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III.

Die Ereignisse in Rostock

von 1311, September 17, bis 1314, Januar 21.

Von
Karl Koppmann.

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I m Nachfolgenden soll der Versuch gemacht werden, Ereignisse, die äußerlich betrachtet zu den bekanntesten gehören, in ihren Einzelheiten aber mannigfach dunkel sind, wenigstens soweit zu klären, daß Sicheres und Verständliches sich sondern von Unverständlichem und Zweifelhaftem. Es betreffen diese Ereignisse nicht nur rein städtische Verhältnisse, die Aufstellung eines neuen Raths und die Durchführung einer neuen Verfassung einestheils, die Wiederherstellung des alten Raths und der früheren Verfassung anderntheils, sondern auch den Untergang eines bisher selbstständigen Fürstenthums in seinen letzten Stadien und seine Vereinigung mit dem Kernlande des meklenburgischen Herrschergeschlechts. Betrachtet sind sie oft worden, neuerdings von mir in meiner kurzen "Geschichte der Stadt Rostock" (Rostock 1887), von Lange in seiner Abhandlung "Rostocker Verfassungskämpfe bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts" (Gymnasial=Programm, Rostock 1888) und von Fischer in seiner Inaugural=Dissertation "Heinrich der Löwe von Meklenburg" (Schwerin, 1889).

Zur Einführung in die Zeitverhältnisse werden wenige Worte genügen 1 ). Der letzte männliche Sproß des Rostocker Fürstenhauses, Nicolaus das Kind, hatte sich auf den Rath des Fürsten


1) Ich wiederhole kurz das in den Mekl. Jahrbüchern 52, S. 199-204 Gesagte.
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Heinrich II. von Meklenburg mit dessen Schwägerin Margarethe, einer Tochter des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, verlobt, alsdann aber das Verlöbniß gebrochen und sich auf Anrathen des Fürsten Wizlav von Rügen im Jahre 1299 mit Margaretha, der Tochter Bogislavs IV. von Pommern=Wolgast, vermählt. Gegen das dadurch veranlaßte Bündniß der Markgrafen Otto und Hermann von Brandenburg, des Herzogs Otto von Pommern=Stettin und der Fürsten Nicolaus von Werle und Heinrich von Meklenburg suchte Fürst Nicolaus bei König Erich Menved von Dänemark Schutz: 1300, Dec. 22, nahm er Land und Stadt Rostock von ihm zu Lehn. König Erich kam im luni 1301 nach Rostock, schloß aber am 22. Juli zu Schwaan mit dem Hauptgegner seines Lehnsmannes, dem Fürsten Nicolaus von Werle, Frieden und theilte sich mit ihm in dessen Land. Die Stadt Rostock leistete dem Dänenkönige Widerstand, mußte sich aber im September 1302 der Uebermacht ergeben. Von da ab walten in Rostock dänische Hauptleute; vom Fürsten Nicolaus haben wir bis zum Jahre 1308 keine Spur; von 1308 ab dagegen urkundet er wieder in Rostock, während nach wie vor Hauptleute des Landes Rostock die Rechte des dänischen Königs wahrnehmen 1 ). — Im Sommer 1311 bricht ein Kampf aus zwischen dem Fürsten Heinrich von Meklenburg und seiner Stadt Wismar. Rostock, das König Erich am 12. Juni seine Thore verschlossen hat, leistet trotz seines Verbots der seit dem 11. Juli belagerten Schwesterstadt Beistand. Am 6. September ernennt der König den Fürsten Heinrich von Meklenburg zum Hauptmann des Landes Rostock. Fürst Heinrich sperrt durch zwei Thürme, die er zu beiden Seiten der Warnow erbaut, den Rostockern die See ab; die Rostocker brennen den einen Thurm nieder, zwingen die Besatzung des anderen zur Uebergabe und erbauen nun ihrerseits einen Thurm im Osten der Warnow zur Bewahrung ihres Fahrwassers. Am 30. Juni 1312 urkundet König Erich zu Warnemünde und gegen die Mitte des September muß sich die Besatzung des Thurms nach elfwöchentlicher Belagerung ergeben und der Kampf gegen die Stadt selbst beginnt.


1) Wir kennen: Esger Apysun, capitaneus in Rozstoh, 1305, Juni 5 (M. U. B. 5, Nr. 3002); Timmo Laurensson, capitaneus terre Rozstock, 1307 (10, Nr. 7254), illustris principis regis Danorum in terra Rostok capitaneus 1307-1308 (5, Nr. 3204), Nicolaus Biller, capitaneus domini regis Dacie 1309, Mai 21 (5, Nr. 3321) und Jacob Fleep, capitaneus noster in domino Rostochiensi 1310, April 16 (5, Nr. 3390).
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Als die Kunde von der Uebergabe des Thurms erscholl, brach in Rostock, am 17. September, der Aufruhr los. Das erregte Volk glaubte an Verrath, ein Theil des Raths wurde ermordet oder vertrieben: so erzählen uns die zeitgenössischen Lübischen Annalen und ihnen folgend die Detmar=Chronik 1 ). Urkundlich werden diese Angaben bestätigt und genauer präcisirt: 1314, Jan. 8, schließen acht entwichene oder vertriebene Rathsmitglieder mit Fürst Heinrich von Meklenburg einen Vertrag wegen ihrer Rückkehr 2 ); 1314, Jan. 14, wird die Strase der Verfestung über wenigstens 58 Personen verhängt, "welche arge Versammlungen gehalten haben, durch die sie das Lübische Recht gekränkt und der Stadt Rostock viel Arges zugezogen haben" 3 ); dieselbe Strafe trifft, theilweise schon 1312, theilweise erst 1314, elf weitere Personen, weil sie Willekin vom Baumgarten, Hinrich Rikbode, Gerhard Blöming und andere Rathmannen und Bürger getödtet und in deren Häusern geraubt haben 4 ). Unter den erwähnten wenigstens 58 Personen befinden sich und werden an erster Stelle genannt Hinrich Runge und Werner Hövisch, die uns urkundlich als Mitglieder des nach dem Aufruhr eingesetzten neuen Rathes bekannt sind.

Viel mehr ins Einzelne gehend sind die Nachrichten, welche uns die Reimchronik Ernsts von Kirchberg und die aus ihr beruhende Rostocksche Chronik geben 5 ). Insbesondere werden zwei Ereignisse unterschieden: der Aufruhr nach dem Verlust des Warnemünder Thurms, für den wir hier die Zeitangabe, Sept. 17, erhalten 6 ), und die Erzwingung eines Bürgerbriefes durch die Gemeinde, der den Aelterleuten der Aemter einen maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der Rathsstellen verlieh oder verliehen haben soll 7 ). Für dieses letztere Ereigniß liegt uns eine bestimmte Angabe nicht vor, und die Rostocksche Chronik weicht von ihrer Vorlage dadurch ab, daß sie es vor den Pölchower Vertrag von 1312, Dec. 7, setzt, in welchem der neue Rath Frieden mit dem Fürsten Heinrich von Meklenburg schloß, während die Reimchronik Kirchbergs es nach demselben erzählt. Nachdem uns jedoch nachgewiesen worden ist, daß die Rostocksche Chronik keine selbstständige historische Bedeutung


1) Die Chroniken der deutschen Städte 19, S. 417-418.
2) M. U. B. 6, Nr. 3669.
3) M. U. B. 6, Nr. 3672.
4) M. U. B. 6, Nr. 3673.
5) Schröter, Beiträge zur Meklenburgischen Geschichts=Kunde, ersten Bandes erstes Heft, Rostock und Schwerin, 1826.
6) Kirchberg, Cap. 150; Rost. Chronik S. 28.
7) M. U. B. 6, Nr. 3590; Rost. Chronik S. 30-33.
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hat 1 ), muß deren Abweichung von Kirchberg für bedeutungslos gelten, und es bleibt nur zu untersuchen, ob die Angaben Kirchbergs in sich wahrscheinlich und mit den uns erhaltenen urkundlichen Nachrichten vereinbar sind.

Eine urkundliche Bestätigung der chronologischen Anordnung Kirchbergs, nach welcher also der Bürgerbrief erst nach 1312, Dec. 7, erlassen worden wäre, meinte Wigger daraus zu gewinnen, daß in dem Verfestungsvermerk von 1314, Jan. 14, ausdrücklich gesagt wird, der Bruch des Lübischen Rechts, das ist die Erzwingung des Bürgerbriefes, sei im Jahre 1313, also nach dem Pölchower Vertrage geschehen 2 ); meine Geschichte der Stadt Rostock 3 ) und Langes Rostocker Verfassungskämpfe 4 ) sind darin Wigger gefolgt. Der auf diese Weise gesichert scheinenden Zeitangabe, 1313, beziehentlich nach 1312, Dec. 7, sucht Wigger eine andere an die Seite zu stellen, indem er sagt: "Vermuthlich erfolgte die Revolution vor der Umsetzung des Rathes, welche bekanntlich am 22. Februar vorgenommen zu werden pflegte 5 )"; Lange läßt diese Frage offen: "Das geschah", sagt er, "im Jahre 1313, ob, wie im Meklenburgischen Urkundenbuch angenommen wird, noch vor dem Tage der Umsetzung des Raths (Febr. 22), mag dahingestellt bleiben"; meinerseits bin ich zwar nicht ausdrücklich, doch stillschweigend der Vermuthung Wiggers beigetreten, insofern ich die neuen Unruhen als eine Folge des Pölchower Friedensvertrages auffaßte 6 ). Meine und vermuthlich auch Wiggers Erwägung war die, daß derartige gewaltsame Verfassungsänderungen in der Regel durch innere oder äußere Kalamitäten hervorgerufen werden und sie begleiten oder ihnen unmittelbar folgen, und daß uns aus dem weiteren Verlauf des Jahres 1313 kein Ereigniß bekannt ist, das zu der Erzwingung des Bürgerbriefes hätte Veranlassung geben können.

Bei einer nochmaligen, genaueren Prüfung aller uns urkundlich bekannten Thatsachen komme ich jedoch zu einem andern Ergebniß: ich glaube, daß die Gewaltthätigkeiten gegen den alten Rath, die Wahl eines neuen Raths und die Besiegelung des Bürgerbriefes chronologisch unmittelbar zusammengehörige Ereignisse sind. Die Gewaltthätigkeiten gegen den alten Rath machten einen neuen


1) Durch Krause im Rostocker Gymnasial=Programm von 1873. Vergl. Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 1, S. 1, Anm. 3.
2) M. U. B. 6 zu Nr. 3590.
3) S. 20.
4) S. 8.
5) A. a. O.
6) A. a. O. S. 20.
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Rath nothwendig und der neue Rath mußte der Gemeinde, die ihn ans Ruder gebracht hatte, besiegeln, was sie verlangte oder vielmehr, was sie bei seiner Einsetzung thatsachlich schon ausgeübt hatte.


Der Verfestungsvermerk, dem zufolge jene mindestens 58 Personen das Lübische Recht im Jahre 1313 gebrochen haben sollen, steht im Liber proscriptorum. Es ist das, wie schon Wigger erkannt hat 1 ) ein erst im Jahre 1319 angelegtes Buch, in welches damals auch früher stattgehabte Verfestungen, vom Jahre 1302 ab, "aus andern Büchern oder von losen Blättern" und zwar nicht in chronologischer Ordnung, eingetragen wurden. Die Zahl dieser früheren Verfestungsvermerke beläuft sich auf 44, nur 11 von ihnen sind datirt, die dritte von 1303 2 ), die achte von 1307 3 ), die neunzehnte von 1303 4 ), die achtundzwanzigste von 1307, die neunundzwanzigste von 1310, die einunddreißigste von 1309, die zweiunddreißigste von 1310 5 ), die fünfunddreißigste von 1314 6 ), die achtunddreißigste von 1312 7 ), die dreiundvierzigste von 1314 und die vierundvierzigste von 1313 8 ). Bei 10 von diesen 11 mit einer Jahreszahl versehenen Eintragungen bezieht sich das Datum auf die Zeit der Verfestung, nur bei der elften, der die Jahreszahl 1313 voransteht, eben derjenigen, welche von der Verfestung jener mindestens 58 Personen handelt, wird das Datum von Wigger auf die Zeit des Delicts bezogen, sicherlich doch nur deshalb, weil es zu der Zeit der Verfestung nicht paßt. Aber wahrscheinlicher, als die Annahme einer von allen übrigen Fällen abweichenden Bedeutung der Jahreszahl, ist doch die Annahme eines Irrthums, zumal da wir wissen, daß alle 44 Eintragungen nicht gleichzeitig, sondern erst im Jahre 1319 in den Liber proscriptorum abschriftlich eingetragen wurden. Fassen wir aber die Jahreszahl 1313, irrthümlich von dem Abschreiber statt der Jahreszahl 1314 gebraucht, als das Datum der Verfestung aus, so sinkt die Stütze, welche Wigger für die chronologische Anordnung Kirchbergs gefunden zu haben glaubte, in sich zusammen.



1) M. U.=B. 5, S. XV.
2) M. U.=B. 5, Nr. 2838.
3) M. U.=B. 5, Nr. 3194.
4) M. U.=B. 5, Nr. 2839.
5) M. U.=B. 5, Nr. 3362.
6) M. U.=B. 5, Nr. 3673, 2.
7) M. U.=B. 5, Nr. 3673, 1.
8) M. U.=B. 5, Nr. 3672.
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Zwei Organe sind es, die sich die aufrührerische Bürgerschaft schuf, ein neuer Rath statt des bisherigen alten und ein Bürgerausschuß nach Art der späteren Hunderter oder Sechziger.

Was die Zeit der Einsetzung des neuen Rathes betrifft, so sind wir darüber insofern genau unterrichtet, als wir wissen, daß die Kämmerer des alten Raths noch 1312, August 19, in Thätigkeit waren, während Oct. 1 bereits Hinrich von Kurland und Bolte als Kämmerer des neuen Raths fungirten 1 ): der neue Rath muß also zwischen Aug. 19 und Oct. 1, also unmittelbar nach dem Aufstand vom 17. September, zum Regiment gelangt sein. Am 15. October finden wir in einer Urkunde des Fürsten Nicolaus als Zeugen Hinrich von Gotland, Hinrich Runge und Werner Hövisch 2 ), wahrscheinlich in ihrer Eigenschaft als Bürgermeister des neuen Raths. Am 7. December schließen Hinrich von Gotland, Hinrich Runge, Nicolaus von Kyritz, Werner Hövisch, Johann Klein, Marquard Holste und Hinrich von Kurland den Vertrag von Pölchow ab 3 ); auch hier finden wir also Hinrich Runge und Werner Hövisch, wiederum wahrscheinlich in ihrer Eigenschaft als Bürgermeister, in einer hervorragenden Stellung, einer Stellung, die sie demnach unmittelbar nach dem Aufstande vom 17. September, nicht erst in Folge einer späteren Verfassungsänderung einnahmen.

An der Spitze jener wenigstens 58 Personen stehen neben Hinrich Runge und Werner Hövisch sechs andere Männer, die wir meistens nicht näher kennen; dann folgen die übrigen, vielfach mit der Bezeichnung ihres Gewerbes: Hutwalker, Schuhmacher, Gerber, Pelzer, Weißgerber, Wollenweber, Bäcker, Böttcher, Kannengießer, Reifer, Grützmacher, Maler, Zimmerleute, Haken, Schneider, Drahtzieher 4 ). Es sind offenbar die Mitglieder einer großentheils aus Handwerkern bestehenden revolutionären Organisation, über die hier, zusammen mit ihren in den Rath gedrungenen Anführern, die Verfestung ausgesprochen wird, weil sie sich dem Gericht durch die Flucht entzogen haben. Da die Annahme, daß alle Mitglieder dieser Körperschaft entflohen seien, weder nothwendig noch wahrscheinlich ist, so werden wir vielleicht eher an ein Hunderter=, als an ein Sechziger=Collegium zu denken haben: gebrauchen wir also den zwar unbestimmteren, doch hinreichend charakterisirenden Ausdruck Bürgerausschuß. Ueber die Zeit, zu der dieser Ausschuß ins Leben trat, haben wir keinerlei urkundliche Angaben. Kirchberg


1) M. U.=B. 5, S. XII.
2) M. U.=B. 10, Nr. 7272.
3) M. U.=B. 5, Nr. 3576.
4) M. U.=B. 6, Nr. 3672.
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berichtet Cap. 148, der neue Rath sei eingesetzt durch den Fürsten Nicolaus nach dem Willen der Aelterleute, und Cap. 150 erzählt er, der Bürgerbrief habe bestimmt, es solle Niemand ohne Zustimmung der Aelterleute in den Rath gewählt werden: das erste ist, wenn wir von der unwahrscheinlichen Wahl durch den Fürsten Nicolaus absehen, die Thatsache der Neuwahl unter dem Einfluß der Aelterleute, das zweite die Anerkennung des dieser Thatsache zu Grunde liegenden Verhältnisses als eines Verfassungsgesetzes durch den neuen Rath. Setzen wir Kirchbergs Aelterleute um in den uns durch den Verfestungsvermerk urkundlich beglaubigten Bürgerausschuß, so erhellt, daß nach Kirchbergs eigener Angabe der Ausschuß, der sich durch den Bürgerbrief einen Einfluß auf die Rathswahl vom neuen Rath besiegeln ließ, schon vorher diesen Einfluß bei der Besetzung der erledigten Rathsstühle thatsächlich ausgeübt hatte.

Die Frage, ob der Bürgerausschuß schon vor der Ermordung und Vertreibung des alten Rathes bestanden oder sich erst nachher gebildet habe, vermögen wir mit irgend welchem Grade von Sicherheit nicht zu entscheiden. Vielleicht gingen revolutionäre Zusammenkünfte eines Theiles der Bürgerschaft und Zusammenrottungen des Pöbels neben einander her, und jene führten zur Bildung des Bürgerausschusses, als diese in den Ereignissen des 17. September ihren Gipfelpunkt erreicht hatten. Keinenfalls sind die Mitglieder des Bürgerausschusses und die Mordbuben des 17. September mit einander zu identificiren. Urkundlich werden jene von diesen durchaus unterschieden: Verfestet werden einerseits noch im Jahre 1312, nachdem sich also eben der neue Rath constituirt hat, Henneke Bolhagen, Gerwin, Engelbert, Reiners von Bartetsdors Knecht Namens Löwe, Schadeke und Vicko Kule, weil sie Rathmannen und Bürger ermordet und in deren Häusern geraubt haben 1 ), ferner ohne Angabe der Zeit, vielleicht ebenfalls schon damals, Volrad und Thomas, die Brüder eines Sweder, weil sie Bürger ermordet, in deren Häusern Leichenberaubung (rerof) vollführt und andere Unthaten begangen haben 2 ), ferner im Jahre 1314, also unter dem wiedereingeführten und ergänzten alten Rath, Horn und Hartmann von Bartelsdorf wegen Mordes und Raubes in der Stadt 3 ), endlich, ebenfalls damals, Götzeke wegen Mordes und Leichenberaubung und weil er der Hauptthäter war, als die Herren Rathmannen


1) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 1.
2) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 3.
3) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 2.
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aus der Stadt vertrieben wurden 1 ); über Runge, Hövisch und die geflüchteten Mitglieder des Bürgerausschusses andererseits wird die Verfestung verhängt, weil sie fecerunt congregationes pessimas, per quas juriditionem Lubicensem leserunt et civitatem Rozstok multis malis perturbaverunt 2 ).


So dürftig diese Nachrichten hinsichtlich der Gewaltthätigkeiten des 17. September auch sind, so erhellt aus ihnen doch eins: das Rauben in den Häusern der Getödteten durch diejenigen, die sie getödtet hatten, beweist, daß die Tödtung nicht auf Grund irgend einer Art richterlichen Erkenntnisses geschah, sondern Mord war; für Mord aber werden wir weder den Bürgerausschuß, noch dessen Führer Runge und Hövisch verantwortlich machen dürfen.

Ein viel ausgeführteres, aber bei näherer Betrachtung verschwommenes, unklares und unwahres Bild giebt uns Kirchberg (Cap. 148) und ihm folgend die Rostocksche Chronik (S. 26-28): die gemeinen Leute 3 ), erzählt jener, wurden zornig; mit Keulen und Stangen 4 ) fielen sie über die Rathmannen her und brachten sie erschlagen, verwundet oder gefangen und gebunden nach dem aus dem Markt befindlichen Diebsstock 5 ); einige derselben schleiften und räderten sie, anderen schlugen sie das Haupt ab, andere folterten sie im Gefängniß, andere erstachen sie trotz des ihnen vom Fürsten Nicolaus gegebenen Geleits auf der Straße 6 ); die Leichname ließen sie theils auf dem Kirchhof begraben, theils der Kleider entblößt aus dem Markte liegen; die Urheber dieses mordgrimmigen Wüthens waren solche, die nach dem Gut der Getödteten trachteten oder gern in den Rath kommen wollten. Was ich hier zusammenhängend berichte, wird durch eine Episode unterbrochen:

Ein teyl der toden yn ungehabin
ließen sy zu kirchhofe dy begrabin.
Nach dem hroßin ungefalle
beroubeten sy ir hus mit schalle.


1) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 4.
2) M. U.=B. 6, Nr. 3672.
3) Chronik: de menheit.
4) Chronik: mit egge unnd mit orde.
5) Chronik: by den stock.
6) Dieser letzte Satz ist nicht recht verständlich und in der Chroniki nicht berücksichtigt worden:

eyn teyl irstachin sy ir uf der straße
zu Rodestok mit ungelaße,
dy daz kint Nycolaus
dar geleydit hatte sus.

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Nun folgt die Episode:

Eyn ding geschach da yn den tagin,
daz bermiglich ist nachzusagin:
eyn houbetman waz der sammenunge,
der waz geheißin Hinrich Runge;
der sach synen bruder offinbar
morden, der hiez Volmar;
der waz yn dem rade.
Im wart gesayd nicht spade:
"helfet uwirm bruder, daz uch wol stad,
want ir wol dy macht had:
her ist jo eyn byder man
und had argis nicht getan".
Syn antwurte wart da wider wandern;
her sprach: "ge eynre mit dem andern".
Daz wort, daz her sprach gar flechte,
daz ted her nicht gantz um daz rechte,
wan daz her schirer yn den rad
queme an snys bruder stad.
Daz geschach, du man schreib war
dritzenhundirt und czwelf jar
uf santi Lamprechtis tag,
eyns bischoes, der ouch martir phlag.

Darauf geht es weiter:

Dyse ding so wundirlich virwandelt
worden und jemirlich gehandelt,
des manchen byderven man virdroz.
Sy machten sy der cleyder bloz
uf dem markte offinbar,
daz daz vulk neme allis war.
Daz dy mortgrymmigen bosheit,
dy den anhebirn warin bereit,
vorchte daz vulk gemeynlich:
darum taden sy so gruwelich.

Es sieht fast so aus, ols ob die Runge=Episode erst später von Kirchberg eingeschaltet worden wäre; doch soll darauf, da uns seine Arbeit leider noch immer nicht in einer kritischen und lesbaren Ausgabe vorliegt, kein großes Gewicht gelegt werden. Der Verfasser der Rostockischen Chronik hat ebenfalls Anstoß an der Reihenfolge des Erzählten genommen; er läßt das Begrabenwerden der

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Leichname weg, erzählt erst das Liegenlassen derselben und das Erbrechen der Häuser und benutzt dann das von den Urhebern der Greuelthaten Gesagte, um auf Runge zu kommen. Die Runge=Episode beruht, wie Kirchberg selbst andeutet (Syn antwurte wart da wider wandern) auf mündlicher Ueberlieferung und zwar der Ueberlieferung eines Kreises, der sich durch zähes Festhalten am Althergebrachten auszeichnete, dem jedes Veränderungsgelüste der Bürgerschaft ein Greuel sein mußte. Aber die ganze Erzählung Kirchbergs von dem Aufstande beruht auf keiner festeren Grundlage. Sie identificirt den Bürgerausschuß mit dem mörderischen Pöbel; sie läßt die gemeinen Leute, hinter denen die Urheber stehen, die ergriffenen Rathmannen nach dem Gefängniß führen, gebraucht für die verschiedenen Arten der Tödtung die technischen Ausdrücke des Kriminalrechts (leyfen, uf rad fetzen, houbit abslan, martir yn dem stocke liden, das "pinigen" der Rostockschen Chronik) und deutet so das Stattfinden einer Art von Gericht an. Die Episode fungirt sogar für die Zeit, während deren das Morden vor sich geht, eine Gruppe von Zuschauern, von denen einer die Macht hat, seinem Bruder das Leben zu retten, und dazu ausgefordert, ehe es zu spät ist kalten Blutes und zwar keineswegs, weil er von dessen Schuld überzeugt ist (nicht gantz um daz rechte), sondern um an dessen Stelle in den Rath zu kommen, zur Antwort giebt: es gehe der eine mit dem andern. Eine Ueberlieferung aber, die, kurz gesagt, den Bürgerausschuß zur Mörderbande und den Führer der Bürgerschaft zum Brudermörder macht, wird für nichts anderes gelten können, als für eine aus leidenschaftlicher Parteigehässigkeit hervorgegangene Fälschung der Thatsachen.

Volmar Runge ist als Rathmann urkundlich nicht nachzuweisen: ich gehe nicht so weit zu bestreiten, daß er, wie Kirchberg berichtet, Rathmann war und daß er, wie wir ebenfalls nur durch Kirchberg wissen, am 17. September ermordet wurde, aber ich leugne, daß sein Bruder in der Lage war, dem Mordgeschäft zuzusehen und sich seiner, wenn er gewollt hätte, anzunehmen. Die Ermordung seines Bruders auf der einen Seite und seine Stellung an der Spitze erst des Bürgerausschusses, dann des neuen Rathes auf der andern, lieferten dem Haß der Gegenpartei den Anhaltspunkt für seine Entstellungen. Widerlegt werden dieselben durch den Wortlaut der über ihn und seinen Anhang verhängten Verfestung, sowie auch durch die bereits erwähnte Verfestung von Mordbuben, die noch im Jahre 1312, nachdem er eben in den Rath gewählt und Bürgermeister geworden war, vorgenommen wurde.


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Die Zahl derjenigen Rathsmitglieder, welche am 17. September ermordet wurden, werde ich in einem andern Zusammenhange festzustellen suchen. Ein anderer Theil des Rathes war entwichen oder vertrieben. Wir kennen zwar die acht Rathsmitglieder, die sich später außerhalb Rostocks befanden 1 ), wissen aber urkundlich nicht sicher, ob sie entwichen waren und nachher verfestet wurden oder ob sie in Folge einer über sie verhängten Stadtverweisung Rostock hatten verlassen müssen. Im Pölchower Vertrag von 1312, Dec. 7 2 ), wird hinsichtlich der Entwichenen und Vertriebenen (de profugis et ejectis de civitate nostra) bestimmt, daß diejenigen, deren sich König Erich von Dänemark, die Markgrafen von Brandenburg oder Fürst Heinrich von Meklenburg annehmen wollen (pro quibus . . . placitare voluerint), zwar außerhalb der Stadt bleiben sollen, ihre Güter aber durch ihre Erben oder ihre nächsten Verwandten zu Gelde machen dürfen, und daß ferner hinsichtlich derjenigen, welche die Fürsten in ihren Schutz nehmen wollen (Si quos in tuitionem suam recipere voluerint), geschehen soll, was Rechtens ist (secundum quod postulat ordo juris). In diesem letztangeführten Satztheil steckt ein Schreib= oder Lesefehler: was Rechtens ist, muß es heißen, soll geschehen hinsichtlich derjenigen, welche die Fürsten nicht in ihren Schutz nehmen wollen (in tuitionem suam recipere noluerint). Den Beweis dafür liefert die Unterwerfungsurkunde des neuen Raths und der Bürgerschaft von 1312, Dec. 15 3 ), in der es heißt: in Betreff der Entwichenen, die wegen des von ihnen Verschuldeten in unserer Stadt verfestet sind (De profugis autem in civitate nostra proscriptis demeritis eorum exigentibus), ist vereinbart worden, daß diejenigen, deren sich König Erich und die Markgrafen annehmen wollen (placitare voluerint), ihre Güter verkaufen lassen dürfen, aber außerhalb der Stadt bleiben müssen, und daß in Betreff derer, für welche die Fürsten sich nicht verwenden wollen (placitare noluerint), geschehen soll, was Rechtens ist. Die acht außerhalb Rostocks befindlichen Rathmannen versprechen dem König von Dänemark und dem Fürsten von Meklenburg im Dassower Vertrag von 1314, Jan. 8 4 ), zwei Dritttheile der Strafgelder, die von denen, welche sie vertrieben haben (qui nos extra civitatem ejecerunt), erhoben werden


1) M. U.=B. 6, Nr. 3669.
2) M. U.=B. 5, Nr. 3576.
3) M. U.=B. 5, Nr. 3577.
4) M. U.=B. 6, Nr. 3669.
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sollten 1 ). Bei der Verfestung des Götzeke endlich heißt es, wie bereits erwähnt, sie sei erfolgt, weil er der Hauptthäter war, als die Herren Rathmannen aus der Stadt vertrieben wurden (principalis certus capitalis fuit, quando domini consules fuerunt de civitate ejecti) 2 ). Von diesen verschiedenen Angaben dünkt mich diejenige der Unterwerfungsurkunde die wahrscheinlichste und ich nehme deshalb an, daß die auswärtigen Rathsmitglieder entwichen und nach der Entweichung verfestet und mit der Entziehung ihrer Güter bestraft worden sind.

Ein dritter Theil der Rathsmitglieder blieb nicht nur ruhig in Rostock zurück, sondern behielt auch seine Rathsherrnwürde bei: nachzuweisen vermögen wir dies freilich nur von zweien, von Arnold von Gotland und Hermann Modenhorst; doch begegnen uns 1314, Jan. 19 3 ), in dem wieder eingeführten alten Rathe neben sieben von den früher außerhalb Rostocks befindlichen Rathsmitgliedern und Arnold von Gotland fünf weitere Mitglieder des Raths vom Jahre 1312, und es liegt deshalb die Vermuthung nahe, daß sie inzwischen, wie Gotland und Modenhorst, dem neuen Rathe angehört hatten.

Nachdem dieser zurückgebliebene Theil des alten Raths und die unter dem Einfluß, d. h. unter irgend einer, urkundlich nicht näher zu bestimmenden Mitwirkung, des Bürgerausschusses gewählten neuen Rathmannen sich zu einem neuen Rath constituirt hatten, besiegelte dieser dem Ausschusse den Bürgerbrief. Damit war die Ruhe wiederhergestellt und ein neues Verfassungsgesetz geschaffen worden. Dann schritt der neue Rath sowohl gegen die ausgewichenen Rathmannen, wie auch gegen dieienigen ein, welche der Greuelthaten des 17. September schuldig waren und sich der Bestrafung durch die Flucht entzogen hatten: wie über jene, ward auch über diese die Verfestung verhängt. Daß in der Folgezeit durch den wieder eingeführten alten Rath noch anderweitige Theilnehmer an den Verbrechen des 17. September aufgespürt wurden, ist erklärlich genug. Auffälliger ist, daß der Schuhmacher Nicolaus von Gotland, der uns als Mitglied des Bürgerausschusses bekannt


1) Vgl. den Verkauf confiscirter Häuser des Hinrich Kölner (M. U.=B. 6, Nr. 3950), des Gärbers Gerwin (Nr. 3959; Goswin?), des Hinrich Runge (Nr. 3964) und des Werner Hövisch (Nr. 3989), sowie auch die Processe Dietrich Brages (Nr. 4078), Peter Hövischs (Nr. 4189, 4201), Willekin und Johann Kölners (Nr. 4202), Mathias' und Johanns von Schwetzin (Nr. 4307) und Elers von Schwetzin (7, Nr. 4335, 4337).
2) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 4.
3) M. U.=B. 6, Nr. 3674.
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ist, schon vor dem 31. December 1313 und zwar, weil er sich grausamen Mordes und der Leichenberaubung an Rostocker Bürgern schuldig gemacht hat 1 ), in Stralsund verfestet wird. Halten wir das Datum für sicher, so müssen wir annehmen, daß er noch während der Herrschaft des neuen Rathes sich nach Stralsund geflüchtet hat.


Der neue Rath war bekanntlich genöthigt am 7. December 1312 auf dem Pölchower Felde Frieden zu schließen 2 ); er versprach dem Fürsten Heinrich von Meklenburg, der 1311, Sept. 6, von König Erich von Dänemark zum Hauptmann des Landes Rostock ernannt worden war 3 ), dem Könige Erich und den Markgrafen Waldemar und Johann eine Summe von 14000 Mark Silbers in drei Terminen, Weihnacht, Ostern und Jacobi, zu bezahlen; an der Spitze der Zeugen stehen in der betreffenden Urkunde die beiden Fürsten Heinrich von Meklenburg und Nicolaus von Rostock 4 ). Am 15. December beurkundeten dann Rath und Gemeinde, sie hätten König Erich und zu dessen Händen dem Fürsten Heinrich von Meklenburg den Eid des Gehorsams und der Treue geleistet und sie wären verpflichtet, sich mit Niemand gegen den König zu verbinden, sondern für ihn zu thun, was Bürger ihrem Herrn schuldig sind (quod tenentur cives facere pro suo domino singulari) 5 ). Ich habe früher angenommen, daß in den Worten: obediencie et fidelitatis fecimus juramentum ein Irrthum stecke; die Möglichkeit eines solchen ist deshalb vorhanden, weil die Urkunde nicht im Original, sondern nur in einemVidimus von 1333, April 23, erhalten ist, und meine Annahme beruhte darauf, daß uns einerseits weder eine Gegenurkunde über die Bestätigung der städtischen Privilegien, wie man sie bei wirklich geleisteter Huldigung doch vom Fürsten Heinrich im Namen König Erichs erwarten sollte, noch auch irgend eine andere von dem genannten Fürsten damals innerhalb Rostocks ausgestellte Urkunde erhalten ist und daß andererseits der Fürst im lanuar 1314 sich veranlaßt sah, mit den ausgewichenen Rathmannen einen Vertrag einzugehen, in welchem diese sich anheischig machten, ihm ein Thor der Stadt durch Verrath in


1) M. U.=B. 10, Nr. 7276.
2) M. U.=B. 5, Nr. 3576.
3) M. U.=B. 5, Nr. 3484.
4) Acta sunt hec presentibus nobilibus viris, dominis Heynrico Magnopolensi, Nicolao Rostoccensi, ac militibus etc.
5) M. U.=B. 5, Nr. 3577.
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die Hand zu spielen 1 ); ich meinte, die Urkunde könne im Original nur ein Versprechen der Huldigung enthalten haben und das betreffende Verbum müsse also in demselben in der Form des Futurums gebraucht gewesen sein. Dieses Huldigungsversprechen, combinirte ich weiter, sei das Ereigniß gewesen, welches den zweiten Aufstand hervorgerufen habe, und der Aufstand habe wiederum die wirkliche Huldigung unmöglich gemacht und deshalb den Fürsten Heinrich genöthigt, wenn er in den thatsächlichen Besitz Rostocks kommen wollte, auf das Anerbieten der entwichenen Rathsmitglieder einzugehen. Durch die Annahme eines Schreibfehlers in der Abschrift der Unterwerfungsurkunde gewann ich also Erklärung für zwei mir vorher unverständliche Thatsachen, für die Erzwingung des Bürgerbriefs nach der Einsetzung des neuen Raths und für den Vertrag des Fürsten Heinrich mit den entwichenen Rathmannen 2 ). Aber das Datum des Vidimus, 1313, April 23, zu Nykjöbing auf Falster 3 ), weist hin auf einen Zusammenhang desselben mit einer Urkunde König Erichs 4 ), in welcher derselbe 1313, April 19, zu Vordingborg seinen mit ihm ausgesöhnten Rathmannen und Bürgern von Rostock alle Rechte und Freiheiten in seinem Reiche (in regno nostro) bestätigt, die ihnen durch seiner Vorfahren und seine eigenen Privilegien (per privilegia progenitorum nostrorum seu nostra) verliehen worden sind. Die Unterwerfungsurkunde Rostocks wurde, so scheint es, vom Fürsten Heinrich von Meklenburg nach Dänemark mitgenommen und König Erich ausgehändigt; auf Grund derselben bestätigte der König den Rostockern ihre früheren Handelsprivilegien und Fürst Heinrich nahm statt des dem König zurückgelassenen Originals ein Vidimus mit sich nach Hause. Durch diesen früher von mir nicht beachteten Zusammenhang 5 ) wird meine Vermuthung hinfällig gemacht, denn die Privilegienbestätigung von 1313, April 19, kann nicht auf Grund eines bloßen Huldigungsversprechens von 1312, Dec. 15, erfolgt sein und Fürst Heinrich von Meklenburg muß, als er durch die Aushändigung der Unterwerfungsurkunde


1) M. U.=B. 6, Nr. 3669.
2) Daß es M. U.=B. 5, Nr. 3577, heißt: obediencie et fidelitatis fecimus juramentum, wie Fischer, Heinrich der Löwe von Meklenburg (Rostocker Inangural=Dissertation, Schwerin 1889) S. 72 mir gegenüber betont, ist mir natürlich nicht entgangen.
3) M. U.=B. 5 zu Nr. 3577.
4) M. U.=B. 6, Nr. 3608.
5) Da er schwerlich übersehen worden sein würde, wenn das Vidimus unter 1313, April 23, kurz gebucht worben wäre, so sei bei dieser Gelegenheit der Wunsch ausgesprochen, daß auch bloße Vidimirungen immer als Facta aufgefaßt unb ihres Ortes registrirt werden.
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den Rostockern eine Bestätigung ihrer Handelsprivilegien in Bezug auf Dänemark verschaffte, in gutem Einvernehmen mit der Stadt gestanden haben.

Nach der Verzichtleistung auf die Annahme eines Lesefehlers muß ich versuchen, die Frage, inwiefern Fürst Heinrich, um in den Besitz der Stadt Rostock zu gelangen, des Bündnisses mit den ausgewichenen Rathmannen bedurfte, auf andere Weise zu beantworten. Lange 1 ) hat an die Möglichkeit gedacht, "daß die Abfassung des Bürgerbriefs erst nach der Privilegienbestätigung (1313, April 19) stattgesunden habe und daß erst durch jene und die sie begleitenden Umstände Heinrich zum Einschreiten veranlaßt worden sei". "Aber, fügt er sogleich hinzu, im Vertrag selbst findet sich nichts, was für diese Annahme spräche; Heinrich scheint einfach die von den Vertriebenen dargebotene günstige Gelegenheit benutzt zu haben, ohne sich um die Rechtsfrage zu kümmern". Diese Fragestellung berührt sich mit der meinen, geht aber auf etwas Anderes hinaus: Lange sucht nach der Ursache, weshalb Fürst Heiurich in die Stadt zu kommen suchte, ich dagegen nach dem Grunde, weshalb er, wenn er dies wollte, sich des ihm angebotenen Verrathes bedienen mußte.


Fürst Heinrich war, wie erwähnt, 1311, Sept. 6, von König Erich zum Hauptmann des Landes Rostock eingesetzt worden, bevor der Krieg gegen den Fürsten Nicolaus und die Stadt Rostock begann: er hatte dem König gegenüber anerkannt, daß er die diesem gehörigen Befestigungen und Lande in der Herrschaft Rostock nur als sein Verwalter und Hauptmann in seinem Namen (tamquam procurator suus et capitaneus suo nomine) inne habe und daß er zu deren Zurückgabe verpflichtet sei, sowohl dem König, wie dessen Nachfolger gegenüber, sobald er dazu aufgefordert werde und, so besagt ein Nachsatz, von dem es zweifelhaft ist, ob er nur auf den Nachfolger, oder auch auf den König Anwendung haben soll, sobald er für die aufgewandten Kosten Ersatz erhalten habe 2 ). Der Pölchower Friede vom 7. December 1312 beendete den Krieg, der zwischen König Erich, den Markgrafen Waldemar und Johann und dem Fürsten Heinrich auf der einen und dem Fürsten Nicolaus


1) S. 10, Anm. 2.
2) M. U.=B. 5, Nr. 3484: postquam nobis super hiis omnibus, que nos pro ipso domino rege tempore, quo easdem municiones et terras tenuerimus, exposuisse poterimus racionabiliter edocere, fuerit plene et integre satisfactum. Daß der Abdruck mit Si vero einen neuen Satz beginnt, darf natürlich nicht irre machen.
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und der Stadt Rostock auf der andern Seite bisher geführt worden war; beim Abschluß des Friedens war, wie Fürst Heinrich, so auch Fürst Nicolaus zugegen gewesen. Laut der Unterwerfungsurkunde von 1312, Dec. 15, hatte die Stadt dem Könige zu Händen des Fürsten Heinrich gehuldigt, und auf Grund dieser Urkunde waren ihr 1313, April 19, ihre Handelsprivilegien von dem Könige bestätigt worden. Rostock war unter die Oberhoheit König Erichs zurückgekehrt und hatte ihm zu Händen des Fürsten Heinrich Treue geschworen; Fürst Nicolaus, der mit seinem Lehnsherrn ebenfalls Frieden geschlossen hatte, blieb, so durften die Rostocker schließen, wenn auch unter dänischer Oberhoheit, ihr Landesherr; der Hauptmannschaft des Fürsten Heinrich mußte alsdann in Folge des Friedensschlusses, beziehentlich in Folge der Privilegienbestätigung König Erichs, ein Ende gemacht werden. König Erich nahm aber den Fürsten Nicolaus nicht wieder zu Gnaden an: während sowohl der Pölchower Friedensschluß, wie die Unterwerfungsurkunde den Fürsten Nicolaus und die Stadt Rostock als die Kriegführenden namhaft macht, spricht König Erich in der Privilegienbestätigung nur von einem Kriege zwischen ihm und seinen Helfern und der Stadt Rostock und deren Helfern; der Fürst Nicolaus, den er seit dem Schwaaner Frieden von 1301, Juli 22, nicht mehr als Landesherrn hatte gelten lassen, ist offenbar für ihn gar nicht vorhanden. Ob aber der König die Hauptmannschaft des Fürsten Heinrich aufrecht erhalten habe oder nicht, ist weniger deutlich. Die Burg zu Warnemünde ist wie wir urkundlich wissen, nicht ihm, sondern Niels Olufson übertragen worden 1 ), der 1313, Aug. 22, auch mit dem zum Fürstenthum Rostock gehörigen Lande Wustrow (Fischland) belehnt worden war. In der Belehnungsurkunde verbietet der König, daß irgend einer seiner Vögte, deren Beamte oder sonst jemand diesen seinen Lehnsmann belästige 2 ); das kann zwar eine bloße Formel sein, kann aber auch den wirklichen Verhältnissen entsprechen. Ehe es zum Krieg zwischen Rostock und König Erich gekommen war, war Jacob Fleep Hauptmann des Fürstenthums Rostock 3 ), Niels Olufson aber Vogt des Königs in Rostock gewesen 4 ); auf den letzteren wird es sich beziehen, daß der König den Rostockern vorwirft, sie hätten den von ihm ihnen gesetzten Vogt abgesetzt und ihm einen widerspänstigen entgegengestellt 5 ).


1) M. U.=B. 6, Nr. 3871.
2) M. U.=B. 6, Nr. 3641.
3) 1310, April 16: M. U.=B. 5, Nr. 3390.
4) 1310, April: 10: M. U.=B. 5, Nr. 3387.
5) M. U.=B. 5, Nr. 3504.
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Die Thatsache, daß Fürst Heinrich das Anerbieten der ausgewichenen Rathmannen annahm, unverständlich, wenn ein von ihm eingesetzter Vogt in Rostock geschaltet hätte, wird verständlich, wenn König Erich, mochte er nun die Landeshauptmannschaft des Fürsten fortdauern lassen oder nicht, seinerseits einen Vogt in Rostock eingesetzt hätte. Freilich wäre dann der Handstreich, durch den sich Fürst Heinrich der Stadt bemächtigte, in gewissem Sinne auch gegen König Erich gerichtet gewesen.

Die Doberaner Genealogie erzähtt uns folgendermaßen 1 ): Nach dem Tode des Junkers (domicellus) Nicolaus von Rostock nahm Fürst Heinrich von Meklenburg und Stargard das Land Rostock als ein ihm nach Erbrecht zugefallenes an sich und behielt es gegen den Willen des Königs (occupavit et detinuit contra velle regis), bis endlich der König in Anbetracht seiner treuen Dienste und durch seine Bitten bewogen, ihm das Land und die Herrschaft Rostock in Frieden überloieß und den Rostocker Bürgern befahl, ihm Huldigung zu leisten und in allen Dingen zu gehorchen. Die Occupation, in Folge deren Fürst Heinrich das Land gegen den Willen des Königs in Besitz hatte, geschah durch den Handstreich vom 13. Januar 1314.

Fürst Nicolaus ist der Inschrift seines leider verschollenen Leichensteins zufolge, insofern diese richtig gelesen wurde, am 20. November 1314 gestorben 2 ); eine andere, freilich wenig zuverlässige Ueberlieferung nennt als seinen Todestag, den 25. November 1313 3 ): wäre diese letztere glaubwürdig, so erhielten wir eine schöne Bestätigung für die Erzählung der Doberaner Genealogie und zugleich volles Verständniß für den Vertrag von 1314, Januar 8.

Wigger bemerkt, daß Fürst Heinrich schon vor der erblichen Belehnung mit dem Lande Rostock durch König Chriftoph am 21. Mai 1323, nämlich 1322, Juni 30, 1322, Dec. 13, 1323, März 8 und 1323, April 10, den Titel Fürst von Rostock geführt habe 4 ); in Wirklichkeit geschah dies aber schon sieben Jahre früher: 1315, April 30: Hinricus dei gracia Magnopolensis, Stargardie et Rostok dominus, 1315, Mai 2: Hinricus dei gracia Magnopolensis, Stargardie et Rostok dominus, 1315, August 15: Hinrik, van der gnade godes en here to Mekelenborch, Stargard


1) Mekl. Jahrb. 11, S. 14.
2) M. U.=B. 6, Nr. 3720, I.
3) M. U.=B. 6, Nr. 3720, II.
4) Mekl. Jahrb. 50, S. 159.
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unde Rozstok 1 ). Da aber Fürst Heinrich erst 1317, Januar 7, von König Erich mit der Herrschaft Rostock beliehen ward, so beweist die Führung dieses Titels im Jahre 1315, daß der Fürst das Land Rostock, wie die Doberaner Genealogie berichtet, nach Erbrecht in Anspruch nahm. Die Beleihung von 1317, Jan. 7, erfolgte für Fürst Heinrich und seine Erben, aber nur so lange, bis er für den von ihm um des Königs willen erlittenen Schaden völlig zufrieden gestellt werden würde, und mit der Ausnahme des Schlosses Warnemünde, das Niels Olufson zu Lehn trug 2 ). Als aber König Erich 1319, Nov. 13, gestorben war, setzte sich Fürst Heinrich in den Besitz Warnemündes, empfing die Huldigung der Vasallen des Landes Rostock und versprach ihnen, sie bei allen Rechten und Freiheiten zu erhalten, die ihnen von seinen Vorgängern, den Fürsten Borwin und Waldemar, ertheilt worden wären. Zugleich bestätigte er auch eine Vereinbarung, die er mit der Stadt Rostock, als er im Namen König Erichs eine Sühne mit ihr eingegangen sei, getroffen habe, und die dahin ginge, daß die Stadt bei Zwistigkeiten mit seinen Vasallen keine Klage erheben könne, bevor sie nicht die Wahl getroffen habe, ob sie innerhalb ihrer Mauern mit Arrestirung vorgehen oder das Landgericht der Vasallen anrufen wolle 3 ). 1321, Jan. 26, bezeichnete sich Heinrich als van der gnade godes eyn here van Mekelenborch unde van Stargarde unde van Rozstok 4 ). Am 21. Mai 1323 geschah dann die Belehnung Heinrichs mit den Landen Rostock, Gnoien und Schwaan durch König Christoph, Mai 29 richtete der König an die Vasallen und Städte des Landes Rostock ein Beglaubigungsschreiben und Juni 4 bestätigte Fürst Heinrich der Stadt Rostock, nachdem diese auf Befehl König Christophs ihm und seinen Erben den Huldigungseid geleistet hatte, ihre Freiheiten und Privilegien 5 ). Damit war das Ziel erreicht worden, zu welchem hin Fürst Heinrich durch den Vertrag mit den entwichenen Rathmannen am 8. Januar 1314 den ersten Schritt gethan hatte.


Beim Friedensschluß von Pölchow befand sich der Thurm zu Warnemünde in den Händen König Erichs und des Markgrafen Waldemar, die 1312, Februar 19, zur Unterwerfung der Stadt


1) M. U.=B. 6, Nr. 3759, 3743, 3774.
2) M. U.=B. 6, Nr. 3871.
3) M. U.=B. 5, Nr. 4145.
4) M. U.=B. 10, Nr. 7292.
5) M. U.=B. 7, Nr. 4443, 4446, 4449.
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Rostock sich verbunden 1 ) und 1312, Oct. 9, einen Vertrag über die Theilung der für den Abbruch des Thurmes zu erwartenden Summe geschlossen hatten 2 ). Am 20. Febr. 1313 verkaufte Markgraf Waldemar seine Hälfte des Thurmes an König Erich für 5000 Mk Silbers, auf welche er 2500 Mk. von demjenigen Gelde erhalten sollte, welches die Rostocker Jacobi zu zahlen hätten 3 ). Vermuthlich waren nämlich die drei Ratenzahlungen, welche Rostock dem Pölchower Frieden gemäß zu leisten hatte 4 ), auf 4000, 5000 und 5000 Mark Silbers bestimmt worden und von der letzten, Jacobi 1313 fälligen Rate 5 ) sollte König Erich seine Hälfte dem Markgrafen Waldemar überlassen. In Bezug auf den Antheil der Brandenburger an den 14000 Mk. Silbers besitzen wir eine Beglaubigung des Ritters Johann von Kröcher von 1313, April 16, für die von den Markgrafen Waldemar und Johann zur Erhebung ihres Antheils bevollmächtigten Personen 6 ) und eine Quittung des Ritters Henning von Steglitz von 1313, Oct. 5, über die volle Bezahlung des dem Markgrafen Waldemar zukommenden Antheils 7 ), also der 7000 Mk. Silbers. Wenn es dem entgegen 1314, Jan. 8, in dem Vertrage des Fürsten Heinrich mit den entwichenen Rathmannen 8 ) heißt: Alle Schulden, welche Rostock dem Könige und dem Markgrafen von der Sühne her zu bezahlen habe, sollen bezahlt werden, während in die übrigen Schulden der Stadt Fürst Heinrich sich nicht einmischen soll, so muß das, wenigstens was den Markgrafen von Brandenburg betrifft, auf einer gemeinschaftlichen Unkenntniß der Thatsache der bereits geleisteten Zahlung beruhen.

Fürst Heinrich, der, nach der Privilegienbestätigung König Erichs für Rostock, von 1313, April 19, zu urtheilen, sich damals bei dem Könige ausgehalten hatte, urkundete April 26 in Doberan 9 ), war im Juni wiederum bei König Erich in Helsingör und Helsingborg 10 ), befand sich Juli 23 in Reinsdorsf 11 ) und stellte Aug. 26 zu Kolding dem König einen Schuldbrief aus 12 ). Als Erich


1) M. U.=B. 5, Nr. 3516.
2) M. U.=B. 5, Nr. 3570.
3) M. U.=B. 6, Nr. 3589.
4) M. U.=B. 5, Nr. 3576.
5) ultimnam antem partem in festo beati Jacobi proximo.
6) M. U.=B. 6, Nr. 3606.
7) M. U.=B. 6, Nr. 3648: plenue et ex toto.
8) M. U.=B. 6, Nr. 3669.
9) M. U.=B. 6, Nr. 3610.
10) M. U.=B. 6, Nr. 3617, 3623, 3626.
11) M. U.=B. 6, Nr. 3633.
12) M. U.=B. 6, Nr. 3644.
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Sept. 27 oder 24 zu Roeskilde die Entscheidung seiner Streitigkeiten mit den Grafen Heinrich und Adolf von Holstein auf Herzog Erich von Sachsen=Lauenburg und Fürst Heinrich von Meklenburg übertrug 1 ), waren wohl die beiden Schiedsrichter nicht mehr in ihrem Lande, sondern hatten sich bereits aufgemacht, um an der Königswahl, die durch den Tod Kaiser Heinrichs, 1313, Aug. 24, nöthig geworden war, theilzunehmen: sobald sie von der Königswahl zurückgekommen sein würden 2 ), sollte ihnen der Ort bekannt gemacht werden, an dem man sechs Wochen darauf zusammenkommen wollte. Die Doppelwahl geschah in Frankfurt: Oct. 19 wurde von der einen Partei Friedrich der Schöne von Oesterreich, Oct. 20 von der andern Ludwig der Baier erwählt. Der erste Beweis von der Heimkehr des Fürsten Heinrich ist sein Vertrag mit den entwichenen Rathmannen von 1314, Januar 8, zu Dassow.


Die nun folgenden Ereignisse brauche ich nur kurz zu berühren: Fürst Heinrich erscheint Jan. 12 spät Abends vor Rostock, hält Jan. 13 seinen Einzug und läßt Jan. 14. Gericht halten 3 ). Am 19. Jan. beurkundet der wiedereingeführte und ergänzte alte Rath, daß er König Erich und in dessen Namen dem Fürsten Heinrich von Meklenburg gehuldigt habe und dem Könige und dem Fürsten Heinrich in dessen Namen zur Treue verpflichtet sei 4 ). Vergleichen wir diese Huldigungsurkunde mit der Unterwerfungsurkunde von 1312, Dez. 15, so ist zwar in beiden vom Fürsten Nicolaus nicht ausdrücklich die Rede, aber die frühere Urkunde läßt Raum für ihn, die jetzige beseitigt ihn stillschweigend: jene spricht nur von der dem König schuldigen Treue, diese von der Treue gegen König Erich und gegen Fürst Heinrich in dessen Namen.



1) M. U.=B. 6, Nr. 3646.
2) Vergl. Hasse, Schlesw.=Holst.=Lauenb. Regesten u. Urkunden 3, Nr. 279.
3) M. U.=B. 6, Nr. 3672.
4) M. U.=B. 6, Nr. 3674.
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Anhang I.

Die urkundlichen Nachrichten über Volmar Runge I. und seine Söhne.

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Die früheste Nachricht über Volmar Runge I. ist vom Jahre 1283 oder aus etwas früherer Zeit; sie betrifft seine Erwerbung des Bürgerrechts und lautet: Volquin Runge aus Röbel ist Bürger (Volquinus Runge de Robele civis est) 1 ). Alsdann hören wir von einem Hauskauf im Jahre 1283: Nicolaus von der Möhlen verkauft Volquin Runge sein Erbe in der Wokrenterstraße 2 ). Von da ab wird Volquin beständig Volmar genannt; deshalb an der Identität Volmars und Volquins zu zweifeln ist kein Grund. — Im Jahre 1287 verkaufen Hermann, Johann und Heinrich, Söhne des Johann von Wokrent, ihr Erbe an Volmar Runge 3 ): vermuthlich lag dieses Erbe ebenfalls in der Wokrenterstraße. Zwei Jahre später (1289) ist er, zusammen mit den Brüdern Simon und Lambert von der Möhlen Vormund zweier Frauen, Abel und Gertrud 4 ). Wiederum nach zwei Jahren (1291) finden wir ihn als Gläubiger der Stadt, der er 50 Mark geliehen hat 5 ). Vier Jahre darauf (1295) kommt er mit seinen Söhnen und seiner Tochter vor den Rath und verzichtet zu Gunsten Bertrams von Dame auf alle Ansprüche an dessen Nachbarhaus 6 ). Im folgenden Jahre (1296, Oct. 28) schenkt er zu seinem und seiner verstorbenen Gattin Seelenheit 100 Mark, beziehentlich 10 Mark Rente, aus seinem steinernen Querhause, zu einem Altar 7 ). In demselben Jahre


1) M. U.=B. 3, zu Nr. 1667.
2) M. U.=B. 3, Nr. 1667.
3) M. U.=B. 3, zu Nr. 2325.
4) M. U.=B. 3, zu Nr. 2325.
5) M. U.=B. 3, Nr. 2122.
6) M. U.=B. 3, Nr. 2325.
7) M. U.=B. 3, Nr. 2416.
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verläßt er mit seiner Tochter Gertrud und deren Tochter Abel (Wolmarus Rungho et Gerdrudis filia sua necnon Abele filia ejusdem) die Hälfte eines Hauses 1 ); vermutlich steckt in dieser Eintragung ein Irrthum und es ist uxor sua statt filia sua zu lesen. Im Jahre 1299, da Volmar Runge und Johann Lange als Vormünder der Kinder des Müllers Gerlach auftreten 2 ) wird er zuletzt genannt. Am 21. August 1308 theilt Volmar Runge der Jüngere seine Stiefmutter Gertrud wegen des Nachlasses Volmar Runges des Aeltern dadurch ab, daß er ihr 200 Mark zuweist und ihr dafür eine Rente von 20 Mark aus seinem ganzen Winkel in der Wokrenterstraße überläßt 3 ). — Volmar Runge kam also 1283 oder kurz davor aus Röbel nach Rostock, ward Biirger daselbst und kaufte sich in der Wokrenterstraße an. Vielleicht war er damals schon durch den Tod seiner ersten Frau, von der er Söhne und eine Tochter hatte, Wittwer geworden und ging nunmehr in Rostock eine neue Ehe ein, durch die er zu der Familie von der Möhlen in verwandtschaftliche Beziehungen trat und zu einer zweiten Ehefrau Namens Gertrud und zu einer Stieftochter Namens Abel gelangte; jedenfalls muß er diese zweite Heirath 1289 schon geschlossen haben, als er neben Simon und Lambert von der Möhlen Vormund einer Abel und einer Getrud war, denn offenbar war letztere seine Frau und erstere seine Stieftochter. Da der Versuch, den geneologischen Zusammenhang von Bürgerlichen in so früher Zeit aufzuklären, immer mehr oder weniger auf Hypothesen angewiesen ist, so wage ich die Vermuthung, daß Simon von der Möhlen außer seinem später noch zu erwähnenden Sohne Johann eine Tochter Namens Getrud besaß, die von ihrem unbekannten Gatten erster Ehe eine Tochter Namens Abel hatte und sich in zweiter Ehe mit Volmar Runge vermählte, und daß ferner eine Schwester der Gebrüder Simon und Lambert von der Möhlen mit dem Rathmann Johann von Braunschweig verheirathet gewesen und kinderlos gestorben war. Johann von Braunschweig hatte sich darauf wieder vermählt mit einer Alburg, die aus der Familie Gamm stammte und nach dem Tode dieses ihres ersten Gatten, der urkundlich 1284 zuletzt vorkommt 4 ), eine neue Ehe mit Konrad von Schwinge einging. Zu Ende des Jahres 1291 oder zu Anfang


1) M. U.=B. 3, zu Nr. 2136.
2) Stadtbuch I. von 1295-1304 fol. 115 b: Volmarus Runghe et Johannes Longus, tutores puerorum Gerlaci molendinarii.
3) M. U.=B. 5, Nr. 3240: Volmarus Runghe junior recognovit, quod domina Gerdrudis noverca sua etc.
4) M. U.=B. 3, Nr. 1718.
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des folgenden verkaufte Konrad von Schwinge mit Genehmigung seines Schwagers Heinrich Gamm 1 ) seinen Antheil an dem Erbe, das Johann von Braunschweig gehört hatte, und seinen Antheil an der Schmiede bei den Schusterbuden in der Altstadt an die Gebrüder Simon und Lambert von der Möhlen, und im Jahre 1296, als vermuthlich inzwischen Simon von der Möhlen gestorben war, wurde von dem Erbe, das Johann von Braunschweig gehört hatte, die eine Hälfte durch Hinrich Gamm und Konrad von Schwinge, die andere Hälfte durch Volmar Runge, Gertrud und Abel an Lambert von der Möhlen verkauft 2 ) und dieser verließ hinwiederum dem Volmar Runge 2 Mark Wortzins aus der Schmiede bei den Schusterbuden der Altstadt 3 ). Im Jahre 1301 bekannte Lambert von der Möhlen, daß sein Brudersohn Johann 20 Mark Rente von ihm zu fordern habe, die er für 200 Mark zurückkaufen könne; Vormünder und Gefreundete (amici et tutores) des Johann und seiner Mutter Gertrud waren Heinrich von Gothland, Volmar Runge, Hinrich Rikbode und Hermann Yser und die Vormünder Johanns, Volmar Runge, Hinrich Rikbode, Ernst von Stendal und Herder, sollten die gedachte Rente jährlich erheben 4 ).

Die Söhne Volmar Runges waren Volmar II. und Heinrich. Ungenannt kommen beide bei dem Verzicht auf das Nachbarhaus des Marquard von Dame 1295 zuerst vor. Von Volmar II. ist bereits erwähnt, daß er 1306 wegen der Nachlassenschaft seines Vaters mit der Stiefmutter abtheilte und das väterliche Erbe in der Wokrenterstraße in seinem Besitz hatte. Heinrich verkaufte 1302 eine Rente von 10 Mark aus dem von ihm bewohnten Erbe, das einst Simon von der Möhlen gehört hatte 5 ), 1305 verkaufte er ein Erbe in der Böttcherstraße, auf der jetzigen Fischbank 6 ), und kaufte dagegen eine Rente von 24 Mark 7 ); 1309 führt ihn König Erich von Dänemark unter den Gläubigern des Fürsten Nicolaus auf und zwar mit einer Forderung von 462 Mark 8 ). Das sind


1) M. U.=B. 3, Nr. 2136: Conradus dictus de Svinghe, maritus domine Alburgis relicte Johannis de Bruneswic, vendidit cum consensu fratris uxoris sue Gamme etc.
2) M. U.=B. 3, zu Nr. 2136.
3) Stadtbuch I. von 1295-1304 fol. 19.
4) Stadtbuch I. von 1295-1304 fol. 139 b.
5) Daselbst fol. 148.
6) M. U.=B. 5, Nr. 3042.
7) Hausbuch von 1304-1314 fol. 19 b.
8) M. U.=B. 5, Nr. 3340.
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alle Nachrichten, die wir bisher über die beiden Brüder bis zum Aufruhr des Jahres 1312 besitzen.

Ob einer der beiden Brüder, beziehentlich wer von ihnen, Nachkommen hinterlassen habe, ist ungewiß. Im Jahre 1322 wurde ein geistlicher Proceß geführt von Johann Wunstorf, als Procurator eines Johann Runge, der erst Kleriker genannt, dann aber als unmündig bezeichnet wird 1 ), gegen Bernhard Münstermann und Albert Holst. Bernhard Münstermann war der Stiefsohn des 1314, Jan. 14, verfesteten Heinrich von Schwetzin 2 ) und Procurator seiner Stiefbrüder, der Geistlichen Matthias und Johann von Schwetzin, und seines Stiefoheims, des ebenfalls verfesteten Eler von Schwetzin; Albert Holst ist uns weiter nicht bekannt. Vermuthlich war es derselbe Johann Runge, der 1326 als sacerdos verstorben war und dessen Erben, seine Schwester, Frau Alheid, und eine Brudertochter, Heileke, damals auf die von ihm bezogenen Renten aus dem St. Georgs=Hospital und der Nemezower Mühle verzichteten 3 ). Vielleicht gehört hierher, daß das genannte Hospital 1319 fünf Mark Rente aus der Nemezower Mühle von den Gebrüdern Reinhard und Gerhard Rike erworben hatte 4 ). — Ein anderer Johann Runge kaufte im lahre 1325 mit Tammeke Mölner zusammen die Windmühle in Rövershagen von Hinrich Brage, der dieselbe 1322 von Hinrich von Tulendorf gekauft hatte 5 ). Aus der Familie Brage waren 1314, Jan. 14, zwei Mitglieder verfestet worden.

Verschwägerung der Familien Runge und von der Möhlen.

Verschwägerung der Familien Runge und von der Möhlen.

1) M. U.=B. 7, Nr. 4331, 4338.
2) M. U.=B. 8, Nr. 5323.
3) M. U.=B. 7, Nr. 4713.
4) M. U.=B. 6, Nr. 4057.
5) M. U.=B. 6, Nr. 4649 u. Anm.
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Anhang II.

Die Mitglieder des Raths zu Rostock von 1312 bis 1314.

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Ueber den neuen Rath, wie er sich nach dem Aufruhr von 1312, Sept. 17, gestaltete, wissen wir folgendes. Am 15. Oct. 1312 waren Hinrich von Gothland, Hinrich Runge und Werner Hövisch Zeugen in einer Urkunde des Fürsten Nicolaus von Rostock 1 ); damals hatte also die Wahl, durch welche Runge und Hövisch in den Rath drangen, schon stattgefunden. Am 7. Dec. 1312 wurde der Vertrag zu Pölchow geschlossen durch Hinrich von Gothland, Hinrich Runge, Nicolaus von Kyritz, Werner Hövisch, Johann Klein, Marquard Holste von Teterow und Hinrich von Kurland 2 ); die vier erstgenannten werden wir für die Bürgermeister des neuen Raths halten dürfen; der an der Spitze stehende Hinrich von Gothland hatte dem alten Rath seit etwa 1296 angehört 3 ); die übrigen sechs Personen waren neu erwählt worden. — Kämmerer des neuen Raths waren 1312, Oct. 1, bis 1314, Jan. 13, Hinrich von Kurland und Bolte; nur einmal, 1313, Juli 13, werden Hinrich von Kurland und Thidemann Kölner zusammen genannt 4 ), offenbar der letztere nur in Vertretung Boltes; alle drei haben unsers Wissens dem alten Rath nicht angehört. — Als Beisitzer im Gericht fungirten neben dem Vogt Johann Voot mehreren Eintragungen des erst später und nicht in chronologischer Ordnung zusammengetragenen Verfestungsbuches zufolge entweder Hermann Modenhorst und Heidekin Teterow oder Johann Klein und Nicolaus Klinkemann; Wigger schwankt über die Zeit ihrer Function, indem er die beiden


1) M. U.=B. 10, Nr. 7272.
2) M. U.=B. 5, Nr. 3576.
3) M. U.=B. 3, Nr. 2424.
4) Danach ist M. U.=B. 5, S. XIII zu berichtigen.
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ersteren M. U.=B. 5, S. XIX zu 1312, M. U.=B. 6, Nr. 3673 zu 1314 und die beiden letzteren M. U.=B. 5, S. XIX zu 1313, M. U.=B. 5, Nr. 3559, 3561 zu 1312 nach Sept. 17 setzt. Hermann Modenhorst, Rathmann seit 1300 1 ), und Heidekin Teterow werden genannt in einem die Ereignisse von 1312, September 17, betreffenden Verfestungsvermerke; Wigger stellt ihn mit drei andern Eintragungen verwandten Inhalts zusammen und bemerkt dazu (M. U.=B. 6, Nr. 3673): "Die Verfestungen sind ohne Zweifel alle erst unter dem 1314 wieder eingetretenen alten Rath ausgesprochen"; aber diese Bemerkung trifft sicher auf die erste Eintragung, in welcher Modenhorst und Teterow namhaft gemacht werden, deshalb nicht zu, weil beide dem 1314 wieder eingesetzten und ergänzten alten Rath nicht angehört haben; beide sind demnach als Mitglieder des neuen Raths anzusehen und unter dessen Regierung muß die betreffende Verfestung wegen der Ereignisse von 1312, Sept. 17, geschehen sein. Johann Klein und Nicolaus Klinkemann fungiren bei zwei Verfestungen wegen Verraths städtischer Schiffe und bei einer dritten wegen Tödtung eines Knechts im Stadtgraben; zu den ersteren Eintragungen bemerkt Wigger (M. U.=B. 5, Nr. 3559): "Daß die Rostocker zu Warnemünde während der Belagerung des Thurms, der Anfang Septembers fiel, Schiffe verloren, berichtet sowohl Kirchberg . . . als auch die Rostocker Chronik . . . Jene Verfestungen fallen aber erst in die Zeit des neuen Rathes"; diese Bemerkung beruht zwar nur aus Muthmaßung, doch wird man sich ihr, soweit es die Zuweisung Kleins und Klinkemanns zum neuen Rath betrifft, anschließen müssen; was die Zeit ihrer Function anlangt, so meine ich in der Erwägung, daß die Verfestung, welche wegen der Ereignisse von 1312, Sept. 17, unter dem neuen Rath geschah, bald nach denselben erfolgt sein wird und folglich Modenhorst und Teterow für die Gerichtsbeisitzer des Jahres 1312-1313 zu halten sind, Klein und Klinkemann für das Jahr 1313-1314 in Anspruch nehmen zu dürfen. — Dem neuen Rath gehörten demnach nachweislich zwei Mitglieder des alten Rathes an, Hinrich von Gothtand und Hermann Modenhorst, und von den neu erwählten Rathmannen kennen wir acht: Hinrich Runge, Nicolaus von Kyritz, Werner Hövisch. Johann Klein, Marquard Holste, Hinrich von Kurland, Heidekin Teterow und Nicolaus Klinkemann.

Vertrieben oder ausgewichen waren von den Mitgliedern des alten Raths 8 Personen, die 1314, Jan. 8, zu Dassow einen


1) M. U.=B. 4, Nr. 2598.
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Vertrag über ihre Rückführung mit dem Fürsten Heinrich von Meklenburg abschlossen: Arnold Kopmann, Arnold Quast, Wasmod Sinneke, Bernhard Kopmann, Otbert von Selow, Gerwin Wilde, Thie und Hinrich Schlichtop 1 ). Fünf von ihnen hielten sich 1313, Nov. 14, zu Ribnitz auf: Bernhard Kopmann mit seinen fünf Söhnen, Arnold Kopmann, Thie, Otbert von Selow und Hinrich Schtichtop 2 ).

Ermordet waren von den Mitgliedern des alten Raths, wenn wir zunächst die urkundlichen Nachrichten befragen, Willekin vom Baumgarten, Hinrich Rikbode, Gerhard Blöming und andere, die nicht genannt werden: sechs Personen werden verfestet wegen der Ermordung Baumgartens, Rikbodes und anderer Rathmannen und Bürger 3 ), zwei wegen der Ermordung Baumgartens, Rikbodes und anderer mehr 4 ), zwei wegen der Ermordung Rikbodes, Blömings, Baumgartens und anderer Rathmannen und Bürger 5 ). Willekin vom Baumgarten kennen wir als Rathmann seit 1297 6 ); 1308 wird er unter vier Rathmannen an erster Stelle genannt 7 ), vermuthlich als Bürgermeister; Hinrich Rikbode war 1304 Kämmerer, Gerhard Blöming 1307 Gerichtsbeisitzer, 1308 Kämmerer gewesen.

Der wieder eingeführte und ergänzte alte Rath, der König Erich und Fürst Heinrich von Meklenburg 1314, Januar 19, huldigte 8 ), bestand damals aus 21 Personen. Von den acht vertriebenen Mitgliedern des alten Raths werden sieben an erster Stelle genannt und zwischen ihnen, als der zweite in der Reihenfolge, Hinrich von Gothland; die vier ersten, offenbar die Bürgermeister, sind: Otbert von Selow, Hinrich von Gothland, Gerwin Wilde und Wasmod Sinneke; dann folgen: Bernhard Kopmann, Arnold Kopmann, Arnold Quast und Thie; Hinrich Schlichtop, der achte der Vertriebenen, wird nicht genannt, trotzdem er noch 1316, Febr. 18, am Leben war 9 ). Eine zweite Gruppe, die aus 5 Personen besteht, bilden Hermann von Wokrent, Gerhard Reiner, Hermann Lehmhus Johann von Femarn und Herbord Beseler; sie gehörten sämmtlich schon vor 1312, Sept. 17, dem Rathe an und waren vermuthlich mit Gothland und Modenhorst in den neuen Rath übergetreten.


1) M. U.=B. 6, Nr. 3669.
2) M. U.=B. 6, Nr. 3654.
3) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 1.
4) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 3.
5) M. U.=B. 6, Nr. 3673, 2.
6) M. U.=B. 4, Nr. 2441.
7) M. U.=B. 5, Nr. 3251.
8) M. U.=B. 6, Nr. 3674.
9) M. U.=B. 6, Nr. 3808.
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Eine dritte Gruppe, von 4 Personen, besteht aus Marquard Holste von Teterow, Nicolaus von Kyritz, Dietrich Frese und Nicolaus Klinkemann; über Dietrich Freses Vorleben wissen wir nichts, da aber Holste, Kyritz und Klinkemann dem neuen Rath angehörten, so dürfen wir unbedenklich auch ihn demselben zurechnen. Eine vierte Gruppe, ebenfalls von 4 Personen, bilden die Rathmannen Johann Pape von der Altstadt, Johann Pape von der Neustadt, Engelbert vom Baumgarten und Henning von Dame: sie sind offenbar neu in den Rath gewählt worden und stehen deshalb ordnungsmäßig an letzter Stelle. Der wieder eingeführte und ergänzte alte Rath besteht demnach aus 7 vertriebenen und 6 in den neuen Rath übergetretenen Mitgliedern des alten Raths, 4 Mitgliedern des neuen Raths und 4 Neuerwählten.

Zu den 13 Mitgliedern des alten Raths, welche 1314, Jan. 19, dem wiedereingeführten und ergänzten alten Rath angehörten, haben wir für den alten Rath hinzuzurechnen den vertriebenen Hinrich Schlichtop, den in den neuen Rath übergetretenen Hermann Modenhorst und die drei Ermordeten, Willekin vom Baumgarten, Hinrich Rikbode und Gerhard Blöming: wir kennen also von den Mitgliedern des alten Raths 18 Personen.

Zwei Rathmannen, welche unsern urkundlichen Nachrichten zufolge ebenfalls Anspruch darauf haben, dem Rath von 1312 zugezählt zu werden, sind Hinrich Witte und Johann Lübbert. Hinrich Witte, den wir sicher seit 1304 als Rathmann kennen 1 ), war im Jahre 1312 neben Herbord Beseler Kämmerer gewesen 2 ); dem wiederhergestellten Rath von 1314 hörte er nicht an; 1320 war er sicher nicht mehr am Leben 3 ); vielleicht war er ein viertes Opfer des 17. September 1312. Johann Lübbert war im Jahre 1311 Kämmerer gewesen 4 ); in einem Verfestungsvermerk, der die ausdrückliche Jahresangabe 1314 enthält, wird er neben Herbord Beseler als Gerichtsbeisitzer genannt 5 ); aber da er sich unter den 1314, Jan. 19, genannten Rathmannen nicht findet, so wird ein Irrthum in der Jahreszahl vorliegen; vielleicht ist auch er den Opfern des 17. September zuzuzählen.

Damit sind unsere urkundlichen Nachrichten erschöpft. Folgen wir Kirchbergs Angaben, so erhalten wir in Volmar Runge das einundzwanzigste Mitglied des alten Raths, Wie er vor dem


1) M. U.=B. 5, Nr. 2944.
2) M. U.=B. 5, S. XII.
3) M. U.=B. 6, Nr. 4159.
4) M. U.=B. 5, S. XII.
5) M. U.=B. 5, S. XIX.
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17. September bestand, und nehmen wir an, daß wir damit sämmtliche Mitglieder desselben kennen gelernt haben, so wird uns verständlich, weshalb der wiedereingeführte alte Rath nach seiner Ergänzung nicht 24, sondern nur 21 Mitglieder zählte: er wurde genau so hergestellt, wie er vorher gewesen war, und an die Stelle von sechs ermordeten und zwei nunmehr abdankenden wurden acht neue Rathmannen erwählt, vier aus dem bisherigen neuen Rath und vier aus der Gemeinde.

Um das Ermittelte nach dem verschiedenen Grade der Sicherheit zu veranschaulichen, stelle ich das Rathmannenverzeichniß von 1312-1314 folgendermaßen zusammen: unter I. den alten Rath von 1312, unter II. die ermordeten, unter III. die vertriebenen Mitglieder des alten Raths, unter IV. die Mitglieder des neuen Raths und unter V. die Mitglieder des wiedereingeführten und ergänzten alten Raths.

  I. II. III. IV. V.
Willekin v. Baumgarten 1 1      
Hinrich Rikbode 2 2      
Gerhard Blöming 3 3      
Hinrich Witte 4 4?      
Johann Lübbert 5 5?    
Volmar Runge 6 6?      
Otbert v. Selow 7   1   1
Hinrich v. Gothland 8     1 2
Gerwin Wilde 9   2   3
Wasmod Sinneke 10   3   4
Bernhard Kopmann 11   4   5
Arnold Kopmann 12   5   6
Arnold Quast 13   6   7
Thie 14   7   8
Hinrich Schlichtop 15   8    
Hermann Modenhorst 16     2  
Hermann v. Wokrent 17     3? 9
Gerhard Reiner 18     4? 10
Hermann Lehmhus 19     5? 11
Johann v. Femarn 20     6? 12
Herbord Beseler 21     7? 13
Marquard Holste       8 14
Nicolaus v. Kyritz       9 15
Dietrich Frese       10? 16
Nicolaus Klinkemann       11 17
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  I. II. III. IV. V.
Hinrich Runge       12  
Werner Hövisch       13  
Johann Klein       14  
Hinrich v. Kurland       15  
Bolte       16  
Thidemann Kölner       17  
Heidekin v. Teterow       18  
Johann Pape         18
Johann Pape         19
Engelbert v. Baumgarten         20
Henning v. Dame         21
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