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Mecklenburg-Pommersches Grenzgebiet um 1760
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I.

Meklenburg und der 7jährige Krieg.

Von

W. v. Schultz,
Oberst im Großherzoglich Meklenburg=Schwerinschen Militär=Departement.

~~~~~~~~~~~~

Fortsetzung.

~~~~~~~~~

Uebernahme des Commandos der preußischen Truppen in Meklenburg durch den Prinzen Eugen von Würtemberg; 2. Marsch der meklenburgischen Truppen nach Rügen; die Festung Dömitz.

W ir wissen, daß der Prinz Eugen von Würtemberg, als er am 31. October im Begriff stand, das schwedische Lager bei Prenzlau anzugreifen, vom Könige zur Vertheidigung Berlins abberufen worden war. Nach der Capitulation der Hauptstadt war er zur Armee nach Sachsen gegangen und hatte bei Torgau mitgekämpft. Darauf sollte er mit seinem Corps im Verein mit dem General Werner gegen die Russen operiren. Als Letztere sich aber im Winter 1760 nach der Weichsel zurückzogen, hatte ihm der König befohlen mit seinen Truppen Winterquartiere in Meklenburg zu beziehen. Sein Corps - das frühere Stutterheimsche - war circa 5000 Mann stark.

Am 29. November kündigte der Prinz dem Engeren Ausschusse von Woldegk aus an, daß er den Oberbefehl über sämmtliche preußischen Truppen in Meklenburg - incl. des Bellingschen Corps - übernommen und daß das Land diese Truppen zu verpflegen habe; gleichzeitig entbot er Deputirte der Ritter= und Landschaft in sein Hauptquartier. Uebrigens verhieß der Prinz strengste

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Ordnung und Manneszucht im Lande halten zu wollen und ersuchte den Engeren Ausschuß dies den Einwohnern bekannt zu machen, zugleich aber auch dieselben zu ermahnen, ruhig in ihren Wohnungen bei ihrem Gewerbe und Hantirung oder in ihrem Amte zu verbleiben. Diesem Manifeste folgte am 2. December von Stavenhagen aus noch ein ausdrücklicher General=Sauve=Garde=Brief für das ganze Land und dessen Einwohner.

Man muß bei dem ehrenwerthen Charakter des Prinzen Eugen annehmen, daß derselbe die bestimmte Absicht hatte, das unglückliche Land zu schonen, soweit es die Rücksicht aus das Wohl seiner eigenen Truppen irgend gestattete und zwar um so mehr, als er durch die Bande der Verwandschaft mit dem meklenburgischen Fürstenhause verbunden war. 1 ) Allein er hatte einem mächtigeren Willen zu gehorchen, gegen welchen es keinen Ungehorsam gab.

Die erste Sorge Friedrich des Großen nach dem Beziehen der Winterquartiere war stets, die Mittel für den Feldzug des nächsten Jahres bereit zu stellen und so gingen schon in den ersten Tagen des December (1760) im Hauptquartier des Prinzen die gemessensten und schärfsten Befehle des Konigs ein, Geld und Naturallieferungen im großartigen Maaßstabe aus "seiner Kornkammer" einzutreiben.

Am 9. December verlegte der Prinz sein Hauptquartier nach Rostock und theilte am nächsten Tage dem Engeren Ausschusse mit, daß der König befohlen habe, das Land solle 1500000 Thaler in 3 Terminen von 3 zu 3 Wochen zahlen, ferner 2000 Ochsen und 6000 Schafe zur Lieferung nach Wittstock bereit halten und 6000 Wispel Mehl, dazu 48000 Thaler Emballage=Gelder binnen 3 Wochen nach Lenzen senden. 2 ) Außerdem forderte er die Gestellung von 2000 Pferden und freie Verpflegung des ganzen Corps. Für das schlechte lauenburgische und sächsische Geld - letzteres hatte der König in der Münze zu Dresden mit sächsischem Stempel prägen lassen - wurde der Zwangscours eingeführt;

bei Einzahlung desselben in die preußischen Cassen mußte jedoch ein bedeutendes Agio entrichtet werden. Bei so bewandten Umständen darf es uns nicht Wunder nehmen, daß der Herzog dem Beispiele des Königs folgte; i. J. 1758 ließ er aus der Mark sein Silber zuerst 16, dann 18 Thaler, im November 1761 33,


1) Die Herzogin Luise Friederike von Meklenburg war eine Tochter des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Würtemberg, also eine Nichte des Prinzen Eugen.
2) Später trat eine Aenderung dahin ein, daß die Lieferungen nach Lenzen, Zehdenick, Havelberg und Stettin gesendet werden sollten.
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im December desselben Jahres 34 und im Mai 1762 gar 40 Thaler prägen, ohne den Stempel von 1754 zu ändern.

Erschreckt durch diese neuen Forderungen schickte der Herzog den Oberjägermeister von Koppelow nach Rostock. Aber anstatt auf eine Ermäßigung der Lieferungen einzugehen, äußerte der Prinz sarkastisch: "Seine Majestät haben mit großem Interesse vernommen, daß der Herzog so viele Truppen angeworben, auch noch Cavallerie und Husaren errichtet hat; da werden auch wohl noch 3000 Rekruten für seine Armee in Meklenburg zu finden sein"; und fügte lächelnd hinzu, als Herr von Koppelow sprachlos vor Erstaunen ob dieser schriftlich nicht erwähnten Menschenforderung war: "Ja, ja, so etwas kann man nicht schriftlich fordern, sonst fliehen alle jungen Leute sofort aus dem Lande! Aber sagen Sie doch Ihrem Herrn, Seine Majestät will alle diese Forderungen fallen lassen, wenn Seine Durchlaucht sich entschließt, Seine Truppen in den Dienst des Königs zu geben".

Eine Uebergabe der meklenburgischen Truppen an den König von Preußen wäre aber gleichbedeutend mit einer völligen Aenderung des politischen Systems des Herzogs gewesen und wurde daher in den Verhandlungen mit dem Prinzen mit keiner Silbe weiter erwähnt. Auf Befehl des Herzogs waren die Truppen, welche im Laufe des Jahres durch Werbung auf circa 1900 Mann vermehrt waren, übrigens schon auf dem Marsche nach Rügen. Mißmuthig zogen sie der ihnen wohlbekannten Zufluchtsstätte zu. Sie wußten, was ihrer dort harrte; schlechte Quartiere, schlechte Verpflegung und im Herzen das niederdrückende Gefühl, mit Wehr und Waffen in den Händen, dem Feinde den Rücken wenden zu müssen.

Um den völligen Ruin des Landes abzuwehren, blieb der Regierung nichts übrig, als sich mit dem Engeren Ausschuß in Verbindung zu setzen und mit den Lieferungen zu beginnen. Zugleich aber wurden herzogliche Commissare an den Prinzen gesandt, um einen Nachlaß der unerschwinglichen Forderungen zu erwirken, mit dem Auftrage, ganz besonders zu betonen, daß sich der Herzog zur freiwilligen Gestellung von Rekruten unter keinen Umständen herbeilassen würde, weil dies gegen sein Gewissen und bei dem notorischen Menschenmangel im Lande auch völlig unmöglich sei. Der Prinz blieb aber bei seiner Forderung von 3000 Rekruten oder von 300 Thalern für jeden nicht gestellten Mann hartnäckig stehen: sonst sollten alle waffenfähigen Männer fortgeschleppt und die meklenburgischen Lande gänzlich verheert werden.

Indessen mochte der Prinz einsehen, daß er auf diese Weise eine erhebliche Anzahl brauchbarer Rekruten nicht erlangen würde.

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Er änderte seine Sprache und gab vertraulich zu verstehen, daß er von der Gestellung der Rekruten wohl absehen würde, wenn er nur sähe, daß seine übrigen Forderungen pünktlich erfüllt würden.

Die Regierung schmeichelte sich mit der Hoffnung billigere Bedingungen zu erlangen, zumal der Prinz als Verwandter der Herzogin die fürstlichen Herrschaften in Ludwigslust auf das höflichste hatte "becomplimentiren" und die Zusicherung geben lassen, der Herzog würde nicht allein in seiner Residenz, sondern auch in jedem seiner Schlösser vollkommen sicher und unbehelligt sein. Allein, als der erste Termin verstrichen war, ohne daß die fälligen Gelder und Lieferungen eingegangen waren, trat das Feld=Kriegs=Commissariat in der heftigsten Weise auf und drohte mit Verheerung und Verwüstung, sogar der Residenz und des Schlosses in Ludwigslust, so daß sich der Herzog, als ihm mitgetheilt wurde, daß sich wirklich schon Truppen=Commandos in Bewegung gesetzt, um die Drohungen auszuführen, bewogen fühlte - Anfang Januar 1761 - in großer Eile nach Lübeck zu flüchten.

Im höchsten Grade aufgebracht über den vermeintlichen Treubruch des Prinzen - die Drohungen waren wohl schwerlich ernstlich gemeint - und tief verstimmt über die Willfährigkeit der Ritterschaft den preußischen Forderungen gegenüber, schrieb der Herzog Anfang Januar an seine Gemahlin:

"Ich bin (Gott Lob!) eben glücklich und wohl hier angekommen, nachdem ich im Dunkeln in denen tiefsten Löchern und Wegen herumgekrochen und wäre mir eher des Himmels Einfall als diese Reise vermuthen gewesen nach allen Versicherungen des Prinzen von guter Gesinnung gegen mir. Ich bin aber immer so und glaube, die Leute denken, wie ich denke. Ich komme nicht wieder, es wäre denn, daß mir der Prinz auf Ehre und Gewissen versichern kann, wie ich und die Gegenden in Meklenburg, wo ich mich immer aufhalte, als Schwerin und die Lusthäuser niemals beunruhigt werden und daß ich auch sicher sei, der König schicke ihm keine diesem Vertrage zuwiderlaufenden Befehle.

Der Engere Ausschuß soll sein gewissenloses Betragen aber für Gott und mir verantworten! Mache übrigens den Herrn meine allerbeste Empfehlung: ich empfehle ihnen die Sorge für das Wohl des Landes und der Unterthanen, und den Theil der Verantwortung des Guten oder Bösen, das geschähe, würden sie am jüngsten Tage auch übernehmen. Sage dem Prinzen, daß keine Menschen geliefert würden; das liefe wider Gott, das könnte ich nicht thun, einem Menschen seine Freiheit nehmen."

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Als nun der Prinz von Würtemberg dem Herzog durch die Übermittelung seiner Gemahlin die bündigsten Versicherungen für seine persönliche Sicherheit gab, dabei aber den dringenden Rath einfließen ließ, sich mit dem Könige auszusöhnen, schrieb der Herzog - am 11. Januar: durch einen Ausgleich mit Preußen würde er den Kaiser, Frankreich und Rußland zu sehr erbittern, auch traue er dem Könige nicht. "Ich weiß kein ähnlicheres Bild zwischen Ihm und mir, als die Fabel des Wolfes und des Lammes, ich weiß keine Zuflucht wie Gott und die Barmherzigkeit des Prinzen, für welche ich mich glücklich schätzen würde, es sei über kurz oder lang, eine wahre Erkenntlichkeit an den Tag zu legen. Gott wird zwischen dem König und mir der Richter sein!"

Um die Mitte des Januar kehrte dann der Herzog in seine Residenz zurück.

Das Kriegs=Commissariat hatte sich endlich durch die dringlichen Bitten und Vorstellungen der herzoglichen Commissare und des Engeren Ausschusses 500000 Thaler von den geforderten 1500000 Thalern abdingen lassen. Allein die Abminderung der Summe wurde dadurch fast bis auf die Hälfte wieder zurückgenommen, daß die Contribution in Gold gezahlt werden sollte, oder, wenn die Zahlung in Courant geschähe, 200000 Thaler Agio verlangt wurden. Die Bemühungen der Commissare um theilweisen Erlaß der Naturallieferungen hatten keinen Erfolg.

Die großen Mengen von Schlachtvieh und Mehl, welche in die Magazine nach Lenzen geliefert werden sollten, waren zur Proviantirung der Festungen Stettin, Colberg und Magdeburg bestimmt. Abgesehen hiervon hatte das Land aber noch Naturallieferungen zur Verpflegung der in Meklenburg und an der Grenze liegenden preußischen Truppen zu gestellen. Diese Lieferungen waren so reichlich in Ansatz gebracht, daß das Kriegs=Commissariat gleich Anfangs 6 Aemter mit den auf sie entfallenen Quoten an die Magazine nach Lenzen weisen konnte, also die Naturalien zu einem ganz anderen Zwecke verwendete, als wozu sie ursprünglich verlangt waren. Aber, was viel schlimmer war, die preußischen Truppen mußten, ungeachtet der an das Kriegs=Commissariat für sie zu liefernden Naturalien und ungeachtet der sogenannten Ochsengelder, welche sich bereits über 71000 Thaler beliefen und welche unter dem Versprechen gefordert und eingetrieben wurden, daß die Truppen für Geld zehren sollten, fast überall von den Einwohnern verpflegt werden. Das Land aber erfuhr in Bezug auf die weit über die Stärke der Truppen geforderten Lieferungen trotzdem keine Erleichterung. Zwar untersagte das Kriegs=Commissariat, als der

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Bedarf für die Truppen auf lange hinaus reichlich gedeckt war, der Ritterschaft und den Städten alle weiteren Naturallieferungen, verlangte aber dafür, unter dem Titel "Ersparte Naturaliengelder" eine Summe von 135000 Thalern. Ebensowenig wurde, als die Magazine in Lenzen u. s. w. gefüllt waren, der Rest der geforderten Naturalien dem Lande erlassen, sondern zu Geld angesetzt und somit noch weitere 175000 Thaler verlangt. Ja, man legte sogar nach Verlauf von 5 Monaten der Ritterschaft eine neue Naturalienlieferung auf.

Mit alledem war aber das Kriegs=Commissariat noch nicht zufrieden. Man suchte die rückständigen Forderungen aus den lahren 1758 und 1759 hervor und verlangte unter diesem Titel noch weitere 387927 Thaler, zahlbar binnen wenigen Tagen. Das Einzige, was diese ernormen Leistungen für das Land erträglich machte, war, daß alle Zahlungen und Naturallieferungen der Billigkeit und dem bestehenden Herkommen gemäß von den Behörden vertheilt und ordnungsgemäß eingesammelt an das Kriegs=Commissariat abgeliefert wurden. Bald aber trat ein Ereigniß ein, welches den geschäftlichen Beziehungen zwischen der Regierung und dem preußischen Hauptquartier einen argen Stoß gab und an die Stelle von Gesetz und Ordnung, Gewalt und Willkür setzte.

Ende Januar 1761 erließ der Prinz ein Ausschreiben im Lande, daß jedes Domanial=Amt, jede Stadt und jedes Rittergut eine bestimmte Anzahl 4spänniger Wagen zum 10. Februar nach Rostock, Neukalen und Tessin zu gestellen hätte. Bei jedem Wagen sollten sich außer dem Gespannführer zwei zur Arbeit tüchtige Leute befinden, versehen mit Arbeitsgeräth, mehreren Faschinen und Lebensmitteln auf 3 Tage. Dabei war die ausdrückliche Versicherung ertheilt, daß nach Ablauf dieser Frist Gespann und Leute in ihre Heimath zurückkehren sollten.

Sobald dies Ausschreiben zur Kenntniß der herzoglichen Commissarien und des Engeren Ausschusses kam, begaben sich dieselben zum Prinzen und stellten ihm vor, daß hieraufhin kein meklenburgischer Unterthan erscheinen würde, da alle Landeseinwohner, vom Ersten bis zum Letzten glauben würden, daß es hierbei auf eine Rekrutenaushebung abgesehen sei.

Der Prinz zeigte große Empfindlichkeit über das in ihn gesetzte Mißtrauen, welches er nicht verdiene und gab die bündigsten Versicherungen, daß er weit entfernt wäre, solche Mittel, um sich Rekruten zu verschaffen, anzuwenden. Vertraulich eröffnete er den Herren, daß es sich um eine Expedition nach Schwedisch=Pommern handle, zu welcher die Arbeiter und die Gespanne ge=

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braucht werden sollten. In diesem Sinne schrieb der Prinz eigenhändig an den Herzog, ebenso richtete die Prinzessin, seine Gemahlin, 1 ) welche zu längerem Aufenthalte in Rostock eingetroffen, im dortigen Palais residirte und sofort die freundschaftlichsten Beziehungen zur Herzogin Luise Friederike angeknüpft hatte, ein völlig beruhigendes Schreiben an die Letztere.

Unter diesen Umständen ließ es der Herzog, im Einverständniß mit dem Engeren Ausschuß, geschehen, daß Gespanne und Leute gestellt wurden. Jedoch verbot er ausdrücklich, junge ledige Knechte und Arbeiter zu schicken; "um den preußischen Officieren den in den meklenburgischen Landen noch übrigen kleinen Vorrath an jungen, diensttauglichen Leuten nicht zu zeigen," wie es in dem Erlaß heißt.

So kam denn - aus dem Domanium nur wenige - eine sehr ansehnliche Menge von Wagen und Leuten in den drei genannten Städten zusammen und wurden sofort, Gespannführer wie Arbeiter, von preußischen Commandos ergriffen und in Gewahrsam gebracht. Besonders vertrauenerweckend für das Auge der musternden Officiere war freilich diese bunt zusammengewürfelte Menge nicht. Die Mehrzahl waren bejahrte, verheirathete Männer, Greise und halbe Kinder; nur wenig junge und rüstige Leute. Alle wurden in die Kirchen gesperrt und in strengem Gewahrsam gehalten; da man die Gespanne ohne Aufsicht stehen ließ, die Behörden aber sich in den ganzen Handel nicht mischen wollten, nahm sich Jedermann, was ihm gefiel; Wagen, Geschirre und Pferde wurden theils gestohlen, theils irrten letztere noch Tage und Nächte lang in den Straßen und Feldern umher und kamen entweder überhaupt nicht oder halb verhungert und zerschunden in die Hände ihrer Besitzer zurück.

Die Absicht des preußischen Oberbefehlshabers lag klar zu Tage. Zwar gab er sich zunächst noch den Anschein, als sei es auf eine Rekrutirung gar nicht abgesehen gewesen. Er rief den Oberamtmann Brandt 2 ) zu sich, beschwerte sich heftig darüber, daß aus den Domainen so wenig Wagen erschienen seien; es sei des Herzogs eigner Schade, denn bevor alle Gespanne zusammen wären, könne er mit denselben nichts anfangen. Indessen als der Engere Ausschuß, dessen Mitglieder zu empfangen der Prinz abgelehnt hatte, eine schriftliche Beschwerde einreichte und sich auf des Prinzen, unter Brief und Siegel gegebenes Versprechen berief, gab er offene


1) Eine Nichte Friedrich des Großen.
2) Derselbe war zweiter herzoglicher Commissarius.
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Antwort: er habe nach der bestimmten Ordre des Königs, seines allergnädigsten Herrn gehandelt und werde auch künftighin so handeln. Zu gleicher Zeit forderte er für die gesandten Dienstuntauglichen, ebenso für die Verheiratheten, jüngere, kräftige Leute, für die nicht Gestellten aber einen dreifachen Ersatz.

Inzwischen wurden die weggenommenen Leute in verschiedenen Transporten, mit Stricken an einander gekoppelt, in die preußischen Rekruten=Depots abgeführt. Auf ihrem Marsche durch das Land befanden sich dieselben in den Kirchen, wo sie während der Nacht, mitunter auch mehrere Tage lang eingesperrt wurden, in der bejammernswerthesten Lage. Es liegen gerichtliche Aussagen der Küster an der Pfarr= und der Heiligen Geist=Kirche zu Güstrow vor, welche ein Bild großen Elends liefern. "Man reichte den Gefangenen", heißt es in einem amtlichen Bericht, "statt aller Nahrung Brod und Wasser und dieses in so wenig zureichender Menge, daß sie verhungert und verdürstet sein würden, wenn sich nicht die Bürger und Einwohner ihrer erbarmt hätten. Die Versagung auch derjenigen Freiheit, welche dem ärgsten Missethäter vergönnt ist, machte die Kirchen zu wahren Kloaken und setzte die Leute in den Stand des unreinlichsten Viehes. Die natürliche Neigung, aus einem so entsetzlichen Zustand zu kommen, trieb einige der in die Kirche zu Krakow gesperrten Unterthanen zu einem Fluchtversuch. Man bemerkte es, man schoß unter sie und tödtete 3 auf der Stelle. Unlängst hat man wieder 4 von diesen entflohenen Leuten in dem Krakower See gefunden, welche ohne Zweifel damals auch sich mit der Flucht zu retten versucht, vermuthlich aber verfolgt und in der Angst in den See gelaufen und ertrunken sind."

Die Folgen blieben nicht aus, als diese gewaltsame Rekrutirung im Lande bekannt wurde. Bürger und Bauern, Alles was zum Kriegsdienste irgendwie tauglich war, ging schaarenweise aus dem Lande oder verkroch sich, ungeachtet der rauhen Jahreszeit, in Wäldern und Brüchen. Handel und Wandel lagen völlig darnieder.

Im Vertrauen auf die Zusicherungen des preußischen Oberbefehlshabers hatte Herzog Friedrich, um wenigstens die persönliche Sicherheit seiner Unterthanen zu erhalten, sein Land alle Kräfte anspannen lassen, seine eignen Kassen völlig erschöpft und seinen Kredit aufs Höchste angespannt. Die Handlungsweise des Prinzen aber und die schließliche Berufung auf die königlichen Befehle, welche ja jeden Tag neue Forderungen bringen konnten, benahm seinen feierlichsten Versicherungen jegliche bindende Kraft, mithin allen Werth. Der Herzog verbot daher seinen Beamten und

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Pächtern weitere Zahlungen und Lieferungen zu leisten und der Ritterschaft und den Städten gab er anheim, in derselben Weise zu verfahren. Er selbst aber, auf das Aeußerste indignirt über das Benehmen des Prinzen, traute jetzt auch den Versicherungen, welche derselbe ihm in betreff seiner persönlichen Sicherheit gegeben hatte, nicht mehr und begab sich am 14. Februar mit den Ministern nach Lübeck. Auch der ErbPrinz Ludwig, welcher bei den früheren Invasionen stets im Lande geblieben war, folgte seinem Vater dorthin. von der fürstlichen Familie blieb nur die Herzogin Luise Friederike in Schwerin zurück.

Die Rekrutenaushebung hatte den Erwartungen des Prinzen nicht entsprochen. Statt der erhofften 3000 Rekruten hatte er nur 600 diensttaugliche Leute erhalten, dafür aber das Vertrauen des Herzogs und der meklenburgischen Bevölkerung völlig verloren. Er bemerkte zu seinem großen Schrecken, daß nun auch die Zahlungen und Lieferungen ins Stocken geriethen und suchte einzulenken. Zunächst schickte er den Gutsbesitzern ihre alten Leute zurück, jedoch nur gegen einen Revers, in welchem sich Erstere auf ihr Ehrenwort und bei Verpfändung ihres ganzen Vermögens verpflichten mußten, für jeden Zurückgesandten einen diensttauglichen Rekruten zu stellen und dem Herzog ließ er durch den Oberamtmann Brandt mittheilen, wenn die Lieferungen aus dem Domanium wieder aufgenommen würden, wolle er sogleich alle verheiratheten Rekruten in ihre Heimath entlassen. Der Herzog aber, zu aufgebracht, um sich auf irgend welche Unterhandlungen einzulassen, schnitt alles Weitere mit der Erklärung ab, daß er keine andere Sicherheit für seine unschuldigen Unterthanen sähe, als wenn der Prinz sich entschließen wolle, mit seinem Truppenkorps die meklenburgischen Lande gänzlich zu verlassen. Bei dieser Antwort verblieb er auch, als der Prinz schriftlich erklärte, daß der König nunmehr die Rekruten=Angelegenheit ganz in seine Hände gegeben hätte und daß in Meklenburg an keinem Ort mehr gewaltsam rekrutirt werden sollte, wenn der Herzog sich verpflichten wolle, für die nicht gestellten Rekruten für seine Domainen 100000 Thaler, welche Summe nach einigen Tagen auf 70000 ermäßigt wurde, zahlen wolle. Der Ritterschaft wurden die fehlenden Leute ebenfalls zu Gelde und zwar zu 40000 Thalern gerechnet.

Am 26. Februar 1761 erließ der Prinz wiederum ein Manifest, in welchem er öffentlich erklärte, es solle keine Rekrutenaushebung in Meklenburg fortan mehr statthaben, worin er aber gleichzeitig drohte, denjenigen Einwohnern, welche ihre Heimath verlassen hätten und nicht binnen 8 Tagen zurückkehrten, alles bewegliche und unbewegliche Eigenthum zu nehmen oder zu verwüsten.

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Aber auch diese Erklärung des Prinzen war nicht im Stande den Herzog zur Wiederaufnahme der Lieferungen zu bewegen.

Der König war in hohem Grade aufgebracht, als er vernahm, daß die Zahlungen und Lieferungen aus Meklenburg, deren er in diesem Jahre mehr denn je bedurfte, um seine Armeen zum Frühjahr in Kriegsbereitschaft zu setzen, zu stocken anfingen. Er sprach dem Prinzen seine höchste Unzufriedenheit aus und sandte ihm die bestimmtesten und schärfsten Befehle. Diese Ordre war gerade in Rostock eingegangen, als der Oberamtmann Brandt sich beim Prinzen verabschiedete, um nach Lübeck zurückzukehren. Zu seinem äußersten Schrecken las der herzogliche Commissar das eigenhändig vom König unterzeichnete Schreiben: "Es sollten durchaus keine gelinden Mittel mehr zu gestatten sein, sondern bei fernerer Weigerung wären die Vorwerke, Dörfer und Städte in Brand zu stecken, auch Alles bis auf den Grund zu verheeren."

Es ist nicht ersichtlich, wie weit die geforderten Contributionsgelder bei Eingang der neuen königlichen Befehle - Ende Februar - bereits entrichtet waren. Außer den Lieferungen an Naturalien und außer dem bereits Gezahlten, verlangte das Kriegs=Commissariat jetzt allein von den herzoglichen Domainen 566683 Thaler und da man eingesehen hatte, daß die Städte überhaupt nicht mehr zahlungsfähig waren, sollte der Herzog die von denselben noch zu zahlende Summe von 407764 Thaler mitbezahlen, also im Ganzen beinahe 1000000 Thaler.

Der Prinz von Würtemberg befand sich in einer schwierigen Lage. Die Befehle des Königs mußten buchstäblich vollzogen werden, einestheils weil derselbe Ungehorsam bei seinen Generälen überhaupt nicht duldete, dann aber auch, weil der Prinz wußte, daß die immer verzweifelnder sich gestaltende Lage des preußischen Staats den König zwang, die von seinen Truppen besetzten Länder seiner Gegner unerbittlich, bis zum völligen Ruin derselben auszunutzen. Auf der anderen Seite widerstrebten dem loyalen Charakter des Prinzen die befohlenen Zwangsmaßregeln auf das Aeußerste und er bemühte sich lebhaft, den Herzog zur Sinnesänderung und zur Wiederaufnahme der Zahlungen zu bewegen. Gewiß handelte er in gutem Glauben, wenn er dem Herzog schrieb: "Ich will mit Leib und Seele dafür haften, daß keine neuen Anforderungen in diesem Jahr an Eure Durchlaucht mehr gemacht werden."

Seine Bemühungen waren vergeblich. Der Oberamtmann Brandt mußte dem Prinzen mittheilen: Der Herzog müsse. mit blutendem Herzen das Schicksal seiner Lande erwarten, welches er nicht ändern könne.

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Mit dem März dieses Jahres beginnt für Meklenburg eine Schreckensherrschaft, welche an die Zeit des 30jährigen Krieges erinnert. von hier an hauptsächlich stammte jener Haß gegen Preußen, von dem unsere Väter uns erzählten, der namentlich beim Landvolk mit zäher Ausdauer von Generation zu Generation forterbte und der erst in unserer Zeit völlig überwunden ist durch die nahe Verwandtschaft und Freundschaft, welche unser Herrscherhaus mit dem Hohenzollernstamm verbindet und durch die enge Waffenbrüderschaft, welche die meklenburgischen Regimenter aus den blutigen Schlachtfeldern Frankreichs mit ihren preußischen Kameraden schlossen.

Die exekutorische Beitreibung der Contribution und der Naturallieferungen wurde in systematischer Weise begonnen und zwar, um einen Druck auf den Herzog auszuüben, zunächst in den herzoglichen Domainen und Bauerndörfern. Der Feld=Kriegs=Commissar General von Kleist schickte sogenannte Proviant=Commissare mit Exekutions=Commandos aus und Jedem derselben wurde ein oder nach Beschaffenheit mehrere herzogliche Aemter zur Ausnutzung überwiesen.

Wie diese Beamten ihren Auftrag auffaßten, geht aus einem Schreiben hervor, welches der Proviant=Commissar Teßmar an das Amt Walsmühlen richtete. "Mir ist aufgetragen," schreibt er mit großer Offenherzigkeit, "die Beamten zur Contribution und Fouragelieferung mit den schärfsten Mitteln ohne Ausnahme anzuhalten und erreiche ich meinen Zweck nicht anders, so wird Plündern, Rauben, Stehlen, Sengen und Brennen fürgenommen."

Und so wurde es im ganzen Lande ausgeführt. Anfangs verfuhr man nach vorgeschriebenen Schemas; z. B. einem Bauernhofe wurde eine bestimmte Summe "Rekrutengeld" auferlegt und diese auf die Bauern, die Knechte, Mägde, Einlieger und Kinder über 12 Jahre repartirt. War dies Geld bezahlt, mußte derselbe Hof außerdem einen Zuschlag zur Steuer, unter dem Namen "Montirungsgeld" entrichten. Bald aber hörte dies ordnungsgemäße Verfahren auf und es begann eine förmliche Plünderung. Man nahm aus den Pachthöfen und Bauerndörfern fort, was man fand. Alles ausgedroschene Korn wurde weggefahren, was noch in Garben war, mußte durch die wenigen Leute, welche vom Pfluge weggeholt und dadurch verhindert wurden die Aecker zu bestellen, ausgedroschen werden. Die brauchbaren Pferde, die Ochsen, Kühe, Schweine, Schafe, selbst das Federvieh ward ins Brandenburgische abgeführt oder an fremde Händler, welche wie die Geier den Commissaren auf Schritt und Tritt folgten, verkauft.

Die Mehrzahl der herzoglichen Beamten und viele Pächter waren, dem Beispiel ihrer Regierung folgend, geflüchtet. Den

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Zurückgebliebenen wurden große Geldsummen abgepreßt, nichts desto weniger nahm man ihnen aber ihren ganzen Vorrath an Korn. Einige derselben kauften ihr eigenes Vieh mit baarem Gelde zurück; man nahm es ihnen aber dennoch, selbst wenn sie leichtgläubig genug gewesen waren, einen solchen Handel zum zweiten, ja zum dritten Male abzuschließen. 1 )

Dabei lebten die Exekutions=Commandos überall auf Diskretion und mußten ebenso wie die Commissarien mit Wein, Branntwein, Kaffee und den besten Speisen vollauf bewirthet werden.

Am schlimmsten erging es natürlich den Aemtern, in welchen die Beamte oder die Pächter geflohen waren. Die zurückgelassenen Effekten wurden geraubt oder verdorben, die Häuser aber derart demolirt, daß sie in langer Zeit nicht wieder bewohnt werden konnten. In vielen Wohnungen blieb kein Fenster unversehrt und in einigen wurden sogar alle Thüren, Oefen, ja selbst die Dächer völlig ruinirt.

Den Bauern, welche sich selbst, ihr Vieh und Korn nicht in Wäldern und Brüchen verbergen konnten, ging es nicht besser. Dörfern, die man für so armselig hielt, daß sie nicht im Stande waren 40 - 50 Thaler aufzubringen, sind durch die grausamste Behandlung der Einwohner 4 - 500 Thaler abgepreßt worden. Die Frauen, Dienstmägde und Kinder versuchte man durch Prügel, unter welchen Einige derselben ihren Geist aufgaben, zu zwingen, den Aufenthaltsort der geflüchteten Männer und den Ort anzuzeigen, wo sie das Ihrige versteckt hielten. An einigen Orten wurden die Frauen mit Stricken in die Schornsteine gehängt und mit Rauch gequält, um Geständnisse zu erpressen. In anderen Dörfern, z. B. in Raduhn, wurden die Häuser der Geflüchteten niedergebrannt.

Durch diese Requisitionen und Verwüstungen erlitten die Domainen einen ungeheuren Schaden. Auf Jahre hinaus wurden dem herzoglichen Haushalt fast alle Einnahmen entzogen und nur durch die größeste Einschränkung gelang es dem sparsamen Fürsten mit der Zeit das Gleichgewicht in seinen Finanzen herzustellen.

Als der Geld= und Kornzufluß aus den Domainen zu versiegen drohte, richtete das Kriegs=Commissariat auf die großen bei Schwaan, Ribnitz und Doberan gelegenen fürstlichen Waldungen sein Augen=


1) Wir folgen bei dieser ganzen Schilderung einer ausführlichen Species facti, welche auf Grund protokollarischer Erhebungen angefertigt und vom Herzog und den Ministern eigenhändig unterzeichnet ist. Es ist wohl anzunehmen, daß die Behörden vielfach stark übertriebene Berichte an die Regierung eingesendet haben.
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merk. Die Oberförster wurden befehligt, die besten Bäume fällen zu lassen, aber auch Käufer anzuschaffen und die Abfuhr zu veranlassen. Da die Commissare bald einsahen, daß sie Unmögliches gefordert, wurde angeordnet, daß die Ritterschaft 500 6spännige Wagen mit je 2 Leuten 3 Wochen lang zur Abfuhr des Holzes stellen sollten. Hierzu wollten sich aber die Gutsbesitzer der mangelnden Arbeitskräfte wegen und aus Furcht, Leute und Pferde nicht wieder zu bekommen, durchaus nicht verstehen; auch wiederstrebte es ihnen, die Hände zur Devastirung der schönen meklenburgischen Waldungen zu bieten, besonders da der Holzmangel im Lande bereits anfing, fühlbar zu werden. Das Kriegs=Commissariat erklärte hierauf, der Gewinn aus dem Holzverkauf sei auf 400000 Thaler veranschlagt; wolle die Ritterschaft von dieser Summe 300000 Thaler und die Städte 100000 baar oder gegen Wechsel bezahlen, so wolle dasselbe von dem Fällen der Bäume absehen.

Der Engere Ausschuß wandte sich, bei dem völligen Unvermögen des Landes, diese neue enorme Summe zu entrichten, um Hülfe an den Herzog; doch konnte dieser nicht helfen, machte aber die Ritterschaft für den Schaden verantwortlich, wenn sie sich an der Zugrunderichtung der Forsten betheiligte. Als der Engere Ausschuß unmittelbar beim Prinzen vorstellig wurde, erhielt er von demselben einen scharfen Verweis und wurde unter Androhung der härtesten Strafen zum ungesäumten Gehorsam ermahnt.

Inzwischen suchte die Regierung auf andere Weise Rath zu schaffen. Da das gefällte Holz von Rostock aus zur See versandt werden sollte, hatte sie sich nach Stockholm um Abhülfe gewendet und alsbald erschien vor dem Hafen von Warnemünde eine schwedische Brigantine, deren Capitain durch ein Manifest im Lande bekannt machen ließ, daß er alle Schiffe für gute Prisen erkläre, welche sich unterstehen würden, mit Holz beladen, den Hafen zu verlassen.

Durch diese Maaßnahme wurde allerdings ein Verkauf des Holzes nach außen verhindert, aber es entstand hieraus eine neue Calamität für die Einwohner des Landes. Das Commissariat setzte das Holz zu einem unmäßigen Preise zu Gelde an und zwang die Einwohner durch militärische Exekution, wenn nöthig durch Schläge und Mißhandlungen, die auf einen Jeden repartirte Fadenzahl anzunehmen und zu bezahlen. So wurden z. B. die Bürger der Stadt Wismar gezwungen, für Holz 18000 Thaler zu entrichten.

Zu diesen Verlusten, die das Land zu tragen hatte, kam noch, daß sämmtliche herzogliche Kassen mit Beschlag belegt waren und alle Landes=Steuern, Einnahme der Post u. s. w. an preußische Kassen abgeführt wurden.

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Da Friedrich der Große dem Herzoge seine feindselige Haltung besonders entgelten lassen wollte, hatte er befohlen, die Domainen in ganz besonderer Schärfe zu den Kriegslasten heranzuziehen. Die Ritterschaft litt infolgedessen weniger, aber immer noch schlimm genug. Da die Mehrzahl der Gutsbesitzer nicht im Stande gewesen war, den an sie gestellten Anforderungen Genüge zu leisten, hatte der Prinz Ende Februar einen ritterschaftlichen Convent nach Rostock ausgeschrieben und durch heftige Drohungen jedem einzelnen Gutsbesitzer einen Revers abgepreßt, durch welchen sich derselbe bei Verpfändung seiner Güter und seiner Ehre verpflichtete, alle Lieferungen bis Ende April zu bewerkstelligen. Diejenigen, welche auf dem Convent nicht erschienen waren, wurden durch eine täglich zu zahlende Strafe von 50 Thalern gezwungen, den Revers nachträglich zu unterschreiben.

Auch hier handelte das Kriegs=Commissariat durchaus willkürlich. So mußten diejenigen Gutsbesitzer, welche ihre Quote zu der großen Mehllieferung nach Lenzen pünktlich abgeliefert hatten, als letztere später in eine Roggenlieferung nach Stettin, Zehdenick und Havelberg umgewandelt war, an derselben wiederum theilnehmen und erhielten auf ihre Beschwerde die Antwort, die Anrechnung des bereits gelieferten Mehls sei zwar recht und billig, ein Erlaß der Roggenlieferung sei aber unthunlich, weil die Disposition aus eine solche Vergütigung nicht getroffen sei.

Manche von der Ritterschaft waren gänzlich unvermögend, alle diese Lasten zu tragen. Diesen wurde, wie in den Domainen, durch die härteste Exekution sämmtliches Korn und Vieh genommen; so geschah es bei Herrn von der Lühe aus Massow, Hauptmann a. D. von Cramon aus Ilow, der Frau von Tornow und vielen Anderen.

Am unerträglichsten war aber das Elend in den Städten. Nirgends war der Ueberfluß weniger zu suchen als hier; in vielen derselben herrschte geradezu Armuth und Mangel und die Gemeinden waren durch die früheren Zahlungen bereits hoch mit Schulden belastet. Das Kriegs=Commissariat zog deßhalb nur diejenigen Städte zu den Zahlungen heran, welche ihm noch leistungsfähig erschienen; es waren dies: Schwerin, Güstrow, Parchim, Bützow, Boizenburg, Rehna, Gadebusch, Grabow, Wittenburg, Waren und Röbel. Diesen Städten wurde Ende Februar, trotz der bereits gezahlten 35000 Thaler und trotz geleisteter großer Naturallieferungen, die noch zu zahlende Summe auf rund 455000 Thaler festgesetzt, wovon auf Schwerin und Güstrow je 120000 Thaler entfielen.

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Zuerst versuchte das Kriegs=Commissariat die Vertheilung dieser Summen auf die einzelnen Einwohner durch die Behörden vornehmen zu lassen, stieß dabei aber, trotzdem man die Magistratspersonen durch tagelangen Arrest bei Wasser und Brod und der gröbsten Begegnung mürbe zu machen gesucht, auf so entschiedenen Widerstand, daß das Kriegs=Commissariat die Vertheilung selbst in die Hand nehmen mußte. Es lag in der Natur der Sache, daß dieselbe auf diese Weise nicht gerecht und sachgemäß ausfallen konnte. Im Allgemeinen verfuhr man nach dem Princip, die reichen und wohlhabenden Bürger besonders heranzuziehen; so z. B. wurde in Güstrow der Stadtsyndikus Sibeth zu 10000, andere angesehene Persönlichkeiten zu 5000, 3000 und 2000, außerdem jedes Haus zu 100 Thaler angesetzt.

Wo der Kriegsrath von Kleist selbst anwesend war, wurde ganz besonders scharf verfahren. Konnten die Einwohner ihre Quote nicht bezahlen, wurden ihre Wohnungen völlig ausgeräumt, die Sachen meistbietend verkauft und hierauf das Haus demolirt; in dem Sibeth'schen Hause, dessen Besitzer geflüchtet war, wurden sogar die Wände eingeschlagen.

Da man aber bald einsah, daß dies Verfahren den wohlhabenden Einwohnern, von denen Viele sich und ihre Werthsachen in Sicherheit gebracht hatten, nicht empfindlich genug war, um sie zur Rückkehr und zur Herausgabe ihres Geldes zu bewegen, nahm man seine Zuflucht zu persönlichen Mißhandlungen. Die Frauen der Geflüchteten - unter ihnen Frauen von Wirklichen Geheimräthen, Doctoren u. s. w. - und die Kinder, wurden im Rathhause bei Wasser und Brod tagelang gefangen gehalten, ohne Betten oder Stroh zum Lager. Weil aber besonders aus der Stadt Schwerin, viele zum Hofe und zur Regierung gehörige Einwohner geflüchtet waren - in Lübeck allein hielten sich 600 Personen auf, welche vom Herzog unterstützt wurden - ließ der Kriegsrath von Kleist sämmtliche Einwohner der Stadt in Classen eintheilen und machte letztere für die einzelnen Mitglieder derselben verantwortlich. Zahlte die Classe nicht für die Geflüchteten und Unvermögenden, mußten wiederum einzelne, nach Willkür Herausgegriffene, auch solche, welche die auf sie entfallene Quote bereits eingezahlt hatten, für die ganze Classe eintreten und wurden, wenn sie sich weigerten, bedroht, zu Fuß nach Stettin transportirt und dort zum Festungsbau verwendet zu werden. So erging es unter Anderen zwei Herzoglichen und einem Kammerdiener der Prinzessin Ulrike von Meklenburg, von welchen für die sogenannte Hofclasse 3707 Thaler erpreßt wurden. Ein gleiches Schicksal widerfuhr dem Re=

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gierungssecretär zur Nedden, welcher für die Regierungsclasse haften sollte. Nachdem derselbe vorher in seiner Wohnung von einem Officier und dem Commissar Christoffers arg gequält und mit Stockschlägen tractirt war, wurde er mit mehreren anderen Einwohnern zuerst zu Fuß, dann zu Wagen nach Bützow transportirt und nicht früher freigelassen, als bis er die an der Quote der Regierungsclasse noch fehlenden 100 Thaler bezahlt hatte.

Die Juden der Stadt bildeten eine eigene Classe und waren zu 25000 Thalern angesetzt. Als "der Hofjude" Nathan, dessen Vermittelung sich die Regierung in der Regel bei ihren Geldgeschäften bediente, mit seiner ganzen Familie geflohen war, wurde sein gesammtes Mobiliar verkauft und ihm noch eine besondere Geldstrafe von 5000 Thalern zuerkannt. Die Judenschaft Schwerins, haftbar für die gesammten 30000 Thaler, konnten oder wollten diese Summe nicht zahlen; es wurden daher 10 derselben in engen Gewahrsam gebracht und es wird in den Acten als eine ganz besondere Schändlichkeit des Kriegs=Commissars von Kleist hervorgehoben, daß er die Mitglieder des Magistrats, als diese ihre Quote zur bestimmten Frist nicht gezahlt hatten, zu den 10 Israeliten in dasselbe sehr kleine Zimmer sperren ließ.

Da beim Abmarsch der preußischen Truppen - Mitte Mai - noch nicht alle Summen beigetrieben waren, so befahl der Fähnrich Sommer, den gesammten Magistrat als Geißeln mitzuführen. Nur durch schleunige Erlegung der noch fehlenden 2000 Thaler gelang es den schwer geängsteten Vätern der Hauptstadt ihre Freiheit zu erkaufen. Aehnlich erging es den kleinen Städten; es wurden dort Summen erpreßt, deren Herbeischaffung Jedermann für unmöglich gehalten hatte.

Wie erwähnt war die Herzogin Luise Friederike in Schwerin zurückgeblieben, in der Absicht, durch den persönlichen Verkehr mit den preußischen Befehlshabern und deren Frauen die schweren Leiden des unglücklichen Landes zu mildern. Der Aufenthalt in der Residenz war für die edle Frau ein trostloser. Der Herzog weilte mit den Ministern und den Beamten seines Hauses in Lübeck, alle Freunde und dem Hofe nahestehende Personen waren geflohen. "Hier in meinem Frauenreich - denn die Männer laufen Alle davon! - ist Alles still", schrieb sie im Februar 1761 ihrem Gemahl, und im April: "Es ist ein Jammer, welcher nicht zu beschreiben und einen Stein erbarmen muß, und dieses Elend mit anzusehen ist nicht für empfindliche Herzen, welche noch den Tod davon kriegen werden. Wann werden unsere Peiniger abziehen?!" Die

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Briefe der Herzogin bieten uns ein Bild der rührendsten Gattenliebe; unter allen Klagen vergißt sie nie, ihren Gemahl zu trösten und ihm Muth einzusprechen. Dabei war sie ängstlich besorgt um seine Gesundheit, denn dem Herzog, welcher sich i. J. 1754, wegen einer krebsartigen Geschwulst an der Brust, einer sehr gefährlichen Operation hatte unterziehen müssen, war regelmäßige Bewegung und die strengste Diät von seinen Aerzten vorgeschrieben worden. "Gott ist gütig", schreibt die Herzogin im März, "und Seine Güte währet ewiglich und der Menschen Bosheit muß vergehen wie ein Rauch. Um eins ersuche ich Dich, mein Engel, nämlich, daß Du ordentlich leben mögest im Essen und Schlafengehen und in der nöthigen Motion, welches mit zur Gesundheit gehört und Gott auch von uns fordert, denn Er ist ein Gott der Ordnung."

An dem Hofe der Herzogin verkehrte die Gräfin Isenburg, welche ihrem Manne, der das preußische Blockadecorps vor Dömitz befehligte, nach Meklenburg gefolgt war und sich den Winter hindurch in Schwerin aufhielt. Zwar sagte der Herzogin die Persönlichkeit dieser Dame durchaus nicht zu, aber sie erhoffte durch den Umgang mit derselben Gutes für das Land. "Die Gräfin", schrieb sie dem Herzog, "ist sehr energischen Charakters und hält ihren Herrn und Ehegemahl fest unter dem Pantoffel." Wir glauben bei dem späteren, überraschenden Abzuge der preußischen Truppen von Dömitz keinen Fehlschluß zu thun, wenn wir die geschickten Hände der Herzogin in den engsten Zusammenhang mit diesem Ereigniß bringen.

Auch mit der Prinzessin von Würtemberg stand die Herzogin im fortgesetzten freundschaftlichen Verkehr, da sie wußte, daß der Prinz gerne das Land geschont hätte und nur gezwungen einem höheren Willen gehorchte. "Eben komme ich von Schwaan", schrieb sie im März ihrem Gemahl, "die Prinzessin scheint sich bei uns zu gefallen und läßt Dir, wie auch der Prinz, viel Schönes sagen. Letzterer versichert, er wolle als ein ehrlicher Mann und treuer Verwandter handeln, nur bitte er Dich um Gotteswillen, alles Mögliche beizutragen, damit er nicht in Verantwortung beim Könige käme, indem er gar zu strenge Ordres erhalten und also wider Willen sich genöthigt sehen würde, wegen der mangelnden Contribution mit der strengsten Exekution vorzugehen. Sobald er aber nur von Seite Deiner Domainen befriedigt wäre, so könne er mit Recht berichten, wie willfährig Du wärest; Du für Deine Person wärest ganz sicher, so lange er da wäre, aber es könne ein Anderer an seine Stelle kommen." -

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Es gab nunmehr nur noch einen Fleck meklenburgischer Erde, welcher nicht unter der Botmäßigkeit der preußischen Befehlshaber stand - die Stadt und Festung Dömitz.

Wir wissen, daß diese Festung, dem Allianzvertrage vom 1. December 1757 zufolge, dem Könige von Frankreich übergeben werden sollte, welcher aus derselben einen starken Waffenplatz zu machen beabsichtigte, als Stützpunkt seiner Operationen an der Elbe und über diesen Fluß hinaus. In dem Zustande, in welchem sich die Festung bei Ausbruch des 7jährigen Krieges befand, hatte dieselbe nur insofern einige Bedeutung, als ihre Kanonen die freie Schifffahrt auf der Elbe zu hindern vermochten. Im December 1757, als die ersten preußischen Truppen in Meklenburg einrückten, sandte der Herzog dem Commandanten von Dömitz die Warnung zu, wider eine Ueberrumpelung der Festung auf seiner Hut zu sein.

Zum Commandanten der Stadt und Festung war im October 1761 der Major Hieronymus Hertrich ernannt worden, ein von Asthma und Rheumatismus arg geplagter, sonst aber energischer und intelligenter Officier. Aus seinem sehr detaillirten Bericht an den Herzog vom 16. December ersehen wir, daß eine Stadtbefestigung überhaupt kaum noch existirte, der Zustand der eigentlichen Festung (Citadelle) aber in jeder Hinsicht ein so über die Maßen elender war, daß dieselbe gegen einen Angriff nicht 24 Stunden gehalten werden konnte. Die Umwallung der Stadt, völlig verfallen, ließ eine Geschützaufstellung überhaupt nicht zu; die Festung, außerhalb der Stadt gelegen, war zwar sturmfrei, hatte aber weder bombensichere Räume, noch Kanoniere, noch genügende Munition und Proviant. Die Besatzung bildete das Infanterie=Bataillon Alt=Dömitz, dessen 2 Compagnien, zusammen 94 Mann stark, durchweg aus Invaliden bestanden. Zu seinem Schrecken hatte der Commandant entdeckt, daß diese braven Leute nur in den Gewehrgriffen ausgebildet, aber auch hierin noch nicht bis zur Chargirung gekommen waren.

Auf die dringlichen Vorstellungen des Commandanten um Abstellung dieser Uebelstände hatte der Vicekanzler Dittmar erwidert: der Major solle sich ja auch nicht gegen eine Belagerung, sondern gegen eine Ueberrumpelung wehren und durch die Erklärung, sich bis auf den letzten Mann vertheidigen zu wollen, seien schon schlechtere Plätze als Dömitz es sei, gehalten worden.

Zum Glück erschien in den ersten 3 Kriegsjahren kein Feind vor den Thoren der Festung; erst im Frühjahr 1761 drohte derselben ernste Gefahr.

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Als der General von Werner im Herbst 1760 Meklenburg verlassen, hatte die meklenburgische Regierung den General Lantinghausen ersucht, mit dem Oberst Belling, in dessen loyale Gesinnung der Herzog sehr großes Vertrauen setzte, einen Waffenstillstand dahin abzuschließen, daß beide kriegführende Mächte während des Winters 1760/61 den meklenburgischen Boden nicht betreten sollten. Auf diese Anregung hin vereinbarte der schwedische Oberbefehlshaber mit dem Prinzen von Würtemberg, als dieser sein Hauptquartier in Rostock aufgeschlagen hatte, eine Waffenruhe, welche bis Ende März währen sollte, aber - das Land Meklenburg war in dem Vertrage mit keinem Worte erwähnt. So hatte denn der Prinz die Hände völlig frei und beschloß die günstige Gelegenheit zu benutzen, sich auch der Festung Dömitz zu bemächtigen. Zwei unbedeutende Vorfälle boten hierzu den Vorwand.

Der Major Hertrich hatte 2 preußische Dragoner, welche im Amte Dömitz, mit einem meklenburgischen Deserteur in der schamlosesten Weise marodirt hatten, aufgreifen und nach Rostock an ihr Regiment abliefern lassen, wozu er nach dem von dem Prinzen emanirten Patent durchaus das Recht hatte. Dies Verfahren wurde ihm als Freiheitsberaubung preußischer Soldaten ausgelegt.

Der zweite Vorfall war noch drastischer. In einem bei Dömitz gelegenen Dorfe hatte der Commissar Zuckmachovius, ein Mensch, von dem selbst die preußischen Officiere nicht anders als mit der größesten Verachtung sprachen, sich so ungalant gegen das schöne Geschlecht benommen, daß er, um eine größere Summe Geldes zu erpressen, Bauerfrauen geprügelt und die Frau eines Verwalters mit Füßen getreten hatte. Ermuthigt durch die Ankunft einer meklenburgischen Patrouille der Dömitzer Garnison, welche der Commandant häufig in die Umgegend auszuschicken pflegte, waren die hocherregten Frauen aus ihrer renitenten Haltung schnell in die Offensive übergegangen und bald hatte sich ein dichter Kreis um den unglücklichen Beamten geschlossen. Was im Innern dieses Kreises vorgegangen, hat Niemand jemals erfahren, bald aber übertönte das durchdringende Hülfegeschrei einer männlichen Stimme das gellende Gekreische der wuthschnaubenden Megären und lockte zwei zufällig des Wegs daherkommende Officiere der Dömitzer Garnison herbei. Nur mit der größten Mühe und nicht ohne persönliches Risico gelang es diesen den übel zugerichteten Commissar aus den Händen ihrer Landsmänninnen zu befreien. Die Haltung der Letzteren blieb jedoch eine so drohende, daß die Officiere Herrn Zuckmachovius den wohlgemeinten Rath gaben, sich so schnell als möglich aus dem Staube zu machen. Diesen Vorfall beeilte sich

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der undankbare Commissar im preußischen Hauptquartier so darzustellen, als ob die meklenburgischen Officiere ihn an der Ausübung seiner Amtspflichten gehindert hätten. Der Prinz, ohne sich auf eine weitere Erörterung dieser Angelegenheit einzulassen, schrieb kurzer Hand: "Unter diesen Umständen bleibt mir nichts Anderes übrig, als mich der Festung mit Waffengewalt zu bemächtigen."

Am 22. März 1761 erschien das preußische Belagerungscorps vor Dömitz und besetzte alle Zugänge zur Festung, auch auf dem hannoverschen Elbufer. Commandirt wurde das Corps, welches 480 Mann Infanterie, 150 Husaren und Dragoner, mit 6 Geschützen kleinen Kalibers, stark war, von den Majors Graf von Isenburg und von Römer.

Die Besatzung der Festung war durch die in Schwerin zurückgebliebenen Kranken und Invaliden auf 400 Mann verstärkt und mit Proviant auf 5 Monate versehen; die Zugänge zu derselben waren zum Theil durch Wasserstauungen unzugänglich gemacht. Ein Uebelstand war es, daß die meklenburgische Cavallerie, welche an der oben erwähnten, verunglückten schwedischen Expedition unter dem Major Baader theilgenommen hatte, in der Stärke von 96 Pferden nach Dömitz geschickt - der Commandeur der Leibgarde zu Pferde, der Oberst von Barssen, übernahm dort den Befehl über dieselbe - und, aus Mangel an Platz in der engen Citadelle, in der gänzlich offenen Stadt einquartiert war, somit eine leichte Beute des Feindes werden konnte. Der Commandant hatte dieselbe daher, von einer ihm ertheilten Erlaubniß des Herzogs Gebrauch machend, bei Annäherung des Belagerungscorps über die Elbe setzen und in dem (meklenburgischen) Dorfe Kaltenhof Quartier nehmen lassen. Ein Kanonenschuß von der Festung sollte das Signal für den Major Baader sein, mit seinen Reitern aufzubrechen und durch das hannoversche Gebiet Lübeck zu erreichen zu suchen.

Am 23. März früh Morgens, ließ der Commandant auf die sich der Festung allzu keck nähernden preußischen Husaren einen Kanonenschuß abgeben. Es war der erste und letzte, welcher während der ganzen unblutigen Berennung abgefeuert wurde und zugleich der Marschbefehl für den Major Baader. Um seinen Mannschaften - es waren 2 Officiere und 60 Reiter mit 96 Pferden - den Charakter einer Truppe zu nehmen, da sie als solche das neutrale hannoversche Gebiet nicht passiren durften, hatten die Leute Stallkittel über ihre Uniformen ziehen müssen, führten aber Säbel und Pistolen.

Der Abmarsch der meklenburgischen Reiter war den Preußen verrathen worden und sofort hatte der Graf Isenburg den Major

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von Zülow mit 100 Husaren über Boizenburg auf das linke Elbufer entsandt, um dieselben abzufangen. Als der Major Baader bei Artlenburg anlangte, und dort wieder auf das rechte Elbufer übersetzen wollte, verweigerte ihm der preußisch gesinnte Postbeamte die Benutzung der Fähre. Ein nach der Stadt Lauenburg an die dortige Behörde abgesandter Officier kam mit dem Bescheid zurück, ohne Befehl der hannoverschen Regierung in Ratzeburg eine Erlaubniß zum Uebersetzen nicht geben zu können. Durch diesen Aufenthalt gewann der Major von Zülow Zeit heranzukommen und das Commando in Artlenburg, wo der Major Baader seine Leute einstweilen einquartiert hatte, aufzuheben. Die meklenburgischen Reiter wurden zur Armee des Königs geschickt; nur 18 Gardisten gelang es sich nach Lüneburg zu retten, von wo sie theils in hannoversche Regimenter gesteckt wurden, theils nach Lübeck entkamen. Die Officiere wurden auf ihr Ehrenwort, in diesem Kriege nicht gegen Preußen dienen zu wollen, entlassen. Der Postmeister aber erhielt durch Major von Zülow zur Belohnung seiner bewiesenen patriotischen Gesinnung von den, dem Major Baader abgenommenen Geldern 100 Thaler als "Douceur" ausgezahlt.

Dem Major von Zülow glückte bei dieser Gelegenheit noch ein anderer Fang; seine Husaren nahmen auf der lauenburger Landstraße den Oberst von Glüer gefangen, welcher, wie schon früher erwähnt wurde, mit Befehlen des Herzogs von Lübeck nach Dömitz abgeschickt war.

Am 24. März ließ Graf Isenburg den Commandanten in aller Form zur Uebergabe der Festung auffordern; der Major Hertrich lehnte die Aufforderung entschieden ab.

Dem Herzog war es nicht zweifelhaft, daß die Festung, bei dem gänzlichen Mangel an bombensichern Räumen, sich bei einer Beschießung durch schweres Geschütz, dessen Herbeischaffung auf der Elbe von Magdeburg preußischerseits bereits eingeleitet war, keinen Augenblick würde halten können. Er suchte sich den Besitz der Festung daher auf andere Weise zu sichern. Der Oberjägermeister von Koppelow in Schwerin wurde, mit den ausgedehntesten Vollmachten aller Art ausgerüstet, angewiesen, in Unterhandlung mit den vor Dömitz befehligenden Officieren zu treten. Mit Hülfe des Bürgermeisters Wenmohs aus Grabow, bei welchem der Stab des Belagerungscorps auf dem Hinmarsche nach Dömitz in Quartier gelegen und wo derselbe auf speciellen Befehl des Herzogs auf das zuvorkommendste aufgenommen war, gelang es demselben nach langen Verhandlungen die Majors Graf Isenburg und von Römer zu bewegen, dem Prinzen von Würtemberg über die großen Schwierig=

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keiten, welche eine förmliche Belagerung der Festung bereiten würde, zu berichten und von weiteren Unternehmungen gegen dieselbe entschieden abzurathen.

Fünf Wochen hatte die Blockade der Festung gewährt; dann ließ der Graf Isenburg am 9. Mai einen Vergleich mit dem Commandanten dahin abschließen, daß die preußischen Truppen gegen eine Zahlung von 4000 Thalern seitens der Stadt Dömitz und einige vom Commandanten abgegebene Erklärungen, z. B. daß Herr Zuckmachovius nicht von den Truppen der Festung arretirt, daß der abgegebene Kanonenschuß lediglich ein Warnungsschuß für die preußischen Husaren, sich den Wällen nicht allzusehr zu nähern, gewesen sei u. s. f., die Einschließung der Festung aufheben und abmarschiren sollten.


Die allgemeine Kriegslage im Jahre 1761.

Wiederum waren die Anstrengungen der verbündeten Mächte während des Jahres 1760 fruchtlos gewesen und Friedrich der Große hatte das Feld behauptet. Als das Jahr 1761 anbrach, waren die Neigungen fast aller Höfe friedlich. Frankreichs Handel hatte der Seekrieg vernichtet, seine Finanzen waren völlig erschöpft. Der russische Kanzler hätte gerne die Hand zum Frieden geboten, wenn er nur die Mittel gefunden hätte, den glühenden Haß der Kaiserin Elisabeth gegen den König von Preußen zu besiegen. In Schweden war der König und das Volk dem Kriege gegen das protestantische Preußen stets abhold gewesen; nun, da die französischen Subsidien nicht mehr regelmäßig gezahlt wurden und das Gold zur Bestechung der Mitglieder des Reichsraths zu versiegen begann, bildete sich im letzteren, unter Führung des Obersten Pechlin, eine Partei, welche die Theilnahme an dem Kriege gegen Preußen entschieden verdammte. Selbst Maria Theresia, bisher die Seele der Coalition, war nach dem Verlust der Schlacht bei Torgau und bei der überaus großen Zerrüttung der östreichischen Finanzen in ihrem Gewissen beunruhigt, ob die gänzliche Erschöpfung ihres Staates nicht dessen Sicherheit gefährden würde, selbst bei nicht unglücklicher Beendigung des Krieges.

Mehr aber als seine Feinde war der König von Preußen des Friedens bedürftig. Fünf Kriegsjahre hatten die Kräfte des Landes völlig erschöpft; der Kern der Truppen war auf den Schlachtfeldern geblieben und die Armee konnte nur durch Annahme von

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Ueberläufern, durch gewaltsame Rekrutirung in Sachsen und Meklenburg, oder durch Einstellung von Gefangenen ihre Lücken ausfüllen. Dazu kam, daß der bisherige treue Bundesgenosse, König Georg II. von England, gestorben war und sein Nachfolger entschieden friedliche Neigungen hatte. Zwar bewilligte das Parlament im December 1760 noch die bisherigen Hülfsgelder in der Höhe von 670000 £, doch man fühlte, daß der Eifer für den Krieg im englischen Volke erkaltete.

Dies allgemein gefühlte Friedensbedürfniß führte dazu, daß zwischen Oestreich, Frankreich, Rußland, Schweden und Sachsen einerseits und Preußen und England andererseits ein Friedenscongreß vereinbart wurde, welcher zu Augsburg stattfinden und im Juli eröffnet werden sollte. Da aber die Verhandlungen zwischen Frankreich und England über einen Separatfrieden gescheitert waren und die Mächte sich schon über die Vorfragen nicht einigen konnten, so kam der Congreß - die Gesandten hatten schon Wohnungen in Augsburg gemiethet - nicht zu Stande und der Krieg nahm seinen Fortgang.

Der diesjährige Operationsplan der Verbündeten war, durch eine vereinigte russisch=östreichische Armee, unter den Befehlen des Feldmarschalls Butturlin und des Generals Laudon Schlesien zu erobern, während eine zweite östreichische Armee unter dem Feldmarschall Daun gemeinschaftlich mit der Reichsarmee die Eroberung Sachsens vollenden sollte. Ein selbstständiges russisches Corps unter dem General Romanzoff hatte den Auftrag Colberg zu erobern. Vor dieser zweimal vergeblich belagerten Festung war gewissermaßen die russische Waffenehre engagirt und schon bei Beginn des Jahres wurden die umfassendsten Vorbereitungen getroffen, sich dieser Festung, deren Einnahme für den Besitz Pommerns durchaus nothwendig war, zu bemeistern. Hiermit war auch der schwedischen Armee ihre Aufgabe gestellt. Während die Feldzüge der früheren Jahre resultatlos verlaufen mußten, weil denselben entweder ein klar durchdachter Operationsplan nicht zu Grunde lag, oder weil bei so weit ausgreifenden Unternehmungen, wie es der Marsch auf Berlin war und bei der Neigung der verbündeten Heerführer, sich gegenseitig im Stiche zu lassen, die Stärke des Heeres nicht ausgereicht hatte, so konnte der schwedische Oberbefehlshaber in diesem Jahre keinen Augenblick zweifelhaft sein, wohin er seine Schritte lenken sollte. Wenn er an der Spitze von 15000 Mann dem Corps Romanzoff, welches nach und nach zu einer Stärke von 30000 Mann angewachsen war, vor Colberg die Hand reichte, so war für ihn nichts zu befürchten und mit dem Falle dieser Festung,

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die Herrschaft der Preußen auf Stettin beschränkt. Es gehörte aber eine Vorbedingung zum Gelingen dieses Planes und dieser fehlte - der beiderseitige gute Wille!

Nach dem Abmarsche des Prinzen von Würtemberg übernahm der Oberst Belling wiederum den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Meklenburg. Der Ruf dieses geschickten und kühnen Husaren hatte sich weithin durch alle Lande verbreitet; von ferne und nahe eilten Abenteurer aller Nationen seinen Fahnen zu, so daß es ihm gelang, sein Regiment im Winter 1760/61 von 5 auf 10 Schwadronen zu bringen und im Frühjahr sogar noch ein 3. Bataillon zu 5 Schwadronen zu errichten, ohne einen einzigen der in Meklenburg gewaltsam ausgehobenen Rekruten hierzu verwendet zu haben. Sein Corps bestand nunmehr aus den beiden Bataillonen des Freiregiments Hordt (10 Compagnieen) mit 6 Bataillonsstücken und 10 Eskadrons Husaren - das 3. Bataillon war zur Armee des Königs geschickt -, in Summa: 1000 Mann Infanterie und 1300 Husaren. An der Spitze dieser winzigen Truppenmacht sollte sich der Oberst im Laufe dieses Jahres der sechsfach stärkeren schwedischen Armee gegenüber als Meister im kleinen Kriege bewähren und unsterblichen Kriegsruhm erwerben!

Die nächste Beschäftigung des Oberst Belling war, die noch rückständigen Zahlungen und Lieferungen einzutreiben, nicht allein für den Unterhalt seiner Truppen, sondern auch zur fortgesetzten Speisung der preußischen Magazine an der meklenburgischen Grenze, von wo die Lebensmittel= und Fourage=Transporte zur Armee und weiter in die preußischen Festungen abgeführt wurden.

Der Oberst hatte sich durch die Geradheit seines Wesens und die Loyalität seines Charakters das ganz besondere Vertrauen des Herzogs und seiner Minister erworben. Zwar mußte er die großen Lieferungen, wie es der bestimmte Befehl des Königs war, mit unnachsichtlicher Strenge einfordern, allein man konnte unbedingt auf sein gegebenes Wort bauen und er hielt Ordnung und strenge Mannszucht unter seinen Truppen. So traten wieder geordnete Beziehungen zwischen den meklenburgischen Behörden und dem preußischen Kriegs=Commissariat ein. Nach einer mündlichen Uebereinkunft des Obersten mit den Mitgliedern des Engeren Ausschusses trat, nachdem die herzogliche Regierung hierzu ihre Einwilligung gegeben, Anfang Juni im preußischen Hauptquartier zu Diekhof bei Lage ein Convent zusammen, durch welchen alle rückständigen Lieferungen geregelt und außerdem eine neue Geldforderung von 200000 Thalern bewilligt wurde, von welcher die Stadt Rostock allein 50000 Thaler zahlen sollte.

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Die Feindseligkeiten zwischen den Schweden und Preußen waren nach stillschweigendem Uebereinkommen auch nach Ablauf der zu Ribnitz geschlossenen Waffenruhe, welche bis Ende März währen sollte, verlängert worden. Beide Parteien arbeiteten mit großem Eifer daran, ihre Truppen für das kommende Jahr auf kriegstüchtigen Fuß zu setzen.


Die diplomatischen Verhandlungen mit Rußland. Beendigung der Verhandlungen mit Dänemark und Sendung des Baron von Lützow nach Stockholm.

Die diplomatischen Verhandlungen, welche die meklenburgische Regierung mit den fremden Höfen führen ließ, hatten einen doppelten Zweck: einmal versuchte dieselbe directe militärische Hülfe zu erlangen, um die preußischen Truppen aus dem Lande zu treiben, dann aber setzte sie auch alle Hebel in Bewegung, um die Cabinette der kriegführenden Mächte zu veranlassen, auf dem späteren Friedenskongreß, wenn irgend möglich, einen meklenburgischen Gesandten zuzulassen, jedenfalls aber mit ihrem ganzen Gewicht für die Interessen Meklenburgs einzutreten.

Directer militärischer Schutz konnte von Oestreich schon der entfernten Lage wegen nicht erwartet werden und auf die Hülfe der französischen Armee rechnete der Herzog nach dem Gange der Kriegsereignisse überhaupt nicht mehr; dagegen fiel die Unterstützung dieser beiden Großmächte bei etwaigen Friedensverhandlungen schwer ins Gewicht und besonders in diesem Sinne waren der Baron Dittmar und der Baron Teuffel in Wien und Versailles thätig. Auch von Dänemark war ein militärisches Einschreiten nicht mehr zu erwarten; hatte doch der Baron von Lützow, um nicht Alles zu verderben, es nicht einmal wagen dürfen, den Befehl des deutschen Kaisers, die preußischen Truppen anzugreifen und aus Meklenburg zu vertreiben - das Protectorium - dem König zu übergeben!

Die einzige Macht, von welcher die meklenburgische Regierung bisher eine Befreiung ihres Landes erhofft hatte, war die schwedische gewesen. Und wie war diese Hoffnung zu Schanden geworden! Die schmähliche Parteiregierung in Stockholm, welche durch französisches Gold gelenkt wurde, stellte unfähigen Oberbefehlshabern,

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die mit jedem Jahre wechselten, Aufgaben, welche dieselben nicht erfüllen konnten, weil ihre Armee, welche isolirt, ohne in Uebereinstimmung mit anderen Mächten zu handeln, ihr Ziel verfolgen sollte, zu schwach und ohne alle leichte Cavallerie war, so daß es den schwedischen Generälen niemals gelingen wollte, in Feindesland zu überwintern, worauf schließlich in jedem Jahre der ganze Feldzugsplan der Stockholmer Regierung hinauslief.

Auf eine werkthätige Hülfe Rußlands hatte man bisher nicht gerechnet. Indessen es war vorauszusehen, daß das Wort der mächtigen Czarin beim Friedensschlusse schwerwiegend sein würde. Aus diesem Grunde hatte der Herzog sich bereits im October 1758 um die Freundschaft der Kaiserin Elisabeth beworben und durch Vermittelung des russischen Gesandten in Hamburg, des Grafen Soltikoff, die Beschwerdeschrift, welche er gleich nach der ersten preußischen Invasion an Kaiser und Reich eingereicht hatte, der Kaiserin mitgetheilt und in einem Begleitschreiben ihren Beistand erbeten.

Erst nach Verlauf eines Jahres, unter dem Eindruck des Kunersdorfer Sieges, antwortete die Kaiserin. In der huldvollsten Weise drückte sie ihr inniges Beileid aus und versicherte, mit ihren Bundesgenossen dahin wirken zu wollen, daß beim Ende des Krieges dem Herzog der volle Ersatz der durch Preußen verursachten Schäden zu Theil werde. Auch richtete der Kanzler Woronzoff eine Note an die am russischen Hofe accreditirten östreichischen und französischen Gesandten, den Grafen Esterhazy und den Marquis de l'Hospital, in welcher er ihnen von der Gesinnung seiner Herrin Mittheilung machte und dieselben ersuchte, auch ihre Höfe für Meklenburg zu interessiren. Dieselbe Weisung erging an die russischen Botschafter in Wien und Versailles, die Grafen Kayserling und Bestoucheff.

von diesen Schritten machte die meklenburgische Regierung dem Baron Dittmar Mittheilung, mit der Weisung, sich die an den Grafen Kayserling von seinem Hofe erlassene Instruktion bestens zu Nutze zu machen, auch mit dem Grafen Bestoucheff, mit welchem der Vicekanzler von früher her bekannt war, in Briefwechsel zu treten.

Baron Dittmar berichtete umgehend hocherfreut, wie das große Interesse, welches der russische Hof für die Angelegenheiten des Herzogs gezeigt, in der Hofburg einen sehr angenehmen Eindruck gemacht habe. Er rieth, fortgesetzt recht genaue Thatberichte über den in Meklenburg angerichteten Schaden nach Petersburg zu senden und namentlich denselben nicht zu niedrig zu beziffern. "In Rußland ist man an hohe Summen gewöhnt", schrieb er, "6000000

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Thaler als Schadensrechnung für die Jahre 1758 und 1759 kann man ruhig ansetzen."

Das Jahr 1760, auf welches die verbündeten Mächte und ihre Anhänger so große Hoffnungen gesetzt hatten, verlief, ohne daß man einen Schritt weiter zum Frieden kam. Auch die Erwartungen des Schweriner Hofes waren sehr herabgestimmt, als der General Lantinghausen hinter die Peene zurückgegangen war, bis der bestimmte Befehl der Czarin die russischen Heerführer anwies, sich nicht zurückzuziehen, sondern in Pommern zu überwintern. Das erfüllte die meklenburgische Regierung mit neuen Hoffnungen und dieselbe beeilte sich, aus der Nähe der russischen Armee noch für den kommenden Winter Nutzen zu ziehen. Da aber mit Sicherheit vorauszusehen war, daß angeknüpfte Verhandlungen am Petersburger Hofe, wenn überhaupt, doch erst nach vielen Monaten zum Ziele führen würden und die Zeit zum Handeln drängte, beschloß man eine directe Einwirkung auf die russischen Generäle auszuüben, d. h. dieselben zu bestechen.

Am Hofe zu Warschau befand sich im Dienste des Königs August von Polen der Oberst von Petersdorf, welcher in Meklenburg begütert, Vasall des Herzogs und diesem persönlich bekannt war. An ihn erging im December 1760 die streng vertrauliche Aufforderung, er möge durch den Grafen von Brühl den General von Tottleben oder einen anderen russischen General veranlassen, sofort so zu operiren, daß Meklenburg von den preußischen Truppen befreit werde. Gelänge dies, wolle der Herzog dem betreffenden Heerführer noch vor Ausgang Mai in Hamburg eine Tonne Goldes (gleich 100000 Thaler) auszahlen lassen, auch dem Grafen Brühl "die angenehmsten Gefälligkeiten erweisen."

Der Herzog versprach sich viel von der militärischen Hülfe Rußlands, welche in diesem Jahre schon so nahe gewesen war. Wenn es ihm gelang, im nächsten Feldzuge eine Vereinigung der russischen und schwedischen Heere herbeizuführen, so war offenbar der ganze pommersche Küstenstrich mit den Festungen Colberg und Stettin für den König von Preußen verloren und Meklenburg konnte von dessen Truppen ferner nicht mehr gebrandschatzt werden.

Um den russischen Hof für dies Projekt zu gewinnen, beschloß der Herzog einen Abgesandten nach Petersburg zu senden. Er wählte hierzu aber nicht einen officiell beglaubigten Minister, um den König von Preußen nicht noch mehr zu reizen, sondern setzte sich mit dem Obersten von Petersdorf in Verbindung, welcher sich mit Erlaubniß seines Souverains bereit finden ließ, als Attaché des polnischen Gesandten in Petersburg für das Interesse des

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Herzogs dahin zu wirken, daß die russischen Heerführer durch ihre Operationen die meklenburgischen Lande vor preußischer Invasion schützten. Petersdorf selbst sollte sich die Erlaubniß auswirken, im russischen Hauptquartier den Feldzug mitzumachen, um an Ort und Stelle dafür zu sorgen, daß die russischen Generäle die Befehle der Czarin zur Deckung Meklenburgs auch wirklich in Vollzug setzten. Damit der Oberst über alle kriegerischen Ereignisse in Pommern stets auf dem Laufenden erhalten würde, sollte der meklenburgische Militär=Bevollmächtigte im schwedischen Hauptquartier Berichte über den Gang der Operationen über Altona direct an denselben senden.

Wiederum verhieß der Herzog demjenigen russischen General, welcher Meklenburg im nächsten Winter vom Feinde frei hielte, eine Ergötzlichkeit von 1 - 200000 Thalern. Mit dieser Freigebigkeit des Herzogs erklärte sich Petersdorf im Princip durchaus einverstanden, meinte aber, einer so großen Summe bedürfe es für die Generäle nicht, ein Viertel oder die Hälfte des ausgesetzten Geldes genüge; den Rest verwende man viel praktischer, um die russischen Minister zu bestechen, damit sie vorerst die nöthigen Befehle an die Generäle von der Kaiserin auswirkten.

Am Schweriner Hofe war man sich wohl bewußt daß auf eine ernstliche Mitwirkung der schwedischen Armee zur dauernden Besitznahme Pommerns kaum zu rechnen sei. Zwar hatte die Stockholmer Regierung in der Person des Generals Ehrenswärd, dem General Lantinghausen, welcher auf seinen Wunsch seines Commandos enthoben war, einen Nachfolger im Oberbefehl der Armee gegeben; welcher im vorigen Jahr bei der Vertheidigung Pasewalks große Tapferkeit bewiesen hatte. Allein diese Eigenschaft, so schätzenswerth sie auch war, gab noch keine Gewährleistung, daß der General auch die übrigen für einen Höchstcommandirenden unerläßlichen Eigenschaften hatte. Ein Wechsel im Obercommando war bei Beginn jedes Feldzuges eingetreten, ohne daß ein neuer Geist die schwedische Kriegsführung beseelt hatte und war mehr durch die Intriguen der Parteien im Reichsrath und durch die politische Stellung des betreffenden Generals, als durch die Rücksicht auf seine guten militärischen Eigenschaften bedingt worden. Man hatte nicht allein in Schwerin, sondern auch an den übrigen Höfen der Coalition das Vertrauen auf kriegerische Erfolge der Schweden gänzlich verloren.

Dennoch wollte die meklenburgische Regierung in diesem Jahre, wo sich ihr, durch den Ernst der russischen Kriegsführung, so günstige Chancen boten, wie nie zuvor, kein Mittel unversucht lassen, um den schwedischen General zu energischem Handeln anzuspornen. Sie

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beschloß aus diesem Grunde einen Gesandten nach Stockholm zu senden und wählte hierzu den Baron von Lützow.

Wir verließen diesen Diplomaten, als ihm im Mai des Jahres 1760 wegen des Abschlusses der Convention mit Schweden in Kopenhagen der Boden unter den Füßen zu heiß geworden und ihm deßhalb von seinem Hofe Urlaub zu einer Badereise nach Pyrmont ertheilt war. Anfang October war derselbe an den dänischen Hof zurückgekehrt und hatte es durch seine dringlichen Klagen über den Einfall des General Werner zu Wege gebracht, daß Graf Bernstorf dieserhalb wiederum in Berlin Vorstellungen machen ließ. Hier war man aber bereits so an dies völlig harmlose dänische Diplomatenspiel gewöhnt, daß die kurz abweisende Antwort einlief: man müsse Meklenburg seine gerechte Empfindlichkeit bezeigen, werde aber darauf sehen, daß diese mehr den Herzog in seinen Domainen treffe, als das unglückliche Land.

Der Herzog ersah von einem längeren Verbleiben des Baron Lützow in Kopenhagen keinen Nutzen für seine Sache. Deshalb lehnte er auch das Ansinnen des Kaisers, in Regensburg zu beantragen, daß dem Könige von Dänemark ein zweites Protectorium zum Schutze Meklenburgs übertragen werde, ab und rief den Gesandten, als er seiner Dienste in Stockholm bedurfte, zurück. Im Mai 1761 ging Lützow an seinen neuen Bestimmungsort ab; vorher aber legte er das unentsiegelte Protectorium in die Hände des Herzogs zurück, welcher es für spätere Geschlechter als redendes Wahrzeichen von des großen deutschen Reiches Macht und Herrlichkeit im Regierungsarchiv ad acta legte. 1 )

Der Oberst von Petersdorf wurde von der Kaiserin Elisabeth sehr gnädig aufgenommen. "Ihre Kaiserliche Majestät haben die Gnade gehabt, mich dreimal anzusprechen und Sich jedesmal huldvoll nach meinem Namen zu erkundigen," berichtete er hochbeglückt. Mit den Verhandlungen ging es aber nur langsam vorwärts. In einer Unterredung mit dem Großkanzler Woronzoff schilderte der Gesandte die großen Vortheile für die gemeinsame Sache, wenn ein russisches Corps die Preußen hindern würde, Geld, Rekruten, Pferde und Vorräthe aus Meklenburg zu ziehen. Der Kanzler gab dies zu, erklärte aber, er könne beim besten Willen nicht früher Versprechungen zur Deckung des meklenburgischen Landes geben, bis die Waffen in Pommern, wo der General von Romanzoff soeben


1) Hier lag es uneröffnet bis zum 11. Mai 1887, an welchem Tage es vom Verfasser in den Akten gefunden und von dem Herrn Archivrath Schildt geöffnet wurde.
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zur Belagerung Colbergs geschritten war, entschieden hätten. Dann legte er dem Obersten die verfängliche Frage vor, warum denn der Herzog seine Truppen nicht Theil am Kampfe nehmen lasse? Rußland würde dieselben gerne in seinen Sold nehmen; und ersuchte ihn schließlich, seine Ideen ausführlich in einem Memoire darzulegen.

Oberst von Petersdorf that dies und schlug vor: 8000 Russen sollten sich mit der schwedischen Armee und den bis auf 6000 Mann zu vermehrenden meklenburgischen Truppen vereinigen. Dies würde ein Corps von circa 30000 Mann ergeben, welches sich bei Demmin und Malchin aufstellen solle, nachdem die Vereinigung der Russen und Schweden über Prenzlau oder über Wollin stattgefunden habe.

Der Kanzler erklärte sich mit diesem Plan völlig einverstanden; in Schwerin hatte man aber allerlei Bedenken: in dem abzuschließenden Traktate müsse jedes Engagement, woraus eine Offensiv=Verbindung erwachsen könnte, sorgfältig vermieden werden, sonst könne der Fall eintreten, daß die meklenburgischen Truppen wohl gar gegen die Religion, gegen Kaiser und Reich oder gegen andere, dem herzoglichen Hause wohlwollende Mächte - Dänemark, dessen Beziehungen zu Rußland bereits gespannt waren - verwendet würden.

Ende September wurden die Verhandlungen unterbrochen, da der Großkanzler gefährlich erkrankt war. Zwar fertigte derselbe während seiner Genesung, Mitte October in Gegenwart des Obersten eine Ordre an" daß Letzterer sich zu der russischen Armee nach Pommern begeben und der Oberbefehlshaber angewiesen werden solle, seinen Anerbietungen Gehör zu geben, auch war der General von Brandt, ein sehr geschickter Officier, bereits bestimmt, das Commando über die Truppen, welche sich mit den Schweden vereinigen sollten, zu übernehmen. Dann aber stockte plötzlich Alles wieder; es machte sich auf die russische Heeresleitung die Einwirkung des Generals von Platen geltend, welcher von Friedrich dem Großen abgesandt, durch Zerstörung der Magazine Schrecken und Verwirrung im Rücken der russischen Armee verbreitete und die Besorgniß entstehen ließ, daß Colberg durch denselben entsetzt und die geplante Offensive gegen Berlin vereitelt werden könnte.

Petersdorf hörte unter der Hand aus zuverlässiger Quelle, daß sein Projekt gänzlich aufgegeben sei. Bestürzt eilte er zum Kanzler; er wird vorgelassen, findet denselben aber so schwach und elend, daß er mit ihm von Geschäften überhaupt nicht sprechen kann. Er sieht seinen Plan scheitern, auf welchen er so große Hoffnungen

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gesetzt hat und dessen Erfüllung so nahe schien. Unmuthig verkaufte er seine Feldequipage, welche er bereits beschafft hatte, da er in 5 Tagen zur Armee hatte abgehen sollen.

Seinem Berichte nach waren die Zustände am russischen Hofe derart, daß eine ersprießliche Thätigkeit für ihn daselbst nicht mehr möglich war. Wie der dänische Minister Graf Bernstorf sich geäußert hatte, gab es in Petersburg keine geordnete Regierung mehr, es war die Anarchie. Die Kaiserin Elisabeth, schon in gesunden Tagen den Regierungsgeschäften abhold, den Vergnügungen und Ausschweifungen ergeben, war jetzt krank und hinfällig; es war ihre Unterschrift bei den gewöhnlichsten Regierungsgeschäften oft in Monaten nicht zu erlangen. Der Kanzler, beschränkten Verstandes, von schwachem Charakter, eifersüchtig auf sein Ansehen, mißtrauisch gegen Jedermann, nahm Geldgeschenke von Frankreich und England, von Freund und Feind. Dazu kam bei den Ministern und den Generälen die Furcht, durch zu großen Eifer gegen Preußen sich die Ungnade des Großfürsten Peter zuzuziehen, welcher erklärtermaßen auf Seite des von ihm bewunderten Königs von Preußen stand. Petersdorf fragte in Schwerin an, ob er unter diesen Umständen noch in Petersburg bleiben solle?

Indessen für die Schweriner Regierung war die Hülfe durch die russischen Armeen die einzig mögliche und solange sich Romanzoff vor Colberg behauptete, gab der Herzog die Hoffnung nicht auf. Petersdorf erhielt daher die Weisung, auf seinem Posten zu verbleiben und in seinem bisherigen rühmlichen Eifer nicht zu ermüden.

Die Verhandlungen Petersdorfs mit dem Großkanzler kamen erst wieder in Fluß, als der östreichische Gesandte, Graf von Mercy, 1 ) von seiner Regierung den Auftrag erhielt, den oben erwähnten Operationsplan des Obersten, welcher durch den Baron Dittmar in Wien mitgetheilt war, angelegentlichst am russischen Hofe zu unterstützen. Indessen wurde der Kanzler vergeblich auf die Tausende ausmerksam gemacht, welche nach der Sitte der damaligen Zeit für den Abschluß eines Traktats in die Tasche des leitenden Ministers flossen. Bloße Verheißungen hatten keine überzeugende Kraft für ihn, der an den Klang des Goldes gewöhnt war, und der Herzog wollte sein Geld nicht ausgeben ohne greifbare Vortheile. So blieb es während der Monate November und December bei leeren Redensarten seitens des Grafen Woronzoff: er habe es im Ministerrathe nicht durchsetzen können u. s. w. Das einzig Werthvolle für Me=


1) Derselbe hatte seit kurzem den Grafen Esterhazy in Petersburg abgelöst.
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klenburg war der bestimmte Befehl der Czarin, daß auf jeden Fall ein russisches Truppencorps von 35000 Mann den Winter 1760/61 über in Pommern bleiben solle.

Hieran anknüpfend suchte Petersdorf den Kanzler zu überreden, sogleich in Wollin Magazine anzulegen, da es nur so möglich sei, die Subsistenz der Truppen in Pommern sicher zu stellen. Diese Idee theilte er sämmtlichen fremden Ministern am russischen Hofe mit, welche dieselbe Alle billigten und lebhaft beim Kanzler unterstützten. Aber schon dominirte ein anderer Einfluß am russischen Hofe. Die Tage der Kaiserin waren gezählt; am 5. Januar starb Elisabeth und Peter III. bestieg den russischen Thron.


Die 4. Offensive der Schweden i. J. 1761; Rückkehr der meklenburgischen Truppen nach Meklenburg und dritter Marsch derselben nach Rügen; Sendung des Capitains von Meklenburg in das russische Hauptquartier; die Gefechte bei Malchin; Kriegsschäden i. J. 1761.

Bevor wir in der Erzählung weiter fortfahren, müssen wir unseren Blick auf die Ereignisse des Jahres 1761 auf dem schwedischen Kriegsschauplatze zurücklenken.

Wie schon erwähnt, war der General von Ehrenswärd zum Oberbefehlshaber der schwedischen Armee ernannt worden. Derselbe übernahm im Juni das Commando, blieb aber vorerst noch in Stockholm, um die Ausrüstung der Truppen, welche sich auch in diesem Jahre ungebührlich verzögerte, zu beschleunigen.

Ein bestimmter Operationsplan war dem Oberbefehlshaber auch in diesem Jahre nicht vorgeschrieben; es war ihm nur die allgemeine Directive ertheilt, sich mit den russischen Befehlshabern zwecks Cooperation in Verbindung zu setzen. Im Uebrigen hatte der General völlige Actionsfreiheit.

Gleich nach Uebernahme des Obercommandos hatte der General Ehrenswärd den Capitain Poppe, welcher früher in russischen Diensten gestanden hatte, in das Hauptquartier des Generals Romanzoff gesandt, um mit Letzterem einen gemeinsamen Operations=

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plan zu verabreden und um Ueberlassung von 2000 Mann leichter Cavallerie, an welcher Waffe es auch in diesem Jahre gänzlich mangelte, zu bitten, welche auf der Insel Wollin - die Oder=Inseln waren in diesem Winter im Besitz der Schweden geblieben - landen sollten. Theils dieser Umstand, theils die Abwesenheit des Commandirenden in Stockholm verzögerte den Beginn der Operationen bis über die Mitte des Juli hinaus

Der Herzog von Meklenburg hatte an Stelle des gefangenen Obersten Glüer den Oberstlieutenant von Plessen vom Infanterie=Regiment von Both als Bevollmächtigten in das schwedische Hauptquartier gesandt. Derselbe schloß sich eng an den Marquis von Caulaincourt an, welcher aus der preußischen Gefangenschaft entlassen, wieder bei der Armee eingetroffen war. Das eifrigste Bestreben dieser beiden Officiere war es, den schwedischen Oberfehlshaber, welcher Anfangs Juli bei der Armee eingetroffen war und der in Langsamkeit und Bedächtigkeit des Entschlusses seinen Vorgängern nichts nachgab, zur raschen Aufnahme der Offensive zu bewegen. Der Herzog genehmigte das Gesuch des Generals Ehrenswärd um Ernennung eines Marsch=Commissärs, welcher die Verpflegung der schwedischen Truppen in den meklenburgischen Landen regeln sollte, und um Gestellung einiger der Gegend kundiger Führer, fügte jedoch den Wunsch hinzu, der General möge den herzoglichen Amtmann in Gnoien, einen ritterschaftlichen Deputirten, sowie einige Dorfschulzen und Förster gewaltsam ausheben lassen, um den Schein zu erwecken, als sei der Einmarsch der Schweden in Meklenburg gegen den Willen des Herzogs geschehen.

Das Bellingsche Corps hatte seine oben erwähnte Aufstellung beibehalten: die beiden Infanterie=Bataillone Hordt in Demmin und Anclam, die Husaren in Lage und Umgegend.

Am 19. Juli überschritt die schwedische Armee, 15000 Mann stark, in 3 Colonnen die Grenze. Plessen schildert die Truppen als auf das Beste ausgerüstet und "unverbesserlich in den Waffen geübt."

Die Haupt=Colonne unter dem Commandirenden ging bei Loitz über die Peene und drängte den Oberstlieutenant von der Goltz, welcher mit 7 Compagnien Hordt und 4 Geschützen in Demmin stand, auf Malchin zurück. Bei diesem Rückzuge fielen den Schweden 150 Gefangene in die Hände.

Die zweite und dritte Colonne, unter den Generälen von Lybecker und Graf Hessenstein überschritten bei Dammgarten und Triebsees die Grenze, um ebenfalls auf Demmin zu operiren. Die bei Ribnitz, Sülze und Gnoien aufgestellten Posten des Detachements

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Goltz erreichten nur mit Mühe und nicht ohne empfindliche Verluste Malchin. Der rechte preußische Flügel unter Major von Knobelsdorf war auf Treptow zurückgegangen, hatte aber die Tollense=Pässe Clempenow und Breest besetzt gehalten.

Die Generäle Lybecker und Hessenstein hatten sich bei Dargun vereinigt, gingen bei Verchen über die Peene und stießen bei Demmin zur Hauptcolonne. Bei dieser Gelegenheit erhielten die schwedischen Husaren eine derbe Lehre. Als die Avantgarde über Verchen hinausgegangen war, um den Uebergang der Infanterie über den Fluß zu decken, wurde sie vom Major von Zülow, welcher mit 200 Husaren die Vorhut des Obersten Belling bildete, überraschend angegriffen, über den Haufen geworfen und zum großen Theil gefangen genommen. Die preußischen Husaren attackirten nach Verchen hinein und hieben den Commandeur der Dalschen Infanterie vor der Front seines Regiments zusammen. Graf Hessenstein und Oberstlieutenant Plessen, welche sich gerade an der Seite dieses Generals befanden, verdankten ihr Entkommen nur der Schnelligkeit ihrer Pferde.

Nach dieser weiten Umgehung durch das meklenburgische Gebiet, welche bei der geringen Stärke des Feindes, die man genau kannte, völlig zwecklos und zeitraubend war, rückte die schwedische Armee am 22. Juli bis Vanselow vor und blieb vor den Pässen von Clempenow und Breest bis zum 30. völlig unbeweglich stehen.

Der Grund dieser Unthätigkeit lag in der ungemeinen Geschicklichkeit, mit welcher der Oberst Belling das schwedische Hauptquartier fortwährend über seine Stellung und über seine Absichten in Ungewißheit zu erhalten wußte. Ihm kam es vor Allem darauf an Zeit zu gewinnen, um die großen Magazine von Malchin und Treptow nach Havelberg und Stettin abzufahren, was gerade jetzt bei der fortgesetzt nöthigen Verproviantirung von Colberg und des Corps des Prinzen von Würtemberg, welcher daselbst zum Schutze der Festung ein verschanztes Lager bezogen hatte, von besonderer Wichtigkeit war. Hierbei kam ihm der Vormarsch des Feindes auf dem rechten Tollense=Ufer ganz ungemein zu Statten.

Um den Feind zu täuschen, marschirte Belling mit den Husaren und 3 Infanterie=Compagnien auf Demmin, so daß der Marsch deutlich vom rechten Tollense=Ufer beobachtet werden konnte, während gleichzeitig kleine Husaren=Detachements über die Tollense=Pässe hinausschweiften. Am 27. ging er dann, ungesehen vom Feinde, über Treptow nach Friedland und beunruhigte den Feind, seine Reiter weit über den Kavelpaß vorschiebend. Am 29. erhielt der Oberst 2 Compagnien und 2 Landschwadronen Verstärkung aus Stettin.

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Es folgte sodann eine Reihe kleiner Gefechte, in welchen es sich um den Besitz der Postirungen an der Tollense und am Landgraben handelte und durch welche sich die Schweden am 5. August in den Besitz von Treptow und Malchin setzten. In letztgenannter Stadt fanden sie noch eine beträchtliche Menge Vorräthe aller Art vor, welche der Oberst nicht hatte fortschaffen können, weil die meklenburgischen Aemter und die Gutsbesitzer es unterlassen hatten, die requirirten Wagen zu stellen. Dieser Verlust war für den Augenblick sehr empfindlich, später jedoch trugen die meklenburgischen Einwohner den Schaden, da sie bei der Rückkehr der preußischen Truppen im Herbst dieses Jahres alle durch die schwedische Armee weggenommenen Vorräthe ersetzen mußten. Am 6. bezog Letztere ein Lager zwischen Rehberg und Iven.

Oberst Belling war am 5. August nach Friedland zurückgegangen, aber schon am folgenden Tage warf er die Vorhut der Schweden unter Oberstlieutenant von Wrangel nach Treptow zurück und griff am 7. den schwedischen rechten Flügel bei Malchin an;

am 9. ging er dann über Neubrandenburg nach Sadelkow; hier gönnte er seinem Corps, welches nach dem Eintreffen der Verstärkung aus Stettin 2200 Mann stark war, einige wohlverdiente Ruhetage.

Das Erscheinen des Obersten Belling bald auf dem rechten, bald auf dem linken feindlichen Flügel hatte das Obercommando der schwedischen Armee völlig in Verwirrung gebracht; es liefen die widersprechendsten und verkehrtesten Meldungen im Hauptquartier ein, und schon jetzt tauchte das Schreckgespenst einer preußischen Verstärkung von 6000 Mann unter General von Stutterheim auf, welche von Pasewalk her die Armee bedrohen sollte. Unter diesen Umständen schien dem General Ehrenswärd das Gerathenste - abzuwarten, zumal er ganz ohne Nachrichten aus dem russischen Hauptquartier war und somit kein bestimmtes Operationsobject hatte. Volle 8 Tage blieb die Armee unbeweglich bei Rehberg stehen, dann schob sie ein kleines Detachement am 14. über den Kavelpaß vor, welches Friedland besetzte. Um den Feind zwischen zwei Feuer zu bringen, war der General Hessenstein am 13. von Treptow über Neubrandenburg nach Woldegk dirigirt worden, während der Major von Platen nach Finkenbrück marschirt war; das Gros der Armee blieb hinter dem Kavelpaß im Lager.

Der Oberst Belling war am 13. August gegen Friedland vorgegangen, um zu recognosciren, als er die Meldung von dem Vordringen der Hessensteinschen Colonne erhielt. Sofort machte er kehrt und marschirte ihr entgegen; gegen Friedland blieb ein

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Beobachtungsposten stehen und zur Sicherung seiner rechten Flanke ließ er den Major Knobelsdorf mit 3 Compagnien und 50 Husaren die Defileen bei Finkenbrück besetzen. In dem Dorfe Rühlow meldeten ihm seine Patrouillen, daß der Feind mit 8 Bataillonen, 2 Cavallerie=Regimentern und mehreren Eskadrons Husaren auf Woldegk marschire und bereits seinen Rücken bedrohe.

Aber auch der General Hessenstein erhielt Meldung von dem Anmarsche feindlicher Truppen in seiner linken Flanke. Das konnte Niemand anders sein, als der gefürchtete General von Stutterheim. Eiligst trat er den Rückzug an, zumal er den Befehl hatte, nichts zu riskiren und eingetroffenen feindlichen Verstärkungen gegenüber sich zurückzuziehen. Aber so leichten Kaufes ließ Belling den schwedischen General nicht los. Unvermuthet aus den Rühlower Waldungen vorbrechend, fiel er auf seine Arrièregarde und hieb das Cavallerie=Regimenut Süd=Schonen zusammen. Dieser kühne Anprall von 9 preußischen Schwadronen brachte das ganze schwedische Detachement in solche Unordnung, daß es eine ernstliche Schlappe erlitten haben würde, wenn die Bellingsche Infanterie den vorausgeeilten Husaren hätte folgen können. Bei Liepen (zwischen Neu=Brandenburg und Friedland) nahm der General Hessenstein wieder Stellung; die Haltung seiner Truppen hatte aber derart gelitten, daß der Commandirende es für geboten erachtete das Detachement, "damit es sich von den Fatiguen dieser Affaire erhole", am nächsten Tage hinter Friedland zurückzunehmen.

Bereits am 13. August hatte der General Ehrenswärd die Meldung erhalten, daß der Feind gegen den General Hessenstein im Anmarsche sei. Er war ebenfalls der Ansicht, daß nunmehr der General Stutterheim mit den erwarteten Verstärkungen eingetroffen sei, und rückte mit der Armee näher an die Tollense bis Boldekow. Als er am folgenden Tage den Unfall seines Unterbefehlshabers erfahren, entsandte er, um seine rückwärtigen Verbindungen besorgt, den General Stackelberg mit 3 Bataillonen und 4 Eskadrons nach Treptow und einige Tage später sogar 1 Bataillon zur Besetzung Anclams.

In steter Besorgniß beim weiteren Vorrücken in die Ukermark in Flanke und Rücken durch Truppen der Stettiner Besatzung und den von Sachsen her erwarteten General Stutterheim, dessen sehr geringe Streitkräfte das Gerücht auf 6000 Mann vergrößert hatte, angegriffen zu werden, hätte der schwedische Oberbefehlshaber am liebsten in völliger Unthätigkeit die weitere Entwickelung der Dinge auf dem russisch=pommerschen Kriegstheater abgewartet. Allein an der Spitze von 15000 Mann wohlausgerüsteter Truppen konnte

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er doch nicht unthätig zusehen, wie ein nicht viel mehr als 2000 Mann starker Feind in einem befreundeten Lande und in unmittelbarer Nähe seiner Armee nach Belieben schaltete und waltete. Der Oberst Belling hatte nämlich fortwährend festen Fuß in Meklenburg behalten; seine Commandos durchstreiften das Land nach allen Richtungen hin und holten ungehindert Geld und Vorräthe aller Art. Auf das wiederholte Andrängen der meklenburgischen Regierung, dem der Oberstlieutenant von Plessen den lebhaftesten Ausdruck gab, hatte der schwedische Oberbefehlshaber vor kurzem den General Hessenstein über Neubrandenburg auf Woldegk vorgehen lassen. Jetzt erneuerte er den mißglückten Versuch und befahl dem General Stackelberg Neubrandenburg zu besetzen. 1 )

Der Oberst Belling war nach dem Rückzuge des Generals Hessenstein in die Gegend von Woldegk gegangen und von hier aus, als ihm der Abmarsch des Majors von Platen aus Finkenbrück gemeldet war, dorthin geeilt. Als er auf seinem rechten Flügel aber Alles ruhig fand, war er nach Woldegk zurückgegangen. Hier erfuhr er, daß der General Stackelberg am 16. August Neubrandenburg besetzt habe.

Durchaus nicht gewillt, seine Verbindung mit Meklenburg aufzugeben, brach der Oberst mit 5 Compagnien und seinem Husaren=Regiment am 18. nach Neubrandenburg auf, ließ einen kleinen Posten vor der Stadt und marschirte um die Südspitze des Tollense=Sees herum, um den Feind im Rücken anzugreifen. Durch seine Patrouillen von der Umgehung benachrichtigt, räumte der General Stackelberg in der Nacht auf den 20. eilfertig die Stadt und zog aus Treptow ab, lebhaft vom Feinde bis an den Abschnitt von Tetzleben verfolgt.

Um dem Oberst Belling Neubrandenburg wieder zu entreißen, sandte der General Ehrenswärd dem General Stackelberg 3 Bataillone Infanterie und 2 Cavallerie=Regimenter Verstärkung. Nunmehr an der Spitze von 6 Bataillonen und 3 Cavallerie=Regimentern drängte Letzterer die Vorposten Bellings zurück und forderte am 22. die Stadt Neubrandenburg zur Uebergabe auf. "Ich werde die neutrale Stadt räumen, um sie zu schonen, aber ich werde den Herrn General draußen erwarten!" ließ Belling erwidern.


1) Oberstlieutenant von Plessen spricht die Vermuthung aus, daß der General Ehrenswärd wohl hauptsächlich deshalb Neubrandenburg habe besetzen lassen, um die Aufmerksamkeit Bellings und seiner Streifcommandos von einem Remonte=Transporte abzulenken, welchen er aus Holstein über Rostock im Lager erwartete.
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Die schwedische Cavallerie drängte ungestüm nach, debouchirte im Galopp aus der Stadt und setzte sogleich zur Attacke an. Die preußischen Husaren gingen zurück - nach preußischem Bericht, um die Feinde in den Bereich ihrer Infanterie zu locken, nach schwedischem wurden sie geworfen und verloren 200 Gefangene, - machten aber plötzlich Front, als die schwedischen Schwadronen durch heftiges Geschütz= und Musketenfeuer der verdeckt aufgestellten preußischen Infanterie völlig in Unordnung gerathen waren und warfen den Feind in die Stadt zurück. Bei dieser Attacke befreiten sie die gefangenen Husaren, nahmen 1 Major und 30 Reiter gefangen und erbeuteten die Standarte des Regiments Westgöta. Als hierauf die schwedische Infanterie aus der Stadt debouchirte, zog der Oberst aus Woldegk ab.

Bis zum 28. August hielt der General Stackelberg Neubrandenburg besetzt; dann erhielt er Befehl aus dem Meklenburg=Strelitzschen Gebiet abzumarschiren und bei Wodarg zu campiren. Ob dem schwedischen Oberbefehlshaber das dringende Ersuchen des Herzogs Adolf Friedrich, sein Land zu räumen, welches er durch den Kammerjunker von der Knesebeck mündlich stellen ließ, zu dieser Maßregel bewog oder ob ihm die Stellung des Detachements in Neubrandenburg zu exponirt erschien, muß dahin gestellt bleiben. Indessen nach der nicht eben freundlichen Antwort, welche der General Ehrenswärd dem Abgesandten des Herzogs ertheilte: "er erwarte, daß Seine Durchlaucht dasselbe Ansinnen an die Preußen gestellt hätte", zu schließen, ist ehe das Letztere anzunehmen.

Oberst Belling, welchem soeben eine Unterstützung dadurch geworden war, daß der Gouverneur von Stettin die 3 Infanterie=Bataillone, welche bisher als Rückhalt für sein Corps Pasewalk besetzt gehalten, bis Woldegk hatte vorrücken lassen, besetzte sofort Neubrandenburg und griff sogar Treptow an, wurde hier aber durch den Oberstlieutenant Wrangel, welchen der General Stackelberg bei seinem Abmarsch nach Wodarg als Besatzung daselbst zurückgelassen hatte, abgewiesen. Der Oberst nahm hierauf Stellung hinter dem Abschnitt bei Tetzleben, um daselbst die Ankunft des Generals von Stutterheim, dessen nahe Ankunft ihm in Aussicht gestellt war, abzuwarten.

Wir erwähnten den gänzlichen Mangel an brauchbaren leichten Truppen bei der schwedischen Armee. Dem General Ehrenswärd wurde dieser Mangel, einem Feinde gegenüber, dessen Aufenthalt, wie Plessen berichtet, so veränderlich war, daß er sich kaum 6 Stunden an demselben Orte aufhielt, so fühlbar, daß er Anfangs August dazu schritt sich aus Freiwilligen aller Regimenter ein

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Freicorps zu bilden. Dasselbe bestand aus 2 Freibataillonen Infanterie und 4 Compagnien Cavallerie; außerdem waren dem Corps noch 2 Grenadier=Bataillone zugetheilt. Den Oberbefehl über dies 1800 Mann starke Corps 1 ) erhielt der General=Adjutant Major Sprengporten.

Anfang September besichtigte der Obercommandirende dies Corps eingehend, welches in einem abgesonderten Lager vereinigt war, um für seine Zwecke ausgebildet zu werden und sprach seine volle Zufriedenheit über die Gewandheit und Präcision, mit welcher die Truppen ihre Uebungen ausführten, dem Major Sprengporten aus.

Am 31. August traf der General von Stutterheim, welchen der Prinz Heinrich von Torgau aus entsendet hatte, um Berlin gegen die Schweden zu schützen, mit 4 Bataillonen und 8 schweren Geschützen bei Treptow ein, in Summa 1600 Mann. Durch diese Verstärkungen wurden die preußischen Streitkräfte auf circa 4000 Mann gebracht, waren aber auch in dieser Stärke nicht in der Lage der fast vierfachen Uebermacht den Einmarsch in die Ukermark verwehren zu können. Der General beschloß daher den vom Obersten Belling gefaßten Plan beizubehalten und auf die rückwärtigen Verbindungen des Feindes zu wirken.

Schon am 31., kurz vor dem Eintreffen des Generals Stutterheim, hatte der Oberst den vergeblichen Versuch gemacht, sich in den Besitz des Clempenower Passes zu setzen. Am 1. und 2. September wurden die Angriffe wiederholt und es gelang dem Obersten Belling, durch Demonstrationen bei Breest und Clempenow den Feind täuschend, den Uebergang bei Brock mit leichter Mühe zu nehmen. Am folgenden Tage schob er seine Vorposten über Iven und Rehberg bis in die Nähe des schwedischen Lagers bei Boldekow vor. Am 3. behauptete sich der Oberst den Angriffen des Feindes gegenüber auf dem rechten Tollense=Ufer.

Endlich ließ sich der General Ehrenswärd bewegen, energische Maßregeln zur Vertreibung des allzu kecken Feindes zu treffen. Mit 11 Bataillonen und 10 Eskadrons brach er am 4. aus dem Lager auf. Der Oberst Belling wich fechtend bis an die Tollense zurück, wo er durch das Feuer der schweren Geschütze, welche der General Stutterheim auf dem linken Flußufer aufgefahren hatte, aufgenommen wurde. Die Schweden richteten den Hauptangriff gegen den Uebergang von Clempenow; allein so tapfer auch die


1) Nach preußischen Angaben 2500 Mann.
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Infanterie vorging und so oft sie ihre Angriffe wiederholte, sie wurde jedesmal durch das Feuer der beiden Freicompagnien, welche sich in dem Schlosse von Clempenow zur Vertheidigung eingerichtet hatten, abgewiesen. Abends kehrte der General Ehrenswärd ins Lager zurück, indem er nur den General Carpellan mit einem Detachement zur Beobachtung der Flußübergänge stehen ließ.

Gleichzeitig mit den Kämpfen an den Tollense=Uebergängen fand eine Entsendung des Freicorps gegen den preußischen rechten Flügel statt; dasselbe drängte den Oberstlieutenant Goltz, welcher mit einem Bataillon bei Gehren, südöstlich von Friedland, stand und den Major von Knobelsdorf (2 Compagnien) über die Defileen des Zarower Baches bei Finkenbrück auf Woldegk zurück und war am 5. September bis Neuensund vorgedrungen.

Am Abend des 5. erhielt der General Stutterheim Meldung über die Vorgänge auf seinem rechten Flügel. Das Vorgehen der Schweden bedrohte seine Verbindung mit Stettin und der Ukermark. Diese aufrecht zu erhalten, war für ihn aber gerade jetzt sehr wichtig, da der Kampf um Colberg anfing, sich für den Prinzen von Würtemberg sehr ungünstig zu gestalten und er jeden Augenblick gewärtig sein mußte, dorthin abberufen zu werden. Er maschirte daher, zur Verdeckung seines Abzuges Husaren=Posten an den Tollense=Pässen stehen lassend, am 6. über Neubrandenburg ab und stand Tags darauf bei Pragsdorf; der Oberst Belling bei Kuhblank. Auf die Kunde vom Anrücken dieser Truppen ging der Major Sprengporten in das Lager von Boldekow zurück.

Erst am 7. Abends erhielt der schwedische Oberbefehlshaber Meldung von dem General Carpellan, daß der Feind ihm gegenüber verschwunden sei und ließ infolgedessen am 9. eine Recognoscirung durch den Major Sprengporten über Friedland in der Richtung auf Jatzke ausführen. Hier standen die Vorposten Bellings; es kam zu einem Reitergefecht und die Schweden gingen über den Kavelpaß zurück, Friedland besetzt haltend.

Am folgenden Tage richtete der Prinz von Würtemberg das dringende Ersuchen an den General von Stutterheim, einen großen Provianttransport, welcher von Stettin nach Colberg abgesendet werden sollte, zu decken. Letzterer marschirte deshalb mit seinen 4 Bataillonen sofort in die Gegend von Stettin ab. Hier traf ihn am 19. September, als er im Begriff war, die Oder zu überschreiten, der bestimmte Befehl des Prinzen Heinrich von Preußen, zu dessen Armee er gehörte, sich lediglich auf den Zweck seiner Sendung, nämlich die Ukermark und Berlin gegen die Schweden

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zu decken, zu beschränken. Er kehrte deshalb um und marschirte am 23. bis Prenzlau.

Nach dem Abmarsche des Generals Stutterheim hatte sich die Lage des Obersten Belling ungünstig gestaltet. Der General Ehrenswärd hatte am 17. den General Lybecker mit 7 Bataillonen und 2 Cavallerie=Regimentern über den Kavelpaß gegen Cosabroma und das Freicorps gegen Finkenbrück vorgehen lassen.

Der Oberst griff unerschrocken zunächst den General Lybecker an. Abgewiesen durch die große Uebermacht, wandte er sich dann gegen das Freicorps, welches bis Rothemühle vorgedrungen war. Der Major Sprengporten führte aber seine Truppen so geschickt und diese kämpften mit solcher Tapferkeit, daß das Bellingsche Corps eine ernstliche Schlappe erlitt, - das Bataillon Ingersleben von der Stettiner Garnison wurde fast aufgerieben - und gezwungen wurde, sich hinter die Taschenberger Defileen zurückzuziehen. Die beiden Stettiner Grenadier=Bataillone besetzten Pasewalk.

Der General Lybecker, welcher sich mit dem Major Sprengporten vereinigt hatte, drang bis Woldegk vor, von wo aus er sofort die ausgedehntesten Fouragirungen ins Werk setzte und Contributionen in der Ukermark beitrieb.

Zieht man in Erwägung, daß der General Ehrenswärd mit dem Gros der Armee unbeweglich im Lager bei Boldekow, also 5 Meilen rückwärts, stehen blieb, so muß man annehmen, daß es sich bei dieser Expedition lediglich darum handelte, sich den Unterhalt der Armee aus Feindesland zu verschaffen.

Am 22. September wurden die beiden Stettiner Grenadier=Bataillone zurückberufen, um die Deckung des vorhin erwähnten Provianttransports zu übernehmen. Aus diesem Grunde ging der Oberst Belling über die Ufer zurück und besetzte Pasewalk, schob aber seine Vorposten sofort wieder gegen den Taschenberger Abschnitt vor, als der General Stutterheim am 23. bei Prenzlau eingetroffen war. Noch an demselben Tage wurde der Oberst, dessen Husaren durch ihre kühnen Streifereien die Fouragirungen der Schweden äußerst erschwert hatten, bei Taschenberg angegriffen, wies aber den Feind entschieden zurück. Als darauf im schwedischen Hauptquartier die Nachricht eingegangen war, daß der General Stutterheim, dessen Stärke man fortgesetzt überschätzte, zurückgekehrt sei, nahm der General Ehrenswärd beide Detachements von Woldegk bis Friedland und Ferdinandshof zurück, "um die Verbindung mit Anclam zu sichern".

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Es war dies die Einleitung zu dem gänzlichen Rückzuge der schwedischen Armee hinter die Peene. Am 7. October berichtet Oberstlieutenant von Plessen dem Herzog: "der Commandirende habe sich resolvirt, mit der Armee nach Schwedisch=Pommern zurückzugehen und nur Anclam, Demmin und Wollin - nach letzterem Ort war der General Hessenstein bereits am 12. September mit 4000 Mann detachirt - besetzt zu halten; da nunmehr Meklenburg den Preußen offen sei, riethe der General Ehrenswärd dem Herzoge seine Truppen wieder nach Rügen marschiren zu lassen."

Das ganze Resultat dieses Feldzuges war also gewesen, daß der General Ehrenswärd an der Spitze eines wohlausgerüsteten, tapferen, 15000 Mann starken Heeres kaum 4000 Preußen beschäftigt und 8 Wochen lang auf Kosten des Feindes gelebt hatte. Die strategischen Operationen des schwedischen Heeres hatten sich darauf beschränkt, sich hinter der Linie der Tollense und des Landgrabens zu behaupten und durch kleinere oder größere Detachements Rekognoscirungen und Fouragirungen ausführen zu lassen. Man sucht vergebens nach militärischen Gründen, um die völlige Unthätigkeit des schwedischen Oberbefehlshabers zu erklären. Der General wußte, daß die Streitkräfte des Königs von Preußen durch die energische Kriegführung der Russen, in diesem Jahre überall derart engagirt waren, daß eine weitere Detachirung als die des Generals von Stutterheim nicht zu erwarten stand. Allerdings führte gerade um diese Zeit der General von Platen jenen kühnen Zug im Rücken der Russen aus, der weithin Schrecken und Verwirrung verbreitete. Giebt man aber auch zu, daß die Besorgniß, der General von Platen möchte seinen Streifzug bis in die Ukermark ausdehnen, lähmend auf die Offensive des Generals Ehrenswärd einwirkte und ihn an der Tollense festhielt, so ist doch schlechterdings nicht anzunehmen, daß ihm dieser Gedanke so sehr allen Muth raubte, daß er schon im Beginn October, also kaum 2 Monate nach Eröffnung des Feldzuges jeden Gedanken an Kriegführung aufgab und vor einem Feinde, von dessen Annäherung er nichts wußte, hinter die Grenzgewässer zurückfloh. Wir müssen nach anderen Beweggründen suchen, welche die Handlungsweise des Generals bestimmten und hierzu giebt uns die Plessen'sche Correspondenz einigen Anhalt.

Der Rückzug der schwedischen Armee traf die meklenburgische Regierung wie ein Donnerschlag. Wir erinnern uns, daß man in Schwerin große Hoffnung auf das Projekt des Obersten von Petersdorf setzte, demzufolge 8000 Russen über Prenzlau oder Wollin zur schwedischen Armee stoßen sollten. Zog sich nun letztere hinter die Peene zurück, so war an eine Ausführung dieses

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Plans überhaupt nicht zu denken und Meklenburg war in dem kommenden Winter von Neuem der preußischen Invasion ausgesetzt. Der Herzog wies daher den Geh. Kammerrath von Müller, welcher unter dem Vorwande, den Oberstlieutenant von Plessen besuchen zu wollen, in das schwedische Hauptquartier reiste, an, durch den Oberstlieutenant, besonders aber durch die Mitwirkung des Marquis von Caulaincourt zu erreichen zu suchen, daß die schwedische Armee zu einer Zeit, in welcher die Angelegenheiten vor Colberg anfingen, ein günstigeres Aussehen zu gewinnen, nicht zurückginge. Dem Geheimen Rath wurde die mit dem Obersten von Petersdorf gepflogene Correspondenz mitgegeben, mit der Ermächtigung, aus derselben vertrauliche Mittheilungen an den General Ehrenswärd und an den Marquis zu machen.

Dieser heißblütige Franzose hatte während des Sommers seine ganze Beredsamkeit vergeblich aufgeboten, um den wenig zugänglichen schwedischen Oberbefehlshaber zu einer raschen Offensive anzuspornen. Jetzt bot sich ihm eine neue Chance und er ergriff dieselbe mit Feuereifer. In stundenlangen Unterredungen bearbeitete er im Verein mit den meklenburgischen Herren den General Ehrenswärd, um ihn für den russischen Plan zu gewinnen. Aber Letzterer zeigte sich zurückhaltender denn je; auf eine Besprechung des Petersdorf'schen Projektes ging er überhaupt nicht ein, ließ aber eine große Empfindlichkeit durchblicken, daß man in Petersburg bereits seit dem Sommer über einen Plan verhandle, in welchem der schwedischen Armee eine thätige Rolle zugedacht sei, ohne daß weder seine Regierung noch er das Geringste davon wisse. Als nun am 15. October auch Anclam von den Schweden geräumt wurde, machte der Geheime Rath Müller von der ihm ertheilten Vollmacht Gebrauch und stellte dem General im Namen des Herzogs eine sehr namhafte Erkenntlichkeit in Aussicht. Auch auf den General=Adjutanten von Schönstrom mußte der Oberstlieutenant von Plessen einwirken. "Wenn Schönstrom seinen Chef zur Thätigkeit bringt," schrieb Graf Bassewitz an Plessen, "will Serenissimus demselben nicht 2, sondern 200 neue Pistolen gerne gewähren." 1 )

Nach und nach wurde der General Ehrenswärd mittheilsamer. Er sprach sich dahin aus, daß er zur Beförderung der Ankunft des russischen Corps Alles beitragen wolle, daß er auch dieserhalb schon Instruktion von seinem Hofe erhalten habe und eben um deswillen


1) Plessen hatte vor einiger Zeit als Geschenk für den General=Adjutanten zwei Reiter=Pistolen erbeten.
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bisher noch Demmin sowohl als Wollin besetzt halte. Um seiner Regierung etwas Positives vorlegen zu können, verfaßte der Geheime Rath Müller vor seiner Abreise ein Memoire, in welchem er ausführlich darlegte, daß die Kaiserin von Rußland beschlossen hatte, zum Schutze der meklenburgischen Lande ein Corps an der Grenze Meklenburgs überwintern zu lassen und den schwedischen Oberbefehlshaber ersuchte, zur Vereinigung dieses Corps mit der Armee seines Königs die Hand bieten zu wollen. Hierauf erwiderte der General Ehrenswärd in einem Gegen=Memoire, daß, wenn dies russische Corps über Wollin nach Meklenburg passire, er nicht unterlassen wolle, demselben hülfreiche Hand zu leisten. Hiervon müsse er aber bei Zeiten definitiv unterrichtet werden, denn bei der späten Jahreszeit und der eingetretenen üblen Witterung könne er weder Wollin lange behaupten, noch die schwedische Flottille im Haff zurückbehalten. Das Projekt, Prenzlau zum Zwecke der Vereinigung mit den russischen Truppen zu nehmen, verwarf er als ganz unthunlich.

Mit dieser Antwort des Generals war die meklenburgische Regierung im höchsten Grade unzufrieden. "Dieser Bericht," sagte der Minister Graf Bassewitz beim Vortrage dem Herzog, "und noch mehr die mündlichen Ausführungen des Geheimen Rath Müller ergeben klar, daß der General Ehrenswärd Comödie spielt und den Petersdorf'schen Plan schon lange gekannt hat. 1 ) Sollte es wohl nicht mehr denn zu richtig sein, daß er sich blos darum von Prenzlau zurückgezogen und mit einer fast unbegreiflichen Eilfertigkeit die Winterquartiere bezogen hat und nun auch Wollin aufgeben will, weil er oder sein Hof - wie die Russen schon während dieses ganzen Krieges öffentlich behauptet haben -, aus Eifersucht gegen Rußland die Conjunktion nicht gerne sieht?!"

Eine neue Hoffnung erwuchs der meklenburgischen Regierung, als sie die Mittheilung erhielt, daß die russische Hauptarmee unter Feldmarschall Buturlin in Hinterpommern eingerückt sei, um zur Unterstützung des Generals Romanzoff bereit zu sein. Auf diese Nachricht hin hatte sich der Marquis von Caulaincourt sofort - Ende October 1761 - in das russische Hauptquartier begeben; er hoffte dort den Obersten von Petersdorf anzutreffen und mit dessen Hülfe das russische Hülfscorps nach Meklenburg in Bewegung zu setzen.


1) Die schwedische Regierung kannte das Petersdorfer Projekt bereits seit dem Sommer durch den französischen Gesandten in Stockholm, welchem dasselbe durch Mr. de Champeaux vertraulich mitgetheilt war.
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Die Reise des Marquis in das russische Hauptquartier bestärkte den meklenburgischen Minister in seiner Ansicht. "Nun weiß man genau," trug er dem Herzog vor, "warum der General Ehrenswärd den Plan des Obersten von Petersdorf dem Marquis verschwiegen hat. Der General wußte unfehlbar, daß dieser eifrige Mann eine Conjunktion betreiben würde, welche er oder die schwedische Krone während dieses ganzen Krieges nicht gewollt und die man doch auf eine Art zu vermeiden wünschte, daß die schwedische Abneigung gegen Rußland nicht merklich werde."

Der General Ehrenswärd war über die Reise des Marquis von Caulaincourt sehr aufgebracht, da er fürchtete, daß die persönlichen Bemühungen desselben zu Verabredungen mit dem russischen Oberbefehlshaber führen möchten, die ihn zwingen würden, von Neuem die Offensive zu ergreifen. Der Oberstlieutenant von Plessen erfuhr seine Mißstimmung bei der nächsten Unterredung. "Ihr Hof hat mich hintergangen," fuhr der General ihn an, "es ist ihm noch niemals Ernst mit der Vermehrung seiner Truppen gewesen. Man hat mich mit falschen Vorspiegelungen den ganzen Sommer hingehalten und sich gleichzeitig um fremde Hülfe bemüht!"

In Letzterem lag die ernstliche Verstimmung des Generals. "Der Nationalhaß zwischen Schweden und Russen," äußerte sich der Graf Bassewitz, "eine Abneigung gegen die, für die gemeinsame Sache und diese Gegenden gleichmäßig heilsame Conjunktion der schwedischen und russischen Truppen und eine daherige Unzufriedenheit über das negotium des Obersten von Petersdorf steckt dem guten Herrn General im Kopfe. Aus eben diesem Grunde verspürte unser Gesandte in Stockholm sogleich eine Verstimmung an dem Grafen von Eckebladt, 1 ) als dieser den Plan aus Rußland erfahren hatte. Aus keinem anderen Grunde hat sich auch die schwedische Armee zurückgezogen."

Die Reise des französischen Militär=Bevollmächtigten in das russische Hauptquartier endete mit einem gänzlichen Mißerfolge. Wir erinnern uns, daß der Plan, ein Truppencorps nach Meklenburg zu schicken, in Petersburg ganz plötzlich wieder aufgegeben war. Als der General Romanzoff, mit welchem der Marquis die Verhandlungen führte, erklärte, er habe keine Befehle von seiner Herrin, Truppen nach Meklenburg abzusenden, geriethen die beiden Officiere so hart an einander, daß sie sich völlig überwarfen und der Franzose abreiste. Genau denselben Verlauf nahmen die Ver=


1) Schwedischer Minister.
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handlungen, welche der General Ehrenswärd - um den Schein zu wahren - mit dem russischen Oberbefehlshaber angeknüpft hatte. Infolgedessen wollte der General sofort seine Truppen aus Wollin zurückziehen; den inständigen Bitten des Oberstlieutenants von Plessen gelang es jedoch, dies zu verhindern. Der General erlaubte Letzterem sogar, ein Schreiben an den General Romanzoff durch einen schwedischen Officier abzusenden und wenn dies, wie zu erwarten stand, nichts fruchtete, selbst in das russische Hauptquartier zu reisen.

Im Uebrigen spielte der General die Rolle eines gekränkten Bundesgenossen weiter. Vertraulich äußerte er sich zu Plessen, der Herzog habe ihn während der ganzen Campagne hintergangen; hätte er das Projekt des Obersten von Petersdorf rechtzeitig gekannt, so würde er Malchin besetzt und befestigt haben, aber dem Herzog sei es nicht Ernst mit der Vertheidigung seiner unglücklichen Lande. "Ich habe einen Eid gethan," rief der General erregt aus, "nie wieder der dupe eines Königs oder Fürsten zu sein; lieber will ich mich von einem ehrlichen Soldaten, wie Sie es sind, dupiren lassen!"

Die meklenburgische Regierung setzte keine Hoffnungen mehr auf die beabsichtigte Reise des Oberstlieutenants von Plessen. "Bei der stattgehabten allgemeinen Brouillerie," bemerkt Graf Bassewitz, "können die Sachen nur schlecht gehen. Wenn wirklich ein russisches Corps kommt - de quo valde dubito - wird der schwedische General ihnen nur den Weg zeigen, weiter aber mit ihnen nicht conjugiren, concertiren oder sich abgeben." Indessen wurde Plessen doch beauftragt, die Reise zu unternehmen, auch dem General Romanzoff eine ansehnliche Erkenntlichkeit zu versprechen.

Am 18. November, als der Oberstlieutenant gerade im Begriff war abzureisen, wurde er zum Commandirenden gerufen. Derselbe theilte ihm officiell mit, daß ihm soeben mitgetheilt sei, der General Romanzoff habe sich von Colberg zurückgezogen und der Prinz von Würtemberg stehe, nachdem er sich mit General von Platen vereinigt, bei Greifenberg zwischen Colberg und Wollin. Dadurch sei das schwedische Detachement in Wollin gefährdet und befehligt worden, sich nach Usedom zurückzuziehen, so daß die Communication mit den Russen völlig unterbrochen sei.

Die Reise des Oberstlieutenants unterblieb und Graf Bassewitz klagte: "Solchergestalt sind denn nunmehr die russischen und schwedischen Generäle nach ihrem innern reciproquen antipathetischen Wunsch wiederum weit genug von einander entfernt, diese herzoglichen Lande aber von neuem der Wuth und Grausamkeit der in

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kurzem vermuthlich allesammt unbeschäftigten königlich=preußischen Kriegsvölker bloßgestellt. Gott erbarme sich solcher Anstalten und eines so elenden concert!"

Als aber Anfang December die sichere Nachricht einging, daß der General Romanzoff nach wie vor Colberg belagere und die Festung nach dem Rückzuge des Prinzen von Würtemberg ihrem Falle nahe sei, war man in Schwerin fest überzeugt, daß der General Ehrenswärd wissentlich die Unwahrheit gesagt habe, um den Oberstlieutenant von der Reise abzuhalten. 1 )

Am 15. October hatte die schwedische Armee die gewohnten Quartiere an der preußischen und meklenburgischen Grenze wieder bezogen; von preußischem Gebiet war nur Demmin besetzt geblieben und ein Theil der Oder=Inseln.

Auf der preußischen Seite war der General von Stutterheim mit seinem Detachement am 16. October zur Armee des Prinzen Heinrich nach Sachsen zurückgerufen worden und der Oberst Belling hatte den Oberbefehl übernommen. Ihm lag die schwierige Aufgabe ob, mit seinen beiden Frei=Bataillonen und 10 Eskadrons Husaren die lang ausgedehnte Grenze zu überwachen und außerdem die meklenburgischen Lieferungen, welche während des diesjährigen Feldzuges sehr in Rückstand gekommen waren, eifrigst beizutreiben. Der Oberst nahm sein Hauptquartier in der Gegend von Dargun und bemühte sich, die Schweden zum Aufgeben von Demmin zu veranlassen. von hier aus wurde er am 2. November abberufen, um mit seinem Detachement nach Berlin zu marschiren, welches man durch ein östreichisches Streifcorps in Gefahr glaubte. Der Oberst war am 4. bis Röbel marschirt, als er Gegenbefehl erhielt und seine frühere Postirung wieder einnahm.

Im August dieses Jahres - 1761 - waren die meklenburgischen Truppen nach dem Abmarsch der Preußen in die Heimath zurückgekehrt. 2 ) Der Empfang auf vaterländischem Boden war kein freundlicher: die Stadt Rostock schloß ihre Thore und die Stadtsoldaten verweigerten dem Lieutenant von Zülow, welcher die Aventgarde mit der Husaren=Eskadron - 130 Mann - führte, den


1) Ob mit Recht? ist fraglich; denn die Mittheilung des Generals Ehrenswärd, daß der Prinz von Würtemberg sich mit dem General Platen vereinigt habe und zwischen Colberg und Wollin stehe, so daß die Verbindung mit der russischen Armee unterbrochen war, traf zu.
2) Die Soldatenfamilien und die Bagage waren zu Schiff nach Ribnitz gesendet. Das Regiment Alt=Zülow allein führte 61Weiber und 27 Kinder mit sich.
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Einmarsch, gestatteten demselben jedoch, auf sein wiederholtes dringendes Begehren, für seine Person in die Stadt reiten zu dürfen. von dieser Erlaubniß machte der aufgebrachte Officier einen so energischen Gebrauch, daß die erschreckten Stadtsoldaten nicht dazu kamen, das Thor wieder zu schließen, als nun auch die Husaren heransprengten. Der General von Zülow nahm hierauf ungehindert Quartier in der Stadt und der Umgegend. In Rostock blieben die Truppen bis zum Herbst. Als der Oberst Belling im October in Meklenburg einrückte, berief der General von Zülow einen Kriegsrath der Stabsofficiere zur Berathung "ob es nunmehr an der Zeit sei nach Rügen abzumarschiren." Es wurde aber einstimmig der Beschluß gefaßt, vorläufig noch nicht über die schwedische Grenze zu rücken. Als aber die preußischen Husaren in Sülze und Ribnitz erschienen, die Schildwachen an den Thoren Rostocks laut verhöhnten 1 ) und dem General von Zülow von einem Gutsbesitzer aus der Gegend von Röbel die zuverlässige Nachricht wurde, daß der Oberst einen Handstreich gegen die meklenburgischen Truppen beabsichtige, suchten dieselben - am 8. November 1761 - ihr Asyl auf der Insel Rügen zum dritten Mal auf.

Um die Contributionen und Lieferungen in Meklenburg ungestörter eintreiben zu können, trug der Oberst von Belling Anfang December beim General Ehrenswärd auf den Abschluß einer Waffenruhe während des Winters an. Letzterer schlug dies Ansinnen jedoch kurz ab und Oberst Belling, hierüber aufgebracht, beunruhigte nunmehr die ganze Linie der schwedischen Vorposten von Demmin bis Dammgarten unaufhörlich.

Unterdessen hatte der Oberst von der Heide die Festung Colberg nach heldenmüthigster Vertheidigung aus Mangel an Lebensmitteln übergeben müssen und der General Romanzoff diesen Erfolg der russischen Waffen dem Herzog von Meklenburg durch den dauernd in seinem Hauptquartier anwesenden schwedischen Capitain Poppe schriftlich anzeigen lassen - 20. December -. Aus diesem lediglich der Courtoisie des russischen Generals entsprungenen Schritt schöpfte die meklenburgische Regierung neue Hoffnung auf russische Hülfe und der Herzog beschloß, einen Officier in das russische Hauptquartier zu senden, um den General Romanzoff zu beglückwünschen, zugleich aber auch, um mit demselben wegen Absendung eines Hülfscorps zu verhandeln. Zu dieser Sendung wurde der Capitain


1) Als der General von Zülow sich dieserhalb beim Obersten von Belling beschwerte, entschuldigte derselbe in einem äußerst höflichen Schreiben das Benehmen seiner Leute und versprach Abhülfe.
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von Meklenburg bestimmt, welcher, mit einem Passe des Obersten von Belling versehen, zunächst nach Stralsund ging, um mit dem Oberstlieutenant von Plessen genauere Rücksprache zu nehmen. Inzwischen mußten die Verhandlungen zwischen dem General Ehrenswärd und dem General Romanzoff wieder aufgenommen sein, denn Ersterer sandte - am 20. Januar 1762 - mit dem meklenburgischen Officier den schwedischen Capitain von Rosenberg in das russische Hauptquartier.

Die meklenburgische Regierung hatte nicht aufgehört, den General Ehrenswärd auf das Dringlichste um Hülfe zu bitten. Der Vorschlag des Letzteren - 24. November -, der Herzog möge mit seinen Truppen Demmin und Malchin besetzen, dann wolle er die nöthigen Streitkräfte als Rückhalt aufstellen, war bei der ihm wohlbekannten Sinnesart des Herzogs wohl kaum ernstlich gemeint. "Ich kann meine eignen Lande nicht schützen und nun soll ich gar in die königlich preußischen Lande einbrechen und Demmin besetzen! Das wäre ja gehandelt wie die Preußen in Sachsen!" schrieb denn auch der Herzog entrüstet zurück. Als aber die Grenzgewässer zufroren - Demmin wurde infolge dessen am 6. December von den Schweden geräumt - und die Preußen die schwedischen Vorposten in allzu lästiger Weise beunruhigten, beschloß der General Ehrenswärd, Ersteren eine derbe Lektion zu ertheilen und dadurch sich Ruhe und in zweiter Linie Meklenburg Schutz zu verschaffen. Hocherfreut berichtete Plessen an den Grafen Bassewitz, der Commandirende habe ihm geschworen, in nächster Zeit dem Lande helfen zu wollen und bat um recht genaue Angabe der preußischen Stellungen.

Am 21. December hatte der Oberstlieutenant Sprengporten sein Freicorps bei Triebsees concentrirt und rückte über Dargun aus Malchin vor. Der Oberstlieutenant Carnal wurde mit 2 Infanterie=Regimentern gegen Demmin entsendet, um diese Stadt als Rückhalt für das Freicorps zu besetzen.

Der Oberst Belling, welcher rechtzeitig von den Bewegungen der schwedischen Truppen Meldung erhalten hatte, gab alle vorgeschobenen Posten sofort auf und concentrirte sein Detachement bei Malchin. Während das Freiregiment Hordt unter Oberstlieutenant von der Goltz - 700 Gewehre mit 5 Kanonen - die Stadt besetzte, nahmen die Husaren eine Aufnahmestellung hinter der Stadt.

Die Schweden griffen Malchin von 3 Seiten zugleich an und nahmen die Stadt nach hartnäckigem Kampfe. Der Oberstlieutenant

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Goltz zog sich, aufgenommen von der Cavallerie, auf der Warener Straße zurück, versolgt von den Schweden, welche Basedow besetzten. Aber schon nach 2 Tagen - 24. Januar - bewog der Oberst Belling durch einen heftigen Angriff den Oberstlieutenant Sprengporten, letzteren Ort wieder aufzugeben und sich auf die Besetzung Malchins zu beschränken.

Um den Feind auch von hier zu vertreiben, begann der Oberst nach seiner alten Kriegsweise die rückwärtigen Verbindungen des Feindes zu bedrohen. Zu dem Ende ließ er das 1. Bataillon Hordt bei Basedow stehen und schickte dem Major von Zülow - am 25. - mit 3 Eskadrons auf dem linken Peene=Ufer dem Feind bei Wendischhagen in den Rücken, während 2 Eskadrons aus Verchen dirigirt wurden, um die Verbindung des Gegners mit Demmin zu unterbrechen; das 2. Bataillon Hordt und 1 Bataillon Husaren unter dem Major von Knobelsdorf folgten dem Major von Zülow über die gefrorenen Gewässer als Rückhalt und wurden bei Gorschendorf postirt.

So war der Oberstlieutenant Sprengporten von allen Seiten umstellt, allerdings nur von so ungenügenden Streitkräften, daß er mit Leichtigkeit im Stande war, die feindlichen Postirungen nach jeder Richtung hin zu durchbrechen. Aber es drohte ihm eine andere Gefahr.

Dem Prinzen von Würtemberg waren nach der Eroberung Colbergs die Winterquartiere in Meklenburg angewiesen worden und er marschirte jetzt über Stettin und Pasewalk heran. Obgleich die Truppentheile seines Corps durch die ungeheuren Anstrengungen und Entbehrungen im Colberger Lager, unter Schnee und Eis und beständigen Kämpfen sehr heruntergekommen und an Kopfzahl so schwach waren, daß einzelne Infanterie=Regimenter nur 300 Mann bei der Fahne zählten, - das ganze Corps war circa 4000 Mann stark mit 26 Geschützen - beschloß der Prinz doch, sich nicht darauf zu beschränken, die Schweden aus Meklenburg zu vertreiben, sondern dieselben zum Strecken der Waffen zu zwingen.

Zu dem Ende wollte der Prinz mit dem Gros Malchin von Leuschentin her angreifen; eine zweite Colonne unter dem Oberstlieutenant von Schwerin sollte bei Verchen über die Peene und gegen die Stadt auf dem linken Flußufer vorgehen. Der Oberst Belling endlich, welcher seine Truppen bei der Annäherung des Prinzen auf der Malchin=Neubrandenburger Straße bei Jürgensdorf versammelt hatte, sollte, verstärkt durch das Regiment Lehwaldt, über Basedow vorrücken. Der Angriff war auf den 31. December festgesetzt.

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Der Oberstlieutenant Sprengporten hatte am 29. December Meldung von dem Marsch des Obersten Belling auf Jürgensdorf erhalten und erfuhr Tags darauf aus Demmin, daß der Prinz im Anmarsch von Friedland her begriffen sei. Er beschloß, Malchin aufzugeben; da ihm aber der Rückzug über Neukalen frei blieb, so beeilte er seinen Abmarsch nicht, um noch den Rest der in Malchin lagernden Vorräthe nach Demmin abzufahren und ordnete für den 31. eine Recognoscirung in der Richtung auf Stavenhagen an. Als aber an diesem Tage die Truppen des Prinzen von Leuschentin her vor Malchin erschienen, marschirte er unverzüglich auf Neukalen ab. Die Tete seiner Marsch=Colonne war bis an die Peenebrücke bei Pisede gelangt, als ihm auch von dorther der Anmarsch des Feindes gemeldet ward. Anstatt sich nun unverzüglich, wie die Umstände es dringend geboten, mit Aufbietung aller Kräfte den Weg nach Neukalen zu öffnen, ging er nach Malchin zurück, um sich dort bis zum Einbruch der Dunkelheit zu behaupten und dann während der Nacht nach Neukalen durchzubrechen. Es gelang ihm auch den mit großer Heftigkeit unternommenen Angriff des Prinzen abzuweisen, als aber auch der Oberstlieutenant Schwerin herangerückt war und sich in den Besitz der Peenebrücke bei Pisede gesetzt hatte, gab er den Gedanken an den Rückzug gänzlich auf und beschloß, sich bis zum Eintreffen von Entsatz bis auf das Aeußerste zu wehren.

Nach einer heftigen Beschießung während der Nacht ging die preußische Infanterie - am 1. Januar 1762 - von neuem zum Angriff vor, wurde aber wiederum mit großem Verlust abgewiesen. Infolgedessen sah der Prinz von einem weiteren Sturm auf die Stadt ab und beschränkte sich darauf, dieselbe zu cerniren. Den Oberbefehl auf dem linken Peene=Ufer übernahm der Oberst Belling; er hatte hier die 4 Bataillone des Oberstlieutenants Schwerin, das Freiregiment Hordt und sein Husaren=Regiment zur Disposition.

Als der General Ehrenswärd Nachricht von dem Anmarsch des Prinzen von Würtemberg erhalten, hatte er das Detachement des Oberstlieutenants Carnal bei Demmin auf 5 Bataillone und 600 Husaren - 2000 Mann verstärkt und diese Truppen als Avantgarde über Dargun nach Malchin ausbrechen lassen; er selbst folgte mit einem größeren Truppencorps.

Der Oberst Belling erfuhr die Annäherung der schwedischen Truppen frühzeitig durch seine Patrouillen. Rasch entschlossen ging er ihnen mit 3 Bataillonen und der Cavallerie bis zum Abschnitt von Neukalen entgegen - am 2. Januar -; 2 Bataillone ließ er an der Peenebrücke bei Pisede stehen, um einem etwaigen Vor=

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brechen des Feindes aus Malchin zu begegnen. Es kam zu einem sehr heftigen Gefecht bei Neukalen, welches dem Obersten die Hälfte seiner Infanterie kostete und ihn zum Rückzug auf das rechte Peene=Ufer über Wendischhagen nöthigte. Zwei Zwölfpfünder, deren Bespannung getödtet war, mußte er in den Händen des Feindes lassen.

In Malchin hatte man von dem Gefecht bei Neukalen nichts erfahren. Der Oberstlieutenant Sprengporten ließ, da er nicht angegriffen wurde - am 2. Januar -, nach allen Richtungen hin recognosciren, fand aber überall die Preußen in ihren Stellungen. Am Nachmittag ging die Meldung ein, daß die preußischen Truppen von der Peenebrücke auf Wendischhagen abzögen und am Abend zog der General Ehrenswärd in Malchin ein.

Was hierauf von Seiten der schwedischen Heeresleitung geschah, würde uns ganz unbegreiflich erscheinen, wenn uns nicht die völlig planlose Kriegsführung derselben in den Feldzügen der letzten 4 Jahre vor Augen stände.

Der Herzog von Meklenburg hatte sofort - am 4. Januar - dem Oberstlieutenant von Plessen ein Gratulationsschreiben, in warmen Ausdrücken verfaßt, für den schwedischen Oberbefehlshaber übersandt, aber auch die Bitte hinzugefügt, der General möge nun auch nach dem glänzenden Siege bei Malchin eine solche Stellung in Meklenburg beibehalten, daß er das Land gegen alle preußischen Gewaltthätigkeiten schützen könne. Für den Oberstlieutenant Sprengporten 1 ) wurde ein Wechsel auf 2000 Thaler mitgesandt, weil ihm der Herzog den Aufenthalt während seiner Einschließung in Malchin nicht durch Tafelgelder und andere Ergötzlichkeiten habe angenehm machen können. Außerdem wurde die Kammer angewiesen, dem jedesmaligen Befehlshaber der schwedischen Truppen in den meklenburgischen Landen soviel Tafelgelder auszuzahlen, als der Oberst Belling bisher für seine Person aus den herzoglichen Domainen in Anspruch genommen hatte, d. h. 1000 Thater die Woche. Man sah in Schwerin die Dinge im rosigsten Lichte an; Plessen sollte den General Ehrenswärd fragen, wieviel Truppen er in Meklenburg zu lassen gedächte, um nach Möglichkeit für deren gute Verpflegung sorgen zu können und ihn ersuchen, die Preußen aus Parchim, wo dieselben ihr Rekruten= und Remonte=Depot hatten, zu vertreiben; auch in strategischer Hinsicht wußten die meklenburgischen Minister guten Rath zu geben, indem sie dem General empfahlen, eine Centralstellung an der Tollense zwischen Anclam und Waren mit dem Gros der Armee einzunehmen.


1) Ein Bruder desselben war bei Malchin gefallen.
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In alle diese Pläne und Hoffnungen traf wie ein Donnerschlag die Meldung des Oberstlieutenants von Plessen, daß der General Ehrenswärd "der Kälte und des eingetretenen Regenwetters wegen" den Rückzug nach Pommern antreten werde. Am 6. Januar rückte die schwedische Armee über Demmin in die Winterquartiere ab.

Der Prinz von Würtemberg schien auch nichts Anderes zu erwarten, denn als am Tage nach dem Gefecht von Neukalen und auch am folgenden Tage kein Angriff des Feindes erfolgte, ging er am 5. Januar, unbekümmert um die 10000 Schweden, welche jetzt bei Malchin concentrirt waren, in die Winterquartiere und nahm sein Hauptquartier in Rostock. Der Oberst Belling blieb zur Beobachtung des Feindes bei Teterow stehen; nach dem Abzuge des Letzteren ging er nach Dargun und sein Detachement bildete die Vorposten von Anclam bis Ribnitz.

Ganz Meklenburg war wiederum in der Gewalt der preußischen Befehlshaber. Die Regimenter des Prinzen breiteten sich nach Gefallen im Lande aus und bezogen zu ihrer größeren Bequemlichkeit und besseren Verpflegung weite Cantonnements=Quartiere. Die Mannschaften befanden sich in sehr schlechtem Zustande; lange Wagen=Colonnen mit Kranken und Verwundeten folgten den Truppen, welche in zerlumpten Montirungen, bleich und abgemagert die deutlichen Spuren der in dem Lager bei Colberg ausgehaltenen Strapazen an sich trugen. Die beiden stärksten Regimenter waren zusammen 1500 Mann stark und standen in Güstrow; die Mehrzahl der Regimenter hatte jedoch nur 300 Mann bei der Fahne, das Freibataillon Courbière sogar nur 150; am schlimmsten hatte bei dem unthätigen Leben im Lager die Cavallerie gelitten.

Der Herzog hatte sich bereits am 10. Januar mit seinem Hofe nach Lübeck begeben und setzte von dort aus alle Hebel in Bewegung, um die schwedische Armee zur Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zu bewegen. Aber so oft der Oberstlieutenant Plessen Schritte in diesem Sinne beim General Ehrenswärd that, stets erhielt er dieselbe Antwort, er könne ohne die Befehle seiner Regierung nicht handeln; sodaß die meklenburgische Regierung ihren Gesandten in Stockholm beauftragte, dieserhalb Schritte beim Grafen Eckebladt zu thun. Ganz erstaunt erwiederte dieser, er begriffe den General Ehrenswärd nicht, derselbe habe plein pouvoir die Operationen wieder aufzunehmen, wann und wie es ihm gut dünke. Als Letzterem diese Antwort durch Plessen mitgetheilt wurde, wurde der General sehr heftig und behauptete, er habe in Meklenburg nicht einmat gegen baare Bezahlung Subsistenzmittel für seine Truppen erhalten können; man sah deutlich, er wollte nicht helfen.

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Indignirt bat Plessen um seine Abberufung; "der General Ehrenswärd ist ein Mann", schrieb er, "der ein böses Herz hat und dem es platterdings an aller Resolution fehlt." Anfang April wurde er angewiesen, unter dem Vorwand der bevorstehenden Exercierzeit sich zu seinem Regiment nach Putbus zu begeben und nur alle 14 Tage nach Stralsund zu reisen, um von dort aus Bericht zu erstatten.

Die Mission der Capitains von Rosenberg und von Mecklenburg in das russische Hauptquartier war gänzlich erfolglos verlaufen. Der Tod der Kaiserin Elisabeth hatte die Verhältnisse dort vollständig verändert. Als die beiden Officiere Ende Januar 1762 in Cöslin eintrafen, war der General Romanzoff zu einer militärischen Berathung nach Petersburg gerufen worden. Der ihn vertretende Fürst Wolkowsky empfing die Herrn sehr artig, aber alle Versuche derselben, Verhandlungen anzuknüpfen, scheiterten vollständig. Sehr niedergeschlagen meldete dies der Capitain von Mecklenburg seiner Regierung; militärische Hülfe sei bei dem jetzigen Regierungssystem von Rußland überall nicht zu erwarten, übrigens wisse auch im ganzen russischen Hauptquartier kaum ein Einziger, daß das Land Meklenburg überhaupt in der Welt existire. Ende März schickte dann der Fürst einen Adjutanten mit dem Auftrage, den beiden militärischen Diplomaten zu sagen, seine Majestät der Kaiser wolle keine fremde "Volontairs" bei der Armee mehr dulden und ließ ihnen eine glückliche Reise wünschen.

Meklenburg hatte während des Unglücksjahres 1761 durch die Contributionen und Lieferungen, und besonders durch die mit großer Härte ausgeführten Exekutionen mehr. gelitten, als in den bisherigen Kriegsjahren zusammengenommen. Während sich die Gesammtschäden Meklenburgs in den Jahren 1758, 59 und 60 auf 3822841 Thaler beliefen, kostete das eine Jahr 1761 dem Lande die ungeheure Summe von 4341991 Thalern und zwar an baarem Gelde 1339679 und an Lieferungen 3002312 Thaler. Als Rekruten wurden in diesem Jahre 546 Personen gewaltsam ausgehoben.


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Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen in Wien.

Wir haben den Ausgang der diplomatischen Verhandlungen an den Höfen von Versailles und Kopenhagen unsern Lesern bereits geschildert; es erübrigt nun noch, die Bemühungen des Barons Dittmar in Wien und des Obersten von Petersdorf in Petersburg weiter zu verfolgen.

Wie wir uns erinnern, hatte der Baron Dittmar die Traktate mit der Kaiserin Maria Theresia und mit dem deutschen Kaiser im August des Jahres 1759 zum Abschluß gebracht. Der Minister hatte bei diesen Verhandlungen große Geschicklichkeit bewiesen und sich nicht allein die höchste Zufriedenheit seines Landesherrn erworben, sondern es auch verstanden, sich am Kaiserhofe und in der Wiener Diplomatenwelt eine hochgeachtete Stellung zu erringen. Er verblieb deßhalb auch ferner am Kaiserhofe zur Vertretung der Interessen des Herzogs. Seine nächste Aufgabe bestand darin, durch Verhandlungen mit dem französischen Gesandten die Ratifikation des französisch=meklenburgischen Traktates vom 1. December 1757 und den Abschluß eines dritten Vertrags mit Frankreich zu erreichen. Wir haben bei den französischen Verhandlungen gesehen, daß es nicht Mangel an Geschicklichkeit des meklenburgischen Vicekanzlers, sondern der fehlende gute Wille seitens Frankreichs war, welcher jede nähere Verständigung mit Versailles unmöglich machte. Es ist sehr fraglich, ob die Absendung eines Gesandten an den französischen Hof zu der Dittmar schon i. J. 1759 rieth und sich selbst hierzu anbot, ein günstigeres Resultat herbeigeführt haben würde; mehr Chance des Gelingens bot dieselbe i. J. 1759 aber jedenfalls als die offenbar zu spät erfolgte Mission des Barons Teuffel von Pürkensee.

Im Frühling des Jahres 1761 wurde in Wien zuerst von dem Congreß zu Augsburg gesprochen, dessen Zusammentritt die Diplomatenwelt lange und lebhaft beschäftigte, um dann mit Ende des Jahres 1761 als völlig gescheitert bei Seite geschoben zu werden. Des Herzogs große Sorge war, ob ein meklenburgischer Minister bei dem Congreß würde zugelassen werden. Baron Dittmar bemühte sich dieserhalb eifrigst in Wien und erhielt auch beruhigende Zusagen, wenigstens von den Kaiserlichen Ministern. Eine weitere Frage war, in welcher Eigenschaft Meklenburg in der Friedensversammlung auftreten sollte, ob als Verbündeter der Mächte der

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Coalition oder nur als ein beschädigter Reichsfürst? Baron Dittmar, von seiner Regierung zum Gutachten aufgefordert, rieth im Mai 1761 als militärischer Alliirter der Coalition auf dem Congreß zu erscheinen; zu dem Ende müsse man aber auch wirklich am Kampfe theilnehmen. "Ich setze voraus," schrieb der Minister, "Eure Durchlaucht haben jetzt 2000 Mann auf den Beinen; es müßte Meklenburg nicht Meklenburg sein, wenn es nicht schon 2 Monate nach dem Abzuge der Preußen 6000 Mann aus sich selbst stellen könnte. Wollen Sie aber nicht als militärischer Alliirter von Wien und Versailles auf dem Congreß auftreten, so werden Eure Durchlaucht es erleben, vorausgesetzt Meklenburg wird überhaupt zum Congreß zugelassen, was nach der Erklärung der verbündeten Mächte unwahrscheinlich ist, daß dero Gesandte die traurigste Rolle spielen und sich in der foule der Indemnisations=Prätendenten verlieren und ebenso leer ausgehen wird, als das Haus Meklenburg bei allen Friedensschlüssen bis dato ausgegangen ist."

Als der Baron Dittmar diesen Rath gab, war seine Stellung am Schweriner Hofe so stark erschüttert, daß der Herzog seine Thätigkeit überhaupt nur noch in Anspruch nahm, weil derselbe auf dem Friedenscongresse Meklenburg vertreten sollte, und er diesen scharfsinnigen und geschickten Staatsmann schlechterdings jetzt nicht entbehren konnte.

Die erste Verstimmung zwischen dem Vicekanzler und seinem Hofe datirt vom December 1760 her. Als der Prinz von Würtemberg zu dieser Zeit das Commando in Meklenburg übernommen hatte und, wie wir uns erinnern, seine Forderungen mit der äußersten Härte beizutreiben anfing, hatte die meklenburgische Regierung an den Baron Dittmar und den Baron Teuffel gleichlautende Rescripte gesendet, in welchen der preußische Druck in den grellsten Farben geschildert und zum Schluß die Drohung ausgesprochen war, die Regierung müsse sich mit dem Prinzen vergleichen, wenn nicht schleunige Hülfe vom Reiche oder vom östreichischen Hofe käme; hinzugefügt war, daß die Gesandten von diesem Rescript den kräftigsten Gebrauch machen sollten. Der Comitialgesandte hatte daher geglaubt, das herzogliche Schreiben seinem ganzen Inhalte nach den kaiserlichen und dem französischen Gesandten in Regensburg in Abschrift mittheilen zu müssen und so hatte dasselbe seinen Weg nicht allein an den Kaiserhof und nach Versailles, sondern auch in alle Zeitungen gefunden. Der Baron Dittmar hatte seine Aufgabe diplomatischer aufgefaßt, da er wußte, daß die Drohung nicht ernstlich gemeint war. Er hatte zwar das herzogliche Rescript den östreichischen Ministern abschrift=

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lich mitgetheilt, hatte aber den verfänglichen Schlußpassus, nur mündlich, gesprächsweise einfließen lassen. Außerdem hatte die Regierung den Fehler gemacht, dem Vicekanzler gänzlich darüber in Unkenntniß zu lassen, daß sie mit dem Prinzen von Würtemberg ein Abkommen wegen der Zahlungen getroffen und ihm in zuvorkommender Weise das herzogliche Palais in Rostock zur Wohnung eingeräumt hatte. Dies Alles war gerüchtweise in Wien bekannt geworden, von dem Baron Dittmar aber eifrigst dementirt worden. Als nun aber diese vielfach vergrößerten Gerüchte durch die officiell mitgetheilte Drohung aus Regensburg neue Nahrung erhielten, wurde die Stellung des meklenburgischen Ministers am Wiener Hofe eine sehr unerquickliche. Er gab seiner tiefen Verstimmung in einem Bericht an seinen Hof Ausdruck: Die ganze Sache habe in Wien ungemein unangenehm berührt; man sei zwar höflich gegen ihn, aber durchaus kaltsinnig und nicht mehr offenherzig wie sonst; stets antworte man ihm, sein Herzog habe sich ja nun mit dem König von Preußen verglichen und er könne nicht widersprechen, wenn die Gerüchte wahr seien, müsse er abreisen; er bäte doch zukünftig den Baron Teuffel, der Alles thue, was den Wiener Hof piquire, besser zu instruiren, wie er die herzoglichen Rescripte aufzufassen habe.

Der Herzog und seine Minister fühlten, daß der Baron Dittmar in der Sache Recht hatte, konnten aber dem Comitialgesandten, der strikte nach seiner Instruktion verfahren war, keine Vorwürfe machen. Ueberdies gereizt durch den scharfen Ton des Vicekanzlers, welche offenbar vergaß, daß er in diesem Augenblick nicht der tonangebende Leiter des meklenburgischen Staates, dessen überlegenem Geist sich der Herzog und die übrigen Minister stets gefügt hatten, sondern der Gesandte war, der den Instruktionen seiner Regierung Folge zu leisten hatte, gaben sie demselben Unrecht und billigten das Verfahren des Baron Teuffel. Bald aber hatte der Vicekanzler die Genugthuung - Anfang März -, daß seine Regierung ihm mittheilte, von einem Vergleich mit den Preußen sei keine Rede mehr, da der Druck schwerer denn je auf dem Lande laste und ihn beschwor, doch ja Alles am Kaiserhofe aufzubieten, daß der Prinz von Würtemberg zum Abmarsche gezwungen würde.

Wie wir wissen war der Baron Dittmar von je her der Ansicht gewesen, daß der Herzog nur dann beim Friedensschlusse seine Forderungen geltend machen könne, wenn er seine Truppen activ an dem Kriege theilnehmen lasse, und hatte in diesem Sinne wiederholt, aber bisher vergeblich, auf den Herzog einzuwirken gesucht. Als mit Beginn des Jahres 1761 die Thätigkeit der russischen

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Armee mehr in den Vordergrund zu treten schien, setzte Dittmar seine ganze Beredsamkeit daran, den Herzog zum Handeln fortzureißen. Er schilderte die Vortheile, wenn die meklenburgischen Truppen im Verein mit den russischen und schwedischen Armeen die Preußen aus Pommern und Meklenburg vertrieben; aber 6000 Mann müßten die Truppen stark sein; die könne das Land mit Leichtigkeit stellen und man dränge in Wien unaufhörlich dazu. "Eure Durchlaucht müssen Adel, Bürger und Bauern zur Landes=Defension aufrufen!" schloß Dittmar.

Solche extreme Mittel widerstanden aber dem friedfertigen Sinn des Herzogs. Er verwies den ungestümen Minister in einem Rescript vom 6. Februar 1761 zur Ruhe: "Truppen vermehren und Aufgebote erlassen sind Bravaden, welche nur dazu führen den König von Preußen zur Eroberung unseres Landes zu veranlassen!" Auch die Bitte ihn nach Versailles zu schicken, da in Wien nichts mehr zu erreichen sei, schlug der Herzog dem Vicekanzler ab: "Ihr sollt in Wien bleiben, um für die Friedensverhandlungen in Augsburg zur Hand zu sein, nach Versailles geht Baron Teuffel."

Die scharfe Abfertigung auf seine wohlgemeinten Vorschläge erregte den Baron Dittmar derart, daß er alle Rücksichten vergaß: "Da es Eurer hochfürstlichen Durchlaucht Allergnädigst gefallen," schrieb er im März, "die Anstalten zur Nothwehr und Landes=Defension unter die Bravaden zu rechnen, so ist darüber das pour et contre allerdings vollendet. Nur einige Betrachtungen scheinen noch übrig zu sein: Als man sich an einzelnen Orten im Lande, zum Exempel in Schwerin, Dömitz und auf dem Kaninchenwerder mit Kanonen= und Gewehrschüssen vertheidigte, hat dies Niemand, selbst die Preußen nicht für Bravaden erklärt, warum soll denn eine allgemeine Landes=Vertheidigung, wenn sie gehörig angeordnet und dirigirt wird, dafür angesehen werden? Sich vertheidigen hat sonst noch nie braviren geheißen. Das Wort Landes=Defension ist nur dadurch lächerlich und verhaßt in Meklenburg, weil sie in neuerer Zeit einmal übel angeordnet, durch Verräther dirigirt und verrätherisch schlecht ausgeführt, mithin in der Folge lächerlich war". 1 )


1) Das allgemeine Aufgebot, welches der Minister meint, wurde durch Carl Leopold im Jahre 1735 erlassen, um sich mit Hülfe desselben den Thron wieder zu erobern und war gegen seinen Bruder Christian Ludwig (den Vater Herzog Friedrichs), welcher vom Kaiser zum Administrator des Landes eingesetzt war, gerichtet. Dittmar war damals in Diensten Carl Leopolds.
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Eine neue Kränkung erwuchs dem Baron Dittmar aus der beabsichtigten Sendung des Barons Teuffel von Pürkensee nach Versailles, welche er selbst gerne übernommen hätte, da er die beiden ersten Verträge mit Frankreich abgeschlossen und genauer wie irgend Jemand über den Stand der Sache orientirt war. Nun erhielt er Befehl die gesammten Acten sowohl über die Verhandlungen mit Frankreich als auch über die mit dem Kaiser und der Kaiserin geschlossenen Verträge nach Regensburg zu senden. Der französischen Akten bedurfte der Baron Teuffel, daß ihm aber auch sämmtliche Wiener Acten und nicht blos ein kurzer actenmäßiger status negotii, wie der Vicekanzler es vorgeschlagen, gesandt werden sollte, faßte Letzterer als ein ihm gezeigtes Mißtrauen auf. "Ich kann es als keinen Gnadenbeweis ansehen, daß Eure Durchlaucht einen Dritten zum Richter über meine Handlungen und Rathschläge ernennen," schrieb er im April.

In Wien drängten die kaiserlichen Minister den Gesandten unaufhörlich, daß der Herzog doch seine Truppen an dem Kampfe theilnehmen lassen solle. "Wie ist es möglich," so sagten sie, "daß ein so ansehnlicher Staat, mit einer so zahlreichen Ritterschaft, der etliche Tausend Soldaten hält, hat derart herunterkommen können, daß 6 - 8 Preußen genügend sind, in ganzen Distrikten und Städten Gewalt zu üben!" Die allgemeine Meinung in Wien war eben, daß der Herzog sich selbst helfen könne, wenn er nur wolle. "Es ist eine der merkwürdigsten Wahrheiten und Staatsregeln," schrieb Dittmar, "daß ein großer Herr bei anderen großen Herrn immer nur das gilt, wofür er sich geltend zu machen weiß."

Die Regierung sprach - Anfang Mai - ihren ganzen Unwillen über derartige Vorwürfe des Wiener Hofes und dem Baron Dittmar ihr höchstes Befremden aus, auf derartige Sachen über haupt eingegangen zu sein.

Der oben erwähnte Bericht des Vicekanzlers, worin er den Vorwurf "der Bravaden" zurückweist, konnte dem Herzog, welcher längere Zeit ernstlich krank gewesen war, erst im Juni zum Vortrage gebracht werden. Der Herzog hatte sich in hohem Grade erzürnt über den Inhalt sowohl, wie über die Fassung dieses Schreibens geäußert; da er keinen ausdrücklichen Befehl zur Beantwortung desselben gegeben hatte, ließen die Minister Graf Bassewitz und Schmidt die Sache auf sich beruhen, in der Hoffnung dieselbe in

Vergessenheit gerathen zu lassen. Um sich aber gegen den Verdacht zu schützen, als ob sie den Herzog zu den harten Ausdrücken, in welchen das Rescript vom 6. Februar abgefaßt war,

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veranlaßt hätten, gaben sie die formelle Erklärung zu den Acten, daß sie durch die beobachtete sorgfältige Mäßigung in den Ausdrücken gegen ihren Collegen dem Herzoge wiederholt mißfällig geworden seien und daß Letzterer die scharfe Abfassung des Rescriptes ganz besonders befohlen habe und riefen hierbei feierlich "Gott, Serenissimi Höchsteigne Person und ihr Gewissen zu Zeugen an."

Der Conflict Dittmars mit seinen Collegen hatte aber während der Krankheit des Herzogs an Schärfe zugenommen. Ersterer hatte sich bitter beklagt, daß er die Zustände in der Heimath wiederholt durch fremde Personen in Wien früher erfahren, als durch die Mittheilungen seiner Regierung und hierauf war ihm, allerdings nur durch ein Mißverständniß des Regierungs=Secretairs, welcher die Regierungs=Rescripte auszufertigen hatte 1 ) erwidert worden, dies wäre nicht der Fall, während er den Beweis des Gegentheils geführt hatte. Auf das Aeußerste hierüber erzürnt, schrieb der Vicekanzler: "Meine Relationen werden Eurer Durchlaucht verdreht vorgetragen, ich werde der Unwahrheit geziehen, dergleichen läßt sich kein ehrlicher Mann gefallen!"

Da der Vicekanzler während seiner Mission nach Wien actives Mitglied des Staatsministeriums geblieben war, glaubten die Minister, da sie Partei in der Sache waren, "ihre Pflicht gegen den Allerhöchsten Dienst, die Achtung vor ihrem Collegen und die Pflicht gegen sich selbst" nicht anders verbinden zu können, als daß sie über den Bericht des Barons Dittmar, sowie über die Voracten dem Herzoge durch den Regierungs=Secretair Faukl ausführlichen Vortrag halten ließen. Der Herzog gab in der darauf folgenden Minister=Conferenz dem Baron Dittmar Unrecht und befahl den Ministern ein desbezügliches Dekret auszufertigen, welches diese jedoch unter verschiedenen Vorwänden hinausschoben und endlich ganz unterließen. Der Herzog bestand auch nicht weiter darauf; er konnte in diesen sturmbewegten Zeiten und namentlich bei dem in Aussicht stehenden Friedenscongreß vorerst den bewährten, klugen Rath seines Vicekanzlers nicht entbehren. Dittmar aber, der sehr bald erfuhr, daß er in Ungnade gefallen, suchte sich von dem Vorwurf, unehrerbietig gegen die Allerhöchste Person seines Fürsten gewesen zu sein, dadurch zu reinigen, daß er - Anfang Juli - erklärte, alle Vorwürfe in seinen Relationen seien lediglich gegen die Minister gerichtet gewesen: "Es ist mit dem Staatsgebäude wie mit einem natürlichen Gebäude, Euer Durchlaucht!


1) Die Minister hatten das von dem Regierungs=Secretair ausgefertigte Rescript unterschrieben, ohne es genau durchzulesen.
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Einzelne Versäumnisse, ohne daß die oberste Direction es immer sehen kann, verursachen oft gefährliche Risse im Ganzen und die Schuld fällt auf Diejenigen, welche das Detail zu vertreten haben."

Wenn die meklenburgische Regierung einerseits auch durchaus abgeneigt war, eine Landes=Vertheidigung ins Werk zu setzen, wollte sie andererseits die Höfe von Wien und Versailles, welche unabhängig drängten, der Herzog solle seine Truppen vermehren - nach des Vicekanzlers Ansicht konnte Meklenburg 10000 Mann stellen - und am Kampfe theilnehmen, nicht ernstlich erzürnen. Aus diesem Grunde wurde der Baron Dittmar, welchem von seiner Regierung aufgegeben war, für den Petersdorf'schen Plan die Unterstützung des Wiener Hofes zu erlangen, befohlen, die östreichischen Minister mit Hoffnungen hinzuhalten. Im Januar des Jahres 1762 veränderte dann die Thronbesteigung Peter III. die politische Lage gänzlich.


Die politische Lage bei Beginn des Jahres 1762. Ausschreibungen in Meklenburg; Verhandlungen am russischen Hofe; Kriegsschaden i. J. 1762.

Das Jahr 1761 war ungünstig für den König von Preußen verlaufen. Schweidnitz war in die Hände der Oestreicher gefallen und Colberg durch die Russen erobert. Laudon und Czernicheff bezogen Winterquartiere in Schlesien, der Feldmarschall Daun und die Reichsarmee in Sachsen, während die russischen Armeen zum größten Theil in dem eroberten Hinterpommern, zwischen der Persante und Oder, also bis unter die Kanonen der Festung Stettin Cantonnementsquartiere bezogen hatten.

Nach menschlichem Ermessen mußte der König von Preußen in dem kommenden Jahre der Uebermacht seiner Feinde und der Ungunst der Verhältnisse sicher unterliegen. Alle Hülfsquellen, aus denen er es bisher verstanden hatte in jedem Frühjahr wohlausgerüstete Heere ins Feld zu stellen, versiegten. England, unter dem Ministerium Bute, hatte aufgehört Subsidien zu zahlen und wenn es auch stets des Königs erste Sorge gewesen war, sobald er die Winterquartiere bezogen hatte, die Geldmittel für das

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kommende Jahr bereit zu stellen, und ihm eine unmittelbare Geldverlegenheit auch im Jahre 1762 nicht erwuchs, so war der Ausfall auf die Dauer doch nicht zu ertragen. Am schlimmsten war aber der Mangel an waffenfähigen Mannschaften. Seine Heere waren auf weniger als 80000 Mann zusammengeschmolzen, die Provinzen des Landes entvölkert und zum Theil vom Feinde besetzt. Nur mit der größten Anstrengung gelang es ihm die Regimenter zu complettiren durch Rekruten, welche in Sachsen, den anhaltischen Fürstenthümern und in Meklenburg mit Gewalt weggenommen wurden. Die Truppentheile bekamen viel elendes Gesindel, Vagabonden, welche die erste Gelegenheit ergriffen zu desertiren, aber auch betagte Männer und halbe Kinder. Nur eins blieb dem Könige wie in den früheren Jahren: seine Charakterstärke, der unerschütterliche Entschluß, lieber zu sterben, als einen unehrenvollen Frieden zu unterzeichnen.

Doch auch die Mächte der Coalition waren in ihrem Kriegseifer erlahmt. Maria Theresia und ihr Kanzler ersehnten den Frieden; der östreichische Staat war nicht mehr im Stande die Kosten des Krieges zu tragen, so daß man sich gezwungen sah, das Heer um 20000 Mann zu reduciren. Die Czarin Elisabeth hielt zwar unverrückt an ihrer Feindschaft gegen König Friedrich fest, allein sie war krank und die Zustände an ihrem Hofe so chaotisch, daß von den russischen Operationen nicht viel zu erwarten stand. Frankreich war des Krieges in Deutschland gründlich überdrüssig, und verwendete alle Anstrengungen darauf, mit Hülfe Spaniens im Seekriege Erfolge zu erringen. Schweden endlich war, seit die französischen Subsidien aufgehört hatten, unfähig, den Krieg wieder aufzunehmen.

Immerhin aber konnten die Mächte der Coalition, abgesehen von den französischen Armeen, 220000 Mann zum Frühjahr in das Feld stellen, waren also den Preußen fast um das Dreifache überlegen.

Nachdem die preußischen Truppen in Meklenburg die Winterquartiere bezogen hatten, begann das Feldkriegs=Commissariat sofort seine Thätigkeit. Am 8. Januar 1762 erließ dasselbe Ausschreibungen an den Engeren Ausschuß zur Regelung der Contributions=Zahlungen und der Lieferungen. Die Ritterschaft und die Städte sollten 493500 Thaler Contribution, eine große Menge Lebensmitteln zur Proviantirung der Festung Stettin, für deren Sicherheit man bei der Nähe der russischen Armeen anfing ernstlich besorgt zu werden, 2084 Rekruten und 1398 Pferde liefern; außerdem eine sehr große Menge Rationen und Fourage zur Verpflegung

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der preußischen Truppen im Lande. Das Domanium allein sollte 2148841 Thaler Contribution zahlen, ebensoviel Rekruten und Pferde stellen wie die Ritterschaft und die Städte zusammen und eine große Menge Lebensmittel zum Unterhalt der Truppen liefern.

Die meklenburgische Regierung, völlig außer Stande diesen ungeheuerlichen Forderungen gerecht zu werden, erließ sofort Rundschreiben an ihre Gesandten in Regensburg, Wien, Versailles, Petersburg und Stockholm, und erbat in der dringlichsten Weise die Hülfe der befreundeten Mächte. Außerdem wurden Commissare an den Prinzen von Würtemberg abgeschickt, um auf Ermäßigung der Forderungen zu unterhandeln. Die Antwort war eine trostlose. Der Prinz hatte die bestimmtesten Befehle des Königs mit rücksichtsloser Härte vorzugehen; von einem Loskaufen der Rekruten durch Geld sollte keine Rede sein, es waren dem Prinzen gedruckte Formulare übersandt mit specieller Bezeichnung der Regimenter und Compagnien, an welche die Rekruten direct geschickt werden sollten und mit Angabe der zulässigen Altersgrenze. "Männer von 60 Jahren und Kinder von 12 Jahren sollten genommen werden," schrieb die Regierung Anfangs Februar, "wenn die junge Mannschaft nicht gestellt wird! Der Prinz droht mit Verwüstung des Landes, mit Verbrennen der Häuser und mit Niederhauen der Wälder! Dabei könnte Ehrenswärd helfen, wenn er wollte, denn die Mehrzahl der preußischen Truppen befindet sich in einem elenden, fast wehrlosen Zustande!"

Trotzdem sich die preußischen Officiere die größeste Mühe gaben, die Leute von den Landstraßen ausgriffen, Beamte und Pächter arretirten und nach Rostock bringen ließen, Prediger und Küster nicht sicher waren, und preußische Commandos nach Lauenburg geflüchtete Knechte gewaltsam zurückholten, trotzdem die Gutsbesitzer und die Städte Vagabonden und Deserteurs für Geld anwarben, überstieg die Anzahl der erlangten Rekruten im März kaum 100 Mann.

Ebensowenig gingen die Contributions=Zahlungen und die Lieferungen zur festgesetzten Zeit ein. Der Magistrat zu Rostock wurde bei Wasser und Brod aufs Rathhaus gesperrt, konnte aber nicht zahlen. Die Anerbietungen der Pächter, statt Geld Naturalien liefern zu wollen, wurden zurückgewiesen, da sie in dem Falle nicht im Stande sein würden, ihre Quoten an Korn und Fourage zu liefern.

Alle Hoffnung und Hülfe schwand der meklenburgischen Regierung als die Kaiserin Elisabeth von Rußland am 5. Januar 1762 starb und Peter III. den Thron bestieg. Am 16. März

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schlossen die preußischen und russischen Befehlshaber in Pommern einen Waffenstillstand ab und am 5. Mai wurde zu Petersburg der Friede zwischen Rußland und Preußen zugleich mit einem Schutz= und Trutz=Bündniß abgeschlossen.

Die veränderte Haltung Rußlands übte sogleich ihren Einfluß auf die Regierung Schwedens aus. Schon seit längerer Zeit hatte sich im Reichsrathe die dem Hofe freundliche Friedenspartei mehr und mehr geltend gemacht und der Einfluß des französischen Gesandten war in dem Maße geringer geworden, als der Versailler Hof nicht mehr im Stande war, die Subsidien zum Unterhalt des schwedischen Heeres und zur Bestechung der Reichsrathsmitglieder regelmäßig zu zahlen. Die Rathschläge des russischen Gesandten gewannen die Oberhand und am 7. April 1762 schlossen die schwedischen und preußischen Oberbefehlshaber zu Ribnitz einen Waffenstillstand ab.

In Schwerin war man nicht mehr im Zweifel, daß die Krone Schwedens den ernstlichen Vorsatz hatte, den Krieg mit Preußen zu beenden. Der Baron von Lützow konnte indessen in Stockholm keine Gewißheit erlangen, da der Minister von Eckebladt die Sache sehr geheimnißvoll betrieb und dem Gesandten die feierlichsten Versicherungen gab, daß keine Friedensunterhandlungen in naher Aussicht seien. Der Herzog erfuhr aber durch den Oberstlieutenant von Plessen, daß der schwedische Regierungsrath von Olthoff zu Stralsund Auftrag habe nach Hamburg zu reisen, wahrscheinlich um dort die Friedensunterhandlungen mit Preußen zu beginnen. Sofort schickte der Herzog den Geheimen Kammerrath von Müller und den auf Parole aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen Obersten von Glüer nach Hamburg mit dem Auftrage, dahin zu wirken, daß bei dem wahrscheinlich dort verhandelten Particular=Frieden zwischen Schweden und Preußen die Interessen Meklenburgs durch den schwedischen Bevollmächtigten wahrgenommen würden. Beide Herren suchten am 21. Mai den Regierungsrath von Olthoff in seinem Hotel auf. Letzterer behauptete, keinerlei Aufträge zu Verhandlungen zu haben, rieth aber dringend, die meklenburgische Regierung möge sich in dieser Sache doch mit den Höfen von Stockholm und Petersburg in genauere Verbindung setzen, und versprach schließlich, wenn er desbezügliche Instructionen von seiner Regierung erhalten sollte, die Interessen des Herzogs mit zu vertreten. Da die Schweriner Abgesandten aus der Antwort des schwedischen Regierungsraths die Ueberzeugung gewannen, daß er ihnen seinen Auftrag verheimlichen wolle, drangen sie lebhafter in ihn und entlockten ihm endlich unter dem Versprechen einer reellen Erkenntlichkeit seitens

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ihres Herzogs, die vertrauliche Mittheilung, daß er mit dem preußischen Minister=Residenten, dem Geheimen Rath von Hecht, in Hamburg in Friedensunterhandlungen getreten sei; daß er allerdings den Auftrag habe, die Interessen des Herzogs wahrzunehmen, daß aber seine Instructionen in diesem Punkte wenig vollständig wären. Dabei verwies er nochmals auf russische Hülfe. Eiligst wandten sich die meklenburgischen Abgesandten nun an den russischen Residenten; dieser aber behauptete, von der ganzen Sache nichts zu wissen und als sie am 24. Mai wiederum zu dem schwedischen Bevollmächtigten gingen, war derselbe Tags zuvor abgereist. Der Friede zwischen Preußen und Schweden war bereits am 22. Mai abgeschlossen worden. Der Minister von Eckebladt aber erklärte dem Baron Lützow auf dessen lebhafte Beschwerden, der General Ehrenswärd habe den Ribnitzer Waffenstillstand ohne Vorwissen seiner Regierung geschlossen und dafür einen Verweis bekommen;

beim Friedensschlusse habe der Regierungsrath von Olthoff für Meklenburg gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber der preußische Bevollmächtigte habe nichts gelten lassen wollen, was mit dem bisherigen Kriege nichts zu thun hätte, und bei dem veränderten russischen Regierungssystem sei es unmöglich gewesen, den Krieg allein fortzuführen. Der Minister schloß mit den Worten: "Ich bitte, dispensiren Sie mich von der humilianten Erzählung der Beweggründe!"

Nachdem Peter III. den russischen Thron bestiegen, sandte der Herzog - Ende Februar - ein Beglaubigungsschreiben und die Instruction an den Obersten von Petersdorf, sich nunmehr aller unliebsamen Aeußerungen über den preußischen Hof zu enthalten und bei einem etwaigen Friedensschluß darauf hinzuwirken, daß Meklenburg von dem jetzigen Druck befreit und angemessen entschädigt werde. Demjenigen, welcher dies bewirke, sei der Herzog erbötig 10 - 50000 Thaler oder bis zu 5 Proz. der etwaigen Entschädigungssumme zu zahlen.

Bevor aber das Beglaubigungsschreiben und die genannten Instructionen in Petersburg eintrafen, war der Mission des Obersten Petersdorf ein jähes Ende bereitet worden. Der Kaiser hatte keinen Grund, einen nicht officiell beglaubigten politischen Agenten eines als preußenfeindlich bekannten Fürsten an seinem Hofe zu dulden und hatte sich über Petersdorf wiederholt als über "einen militärischen petit-maitre" lustig gemacht, der als Cavallerie=Officier mit Stiefeln und Sporen in polnischer Uniform bei Hofe erschien, wo jetzt nur eine Uniform in Geltung stand - die preußische. Am 3. Februar ließ der Großkanzler, Graf Woronzoff, dem Obersten

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durch den polnischen Gesandten sagen, er könne abreisen, wenn es ihm beliebe und da seine Geschäfte jetzt beendet seien, vermutheten seine Kaiserliche Majestät, daß er seine Abreise beschleunigen werde. Aus Petersdorfs Frage nach den Gründen dieses befremdlichen Schrittes, schrieb der Großkanzler zurück, die Umstände erforderten seine Abreise, und fügte dabei großmüthig die Versicherung hinzu, man werde ihm das vortheilhafteste Zeugniß an seinen Souverain mitgeben; leider habe indeß der Kaiser das Geschenk von 3000 Rubeln - dasselbe erhielt sonst jeder Diplomat bei seinem Weggang aus Petersburg - nicht zu bewilligen geruht.

Der meklenburgischen Regierung kam die Ausweisung des Obersten von Petersdorf gerade jetzt äußerst ungelegen. Der Krieg gegen Dänemark, zur Eroberung des Herzogthums Schleswig, war beschlossene Sache bei Peter III. und da die russische Armee Meklenburg passiren mußte, um nach Holstein zu gelangen, war es wichtig, mit dem Petersburger Hofe durch einen Geschäftsträger in directer Verbindung zu stehen. Dieser bevorstehende Krieg brachte für Meklenburg die schwersten Gefahren mit sich, und die Regierung war in großer Verlegenheit, welche Stellung sie zu demselben einnehmen sollte. Auf einen Bericht des Barons Dittmar aus Wien, welcher besagte, daß Dänemark sich höchst wahrscheinlich mit Frankreich alliiren werde, forderte der Herzog ein eingehendes Gutachten von allen Gesandten, wie sich Meklenburg im Fall dieses Krieges zu verhalten habe. Die Gutachten fielen sehr verschieden aus; Teuffel und Lützow riethen entschieden zur Neutralität, Dittmar und Petersdorf - Letzterer befand sich in Warschau und wollte selbst den Krieg im dänischen Heere mitmachen - dagegen zum engen Anschluß an Dänemark und zur activen Theilnahme am Kriege. Letzteres verwarf der Herzog, da es zur Eroberung seines Landes führen könne, mit Entschiedenheit; er beschloß strenge Neutralität, selbst wenn er auch noch einige Zeit länger Gewalt und Unrecht erleiden müsse.

Ende März zeigte Peter III. dem Herzog seinen Regierungsantritt an und dankte ihm für die Glückwünsche, welche Letzterer sich beeilt hatte durch Petersdorf dem Czaren zu übermitteln. Hieraufhin bat der Herzog den Kaiser - 27. April -, einen Gesandten an den russischen Hof schicken zu dürfen, "um seinen lebhaften Empfindungen der Freude über die Thronbesteigung des Czaren mehr Ausdruck geben zu können." Hierzu wurde der Baron Lützow bestimmt; jedoch sollte derselbe noch bis zum Abschlusse des Friedens zwischen Preußen und Schweden, welchen man für nahe bevorstehend hielt, in Stockholm bleiben.

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Baron Lützow benutzte diese Zeit, um sich durch den russischen Gesandten am schwedischen Hofe, den Grafen Ostermann, über die Verhältnisse in Petersburg genauer zu informiren und gewann hierbei die Ueberzeugung, daß er nur dann im Stande sein würde, zu Gunsten Meklenburgs in der Entschädigungsfrage beim Friedensschlusse am russischen Hofe zu wirken, wenn der Herzog sich entschließen könnte, direct mit dem Könige von Preußen in Verbindung zu treten und einen Separat=Vergleich abzuschließen. Hierzu bot sich jetzt eine gute Gelegenheit und der Herzog, welcher sich von allen Mächten der Coalition im Stiche gelassen sah, zögerte nicht, dieselbe zu ergreifen.

Im Mai 1762 befahl der König dem Obersten von Belling den meklenburgischen Ständen zu eröffnen, 1 ) daß die preußischen Truppen Meklenburg verlassen und auch im Winter 1762/63 nicht dorthin zurückkehren würden, wenn sich Erstere, unter Gestellung von Geißeln verpflichten wollten, die noch rückständigen Reste der Contribution bis zum October desselben Jahres zu tilgen. Wenn die Stände hierauf nicht eingehen würden, sollte der Oberst von seinem Detachement, welches unverzüglich zur Armee nach Sachsen abzumarschiren hätte, ein Husaren=Bataillon zur unnachsichtlichen Beitreibung der Rückstände in Meklenburg zurücklassen. Auf dieser Grundlage wurde eine Convention mit dem Obersten Belling abgeschlossen, in welcher sich die meklenburgische Regierung verpflichtete, zum 1. October die noch restirenden 400000 Thaler zu zahlen. Hieraufhin verließen die preußischen Truppen, Ende Mai, den meklenburgischen Boden. Die Regierung war aber nicht im Stande den Zahlungstermin inne zu halten und bat den russischen Hof, die Bewirkung eines Aufschubs beim König von Preußen zu vermitteln. Da Letzterer dies kurz abschlug, streckte der König von Dänemark die Summe vor, und diese wurde, als letzte Kriegsleistung Meklenburgs, zu Wittstock an Preußen abgeführt. Friedrich der Große hatte den unglücklichen meklenburgischen Landen in dem letzten Kriegsjahre die volle Wucht seiner Macht fühlen lassen; 6700288 Thaler betrugen die Gesammtschäden des Jahres 1762; davon an baarem Gelde 1712427, an Lieferungen 4987861 Thaler; 602 Rekruten wurden gewaltsam ausgehoben. Danach hat Meklenburg in der Zeit vom December 1757 bis zum 1. Juni 1762, 2 ) also


1) Der König hielt bis an das Ende des Krieges daran fest, nur mit dem Organ der meklenburgischen Stände, dem Engeren Ausschuß, officiell in Verbindung zu treten.
2) Inclusive der von Dänemark vorgeschossenen 400000 Thaler.
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in circa 4 1/2 Jahren die ungeheure Summe von 14864921 Thalern, 6 Schillingen und 1 Pfennig, 1 ) theils baar, theils in Lieferunqen aller Art gezahlt und 4395 Rekruten gestellt. Bei der specificirt bei den Acten liegenden Berechnung der Kriegsschäden sind auch die Zinsen, welche damals observanzmäßig 6 Proz. betrugen, mit in Ansatz gebracht, und zwar pro 1758 die Zinsen von 4 1/2 Jahren, pro 1759 von 3 1/2 Jahren u. s. w. Dies ergiebt die Totalsumme aller Kriegsschäden von 16559975 Thalern, 33 Schillingen und 1 Pfennig. Da man annehmen muß, daß der Werth des Geldes zur Zeit des 7jährigen Krieges ein viermal größerer war, als zu unserer Zeit, so waren die Kriegslasten für Meklenburg ebenso schwer zu tragen, als wenn jetzt der Bevölkerung des Landes die Summe von circa 66000000 Thalern zu zahlen auferlegt würde, d. h. wenn jetzt die Einwohnerzahl so groß wäre, wie in den Jahren 1757 - 1762; da sie in Wirklichkeit aber circa dreimal so groß ist, wie damals, so hatte Meklenburg an den Schäden des 7jährigen Krieges ebenso schwer zu tragen, als wenn der heutigen Bevölkerung unseres Landes die Summe von circa 198000000 Thalern aufgebürdet würde.

Vergleichen wir die aus Meklenburg gezogenen Hülfsmitteln mit den englischen Subsidien, welche, wie allgemein angenommen wird, Friedrich dem Großen die lange Kriegsführung überhaupt ermöglichten. so kommen wir zu dem Resultat, das unser Vaterland circa 3000000 Thaler mehr als England, zu den Kosten der preußischen Kriegsführung beigetragen hat.

Wir können bei dieser Gelegenheit eine naheliegende Betrachtung nicht unterdrücken. Beim Beginn des Krieges war es für Friedrich den Großen aus politischen Gründen wichtig, daß kein Reichskrieg gegen ihn beschlossen wurde. Deshalb bemühte sich der König anfangs die Stimmen der protestantischen Staaten, also auch Meklenburgs, für sich zu gewinnen und ein Bündniß mit denselben einzugehen. Als aber das Reich sich gegen ihn entschieden, als der König gegen die Heere fast ganz Europas Front zu machen hatte, trat diese Rücksicht gänzlich in den Hintergrund. Jetzt kam es darauf an, im Kampfe um die Existenz, Soldaten, Geld und Korn zu schaffen, und da war ihm die Feindschaft eines Landes, welches, wie Meklenburg überreiche Hülfsquellen bot, erwünschter als dessen Bundesgenossenschaft. Letztere hätte ihn moralisch gezwungen, sich mit dem Beistande einer Hand voll Soldaten und


1) In der Anführung der Kriegsschäden der einzelnen Jahre sind Schillinge und Pfennige nicht mit in Ansatz gebracht worden.
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mäßig bemessenen Geld= und Naturallieferungen zu begnügen; erstere gestattete ihm das Land nach allen Richtungen hin auf das Aeußerste auszunutzen. Deßhalb versuchte der König während des ganzen Krieges auch niemals, den Herzog zum Abschluß eines Bündnisses oder eines Vergleiches zu bewegen, und seine Befehlshaber mußten sich, um der herzoglichen Regierung keine Gelegenheit zu Unterhandlungen mit der Krone Preußens zu bieten, mit ihrer Forderung direct an die Stände des Landes wenden.


Mission des Barons von Lützow nach Petersburg; Abberufung des Barons Dittmar aus Wien; Rückkehr der meklenburgischen Truppen.

Am 1. Juli 1762 traf der Baron von Lützow in Petersburg ein. Seine Bemühungen sollten hauptsächlich darauf gerichtet sein, zu bewirken, daß die russischen Generäle in dem nahe bevorstehenden Feldzuge gegen Dänemark gemessene Befehle bekämen, Meklenburg zu schonen und demselben - auch den Truppen - alle Rechte eines neutralen Staates angedeihen zu lassen. Der Herzog hatte wohl Ursache, für sein Land zu fürchten, denn während der russische Oberbefehlshaber beim Strelitzer Hof schon im April die Erlaubniß zum Durchmarsch seiner Truppen nachgesucht hatte, war bis Ende Juni keinerlei Benachrichtigung an die Schweriner Regierung gelangt. Um diese Zeit waren 2 russische Generalstabsofficiere, der Major von Tunzelmann und der Hauptmann von Ziegler, in Waren eingetroffen, um daselbst ein Lager für ein russisches Truppencorps abzustecken und ein Magazin anzulegen. Vom Engeren Ausschuß, mit welchem sich diese Officiere in Verbindung gesetzt hatten, befragt, warum sie sich nicht an die herzogliche Regierung wendeten, äußerten dieselben, dazu hätten sie keinen Befehl und wüßten auch nicht, wie der Schweriner Hof zu den Verbündeten ihres Souverains, den Engländern und den Preußen, stände. Gleichzeitig übergaben sie die Marschroute der russischen Armee. Letztere stand unter dem Oberbefehl des Generals Romanzoff im Lager bei Colberg, 45000 Mann stark, die Avantgarde hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und sollte in 3 Colonnen auf Rostock, Güstrow und Waren marschiren. Die meklenburgische Regierung ernannte

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den Geheimen Rath von Müller zum Marsch=Commissarius, welcher sich zunächst zum Major Tunzelmann nach Waren begab, woselbst 100 Kosaken zur Bedeckung des Magazins eingetroffen waren. Hier wurde ihm am 10. Juli durch den Major im strengsten Vertrauen mitgetheilt, daß er eine Ordre vom General Romanzoff erhalten habe, vorläufig mit der Füllung des Magazins innezuhalten. Am 19. Juli bekam der Major dann den Befehl, die Kosaken auf die Kaiserin Katharina beeidigen zu lassen und nach Colberg zurückzumarschiren. 1 )

Durch die Entthronung Peter III. wurde Meklenburg von einer großen Gefahr befreit. Der Herzog hatte zwar den Geheimen Rath von Müller instruirt, der russischen Generalität alle nur ersinnliche Willfährigkeit zu erweisen, selbst über die Grenzen der Neutralität hinaus, hatte auch die nachgesuchte Genehmigung zum Einmarsch der dänischen Armee in Meklenburg sowie einen Antrag des Kopenhagener Hofes auf eine Defensiv=Verbindung abgelehnt, und den Commandanten von Dömitz angewiesen, einer Besetzung der Festung durch die dänischen Truppen, welche trotz der versagten Erlaubniß in Meklenburg eingerückt waren und einen Cordon von Wismar bis an die Elbe gezogen hatten, mit Waffengewalt entgegenzutreten, allein ein Bericht des Barons Lützow vom 20. August klang doch sehr bedenklich: "Man kann dem Allmächtigen nicht genug danken," schrieb er, "daß aus diesem Kriege nichts geworden ist. Der Kanzler hat mir gesagt, der Kaiser habe den König von Preußen um die Einräumung von Stettin und die Ueberlassung von 2 - 300 Officieren gebeten; dies habe der König zwar abgeschlagen, habe dem Kaiser aber angeboten, ihm Meklenburg gänzlich zu seiner Disposition überlassen zu wollen, da er ohne Besitz dieses Landes den Krieg gegen Dänemark nicht führen könne."

Der Baron von Lützow kam nicht mehr dazu, sein Beglaubigungsschreiben dem unglücklichen Monarchen zu übergeben. Eine Woche nach Ankunft des Ersteren in der russischen Hauptstadt - 9. Juli - wurde Peter III. entthront und seine Gemahlin Katharina II. setzte sich die Czarenkrone auf das Haupt.

Nach dem Manifest, durch welches Katharina ihre Thronbesteigung ankündigte, und in welchem sie sagte, daß durch den kürzlich geschlossenen Frieden mit dem ärgsten Feinde der Ruhm


1) Der Herzog ließ den beiden russischen Officieren, welche sich sehr loyal benommen und gute Mannszucht gehalten hatten, bei ihrem Wegzug je 100 und 50 Ducaten als "Douceur" überreichen. Ein Ducaten betrug nach damaligem Gelde 7 Thaler 15 Groschen.
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Rußlands unter die Füße getreten sei, schien es, als ob die Czarin eine feindselige Haltung gegen Preußen annehmen wollte. Dies bestätigt Lützow. Er berichtet am 16. Juli, der östreichische Botschafter, Graf Mercy, habe ihm gesagt, daß die Kaiserin ihm ausdrücklich erklärt habe, an der Alliance mit Oestreich festhalten zu wollen, daß es aber an Geld fehle und man vorerst die Ruhe im Innern befestigen müsse. Thatsächlich ließ Katharina schon am 10. Juli dem preußischen Gesandten Goltz sagen, daß sie entschlossen sei, mit dem Könige auf gutem Fuße zu bleiben, wenn sie auch von dem Bündnisse, welches Peter III. mit Preußen abgeschlossen hatte, zurückgetreten war.

Die meklenburgische Regierung stand Anfang August noch unter dem Eindruck des erwähnten Manifestes. Sie schrieb ihrem Gesandten in Petersburg, solange Stettin noch in preußischen Händen sei, bliebe Meklenburg beständig der Gefahr neuer Invasion ausgesetzt; er solle mit allen Mitteln dahin wirken, daß diese von allen Truppen und Vorräthen entblößte Festung von den Russen occupirt werde; man sehe seinem Bericht mit Ungeduld entgegen. Als die Regierung dies schrieb, hatten die russischen Truppen bereits Colberg geräumt und der preußische Feldmarschall Lehwaldt war als General=Gouverneur der Provinz Preußen in Königsberg eingezogen. Bald darauf ging auch ein Bericht Lützows ein, daß Meklenburg nichts von der russischen Regierung zu hoffen habe; zwar habe ihm der Kanzler Bestuchef kürzlich mit den gräulichsten Flüchen versichert, daß der König von Preußen ein Straßenräuber sei, aber die Wuthausbrüche des meistentheils betrunkenen und durch den übermäßigen Branntweingenuß völlig entnervten Mannes, welcher zwar von der Czarin aus dem Exil zurückberufen, aber nicht den geringsten Einfluß auf dieselbe besitze, würde dem Herzog nicht zur Entschädigung verhelfen.

Katharina II. hatte sich gleich nach ihrer Thronbesteigung bemüht, den Frieden in Europa zu vermitteln; indessen alle Höfe, besonders aber der preußische, hatten sich den russischen Anerbietungen gegenüber ablehnend verhalten. Empfindlich hierüber, behandelte die Kaiserin den preußischen Gesandten mit Kälte und Lützow, welcher gleich allen Gesandten dem Hofe zu den Krönungsfeierlichkeiten nach Moskau gefolgt war, erreichte - Ende November - von den beiden Kanzlern Panin und Woronzoff das Versprechen, daß der Fürst Repnin, welcher sich beim König von Preußen in Sachsen befand, angewiesen werden solle, dringliche Vorstellungen wegen der Entschädigung des Herzogs beim Könige zu thun. Zu gleicher Zeit wurde Lützow ersucht zu veranlassen, daß dem russischen

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Botschafter ein meklenburgischer Beamter zugewiesen würde, um Letzterem über die Wünsche des Herzogs Auskunft geben zu können.

Seit Mitte December hatte der König von Preußen sein Hauptquartier in Leipzig aufgeschlagen, wohin ihm die Gesandten aller Mächte gefolgt waren. Dorthin ließ der Herzog im Februar 1762 den Regierungssecretair zur Nedden, im Gefolge des russischen Minister=Residenten in Hamburg, des Herrn von Mussin=Pusquine, welcher der Herzogin von Meklenburg den Katharinenorden überbracht hatte und nun von Schwerin zum Fürsten Repnin nach Leipzig reiste, abgehen. 1 )

Die Vorstellungen des Fürsten Repnin beim König von Preußen hatten aber nicht den geringsten Erfolg. Der Kanzler Panin theilte dem Baron Lützow - Mitte Februar - mit: der König habe die Vorstellungen seines Hofes zwar sehr freundschaftlich aufgenommen, habe aber gesagt, daß er sich zu einer Entschädigung des Herzogs von Meklenburg um so weniger entschließen könne, als derselbe gegen ihn eine offenbare Parteilichkeit bezeugt und er sich gezwungen gesehen habe, der schwedischen Armee die Subsistenzmittel zu entziehen, welche sie aus den meklenburgischen Landen hatte beziehen können; übrigens sei der Verlust Meklenburgs lange nicht so beträchtlich gewesen, als er angegeben sei. Als sich die Friedensverhandlungen zwischen Oestreich und Preußen auf dem Schlosse Hubertsburg ihrem Ende näherten, schickte der Fürst Dolgorucki, welcher anstatt des Fürsten Repnin zum Gesandten am preußischen Hofe ernannt war, den Regierungssecretair zur Nedden nach Schwerin zurück mit dem Bescheide: der König habe auf seine nochmaligen Vorstellungen bestimmt erklärt, Meklenburg sei evacuirt und habe von Seiten Preußens nichts zu besorgen; zu einer Indemnisation sähe der König keinen anderen Grund, als die Intercession Ihrer Kaiserlich=Russischen Majestät. Für diese hätte er alle Achtung; er bäte und hoffe aber, Ihro Majestät würden solche bei einem Punkt, worauf er - der König - sich weder einlassen könne noch würde, nicht weiter gebrauchen.

Nach dieser Antwort des Königs war von der russischen Vermittelung nichts mehr zu erwarten, und der Herzog, welchem der Zustand seiner Finanzen nicht erlaubte, unnöthig Gesandte an fremden Höfen zu unterhalten, rief den Baron Lützow aus Petersburg ab, gab aber auf Anrathen des russischen Staatskanzlers dem


1) Um nicht als meklenburgischer Beamter erkannt zu werden, trat zur Redden unter dem Namen Ludwig Zugehör als Secretair des Herrn von Mussin=Pusquine auf.
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Oberhofmeister von Drieberg, welchen er nach Berlin schickte, um Friedrich den Großen wegen des abgeschlossenen Friedens zu beglückwünschen, wiederum den Regierungssecretair zur Nedden mit, damit Ersterer, welcher bei der preußischen Regierung, wenn sich die Gelegenheit böte, unter Beihülfe des Fürsten Dolgorucki, die Rückgabe der verpfändeten 4 Aemter anregen sollte, einen der Sache völlig kundigen Mann bei sich habe. 1 ) Diese Gelegenheit bot sich aber nicht; die Aemter wurden erst unter der Regierung Friedrich Wilhelm II. an Meklenburg zurückgegeben.

Der Baron Dittmar war, nachdem sich alle seine Bemühungen, vom Kaiserhofe werkthätige Hülfe zu erlangen, als völlig vergeblich erwiesen hatten, auf seine dringende Bitte von Wien abberufen worden.Er reiste, da er die Originale der mit dem Kaiser und der Kaiserin abgeschlossenen Verträge bei sich führte, über Nürnberg und Holland nach Meklenburg. Ende August kam derselbe in Schwerin an und wurde sofort mit ungnädigem Abschied seines Dienstes entlassen, trotzdem die Kanzler Kaunitz und Coloredo in Dittmars Recreditiv, welches der Hofrath Schmidt bereits Ende Juli nach Schwerin gesandt hatte, dem Herzog dringend empfohlen hatten, "diesen mit sonderbarer Vernunft, Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit begabten Minister nicht allein zu seinem eignen, sondern auch als Patrioten zu des Deutschen Reiches Wohl weiter gebrauchen zu wollen."

Nach den Verträgen, welche die Kaiserin Maria Theresia mit dem Herzog von Meklenburg abgeschlossen hatte, mußte sie nothgedrungen bei den Hubertsburger Friedensverhandlungen die Entschädigung ihres Bundesgenossen zur Sprache bringen. In der ersten Sitzung - 30. December 1762 -, in welcher der östreichische Bevollmächtigte, Hofrath Collenbach, die Forderungen seiner Regierung zu Protokoll gab, verlangte er, daß gebührende Rücksicht auf die anderen Reichsstände, insbesondere auf die fränkischen, den Herzog von Meklenburg und den Fürsten von Zerbst genommen werde. Nachdem der Graf Hertzberg diese Forderungen mit der kurzen Erklärung abgewiesen hatte, daß der König Meklenburg, Zerbst, sowie anderen Reichsständen nichts schulde, kam man östreichischerseits während der ganzen, über 7 Wochen währenden Friedensverhandlung auf dies Thema mit keinem Worte mehr zurück. Das war der Dank des Hauses Oestreich.

Nach dem Abzuge des Obersten Belling - im Mai 1762 - hatte der Herzog dem General von Zülow den Befehl gegeben, mit


1) Wiederum incognito; diesmal "unbeschadet seiner sonstigen Würde" als Kammerdiener des Herrn von Drieberg.
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den Truppen den Rückmarsch nach Meklenburg anzutreten. 1 ) Der drohende Ausbruch des russisch=dänischen Krieges ließ es indessen dem Herzog zweifelhaft erscheinen, ob der Verbündete des Königs von Preußen auch die Neutralität der meklenburgischen Truppen respectiren würde. Er bat daher den König von Schweden, seinen Truppen zu gestatten, das Ende dieses Krieges auf Rügen abwarten zu dürfen. Diese Erlaubniß ward bereitwilligst ertheilt und die meklenburgischen Truppen, welche sich bereits auf dem Rückmarsche befanden, bezogen in Schwedisch=Pommern Cantonnementsquartiere, bis sie dann Mitte December 1762 in die langersehnte Heimath zurückkehrten.


Verhandlungen mit dem König von England; Neutralitäts=Verhandlungen in Regensburg.

Im Sommer des Jahres 1761, als durch das Vorgehen der Russen und Schweden die Aussichten Meklenburgs sich günstiger zu gestalten schienen, glaubte der Herzog Friedrich, durch die Verlobung der Prinzessin Sophie Charlotte aus dem blutsverwandten Strelitzer Hause mit König Georg III. von England, seinem Lande die Fürsprache dieses Monarchen bei dem Könige von Preußen erwirken zu können. Wenn auch die Beziehungen der beiden meklenburgischen Höfe durch die Hinneigung des Herzogs Adolf Friedrich zu Preußen derart erkaltet waren, daß Herzog Friedrich die 17jährige Prinzessin Sophie Charlotte persönlich nicht kannte, so hoffte er doch, daß diese edeldenkende Fürstin mit ihrem weichen und gefühlvollen Gemüth ihren Einfluß auf den König zu Gunsten des schwer leidenden Schwesterstaats geltend machen, und Hand in Hand mit Lord Bute, dessen stetig wachsendem Einfluße auf seinen Souverain sie ihre Erhebung auf den brittischen Königsthron verdankte, und dessen tiefe Abneigung gegen Friedrich den Großen bekannt war, erreichen würde, daß die preußischen Gewaltthätigkeiten in Meklenburg aufhörten. Bei der gänzlichen Unerfahrenheit der Prinzessin in allen Hof= und Staats=Intriguen, welche eine große Rolle am englischen Hofe spielten, ließ der Herzog durch den Baron von Forstner, welchen er zur Beglückwünschung an den Strelitzer Hof


1) Die 3 Infanterie=Regimenter zählten zu dieser Zeit in 24 Compagnien in Summa 1480 Mann; das Leib=Regiment in 4 Eskadrons 216, die Husaren=Eskadron 78 Köpfe; die Artillerie 21 Mann.
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gesandt hatte, den Herzog Adolf Friedrich bitten, sich der Dienste des Geheimen=Legationsraths und Schloßhauptmanns von Dewitz, welcher die jugendliche Fürstin nach London begleiten sollte, bedienen zu dürfen. Herzog Adolf Friedrich ertheilte diese Erlaubniß bereitwilligst und schrieb, daß er sowohl seiner Schwester, der Prinzessin, als auch dem Geheimen=Rath von Dewitz die Angelegenheiten des Herzogs dringend ans Herz gelegt habe.

Am 8. September wurde die Vermählung des königlichen Paares im St. James=Palast in London in feierlicher Weise vollzogen. Der König bezeugte sich äußerst huldvoll gegen Dewitz und sagte ihm, daß er zu jeder Zeit freien Zutritt zur Königin habe. Kurz darauf war Dewitz 2 Stunden lang bei den königlichen Gatten, welche ihr großes Glück und die sonderbare Fügung Gottes nicht genug zu rühmen wußten. Als der König für kurze Zeit abberufen wurde, erinnerte Dewitz die Königin an die gemeinschaftlich übernommene Verpflichtung.

Nach einigen Tagen wurde Dewitz zur Königin befohlen. Er fand den König dort, und als dieser wiederholt betonte, wie sehr angelegen ihm fortan die fürstlichen Häuser Meklenburg sein sollten, übergab er demselben einen Brief des Herzog Friedrich, worin dieser zur Vermählung gratulirte und zugleich die beweglichsten Klagen über die preußischen Gewaltthätigkeiten in seinen Landen führte. Beide Majestäten lasen den Brief zusammen, die Königin Thränen vergießend und der König, den Arm um die Schulter seiner Gemahlin geschlungen, erkundigte sich sehr gerührt nach den Einzelheiten, besonders auch, welches denn der Grund der preußischen Grausamkeiten sei? "Wie würdig, wie patriotisch, wie gut meklenburgisch denkt der König!" berichtete Dewitz hochbeglückt nach Schwerin.

Am nächsten Tage ging Letzterer zu dem hannoverschen Geheimraths=Präsidenten von Münchhausen, fand aber hier nicht die leicht bewegliche Flitterwochen=Stimmung wie bei Hofe, sondern den ernsten, gewiegten Staatsmann, welcher ohne Sentimentalität, unerschütterlich an der preußischen Alliance festhielt. Der Minister erwiederte kühl, der König, sein Herr, würde gewiß gerne alles Mögliche thun, wenn man nur über die Gesinnungen des Herzogs von Meklenburg dem König von Preußen Garantien geben könne, welcher leider mehr denn zuviel von den genauen und engen Verbindungen des Ersteren mit den Feinden Preußens wisse und die schriftlichen Beweise davon in Händen habe.

Arg enttäuscht begab sich der Geheimrath von Dewitz zum Lord Bute und fand hier als Ankläger des Königs von Preußen

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die zuvorkommendste Aufnahme, sowie die feste Versicherung, daß der König die besten Gesinnungen für den Schweriner Hof hege. Auch der Herzog von Newcastle sagte seine Verwendung zu. "Bei Monsieur Pitt hoffe ich in diesen Tagen vorgelassen zu werden," schrieb Dewitz. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, denn am 5. October war es den Bemühungen Lord Bute's gelungen, Pitt zu stürzen; mit ihm, seinem Schwager Lord Temple und dessen Bruder Grenville schieden die Freunde Friedrich des Großen aus dem englischen Cabinet.

Dewitz benutzte die sich ihm bietende Chance auf das Eifrigste. Auf seinen Rath schrieb der Herzog an die Königin Charlotte einen freundschaftlichen Brief, welchen Dewitz übergab, als er wußte, daß der König bei seiner Gemahlin war. Als er die Frage des Königs, ob auch er Briefe aus Schwerin habe, bejahte, mußte er das herzogliche Schreiben, in welchem das ganze Elend des Landes ausführlich geschildert war, laut vorlesen. Ende October schrieb der Herzog noch einmal an die Königin dringend um Hülfe, welchen Brief die Königin thränenden Auges ihrem Gemahl vorlas. Der König versprach jetzt dem Geheimrath von Dewitz, sofort an den König von Preußen schreiben zu wollen, unterließ dies aber auf den Rath seiner Minister. Dagegen wurde Mitchel beauftragt, in Magdeburg beim Grafen Finkenstein Vorstellungen zu thun; auch die Königin nahm Gelegenheit, dem Baron Knyphausen von den Gewaltthätigkeiten des Obersten von Belling zu erzählen, ward aber fast irre, als der Gesandte ungemein erstaunt that und mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns Ihrer Majestät versicherte: davon wisse der König, sein Herr, sicherlich nicht das Allergeringste! Aehnlich äußerte sich Mitchel: der Graf Finkenstein wisse nichts von dem, was sich in Meklenburg ereigne, wolle aber sofort darüber an seinen Herrn berichten.

Graf Bassewitz hatte sich von vorne herein von der Intercession des Königs von England keinen Nutzen versprochen, er fürchtete sogar, daß die Mächte der Coalition dem Herzog diesen Versuch im feindlichen Lager ernstlich übel nehmen könnten. Er bestimmte daher den Herzog, welcher bereits einen zweiten Brief an König Georg geschrieben hatte, ohne daß dieser den ersten beantwortet hatte, dies Schreiben nicht abzuschicken.

Im Januar 1762 erneuerte Mitchel, auf Lord Bute's Befehl, seine Vorstellungen beim Grafen Finkenstein; der preußische Minister hatte auf die andauernden feindseligen Gesinnungen des Herzogs von Meklenburg hingewiesen und - die Achseln gezuckt.

Um das Interesse König Georgs stets rege zu erhalten, unterhielt Herzog Friedrich einen fortlaufenden Briefwechsel mit Sophie

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Charlotte. Es liegen uns die Antwortschreiben der Königin vor, welche von Mitgefühl für die Leiden des Schweriner Landes und vom Lobpreis ihres ehelichen Glückes überfließen, aber in keiner Weise näher auf die Behandlung Meklenburgs durch den König von Preußen eingehen. Dieselben sind so gänzlich verschieden von dem Ton des Briefes an Friedrich den Großen, welchen man der Königin zugeschrieben hat, und es wird auch in den umfangreichen Acten über den Dewitz'schen Aufenthalt in London dieses Briefes nirgends Erwähnung gethan, daß wir die Ansicht derer theilen, welche behaupten, daß dieser Brief, nach Pitt's Sturz, unter dem preußenfeindlichen Ministerium Bute gefälscht sei. Damit der Leser Gelegenheit hat, selbst zu urtheilen, geben wir einen Brief der Königin an Herzog Friedrich vom 22. Januar 1762 wörtlich wieder:

"So sehr mich das bisher ausgestandene harte Schicksal Eurer Durchlaucht rührt, so herzlich ist mein Wunsch, daß Seiner Majestät gute Absicht und Verwendung den abgezielten Erfolg haben möge. Wie große Ursache habe ich, dem Allerhöchsten zu danken, in der Person eines liebenswürdigsten und mich zärtlich liebenden Gemahls, eines gottesfürchtigen und tugendhaften Herrn, einen edlen und großmüthig denkenden und für meine Verwandten und mein Vaterland gnädig gesinnten König zu besitzen."

Ganz ähnlichen Inhalts sind die 3 anderen Briefe der Königin an den Herzog.

Und nun der Brief derselben Königin an Friedrich den Großen, welcher im März 1762 in London im Druck erschien! Folgende Stelle desselben ist Schäfers Geschichte des 7jährigen Krieges entnommen, welcher denselben für gefälscht erklärt:

"Das ganze Land, mein theures Vaterland liegt da als eine einzige schreckliche Wüste; Ackerbau und Viehzucht haben aufgehört; die Städte sind nur noch von Greisen, Weibern und Kindern bewohnt, vielleicht hockt da und dort ein Krieger, den Wunden oder der Verlust seiner Gliedmaßen für den Dienst untauglich gemacht haben, vor seiner Thür."

Als im Frühling des Jahres 1762 die Kriegsaussichten zwischen Rußland und Dänemark drohender wurden, bat Dewitz Georg III. im Namen beider Herzöge um Schutz für die meklenburgischen Lande. Infolgedessen ließ der König dem dänischen und russischen Hofe erklären, wie er es nicht mit gleichgültigen Augen ansehen würde, wenn die Länder zweier so naher und verehrter Verwandten wider Vermuthen feindlich behandelt werden sollten.

Den oben erwähnten Vergleich mit dem Obersten von Belling, demzufolge die preußischen Truppen Meklenburg im Mai räumten,

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hielt der Herzog Friedrich für eine Folge der englischen Intercession und ließ dem König seinen Dank in den wärmsten Ausdrücken aussprechen. Auch wurde in Schwerin im Monat Juni, entgegen dem sonstigen Brauche, in allen Kirchen des Landes Fürbitte für die Königin Sophie Charlotte gehalten, als diese sich in gesegneten Umständen befand; "aus persönlicher Hochachtung", hieß es in dem 4 Seiten langen, äußerst überschwänglichen Kirchengebet, welches der Herzog selbst verfaßt hatte.

Durch das überaus gnädige Wohlwollen, welches der englische Monarch dem Geheimrath von Dewitz, als dem väterlichen Freunde seiner geliebten Gemahlin, bei jeder Gelegenheit bewies, wurde Letzterer ermuthigt, dem Könige gegenüber eine sehr heikle Angelegenheit zur Sprache zu bringen: die Abtretung Lauenburgs an Meklenburg. Auf dies Herzogthum glaubte Herzog Friedrich in Folge einer Erbverbrüderung aus früherer Zeit, welche bei Abschluß des Westfälischen Friedens von Kaiser und Reich anerkannt war, Ansprüche zu haben. Dewitz hatte dies gesprächsweise dem Könige Georg wiederholt mitgetheilt, aber, um sich die scheinbar günstige Gelegenheit, auch seinem - dem Strelitzer - Hofe Vortheile zuzuwenden, nicht entgehen zu lassen, in der Weise, als ob beiden Mecklenburgs diese Anrechte zugesprochen wären. Der König hatte nicht widersprochen, wahrscheinlich weil ihm die ganze Angelegenheit völlig fremd war, und dies hatte Dewitz als ein günstiges Zeichen angesehen. Er hatte die Sache seinem Gönner, dem Lord Bute vorgetragen - den Verkehr mit Münchhausen hatte er nach der oben erwähnten Unterredung ganz aufgegeben -, aber, wie dies auch nicht anders zu erwarten war, die Antwort erhalten, daß das englische Ministerium sich in die rein hannoversche Angelegenheit nicht mischen könne.

In Schwerin war man von der Wendung, welche Dewitz der Lauenburgischen Frage im Interesse des Strelitzer Hofes gegeben hatte, gar wenig erbaut, indessen hatte Graf Bassewitz dem Herzog gerathen, "gute Miene zum bösen Spiel zu machen, da Schwerin jetzt auf gar so schwachen Füßen stehe", und Baron Dittmar war angewiesen worden, in Wien dahin zu wirken, daß beim Friedensschlusse das Herzogthum Lauenburg, gegen Säcularisirung der Bisthümer Osnabrück und Hildesheim zu Gunsten Hannovers, an beide Meklenburg abgetreten werde. Den dringenden Rath des Geheimrath von Dewitz, einen Minister an die Regierung nach Hannover zu senden, da von deren Bericht Alles abhänge, befolgte die meklenburgische Regierung nicht.

Um diese Zeit war ein Mitglied der hannoverschen Regierung, der Geheimrath von Behr, welcher mit Dewitz intim befreundet

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war, nach London gekommen. Die beiden Freunde hatten die Lauenburg'sche Angelegenheit im strengsten Vertrauen eingehend besprochen und daraufhin hatte Dewitz dem Herzog gerathen, dem König Georg offenherzig und mit Vertrauen seine Lauenburgischen Wünsche zu enthüllen und sich somit völlig England in die Arme zu werfen.

Der Plan war nicht ohne Bedenken, doch rieth Graf Bassewitz entschieden, diesen Schritt zu thun. "Auf diese Art" argumentirte er, "kommen Eure Durchlaucht meines Erachtens aus der unerträglichen Lage, sich von den Höfen, die selbst im Unglück sind und nicht helfen können (selbst wenn sie wollten!), amüsiren und hinhalten lassen und aus Ihrem natürlichen und gegründeten Vertrauen zu dem siegreichen und Alles vermögenden Hofe von London, ein Geheimniß machen zu müssen, mit einem Male heraus. Eure Durchlaucht entdecken dem englischen Hofe selbst den vormals, ut ita dicam, mit seinen Feinden auf seine - Englands - Kosten geschmiedeten Anschlag, welchen die hannoverschen Minister Ihnen so sehr zur Last zu legen suchen, mit voller Freimüthigkeit, verlangen aber nichts umsonst, sondern bieten volle Entschädigung durch die Säcularisirung der genannten Bisthümer."

Mitte October wurde das sehr ausführliche Schreiben des Herzogs dem König Georg übergeben. Dasselbe appellirte an "die Gerechtigkeitsliebe und Großmuth des Königs, welcher jetzt als Sieger der Welten Europa den Frieden wiedergeben wolle;" es schilderte das Elend der meklenburgischen Lande, ging dann auf die Entschädigungsfrage über und forderte die Rückgabe der 4 an Preußen, der 8 an Hannover verpfändeten Aemter, sowie die Abtretung Lauenburgs, auf welches Meklenburg ein Recht habe und erwähnte zum Schluß die Entschädigung des Kurfürstenthums Hannover durch die Bisthümer.

Die Antwort König Georgs kam schneller, als man erwartet hatte. "Wir wollen," so schrieb der König, gegengezeichnet: von Münchhausen am 22. October, "die in dem freundvetterlichen Schreiben vom 18. v. M. enthaltenen Vorschläge mit Stillschweigen übergehen, solches wird Eure Liebden, wie Wir von der Ihnen beiwohnenden Einsicht und Gemüths=Billigkeit nicht anders hoffen können, keinen Augenblick befremdlich bleiben, wenn Demselben gefällig sein wird, in Betracht zu ziehen, daß Wir den Schaden, worüber Eure Liebden boliren, weder unmittelbar noch mittelbar verursacht, noch Etwas dazu beigetragen haben, folglich auch hierauf uns nicht einlassen können, noch Ansprüche auf unsere angeerbten eignen Länder gelten lassen können."

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In Schwerin erregte diese Antwort des Königs große Bestürzung. Nun war jegliche Aussicht auf Entschädigung dahin. In der ersten Hitze wurde Dewitz ziemlich ungnädig angelassen; Graf Bassewitz schickte ihm den Brief des Königs, "da er billig zweifeln müsse, ob sein Freund Behr ihm eine Abschrift desselben mitgetheilt habe."

Welche Rolle Herr von Behr in diesem Handel gespielt, ist nicht ersichtlich, jedenfalls hatte sich Dewitz gründlich täuschen lassen und die meklenburgische Regierung hatte den Avis des dänischen Ministers Grafen Bernstorf, - von diesem war der Rath ausgegangen, sich um englische Hülfe zu bemühen - daß der König ein seelensguter Herr sei, aber nur das thue, wozu seine Minister ihm riethen, unbeachtet gelassen. Baron Dittmar hatte mit richtigem Blick von vorne herein von dem englischen Negoce abgerathen.

Um den vermeintlichen Unwillen König Georgs zu besänftigen, schrieb der Herzog sofort an die Königin und an den König sehr verbindliche Briefe und "legte das Wohl und Wehe seines altfürstlichen Hauses gänzlich in seiner Majestät Hände." Der König war aber nicht im Mindesten erzürnt; er hatte das von Münchhausen verfaßte Schreiben unterzeichnet, wie jedes andere und damit war für ihn die Sache abgethan. Er empfing Dewitz, nach dessen Genesung von einem hartnäckigen Fieber äußerst gnädig bei der Königin, sagte, er werde sich des Interesses des Herzogs beim Friedensschluß gerne annehmen und sprach den Wunsch aus, die beiden Meklenburg möchten einen ständigen Gesandten an seinem Hofe halten. Einen solchen Luxus verbot aber der schlechte Zustand, wenigstens der schwerinschen Finanzen schlechterdings und Dewitz kehrte im Januar 1763 in die Heimath zurück.

Vor seiner Abreise hatte Dewitz noch eine Verhandlung zu führen, welche aber ebenfalls zu keinem Abschluß führte. Es war nämlich zur Kenntniß des Herzogs gekommen, daß der dänische Hof während des russisch=dänischen Confliktes beabsichtigte, den König Georg zu bewegen, die meklenburgischen Truppen in seinen Sold zu nehmen, um sie auf alle Fälle der russisch=preußischen Machtsphäre zu entziehen. Dewitz hatte den Auftrag bekommen, in London zu erklären, daß er mit dieser Subsidienzahlung, deren Höhe er ganz der Großmuth des englischen Hofes anheimgebe, durchaus einverstanden sei, aber unter der Voraussetzung, daß seine Truppen während des jetzigen Krieges nicht activ verwendet würden, da ihm Letzteres die Rücksicht auf Kaiser und Reich untersage; nach dem Kriege aber wolle er seine Truppen, welche aus auserlesener Mannschaft beständen und wohl beritten seien, zu einem

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ansehnlichen Corps vermehren und gegen Zahlung der üblichen Subsidien dem Dienste der britischen Krone, welche auch wohl nach geschlossenem Frieden Gelegenheit zu deren Verwendung finden würde, überlassen. Dewitz kehrte mit dem Bescheid des Königs zurück, daß er bedaure, für jetzt keinen Gebrauch von dem Anerbieten machen zu können; sollte er aber später in die Lage kommen, Truppen anwerben zu müssen, so verspräche er dem Herzog, daß er von allen deutschen Fürsten der Erste sein solle, der berücksichtigt werden würde.

Seltsam! Derselbe Fürst, dessen Gewissen ihm verbot, das Blut seiner Truppen auch nicht im gerechten Kriege zur Vertheidigung seines Landes zu vergießen, der lieber die härteste Behandlung und die Verwüstung seiner Städte und Dörfer erduldete, als sich zu entschließen, auch nur einen Rekruten freiwillig wegzugeben, bot seine gesammten Truppen, die der großen Mehrzahl nach aus Landeskindern bestanden, einer fremden Macht zur beliebigen Verwendung in fremden Welttheilen gegen Erlangung bedeutender Geldvortheile an. So groß ist die Macht des Herkommens und des Geistes der Zeit, in welcher man lebt, daß auch die besten und edelsten Charaktere in unwissentlicher Verblendung Handlungen begehen, welche die Moral eines späteren Jahrhunderts strengstens verurtheilen muß.

Es erübrigt sich nun noch, darzuthun, in welcher Weise das deutsche Reich und somit auch Meklenburg seinen Frieden mit dem König von Preußen machte.

Nachdem Friedrich der Große im Mai des Jahres 1762 Frieden mit Rußland und Schweden geschlossen hatte, konnte er seine gesammten Streitkräfte gegen die Oestreicher und gegen die Reichsarmee verwenden. Dadurch wuchs die Armee des Königs in Schlesien auf 78000, die des Prinzen Heinrich in Sachsen auf 30000 Mann an. Am 21. Juli wurden die Oestreicher in dem Treffen bei Burkersdorf geschlagen; am 9. October capitulirte die Festung Schweidnitz nach neunwöchentlicher hartnäckiger Belagerung. Am 29. October schlug Prinz Heinrich - unter ihm die Generäle von Seidlitz, Stutterheim, Kleist und Belling - die Reichsarmee unter dem Prinzen Stolberg entscheidend bei Freiberg. Am 7. November ließ der König, welcher sich nach Beendigung der Operationen in Schlesien nach Sachsen begeben hatte, den Feind aus seinen Stellungen diesseits des Plauenschen Grundes vertreiben. Es war der letzte Kampf in diesem gigantischen Kriege; die kleinen Staaten des deutschen Reiches lagen wehrlos zu den Füßen des Königs von Preußen!

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Um den Reichsständen dies klar zu machen und um Contributionen als Ersatz für die den preußischen Ländern zugefügten Kriegsschäden zu erheben, entsandte der König den General von Kleist mit 6000 Mann zu einem Streifzuge nach Franken. Am 20. November besetzte Kleist Bamberg und legte der Stadt eine Contribution von 1000000 Thalern auf. Kleinere Reichsstädte, deren Bürger sich den Streifcommandos widersetzten, wurden geplündert und mußten bedeutende Summen entrichten. Am 29. November wurde Nürnberg mit Beschießung bedroht; die Stadt öffnete ihre Thore, lieferte zwölf sechspfündige Geschütze aus und verpflichtete sich 2000000 Gulden zu zahlen. In Nürnberg waren eine Anzahl Geißeln aus preußischen und hannoverschen Gebieten internirt. Vor der Ankunft der Kleist'schen Truppen hatten dieselben nach Regensburg in Sicherheit gebracht werden sollen. Doch die städtischen Behörden dieser Stadt weigerten sich sie aufzunehmen; dieselben mußten einige Meilen vor der Stadt Halt machen und wurden dann durch preußische Husaren befreit.

Ein panischer Schrecken und eine unbeschreibliche Aufregung hatte sich der süddeutschen Staaten bemächtigt. Diese wurde noch vergrößert, als der Baron Plotho am 25. November den einzelnen Gesandten erklärte, der König, sein Herr, beabsichtige, da alle Ermahnungen des Königs, sich nicht in den Krieg zwischen Preußen und Oestreich zu mischen, unbeachtet geblieben wären, 4 Corps gegen diejenigen Reichsstände, welche nicht sofort ihre Contingente von der Reichsarmee abberufen würden, zu senden.

Am 21. November wurden zwischen den preußischen und den östreichischen Befehlshabern eine Waffenruhe verabredet. Der Reichsarmee wurde in der Convention mit keinem Worte gedacht. Der Baron Teuffel schrieb seiner Regierung, man sei beim Reichstage empört über den Kaiser, der das Reich völlig offen liegen lasse und die Reichstruppen zur Bedeckung Böhmens verwende. Die preußischen Husaren ritten bis an die Thore Regensburgs; die Comitialgesandten waren wiederum wegen ihrer persönlichen Sicherheit besorgt und dachten daran, die Stadt zu verlassen. Eine Sprengung des Reichstags lag aber nicht in der Absicht des Königs von Preußen. Er wollte bei Beginn der Friedensunterhandlungen mit Oestreich nicht neue Verwicklungen herbeiführen; er gedachte vielmehr, sich die Furcht der Reichsstände zu Nutzen zu machen und mit denselben Separat=Abkommen zu schließen, um das Haus Habsburg durch völlige Isolirung leichter zum Frieden zu bewegen. Zu dem Ende hatte er dem Baron Plotho am 5. December 1762 Vollmacht gesandt, um mit den einzelnen Comitial=

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gesandten auf Neutralität zu unterhandeln, stellte dabei aber den 14. März des folgenden Jahres als festen Termin, an welchem Alles abgeschlossen sein müsse.

Die deutschen Reichsstände beeilten sich, die goldene Brücke zu betreten, welche Preußen ihnen baute. Baiern eröffnete den Reigen, dann folgten Württemberg und Kurpfalz; die Bischöfe von Bamberg und Würzburg hatten direct mit dem General Kleist einen Neutralitätsvertrag abgeschlossen. Der meklenburgische Comitialgesandte ging keinen Specialvertrag ein, war aber von seiner Regierung dahin instruirt, wenn Preußen am Reichstage eine allgemeine Neutralitäts=Declaration vorlege, derselben beizutreten, dabei aber zu betonen, daß der Herzog ja während des ganzen Krieges sich streng neutral verhalten habe. Man nahm in Schwerin an, daß Preußen durch den mit dem Obersten v. Belling abgeschlossenen Vertrag gesichert sei.

Der Kaiser war mit dem Verlaufe, welchen die Angelegenheiten im Reiche nahmen, im Grunde genommen nicht unzufrieden; es wurde das östreichische Kaiserhaus dadurch der Ehrenpflicht, beim Frieden für die Interessen der Reichsstände einzutreten, überhoben. Indessen glaubte er es seiner Würde und seinem Ansehen schuldig zu sein, als Oberhaupt des deutschen Reiches aufzutreten und die Initiative zu ergreifen. Er suchte daher die Stände zur Standhaftigkeit zu ermahnen und traf Maßregeln, den General Kleist aus Franken zu vertreiben. Der Prinz von Stolberg, welcher mit den Truppen des (östreichischen) Generals von Haddick bei Dresden im Lager stand, wurde angewiesen, schleunigst nach Franken aufzubrechen. Bevor derselbe aber in Nürnberg anlangte, ward der General Kleist gezwungen, vor dem chursächsischen Corps, welches, im französischen Dienste stehend, nach dem am 15. Nov. zwischen dem Prinzen Ferdinand und den Marschällen d'Estrees und Soubise geschlossenen Waffenstillstande heranmarschirte, sich über Erfurt nach Altenburg zurückzuziehen - 21. December -. Am 11. Januar 1763 ward dann eine Waffenruhe mit der Reichsarmee abgeschlossen, welche sich jetzt, ebenso wie sie vor 6 Jahren zusammengetreten war, nach der Willkür der einzelnen Kriegsherren allmählich aufzulösen begann.

Am 19. Januar 1763 ließ der Kaiser der Reichsversammlung durch ein Commissions=Decret eröffnen, daß die Kaiserin von Oestreich auf die ihr durch den Reichstagsbeschluß vom 17. Januar 1757 gewährte Reichshülfe verzichte und ersuchte die Versammlung ein Reichsgutachten abzugeben, wie dem deutschen Vaterlande der so wünschenswerthe Friede wiederzugeben sei. Am 7. Februar wurde die kaiserliche Botschaft in den drei Collegien - dem kur=

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fürstlichen, dem fürstlichen und dem reichsstädtischen - berathen und die einzelnen Vota zu Protokoll gegeben. "So groß war das Bedürfniß nach Frieden," berichtete Baron Teuffel seinem Hofe, "daß Niemand widersprach, was noch nie vorgekommen ist!" In der Sitzung vom 11. Februar wurde das Reichsgutachten dahin zusammengefaßt, daß die reichsständischen Contingente entlassen werden sollten, und daß man zu dem Könige von Preußen das Vertrauen habe, daß nunmehr die Reichslande von allen Belästigungen des Kriegs befreit sein würden. Hieraufhin gab der Freiherr von Plotho die Erklärung ab, daß der König, sein Herr, die Neutralität des Reiches annehmen und dabei die Stände schützen und schirmen würde. Am 24. Februar erließ der Kaiser ein Decret an die Reichsversammlung, in welchem der Abschluß des Hubertsburger Friedens - 15. Februar 1763 - mitgetheilt und der Befehl zur Auflösung der Reichsarmee gegeben wurde.

In der nächsten Rathsversammlung - berichtet Teuffel - wurde ein Beschluß gefaßt, in welchem man der Kaiserin=Königin und dem Kaiser dankte, ersterer für das Interesse, welches sie bei den Friedensverhandlungen dem Reiche bewiesen, letzterem für die Mittheilung des Friedensschlusses. Zum Schluß erhob sich der kursächsische Gesandte, der Baron von Ponikau, und verlas - es klang wie Hohn! - ein in den verbindlichsten Ausdrücken abgefaßtes Schreiben, worin "der Churfürst, sein Herr, den höchsten und hohen Ständen für die geleistete Reichshülfe seinen Dank aussprach und sich vorkommenden Falls zu Gegendiensten bestens offerirte."

Wir sind mit unserer Erzählung zu Ende. Es ist kein erfreuliches Zeitbild, welches wir unseren Lesern entrollt haben. Es zeigt das ehedem so mächtige deutsche Reich in Zerissenheit und tiefer Erniedrigung. Und doch sollten noch schmachvollere Zeiten kommen, bevor sich überall in den deutschen Landen, bei Fürsten und Völkern, die volle Erkenntniß Bahn brach, daß nur durch ein einmüthiges Zusammenstehen Aller ein gesichertes und gedeihliches Staatsleben gewährleistet werde. Daß unser Volk diese Zeiten überdauert hat, ohne zu Grunde zu gehen, ist ein Beweis von dem, sämmtlichen deutschen Volksstämmen, auch den kleinsten, innewohnenden moralischen Halt und ihrer kernfesten Tüchtigkeit.

 

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