grotefend, Ministerial=Registrator Schwerdtfeger, Regierungsbibliothekar Dr. Schröder, Geh. Finanzrath Balck, Oberstlieutenant von Weltzien und Amtmann von Oertzen.

Nach dem Bericht über die Vereinsmatrikel sind

A. aus dem Verein geschieden:

1) das Ehrenmitglied Herr Geh. Justizrath Mencke zu Schwerin, Mitglied seit 18. Sept. 1835, Ehrenmitglied seit 24. Apr. 1885, gest. 15. d. Mts., sowie die ordentlichen Mitglieder:

2) Herr Domänenrath Jordan zu Wismar, Mitglied seit 16. Dec. 1843, gest. Anf. August d. J.;

3) Herr Dr. med. Techen zu Wismar, Mitglied seit 3. Febr. 1851, gest. im Juli d. J.;

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4) Herr Postdirector Zickermann zu Teterow, Mitglied seit 22. Mai 1883, ausgetreten 31. Aug. 1890;

5) Herr Rentner Jahn zu Rostock (früher auf Kl. Vielen), Mitglied seit 1. Nov. 1837, gest. im Aug. 1890;

6) Herr Gutsbesitzer von der Lühe auf Kalsow, Mitglied seit 2. Jan. 1889, ausgetreten 2. Oct 1890;

7) Herr Medicinalrath Dr. Brückner zu Neubrandenburg, Mitglied seit 4. Juni 1874, ausgetreten 8. Dct. 1890.

B. aufgenommen:

1) Herr Ministerial=Secretär Crull zu Schwerin;
2) Herr Hofgraveur Wilh. Lenthe zu Schwerin;
3) Herr Stadtbaudirector Hübbe zu Schwerin;
4) Herr Oberstabsarzt Dr. Witte zu Schwerin;
5) Herr Landgerichtsrath Büchner zu Schwerin;
6) Herr Kammerherr von Döring auf Setzin;
7) Herr Dr. phil. Sarre zu Berlin;
8) Herr Ministerialrath Ehlers zu Schwerin;
9) Herr Oekonomierath Schumacher zu Zarchlin;
10) Herr Geh. Oberfinanzrath Schmeitzer zu Schwerin;
11) Herr Geh. Baurath Jacobi zu Schwerin;
12) Herr Finanzrath Duelberg zu Schwerin;
13) Herr Oberlandbaumeister Dr. Koch zu Güstrow;
14) Herr Kammerherr von Suckow zu Dresden;
15) Herr Buchdruckereibesitzer Herberger zu Schwerin;
16) Herr Organist Ochs zu Wismar;
17) Herr Districtsingenieur Voß zu Schwerin;
18) Herr Redacteur Kraus zu Schwerin;
19) Herr Amtsrichter Witt zu Tessin;
20) Herr Gutsbesitzer von Barner auf Bülow b. Crivitz;
21) Herr Kaufmann Regenstein zu Mazatlan in Mexiko;
22) Herr Dr. med. Kortüm zu Schwerin;
23) Herr Pastor Horn zu Neustrelitz;
24) Herr Schriftsteller Graff zu Schwerin;
25) Herr Bankdirector Kayser zu Schwerin;
26) Herr Bürgermeister Holldorff zu Plau;
27) Herr Amtsrichter Birckenstaedt zu Plau.

In der Vorstandssitzung wurde beschlossen:

1) die Protokolle der Versammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine 8.-10. Sept. d. J. zu Schwerin sollen in 100 Exemplaren angeschafft und an die diesseitigen Theilnehmer an der Versammlung abgegeben werden.
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2) Die Titel der unserem Verein von den auswärtigen Vereinen überwiesenen Schriften sollen künftig einmal jährlich mitgetheilt werden.
3) Die in der letzten Generalversammlung zu Wismar erwählte Commission zur Sammlung von Volksliedern, Räthseln, Reimen, Legenden u. s. w., bestehend aus den Herren Staatsminister von Bülow Exc., Staatsrath von Bülow Exc., Oberschulrath Lorenz, Oberschulrath Dr. Hartwig, Regierungsbibliothekar Dr. Schröder, Archivrath Dr. Grotefend, sämmtlich zu Schwerin, Gymnasiallehrer Wossidlo zu Waren und Pastor Dr. Krüger zu Kalkhorst, wird ermächtigt, auf Kosten des Vereins einen Aufruf zu ihrem Zwecke zu erlassen. Pastoren, Lehrer Gensdarmen sollen, wo möglich durch ihre vorgesetzten Behörden, zur Mithülfe aufgefordert werden. Für Herrn Wossidlo, der besonders die Sammlung im Lande übernehmen wird, werden zu Reisezwecken u. dgl. 500 Mk. bewilligt.
4) Im Laufe des Winters sollen in zwanglosen Terminen in Dabelsteins Restauration Versammlungen stattfinden, in welchen geschichtliche und geographische Vorträge gehalten werden.
5) Wegen Herausgabe des Urkundenbuchs, insbesondere auch wegen des Druckes der Register zu demselben, wird zum 3. Nov. eine außerordentliche Vorstandssitzung anberaumt.
6) In das nächste Jahrbuch soll die der Versammlung des Gesammtvereins gewidmete Festschrift ausgenommen werden.
7) Die Quartalberichte sollen von jetzt an wieder regelmäßig ausgegeben werden. Es soll dahin gestrebt werden, daß bei möglichst billiger Herstellung der Inhalt derselben reicher und mannigfaltiger werde.

Um diesem letzten Beschlusse Rechnung zu tragen, werden von jetzt an die Quartalberichte in einem 2. Theile kleine wissenschaftliche Mittheilungen enthalten.


II. Wissenschaftliche Mittheilungen.

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1. Ueber einige neuere Funde aus der Wendenzeit.

Es ist bekannt, daß die Bezeichnung "wendische Alterthümer" eine immer größere Beschränkung erfahren hat. An die Echtheit der "wendischen" Götzen glaubt heute niemand mehr; aber auch die "Wendische Krone" ist unzweifelhaft mehrere hundert Jahre früher im Boden geborgen, als der erste Wende unser Land betrat;

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und es ist heute sicher, daß der Name "Wendenkirchhof", der sich an zahllose Urnenfelder im Lande heftet, nur die Erinnerung des deutschen Einwanderers an den Namen der früheren Bevölkerung bewahrt, daß aber keiner der vielen bekannt gewordenen Wendenkirchhöfe jünger ist, als das fünfte Jahrhundert. Wenn wir so den Begriff "wendisch" einschränken, so müssen wir als Pflicht anerkennen, nachzuweisen, was wirklich wendisch ist; und je weniger wir davon aufzuweisen haben, desto werthvoller wird jede neuere Beobachtung auf diesem Gebiete. Die Hauptfundplätze für wendische Alterthümer sind die Burgwälle, an denen Meklenburg so sehr reich ist, aber was man auf Burgwällen findet, sind verlorene und verworfene Sachen, aus denen sich das Gesammtbild einer wendischen Kultur unmöglich gewinnen läßt. Aufschluß haben die Burgwälle besonders über die Wendische Keramik gegeben, denn die oberen Schichten derselben sind immer durchsetzt von zahllosen Scherben einfachen Thongeräthes. Auf der letzten Generalversammlung des Gesammtvereins der Geschichtsvereine in Schwerin 8.-10. Sept. d. J., war die Frage aufgeworfen, ob innerhalb der "Burgwall"keramik ein zeitlicher Unterschied bemerkbar sei. Eine Durchmusterung des in der Alterthumssammlung des Großh. Museums aufbewahrten Materials hat es wahrscheinlich gemacht, daß in der That die mit Horizontallinien verzierten Gefäße im allgemeinen jünger sind, als die mit den Wellenlinien; die nähere Begründung muß einer Specialbehandlung vorbehalten bleiben, zu der aber die Herbeischaffung eines größeren Materials dringend wünschenswerth ist. Alle, die Gelegenheit haben, Burgwälle zu besuchen, können durch die Sammlung und Einsendung von einer möglichst großen Anzahl Scherben, besonders natürlich verzierter, sowie Rand= und Fußstücken zur Aufklärung einer der dunkelsten Zeiten unserer Landesgeschichte beitragen. Außerhalb der Burgwälle haben sich Gefäße vom Burgwalltypus sehr selten gefunden, und zwar noch nie in einem Grabe; einige frühere Funde (von Bobzin, Schwan und Waren) sind schon publicirt, eine dankenswerthe Erwerbung aus den letzten Jahren war es, daß ein bei dem Bau der Bahn Wismar=Karow in der Gegend von Warin gefundener, wohl erhaltener Wendentopf von Herrn Geh. Commerzienrath Lenz in Stettin dem Großh. Museum eingesandt wurde, der die charakteristische Wellenlinie und einfache, mit einem Stempel eingedrückte Kreisverzierungen bei höchst roher Arbeit zeigte. — Aus welcher Zeit die ältesten Burgwälle stammen; welches die Gründe sind, die zu ihrer Anlage geführt haben, darüber sind die Meinungen durchaus noch nicht geklärt. Das scheint mir aber unzweifelhaft, daß wir an zwei Stellen ein System von Ver=

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theidigungspunkten annehmen müssen, in der Linie Schwerin=Dobin (b. Hohen=Viecheln)=Meklenburg=Ilow, sodann an der Warnow in Bützow=Eikelberg=Werle und weiterhin wohl auch Alt=Doberan (Althof), wo allerdings noch keine Burgstelle gefunden ist. Zu vermuthen wäre dann auch eine Recknitzlinie; doch ist hier bisher nur der von Herrn Pastor Beyer, Jahrb. 52, bekannt gegebene Wall von Lage zu nennen 1 ); neuerdings ist bei Zehlendorf eine Stelle genannt, welche auf einen Burgwall schließen läßt, doch ist dieselbe noch nicht untersucht. Daß die Wenden die Sümpfe und Seen nicht nur zu Vertheidigungszwecken ausgesucht, sondern auch gerne zu Wohnstätten gewählt haben, war nach Beobachtungen in unseren Nachbarländern längst bekannt, in Meklenburg aber bisher nur wenig beobachtet. Neuerdings sind mehrere solche Ansiedlungen im oder am Wasser untersucht worden, wo auf einer horizontalen Balkenschichtung, welche aus einem Pfahlroste oder auch auf einer natürlichen Sandbank ruhte, eine Kulturschicht mit demselben Inventar, wie wir es auf den Burgwällen kennen, sich fand. Schreiber dieser Zeilen hat vor einigen Jahren eine solche Wohnstelle in einer weiten Moorfläche bei Dummerstorf (bei Rostock) mit Unterstützung des Besitzers Herrn von Preen untersucht; und vor kurzem hat Herr Pastor Beyer über eine fast ganz gleiche, aus einer kleinen Insel im Hohen=Sprenzer See bei Dudingshausen berichtet und charakteristische Fundstücke eingesandt. Zu diesen wendischen Ansiedlungen gehört auch, soweit die Berichte ein Urtheil zulassen, die Kulturschicht auf der Fischerinsel bei Wustrow, die neuerdings zu so lebhaften Controversen Veranlassung gegeben hat. — Es ist oben erwähnt, daß wir eine wendische Urnenbestattung in Meklenburg nicht haben. Es war bisher überhaupt nur ein wendisches Grabfeld bekannt, die Skelettgräber in der Kiesgrube von Bartelsdorf bei Rostock, die gleich nach ihrer Entdeckung im Jahre 1862 von Lisch richtig bestimmt wurden, obwohl man erst später ein sicheres Kriterium für Wendisches gefunden hat, nämlich den "Schläfenring". Jetzt nun ist ein Grabfeld entdeckt, welches mit dem Bartelsdorfer in Anlage und Ausstattung fast völlig übereinstimmt, nämlich in Zehlendorf bei Kritzkow. Das Verdienst, die Aufmerksamkeit zuerst auf dasselbe gelenkt zu haben, gebührt dem Lehrer in Zehlendorf, Herrn Kreutzer. In einer Sandgrube war man mehrmals auf Skelette gestoßen, die theils von Steinen bedeckt waren, theils in Särgen beigesetzt (einige Sargnägel sind erhalten), in den Händen hatten sie eiserne Messer,


1) Bei Dudendorf und Kuckstorf giebt es wenigstens Rundwälle. D. Red.
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an den Schläfen saß ein Ring mit zurückgebogener Oese, zwei derselben hat Kr. dem Großh. Museum übergeben, beide von Bronce mit Silberbelag; zu Füßen standen einige Male Thongefäße. Unterzeichneter hat am 2. Oct. d. J. mit Herrn Pastor Beyer die Stelle besehen, und wir waren so glücklich, ein vollständiges Skelett ausgraben zu können, dessen Schädel tadellos erhalten ist, in der rechten Hand hielt der Beerdigte ein Messer mit hölzernem Griff. Es ist anzunehmen, daß das Grabfeld bei einer systematischen Ausgrabung uns noch weitere reiche Belehrung geben wird, und wir hoffen dann einen echten alten Wenden, aus seinen Gebeinen zusammengesetzt, ebenso drastisch vorführen zu können, wie das seit Kurzem mit unserem Wappenthiere in dem bos primigenius von Renzow des Großh. Museums gelungen ist.

Schwerin, 18. Oct. 1890.

Dr. R. Beltz,
Vorstand der Abtheilung für vaterländische
Alterhümer am Großh. Museum.

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2. Münzfund zu Möllen bei Krakow.

Im Januar d. J. wurde auf der Feldflur von Möllen bei Krakow das Fundament eines Gebäudes aufgedeckt, bei dessen Losbrechen 30 Münzen gefunden wurden. Infolge einer durch Herrn Apothekenbesitzer Funk zu Krakow mir gemachten Mittheilung hatte Herr Fabrikant C. Lorenz zu Krakow die Gefälligkeit, den Fundort zu besichtigen. "Derselbe", so schreibt der genannte Herr, "liegt in der graden Verlängerung des Weges von Bossow nach Möllen fast unmittelbar an dem Ufer des Krakower Sees. Soweit derselbe hat freigelegt werden können — ein noch übriger Theil ist von dem Umgang einer Häckerlingsmaschine bedeckt — ist das Fundament aufgebrochen und die Steine verkauft. Es hat eine Stärke von circa 1 m gehabt und ist mit sehr festem Mörtel vermauert gewesen. Vier Mauersteine von sehr großem Format sind gefunden, die durch eine eiserne Klammer verbunden waren und so bis heute erhalten sind" (27. Jan. 1890). Die Münzen, die im Besitze des Eigenthümers des Feldes, Erbpächters Bening zu Möllen, sich befanden, waren 10 dänische: Doppelschillinge von 1603 (1); 1618 (3); unleserlich (2); Schillinge 1606 (1); 1611 (1); 1615 (1); unleserlich (1); — 9 meklenburgische: Hans Albrecht: Schillinge 1618 (1); 1621 ? (1); 1622 (1); 1623 (1); Sechsling 1622 (1); Adolph Friedrich: Schillinge 1622 (2);

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Sechslinge 1622 (1); 1623 (1); — 2 pommersche: Doppelschilling 1622 (1); Schilling 1622 (1); — 4 Lübische: Schilling 1563 (1); Sechslinge 1620 (1); 1622 (1); 1624 (1); — 3 Rostocker: Schillinge ohne Jahr (3); — 2 Wismarer: Schilling 1623 ? (1); Sechsling 1622 (1). Die Münzen wurden, da sie ohne Interesse für die Großherzogliche Sammlung waren, dem Besitzer wieder zugestellt.

Grotefend.


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3. Familien=Erinnerungen aus der napoleonischen Zeit.

Unter diesem Titel erzählt in Nr. 9 der Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Berlins von 1890 der Gymnasiallehrer Dr. Ernst Georg Bardey zu Nauen Erlebnisse seiner Vorfahren. Wir geben hier die für Meklenburg bezüglichen wieder:

"Sehr merkwürdige und für die Familie meines Namens folgewichtige Erlebnisse hatte auch mein Großvater, der Pastor Carl Bardey, welcher im Jahre 1809 zu Gorlosen in Mecklenburg=Schwerin an der Grenze der Priegnitz wohnte. Nachdem das Dorf bereits mehrmals von den Franzosen ausgeplündert worden war, erschien wieder einmal eine Abtheilung derselben, um den Bauern Lieferungen aufzuerlegen. Mein Großvater übernahm es aus Liebe zu seiner Gemeinde, zu verhandeln, und lud die Führer zu sich ins Pfarrhaus, wo er sie bestmöglichst bewirthete, um sie dadurch zur Herabminderung ihrer Forderungen zu bewegen. Plötzlich bringt die Nachricht, daß die Schillschen 1 ) aus dem Preußischen anrücken, alle in Bewegung. Sie schieben meinem Großvater die verrätherische Absicht unter, als habe er sie nur deswegen gut traktirt, um sie aufzuhalten und den Feinden in die Hände zu liefern. Nichts helfen Betheuerungen. Sie nehmen ihn, wie er geht und steht, ohne Mütze und Stiefel mit und ziehen in der Richtung nach Grabow ab. Seine Frau stürzt auf den Kirchhof an der Straße und schreit jammernd und händeringend um Hülfe. Zum Glück reitet noch ein Offizier vom Nachtrab vorbei und ruft in deutscher Sprache die Jammernde mitleidig an, was ihr fehle. "Sie haben meinen Mann mitgenommen, der nichts verbrochen hat", ist die flehende Antwort. Mit dem Versprechen,


1) Es war der Zeitpunkt, wo der Major von Schull, welcher mit seinen Freischaaren die Feinde in Norddeutschland überall aufsuchte, gegen die Citadelle von Dömitz vorrückte.
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thun zu wollen, was er vermöge, reitet der Offizier von dannen. In Grabow kommt er in dem Augenblick an, wo die Soldaten meinen Großvater bereits in einem Halbkreise umstellt haben und sich anschicken, ihre Gewehre auf ihn zu richten. Er hatte es zurückgewiesen, sich an einen Baum binden zu lassen, und hatte selbst seine Brust zum Ziel entblößt. Der Einspruch des Offiziers in diesem Augenblick rettete ihm das Leben. Er durfte fliehen. Er lief gerade feldeinwärts, durchschwamm die Elde und kehrte nach Gorlosen zurück. Seine Gattin aber erkrankte infolge des Schrecks und starb sehr bald, ohne daß die Ehe mit Kindern gesegnet war.

Wie der Krieg meinem Großvater die eine Gattin geraubt hatte, so brachte er ihm auf gleich merkwürdige Weise eine andere. Denn als der Großvater später nach Muchow bei Grabow versetzt worden war, begab es sich in den immer noch trüben Zeiten, wo der schreckliche Davoust von Hamburg aus auch Mecklenburg heimsuchte, daß das Nachbargut Zierzow, wo mein Urgroßvater, der Staatsrath von Kossel, wohnte, völlig ausgeplündert wurde. Die sechszehnjährige Tochter desselben, Sophie, flüchtete mit einem Kästlein voll Werthsachen ins Feld, um sich selbst vor den Barbaren zu retten und das Kästlein, welches ihr vom Vater anvertraut war, unter einem bezeichneten Baume zu verscharren. Bei dieser Arbeit traf mein Großvater, welcher gerade einen Spaziergang nach seinem Acker machte, die Weinende. Er tröstete sie als Seelsorger und bot ihr Aufnahme in seinem Hause an, wohin sie mitging. Da sie dem frommen Mann als eine vom Himmel gesendete Lebensgefährtin erschien, so warb er um ihre Hand, die sie nicht versagte. Sie wurde dann seine glückliche Gattin und als solche meine Groß= und überhaupt die Stammmutter der blühenden Familie meines Namens.


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4. Das ehemalige Kirchspiel Poverstorf.

Von einem Orte Namens Poverstorf haben unsere Zeitgenossen wohl kaum noch etwas gehört, und doch ist es noch nicht garzu lange her, da kannte Jedermann ein westlich von Sternberg in der Nähe der Warnow gelegenes Gut unter diesem Namen. Seit 1810 allerdings ist amtlich für Poverstorf ein anderer, besser klingender Name eingeführt, denn der Ort wird seitdem Schönlage genannt. Wir können nur leider für unsere geschichtliche Erzählung

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diesen schönen Namen nicht gebrauchen, da derselbe in der Zeit, in welche wir uns zurückversetzen müssen, noch nicht erfunden war.

Poverstorf war, wie die Ueberschrift dieser Erzählung schon andeutet, in früheren Jahrhunderten ein Kirch= und Pfarrdorf, und eine Anzahl der umliegenden Dörfer war dahin eingepfarrt, diese bildeten also mit dem Pfarrdorfe das Kirchspiel Poverstorf.

Die älteste Nachricht über dieses Kirchspiel stammt aus dem Jahre 1541, also aus einer Zeit wo man in Meklenburg von dem katholischen Bekenntniß zum Protestantismus übertrat. Das Protokoll über eine 1541 zu Poverstorf stattgehabte evangelische Kirchenvisitation berichtet: "Poverstorp. Zu dem Kerspel gehort Weitendorpe, Karze, Weselin, Hunikendorp (verschrieben für Julikendorp) und Venzkow. Die Kerke hat der Präceptor zu Tempzin zu verleihen. Herr Paulus Wigand, Pastor, ist ein Ehemann, ziemlich gelehrter, frommer Prediger. [Er] hat jährlich 7 Drömpt Mißkorn weniger 2 Scheffel. 6 Hufen [Pfarrländereien], eine gebraucht er, 5 [sind] verheuert, davon geben [die Pächter] 2 jährlich jeder 20 ßl., die andern 3 jeder jährlich 16 ßl. 3 Gulden trägt der Vierzeiten=Pfennig. Kerkenguter: 2 Kelte und 2 Patenen, silbern, 1 Monstranz, Kupper, überguldet, 1 silbern Petzkreuz. 15 ßl. jährliche Pacht. Kein baar Geld." In den genannten Kirchspiels=Dörfern sind, außer Poverstorf und Weselin, leicht die heutigen Orte Weitendorf, Kaarz, Jülchendorf und Venzkow zu erkennen. Weselin ist zu Anfang unseres Jahrhunderts untergegangen, es lag auf der Kaarzer Feldmark in der Richtung nach Necheln zu, unweit der Warnow. Poverstorf ist, wie gesagt, Schönlage. In den späteren Acten, z. B. 1603, wird auch Necheln mit zur Poverstorfer Gemeinde gezählt. Da der Pastor der Kirchengemeinde 1541 ein Ehemann genannt wird, so war er bereits zum Protestantismus übergetreten. Daß derselbe von den Visitatoren gelehrt und fromm genannt wird, bedeutet allerdings nicht viel, denn diese evangelischen Visitatoren nannten die schon zum Protestantismus übergetretenen Geistlichen, zumal wenn sie verehelicht waren, stets gelehrt und fromm. Der Präceptor zu Tempzin, d. i. der Vorstand des Antoniusklosters daselbst, hatte das Patronat über die Poverstorfer Kirche, was mit den Worten, "er hat die Kirche zu verleihen", ausgedrückt wird.

Das Einkommen des Predigers bestand nach dem mitgetheilten Protokoll aus dem Ertrage der Pfarrländereien, aus Meßkorn und aus dem Vierzeiten=Pfennig, der ein Opfergeld ist, welches die Eingepfarrten beim heiligen Abendmahl, das damals 4 mal im Jahre, daher Vierzeiten, von jedem genommen wurde,

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zu geben pflegten. Die 5 Pfarrhufen umfaßten etwa eine Ackerfläche von 5 mal 9000, also 45000 □=Ruthen. Die Pacht für eine Hufe Landes, 16 oder 20 Schilling, ist nach unsern Begriffen allerdings eine überaus geringe, doch ist sie den damaligen Verhältnissen durchaus entsprechend.

Die Kirche scheint ebenfalls Landbesitz gehabt zu haben, denn daher wird sicher die jährliche Pacht von 15 Schilling gekommen sein. Daß sie silberne Abendmahlskelche und Oblatenteller (Patenen) besaß, zeugt von einer gewissen Wohlhabenheit. Die kupferne Monstranz und das silberne Petzkreuz (pace, Friedenskreuz) sind noch heilige Geräthe für den katholischen Gottesdienst.

Im Jahre 1567 war zu Poverstorf Christian Jacobi Pastor, der noch 1570 im Amte, aber 1571 schon abgesetzt war, da er in Gemeinschaft mit dem Küster zu Jesendorf sollte gestohlen haben. Sein Nachfolger wurde wahrscheinlich Barthold Friderici oder Friedrich, der nachweislich wenigstens 1589 Pastor war und 1591 als solcher zu Poverstorf starb. Nach diesem erscheint zuerst Andreas Ribbecius oder Ribbeke als Prediger, sicher seit 1600, wo er gegen seine Ehefrau Klage führte. Er wurde noch in demselben Jahre 1600 des Landes verwiesen. Sein unmittelbarer Nachfolger war wahrscheinlich der 1603 und 1610 als Pastor zu Poverstorf aufgeführte David Mebes. 1614 wurde der Student Daniel Bickermann zum Prediger daselbst eingesetzt. Er ist als solcher noch bis 1639 nachweisbar und wird wahrscheinlich der letzte Geistliche der Gemeinde Poverstorf gewesen sein. Jedenfalls wird schon 1653 berichtet, daß in dieser Gemeinde kein Pastor vorhanden ist, und seitdem ist keiner wieder berufen. In der traurigen Zeit des 30jährigen Krieges ging also thatsächlich die Poverstorfer Kirchengemeinde unter, dem Namen nach bestand sie freilich noch länger.

Aus dem Visitations=Protokoll von 1589 erfahren wir, daß neben der Mutterkirche zu Poverstorf noch die Tochterkirche zu Venzkow bestand. Der damalige Pastor Friderici berichtete, er müsse zu Venzkow an jedem Feiertage predigen und dahin gehen, da ehemals der Pastor gewohnt habe. Den Sitz mit Wisken und Worth habe jetzt der Kröger, der dem Herzoge 6 Hühner jährlich davon gebe und dem operario nichts.

Aus einem Bericht vom Jahre 1603 geht hervor, daß die Poverstorfer Kirche ordnungsgemäßig im Stande war und auch zu ihrer Erhaltung einige Mittel besaß. Ihr Vermögen bestand in einer Hufe Acker, die eine jährliche Pacht von 16 Scheffeln Roggen

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trug, in einem Kamp Acker von 3 Schffl. Einsaat und in 16 Mk. baarem Gelde. 1634 hatte die Kirche sogar soviel Geld, daß sie dem Adam v. Barner zu Weselin 68 Gulden (= 102 Mk) leihen konnte. Der Poverstorfer hölzerne Thurm, in dem mehr als eine Glocke hingen, war 1625 bis zum Umfallen baufällig. Die Tochterkirche zu Venzkow, zu welcher andere Dörfer nicht gehörten, scheint ebenfalls noch gut erhalten gewesen zu sein. Sie besaß ein baares Vermögen von 33 Mk., hatte außerdem noch 18 Mk. zu fordern und nahm an jährlicher Pacht ein 7 Schffl. Korn, 1 Pfund Wachs und 3 Mk.

Die Verhältnisse waren 1603, einige Jahrzehnte vor dem Beginn des 30jährigen Krieges in Meklenburg, im Vergleich mit andern Landkirchen durchaus gut zu nennen. Ganz anders sah es nach diesem Kriege aus. 1653 war die Poverstorfer Kirche nach amtlichem Bericht "sehr zerfallen und ohne Dach". Ein Mitglied der Gemeinde, v. Gera zu Jülchendorf, hatte freilich versprochen, das Gotteshaus wieder bauen zu lassen, er ist aber nicht zu dem Bau gekommen. Die Venzkower Kirche war ganz eingefallen, und die wenigen übrig gebliebenen Einwohner dieses Dorses gingen nach Holzendorf zur Kirche.

Im Jahre 1703 berichtete der Superintendent Grüneberg: "Die Pfarre zu Poverstorf ist nebst dem Filiat Venzchau dermaßen untergegangen, daß Kirchen und Gebäude mit einander ruinirt, nunmehr über funfzig und mehr Jahre ohne eignen Prediger gewesen". Die Gemeinde habe sich theils nach Sülte, theils nach Brüel, theils nach Holzendorf und anderswohin gewandt. Grüneberg empfiehlt der Regierung, durch eine Sammlung innerhalb und außerhalb Meklenburgs Gelder für den Kirchenbau zu verschaffen. Die Sammlung wird aber wohl nicht stattgefunden haben, jedenfalls unterblieb der Bau für immer. Was aus den Besitzungen der Kirche und der Pfarre geworden ist, berichten die Acten nicht. Wir wissen nur, daß jetzt dieser Kirchen= und Pfarrbesitz nicht mehr vorhanden ist.

Eine Erinnerung an die früheren Zeiten bleiben aber noch die Kirchhöfe zu Poverstorf und Venzkow. Aus dem erstgenannten hing in einem schon 1676 sehr baufälligen Glockenstuhl noch eine Glocke, welche 1687 weggenommen und nach Tempzin gebracht, aber später auf Bitten des v. Pederstorff auf Poverstorf wieder zurückgegeben wurde. 1779 hing diese, damals schon geborstene Glocke, etwa 300 Pfund schwer, vor dem Schulzenhause zu Poverstorf. Sie konnte wohl nicht mehr gebraucht werden, darum sollte sie auf herzoglichen Befehl nach der Pinnower Kirche gebracht

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werden, damit sie zum Nutzen derselben verkauft würde. Ob dies geschehen ist, läßt sich aus den Acten des Archivs nicht ermitteln.

Auf dem Venzkower Kirchhofe wollte sich 1802 der Säger (Forstarbeiter) Duncker ein Haus bauen und bat deshalb den Herzog Friedrich Franz I. um Erlaubniß. Das um seine Meinung befragte Amt (zu Warin) widerrieth aber, da noch in den letzten Jahren dort Beerdigungen stattgehabt hätten. Der Schulze Völzow sage, daß seine Mutter erst vor 1 1/2 Jahren dort begraben sei. Der Pastor zu Demen, wohin jetzt Venzkow eingepfarrt ist, meinte, es seien in den letzten 18 Jahren kaum mehr als 6 Personen dort beerdigt. Der Hausbau auf dem Kirchhofe ist nicht ausgeführt worden. Die Beerdigungen daselbst haben schon lange aufgehört, aber der Acker des Kirchhofes liegt noch immer unbenutzt inmitten des Dorfes.

Heute ist die ehemalige Poverstorfer Kirchengemeinde ganz zersplittert. Poverstorf (Schönlage) selbst ist nach Holzendorf eingepfarrt, Jülchendorf und Venzkow gehören zum Kirchspiel Demen, Kaarz (Weselin) und Necheln zum Kirchspiel Brüel und Weitendorf zur Sültener Gemeinde.

Fr. Schildt.


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5. Düvelserß in Amte Meklenburg.

Zwischen den drei Feldmarken Meklenburg, Kletzin und Mödentin, nördlich von der Hölzung Stüwe, früher Stüvete genannt, ungefähr auf halbem Wege vom Dorfe Meklenburg nach Kletzin lag ehemals ein kleiner Hof, der den Namen Düvelserß führte. Der Hof war ein uralter Besitz der Familie v. Plessen. 1372 gaben die Brüder Helmold v. Plessen zu Müsselmow und Johann v. Plessen zu Niendorf (jetzt Neuhof genannt) im Kirchspiel Bibow zu dem "katen bi deme spikers pole tho walle wart" in dem Dorfe Meklenburg neben 6 Morgen Acker auf der Feldmark Meklenburg den Hof "tho deme Duvelsersze" mit seinen vier Hufen Landes zur Stiftung einer Vicarei, indem sie sich das höchste Gericht, Dienstgeld und die Lehnware der Vicarei vorbehielten. 1434 verkaufte Hinrich Grote, wohnhaft zum Düvelserß, mit Zustimmung seiner Lehnsherren, der v. Plessen zu Wendorf, Müsselmow und Niendorf, an den Priester Hinrich v. Bülow und die übrigen Geistlichen der St. Nicolai=Kirche zu Wismar für 60 Mk. lüb. 4 Mk. jährliche Rente aus seinem Erbe zum Düvelserß. Unter dem 23. Febr. 1442 bekannte Lemke

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Dame vor den Procuratoren der Vicarei zu St. Nicolai in Wismar sich "ex parte curie in Duuelserze" den Vicaren mit 50 Mk. lüb. verschuldet. Um die Zeit der Reformation, sicher 1541, hatte ebenfalls die Familie Dame, (v. Dame, auch v. Büschow genannt) den Hof Düvelserß in Besitz; die v. Plessen beanspruchten aber das Eigenthumsrecht und betrachteten die Dame als ihre dienstpflichtigen Bauern.

Um 1580 übertrugen die Dame ihren Besitz in Düvelserß auf die verschwägerte Familie Wilde und diese verkaufte nach langjährigen Streitigkeiten mit den v. Plessen 1616 ihre Anrechte für 1219 Gulden 16 Schill. an den Herzog Adolf Friedrich, der auch in demselben Jahre die Eigenthumsrechte der Plessen für 1300 Gulden erwarb. Düvelserß wurde nun ein Domanialhof. Wahrscheinlich mußte dieser Hof aber sehr bald ganz neu ausgebaut werden, und darum erhielt er sicher den später gebräuchlichen Namen Neuhof, der actenmäßig seit 1654 nachzuweisen ist. Unter diesem neuen Namen bestand der Hof noch bis ins 19. Jahrhundert als Schäferei. Der Staatskalender führt ihn zuletzt 1815 auf. Seitdem gehört das alte Düvelserßer Feld zur Feldmark des Dorfes Meklenburg.

Fr. Schildt.


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6. Vornamen in Meklenburg.

Angeregt durch die Veröffentlichungen des Archivraths Dr. Jacobs, unseres correspondirenden Mitgliedes, in dem Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine über die Vornamen vor und nach der Reformation zählte ich gelegentlich die Vornamen der Unterthanen im Amte Grevesmühlen nach dem Amtsbuche von 1581, und kam zu folgendem, etwas überraschendem Resultat. Das meiste Vorkommen bot Johannes, d. h. Hans 106, daneben Henning 1, Hennecke 1, wobei allerdings zu bedenken ist, daß neben dem Lieblingsjünger Christi auch noch Johannes der Täufer als Namen gebend in die Wagschale fällt. Die übrigen Jünger Christi sind nur mit geringen Ziffern vertreten, nämlich 13 Peter, 9 Jacob, 8 Mathias (drei davon als Thies), Paulus (Pawel) 3 mal, Matheus (Tewes) 2, Andreas (Drewes) 2, dagegen Marcus (Marx) 14, Thomas aber und Bartholomäus nur je 1 mal. Während der hl. Joseph gar nicht erscheint, ist sein Vater Joachim 52 mal vertreten, 47 mal als Chim, 3 mal als Achim und 2 mal

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als Jochim. Von sonstigen Heiligen der Kirche erscheint Nicolaus (Clawes) 37 mal, Erasmus (Asmus) 19 mal, Georg (Jürgen) 9 mal, Jaspar, einer der drei Könige aus dem Morgenlande, 7 mal, Christian 5 mal, Lorenz und Michael je 4 mal, Martin 3 mal, Antonius (Dinnies), Gregorius (Gories), Answerus, der Specialheilige der Ratzeburger Kirche, als Swerries, und Brandanus als Brandanies je 2 mal, Daniel und Christopher nur je einmal. Diesen Namen biblischen und legendarischen Ursprungs, mit der Gesammtsumme von 305 Vertretungen, stehen nur 91 Namen deutschen Ursprungs gegenüber. Voran Heinrich mit 55 Vertretungen, dann Hermann (Harmen) mit 9, Bartold mit 6. Viermal kommt nur Gottschalk, (dreimal als Goslich, einmal als Goetke), dreimal nur Gerhard (zweimal als Gerke, einmal als Gerd) und Albrecht vor, je zweimal Tiedke (Dietrich) und Ratke (Radolf), einmal endlich Detmer, Detlof, Helmold (Helmeke), Ludolf (Lutke), Hartich, Reimer, Eggert und Arnd.

Nehmen wir die Zahl der vertretenen Namen, so fallen 24 auf die biblisch=legendarischen, 16 auf die deutschen Namen. Im ganzen eine geringe Abwechslung bei einer Gesammtzahl von 396 Personen.

Eine weitere Schlußfolgerung wird sich erst nach Zählung auch in anderen Gegenden Meklenburgs ziehen lassen.

Grotefend.


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7. Zur Sammlung von Volksliedern u. s. w.

Ueber den Plan zur Sammlung von Volksliedern, Reimen u. s. w. schreibt Herr Gymnasiallehrer Wossidlo:

"Gestatten Sie mir, kurz darzulegen, was meines Ermessens in ein solches Werk hineingehören würde, außer den eigentlichen "Volksliedern."

I. Aberglauben, Gebrauch etc.

Zu dem Buche von Bartsch sind reiche Nachträge zu liefern; namentlich der zweite Band würde bei selbstthätigem Eindringen ins Volk an Umfang, vor allem aber an volksthümlichem Gehalt und innerer Ursprünglichkeit wesentlich gewonnen haben. Wichtigere Ergänzungen z. B. an Sympathieformeln u. s. w. würden der Folklore willkommen sein (vgl. Koppmanns wichtige Mittheilungen aus dem Rostocker Protokollbuch des Niedergerichts) ndd. corr. bl. XII. 34-37.

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II. Räthsel.

Ueberaus anmuthend unter den Erzeugnissen heimathlicher Volkspoesie sind mir von jeher die Volksräthsel erschienen, an denen unser Land überaus reich ist; viele derselben athmen eine Tiefe und Sinnigkeit der Auffassung, der ich wenig an die Seite zu stellen wüßte. Nun hat, durch eine Bitte meinerseits, mich durch Mittheilung von solchen alten Räthseln zu unterstützen, angeregt, der Volksschullehrer J. Gillhoff in Parchim — ohne mich zu verständigen — durch Hülfe von Schullehrern aus den verschiedensten Gegenden des Landes eine Sammlung zusammengebracht, die nach seinen Mittheilungen an äußerem Umfange der meinigen überlegen sein dürfte. Ein Versuch meinerseits, als er mir diese überraschende Mittheilung machte, ihn zu einer gemeinsamen Herausgabe eines "meklenburgischen Räthselbuches" zu veranlassen, hat bedauerlichst zu gänzlichem Abbruch unserer Beziehungen geführt. Aber selbst wenn Gillhoff, welcher nun wohl nicht mehr lange warten wird, mit seiner Sammlung früher heraus kommen sollte, so würde doch eine überaus reiche Nachlese zu halten sein, hier kommt es, wie ich immer wieder erfahren habe, nur darauf an, die rechten Quellen zu finden.

III. Leberreime.

Auch sie enthalten zum Theil herzerfreuende Reste alter, volksmäßiger Poesie. Zu den von mir in der Skizze VI. "Reisefrüchte, Leberreime und Räthsel" veröffentlichen Nummern sind seitdem manche neue hinzugekommen. Weitere Funde sind mit Sicherheit zu erwarten; so wird mit gemeldet, daß z. B. in der Röbeler Gegend die Sitte selbst noch vor ganz kurzer Zeit lebendig gewesen sei.

IV. Sonstige Reime etc.

An Wiegenliedern, Tanzliedern, Abzählreimen u. s. w., u. s. w. habe ich eine große Anzahl (etwa 1000) beisammen. Viele derselben sind werthlos, manche andere über ganz Niederdeutschland verbreitet. Es würde also wohl eine Auswahl des Wichtigsten zu geben sein. Daß auch hierunter interessantes Gut sich findet, mag ein Reim zeigen, der eine Erinnerung an den großen schwedischen Kanzler bewahrt. In Klink hier in der Nachbarschaft singen die Mütter den Kindern Abends vor: bär (bete) Kinning bar, füssen kümmt de Swed, süssen kümmt de Ossenstiern, ward de Kinner bäden lihrn.

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V. Thiergespräche, Thierlaute.

Auch hierin offenbart sich oft der sinnige Humor unseres Volkes. So erzählte mir noch vor Kurzem eine alte Frau: wenn de Poggen so racheln, denn striden se sick üm den Globen. De einen seggen ümmer: Papst, Papst, Papst, Papst, un de andern: Luther, Luther, Luther, Luther.

Gestatten Sie mir zum Schluß noch in aller Kürze anzudeuten, wie ich mir die Ausführung des Planes denke, für den Fall, daß ich zur Mithülfe berufen werden sollte. Neben der Ordnung und Bearbeitung des einlaufenden Stoffes müßte meines Erachtens nothwendig ein Selbsteindringen ins Volk hergehen. Meine bisherigen Durchquerungen der Heimath haben mir in verschiedenen Gegenden des Landes Stützpunkte geschaffen, von wo aus ich mit der Hoffnung auf gutes Gelingen operiren könnte: in Dobbertin, in Gülzow bei Güstrow, in der Ribnitzer Gegend, in Brunshaupten, Rastorf etc. , in Redefin bei Hagenow, in Brudersdorf=Barlin bei Dargun, in Remplin, in Kirchdorf auf Poel, in Robertsdorf bei Bukow, in der Feldberger Gegend, und hier bei Waren gelang es mir, in den Kreisen der Bauern, Tagelöhner und Knechte selbst Interesse für die Mundart zu wecken, resp. zu festigen; und nur der treuen Hülfe dieser Mitarbeiter, etwa 100 an der Zahl habe ich den Erfolg meiner Sammlungen zu danken. Durch die vor allem ist es mir unter Benutzung genauester Fragebogen u. s. w. gelungen, etwa 80 Tausend Wörter und Redensarten etc. hervorzuziehen, und jeder Sonntag, jeder neue "Sammelabend" bringt neue, reiche Früchte. Alle jene Männer und Frauen würden, das glaube ich hoffen zu dürfen, mir auch bei Nachforschungen nach Liedern u. s. w. ihre Hülfe nicht versagen. In anderen mir bisher verschlossenen Gegenden, vor allem in die Röbel=Malchower und Ludwigslust=Dömitzer würde ich einzudringen suchen.

Winke und Nachweise aus dem Kreise der Mitglieder des Vereins würden mir dabei hochwillkommen sein.

Freilich gehört zu alledem Zeit, eigentlich mehr Zeit, als ein Lehrer übrig hat. Wenn man einmal, wie einst Schmeller, ein Jahr lang sein Vaterland durchstreifen könnte, die Germanisten sollten staunen, was alles unser liebes Volk noch in sich trägt!"

Vignette

Im Auftrage des Vereinsvorstandes aushülflich besorgt von
Fr. Schildt.